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German Pages [553]
Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) · Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)
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Michael Pietsch
Die Kultreform Josias Studien zur Religionsgeschichte Israels in der späten Königszeit
Mohr Siebeck
Michael Pietsch, geboren 1967; 1987–94 Studium der Ev. Theologie in Heidelberg, Basel, Tübingen und Kiel; 2002 Promotion; 2002–08 Hochschulassistent an der Universität Hamburg; 2011 Habilitation; seit 2010 Vertretungsprofessuren an den Universitäten Bremen, Hamburg und Osnabrück.
e-ISBN PDF 978-3-16-152348-9 ISBN 978-3-16-152273-4 ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio nalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Sys temen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Die Kultreform Josias ist als das „Achsenkreuz“ der Literatur- und Religionsgeschichte des alten Israel bezeichnet worden (O. Kaiser). Die Neuordnung des religiösen Symbolsystems, die in den kultpolitischen Maßnahmen Josias zum Ausdruck kommt, markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der altisraelitischen Religion auf dem Weg zu einer monotheistischen Gotteskonzeption. Hier laufen ältere Traditionen der Religion Israels zusammen, werden gebündelt, neu figuriert und entfalten schließlich in der babylonischen und persischen Epoche ihre breitere Wirkung. In der jüngeren Forschung werden jedoch sowohl das Programm als auch die Historizität der josianischen Kultreform höchst kontrovers beurteilt. Das hängt zum einen mit der anhaltenden Debatte über den historischen Quellenwert der biblischen Überlieferungen für eine Rekonstruktion der Religionsgeschichte Israels zusammen, der häufig sehr gering veranschlagt wird. Andererseits ist die lange Zeit unumstrittene Gleichsetzung des Toradokuments, das nach dem Bericht in 2Kön 22–23 vom Priester Hilkia im Tempelbezirk entdeckt wurde, mit dem „Urdeuteronomium“ in jüngster Zeit bezweifelt und damit das religiöse Programm der Reform fraglich geworden. Angesichts dieser Ausgangslage unternimmt die vorliegende Untersuchung, die im Sommersemester 2011 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg als Habilitationsschrift angenommen worden ist, den Versuch, auf Grundlage einer kritischen Sichtung und Interpretation der einschlägigen biblischen und außerbiblischen Quellen ein möglichst konsistentes Bild der in Frage stehenden Epoche zu gewinnen und die religionsgeschichtlichen Prozesse, die zur Umbildung des religiösen Symbolsystems in Juda in der späten Königszeit geführt haben, präziser zu beschreiben. Der Abschluss des Manuskripts erfolgte im Herbst 2010; Literatur, die mir erst später zugänglich geworden ist, konnte nur noch vereinzelt eingearbeitet werden. Wie sehr ein solches Unterfangen auf vielen Schultern ruht, zeigt nicht nur das Gespräch mit den früheren Generationen, wie es das Literaturverzeichnis dokumentiert, es hat sich für mich vor allem im lebendigen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen im Hamburger Forschungskolloquium zum Alten Testament bewährt, in dessen offener und konstruktiver Atmosphäre ich meine Ideen und Vorarbeiten zur Diskussion stellen konnte und das mir über die letzten fast zwei Dezennien zur wissenschaftlichen Heimat geworden ist. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sei für ihr
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Vorwort
kritisches Mitdenken, ihre klärenden Rückfragen und ihre stete Ermutigung an dieser Stelle herzlich gedankt. Einen besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. Stefan Timm für die bereitwillige Übernahme des Erstgutachtens und Herrn Prof. Dr. Friedhelm Hartenstein, der sich trotz großer Arbeitsbelastungen bereit erklärte, das Zweitgutachten zu verfassen. Nicht weniger zu Dank verpflichtet bin ich Frau Prof. Dr. Ina Willi-Plein, die in unzähligen Gesprächen, sei es auf den wenig einladenden Fluren in der Sedanstraße oder in ihrem gastfreien Haus, engagierten Anteil an dem Fortgang der Arbeit genommen hat. Ein steter Gesprächspartner war mir darüber hinaus Herr PD Dr. Andreas Scherer, der sich zusätzlich der Mühsal des Korrekturlesens unterzogen hat, dafür und für seine unermüdliche Freundschaft sei ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Schließlich gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Bernd Janowski, Herrn Prof. Dr. Hermann Spieckermann und Herrn Prof. Dr. Mark S. Smith für ihre Bereitschaft, die Arbeit in die Reihe der Forschungen zum Alten Testament aufzunehmen. Der Verlag Mohr Siebeck, in Vertretung durch Herrn Dr. Henning Ziebritzki und Frau Tanja Idler, hat die Drucklegung des Bandes in gewohnt vorbildlicher Art und Weise betreut. Dafür danke ich ihnen herzlich. Ohne die Unterstützung durch meine Familie und Freunde hätte ich diese Arbeit nicht fertig stellen können, was ich ihnen verdanke, vermögen Worte nicht zu sagen. Michael Pietsch
Hamburg, im November 2012
Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................... V Verzeichnis der Abkürzungen ................................................................. IX Einleitung: Die josianische Reform zwischen fact und fiction ....................1 1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung ...................... 24 2. Kapitel: Aufbau und Textur des Reformberichts................................... 37 3. Kapitel: Der vordere Königsrahmen (2Kön 22,1f.) ............................... 48 4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10) .................................................................................... 56 5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)........................................ 109 6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3) ........................ 160 7. Kapitel: Der Reformkatalog (2Kön 23,4–20) ...................................... 206 Exkurs 1: Der Gebrauch der syntaktischen Fügung weqƗܒal-x in den Königsbüchern ......................................................... 223 1. Ba‘ al, Aschera und das Heer des Himmels (2Kön 23,4f.)................ 239 Exkurs 2: Der Priestertitel ʸʮʫ und sein religionsgeschichtliches Umfeld ................................................................................ 274 2. Der Ascherakult (2Kön 23,6f.)........................................................ 305 3. Der Kultbetrieb an den bƗmôt und im tofæt (2Kön 23,8–10) ........... 330 Exkurs 3: Zu den Kinderopfertexten im Alten Testament ..................... 367 4. Die Wagen und Pferde der Sonne (2Kön 23,11) .............................. 397 5. Dachaltäre und das Heer des Himmels (2Kön 23,12) ...................... 411 6. Die Heiligtümer auf dem Ölberg (2Kön 23,13f.) ............................. 422 7. Die Kultreform in den Städten Samarias (2Kön 23,15–20).............. 431 8. Kapitel: Passafeier und Nachtrag (2Kön 23,21–24) ............................ 443 9. Kapitel: Der hintere Königsrahmen (2Kön 23,25–30)......................... 453 Exkurs 4: Einige Überlegungen zum Abschluss der Königsbücher ...... 465
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Inhaltsverzeichnis
Ertrag: Die josianische Reform – Werk und Wirkung............................. 471 Exkurs 5: Zur These einer imperialistischen Religionspolitik der Assyrer ......................................................................... 476 Anhang: Abbildungen ............................................................................. 493 Literaturverzeichnis ................................................................................ 505 Stellenregister ......................................................................................... 531 Sachregister ............................................................................................ 539
Verzeichnis der Abkürzungen Die bibliographischen Abkürzungen richten sich nach S. M. SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin / New York 21992. Darüber hinaus ist auf Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaft nach RGG4 (UTB 2868), Tübingen 2007, zu verweisen. In den Anmerkungen wird die Literatur jeweils mit Verfassernamen und Kurztitel zitiert, bei Kommentaren zu biblischen Büchern werden nur Verfassername und Seitenzahl angegeben. Darüber hinaus finden folgende bibliographische Abkürzungen Verwendung: ABL CoS DDD2 Ges.18
Ges.-K. HAE HAL3 HBS KAANT NBL NEAEHL NSK.AT ORA SAA SBL.WAW WSS WUB
R. F. HARPER, Assyrian and Babylonian Letters, 14 Bde., London / Chicago 1892–1914 W. W. HALLO / K. LAWSON YOUNGER (Hg.), Context of Scripture, 3 Bde., Leiden 2003 K. VAN DER TOORN et al. (Hg.), Dictionary of Deities and Demons in the Bible, Leiden et al. 1999 W. GESENIUS, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, hg. von R. Meyer / H. Donner, 6 Bde., Heidelberg et al. 1987–2010 W. GESENIUS, Hebräische Grammatik, vollst. umgearbeitet von E. Kautzsch Leipzig 281909 (ND Darmstadt 1991) J. RENZ / W. RÖLLIG, Handbuch der althebräischen Epigraphik, 3 Bde. in 4, Darmstadt 1995 / 2003 Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament, hg. von W. Baumgartner et al., 2 Bde., Leiden et al. 1995 Herders Biblische Studien, Freiburg i.Br. Kleine Arbeiten zum Alten und Neuen Testament, Waltrop M. GÖRG / B. LANG (Hg.), Neues Bibellexikon, 3 Bde., Zürich 1991– 2001 E. STERN (Hg.), The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, 5 Bde., New York et al. 1993 / 2008 Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament, Stuttgart Orientalische Religionen in der Antike, Tübingen State Archives of Assyria, Helsinki SBL Writings from the Ancient World, Atlanta N. AVIGAD / B. SASS, Corpus of West Semitic Stamp Seals, Jerusalem 1997 Welt und Umwelt der Bibel, Stuttgart
Einleitung
Die josianische Reform zwischen fact und fiction Die kultpolitischen Reformen des judäischen Königs Josia können als „das Achsenkreuz der alttestamentlichen Literatur- und Religionsgeschichte“ gelten.1 In dieser Einschätzung kommt die herausragende Bedeutung der josianischen Reform für eine Gesamtsicht der altisraelitischen Religionsund Literaturgeschichte prägnant zum Ausdruck. Die Ereignisse markieren einen Wendepunkt in der Entwicklung des religiösen Symbolsystems in Juda auf dem Weg zu einer monotheistischen Gotteskonzeption, wie sie später in der babylonisch-persischen Epoche in ausgebildeter Form zutage tritt. Zugleich steht und fällt mit der religionsgeschichtlichen Analyse des Reformberichts in 2Kön 22–23 ein wichtiger Orientierungspunkt für die theologiegeschichtliche Verortung weiter Teile der alttestamentlichen Literatur. Es ist daher nicht überraschend, dass der josianischen Reform – ihren Voraussetzungen, ihrer Durchführung und Nachgeschichte – in der alttestamentlichen Wissenschaft erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt wurde. R. H. Lowery stellt beinahe resigniert fest: „If laid end to end, the scholarly pages written about Josiahʼs reform might well reach to the moon.“ 2 Von einem Konsens – und sei es nur in Grundfragen – ist die Diskussion trotz intensiver Debatten zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum weniger weit entfernt. Glaubte B. Gieselmann Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bei allen Kontroversen in Einzelfragen noch feststellen zu können, dass weitgehend darüber Einigkeit bestünde, dass die Erzählung in 2Kön 22–23 mehr oder weniger stark dtr redigiert worden sei, dass das Gesetzbuch mit einer Vorform des Deuteronomium identifiziert werden könne und dass dem Reformbericht ein historischer Kern zugrunde liege 3, so sind selbst diese Eckpfeiler der historischen Arbeit in jüngster Zeit zunehmend in Frage gestellt worden. Dies betrifft zuerst das deuteronomistische Paradigma: Dabei steht nicht so sehr die Frage im Raum, in welchem Umfang der Bericht in 2Kön 22f. dtr bearbeitet worden sei oder ob er ältere Quellen verarbeitet habe, sondern inwieweit die Hypothese eines deuteronomistischen Großgeschichtswerks a priori zur Voraussetzung einer literaturgeschichtlichen Analyse 1
KAISER, Pentateuch, 127. LOWERY, Reforming Kings, 190. 3 Vgl. GIESELMANN, Reform, 241. 2
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Einleitung
des Textes erhoben werden dürfe.4 Angesichts der jüngeren Forschungsdiskussion, die M. Noths Annahme eines ursprünglichen Erzählfadens, der die Bücher Deuteronomium bis Könige zu einer historiographischen Gesamtkomposition zusammenbinde, kritisch hinterfragt5, mehren sich die Stimmen, die den Reformbericht zunächst im Zusammenhang der literarischen Komposition der (Samuel- und) Königsbücher lesen wollen. Eine übergreifende dtr Großkomposition sei höchstens für ein späteres Überlieferungsstadium zu erwägen. Die Gleichsetzung des Gesetzbuchs, das im Tempel aufgefunden wurde, mit dem Deuteronomium, die nicht erst seit W. M. L. de Wettes wegweisenden „Beiträge(n) zur Einleitung in das Alte Testament“ aus dem Jahr 1806 die wissenschaftliche Diskussion des Textes weithin bestimmt6, wird gegenwärtig ebenfalls einer kritischen Prüfung unterzogen. Weder will es gelingen, den Umfang eines josianischen Deuteronomium mit Hilfe eines detaillierten Textvergleichs mit dem Reformbericht überzeugend zu bestimmen7, noch können umgekehrt eindeutige literarische Querverbindungen ins Deuteronomium nachgewiesen werden. „So wenig wie die Reinigungsmaßnahmen lassen sich die in 2Kön 23,4–15 bzw. 4–20 berichteten Zentralisationsmaßnahmen eins zu eins auf das Dtn beziehen bzw. als Retroprojektionen dtn. Forderungen verstehen.“8 Das Gewicht dieses Einwands verstärkt sich noch, wenn die literaturgeschichtliche Prämisse eines dtr Großgeschichtswerks in Abrede gestellt wird. Schließlich ist die Historizität der josianischen Kultreform im Ganzen unter dem Eindruck der Ergebnisse der jüngeren Palästinaarchäologie, der Untersuchungen zur judäischen Glyptik und der epigraphischen Zeugnisse der späten Eisenzeit bezweifelt worden. „Die Versuche, ‚primary evidence‘ für die Reform des Joschija beizubringen …, müssen als gescheitert betrachtet werden … Damit fehlt das entscheidende Kriterium für die Behauptung der Historizität dieser Reform.“9 In religionsgeschichtlicher Perspektive besagt dieser Einwand nicht weniger, als dass „von einer assyrischen Krise der judäischen Religion des 7. Jahrhunderts nicht die Rede sein (könne)“10, die in der Forschung mit unterschiedlichen Modifikationen zur Voraussetzung der josianischen Reformpolitik erklärt worden ist.
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Vgl. BARRICK, King, 10–14. Vgl. die forschungsgeschichtlichen Referate bei VEIJOLA, Deuteronomismusforschung, 24–41, und SCHERER, Forschungen. 6 Vgl. DE WETTE, Beiträge, 168–179, und zum forschungsgeschichtlichen Rang von de Wettes Untersuchungen SMEND, Arbeit. 7 Vgl. OTTO, Deuteronomium, 6–14. 8 KEEL, Geschichte, 523 (vgl. bereits BARRICK, King, 7–10). 9 NIEHR, Reform, 41. Er hält jedoch umgekehrt fest: „Ihre (sc. die josianische Reform) Nichthistorizität ist damit allerdings auch nicht eo ipso bewiesen.“ (ebd.). 10 A.a.O., 39. 5
Die josianische Reform zwischen fact und fiction
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Die kontroverse Forschungslage, die sich bereits in diesen vorläufigen Hinweisen abzeichnet, ist unlöslich mit der Grundsatzdebatte über den historischen Quellenwert der alttestamentlichen Geschichtserzählungen für eine historische Rekonstruktion der Geschichte bzw. Religionsgeschichte Israels verbunden, die seit längerem in der alttestamentlichen Wissenschaft geführt wird.11 In welchem Maß können die biblischen Texte, die das Ergebnis einer fortwährenden, ideologisch gefärbten Geschichtsdeutung sind, zur Grundlage einer historisch-kritischen Geschichtsschreibung gemacht werden? Oder muss eine wissenschaftlich verantwortete Darstellung der (Religions-)Geschichte Israels allein aufgrund des archäologischen Befundes der jeweiligen Epoche entworfen werden, um nicht der Gefahr einer tendenziösen, ‚subdeuteronomistischen‘ Geschichtsideologie zu erliegen? In diesem Zusammenhang ist die hermeneutische Differenzierung der unterschiedlichen Quellengattungen in „Primärquellen“, die den Ereignissen zeitlich nahe stehen und in der Regel mit der materiellen Hinterlassenschaft einer kulturellen Epoche gleichgesetzt werden, und „Sekundärquellen“, die in einem größeren zeitlichen Abstand zu den Ereignissen stehen, über die sie berichten, und denen die biblischen Geschichtserzählungen zugerechnet werden, bedeutsam. Die Hierarchisierung der Quellen, die sich in der Nomenklatur ausspricht und die durch eine „Hermeneutik des Verdachts“, die lediglich solche Angaben der alttestamentlichen Überlieferung für historisch zuverlässig erachtet, die durch zeitgenössische außerbiblische Quellen bestätigt werden (sog. ‚minimalist approach‘), noch verstärkt wird, hat im Verbund mit einer Tendenz zur Spätdatierung weiter Teile der alttestamentlichen Literatur zu einer radikalen Neubewertung der josianischen Reform und der Religionsgeschichte Israels / Judas geführt. Diese Entwicklung soll im Folgenden in einem exemplarischen Durchgang durch die jüngere Forschungsgeschichte nachgezeichnet werden. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, die ohnehin kaum zu erreichen wäre, sondern orientiert sich daran, programmatische Umbrüche und Tendenzen in der gegenwärtigen Debatte über die josianische Reform herauszuarbeiten und an besonders profilierten oder einflussreichen Positionen zu illustrieren.12 11
Vgl. die Beiträge in den beiden Sammelbänden von EDELMAN, Fabric, und HARDSteine, sowie das Themenheft zur Geschichte Israels und zur biblischen Geschichtsschreibung der Zeitschrift „Verkündigung und Forschung“ (1/2008). 12 Vgl. die forschungsgeschichtlichen Referate bei LOHFINK, Diskussion; WEIPPERT, Geschichtswerk; GIESELMANN, Reform; VEIJOLA, Deuteronomismusforschung. – Die Studien von HOFFMANN, Reform, KNOPPERS, Nations, EYNIKEL, Reform, und SWEENEY, King Josiah, beschränken sich im Wesentlichen auf eine literarische Analyse der Erzählung in 2Kön 22–23 und ihre Funktion im narratologischen Gesamtgefüge des Deuteronomistischen Geschichtswerks und berühren historische oder religionsgeschichtliche Fragen nur ganz am Rande. MEIER,
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Einleitung
Die letzte monographische Bearbeitung des Themas in deutscher Sprache stammt aus der Feder von H. Spieckermann und liegt mehr als ein Vierteljahrhundert zurück.13 Spieckermanns einflussreiche Studie greift eine ältere Anregung von T. Oestreicher auf, der im Anschluss an die chronistische Darstellung der Ereignisse zwei Stufen des Reformprozesses unterschieden hatte (vgl. 2Chr 34,3–7.8–33): Der ursprüngliche Reformbericht habe eine Aufzählung von Maßnahmen aus dem zwölften Regierungsjahr des Königs enthalten, die in erster Linie politisch motiviert gewesen seien und die Loslösung Judas von der assyrischen Oberhoheit symbolisierten (vgl. 2Kön 23,4–20*). Von diesen Vorgängen sei die religiöse Reform, die im Gefolge der Auffindung des Gesetzbuches im achtzehnten Jahr Josias durchgeführt worden sei, zu unterscheiden. 14 Spieckermann folgt Oestreicher zwar nicht in der Hochschätzung der Chronik als historischer Quelle für die josianische Reform und teilt auch nicht dessen Unterscheidung in einen Fund- und einen Reformbericht, die breite Zustimmung gefunden hat. Er nimmt aber den Hinweis auf eine antiassyrische Stoßrichtung der Reformtätigkeit Josias auf und versucht erstmals, die josianische Kultreform systematisch unter dem Vorzeichen einer gegen Assur gerichteten Religionspolitik zu interpretieren. 15 Aufgrund einer detaillierten Analyse der spätassyrischen Religion mit ihrem ausgeprägten Interesse an Astrologie und Omenkunde und unter der Annahme einer imperialistischen Religionspolitik der sargonidischen Herrscher, die den assyrischen Staatskult sowohl in den Provinzen des Großreiches als auch bei ihren Vasallen gewaltsam eingeführt hätten, gelangt Spieckermann zu dem Ergebnis, dass der Jerusalemer Tempelkult im 8./7. Jh. v. Chr. stark von spätassyrischen religiösen Vorstellungen und Bräuchen beeinflusst gewesen sei, die eine große Anziehungskraft auf breitere Bevölkerungsschichten ausgeübt hätten.16 Diese Sicht, die vorwiegend auf literarische Quellen aus Mesopotamien zurückgreift, ist in der Folgezeit zwar durch die Befunde der judäischen Glyptik und Epigraphik ergänzt worden, stellt aber bis heute weithin den gültigen Referenzrahmen für eine Analyse der judäischen Religion der späten Königszeit bereit. Im Unterschied zu vielen neueren Arbeiten nimmt Spieckermanns Untersuchung ihren Ausgangspunkt bei einer gründlichen literarischen Analyse der Kapitel 2Kön 22–23, denen er verlässliche historische Informationen über die berichteten Ereignisse entnehmen 13
Vgl. SPIECKERMANN, Juda (vgl. LOHFINK, Diskussion, 42–47). Vgl. OESTREICHER, Grundgesetz, 60–65. Einen instruktiven Überblick über die hitzigen Debatten, die Oestreichers Thesen in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ausgelöst hatten, gibt BAUMGARTNER, Kampf. 15 Einen ersten Versuch in diese Richtung hatte bereits GRESSMANN, Josia, unternommen. 16 Die Trägergruppen der Reform vermutet Spieckermann im Umkreis der dtn Reformbewegung, deren Eifer vor allem religiös, weniger politisch motiviert gewesen sei. 14
Die josianische Reform zwischen fact und fiction
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zu können glaubt. Dabei setzt er ohne weitere Begründung das Göttinger Schichtenmodell als redaktionsgeschichtliches Paradigma voraus, rechnet jedoch mit der Verarbeitung umfangreichen, vordtr Quellenmaterials, das der dtr Erstverfasser des Geschichtswerks (DtrH) behutsam kommentiert und ergänzt habe.17 Die ältere Erzählung stehe den Ereignissen zeitlich sehr nahe und böte die wichtigste Quelle für die spätvorexilische Religionsgeschichte Judas und Jerusalems.
Zu einer gänzlich anderen Einschätzung der literarischen Verhältnisse in 2Kön 22–23 gelangt C. Levin18, der zunächst nach der religionsgeschichtlichen Ortsbestimmung des Deuteronomium fragt, die losgelöst vom Bericht der Königsbücher beantwortet werden müsse. Entscheidend sei hierfür die programmatische Forderung nach der Einheit des Kultortes in Dtn 12*, die als das eigentliche Hauptgebot des ursprünglichen Deuteronomium gelten könne. Die Zentralisation des Kultes am königlichen Heiligtum in Jerusalem lasse sich aber aufgrund allgemeiner religionsgeschichtlicher Erwägungen am ehesten in der Josiazeit verorten, der letzten Blütezeit Judas. Die Zeit des Exils komme dafür so wenig in Betracht wie die nachexilische Zeit, für die der eine Kultort bereits eine conditio sine qua non darstelle. Als Ausgangspunkt dieser Entwicklung sei weniger ein theologisches Programm vorauszusetzen, wie es Dtn 12* formuliert, als vielmehr die geographisch-politische Realität nach den assyrischen Eroberungen des Jahres 701 v. Chr., in deren Folge Juda im Wesentlichen auf das Gebiet eines Stadtstaates reduziert wurde, und das Interesse des Königtums an der Kontrolle der „offiziellen Religionspraxis“ im Land zur Zeit der anschließenden Restauration. Auf der anderen Seite hätte die „Reform Josias“ nicht die Bekämpfung des Synkretismus und die Durchsetzung der Alleinverehrung Jahwes zum Ziel gehabt, wie eine literarische Analyse der Königsbücher zeige. Der Forderung nach der Einheit des Kultortes korrespondiere im Grundentwurf des Deuteronomistischen Geschichtswerks (DtrH) nicht die Forderung nach der Kultreinheit, die erst das Ergebnis nachexilischer theologischer Reflexion sei. Von diesen Voraussetzungen aus analysiert Levin den Bericht über die res gestae Josias in 2Kön 22–23, wobei er den Reformbericht in 23,4–20 als literarisch eigenständige Größe versteht, die erst sekundär mit der Erzählung über die Instandsetzung des Jerusalemer Tempels und die Auffindung des Toradokuments in Kap. 22 verbunden worden sei. Der Reformbericht selbst lese sich wie eine cloaca maxima des Alten Testaments, eine ungeordnete Aneinanderreihung kultischer Greuel, die über einen längeren Zeitraum gewachsen sei und der bis auf einen schmalen Grundstock keinerlei historischer Quellenwert für eine religionsgeschichtliche Rekon17 Der vordtr Quelle gehörten nach Spieckermann 2Kön 22,3–5.7–12.13–20*; 23,1–3* 5f.*7–8a.10f.12a*.29f. an (vgl. DERS., Juda, 422–429). 18 Vgl. LEVIN, Josia.
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Einleitung
struktion der Josiazeit zukomme. In der Folge unternimmt er den Versuch, einer literarhistorischen „Säuberung“ des Textes, und setzt dazu bei der Höhennotiz in V.8a ein, in der er den Textanteil der dtr Erstredaktion (DtrH) vermutet, da die Kultzentralisation den Schlüssel der geschichtstheologischen Hermeneutik der Erstedition der Königsbücher bilde. Alle weiteren Einzelmaßnahmen ließen sich als redaktionelle Fortschreibungen dieses Grundbestands erklären, wie sich einerseits aus verschiedenen Doppelungen und Spannungen innerhalb der Darstellung von 2Kön 23,4–20 und andererseits aufgrund literarischer Querbezüge zu anderen spätdtr Passagen in den Königsbüchern ergebe. Religionsgeschichtliche Analogien in aramäisch-neuassyrischen Quellen werden bei Levin der literarkritischen Analyse des Textes ausdrücklich nach- und untergeordnet und spielen für die Frage nach der redaktionsgeschichtlichen Verortung des Textes (und seiner Bearbeitungsstufen) keine Rolle. „Irgendein datierbarer außerisraelitischer Parallelbeleg schließt nicht von vornherein aus, daß das Auftauchen der entsprechenden Erwähnung im Alten Testament um Jahrhunderte später anzusetzen ist.“19 Eine historische Rekonstruktion der josianischen Reform – sofern man an dieser Bezeichnung festhalten will – habe sich ausschließlich auf die Notiz in 2Kön 23,8a zu beschränken, alles andere sei nicht Geschichtsschreibung sondern Legendenbildung. Im gleichen Jahr wie der Beitrag Levins erschien der zweite Band des Kommentars zu den Königsbüchern von E. Würthwein. Nach Würthwein handelt es sich bei der literarischen Komposition in 2Kön 22,3–23,27 nicht um einen zusammenhängenden Geschichtsbericht, sondern um drei ‚ideale Szenen‘, die jeweils das Gesetzbuch zum Mittelpunkt hätten und auf verschiedene dtr Verfasser(-kreise) zurückgeführt werden könnten. Der älteste Bericht von der Auffindung des Gesetzbuches (vgl. 2Kön 22,3*.8.10f.) „bildet eine dtr Sonderüberlieferung, die vom Auftauchen des Dtn. handelt“20 und sei vom dtr Erstredaktor (DtrH) in sein Werk aufgenommen worden. Eine erste Fortschreibung habe das Huldaorakel in die Erzählung eingefügt (DtrP), um die Katastrophe des Exils und der Zerstörung von Stadt und Tempel theologisch zu reflektieren. Erst in der fortgeschrittenen Exilszeit sei der Bericht von der feierlichen Selbstverpflichtung von König und Volk auf das Deuteronomium (= das Bundesbuch, vgl. 2Kön 23,2) und der idealen Verwirklichung seiner Forderungen (vgl. 23,4–20) hinzugefügt worden (DtrN), um die Verbindlichkeit des Gesetzbuches zu unterstreichen. Obwohl der Reformbericht literarisch zu den spätesten Teilen der Erzählung zu rechnen sei, hätten sich in V.11f.* „einige alte … Nachrichten aus der Zeit Joschijas“ erhalten21, die den Einfluss assyrischer Religionspraxis im spätvorexilischen Jerusalemer Tempelkult belegten. Dieser überlieferungsgeschichtliche nucleus des Reformberichts habe dem nomistischen Bearbeiter „die Anregung für eine ins Grundsätzliche ausgeweitete Darstellung über die Kultgestaltung gemäß
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A.a.O., 206 Anm. 38. WÜRTHWEIN, 463. 21 A.a.O., 455. In einer älteren Studie hatte Würthwein noch die Entfernung der Kultgeräte für das Himmelsheer aus dem Hauptraum des Jerusalemer Tempels zum überlieferungsgeschichtlichen Kern des Berichts gezählt (vgl. DERS., Reform, 417). 20
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den dtn. Forderungen“ gegeben.22 Ähnlich wie Levin rechnet auch Würthwein mit einem stark reduzierten Quellenwert der Erzählung in 2Kön 22f., bestimmt diesen und damit das religionsgeschichtliche Profil der Reform jedoch gänzlich konträr: Gilt für Levin die Kulteinheit als das religiöse Proprium der königlichen Reformpolitik, so steht bei Würthwein die Reinigung des Jerusalemer Kultbetriebs von assyrischen Einflüssen im Mittelpunkt des Geschehens.
In einer Reihe von Aufsätzen hat sich K. Koch in Auseinandersetzung mit den Thesen Spieckermanns um die Aufhellung der religionsgeschichtlichen Hintergründe der josianischen Reform bemüht.23 Er gelangt zu dem Ergebnis, dass sämtliche von Josia beseitigten Kulteinrichtungen auf einen astral-religiösen Bezugsrahmen verweisen. Die Reform habe den Zweck „einer entschiedenen Abwehr jener Gestirnsverehrung, die sich in neuassyrischer Zeit im gesamten Vorderen Orient ausgebreitet hat“, verfolgt. 24 Dabei sei neben assyrischem Einfluss verstärkt mit der Übernahme religiöser Vorstellungen und Bräuche aus dem syrisch-aramäischen Raum zu rechnen, wie sich besonders an der Verehrung Jahwes als ‚Himmelsmeister‘ (Ba‘alšamem) zeige, der die Himmelskörper lenkt (vgl. 2Kön 23,4a.5). Koch betrachtet den Reformbericht in 2Kön 23,4–20* als ein selbständiges Textstück, das über Vers 4a* mit der Gesamterzählung verklammert worden sei. Das vordtr Dokument, dessen „Bedeutung für jede Theorie über alttestamentliche Literaturgeschichte und israelitische Religionsgeschichte kaum zu überschätzen ist“ 25, rekonstruiert Koch in den Versen 4f.*6–8.10f.12*.13a*.14f.* (19f.*?).26
Über Spieckermann hinaus vermutet Koch für den Ascherakult, den Kult in den landjudäischen Heiligtümern (TWMB, vgl. V.8a.13) oder die Installationen im Ben-Hinnomtal (vgl. V.10) eine astrale Orientierung, die sich jedoch in erster Linie auf die kontextuelle Verknüpfung der jeweiligen Notizen mit solchen, die zweifelsfrei astral konnotierte Kultpraktiken zum Gegenstand haben, stützt.27 So folgert er aus der Reihung Ba‘al, Aschera und Himmelsheer in V.4a, die in V.5–7 aufgenommen und entfaltet wird, dass die Aschera im Jerusalemer Tempel astrale Relationen besessen habe28 und stellt sie der in Jer 7,18 und 44,15–19 erwähnten ‚Himmelskönigin‘ an die Seite. Ähnlich verläuft seine Argumentation zugunsten einer 22
WÜRTHWEIN, 455. Vgl. KOCH, Aschera; DERS., Gefüge; DERS., Molek. 24 KOCH, Gefüge, 90. 25 A.a.O., 91. 26 Vgl. a.a.O., 88–90. 27 In V.13* nimmt Koch wegen der Lage des Ölbergs östlich von Jerusalem und aufgrund der literarischen Nachbarschaft zu V.11f. eine solar orientierte Kultpraxis an (vgl. a.a.O., 88). Für die Heiligtümer in der Landschaft Juda und im Bereich des Stadttores von Jerusalem schließt er aus der Semantik der Wurzel RFQ Pi. auf astrale Kulthandlungen (vgl. KOCH, Aschera, 104f.; DERS., Molek, 38f. mit Anm. 36). 28 Vgl. KOCH, Aschera, 106f. 23
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astralen Interpretation des Feuerritus im Ben-Hinnomtal. Der mlk-Kult sei vor dem Hintergrund „einer astral orientierten Gottesauffassung“, wie sie im Reformbericht vorherrsche, vermutlich als „‚Hinführung‘ (sc. des verstorbenen Kindes) zu den himmlischen Schicksalsmächten“ zu verstehen. 29 Auf diese Weise gelangt Koch zu einer geschlossenen Gesamtinterpretation der josianischen Reformpolitik und ihres religionsgeschichtlichen Profils. R. Albertz stellt die josianische Kultreform in den breiten Strom der dtn Reformbewegung hinein und versteht sie als religionspolitischen Ausfluss „eine(r) breite(n) nationale(n), soziale(n) und religiöse(n) Erneuerungsbewegung, welche die historische Chance, die das Zurückweichen der assyrischen Fremdmacht bot, entschlossen zu einer völligen Neukonstituierung des israelitischen Staates nutzen wollte“.30 Das Deuteronomium selbst betrachtet er als ‚Programmschrift‘ der Reform, auf das sich der König und das Volk in 2Kön 23,1–3 als neues ‚Staatsgesetz‘ verpflichtet hätten. Die Trägergruppen der Reform identifiziert er mit Vertretern der politischen und religiösen Oberschicht: dem Landadel (zRAH mY), der höfischen Beamtenschaft um die Familie der Schafaniden, der Jerusalemer Priesterschaft sowie prophetischen Kreisen.31 Institutionell stehe die Reform mit dem Jerusalemer Obergericht in Verbindung, das unter Hiskia eingerichtet worden sei und seine Rechtsrevision unter die Autorität des Mose gestellt habe. Der legendarische Fundbericht in 2Kön 22,3–11 sei literarischer Ausdruck dieser Stilisierung des Deuteronomium als Moserede und legitimiere die umfassende Neuordnung der politischen, sozialen und religiösen Verhältnisse als Rückkehr zum Ursprung.32 Der eigentliche Reformbericht sei zwar dtr Herkunft, biete jedoch ein weithin verlässliches Bild der religiösen Verhältnisse der Josiazeit, die durch einen religionsinternen Pluralismus der Jahwereligion geprägt gewesen sei, der durch das Eindringen assyrisch-aramäischer Riten und Bräuche in den Staatskult sowie in die private Frömmigkeit wesentlich befördert wurde.33 Die Kultreform richte sich mit der dtn Forderung nach einer exklusiven Jahweverehrung gegen diese synkretistischen Tendenzen. Die Kultzentralisation verfolge einer29
KOCH, Molek, 41 (vgl. Jer 7,30–8,3). Vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, 304–360 (310). 31 Vgl. a.a.O., 313–317. Unter die prophetischen Kreise, die das Reformwerk unterstützten, rechnet Albertz u.a. Jeremia, der zu Beginn seines Wirkens für die Annahme der Reform im Gebiet der ehemals assyrischen Provinz Samerīna geworben habe (vgl. Jer 2,4–4,2* und 30f.*). 32 Vgl. a.a.O., 317–321. 33 Vgl. a.a.O., 307–309. Albertz rekonstruiert zwar in 2Kön 22,2–23,4*.20b–23 eine ältere Quelle, die er in die frühe Exilszeit datiert, die jedoch „als einzige Reformmaßnahme die Reinigung des Jerusalemer Tempels als Vorbereitung für das Passafest“ enthalten habe (a.a.O., 309 Anm. 8). 30
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seits das Ziel, den religionsinternen Pluralismus einzudämmen, andererseits wolle sie den territorialen Anschluss vormals israelitischer Gebiete an Juda unterstützen.34 Albertz gelingt es, ein detailliertes und plastisches Bild der religiösen und sozialen Lebenswelt in Juda am Ausgang des 7. Jh. v. Chr. zu entwerfen, das die josianische Religionspolitik in das traditionsgeschichtliche Umfeld des Deuteronomium einbettet und sie als Teil einer neuen Gesellschaftsordnung versteht. Das Deuteronomium gilt ihm als hermeneutischer Schlüssel zum Verständnis des Reformberichts im Ganzen. Im Stil eines historischen Vorspanns zu seiner Untersuchung über die Rolle, die das Gedächtnis Josias bei der Ausbildung der Messiaserwartung in exilischer und nachexilischer Zeit gespielt habe, skizziert A. Laato sein Verständnis der politischen und religiösen Wirksamkeit dieses Königs.35 Dabei bewegt er sich weithin auf ausgetretenen Bahnen: Die literarische Komposition in 2Kön 22–23 stamme von dtr Hand, sei jedoch nicht ohne historischen Wert. Im Gegenteil, die Pragmatik der Erzählung, die Laato als eine dtr Theodizee charakterisiert, die den Widerspruch zwischen der idealisierten Herrschaft Josias und seinem vorzeitigen Tod mit dem Hinweis auf die Sünde Manasses zu bearbeiten versuche36, sei nur verständlich, wenn beide, die königliche Reformpolitik und sein Tod bei Megiddo, historische Valenz besäßen. Dabei ist vorausgesetzt, dass die Erzählung literarisch einheitlich ist.37 Die treibende Kraft hinter den königlichen Reformen sei mit der dtn Tora und ihren Trägergruppen zu identifizieren. Religiös wende sie sich gegen assyrisch-kanaanäische Kultpraktiken in der Jahwereligion, politisch strebe sie den Anschluss des samarischen Territoriums an Juda an.
Von einer ganz anderen Richtung hat sich W. G. Dever dem Reformbericht genähert.38 Er plädiert für eine archeologica veritas als wichtigstes Korrektiv einer vorwiegend textorientierten Rekonstruktion der Geschichte Israels. Die Archäologie ermögliche einen funktionalen Zugang zu Religion und Kult in Israel, wie sie in der biblischen Überlieferung vorausgesetzt und reflektiert werden. Am Beispiel des Reformberichts sucht Dever zu zeigen, „that everyone of the aspects of the ‚popular cults‘ mentioned in 2 Kings 23 can now be illuminated by archaeological discoveries, and in 34 Albertz hält die Nachricht über die Zerstörung des Altars in Bet-El (vgl. 2Kön 23,15–18*) für historisch plausibel, die Ausweitung der Reform auf die Städte Samarias in 2Kön 23,19f. beurteilt er dagegen als „eine dtr Übertreibung“ (a.a.O., 308 Anm. 4). 35 Vgl. LAATO, Josiah, 37–80 (bes. 37–52). 36 Das Huldaorakel setze den Tod Josias in 2Kön 22,19f. bewusst in Parallele zum Untergang Judas, der in 2Kön 23,26f. als Spätfolge der synkretistischen Religionspolitik Manasses erscheint. Josias vorzeitiger Tod, der das Gericht über Juda und Jerusalem einleite, finde seine Erklärung somit im Zorn Jahwes über die Sünde Manasses. 37 Laato rechnet zwar mit einer spätvorexilischen, josianischen Erstausgabe des Deuteronomistischen Geschichtswerks, hält es jedoch für unmöglich, diese literarisch gegenüber dem Endtext genauer abgrenzen zu können. Daher bleiben nicht zuletzt seine Überlegungen zu einer älteren Version des Huldaorakels, das die Aufforderung zur Promulgation der dtn Tora enthalten haben solle, rein spekulativ. 38 Vgl. DEVER, Silence.
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some detail“.39 Dabei definiert er den Begriff „popular religion“ im Sinne einer synkretistischen, rituellen Kultpraxis, die von einer reflektierten, literarisch überlieferten Kulttheologie zu unterscheiden und nicht institutionell legitimiert sei. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die von Josia beseitigten Kulte in diesem Sinne als „popular cults“ bezeichnet werden können, da es sich bei ihnen nach Ausweis des Textes vor allem um Einrichtungen der „offiziellen Religion“ handelte. Dever schließt aus der dtr Kritik an synkretistischen Kultpraktiken auf ihre Verbreitung unter der judäischen Bevölkerung im 7. Jahrhundert v. Chr. (und später), wie sie von der Archäologie bestätigt würden. Dabei ist er sich dessen bewusst, dass der archäologische Befund die Historizität der josianischen Reform nicht beweisen kann, sondern lediglich die historische Plausibilität der erzählten Welt aufzuweisen vermag. Damit wird aber die Leistungsfähigkeit der archeologica veritas, wie sie Dever fordert, mit Blick auf die historische Rekonstruktion der Ereignisgeschichte signifikant eingeschränkt, und dieser Eindruck verstärkt sich bei einer genaueren Betrachtung der „external evidence“, die Dever anführt. Sein „archäologischer Kommentar“ zum Reformbericht in 2Kön 23 bemüht stellenweise Banalitäten, so wenn er darauf hinweist, dass die Existenz von Heiligtümern und einer dazu gehörigen Priesterschaft außerhalb Jerusalems archäologisch nachgewiesen sei (vgl. 2Kön 23,5.8.13f.)40 oder dass es in der Umgebung Jerusalems mehrere eisenzeitliche Nekropolen gegeben habe (vgl. 2Kön 23,6).41 Umgekehrt verdankt sich die Identifikation einzelner Kultanlagen als HMB nicht in erster Linie archäologischer Kriterien 42, sondern ist im Rückgriff auf literarische Befunde gewonnen worden. Für andere Phänomene fehlen archäologische Referenzen völlig oder ihre Interpretation bleibt mehrdeutig. 43 Die größte Konkretion erreicht Devers Präsentation bei der Ascheraverehrung, für die er neben den epigraphischen Zeugnissen aus Kuntillet ‘Aǧrūd und Ḫ. el-Qōm vor allem auf die im 8./7. Jh. v. Chr. in Juda verbreiteten „dea nutrix figurines“ hinweist, die er als Repräsentationen der Göttin Aschera deutet und die im häuslichen Kult oder als Votivgaben Verwendung gefunden hätten.44 Er folgert weiter, dass es sich bei diesen Figurinen um 39
A.a.O., 147. Vgl. a.a.O., 147f. 41 Vgl. a.a.O., 157f. Ganz allgemein bleiben auch die Hinweise auf den Fund von Räucheraltären und Räucherkästchen (vgl. 2Kön 23,5.8) oder auf die Verbreitung magischer Vorstellungen und Praktiken, wie sie durch die Verwendung von Amuletten oder im Zusammenhang mit der Grabausstattung belegt sei (vgl. 2Kön 23,24). 42 Vgl. a.a.O., 148. Dever weist in diesem Zusammenhang auf die Kultanlagen in Dan (Tell el-Qādi), die sog. bull-site und die tumuli westlich von Jerusalem hin – für keine der genannten Installationen ist ihre Interpretation als HMB indes gesichert (s. unten, S. 265f. mit Anm. 216). 43 Ersteres gilt nach Dever für die Praxis von Kinderopfern (vgl. a.a.O., 154f.), die er mit den Vorgängen im Ben-Hinnomtal assoziiert (vgl. 2Kön 23,10), letzteres für die Pferde- und Wagenterrakotten (vgl. 2Kön 23,11), deren Interpretation als Attribute des Sonnengottes unsicher bleibe (vgl. a.a.O., 152f.). 44 Vgl. a.a.O., 149–151. 40
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verkleinerte Nachbildungen „of life-sized images of Asherah“ gehandelt habe, „that once existed throughout ancient Israel and Judah“45 – ein archäologischer Nachweis für diese These konnte bislang jedoch nicht erbracht werden.
Wichtig an Devers Beitrag ist weniger der archäologische Einzelnachweis als die programmatische Einbeziehung der Archäologie in die historische Interpretation. Die Mehrdeutigkeit des materiellen Befundes und die Grenzen einer strikt archäologisch argumentierenden Geschichtsschreibung treten jedoch deutlich vor Augen, wenn man die programmatischen Ausführungen Devers mit der eher nüchternen Einschätzung des Beitrags der Archäologe zur josianischen Reform bei H. Niehr vergleicht, der keinerlei „external evidence“ für die Vorgänge unter Josia feststellen zu können meint.46 Niehr betont zunächst die notwendige Unterscheidung der Quellen, die für eine Rekonstruktion der Geschichte Israels herangezogen werden können, in solche, die in zeitlicher Nähe bzw. im Verlauf der Ereignisse entstanden sind, über die sie berichten (sog. „primary evidence“), zu denen er alle Arten von archäologischen Quellen rechnet, und solche, die im Rückblick auf die Geschehnisse deren Bedeutung für zukünftige Generationen interpretierend festschreiben wollen (sog. „secondary evidence“). Für die Religionsgeschichte Israels in vorexilischer Zeit stünden im Alten Testament nur Quellen der zweiten Kategorie zur Verfügung, als „Primärquellen“ könnten hier lediglich die von der Archäologie erhobenen Befunde herangezogen werden. Nach dieser Grundsatzunterscheidung sichtet Niehr den archäologischen Quellenbefund und fragt, ob dieser Hinweise auf die josianische Kultreform liefere, kommt jedoch zu einem negativen Ergebnis. In der materiellen Kultur der EZ IIC (hier diskutiert er vor allem die kultarchitektonischen Befunde aus Arad und Be’eršeba‘ / Tell es-Seba‘, die Zeugnisse der Glyptik und der Kleinkunst) fänden sich keinerlei Indizien für eine Kultreform unter Josia. „Damit fehlt das entscheidende Kriterium für die Behauptung der Historizität dieser Reform.“47 Diese Beobachtung untermauert Niehr mit der Feststellung, dass sich weder eine ältere hiskianische Kultreform noch eine Überfremdung der judäischen Religion durch neuassyrische Kultpraktiken im 7. Jh. v. Chr. aus den Quellen wahrscheinlich machen lasse. Eine Astralisierung des religiösen Symbolsystems, die sich unter aramäisch-neuassyrischem Einfluss seit dem 8. Jh. v. Chr. in der gesamten Levante feststellen lässt, wird von ihm nicht bestritten, ihr wohne jedoch kein krisenhaftes Moment inne.
45
A.a.O., 151. Vgl. NIEHR, Reform, 37–39. 47 A.a.O., 41. 46
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Was die alttestamentliche Überlieferung in 2Kön 22–23 betrifft, schließt sich Niehr ohne weitere Diskussion der oben skizzierten literaturgeschichtlichen Analyse von Levin an.48
Vor diesem Hintergrund unternimmt er eine „historische Spurensuche“, die nach den geschichtlichen Rahmenbedingungen der Josiazeit fragt und zu dem Ergebnis gelangt, dass Josia außenpolitisch zunächst als Vasall Assurs, später Ägyptens keine eigenständige Politik verfolgen, geschweige denn territoriale Ansprüche auf Gebiete des ehemaligen Nordreichs Israel erheben konnte. Innenpolitisch zeichne sich dagegen seit dem ausgehenden 8. Jahrhundert eine Zentralisierung der judäischen Staatsverwaltung in Jerusalem ab, in deren Zusammenhang einer Maßnahme wie der Kultzentralisation herrschaftsstabilisierende Funktion zukomme, insofern nicht nur die ökonomischen Ressourcen von den Ortsheiligtümern an das königliche Zentralheiligtum umgeleitet, sondern auch die sakrale Ortsgerichtsbarkeit den Jerusalemer Autoritäten unterstellt wurde. „Hiermit ist auf der Basis der Quellen und eines ‚minimalist approach‛ das Höchstmaß dessen genannt, was als ‚Reform des Joschija‛ bezeichnet werden kann. Es handelt sich um eine administrative Maßnahme, von einer Kultreform aus religiöser Motivation kann nicht gesprochen werden.“49 Dass sich eine umfassende Kultreform Josias nicht nachweisen lasse, ja dass sie als historisch unwahrscheinlich zu qualifizieren sei, werde schließlich e negativo durch das Schweigen der Propheten Zefanja (trotz Zef 1,4f.) und Jeremia von dieser Reform nachdrücklich bestätigt. Auch C. Uehlinger unterscheidet in seinem Beitrag zwischen Primärund Sekundärquellen und weist die alttestamentliche Überlieferung letzterer Gruppe zu.50 Allerdings klassifiziert er Primärquellen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Nähe zu den geschilderten Ereignissen.51 Obwohl er zu Recht darauf hinweist, dass die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärquellen noch kein Urteil über deren historischen Wert impliziere, der jeweils mittels einer kritischen Quellenanalyse zu bestimmen sei, folgt er Niehr in der Forderung, dass eine historische Geschichtsrekonstruktion ihren Ausgang stets bei den Primärquellen nehmen müsse, um der Gefahr einer „subdeuteronomistischen“ Geschichtsschreibung zu begegnen. Im Anschluss an diese methodischen Erwägungen erstellt Uehlinger zunächst umrisshaft ein Gesamtbild der religiösen Vorstellungswelt in Juda in der EZ IIC (8.–6. Jh. v. Chr.) und der ihr inhären-
48
Siehe oben, S. 5f. A.a.O., 49. 50 Vgl. UEHLINGER, Kultreform. 51 Vgl. a.a.O., 63f. Das Kriterium der Datierbarkeit stellt lediglich die notwendige Voraussetzung für das Kriterium der zeitlichen Nähe dar und kann per definitionem nicht auf archäologische Quellen begrenzt werden. 49
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ten Entwicklung anhand des archäologischen Quellenbefundes 52, um anschließend nach möglichen Korrelationen mit einzelnen Maßnahmen des Reformberichts in 2Kön 23 zu fragen. Die geraffte Durchsicht des Materials ergibt auf den ersten Blick ein ähnliches Bild, wie es Niehr gezeichnet hat: Der Tempel in Arad bzw. die sekundär verbauten Fragmente eines Altars auf dem Tell es-Seba‘ ließen sich aufgrund der revidierten Stratigraphie der Ortslagen nicht länger als Hinweise auf eine josianische Kultreform interpretieren. In der Glyptik des 7. Jh.s v. Chr. sei eine deutliche Tendenz zur Astralisierung der judäischen Religion festzustellen, die zu Beginn des 6. Jh.s keine Fortsetzung mehr finde.53 Darüber hinaus verweist Uehlinger auf den epigraphischen Befund, der einerseits einen Rückgang der Aschera-Verehrung im 7. Jahrhundert belege, wie aus einem Vergleich der Segensformeln in den Inschriften aus Kuntillet ‘Aǧrūd und Ḫ. el-Qōm (8./7. Jh. v. Chr.), die neben Jahwe „seine Aschera“ erwähnen, mit den Grußformeln auf den Ostraka aus Arad (Str. VI) und Lachisch (Str. II), in denen Aschera in vergleichbaren Formeln nicht genannt wird (6. Jh. v. Chr.), ersichtlich werde54, und andererseits eine „Kompetenzausweitung“ Jahwes auf den Bereich des Todes und der Unterwelt erkennen lasse, wofür er die beiden Silberamulette aus einem Grab vom Ketef Hinnom in Jerusalem anführt (6. Jh. v. Chr.?).55
Anschließend untersucht Uehlinger den Reformbericht auf dessen historische Plausibilität. Er kritisiert zwar die literarkritische Analyse Levins, verzichtet jedoch auf eine eigene literaturgeschichtliche Bearbeitung des Textes. Stattdessen gilt ihm im Gegensatz zu Levin die religionsgeschichtliche Plausibilität der jeweiligen Reformnotizen angesichts der zuvor skizzierten Gesamtentwicklung geradezu als das hermeneutische Kriterium ihrer Historizität (vgl. Dever). Im Wesentlichen sind es drei Maßnahmen, die Uehlinger innerhalb der Darstellung von 2Kön 23,4–20 für historisch plausibel erachtet und die sämtlich mit der unter aramäisch-neuassyrischem Einfluss stehenden Astralisierung der judäischen Religion im 7. Jh. v. Chr. zusammenhingen, ohne dass jedoch ein näher bestimmbares Reformprogramm erkennbar würde: die Beseitigung der Pferde und Wagen für die 52
Er kann sich hierfür vor allem auf die Ergebnisse der ausführlichen religionsgeschichtlichen Analyse des einschlägigen Quellenmaterials berufen, die er gemeinsam mit O. Keel vorgelegt hat (vgl. KEEL / UEHLINGER, Göttinnen, 406–422). 53 Es ist jedoch auffällig, dass die gleiche Gruppe judäischer Namenssiegel, unter denen sich einige wenige mit Astralsymbolen finden, sowohl zum Nachweis für eine Astralisierung des religiösen Symbolsystems (vgl. a.a.O., 366–369), als auch angesichts der generellen Tendenz zur Anikonizität, die diesen Siegeln eignet, als Zeugnis für den ikonoklastischen Zug der josianischen Reform angeführt wird (vgl. a.a.O., 410–412)! – Interessant ist hingegen, dass die pflanzliche Dekoration der Namenssiegel überwiegend an der Symbolik des Jerusalemer Tempels orientiert ist (vgl. a.a.O., 413f.) – ein Phänomen, das nicht nur zur Zentralisation des Kultes gemäß 2Kön 23 passen würde, sondern auch zu einer Tempelfrömmigkeit, wie sie sich in der Auseinandersetzung Jeremias mit Teilen der Jerusalemer Aristokratie ausspricht (vgl. Jer 7,1–15, bes. V.4.10f.). 54 Vgl. UEHLINGER, Kultreform, 67f. 55 Vgl. a.a.O., 68f.; KEEL / UEHLINGER, Göttinnen, 417–422.
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Sonne, die vermutlich auf divinatorische Praktiken unter Sanherib zurückgehen (vgl. 2Kön 23,11)56, die Außerdienststellung der mJRMK, einer Gruppe von Kultbediensteten, die vorwiegend mit astralen Kultpraktiken befasst gewesen sei (vgl. 2Kön 23,5)57, und die Zerstörung der Dachaltäre im Tempelbezirk, die in den gleichen kultischen Zusammenhang zu gehören scheinen (vgl. 2Kön 23,12).58 Ob die Notiz über die Entfernung der Aschera aus dem Jerusalemer Tempel (vgl. 2Kön 23,6) und weitere Maßnahmen ebenfalls historische Plausibilität beanspruchen können, lässt Uehlinger offen, da die archäologischen Quellen in diesen Fällen nicht mehr als das Abwägen von historischen „Möglichkeiten“ zuließen.59 Daran wird nochmals deutlich, dass die Differenzierung von Primär- und Sekundärquellen auch bei Uehlinger zu einer tendenziellen Abwertung des Quellenwerts der biblischen Überlieferung führt, wenn er abschließend formuliert: „Exegetinnen und Exegeten wird nichts anderes übrig bleiben, als die neue Hierarchisierung der Quellen mit der notwendigen Nachordnung der nichtarchäologischen Sekundärdokumentation, zu der auch die biblischen Texte gehören, zur Kenntnis zu nehmen.“60 Vor dem Hintergrund der kontroversen Debatte zwischen archäologischen und textbasierten Interpretationsansätzen hat C. Hardmeier eine umfassende literaturgeschichtliche Analyse des Reformberichts vorgelegt.61 Dabei bemüht er sich zunächst um eine genaue Verhältnisbestimmung literaturgeschichtlich-exegetischer und archäologischer Quellenbefunde. Ihm zufolge ist der Quellenwert (und die historische Plausibilität) einer literaturgeschichtlich rekonstruierten Texteinheit jeweils unter Berücksichtigung der sozio-historischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Epoche, wie sie von der Archäologie erschlossen werden, zu bestimmen. Hardmeiers eigene Rekonstruktion eines vordtr Katalogs von Kultbeseitigungsmaßnahmen im Annalenstil bedient sich ausschließlich textimmanenter, literaturgeschichtlicher Kriterien, „ohne literarische Einzelerscheinungen unmittelbar mit archäologischen Einzelbefunden in Beziehung zu setzen“.62 Der archäologische Befund dient vielmehr als textexterne Instanz
56
Vgl. UEHLINGER, Kultreform, 74–77. Vgl. a.a.O., 77–79. 58 Vgl. a.a.O., 79f. 59 Vgl. a.a.O., 81–83. 60 A.a.O., 82. 61 Vgl. HARDMEIER, König. 62 A.a.O., 87. In der strikten Trennung zwischen archäologischen und literarischen Beobachtungen ist Hardmeiers Ansatz demjenigen von Levin durchaus verwandt, nur dass Hardmeier den Ergebnissen der archäologischen Forschung den Status einer Kontrollinstanz zubilligt, vor denen sich eine literaturgeschichtliche Textrekonstruktion zu verantworten habe. 57
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der empirischen Kontrolle der sozio-kulturellen Funktionsbestimmung der literaturgeschichtlichen Vorstufenrekonstruktion. Unter diesen methodischen Voraussetzungen arbeitet Hardmeier auf der Basis stilistischer und textpragmatischer Beobachtungen einen älteren Katalog von Kultbeseitigungsmaßnahmen heraus, der dtr überformt und in die Erzählung über die Regierung Josias in 2Kön 22f. eingearbeitet worden sei. Der ältere Katalog enthielt zum einen Maßnahmen zur Beseitigung fremder Kultpraktiken (vgl. 2Kön 23,4f.*11f.*13*) und zum anderen „kultinnenpolitische“ Maßnahmen, die der Selbstreinigung der Jahweverehrung dienten (vgl. 2Kön 23,6f.*8b.10a.14a*.15*). Regional blieben diese Reformen auf Jerusalem und seine nähere Umgebung (einschließlich Bet-Els, vgl. V.15) begrenzt – von einem großräumigen Reformprogramm, das weite Teile des ehemaligen Nordreichs Israel umschlossen habe (vgl. 2Kön 23,19f.), könne dagegen keine Rede sein. Die einzelnen Reformnotizen, die sich in diesem Annalendokument aus der Josiazeit finden, stimmten weithin mit den sozio-kulturellen Rahmenbedingungen der Epoche überein, wie sie Uehlinger skizziert hat, so dass sich unabhängig voneinander ein stimmiges Gesamtbild der religionspolitischen Vorgänge unter Josia ergebe. Daran ist nicht zuletzt dies bemerkenswert, dass ausgerechnet das Moment der Kultzentralisation, das für Levin und Niehr den historischen Kristallisationskern der Reform bildet, in der Analyse Hardmeiers der „dtr Inkriminierung des Höhenkultes“ zugeschrieben wird 63 – unterschiedlicher kann die historische Beurteilung der Reform Josias trotz gleicher Quellenbasis kaum ausfallen. Bei genauerer Betrachtung der jeweiligen Einzelanalysen kann man jedoch geneigt sein, der vermeintlichen Unabhängigkeit der literaturgeschichtlichen von der archäologischen Quellenanalyse, die in der jüngeren Forschung wiederholt zum Programm erhoben worden ist, mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. Die jüngste monographische Untersuchung zum Thema stammt aus der Feder von W. B. Barrick, der auf dem Boden einer breiten Kenntnis der einschlägigen Quellen und Sekundärliteratur den Versuch unternimmt, die Hintergründe und Grundlinien der josianischen Reform abseits der ausgetretenen Wege der bisherigen Forschung zu analysieren und zu einer neuen, teilweise provozierenden Gesamtschau zusammenzufügen. 64 Diese Tendenz kommt bereits in den einführenden Bemerkungen der Untersuchung zum Ausdruck, in denen Barrick drei häufig unkritisch übernommene Voraussetzungen der herkömmlichen Interpretation des Textes in Frage stellt: 1. Die verbreitete Annahme, die josianischen Reformen seien als antiassyrische Propaganda vor dem Hintergrund der Loslösung Josias vom politischen Joch der assyrischen Oberhoheit zu verstehen, für die es im Bericht von 2Kön 22–23 keinerlei Anhalt gebe. 2. Die seit der Antike belegte Iden63 64
A.a.O., 127. Vgl. BARRICK, King.
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tifikation des Toradokuments in 2Kön 22,8 mit einer Vorform des Deuteronomium und die daraus folgende Verknüpfung der Reform Josias mit der dtn Reformbewegung, die vom Textbefund her nicht gesichert sei. 3. Die seit den Untersuchungen von M. Noth gängige Hypothese, der Bericht in 2Kön 22f. sei im Zusammenhang mit der literarischen Komposition eines dtr Großerzählwerks zu interpretieren, die in der jüngeren Forschung jedoch mit guten Gründen in Frage gestellt worden sei.65
In neun Kapiteln geht der Verfasser den Fragen nach der literarischen Komposition und den historischen Hintergründen des Reformberichts in 2Kön 23,4–20 und seiner chronistischen Parallele in 2Chr 34,3–7 detailliert nach. Unter methodischen Gesichtspunkten ist es bemerkenswert, dass Barrick auf die jüngste Diskussion über die Unterscheidung von Primärund Sekundärquellen und die daraus resultierende Nachordnung der biblischen Geschichtsüberlieferung gegenüber der „external evidence“ nicht näher eingeht, sondern ausgehend von einer kritischen Analyse der biblischen Texte den ebenso kritisch gesichteten Befund der Archäologie zum Verständnis und zur historischen Einordnung der Texte heranzieht und auswertet. Im Blick auf die literaturgeschichtliche Analyse des Reformberichts fallen vor allem zwei Aspekte ins Auge: Zum einen rechnet Barrick 2Kön 23,16–18* zum Grundbestand des Textes und verortet den Abschnitt aufgrund topographischer Erwägungen und nach dem Vorbild von 2Chr 34,4f. in Jerusalem (die Verknüpfung mit Bet-El in 2Kön 23,15 sei sekundär). Andererseits schätzt er die viel diskutierten Vorkommen des Perfectum copulativum in 2Kön 23,4–15 sämtlich als redaktionelle Erweiterungen des ursprünglichen Berichts ein – lediglich hinsichtlich des Belegs in V.4b bestehe eine gewisse Unsicherheit der literarkritischen Einordnung. Seine Argumentation verbindet dabei literarisch-stilistische mit historischarchäologischen Beobachtungen, verzichtet jedoch auf die Rückfrage nach der syntaktischen Funktion der Konstruktion in ihrem jeweiligen Zusammenhang, so dass seine Analyse nicht in jedem Fall zu überzeugen vermag. Die Grundschicht des Reformberichts, zu der er V.4*.6–8a.9.11f.*13. 14b.16–18* rechnet, weist Barrick seiner spätvorexilischen, nachjosianischen (!) Bearbeitungsstufe KH-2 („Kings History“) zu, die zugleich die Vorlage des Chronisten gebildet habe. Die späteren Erweiterungen, vor allem die Konstruktionen mit Perfectum copulativum, stammen vermutlich erst aus nachexilischer Zeit (KH-4), was sich vom religionsgeschichtlichen Befund her jedoch weder für die kultischen Installationen im Stadttor (vgl. V.8b) noch für die Tätigkeit der mJRMK (vgl. V.5) nahe legt.66 Der ursprüngliche Bestand des Berichts fuße wahrscheinlich auf einer königlichen Memorialinschrift, die bei ihrer Aufnahme in die Königsbücher redaktionell bearbeitet worden sei, was den ganz undeuteronomistischen 65 66
Vgl. a.a.O., 1–14. Siehe unten, S. 273–287.348–352.
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Duktus der Darstellung erkläre. Der biblische Bericht über die Kultreform Josias biete in seinem Grundbestand eine zeitnahe und historisch verlässliche Quelle für die geschichtlichen Ereignisse. Abschließend fragt Barrick nach den historischen und sozialen Beweggründen der Reform, die er vor allem in einem Verlust traditioneller Wertvorstellungen begründet sieht, wie sie im Gefolge der einschneidenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nach der Eroberung und Abtrennung weiter Gebiete Judas durch den assyrischen König Sanherib im Jahr 701 v. Chr. eingetreten seien. Der primäre Trägerkreis der traditionellen Werte und religiösen Überlieferungen, die generationsübergreifende Struktur der Großfamilie, sei durch Krieg und Deportation in eine Krise geraten („generation gap“). Die Reform, deren Architekten Schafan und Hilkia zu dieser „lost generation“ zählen, stelle den Versuch dar, dem Traditionsabbruch und dem Eindringen neuer religiöser Bräuche durch ein religionspolitisches Programm zu wehren. Sie sei somit weniger eine Reaktion auf äußere Repressalien als eine nach innen gerichtete Restaurationspolitik. Der Erfolg blieb jedoch zeitlich begrenzt. Ihre bleibende Bedeutung für die judäische Religionsgeschichte habe sie erst in Gestalt der dtr Historiographie erhalten. In seiner monumentalen Darstellung der Religionsgeschichte Jerusalems hat sich O. Keel nochmals ausführlich zu den Hintergründen und zum Verlauf der josianischen Reform geäußert und den ikonographischen Studien der Epoche, die er gemeinsam mit C. Uehlinger vorgelegt hatte67, eine literatur- und traditionsgeschichtliche Analyse des Reformberichts an die Seite gestellt.68 Obwohl Keel das diachrone Profil der Erzählung nur recht vage andeutet, hält er den biblischen Bericht im Kern für historisch vertrauenswürdig.69 Die Reform selbst sei in einem Dreischritt bestehend aus Reinigung des Tempelkults von kanaanäischen und neuassyrisch-aramäischen Praktiken und Bräuchen, die zugunsten einer Transzendierung des Gotteskonzepts und einer exklusiven Verpflichtung auf Jahwe zurückgedrängt worden seien, Zentralisierung des offiziellen Kultbetriebs am Jerusalemer Staatsheiligtum, auf der das Hauptgewicht der Reform gelegen habe70, und Verpflichtung auf die (dtn?) Tora als Medium des Gottesverhältnisses, das die religiöse Identität Israels sichere, erfolgt. Die religiöse Situation der Josiazeit skizziert er im Anschluss an frühere Arbeiten, die vereinzelt durch neue Befunde ergänzt werden, ohne dass sich am Gesamtbild signifikante Änderungen ergeben würden. Wichtig ist dagegen Keels Hinweis, dass weder die Kultzentralisation noch die übrigen Kultbeseiti67
Vgl. KEEL / UEHLINGER, Göttinnen, 322–422. Vgl. KEEL, Geschichte, 511–601. 69 Vgl. a.a.O., 519f. 70 Vgl. a.a.O., 525f. 68
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gungsmaßnahmen im Reformbericht in Sprache und Gestalt in einer „präzisen Beziehung zum Dtn stehen“ oder sich „als Retroprojektionen dtn. Forderungen verstehen (ließen)“.71 Diese Beobachtung könne auf die Verpflichtungszeremonie in 2Kön 23,1–3 ausgedehnt werden, die auf die Praxis neuassyrischer Loyalitätseide mit ihrer einseitigen Verpflichtung des schwächeren Partners rekurriere, nicht jedoch das gegenseitige Vertragskonzept des Deuteronomium nachahme.72 Keel vermutet den Ursprung der Reformidee zwar im Milieu der dtn Bewegung73, lässt jedoch die Frage unentschieden, ob das Toradokument, von dem im Reformbericht die Rede ist, historisch mit dem Deuteronomium identifiziert werden könne oder ob das Deuteronomium erst im Schatten der Reform seine ursprüngliche Gestalt gewonnen habe.74 Zuletzt hat A. Berlejung in ihrem Grundriss der „Geschichte und Religionsgeschichte des antiken Israel“ einige Eckdaten der josianischen Reform zusammengestellt, die wiederum ein ganz anderes Bild zeichnen, das sich enger an die Positionen von Levin und Niehr anlehnt. 75 In deutlicher Abgrenzung zu den Thesen Spieckermanns betont Berlejung, dass sich eine systematische repressive Religionspolitik seitens der Assyrer gegenüber ihren Klientelstaaten nicht nachweisen lasse. Stattdessen sei mit einer Übersetzung lokaler Traditionen in eine religionsgeschichtliche „Koine“ der Zeit zu rechnen, die unter dem kulturellen Einfluss der assyrischen Oberhoheit stand.76 Die Historizität der josianischen Reformen beurteilt sie skeptisch, da „in der materiellen Kultur Palästinas des ausgehenden 7./6. Jh. … kein grundsätzlicher Paradigmenwechsel zur Monolatrie, zum Anikonismus oder zur Kultzentralisation in Jerusalem erkennbar (sei).“ 77 „Ei-
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A.a.O., 523. Vgl. a.a.O., 543f. „Der hier beschriebene Vorgang hat seinen mythischen Prototyp nicht in Texten des Dtn wie z.B. Dtn 29,9–14. Im Gegensatz zu 2Kön 23,1–3, wo Joschija den Bund ‚schneidet‘, ist es in Dtn 29 JHWH selbst und im Gegensatz zu 2Kön 23 verpflichtet sich JHWH seinerseits, Israels Gott zu sein.“ (a.a.O., 544). 73 Die sozialen Trägergruppen beschreibt Keel in engem Anschluss an Albertz (vgl. a.a.O., 567–577). Die Tendenz, das Eigene als fremd wahrzunehmen, die sich im Reformbericht zeige, führt er auf das Erbe nordisraelitischer prophetischer Tradition im Gefolge Hoseas zurück. 74 Vgl. a.a.O., 565–567. 75 Vgl. BERLEJUNG, Geschichte, 144–146. 76 Vgl. a.a.O., 143f. Ausdruck dieser „Koine“ sei etwa die in der levantinischen Glyptik zu beobachtende Astralisierung des religiösen Symbolsystems. 77 A.a.O., 146. Sie weist in diesem Zusammenhang auf die große Kontinuität im ikonographischen Repertoire der judäischen Glyptik der späten Eisenzeit hin (8.–6. Jh. v. Chr.), gesteht jedoch ein, dass die motivgeschichtliche Entwicklung keineswegs bruchlos verlaufen sei (vgl. a.a.O., 145). Methodisch stellt sich die Frage, ob angesichts kontroverser, religiöser wie politischer Identitätskonzepte im spätvorexilischen Jerusalem, wie 72
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nen archäologischen Nachweis dieser Reform gibt es nicht.“78 Umgekehrt sei der Bericht über die Kultreform in 2Kön 22–23 mehrfach dtr überarbeitet worden und seine Nähe zu Forderungen des Deuteronomium unübersehbar.79 Wolle man dennoch an der Historizität der Reform festhalten, so bleibe nur die Suche nach einem „begründeten Minimum“, das Berlejung im Anschluss an Niehr in der Zentralisierung des Kultes in Jerusalem vermutet, in der religiöse und politische Motivationen konvergiert sein könnten.80 Diese ‚Reform‘ habe jedoch keinen Rückhalt in breiteren Bevölkerungsschichten besessen81 und sei erst im Medium der dtr Literatur zur Wasserscheide der israelitischen Religionsgeschichte geworden. Überblickt man den gegenwärtigen Stand der Forschung, so ist ein Konsens trotz einer Reihe von konvergierenden Einzelbeobachtungen weder in den historischen noch in den literaturgeschichtlichen Grundlinien absehbar. Sowohl die kritische Analyse der biblischen Quellen als auch die historische Auswertung des archäologischen Befundes zeitigen divergierende Ergebnisse, die Außenstehende ratlos zurücklassen. Der Grund für die Vielgestaltigkeit der Interpretationen, die von der Bestreitung der Historizität der Reform Josias bis hin zu deren detaillierter Rekonstruktion reichen, liegt zum einen in der Mehrdeutigkeit der Quellen selbst und zum anderen in den hermeneutischen Voraussetzungen ihrer Interpretation. Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärquellen und ihre einseitige Zuordnung zu archäologischen Artefakten einerseits und den biblischen Texten andererseits ist hermeneutisch problematisch und methodisch kaum gerechtfertigt. Dies betrifft bereits die Klassifizierung selbst, denn zum einen können in der biblischen Überlieferung sehr wohl Quellen tradiert worden sein, die auf zeitgenössische Berichte zurückgehen 82, und zum ansie Berlejung voraussetzt (vgl. a.a.O., 143f.), überhaupt mit einem grundlegenden, kulturgeschichtlichen Paradigmenwechsel gerechnet werden sollte. 78 A.a.O., 145. 79 Vgl. a.a.O., 144f. 80 Vgl. a.a.O., 145f. Einerseits sei der Anspruch exklusiver Jahweverehrung in Jerusalem nach dem Vorbild des Kultes für den neuassyrischen Staatsgott Aššur konzipiert worden und andererseits habe die Kultzentralisation als realpolitisches Instrument gedient, um die (wieder-)gewonnenen Gebiete in der Schefela und in Samaria (Bet-El) politisch enger an Jerusalem zu binden. 81 Berlejung nimmt an, die Reform sei in der Hauptsache von einer kleinen, oppositionellen Gruppe, der sog. „Jahwe-allein-Bewegung“, getragen worden, die unter Josia unvermittelt politischen Einfluss gewonnen hatte. 82 Diese Feststellung gilt nicht nur für die prophetische Literatur, sondern in eingeschränktem Maße ebenso für die alttestamentliche Erzählüberlieferung (vgl. die Nehemiadenkschrift). Das Postulat der archäologischen Datierbarkeit der Quellen erweist sich zudem bei genauerem Hinsehen als nicht weniger problematisch (z.B. bei Oberflächenfunden oder Stücken aus dem Antikenhandel) und selbst bei stratigraphisch gesicherten Befunden ist häufig nur eine grobe chronologische Einordnung möglich (vgl. EZ IIB/C),
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Einleitung
deren wären etwa die neuassyrischen Königsinschriften nach der Definition bei A. Berlejung streng genommen als Sekundärquellen einzustufen, da sie nicht selten aus einem späteren Blickwinkel und unter Benutzung älterer Quellen die Ereignisse, von denen sie berichten, mit einer bestimmten Intention schildern.83 Aber auch hermeneutisch erscheint es nicht ratsam, mittels einer Hierarchisierung der Quellen vorab einer Gruppe eine Richtlinienkompetenz bei der historischen Rekonstruktion zuzubilligen. 84 Wenn die kritische Analyse der verfügbaren Quellen ein kontrastives Bild der untersuchten Epoche zeichnen sollte, so gilt es, unter Abwägung aller zur Verfügung stehenden Daten ein möglichst konsistentes und plausibles Gesamtbild zu rekonstruieren und die gegenläufigen Informationen nicht a priori zugunsten der archäologischen Quellen zu nivellieren. Daher sollen in der vorliegenden Untersuchung sowohl die Befunde der alttestamentlichen als auch der archäologischen Quellen (materielle Überreste, Epigraphik, Ikonographie) sorgfältig analysiert und kritisch aufeinander bezogen werden. Wenn hierfür der Einsatz bei der Erzählung über die Regierung des Königs Josia in 2Kön 22f. gewählt wird, so geschieht dies nicht allein aus dem Grund, dass dieser Bericht, bei aller gebotenen methodischen Vorsicht, nach wie vor eine unverzichtbare Quelle für die Rekonstruktion der religionsgeschichtlichen Verhältnisse der Epoche darstellt, sondern weil die „josianische Reform“ als ein Phänomen der Ereignisgeschichte überhaupt erst im Licht der biblischen Geschichtserzählung vor das Auge des Historikers tritt. In diesem Zusammenhang ist an die von F. Braudel eingeführte Unterscheidung zwischen der „histoire événementielle“ (Fakten- oder Ereignisgeschichte) und der „histoire conjoncturelle“ (Kultur- oder Sozialgeschichte) zu erinnern. Letztere untersucht die großen Rhythmen der kulturellen und sozialen Entwicklung eines bestimmten Kulturraums, die zu den konstitutiven Voraussetzungen der politischen Geschichte gehören und deren Kenntnis für das Verständnis einer bestimmten geschichtlichen Epoche unverzichtbar ist. Hierzu liefert die Archäologie vielfältige und wichtige Informationen. Im Unterschied die nicht selten nur wenig präziser ist als die relative Chronologie der alttestamentlichen Literaturgeschichte. 83 Vgl. BERLEJUNG, Quellen, 23. Dies kann schon der Vergleich verschiedener Rezensionen königlicher Prunkinschriften oder jüngerer und älterer Annalen desselben Königs belegen. 84 Vgl. a.a.O., 23f. Berlejung hält eine Hierarchisierung der Quellen aus verfahrenstechnischen Gründen für notwendig, um für den Fall einer fehlenden Konsensobjektivität die historische Urteilsfähigkeit gewährleisten zu können. Demgegenüber plädiert die vorliegende Arbeit für den umgekehrten Weg, kontrastive Befunde als solche zu benennen und offen zu halten, bis neue oder ein besseres Verständnis der bekannten Quellen eine tragfähige Hypothesenbildung ermöglichen. Die begrenzte Menge an Daten, die für eine historische Rekonstruktion zur Verfügung stehen, macht es grundsätzlich nötig, mit Unschärfen und Leerstellen bei der historischen Analyse zu rechnen und dies hermeneutisch zu reflektieren (s. unten, S. 472 mit Anm. 1).
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dazu stellt ein Einzelereignis oder eine Ereignisfolge wie die josianische Reform zuerst ein Phänomen der „histoire événementielle“ dar, das mit den Methoden der Archäologie nur in Ausnahmefällen (z.B. durch datierbare Textfunde) nachweisbar ist. Die wiederholte Feststellung, dass eine Reform Josias archäologisch nicht zu beweisen sei85, vermag von daher nicht zu überraschen, sie suggeriert aber ein historisches Werturteil, das die Aussagefähigkeit archäologischer Quellen überfordert und in der Gefahr steht, Befunde der Kultur- und der Ereignisgeschichte in unzulässiger Weise zu vermischen.
Bevor mit der Analyse der Erzählung in 2Kön 22f. begonnen werden kann, ist noch ein Wort zur verwendeten Terminologie nötig. Der Begriff „josianische Reform“, der sich in der Forschung eingebürgert hat, verdankt sich der literarischen Stilisierung der Ereignisse im biblischen Bericht von 2Kön 22f. Mit Blick auf die Erzählung ist die Charakterisierung der Vorgänge als „Reform“ nach antikem Verständnis durchaus gerechtfertigt, insofern hier die Reorganisation der kultischen Praxis (innovatio) unter Rückgriff auf eine altehrwürdige Überlieferung (traditio) legitimiert wird, gemäß des antiken Grundsatzes, dass das Neue nur als Rückkehr zum Alten, als Wiederherstellung des Gewesenen (reformatio) normative Geltung erlangen kann.86 In dieser Perspektive erscheint die Reform als ein zielgerichteter, kontinuierlicher Ereigniszusammenhang, dem ein gemeinsames Prinzip zugrunde liegt: die dtn Tora als die normative Programmschrift der Reform. Diese Sicht der Dinge ist in der narrativen Komposition der Königsbücher zweifelsfrei beabsichtigt87, sie ist jedoch von den historischen Vorgängen und ihren ideengeschichtlichen Voraussetzungen zunächst einmal zu unterscheiden. Die literatur- und traditionsgeschichtliche Analyse wird prüfen müssen, ob die einzelnen kultpolitischen Maßnahmen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen und unter ein gemeinsames Reformprogramm subsumiert werden können oder ob hier verschiedene Prozesse und Motivationen retrospektiv in einem Punkt verdichtet wurden.88 Weiterhin muss damit gerechnet werden, dass im Jerusalem der ausgehenden Königszeit alternative religiöse Symbolsysteme nebeneinander be85
Vgl. NIEHR, Reform, 41; BERLEJUNG, Geschichte, 145. Vgl. WASCHKE, Einleitung, 1f. 87 Diese Auffassung wird noch dadurch bestärkt, dass die Darstellung der Geschichte Judas in den Königsbüchern diverse Vorläufer der josianischen Reformtätigkeit kennt (vgl. HOFFMANN, Reform) und dass diverse Linien vom Reformbericht nach vorne in frühere Epochen der Geschichte verlaufen, so dass der Eindruck eines Jahrhunderte währenden, kontinuierlichen Reformprozesses entsteht, der im Reformwerk Josias kulminiert. 88 Ein analoger Vorgang ist beispielsweise in der antiken Rechtsgeschichte zu beobachten, wenn die Reformen Solons in der rückblickenden Darstellung der Athenaion Politeia des Aristoteles als Ausgangspunkt eines kontinuierlichen und zielgerichteten Reformprozesses beschrieben werden, an dessen Ende die attische Demokratie des 4. Jh.s v. Chr. steht (vgl. MEISSNER, Reform, 45–53). 86
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Einleitung
standen und miteinander konkurrierten, so dass innovative und restaurative Elemente im Reformwerk oszillieren können. Angesichts dieser Gemengelage ist vor religionsgeschichtlichen Verallgemeinerungen wie vor einer hermeneutischen Überfrachtung des Reformbegriffs zu warnen. Die Religionspolitik Josias ist nicht notwendig mit einem kulturgeschichtlichen Paradigmenwechsel einhergegangen, wie er in der Forschung häufig vorausgesetzt wird. Historisch mag es sich um Maßnahmen von beschränkter Akzeptanz und Dauer gehandelt haben, deren Spuren sich in den großen Rhythmen der kulturellen Entwicklung in der südlichen Levante der späten Eisenzeit verlieren oder nur ganz am Rande sichtbar werden. Im kollektiven Gedächtnis Israels ist daraus ein Ereignis von epochaler Bedeutung geworden. Unter diesem Vorbehalt soll der Begriff der „josianischen Reform“ im Fortgang der Untersuchung gebraucht werden. Angesichts der kontroversen Forschungslage und der großen Bedeutung, die der josianischen Reform für die Religionsgeschichte Israels und die Literaturgeschichte des Alten Testaments zukommt, dürfte eine Sichtung und Neubewertung des biblischen und außerbiblischen Quellenmaterials höchst willkommen sein. Dabei wird es weniger darum gehen, neue, bislang unberücksichtigte Quellen in die Diskussion einzuführen, als das bekannte Material und seine Interpretation kritisch zu sichten, um auf diesem Weg zu einer neuen Synthese zu gelangen, die den komplexen literarischen und religionsgeschichtlichen Verhältnissen Rechnung trägt. Wenn dabei vermehrt Unschärfen und Leerstellen in der historischen Rekonstruktion sichtbar werden, so ist dies in erster Linie der Begrenztheit und Beschaffenheit der zur Verfügung stehenden Quellen geschuldet, die nicht überspielt werden sollten. Methodisch geht die vorliegende Untersuchung so vor, dass die einschlägigen Befunde der Palästinaarchäologie im Zusammenhang mit der fortlaufenden Analyse der Erzählüberlieferung in 2Kön 22f. vorgestellt und diskutiert werden. Dabei ist nach dem oben Gesagten von vornherein nicht zu erwarten, dass ein archäologischer Nachweis für die Reform oder einzelne Reformakte geführt werden kann; es wird vielmehr zu prüfen sein, ob die erzählte Welt des biblischen Textes angesichts der materiellen Kultur der Epoche historische Plausibilität beanspruchen kann oder nicht. Die historische Arbeit wird sich also stets zwischen biblischer und archäologischer Überlieferung hin und her bewegen müssen, um die jeweiligen Befunde wechselseitig aufeinander zu beziehen. Der Einsatz beim biblischen Text hat vor allem pragmatische Gründe und supponiert keinen prinzipiellen Vorrang der biblischen Geschichtshermeneutik. Dabei nötigen die literarische Einbettung des Berichts über die Regierung Josias in die übergreifende Erzählkomposition der Königsbücher und die redaktionsgeschichtlichen Prämissen ihrer Auslegung zu einer detaillierten Analyse des
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gesamten Textes, aus dem der Reformkatalog in 2Kön 23,4–20 nicht vorab als selbständiges Quellenstück herausgelöst werden kann. Sonst stünde die Arbeit am Text in der Gefahr, eine Vielzahl hermeneutischer Vorentscheidungen unreflektiert mit sich zu führen. Am Ende der Untersuchung soll die Ausgangsfrage wieder aufgenommen und nach den historischen Spuren der josianischen Reform und ihren ideengeschichtlichen Voraussetzungen gefragt werden.
1. Kapitel
2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung Kapitel 22: 1 Ein Kind von acht Jahren (war) Josia, als er König wurde, und 31 Jahre regierte er in Jerusalem, und der Name seiner Mutter (war) Jedida, die Tochter Adajas, aus Bozkat. 2 Und er tat das Rechte in den Augen Jahwes, und er ging vollständig auf dem Weg Davids, seines Vaters, und er wich nicht nach rechts oder links (davon) ab. 3 Im achtzehnten Jahr1 des Königs Josia sandte der König Schafan, den Sohn Azaljas, der Sohn Meschullams, den Schreiber, zum Haus Jahwes2 mit den Worten: 4 „Geh hinauf zu Hilkia, dem Großpriester, damit er das Silber fertig mache3, das zum Haus Jahwes gebracht wurde, das die Schwellenhüter vom Volk gesammelt haben. 1 Die Septuaginta ergänzt die Datumsangabe durch e>v tw|~ mhvi\ o>gdo/w| („im achten Monat“, LXXB.L) bzw. e>v tw|~ mhvi\ e>bdo/mw| („im siebten Monat“, LXXA). Sie legt damit den Beginn der Reformen auf den Herbst fest, um genügend Zeit für die anschließenden Ereignisse zu gewinnen, die mit der Passafeier abschließen (vgl. 2Kön 23,21–23). Dabei ist zweierlei vorausgesetzt: zum einen die Feier des Passa im Frühjahr (im Monat Abib, vgl. Dtn 16,1) und zum anderen für die vorexilische Zeit ein Jahresbeginn im Herbst, obwohl die babylonische Zählung der Monatsnamen übernommen wird. Dem griechischen Text kommt daher keine textliche Priorität zu, sondern er verdankt sich schriftgelehrter Interpretation (vgl. PIETSCH, Von Königen und Königtümern, 54f.). 2 Der griechische Text liest an dieser Stelle to\n grammate/a oi]kou Kuri/ou („den Schreiber des Hauses des Herrn“), was wohl auf ein Missverständnis des masoretischen Textes zurückgeht, den der Übersetzer als Constructusverbindung aufgefasst hat. Unklar bleibt, ob dieses Textverständnis durch institutionelle Strukturen der hellenistischen Zeit angeregt worden ist. 3 Die antiochenische Textform (LXXL) liest xwneu/sate („schmelzt [es] ein“, 2.Pers. Pl. Imp. Aorist) und gleicht die Aussage sprachlich und strukturell an die Ausführungsnotiz in V.9 an (vgl. BARTHÉLEMY, Critique, 417). Der Codex Vaticanus (LXXB) leitet die Form von mTC („siegeln, versiegeln“) ab, liest aber in Weiterführung des ersten Imperativs den Imperativ der 2.Pers. Sg. (sfra/gison). Der masoretische Text setzt dagegen die Wurzel mMT Hif. voraus, die hier soviel wie „vorbereiten (zur Auszahlung)“ bedeutet. Die Aussage macht guten Sinn und ist auch vor dem Hintergrund des in 2Kön 12,11 Be-
1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung
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5 Und er soll es auf die Hand der (Vor-)Arbeiter geben4, die im Haus5 Jahwes eingesetzt wurden, damit sie es den Arbeitern geben 6, die im Haus Jahwes (sind), um das Baufällige7 des Hauses auszubessern, 6 den Handwerkern und den Bauleuten und den Maurern, und um Holz und Bruchsteine zu kaufen, um das Haus8 auszubessern. 7 Nur soll nicht mit ihnen abgerechnet werden das Silber, das auf ihre Hand gegeben wurde, denn sie arbeiten auf Treu und Glauben.9“ 8 Und Hilkia, der Großpriester, sprach zu10 Schafan, dem Schreiber: „Das Toradokument habe ich im Hause Jahwes gefunden.“ Und Hilkia gab das Schriftstück Schafan und er rief es (laut) aus. 9 Und Schafan, der Schreiber, ging zum König (hinein) 11 und erstattete dem König Bericht und sprach: „Deine Knechte haben das Silber einrichteten nicht zu beanstanden. Die Lesarten der alten Versionen erklären sich leicht als kontextuelle Interpretationen des masoretischen Textes (vgl. COGAN / TADMOR, 281). 4 Die meisten Ausleger lesen mit dem Qere’ wejittenuhû (vgl. LXXB do/twsan), vgl. MONTGOMERY / GEHMAN, 527; COGAN / TADMOR, 277. Die hier vorgeschlagene Übersetzung liest in Fortführung des Subjekts von V.4a wejittenehu („er soll es geben“). Die antiochenische Textüberlieferung bietet dochtw, was auf eine Ableitung von der Wurzel HNT Nif. in der Bedeutung „gegeben werden“ hindeutet (vgl. HAL3, s.v. b). 5 Das Qere’ liest im Anschluss an 2Kön 12,12 und 22,9 TJB (vgl. THENIUS, 433); das Ketîb TJBB wird aber durch die Septuaginta ( e>n, LXXB.L) und die Parallelen in Gen 39,5; Jer 40,5.7; 41,8.18; Est 2,2 bestätigt (B-rei). 6 In der Septuaginta endet die Rede des Königs mit V.5a, die Verse 5b–7 berichten von der Ausführung des königlichen Befehls (vgl. den Zusatz kata\ to\ rk e>qelogi/zonto … o[ti e>n pi/stei au>toi\ e>poi/oun, vgl. LXXL). 10 Lies LA statt LY, vgl. BHS, z.St. 11 Die antiochenische Septuaginta liest kai\ ei>sh/negke Safa\n tw|~ basilei~ >Iwsei/a| to\ bibli/on („und Schafan brachte dem König Josia das Buch“). Vermutlich hat der Übersetzer wajjābe¬ šāpān haṣṣepær gelesen, was auf den gleichen Konsonantentext
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1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung
geschmolzen, das im Haus12 gefunden wurde, und haben es auf die Hand der (Vor-)Arbeiter gegeben, die eingesetzt wurden über das Haus Jahwes.“ 10 Und Schafan, der Schreiber, berichtete dem König13 mit den Worten: „Hilkia, der Priester, hat mir ein Schriftstück gegeben.“ Und Schafan rief es vor dem König (laut) aus. 11 Und als der König die Worte des Toradokuments gehört hatte, zerriss er seine Kleider. 12 Und der König befahl Hilkia, dem Priester, und Ahikam, dem Sohn Schafans, und Achbor, dem Sohn Michajas, und Schafan, dem Schreiber, und Asaja, dem Knecht des Königs, mit den Worten: 13 „Geht, befragt Jahwe für mich und für das Volk14 und für ganz Juda wegen der Worte dieses Schriftstücks, das gefunden wurde, denn groß (ist) der Zorn Jahwes, der sich gegen uns entzündet hat, weil unsere Väter nicht auf die Worte dieses Schriftstücks gehört haben, alles zu tun, was auf ihm15 geschrieben worden war.“ 14 Und Hilkia, der Priester, und Ahikam und Achbor und Schafan und Asaja gingen zu Hulda, der Prophetin, der Frau des Schallum, der Sohn Tikwas, der Sohn des Harhas, des Zeugwarts, die wohnte in Jerusalem, in der Neustadt, und sie redeten zu ihr. 15 Und sie sprach zu ihnen: „So hat Jahwe, der Gott Israels, gesprochen: ‚Sprecht zu dem Mann, der euch zu mir geschickt hat:
verweist wie der masoretische Text (vgl. 2Chr 34,16). Im Codex Vaticanus scheint dagegen die Vorstellung im Hintergrund zu stehen, dass der König sich bereits im Tempel aufhält (kai\ ei>sh~lcen e>n oi]kw| Kuri/ou pro\j to\n basile/a, LXXB), was in einer gewissen Spannung zu V.3f. steht. Hier könnte aber auch ein Textfehler vorliegen. 12 Wenige hebräische Handschriften, die Septuaginta und die Vulgata setzen TJBB HWHJ voraus (vgl. V.9). 13 Im antiochenischen Text findet sich der Zusatz >Iwsei/a| peri\ tou~ bibli/ou („[er berichtete dem König] Josia über das Buch“), der wohl von V.9a abhängig ist (s. oben, Anm. 11) und nach der Meldung die Auszahlung des Geldes betreffend (V.9b) den zweiten Teil des Berichts einleitet. 14 LXXL liest kai\ peri\ panto\j tou~ laou~ mou („und über mein ganzes Volk“, vgl. B LXX peri\ panto\j tou~ laou~). 15 Lies mit einer hebräischen Handschrift und der antiochenischen Septuaginta ( e>n au>tw|~, LXXB kac' hpi\) und V (super) LY, vgl. 2Chr 34,24 und THENIUS, 436. Vgl. LXXB (ou[j) und 2Kön 23,2. Die antiochenische Textform (ou{) bezieht das Relativpronomen auf RPO zurück. 18 Zur Interpretation der syntaktischen Struktur in V.17b vgl. die Auslegung (s. unten, S. 135–137). 19 Im antiochenischen Text wird die ungewöhnliche syntaktische Konstruktion aufgelöst und die letzten drei Worte aus V.18b werden zum folgenden Kausalsatz gestellt: a>nc' w{n h]kousaj tou\j lo/gouj mou („weil du meine Worte gehört hast …“, vgl. V.17). Der Codex Vaticanus ahmt dagegen die Wortstellung des masoretischen Textes genau nach. Im masoretischen Text entsprechen sich TYMV RVA mJRBDH (V.18b) und JTYMV JKNA mGW (V.19b) nicht nur sachlich, sondern auch syntaktisch (vgl. bereits T HENIUS, 437). 20 LXXL liest a>po\ prosw/pou mou („vor mir“) und gleicht den Wortlaut an die Redesituation (Gottesrede!) und den Kontext (vgl. V.19a) an. 21 kai\ ei>j kata/ran fehlt in der antiochenischen Textüberlieferung. MONTGOMERY / GEHMAN, 528, vermuten eine dogmatische Korrektur („as blasphemy against the Holy City“). 22 Lies LA statt LY (vgl. BHS, z.St.). 23 Die Pluralform kJTRBQ im masoretischen Text erklärt sich aus der Vorstellung mehrerer Grabkammern und braucht nicht geändert zu werden (vgl. T HENIUS, 437; COGAN / T ADMOR, 284). Zwei hebräische Handschriften und die alten Übersetzungen (LXX: to\n ta/fon) lesen dagegen den Singular und harmonisieren den Wortlaut in 2Kön 22,20 mit der Begräbnisnotiz in 2Kön 23,30. 24 Viele griechische Handschriften (u.a. LXXL) fügen kai\ e>pi\ tou\j katoikou~ntaj au>to/n („und über diejenigen, die ihn bewohnen“) hinzu (vgl. V.16 und 2Chr 34,28). Vers 20b wird in der griechischen Texttradition als Anfang von Kapitel 23 gezählt, so 17
28
1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung
Kapitel 23: 1 Und der König schickte (Boten aus) und man versammelte 25 alle Ältesten Judas und Jerusalems bei ihm. 2 Und der König ging hinauf zum Haus Jahwes und jeder Mann Judas und alle Bewohner Jerusalems (gingen) mit ihm und die Priester und die Propheten und das ganze Volk, vom Kleinsten bis zum Größten, und er rief in ihre Ohren26 alle Worte der Verpflichtungsurkunde, die im Haus Jahwes gefunden worden war. 3 Und der König stand auf der Säule27 und schloss den Bund28 vor Jahwe, hinter Jahwe her zu gehen und zu halten seine Gebote und seine Gesetzesbestimmungen und seine Rechtssatzungen mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, aufzurichten die Worte dieses Bundes, die auf dieses Schriftstück geschrieben worden waren, und das Volk trat in den Bund ein29. 4 Und der König befahl Hilkia, dem Großpriester, und den Priestern zweiter Ordnung30 und den Schwellenhütern, alle Geräte, die für den
dass der Bericht der Delegation und die Reaktion des Königs noch enger aufeinander bezogen werden. 25 Die Verbalform könnte auch als Nif‘alform vokalisiert werden (wajje’āspû, vgl. Vulgata und Pešiṭtā): „und sie (die Ältesten Judas und Jerusalems) versammelten sich (bei ihm)“ (vgl. THENIUS, 437). LXX liest den Singular kai\ sunh/gage(n) (= pOAJW „und er versammelte“, vgl. 2Chr 34,29). 26 Der Codex Vaticanus liest e>vw/pion au>tw~n („vor ihnen“). 27 Die genaue Bedeutung von DWMY an dieser Stelle ist umstritten. Die Grundbedeutung des Wortes ist „Säule, Pfeiler“, andere haben im Anschluss an Josephus Antiquitates 10,63 an ein Podest o.ä. gedacht (vgl. TJ zu 2Kön 23,3). Der Codex Vaticanus liest pro\j to\n stu/lon („bei der Säule“). 28 Die antiochenische Textform enthält zu th\n diach/khn den erklärenden Zusatz th\n eun oi]kw| Kuri/ou („die man im Haus des Herrn gefunden hatte“), vgl. 2Kön 22,8. 29 In einem altlateinischen Zitat der Stelle bei Lucifer von Calaris findet sich die Erläuterung quod disposuit rex ex libro, die noch einmal die Schriftgebundenheit der königlichen Verpflichtungszeremonie herausstellt. 30 TJ zu 2Kön 23,4 liest sgn khnj’ (hebräisch HNVMH nHK „der zweite Priester“, vgl. 2Kön 25,18), wonach THENIUS, 438f., den Text ändern will. Das Targum könnte jedoch seinerseits von 2Kön 25,18 abhängig sein und angesichts unserer geringen Kenntnisse hinsichtlich der priesterlichen Hierarchie der vorexilischen Zeit bleibt ein argumentum e silentio, wie es Thenius vorbringt, problematisch (vgl. a.a.O., 438). EYNIKEL, Textual Criticism, 403, rechnet bei der Lesart des Targum mit einem Einfluss der Priesterhierarche am Zweiten Tempel.
1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung
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Ba‘al und die Aschera31 und das ganze Himmelsheer angefertigt worden waren, aus dem Tempelgebäude Jahwes heraus zu bringen32, und er verbrannte sie außerhalb Jerusalems im Gefilde33 des Kidron und trug ihre Asche nach Bet-El. 5 Und er ließ die kemārîm34 aufhören (ihre priesterliche Tätigkeit auszuüben)35, die die Könige Judas eingesetzt hatten, und man brachte (Rauch-)Opfer dar36 in den bāmôt in den Städten Judas37 und in der Umgebung Jerusalems, und (er ließ aufhören) die, die (Rauch-)Opfer
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Die antiochenische Textform bezeugt die Transkription th~| Ashrwc, was auf die seltene feminine Pluralbildung TWRVA verweist, der im masoretischen Text nur in Jdc 3,7; 2Chr 19,3; 33,3 belegt ist. 32 In LXXL findet sich nach dem Befehl eine knappe Ausführungsnotiz, die den harten Übergang zwischen V.4a und V.4ba glättet: kai\ e>qh/gagon au>ta/ („und sie brachten sie heraus“), vgl. EYNIKEL, Textual Criticism, 403. 33 Vermutlich ist bei nWRDQ TWMDV an den Westabhang im oberen Teil des Kidrontals zu denken (s. unten, S. 257f.). Die alten Übersetzungen setzen LCNB („am Bach“, vgl. V.6 und 14) voraus (vgl. BHS, z.St.). Dies wird durch die antiochenische Septuaginta bestätigt, die e>n tw~| e>mpurismw~| tou~ xeima/rrou Kedrw/n („in / bei der Brandstätte des Baches Kidron“) liest, während der Codex Vaticanus das hebräische Wort transkribiert (salhmw\c, wohl eine Verschreibung für sadhmw\c vgl. LXXA und BROOKE et al., Old Testament, z.St.), was auf ein späteres Stadium der Textgeschichte hindeutet. 34 Die antiochenische Septuaginta liest icumi/wn (= WRFQJW, vgl. TJ zu 2Kön 23,5) und passt die Verbalform an den Kontext an (vgl. Numeruskongruenz). LXXL (tou~ cumia~n), Pešiṭtā und Vulgata setzen den Infinitiv RFQL voraus (vgl. BHS, z.St.). In der antiochenischen Texttradition wird im Anschluss das Partizip mJRFQM durch eine finite Verbalform aufgelöst (kai\ e>cumi/wn), so dass sich ein glatter Gedankenfortschritt ergibt: Die Könige hatten die Priester eingesetzt, damit sie in den landjudäischen Heiligtümern (Rauch-) Opfer darbrachten, die dem Ba‘al und den Gestirnsgottheiten geweiht waren. Die textliche Variante gibt sich damit deutlich als sekundäre Interpretation zu erkennen, die vielleicht durch die stereotype Wiedergabe der Wendung TWMB mJRFQMH mYH DWY in der Septuaginta zu 1Kön 22,44; 2Kön 12,4; 14,4 u.ö. beeinflusst ist (vgl. EYNIKEL, Textual Criticism, 406). 37 In der Septuaginta wird zwischen den Kulthandlungen in den TWMB und solchen in den Städten Judas unterschieden ( e>n toi~j un tai~j po/lesin >Iou/da).
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1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung
darbrachten für den Ba‘al, für die Sonne38 und für den Mond und für die mazzalôt und für das ganze Himmelsheer. 6 Und er brachte die Aschera39 aus dem Haus Jahwes heraus, außerhalb Jerusalems zum Kidrontal, und er verbrannte sie im Kidrontal und zermalmte (sie) zu Staub und warf ihre Asche auf die Gräber40 der Söhne des Volkes. 7 Und er riss die Häuser41 der Geweihten nieder, die im Haus Jahwes (waren), in denen die Frauen Umhüllungen42 für die Aschera gewebt hatten. 8 Und er ließ alle Priester aus den Städten Judas kommen und machte die bāmôt 43 unrein, auf denen die Priester geräuchert hatten, von Geba bis
38 Einige masoretische Handschriften, die Handschriften aus der Kairoer Geniza, die Septuaginta, die Pešiṭtā, eine Targumhandschrift und die Vulgata setzen die Kopula vor VMVL. Die syntaktische Struktur der masoretischen Textform könnte dagegen noch die Wachstumsgeschichte des Textes spiegeln, die in den Versionen eingeebnet ist (vgl. die Beobachtungen bei THENIUS, 440). 39 LXXL liest hier to\ a]lsoj th~j >Ashrw\c („den heiligen Baum der Aschera“). Dabei könnte es sich um eine Doppelübersetzung von HRVAH-TA handeln (vgl. V.4), oder der Übersetzer will zum Ausdruck bringen, dass in V.6 das Kultbild der Göttin gemeint ist, von der bereits in Vers 4 die Rede war. Dann würde die Pluralform Ashrwc in V.4.6 die Göttin im Unterschied zu ihrem Kultbild bezeichnen; in V.7 ist dagegen nur von dem Kultbild die Rede, für das die Frauen Gewänder herstellten (vgl. den Sprachgebrauch in V.14f., wo jeweils das Kultbild gemeint ist, das im Griechischen durch to\ a]lsoj bezeichnet wird). 40 RBQ ist hier kollektiv zu verstehen und bezieht sich auf die Nekropole am Osthang des Kidrontals. Eine hebräische Handschrift, LXXL (tou\j ta/fouj), die Pešiṭtā, TJ zu 2Kön 23,6 und die Vulgata bezeugen dagegen eine Pluralform (vgl. BHS, z.St.), ohne dass der masoretische Text geändert werden müsste (vgl. MONTGOMERY / GEHMAN, 539; EYNIKEL, Textual Criticism, 407). 41 Die Septuaginta liest den Singular to\n oi}kon („das Haus“). Dass der Übersetzer hier an ein sakrales Haus, d.h. an einen Kultraum, dachte, wie SCHENKER, Textgeschichte, 46, vermutet hat, erscheint angesichts der dort ausgeübten Tätigkeit eher unwahrscheinlich. Überhaupt ist die Lokalisierung des Gebäudes in der griechischen Textform nicht klar, da sich der relativische Anschluss in V.7ab (tw~n) genau genommen auf die Gruppe der zuvor genannten Kultbediensteten bezieht und keine Angabe zur geographischen Lage des Hauses macht. 42 Siehe unten, S. 327f. In der antiochenischen Textform ist stola/j („Kleider“, vgl. hebräisch mJDGB) zu lesen, und der Codex Vaticanus transkribiert seine Vorlage als xettiei/n, was entweder auf eine Verschreibung des masoretischen Textes ( mJTK) zurückzuführen ist, oder das Resultat einer innergriechischen Variantenbildung zu bettiei/m (vgl. die Minuskelhandschriften x und y) darstellt (vgl. MONTGOMERY / GEHMAN, 539). DELCOR, Cultes, 119f., denkt an eine Ableitung von akkadisch kitû in der Bedeutung „Vorhang“.
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Be’eršeba‘, und er riss die bāmôt der Tore44 nieder, die (sich) am Eingang des Tores des Josua (befanden), des Stadtkommandanten, auf der linken Seite im Stadttor45. 9 Nur sollen die bāmôt-Priester nicht hinaufgehen46 zum Altar Jahwes in Jerusalem, außer sie haben Ma‰‰ot gegessen inmitten ihrer Brüder. 10 Und er machte das tofæt unrein, das im Ben-Hinnom-Tal47 (war), damit kein Mann seinen Sohn und seine Tochter durch das Feuer gehen lässt für molæk48. 11 Und er entfernte49 die Pferde, die die Könige Judas der Sonne gestiftet hatten, am Eingang50 des Hauses Jahwes, bei der Halle Natan-Melechs, 43
Die antiochenische Septuaginta fügt pa/nta („alle“) hinzu, in Entsprechung zu „alle Priester“ und um die Totalität der Maßnahmen Josias zu unterstreichen. 44 Gemeint sind Kultanlagen, die sich im Eingangsbereich von Stadttoren befanden, wie sie archäologisch etwa in Dan (Tell el-Qā‡i) oder Betsaida (et-Tell) nachweisbar sind (s. unten, S. 348–352). Eine Emendation des Textes zu bāmôt haśśe‘irîm (vgl. BHS, z.St.) erübrigt sich damit. – Die antiochenische Textform liest statt dessen to\n oi}kon tw~n uq a>risterw~n a>ndro\j ei>sporeuome/nou th\n pu/lhn th~j po/lewj („auf der linken Seite eines Mannes, der in das Tor der Stadt hineingeht“, vgl. TJ zu 2Kön 23,8), unklar bleibt jedoch die Bedeutung des Zusatzes pu/lhn e>kkekenthme/nwn („ein Tor derer, die durchbohrt worden sind“), vgl. KLOSTERMANN, 480. 46 In der Septuaginta ist die Verbalform in die Vergangenheit transponiert worden: a>ne/bhsan („sie stiegen nicht hinauf“). Die Lesart gleicht den Tempusgebrauch an den Kontext an, aus dem die PK-Form des masoretischen Textes herausfällt. – Ist diese Variante auf ein adversatives Verständnis der Satzaussage zurückzuführen, das für die syntaktische Konstruktion mit einer AK-Form in der Protasis und in der Apodosis anderweitig belegt ist (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 200 Anm. 428)? 47 Das Qere’ liest die gewöhnliche Form mNH-nB, die durch die Septuaginta bestätigt wird (uiIsrah\l uranou~ („in Bet-On, das die Könige von Israel gebaut hatten als eine Höhe für Ba‘al und das ganze Heer des Himmels“). Der religionsgeschichtliche und historische Hintergrund der Ergänzung ist bislang unklar (vgl. P IETSCH, Von Königen und Königtümern, 51–53). EYNIKEL, Textual Criticism, 412f., nimmt hier „a typical interpolation of LXXLuc … constructed with elements of the surrounding context‟ an (a.a.O., 412). 54 Der antiochenische Text lokalisiert die Altäre „auf den Dächern der Obergemächer des Ahas, des Königs von Juda“ (e>pi\ tw~n dwma/twn tw~n uAxa\z basile/wj >Iou/da); ob dahinter exegetische Spekulation oder zeitgenössische Überlieferungen stehen, ist nicht sicher zu entscheiden. 55 Der Codex Vaticanus liest a[ e>poi/hsen basileu\j >Iou/da („die der König von Juda errichtet hatte“), der in der antiochenischen Textform mit Ahas identifiziert wird (a[ e>poi/hsen >Axa/z). Diese Lesart stellt aber kaum den ursprünglichen Text dar, sondern verdankt sich exegetischer Kunstfertigkeit, die das Errichten der Dachaltäre dem König Ahas zuschreibt, der neben Manasse als judäischer Frevelkönig par excellence gilt (vgl. 2Kön 16,1–4.10–18), vgl. MONTGOMERY / GEHMAN, 540 (Textfehler?). 56 In der antiochenischen Textüberlieferung lautet der Versteil: kai\ kate/spasen au>ta\ o< basileu\j kai\ kacei~len au>ta\ e>kei~cen kai\ e>qh/negken au>ta\ kai\ sune/triye („und der König zerstörte sie und riss sie von dort nieder, und er brachte sie weg und zerschlug [sie]“). Die Variante erklärt sich aus der morphologischen Mehrdeutigkeit der Form zRJW, die entweder von der Wurzel zZR („zerschmettern, zermalmen“) oder von zWR („laufen, eilen“) abgeleitet werden kann. Der Textzusammenhang spricht jedoch für eine Ableitung von der Wurzel zZR (s. unten, S. 421f.), vgl. EYNIKEL, Textual Criticism, 413.
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13 Und die bāmôt 57, die gegenüber von Jerusalem (lagen), südlich vom Berg des Verderbers58, die Salomo, der König von Israel, gebaut hatte für Astarte, den Greuel der Sidonier, und für Kamosch, den Greuel Moabs, und für Milkom, den Abscheu der Ammoniter, machte der König unrein. 14 Und er schlug die Maṣṣeben in Stücke und hieb die Ascheren um und füllte ihren Ort mit Gebeinen von Menschen. 15 Und auch den Altar, der in Bet-El (war), die bāmāh, die Jerobeam, der Sohn Nebats, errichtet hatte, der Israel zur Sünde verführt hatte, auch jenen Altar und59 die bāmāh riss er nieder, und er verbrannte die bāmāh60, er zermalmte (sie) zu Staub und verbrannte (die) Aschera. 16 Und Josia wandte sich um61 und sah die Gräber, die dort auf dem Berg62 (waren), und er sandte (hin) und nahm die Gebeine aus den Gräbern und verbrannte (sie)63 auf dem Altar und machte ihn unrein, nach dem Wort Jahwes, das der Gottesmann ausgerufen hatte64, der diese Ereignisse angekündigt hatte,
57 Die Septuaginta liest hier to\n oi]kon („das Haus“) und denkt wohl an ein Tempelgebäude, in dem verschiedene Nationalgottheiten der benachbarten Staaten verehrt wurden. 58 TJ zu 2Kön 23,13 identifiziert den Berg mit dem Ölberg (zur Diskussion s. unten, S. 424f.). Der Codex Vaticanus liest tou~ Mosoa/c, im antiochenischen Text wird das Wort als >Amessoa/c transkribiert – die einzelnen Handschriften weichen jedoch in der Vokalisation und im Konsonantenbestand voneinander ab. 59 Die Kopula fehlt in der Septuaginta (LXXB.L), die to\ utou~ liest („und er zerschlug seine Steine“), was hebräisch WJNBA-TA RBVJW entspricht (vgl. V.14a). Die Variante könnte damit zusammenhängen, dass in der griechischen Textüberlieferung des Verses HMB konsequent als Apposition zu CBXM verstanden wird (s. vorige Anm.), so dass hier von der totalen vernichtung des Altars die Rede ist (vgl. V.6.12), vgl. EYNIKEL, Textual Criticism, 416. Der masoretische Text bietet eindeutig die lectio difficilior und lässt noch Spuren redaktioneller Bearbeitung erkennen (s. unten, S. 435–437). 61 Die antiochenische Textform präzisiert: kai\ a>pe/streyen >Iwsei/aj kai\ e>qe/neuse. 62 Der Codex Vaticanus liest e>n th|~ po/lei („in der Stadt“), vgl. 1Kön 13,29f. 63 Einige Handschriften der antiochenischen Textüberlieferung ergänzen ta\ o>sta~ („die Knochen“) als logisches Objekt des Satzes. 64 In der Septuaginta findet sich an dieser Stelle ein Zusatz: kai\ e>pistre/yaj h}ren [ >Iwsei/aj LXXL] tou\j o>fcalmou\j au>tou~ e>pi\ to\n ta/fon tou~ a>ncrw/pou tou~ ceou~. Häufig wird hier ein sekundärer Textausfall im masoretischen Text angenommen (Homoioteleuton, vgl. THENIUS, 446; MONTGOMERY / GEHMAN, 540f.). Die Ergänzung
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1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung
17 und er sagte: „Was ist das für ein Steinmal da, das ich sehe?“ Und die Männer der Stadt sagten zu ihm: „Das Grab des Gottesmannes, der aus Juda gekommen war und diese Worte / Ereignisse ausgerufen hatte, die du auf dem Altar von Bet-El getan hast.“ 18 Und er sprach: „Lasst es an Ort und Stelle. Niemand soll seine Gebeine aufrütteln.“ Und sie ließen seine Gebeine unbehelligt, zusammen mit den Gebeinen des Propheten, der aus Samaria gekommen war. 65 19 Und auch alle Häuser der bāmôt, die in den Städten Samarias (waren), die die Könige Israels errichtet hatten, um (Jahwe) zu kränken, entfernte66 Josia und er tat in ihnen alles, was er in Bet-El getan hatte. 20 Und er schlachtete alle bāmôt-Priester, die dort (waren), auf den Altären67 und verbrannte menschliche Gebeine auf ihnen, und er kehrte zurück nach Jerusalem. 21 Und der König befahl dem ganzen Volk: „Haltet Passa68 für Jahwe, euren69 Gott, wie (es) auf dieser Verpflichtungsurkunde70 geschrieben worden ist.“71 22 Denn es wurde nicht (Passa) gehalten wie dieses Passa 72, seit den Tagen der Richter, die Israel gerichtet haben, und alle 73 Tage der Könige von Israel und der Könige von Juda, verknüpft den Vers jedoch noch enger mit dem Bezugstext in 1Kön 13 und ist kaum ursprünglich. 65 Die antiochenische Textform liest kai\ diesw/ch ta\ o>sta~ tou~ profh/tou tou~ presbu/tou tou~ katoikou~ntoj e>n Baich\l meta\ tw~n o>stw~n tou~ a>ncrw/pou tou~ ceou~ tou~ h[kontoj e>q >Iou/da kai\ lelalhko/toj pa/nta ta\ e]rga tau~ta a[ e>poi/hsen >Iwsei/aj („und die Gebeine des alten Propheten, der in Bet-El wohnte, wurden bewahrt mit den Gebeinen des Gottesmannes, der aus Juda gekommen war und alle diese Werke angekündigt hatte, die Josia getan hat“) und schließt den Wortlaut noch näher an den Bericht in 1Kön 13,30–32 an. 66 Der antiochenische Text liest kacei~len („er riss nieder“) und gleicht die Aussage sprachlich an V.15 an. 67 LXXL expliziert e>pi\ ta\ cusiasth/ria au>tw~n („auf ihren Altären“). 68 In der antiochenischen Texttradition ist der Ausdruck determiniert: to\ pa/sxa, das Passa wird hier mit dem Jahresfest des alttestamentlichen Festkalenders identifiziert (vgl. Dtn 16,1–8). 69 Die Septuaginta liest das Personalpronomen in der 1.Pers. c. Pl. („unser Gott“), schließt den König also in die Aufforderung ein. 70 Der antiochenische Text liest e>v tw~| bibli/w| th~j diach/khj tau/thj („in dem Buch dieser Verpflichtung“) und setzt TAXH TJRBH RPO voraus. Den Ton trägt hier der Verpflichtungscharakter der Feier, während im masoretischen Text der Akzent auf der Schriftgemäßheit liegt. 71 In der antiochenischen Textform schließt sich eine knappe Ausführungsnotiz an: kai\ e>poi/hsan ou[twj („und sie taten so“), eine Tendenz, die bereits oben zu V.4 zu beobachten war. Was der König befiehlt, ist auch so ausgeführt worden. Damit wird zugleich das Ende der Rede Josias eindeutig markiert.
1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung
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23 außer im 18. Jahr des Königs Josia, (da) wurde dieses Passah gehalten für Jahwe in Jerusalem. 24 Und auch die Totenbeschwörer und die Wahrsager und die terāfîm und die Götzenbilder und alle Greuel, die im Land Juda und in Jerusalem gesehen worden waren74, beseitigte Josia, um die Worte der Tora aufzurichten, die auf das Schriftstück geschrieben worden waren, das Hilkia, der Priester, im75 Haus Jahwes gefunden hatte. 25 Und wie er war kein König vor ihm, der zu Jahwe zurückgekehrt wäre mit seinem ganzen Herzen und mit seiner ganzen næfæš und mit seiner ganzen Kraft gemäß der ganzen Tora des Mose, und nach ihm stand keiner auf wie er. 26 Nur Jahwe kehrte nicht zurück von der großen Glut seines Zornes 76, der entbrannt war gegen Juda, wegen all’77 der Kränkungen, mit denen Manasse ihn gekränkt hatte. 27 Und Jahwe sprach: „Auch Juda werde ich entfernen von meinem78 Angesicht, wie ich Israel entfernt habe, und ich werde diese Stadt verwerfen, die ich erwählt habe, Jerusalem, und das Haus, von dem ich gesagt habe, mein Name soll dort sein.“ 28 Und was sonst noch von Josia zu sagen ist und alles, was er getan hat, ist dies nicht geschrieben in den Annalen der Könige von Juda? 29 In seinen Tagen79 zog der Pharao Necho, der König Ägyptens, herauf zum80 König von Assur, gegenüber dem Euphrat, und der König Josia ging ihm entgegen und als er ihn sah81, tötete er82 ihn in Megiddo.
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Der Codex Vaticanus liest o[ti ou>k e>genh/ch to\ pa/sxa tou~to („denn dieses Passa wurde nicht gehalten …“), was vermutlich auf Haplographie der Vergleichspartikel K zurückzuführen ist ( pace THENIUS, 448). Der Wortlaut des Codex Vaticanus könnte dahin interpretiert werden, dass unter Josia erstmals ein Passa gefeiert worden sei (vgl. EYNIKEL, Textual Criticism, 423f.), s. unten S. 449 Anm. 19. 73 LXXL liest kai\ e>n pa/saij tai~j hn oi]kw|) und einigen hebräischen Handschriften TJBB (vgl. THENIUS, 450; BHS, z.St.). Der masoretische Text erklärt sich aufgrund von Haplographie des B. 76 LWDG kann sowohl zu pA (vgl. LXXA) als auch zu nWRC gehören (vgl. LXXB); vermutlich ist es auf den Gesamtausdruck zu beziehen (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 305). 77 LK fehlt im Codex Vaticanus, in der Pešiṭtā und in der Vulgata (vgl. BHS, z.St.). 78 Der Codex Vaticanus liest irrtümlich a>po\ tou~ prosw/pou au>tou~ („von seinem Angesicht“), was vermutlich auf eine Vertauschung von J und W zurückzuführen ist. 79 Im antiochenischen Text erfolgt zum Zweck der Verdeutlichung eine Renominalisierung des Königs: e>n tai~j hIwsei/ou (vgl. 22,2.9f.; 23,1f.16.18.21).
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1. Kapitel: 2Kön 22–23: Der Text und seine Überlieferung
30 Und seine Knechte ließen ihn tot auf einem Wagen von Megiddo wegbringen, und sie brachten ihn nach Jerusalem und begruben ihn in seinem Grab83, und das Volk des Landes nahm Jehoahas, den Sohn Josias, und sie salbten ihn und machten ihn zum König anstelle seines Vaters.
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Die Präposition LY steht hier entweder anstelle von LA, wie es im spätbiblischen Hebräisch häufiger vorkommt (vgl. COGAN / TADMOR, 291), oder sie wird im Sinne von „zugunsten von, wegen“ gebraucht (s. unten, S. 461 Anm. 28). 81 Die antiochenische Septuaginta liest e>v tw~| a>panth/sai au>to\n au>tw~| („als er ihm entgegentrat“), was vielleicht auf einem Textfehler beruht (WTARQL für WTARK). 82 Der Codex Vaticanus ergänzt Nexaw als Subjekt, die antiochenische Handschriftengruppe liest Faraw. Beide Lesarten dienen der Verdeutlichung des Textes, da das Subjekt der Handlung im masoretischen Text mehrdeutig ist und erst durch den Kontext eine Klärung erfährt. 83 In der antiochenischen Textüberlieferung wird die Grablegungsnotiz um die gewöhnliche Angabe e>n po/lei Daui/d („in der Stadt Davids“, vgl. LXXA) erweitert. Abgesehen von der Frage, ob dem Übersetzer (oder seiner Vorlage) eine Tradition über das Davidgrab bekannt war, ist festzuhalten, dass sich im masoretischen Text von Hiskia an keine Erwähnung der königlichen Grablage in der Davidstadt mehr findet (vgl. 2Kön 20,21; 21,18.26). Vermutlich geht die Ergänzung im griechischen Text auf eine sekundäre Angleichung an die herkömmliche Form der Begräbnisnotizen zurück (s. unten, S. 465 mit Anm. 40).
2. Kapitel
Aufbau und Textur des Reformberichts Bevor der Bericht über die Reformtätigkeit Josias in seinen Hauptabschnitten detailliert analysiert und interpretiert wird, soll eine Strukturanalyse der Gesamteinheit 2Kön 22,1–23,30 vorangestellt werden, die zum einen die Abgrenzung der (Teil-)Einheit in ihrem größeren literarischen Zusammenhang begründen und zum anderen ihre Kompositionsstruktur und ihren Aufbau herausarbeiten soll. Dabei finden sowohl formale als auch semantische und pragmatische Gesichtspunkte Berücksichtigung. Ein Vorschlag zur Gliederung beschließt diesen ersten überblicksartigen Durchgang durch den Text. Der Bericht über die Regierung des Königs Josia in 2Kön 22,1–23,30 ist Bestandteil einer größeren literarischen Komposition der Geschichte der beiden Staaten Israel und Juda und ihrer Herrscherhäuser, wie sie in den Königsbüchern (und in den Samuelbüchern) überliefert ist. Die Einbettung des Abschnitts in einen größeren Erzählzusammenhang ergibt sich aufgrund der – bei aller Variation im Einzelnen – stets wiederkehrenden Einund Ausleitungsformeln, die die Darstellung der jeweiligen Herrscher und ihrer Regierungszeit rahmen. Der sog. „vordere Königsrahmen“ enthält neben Angaben zum Alter des Königs bei seinem Regierungsantritt, der Dauer seiner Herrschaft und dem Namen der Königinmutter 1 eine theologische Wertung, die den jeweiligen Regenten (und seine Regierung) vorab coram deo positiv oder negativ qualifiziert und in der sich ein Stück der theologischen Geschichtsdeutung des Verfassers widerspiegelt, die das gesamte Erzählwerk durchzieht. Eine solche einleitende Rahmennotiz findet sich erstmals bei Rehabeam von Juda, dem Sohn Salomos, in 1Kön 14,21f. Sie fehlt bei den früheren Königen David und Salomo sowie bei Jerobeam I. von Israel, dem Zeitgenossen und Gegenspieler Rehabeams. Die Gründe hierfür sind unterschiedlicher Natur. So wird beispielsweise die Dauer der Königsherrschaft Davids im Zusammenhang mit der Mitteilung seines Todes und den Angaben zum Begräbnisort – Elemente des sog. „hinteren Königsrahmens“ – nachgetragen 1 Das Alter des Königs bei seinem Herrschaftsantritt und der Name der Königinmutter werden nur bei den judäischen Königen erwähnt; die Angaben zur Königinmutter werden in 2Kön 12,2; 14,2; 15,2; 21,19; 22,1; 23,31.36; 24,8.18 durch die Nennung ihres Herkunftsorts ergänzt. Bis zum Untergang des Staates Israel werden diese Angaben noch um den Synchronismus mit den jeweiligen Herrschern des Nachbarlandes erweitert.
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2. Kapitel: Aufbau und Textur des Reformberichts
(1Kön 2,10f.; vgl. die Angaben zu Salomo bzw. Jerobeam I. in 1Kön 11,41–43; 14,19f.). Genau genommen wird sie dort allerdings nicht nachgetragen, sondern aus 2Sam 5,4f. (vgl. 2,11) wiederholt, jedoch mit einer abweichenden Verwendung des Begriffs „Israel“, der in 2Sam 5,5 auf das Gebiet der Nordstämme beschränkt ist. Die narrative Entfaltung der Davidüberlieferung mit der zweistufigen Ausbildung seiner Herrschaft über Juda und Israel machte eine schematische Eröffnung, wie sie im vorderen Königsrahmen vorliegt, praktisch unmöglich. Der Name der Mutter Davids ist nicht überliefert, was nicht allein darauf zurückzuführen sein wird, dass das Amt der Königinmutter erst mit dem dynastischen Königtum der Davididen etabliert worden ist (vgl. 2Sam 2,8–10), sondern zugleich einen Hinweis darauf gibt, dass David nicht aus einer angesehenen Familie, geschweige denn aus königlichem – saulidischem – Geschlecht stammte. Die Mutter Salomos hingegen war aus der Davidüberlieferung hinlänglich bekannt und bedurfte keiner formellen Nennung bei dessen Herrschaftsantritt (vgl. 2Sam 12; 1Kön 1f.).2 Die Informationen, die für gewöhnlich in den Angaben des vorderen Königsrahmens enthalten sind, sind bei den ersten Königen Israels und Judas stärker mit der Darstellung ihrer Herrschaft verzahnt, was vermutlich im Wesentlichen auf die ausgeführte narrative Gestalt der älteren Überlieferung zurückzuführen ist.
Der Einsatz des Textstücks 2Kön 22,1–23,30 mit den Angaben zum Beginn und zur Dauer der Königsherrschaft Josias von Juda grenzt den Abschnitt vom vorhergehenden Bericht über die Regierung seines Vaters Amon ab, der in 2Kön 21,25f. mit den üblichen Notizen über Grablegung, den Namen des Thronfolgers und einem Hinweis auf weitere (annalistische?) Quellen über die Regierung des Königs schließt. Die Erwähnung Josias ohne Filiation und die Altersangabe bei seinem Herrschaftsantritt in 22,1 setzen dagegen seine Einführung als Nachfolger seines Vaters Amon voraus (vgl. 2Kön 21,24.26), so dass sich der Abschnitt als literarische Fortsetzung des kurzen Berichts über die Regierung Amons erweist. Der Beginn des Textstücks zeigt demnach sowohl dessen relative Eigenständigkeit als auch dessen Einbindung in den größeren literarischen Komplex der (Samuel- und) Königsbücher. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Schlussabschnitt des Textes, dem sog. „hinteren Königsrahmen“ (vgl. 2Kön 23,25–30), der in chiastischer Entsprechung zu 22,1f aus einer theologischen Würdigung der Person und Herrschaft Josias (vgl. V.25–27) sowie den üblichen Verweisen auf „die Annalen der Könige von Juda“ (vgl. 1Kön 14,29 u.ö.), die erweiterte Notiz über seinen Tod und sein Begräbnis und die Bestellung seines Sohnes Joahas zu seinem Nachfolger (vgl. V.28–30) besteht. Der anschließende Bericht über die kurze Regierung des Joahas setzt wiederum mit den oben vorgestellten Angaben des vorderen Königsrahmens neu ein. Todes- und Begräbnisnotiz markieren deutlich den Abschluss der Regierungszeit Jo2 Die Mutter Jerobeams I. wird bei seiner erstmaligen Erwähnung in 1Kön 11,26 zusammen mit dem Namen seines Vaters genannt. Auch Jerobeam kam nicht aus einer königlichen Familie, sondern gelangte als Usurpator an die Macht.
2. Kapitel: Aufbau und Textur des Reformberichts
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sias (vgl. V.29–30a), während die Inthronisation seines Sohnes Joahas unter Mitwirkung des zRAH-mY (vgl. V.30b) zur nächsten Episode überleitet. Sowohl an ihrem Beginn als auch an ihrem Ende erweist sich die Texteinheit 2Kön 22,1–23,30 demnach als mit ihrem literarischen Kontext eng verzahnt und somit als Teil einer übergreifenden literarischen Komposition, deren genaue Abgrenzung vorerst offen bleiben soll. Nachdem der Bericht über die Regierung des Königs Josia sich als eine in sich geschlossene, mit ihrem literarischen Kontext eng verwobene Texteinheit erwiesen hat, soll im Folgenden die narrative Struktur des Textes genauer analysiert werden. Die Darstellung setzt mit den üblichen chronologischen und genealogischen Angaben zur Regierung des Königs ein (vgl. 22,1), an die sich die theologische Beurteilung des Regenten und seiner Herrschaft anschließt. Das stereotype Formschema des Rahmens wird in V.2 – wie häufiger in 1–2Kön – an die situativen Umstände angepasst und hat seine nächste Parallele in der Beurteilung des judäischen Königs Hiskia (vgl. 2Kön 18,3). Mit 2Kön 22,3 beginnt die eigentliche narratio, die bis einschließlich 2Kön 23,24 verläuft, bevor der Bericht mit den Angaben zu Tod und Begräbnis des Königs endet (vgl. 2Kön 23,28–30a). Die geschilderten Ereignisse werden in das 18. Jahr der Regierung Josias datiert. Die Datumsangabe aus 22,3 kehrt am Ende des Berichts in 23,23 wieder und bildet eine inclusio um den narrativen Hauptteil der Darstellung. Diese rahmende Funktion wird noch dadurch verstärkt, dass abgesehen von 2Kön 23,16.19 nur in diesen beiden Versen der Name des Königs genannt wird. Es ist bereits seit langem aufgefallen, dass die Notiz in 2Kön 23,24 aus dieser klar erkennbaren Kompositionsstruktur herausfällt, was darauf hindeutet, dass sie vermutlich Nachtragscharakter besitzt. Die Darstellung springt sogleich in das 18. Regierungsjahr Josias, woraus bereits ersichtlich wird, dass der Verfasser keinen vollständigen Bericht über die Herrschaft des Königs beabsichtigt. Hier schreibt kein Chronist, sondern ein theologischer Geschichtsschreiber. Die Erzählung wird durch den Tempusmarker JHJW verbunden mit einer temporalen Umstandsangabe stilgerecht eröffnet. Folgt man der Datierung des Herrschaftsantritts Josias in das Jahr 640/39 v. Chr., ergibt sich als zeitlicher Horizont der nachfolgenden Ereignisse das Jahr 622 v. Chr.3 Damit ist zunächst sichergestellt, dass der unmündig an die Macht gelangte König (vgl. die Al3
Die Antwort auf die Frage, ob dieses Datum vom Verfasser frei gewählt worden ist, oder ihm aus der Überlieferung vorgegeben war, hängt nicht zuletzt mit der Frage nach dem Quellenwert des biblischen Berichts selbst zusammen. Wem die gesamte Darstellung – abgesehen von den Angaben des äußeren Königsrahmens – als dtr Fiktion gilt, der wird auch die Datumsangabe in 22,3 als im Dienst dieser Fiktion stehend betrachten müssen und könnte für diese Annahme auf die chronologischen Angaben im parallelen Bericht der Chronik verweisen (2Chr 34f.), die abgesehen von den Vorgaben in 2Kön 22–23 zweifellos der Erzählintention des Verfassers geschuldet sind.
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2. Kapitel: Aufbau und Textur des Reformberichts
tersangabe in V.1) im Folgenden eigenverantwortlich handelt und nicht mehr der politischen Vormundschaft der Königinmutter oder seiner Notabeln untersteht. Damit korrespondiert die Beobachtung, dass der König im Fortgang der Handlung stets als der souverän handelnde Protagonist der Ereignisse auftritt. Dies zeigt sich nicht nur im Reformbericht (23,4–20), sondern programmatisch jeweils am Beginn eines neuen Erzählabschnitts (vgl. 22,3.12; 23,1.4.21). Die erste Szene spielt im königlichen Palast4, wo der König – seine Identität ist durch die Zeitangabe in V.3a und den anaphorischen Gebrauch des Artikels bei kLM gesichert – den Schreiber Schafan, einen hohen zivilen Beamten, mit einem Auftrag zum Großpriester Hilkia ( LWDGH nHKH) in den Tempel schickt. Damit sind bereits die drei Protagonisten des ersten Abschnitts genannt: der König, der Schreiber Schafan und der Großpriester Hilkia. Mit dem Jerusalemer Tempel wird zugleich der Ort eingeführt, der nicht nur in 22,3–10 (vgl. V.3–6.8f.) sondern auch im weiteren Verlauf der Handlung im Mittelpunkt des Geschehens steht. Die Beauftragung Schafans wird in direkter Rede mitgeteilt (V.4–7). Es handelt sich um einen administrativen Akt im Zusammenhang mit Restaurierungsmaßnahmen am königlichen Heiligtum in Jerusalem, der gemäß 2Kön 12,10–17 einem regelmäßigen Prozedere folgte. Der königliche Schreiber hatte die Ausgabe von Silber an die Tempelhandwerker zu beaufsichtigen, die allfällige Ausbesserungsarbeiten am Tempelgebäude durchführen sollten.5 In der nächsten Szene befindet sich der Schreiber Schafan im Gespräch mit dem Großpriester Hilkia (vgl. V.8) – von der Ausführung des königlichen Auftrags verlautet zunächst nichts, sie wird aber im Folgenden vorausgesetzt (vgl. V.9). Die Erzählung wirkt hier sehr stark gerafft und beschränkt sich auf das für den Verfasser entscheidende Geschehen, nämlich die Auffindung des Toraschriftstücks, von der Hilkia Schafan unterrichtet und das er ihm übergibt. Die beiden Themen – Ausbesserungsarbeiten am Tempel und Auffindung des Toraschriftstücks – stehen einigermaßen unverbunden nebeneinander (vgl. V.9f.), wobei das Hauptinteresse des Erzählers zweifellos auf letzterem liegt. Die Entdeckung des Toradokuments löst die folgenden Ereignisse aus – sie motiviert die weitere Handlung. Die Restaurierungsarbeiten am Tempel, von deren Durchführung im Übrigen nirgends die Rede ist, scheinen nur den äußeren Rahmen abzugeben, damit das Toraschriftstück dem König zugespielt werden kann. Nachdem Schafan das Schriftstück gelesen hat, kehrt er zum König zurück und erstattet 4 Der Palast wird als Ort der Handlung zwar weder in V.3 noch in V.9 ausdrücklich genannt, doch ist dies der zu erwartende Ort für die Beauftragung eines Beamten durch den König. 5 Die Verse 4–7 und 9 sind von den Wortfeldern „Silber / Geld“ (pOK, mMT / kTN, nTN) und „Bauarbeiten“ (DQP, QXC, QDB, HKALMH JSY, mJVRC, HNB, zY, nBA, mJRDG) bestimmt.
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ihm zunächst Bericht, den Auftrag gemäß den Anweisungen des Königs ausgeführt zu haben (V.9). Anschließend setzt er neu an und berichtet dem König von dem Toradokument, das Hilkia ihm gegeben hat, und liest es ihm vor (vgl. V.10). Vers 11 enthält die unmittelbare Reaktion des Königs auf die Verlesung des Schriftstücks, über dessen Inhalt zunächst nichts weiter mitgeteilt wird. Er schließt die erste Szene ab und bereitet gleichzeitig die folgende Gottesbefragung vor, insofern der Gestus der Selbstminderung, den der König vollzieht, indem er seine Kleider zerreißt, in engem sachlichen Zusammenhang mit der Erwartung des göttlichen Zorngerichts steht, von dem in V.13.16–20* die Rede ist. Der Vers besitzt Überleitungsfunktion und verknüpft die Gottesbefragung in V.12–20 mit dem Bericht über das Auffinden des Toraschriftstücks. Erstere wird wiederum durch eine königliche Beauftragung eröffnet (HWZ, V.12), die dieses Mal an eine Mehrzahl von Personen gerichtet ist. Der szenische Neueinsatz wird jedoch nicht nur durch die Erweiterung des Personeninventars markiert, sondern zusätzlich durch das Wortfeld der Gottesbefragung angezeigt, das in V.13–20 vorherrscht (vgl. HWHJ VRD, HAJBN, HWHJ RMA HK, HWEHJ mAN). Der König befiehlt Hilkia, Schafan und drei weiteren Männern aus der Umgebung des Hofes6, für ihn, das Volk und ganz Juda Jahwe zu befragen. Der Grund dafür liegt in dem Zorn Jahwes, der gegen den König und das Volk entbrannt ist, weil „die Väter“ die Worte des Toraschriftstücks nicht beachtet hätten (vgl. V.13). Es wird vorausgesetzt, dass das aufgefundene Schriftstück einerseits eine Tora enthält, die bereits den früheren Generationen („Vätern“) bekannt gewesen ist, und andererseits Gottes Zorn für den Fall ankündigt, dass die dort niedergelegten Weisungen missachtet werden (vgl. V.11). 7 Welchen Zweck die Gottesbefragung erfüllen soll, bleibt zunächst in der Schwebe: Bedarf der Inhalt der Toraschrift der prophetischen Legitimation? Oder handelt es sich um eine Orakeleinholung? Oder erbittet sie die Fürbitte eines Propheten, um das bevorstehende Unheil noch abzuwenden (vgl. Am 7,1–6)? Die königliche Delegation macht sich in jedem Fall auf den Weg und sucht die Prophetin Hulda auf, die in der „Zweitstadt“, d.h. im Bereich der Westerweiterung Jerusalems, auf dem SW-Hügel der Stadt wohnt. Warum die Wahl gerade auf Hulda fiel, wird nicht berichtet – deut6
Dies gilt zumindest für Asaja, der den Titel „Diener des Königs“ ( kLMH DBY) trägt und dadurch als königlicher Beamter ausgewiesen ist. Eine Verbindung zum Königshof wird aber auch für Ahikam, den Sohn Schafans, und Achbor, den Sohn Michajas, vorauszusetzen sein – zumal für den Fall, dass ersterer ein Sohn des der Gesandtschaft gleichfalls angehörenden königlichen Schreibers Schafan gewesen sein sollte. 7 Letzteres wird anschließend in dem Gerichtswort gegen das Volk (V.15–17) dahingehend erläutert, dass sie Jahwe verlassen und anderen Göttern geopfert hätten (vgl. V.17).
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lich ist nur, dass der König die Gesandtschaft nicht explizit zu ihr geschickt hat.8 Das kunstvoll gestaltete, zweigliedrige Prophetenwort Huldas (vgl. V.15–20) bestätigt den Zorn Jahwes gegen „diesen Ort“ (Jerusalem?) und seine Bewohner, den der König bereits in V.13 konstatiert hatte, und kündigt das unaufhaltsame Gericht über sie an (vgl. V.16f.). Dem König selbst wird dagegen zugesagt, dass er das kommende Unheil nicht sehen, sondern „mit / im Frieden“ zu seinen Vätern versammelt werden wird, weil er sich vor Jahwe gedemütigt hat (V.18–20, vgl. V.11). Auf das Verständnis des Ausdrucks mWLVB in V.20 und sein Verhältnis zum Bericht über den gewaltsamen Tod des Königs nach 23,29f.*, das zu vielfältigen literarhistorischen Spekulationen Anlass gegeben hat, wird noch zurückzukommen sein. Hier sei lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass der Wortlaut der Gottesrede selbst die Wendung dahin erläutert, dass der König das kommende Gericht nicht mit ansehen muss, m.a.W., es wird zu seinen Lebzeiten nicht eintreffen – und dies ist auch nicht geschehen. Abschließend wird mit wenigen Worten erzählt, dass die Delegation zum König zurückkehrt und Bericht erstattet (V.20, vgl. V.9). Obwohl das Gotteswort der Prophetin Hulda lediglich die Unausweichlichkeit des Gerichts konstatiert, dessen Eintreffen selbst der sich demütigende König nicht verhindern kann, lässt dieser im Folgenden ganz Juda und Jerusalem versammeln, um vor Jahwe eine berît zu schließen. Der szenische Wechsel ist wiederum an der veränderten Personenkonstellation (der königliche Schreiber Schafan wird in Kap. 23 nicht mehr genannt!), dem Wortfeld der „Bundestheologie“, das in 23,1–3 vorherrscht und am deutlichsten in der Umbenennung des HRWTH RPO (vgl. 22,8.11) in den TJRBH RPO in 23,2 (vgl. V.21) zum Ausdruck kommt, und dem Jerusalemer Tempel(-bezirk) als dem Ort der Handlung (vgl. V2f.) zu erkennen. Im Unterschied zu den vorangehenden Abschnitten tritt das Stilelement der direkten Rede hier ganz zurück – es begegnet in 23,1–24 lediglich in V.16–18 und V.21. Das Schriftstück, das im Tempel gefunden wurde, wird als „Schriftstück des Bundes“ bezeichnet, eine Nomenklatur, die darauf hindeuten könnte, dass der Bundesgedanke darin eine wichtige Rolle spielt bzw. dass die Schrift in 23,2f. ihrerseits zum Gegenstand der Selbstverpflichtung des Königs und des Volkes wird. Der Inhalt des Schriftstücks 8
Das Verbum CLV begegnet zwar in 22,15.18 jeweils mit dem König als Subjekt, bezieht sich aber in beiden Fällen auf Jahwe als den Adressaten der Gottesbefragung. – Ob Hulda eine Hofprophetin gewesen ist, ist schwer zu entscheiden: Einerseits offenbart die genealogische Angabe in V.14 eine deutliche Verbindung zu höfischen Kreisen, andererseits zeigt eine Szene wie 2Sam 7,1–3, dass der König normalerweise seine Beamten zu sich ruft, um sie zu befragen (vgl. noch 1Kön 22). Jer 37,3–10 wiederum schildern eine königliche Gesandtschaft zum Propheten Jeremia, der seinerseits nicht zum höfischen Beamtenapparat gehörte, und können die Szenerie aus 2Kön 22,12–20 illustrieren.
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wird dem ganzen Volk bekannt gemacht. Daraufhin verpflichtet sich zunächst der König auf den Inhalt der Schrift, ihre Gebote, Satzungen und Ordnungen, und das Volk tut es ihm nach (vgl. V.3b). Auf diese Selbstverpflichtung von König und Volk (einschließlich der Priester und Propheten, V.2) folgt eine lange Reihe von kultpolitischen Reformen in Jerusalem, Juda und Samaria (vgl. 23,4–20). Der Abschnitt, in dem syntaktisch der Wechsel von wajjiqṭol und we-x-qāṭal Formationen auffällt, ist semantisch durch das Wortfeld des Kultes 9 und eine Anhäufung von verba delendi (zTN, pRS, QQD, RBV, TRK, vgl. auch TBV Hif. und RWO Hif.) charakterisiert. Das strukturierende Prinzip des sog. „Reformberichts“ ist in der Forschung strittig, deutlich ist jedoch, dass in V.4–14 Maßnahmen in Jerusalem und im Gebiet Judas geschildert werden, während V.15–20 den Blick auf das Heiligtum in Bet-El und Kulteinrichtungen im Gefilde Samarias lenken (vgl. schon V.4). Innerhalb dieses Abschnitts heben sich V.16–20 dadurch ab, dass nur in V.16 und 19 der Name Josia erwähnt wird (zuletzt in 22,3), die Erzählung in V.17f. durch einen kurzen Dialog zwischen dem König und der Einwohnerschaft von Bet-El unterbrochen wird und das Wortfeld der Prophetie in V.16–18 dominant in den Vordergrund tritt ( HWHJ RBD, mJHLAH VJA, AJBN). Hinzu kommen eine Reihe kleinerer terminologischer Differenzen im Vergleich zum Rest der Reformnotizen.10
Im Erzählablauf folgen die kultpolitischen Reformen des Königs organisch aus dessen Selbstverpflichtung auf das Toraschriftstück in 23,1–3. Wenn es in V.3 heißt, dass der König (und das Volk) hinter Jahwe „hergehen“ und seine Weisungen beachten will, so entsprechen die anschließenden Kultreinigungs- und Kultbeseitigungsmaßnahmen genau dieser Verpflichtung und nehmen antithetisch den Vorwurf des Huldaorakels auf, das Volk habe Jahwe verlassen und anderen Göttern Rauchopfer dargebracht, d.h. sie verehrt (vgl. 22,17). Auffällig ist jedoch, dass das Toraschriftstück selbst innerhalb des Maßnahmenkatalogs in V.4–20 nirgends erwähnt wird: Läse man den Bericht ohne seine narrative Einbettung, käme vermutlich niemand auf den Gedanken, dass es sich hierbei um die Ausführung von Bestimmungen handelt, die Grundlage einer öffentlichen Selbstverpflichtung von König und Volk geworden waren. Mit der Rückkehr des Königs nach Jerusalem endet der Abschnitt (vgl. V.20b). 9
Hierzu zählen kultarchitektonische Angaben wie TWMB, TWCBXM, HWHJ TJB, TWBZM und mJRVA, verschiedene Gruppen des Kultpersonals ( mJRMK, mJNHK, mJVDQ) in Verbindung mit den Verben RFQ Pi., CBX und AMF Pi. sowie die Erwähnung diverser Götternamen (Šamaš, Ba‘al, Aschera? und das „Himmelsheer“). 10 Hier wären die in den Königsbüchern gebräuchliche Verbindung von TWMB (JTB) mit dem Verb RWO Hif. (vgl. V.19), die Rede vom „Opfern“ (CBX) der Priester und das Verbrennen (pRS) menschlicher Gebeine auf den Altären in den Städten Samarias (vgl. V.16.20) zu nennen, die ihre nächste Parallele in 1Kön 13 besitzen.
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Die letzte Szene des Erzählzusammenhangs von 22,3–23,23 beginnt wie 23,4 (vgl. schon 22,12) mit einem Befehl des Königs (HWZ). Diesmal richtet er sich an das Volk, dessen Anwesenheit in Jerusalem nach 23,1–3 noch vorausgesetzt zu sein scheint, mit der Aufforderung, ein COP für Jahwe zu feiern11 gemäß den Bestimmungen des Schriftstücks des Bundes (vgl. V.21), auf das sich beide zuvor verpflichtet hatten. Über die Ordnung oder den Charakter der Passafeier wird nichts weiter mitgeteilt, außer dass seit den Tagen der Richter und während der gesamten Königszeit kein Passafest wie dieses gefeiert worden sei – nur im 18. Jahr des Königs Josia wurde dieses Passa für Jahwe in Jerusalem gefeiert (vgl. V.23). Ungeachtet der vielen offenen Fragen, die mit der Passafeier in 23,21–23 verbunden sind, kann für die Gesamtkomposition des Reformberichts festgehalten werden, dass die Passafeier mit der Selbstverpflichtung des Königs und des Volkes eng verbunden ist (vgl. V.21): Sie schließt die josianische Kultreform ab, die mit der Selbstverpflichtung auf das Toraschriftstück in 23,1–3 begonnen hatte, und bringt die Wiederherstellung des Gottesverhältnisses und die Erneuerung des torakonformen Gottesdienstes nach den erfolgten Kultbeseitigungsmaßnahmen in V.4–20 sichtbar zum Ausdruck. Die Datumsangabe in V.23 weist zurück an den Anfang der Erzählung in 22,3 und bildet gemeinsam mit der Nennung des Namens des Königs eine kompositorische Klammer um die Gesamtdarstellung in 22,3 bis 23,23. Der Bericht über die Regierung des Königs Josia endet mit dem ebenfalls zweigliedrigen sog. „hinteren Königsrahmen“ (23,25–30a). Der hintere Rahmenteil wird durch eine erneute Königsbewertung eröffnet (vgl. V.25–27), an die sich der übliche Verweis auf weitere Quellen, die über die res gestae des Herrschers unterrichten, und die Angaben zu Tod und Begräbnis des Königs anschließen (vgl. V.28–30a). Auf diese Weise ergibt sich eine chiastische Struktur der beiden Rahmenteile in 22,1–2 und 23,25–30a. Auffällig ist dabei die erneute Königsbewertung in V.25–27, die eine Erweiterung gegenüber dem gewöhnlichen Formschema des hinteren Rahmens darstellt. Auf die Unvergleichlichkeitsaussage in V.25, die eine Sachparallele im Bericht über König Hiskia von Juda in 2Kön 18,5 besitzt, folgt die einschränkende Bemerkung, dass Jahwe trotz der radikalen Umkehr (BWV) Josias nicht von seinem Zorn abgelassen (BWV), sondern Juda – wie einst Israel – wegen der Sünde Manasses von seinem Angesicht verstoßen und dem Untergang preisgegeben hat. Die Verse reflektieren die Widersprüchlichkeit zwischen dem vorbildlichen Verhalten Josias und der Erneuerung des Gottesverhältnisses Israels, wie es der Reformbericht beschreibt, und der Unabwendbarkeit des Gotteszorns, wie er im Huldaorakel
11
Die Wendung HSY + COP kommt in V.21–23 dreimal vor (V.21.22.23) und besitzt für diesen Abschnitt Leitwortcharakter.
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angekündigt ist.12 Josias Reformprogramm erscheint in dieser Perspektive als ein vergeblicher Versuch, „dem Rad in die Speichen zu fallen“, um das Unaufhaltsame abzuwenden. Doch die Schuld der „Väter“, die in Manasse einen Namen bekommen, war zu groß, als dass der brennende Zorn Gottes noch hätte gelöscht werden können (vgl. 22,17). Die Söhne büßen für die Schuld der Väter. Mit dem kurzen und in mancher Hinsicht kryptischen Bericht über den Tod Josias in Megiddo und sein anschließendes Begräbnis in Jerusalem endet die Darstellung der res gestae des Königs (vgl. 23,29–30a). Die Notiz über die Inthronisation seines Sohnes und Nachfolgers Joahas (V.30b) leitet zur nächsten Episode über. Die Beobachtungen zur Kompositionsstruktur der (Teil-)Einheit 2Kön 22,1–23,30 lassen einen klaren szenischen Aufbau des Textes erkennen, dessen eigentliche narratio durch die beiden Rahmenstücke 22,1f. und 23,25–30a eingefasst wird. Der Bericht über die kultpolitischen Maßnahmen im achtzehnten Jahr des Königs Josia von Juda (vgl. die inclusio in 22,3 und 23,23) besteht aus zwei Hauptteilen: der Erzählung über das Auffinden der Toraschrift im Jerusalemer Tempelbezirk in Kap. 22 und dem Bericht über die Selbstverpflichtung des Königs und des Volkes auf die Bestimmungen dieses Schriftstücks (Kap. 23). Der Übergang zwischen beiden Teilen wird durch einen Wechsel im Personeninventar (vgl. die Abwesenheit des Schreibers Schafan in Kap. 23) und in der terminologischen Bezeichnung des gefundenen Schriftstücks, das in Kap. 23 RPO TJRBH genannt wird, sowie in der Darstellungsart markiert (vgl. das Zurücktreten direkter Rede in Kap. 23). Beide Hauptteile können wiederum in zwei bzw. drei Szenen unterteilt werden. Jeder dieser Unterabschnitte, die ihrerseits durch Orts- und / oder Personenwechsel sowie einen thematischen Neueinsatz voneinander abgegrenzt sind, beginnt mit einer Initiative des Königs, wofür die beiden Verben CLV (22,3; 23,1) und HWZ (22,12; 23,4.21) verwendet werden.13 Auf den Bericht von der Entdeckung des To-
12 Es ist auffällig, dass Jahwe innerhalb des Berichts in 2Kön 22f. nur in 23,26f. und im Huldaorakel (vgl. 22,15–20) als handelndes Subjekt in Erscheinung tritt. An beiden Stellen werden die Ereignisse einer geschichtstheologischen Bewertung unterzogen, der ein resignierter Unterton beiwohnt: Jahwe fordert keine Umkehr – er vollzieht das Gericht, wenn gleich das vorbildliche Verhalten des Königs einen Strafaufschub bewirkt (vgl. 22,18–20a). 13 Die Wurzel CLV begegnet darüber hinaus zweimal im Zusammenhang des Huldaorakels (22,15.18) und interpretiert dort den königlichen Befehl aus 22,12 ( HWZ). Die semantische Nähe beider Verben zeigt sich bereits daran, dass die Entsendung eines königlichen Beamten stets mit einem bestimmten Auftrag verbunden ist (vgl. 22,3; 23,1). Umgekehrt setzt der königliche Befehl in 23,4 voraus, dass die Priester mit seiner Durchführung beauftragt werden. Von daher sollte der Wechsel im Verbgebrauch bei der Ana-
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radokuments und seiner Verlesung vor dem König (vgl. 22,3–10) folgt die Entsendung einer Delegation zur Prophetin Hulda, um Jahwe in der Angelegenheit des gefundenen Toraschriftstücks zu befragen (vgl. 22,11–20). Der Bericht über die anschließende Reformtätigkeit des Königs besteht seinerseits aus drei Unterabschnitten. Die Reformen werden durch die Selbstverpflichtung des Königs (und des Volkes) auf das gefundene Toraschriftstück in 23,1–3 eröffnet. Daran schließen sich die eigentlichen Kultreinigungs- und Kultbeseitigungsmaßnahmen in Jerusalem / Juda (vgl. 23, 4–14) und den Städten Samarias (V.15–20) an, die als eine unmittelbare Auswirkung der TJRB aus 23,1–3 vorgestellt sind. Den Abschluss des Reformberichts bildet die gemeinsame Passafeier in Jerusalem in 23,21–23. Die Notiz über die Beseitigung diverser mantischer Praktiken in V.24 gehört synchron betrachtet zum Bericht über die Kultbeseitigungsmaßnahmen des Königs, hängt jedoch nach dem Bericht über die Feier des Passa erzählerisch „in der Luft“. Graphisch lässt sich der Aufbau der beiden Kapitel folgendermaßen veranschaulichen:14 22,1–2
Vorderer Königsrahmen
22,3–23,24
Bericht über die res gestae des Königs Josia von Juda
22,3–20 Die Entdeckung der Toraschrift 22,3–10 Der Fundbericht 22,11–20 Das Huldaorakel 23,1–24 23,1–3 23,4–20 23,21–23 23,25–30a
Die Kultreform des Königs Die Verpflichtung (TJRB) auf die Toraschrift Durchführung der Kultreformmaßnahmen Die Passafeier Hinterer Königsrahmen
Alternativ könnte der Text auch palindromisch gegliedert werden, so dass der Bundesschluss in das Zentrum der Gesamtkomposition rücken würde, um den sich der Fundbericht (22,3–10) und die Passafeier (23,21–23) als äußerer Rahmen legen, die zudem durch die Namensnennung Josias und die Datierung in das 18. Jahr des Königs in 22,3 und 23,23 aufeinander bezogen sind. Der Bericht über die Passafeier bildet die Neuordnung des Kultbetriebs am Jerusalemer Tempel ab, wie sie durch das von Hilkia aufgefundene Toraschriftstück inauguriert wird. Der innere Rahmen besteht aus der prophetischen Unheilsansage der Hulda (22,11–20) und dem Bericht über die verschiedenen Kultreinigungs- und Kultbeseitigungsakte, die lyse der Textstruktur nicht überbewertet werden, wie es bei der Textrekonstruktion von Lohfink der Fall ist. 14 Vgl. KOCH, Gefüge, 81.
2. Kapitel: Aufbau und Textur des Reformberichts
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der König in Juda / Jerusalem und Samaria durchführt (23,4–20). Die beiden Stücke des inneren Rahmens sind durch die kontrastive Gegenüberstellung des Verhaltens des Königs und des Volkes ihrerseits antithetisch miteinander verknüpft (vgl. 22,17 mit 23,5.8). Danach ergäbe sich folgende Textstruktur:15 22,1–2
Vorderer Königsrahmen Die Entdeckung der Toraschrift
22,3–10 22,11–20
Das Huldaorakel
23,1–3 23,4–20 23,21–23 23,25–30a
Die Verpflichtung auf die Toraschrift Durchführung der Kultreform Die Passafeier
Hinterer Königsrahmen
Eine Entscheidung darüber, welches der beiden vorgeschlagenen Gliederungsmodelle man bevorzugt, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie stark man den narrativen Einschnitt am Übergang von Kap. 22 zu Kap. 23 gewichtet und welche Bedeutung man der Bundestheologie für die Gesamtkomposition des Kapitels zumisst. Angesichts der vielfältigen Textsignale, die darauf hindeuten, dass in Kap. 23 ein neuer Abschnitt innerhalb der Darstellung einsetzt, wird hier dem ersteren Gliederungsvorschlag Priorität eingeräumt. Die vielfältigen Querbezüge zwischen den einzelnen Textabschnitten zeigen jedoch, wie eng das Textganze miteinander verzahnt ist.
15
Vgl. LOHFINK, Kultreform, 211f.
3. Kapitel
Der vordere Königsrahmen (2Kön 22,1f.) Die Darstellung setzt mit einer chronologischen Verortung des Geschehens ein: Josia war acht Jahre alt, als er König wurde, und er regierte 31 Jahre in Jerusalem. Das Geburtsjahr des jungen Königs ist nicht bekannt, es kann jedoch aus den Angaben über seine Regierungsdauer und den noch immer nicht ganz geklärten Umständen seines Todes wenigstens näherungsweise erschlossen werden. Dem Bericht in 2Kön 23,29–30a zufolge starb Josia bei einer Begegnung mit dem ägyptischen Pharao Necho II., der im Jahr 610 v. Chr. den Thron Ägyptens bestiegen hatte, in Megiddo. Necho war auf dem Weg zum Euphrat, um dem letzten neuassyrischen König Aššuruballit II. gegen die Babylonier zu Hilfe zu eilen. Nach Auskunft der Babylonischen Chronik des Jahres 609 v. Chr. überquerte ein großes ägyptisches Heer im Monat Tammuz den Euphrat und belagerte die Stadt Haran, die im Jahr zuvor von den Babyloniern erobert worden war. Demnach hätten sich die Ereignisse, die zum Tod Josias führten, im Frühsommer des Jahres 609 v. Chr. abgespielt. Rechnet man von diesem Datum zurück, ergäbe sich als Akzessionsjahr Josias das Jahr 640/39 v. Chr. – je nachdem ob das Akzessionsjahr als erstes Regierungsjahr des neuen Königs gerechnet wird oder nicht. Als Geburtsjahr Josias wäre entsprechend das Jahr 648/7 v. Chr. anzusetzen. Nachdem die Herkunft Josias väterlicherseits bereits aus 2Kön 21,24.26 bekannt ist – er war ein Sohn des judäischen Königs Amon, der von 642/1 bis 640/39 v. Chr. in Jerusalem regierte – werden in 2Kön 22,1b Name und Herkunft seiner Mutter mitgeteilt. Sie hieß Jedida, die Tochter des Adaja, und stammte aus der Ortschaft Boṣqat. Der Name der Königinmutter leitet sich von der Wurzel DDJ II („lieben“) ab und bedeutet „Geliebte“. Der Name ist im hebräischen Onomastikon als Frauenname ohne theophores Element nur hier belegt, hat aber Parallelen in anderen semitischen Sprachen. 1 Ihr Vatersname ist sowohl in der Kurz- (HJDY) als auch in der Langform (WHJDY) im Alten Testament mehrfach belegt, vorwiegend in Texten der nachexilischen Zeit (vgl. Esr 10,39; Neh 11,5.12; 1Chr 6,26 u.ö.). Es handelt sich formal um einen Danknamen mit dem theophoren Element (W)HJ, der von der Wurzel HDY II („Jahwe hat geschmückt“) gebildet ist. Inschriftlich ist der Name in vorexilischer Zeit in den Arad-Ostraka (vgl. Arad [8]:58,1; [7]:39,7; [6]: 58,1) und in hypokoristischer Schreibung in Kuntillet ‘A¢rūd belegt (vgl. KAgr [9]:2).2 1 Vgl. 2Sam 12,25 (als Beiname Salomos), Ges.18, s.v. (Lit.!); MULZER, Jedidja, 281; HAE II/1, 69 s.v. ydw. 2 Vgl. HAL3, s.v.; HAE II/1, 78.
3. Kapitel: Der vordere Königsrahmen (2Kön 22,1f.)
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Die Familie stammt aus Boṣqat (TQZB), einem Ort in der südlichen Schefela (vgl. Jos 15,39). Die Ortsliste des Josuabuches führt Boṣqat zwischen Lachisch (Tell ed-Duwēr) und Eglon (Tell ‘Eṭūn?)3 auf, der Ort konnte jedoch bislang nicht eindeutig identifiziert werden, zumal das genaue Ordnungsprinzip der Liste in Jos 15,37–41 unsicher ist. 4
Die chronologischen und geographischen Angaben des vorderen Königsrahmens können zwar nicht anhand außerbiblischer Quellen überprüft werden5, verdienen aber historische Glaubwürdigkeit und sind wohl aus archivarischen Quellen am Jerusalemer Königshof geschöpft worden. 6 Können die Rahmendaten als zuverlässig gelten, dann werfen sie ein interessantes Licht auf die sozio-historischen Hintergründe der Thronerhebung Josias. Im Alter von acht Jahren7 war dieser weder in der Lage, selbständig den Thron zu besteigen, noch die Regierung eigenverantwortlich auszuüben. Es ist davon auszugehen, dass die Amtsgeschäfte der Krone von der Königinmutter Jedida und einigen hohen Beamten verwaltet wurden. 8 Das Amt der Königinmutter (HRJBG) war mit weit reichenden politischen, dynastischen und zeremoniellen Rechten verbunden, was sich sowohl der alttestamentlichen Überlieferung (vgl. 1Kön 2,13ff.; 15,13; 2Kön 10f.) als auch außerbiblischen Quellen entnehmen lässt.9 H. Donner hat vermutet, dass die Institution hethitischen Ursprungs sei und über die Vermittlung der aramäischen Nachfolgestaaten des Hethiterreichs in Palästina übernommen wor-
3
Vgl. FRITZ, 166. KALLAI, Geography, 381.384, identifiziert Eglon mit Tell el-Ḫesi (vgl. die Kritik bei DE VOS, Los, 253f.). 4 Vgl. die Diskussion bei NA’AMAN, Kingdom, 16–22, und DE VOS, Los, 256f. KEEL / KÜCHLER, Orte, 783–786, setzen Bo‰qat versuchsweise mit Tell ‘Eṭūn gleich, räumen jedoch ein, dies sei nicht mehr als eine freie Vermutung (vgl. a.a.O., 784). 5 Allerdings ist ein fiskalischer Siegelabdruck aus der zweiten Hälfte des 7. Jh.s v. Chr. gefunden worden, der als Datum das 26. Jahr des Königs nennt, was in dieser Zeit nur mit den Angaben über die Regierung Josias in 2Kön 22,1f. korreliert werden kann (vgl. RENZ, Dokumentation, 112f.). 6 Dies legen wenigstens die wiederkehrenden Rückverweise auf die „Annalen der Könige von Juda (bzw. Israel)“ im hinteren Königsrahmen nahe, vgl. dazu H ARDMEIER, Umrisse; NA’AMAN, Temple Library. 7 Der Singular HNV in V.1 ist ungewöhnlich und hat zu verschiedenen Emendationsvorschlägen geführt, die jedoch nicht überzeugen. So hat K LOSTERMANN, 474, im Anschluss an die antiken Versionen erwogen, dass im Text ein ursprüngliches HRSY ausgefallen sei, um Josia als rechtmäßigen Nachkommen Amons auszuweisen (vgl. BHS, z.St.). Vielleicht muss an dieser Stelle aber mit einem unregelmäßigen Sprachgebrauch gerechnet werden, wie er ebenso in 2Kön 8,17 bei den Angaben zur Regierungszeit Jehorams, des Sohnes Joschafats belegt ist, wo das Qere’ (mJNV) das Ketîb (HNV) korrigiert, vgl. noch Ges.-K., § 134e. 8 Ist hier in Sonderheit an den Hilkiaden Eljakim zu denken (vgl. Jes 22,20–23), der nach HARDMEIER, Prophetie, 443f., als „Reichsverweser für Jerusalem und Juda“ (a.a.O., 446) die Regierungsgeschäfte kommissarisch geführt hätte? 9 Vgl. DONNER, Königinmutter, 2–18.
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3. Kapitel: Der vordere Königsrahmen (2Kön 22,1f.)
den wäre.10 Aus den einschlägigen Nachrichten geht hervor, dass die Königinmutter bei Abwesenheit oder anderweitiger Verhinderung des Königs die Regierungsgeschäfte kommissarisch übernehmen konnte. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass Jedida in der Zeit der Unmündigkeit ihres Sohnes einen erheblichen politischen Einfluss ausgeübt hat. Diese Vermutung kann noch durch eine weitere Beobachtung gestützt werden: ihre Herkunft aus Boṣqat in der südlichen Schefela spricht dafür, dass sie resp. ihre Familie zum zRAH-mY zu rechnen ist, der politischen Vertretung Landjudas. Dazu passt, dass gemäß 2Kön 21,24 genau diese Gruppe nach der Ermordung Amons die Aufrührer zur Rechenschaft gezogen und dessen minderjährigen Sohn Josia zum König gemacht hat. Der Begriff zRAH-mY bezeichnet – wo er in spezifischem Sinn verwendet wird – in vorexilischer Zeit die politische Vertretung der Landschaft Juda in der königlichen Residenz Jerusalem. Er repräsentiert die rechts-, kult- und wehrfähige, freie Bevölkerung Landjudas bzw. deren einflussreiche Familien und vertritt ihre Interessen am Königshof. 11 Neben dem davidischen Königshaus und der Beamtenaristokratie bildet er die dritte Säule des judäischen Staatswesens in der späten Königszeit. 12 Die enge Verbindung des -mY zRAH mit der Daviddynastie, die bereits bei dessen erster Erwähnung im Zusammenhang mit dem Putsch gegen die Königin Athalja zutage tritt (vgl. 2Kön 11), findet einen Widerhall in der Heiratspolitik des Königshauses: Die Mehrzahl der aus dem Alten Testament namentlich bekannten Königinmütter entstammt den einflussreichen Familien Jerusalems und Judas.13 In Zeiten eines gewaltsamen Todes des Königs griff der zRAH-mY nicht selten zugunsten der Davididen aktiv in die Regelung der Thronfolge ein (vgl. 2Kön 21,24; 23,30)14, wobei zu vermuten ist, dass er damit sehr wohl eigene politische Ziele verfolgte. Dies wird besonders in den Thronfolgestreitigkeiten nach dem gewaltsamen Tod Josias erkennbar (vgl. 2Kön 23,30–35). Unter Mitwirkung des zRAH-mY gelangte zunächst Joahas, der jüngere Sohn Josias, auf den Thron seines Vaters. Er wurde jedoch nur wenige Monate später durch den ägyptischen Pharao Necho II. wieder abgesetzt und durch seinen älteren Bruder Eljakim (= Jojakim) ersetzt. Es spricht einiges dafür, dass sich Eljakim in den Streitigkeiten um die Thronfolge der Unterstützung des Ägypters versicherte, der ihn schließlich als Vasallenkönig inthronisiert. Den hohen Tri10
Vgl. a.a.O., 18–24. Vgl. WILLI, Juda, 11–17. 12 Vgl. KESSLER, Staat, 202–207. In Jer 44,21 werden alle drei Gruppen als Adressat der prophetischen Unheilsansage genannt, und 2Kön 24,15 und 25,19–21 nennen Mitglieder des zRAH-mY unter den deportierten bzw. hingerichteten Eliten Jerusalems. 13 Vgl. KESSLER, Staat, 197f. Über die Familien der Königinmutter weiß man im Allgemeinen nicht viel mehr als was über sie in den Angaben der Königebücher überliefert ist. Ihre Herkunftsorte sind von Be’eršeba‘ und Jerusalem abgesehen politisch kaum von größerer Bedeutung gewesen. 14 Eine scheinbare Ausnahme bildet 2Kön 12,21f. Nach der Ermordung seines Vaters Joasch besteigt Amazja den Thron in Jerusalem. Er tut dies aus eigener Kraft ( kLM Qal, V.22b) und ohne die Mitwirkung anderer. Damit stimmt überein, dass Amazja nach 2Kön 14,2 bereits 25 Jahre alt war, als er König wurde. – In 2Kön 14,21 ist statt vom -mY zRAH von HDWHJ mY-LK die Rede, das nach dem Tod Amazjas seinen sechzehnjährigen Sohn Asarja / Usia zum König erhebt (kLM Hif.). 11
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but, den er nach Ägypten liefern musste, legte er auf den zRAH-mY um, der ihn zuvor bei der Thronfolge übergangen hatte. Der politische Konflikt, der hinter den geschilderten Ereignissen sichtbar wird, lässt darauf schließen, dass der zRAH-mY in den Auseinandersetzungen eine kritische Haltung gegenüber den ägyptischen Hoheitsansprüchen einnahm.15 Die nachfolgenden Maßnahmen Jojakims machen jedenfalls deutlich, dass beide Institutionen, das davidische Könighaus und der zRAH-mY sehr wohl in Konflikt miteinander geraten konnten und dass das Königtum zumindest in der Spätzeit die Macht besaß, seine Interessen durchzusetzen. Die gesellschaftliche Institution des zRAH-mY sollte jedoch den Untergang des Königtums und die Zerstörung Jerusalems und des Tempels überdauern und in der Zeit des Exils zur bedeutendsten politischen und religiösen Größe in Juda aufsteigen, die wesentlich an der Neuordnung der politischen und religiösen Verhältnisse in der nachexilischen Zeit beteiligt gewesen ist.16
Ob es neben Josia noch weitere Kronprinzen gegeben hat, hinter denen andere politische Interessengruppen standen, ist nicht bekannt, doch dürfte Josia der älteste Sohn Amons (vgl. 2Kön 21,19) und somit der legitime Thronanwärter gewesen sein. Es ist daher zu vermuten, dass der zRAH-mY angesichts des kindlichen Alters des Thronprätendenten zunächst seine eigenen politischen Interessen gegenüber denjenigen Kreisen, die die Ermordung Amons betrieben haben, wahren wollte. Leider ist über die kurze Regierung des Vaters Josias nicht viel mehr bekannt, als dass er – der tendenziösen Darstellung in den Königsbüchern zufolge (vgl. 2Kön 21,20–22) – die politische Linie Manasses fortgesetzt hat, der als treuer Vasall Assurs für stabile politische Verhältnisse gesorgt und den territorialen und ökonomischen Wiederaufbau des Staates Juda (insbesondere in der Schefela und im Negeb) betrieben hatte. M.a.W., Amon stand für eine Politik, die eng mit den Interessen Landjudas verbunden gewesen sein dürfte. Gab es angesichts des schwindenden Einflusses der assyrischen Großmacht in der südlichen Levante in den Tagen Amons unter den Mitgliedern der Jerusalemer Beamtenschaft eine Gruppe, die eine Loslösung Judas von der ungeliebten assyrischen Oberhoheit anstrebte? Und drängten die Vertreter des zRAH-mY dagegen auf eine Fortsetzung der proassyrischen Politik unter Manasse und Amon? Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass der Einfluss Landjudas nach den katastrophalen Folgen der Eroberung weiter Teile Judas durch Sanherib im Jahr 701 v. Chr. zugunsten Jerusalems als politischem, ökonomischem und religiösem Machtzentrum in Juda stark zurückgegangen sein wird. Erst unter der Regierung Manasses fanden diese Kräfte allmählich zu neuer politischer Stärke, obgleich Jerusalem das 15 Ob eine fragmentarische Inschrift auf einem Ostrakon aus Arad (vgl. Arad [7]:88) als ein Reflex dieser Auseinandersetzungen gedeutet werden kann, ist umstritten (vgl. HAE I, 302–304). Allerdings entstammen beide Prinzen nach Ausweis der genealogischen Notizen in 2Kön 23,31.36 landjudäischen Familien, was darauf hinweisen könnte, dass die Konfliktlinie innerhalb des zRAH-mY verlief, dieser mithin keine einheitliche, in sich geschlossene politische Größe war. 16 Vgl. WILLI, Juda, 15–17.
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Machtzentrum des judäischen Staatswesen blieb, zu dem es seit dem ausgehenden 8. Jh. v. Chr. immer mehr geworden war. Unter diesen Voraussetzungen ist zu vermuten, dass zumindest in der Anfangszeit der Regierung Josias die erfolgreiche Politik seiner Vorgänger fortgeführt wurde. Der zRAH-mY hatte seine Interessen gegenüber der Jerusalemer Beamtenaristokratie (oder Teilen von ihr) durchgesetzt und bestimmte nicht zuletzt mittels des Einflusses der Königinmutter das politische Geschick Judas. Die Vorzeichen der Regierung Josias standen demnach nicht auf „Revolution“, sondern auf „Restauration“, auf Fortführung des Bewährten. 17 Auf die Angaben zu den äußeren Eckdaten der Herrschaft Josias in V.1 folgt in V.2 die theologische Beurteilung des Königs, die uneingeschränkt positiv ausfällt, was nur noch eine Parallele bei Hiskia hat (vgl. 2Kön 18,3–7). In typisch dtr Phraseologie heißt es dort zunächst, dass der König das Rechte in den Augen Jahwes getan hat. Diese Formel kehrt in den meisten Königsbeurteilungen des ersten und zweiten Königsbuches in ihrer positiven oder negativen Variante wieder.18 Der generalisierende Charakter der Notiz wird durch den Gebrauch des Artikels bei RVJ(H) bestätigt, dem hier die Funktion zukommt, das Verhalten des jeweiligen Königs im Ganzen zu kennzeichnen. Die positive Beurteilung stellt die Regierung Josias in eine Linie mit seinen Vorgängern Asa (vgl. 1Kön 15,11), Joschafat (vgl. 1Kön 22,43), Joasch (vgl. 2Kön 12,3), Amazja (vgl. 2Kön 14,3), Asarja / Usia (vgl. 2Kön 15,3), Jotam (vgl. 2Kön 15,34) und Hiskia (vgl. 2Kön 18,3).19 Betrachtet man die Darstellung ihrer Herrschaft in den Königsbüchern, so deutet vieles darauf hin, dass ihre positive Evaluation vor allem mit religionspolitischen Maßnahmen, die ihnen zugeschrieben werden, im Zusammenhang steht. Dies wird besonders an der Regierung Asas deut17 Ob mit Hilkia und Schafan bewusst zwei Repräsentanten der einflussreichsten Familien des zRAH-mY in der späten Königszeit als Träger der Reformbewegung genannt werden, wie es HARDMEIER, Prophetie, 445f., vermutet hat, bleibt angesichts mancher Unsicherheiten in der genealogischen Rekonstruktion fraglich. 18 Vgl. EYNIKEL, Reform, 37f. Die Wendung fehlt bei König Abia von Juda (vgl. 1Kön 15,3 mit 1Kön 15,5; in 1Kön 22,43 ist sie in Form einer Infinitivkonstruktion belegt) und bei den Nordreichsregenten Ela (vgl. 1Kön 16,8), Simri (vgl. 1Kön 16,15) und Schallum (vgl. 2Kön 15,13), die letzten beiden hatten das Königtum jedoch nur wenige Tage inne. Als weitere Ausnahme wäre Jehu zu nennen, dessen Regierung – ähnlich derjenigen Davids, Salomos und Jerobeams I., bei denen die theologischen Werturteile in die Darstellung ihrer Herrschaft eingeschrieben sind – nicht durch eine entsprechende Rahmennotiz eingeleitet wird (vgl. 2Kön 10,28–31). Ähnlich verhält es sich bei dem Bericht über die Herrschaft der Athalja (vgl. 2Kön 11), dem sämtliche Rahmenstücke fehlen – ein Indiz für den illegitimen Charakter ihres Königtums (in der Perspektive des Erzählers)? 19 Die Nordreichskönige werden mit gewissen Einschränkungen bei Jehu (s. vorige Anm.) und dem letzten Herrscher Hosea (vgl. 2Kön 17,2) durchgehend negativ qualifiziert (s. unten, S. 468 Anm. 54).
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lich, der die Qedeschen und die Götzenbilder, die seine Vorfahren gemacht hatten, entfernen ließ und das „Schandbild“ zerstörte, das seine Mutter für Aschera gemacht hatte (vgl. 1Kön 15,12f.). In die gleiche Richtung weist der Bericht über die kleine Kultreform des Königs Hiskia, die sich ebenfalls unmittelbar an die Königsbeurteilung des Rahmens anschließt (vgl. 2Kön 18,4).20 Die positive Beurteilung Josias lässt vor diesem Hintergrund gelesen vergleichbare religionspolitische Maßnahmen erwarten. Die theologische Wertung ist bei den judäischen Königen stets mit einem Rückverweis auf das Verhalten des Vaters / Vorfahren verknüpft, das als Vorbild für das gute oder schlechte Verhalten des Thronfolgers fungiert.21 Als Beispiel mag die Rahmennotiz in 2Kön 21,20 dienen: „Und er (sc. Amon) tat das Böse in den Augen Jahwes, wie sein Vater Manasse getan hatte.“ Diese Vergleichsaussage wird dort modifiziert, wo ein positiv bewerteter König auf einen negativ beurteilten Regenten folgt oder umgekehrt. Im ersten Fall tritt der Ahnherr der Dynastie, David, an die Stelle des leiblichen Vaters und Vorgängers auf dem Thron (vgl. 1Kön 15,11; 2Kön 18,3; 22,2).22 Im anderen Fall ist eine größere Variationsbreite zu beobachten: Joram und Ahasja werden mit dem Haus Ahabs verglichen, mit dem sie durch Heirat verwandtschaftlich verbunden waren (vgl. 2Kön 8,18.26f.).23 Ähnliches gilt ein Jahrhundert später für Ahas, dessen Herr20 Die gleiche Funktion besitzen der Bericht über die Neuordnung der Tempelverwaltung durch König Joasch in 2Kön 12,5–17 (nach der Kultreformnotiz in 11,18), die nachgeschobene Mitteilung über die Beseitigung der Qedeschen durch Joschafat (vgl. 1Kön 22,47) und vielleicht die knappe Notiz über eine Baumaßnahme Jotams im Tempelbezirk (vgl. 2Kön 15,35b). In anderer Weise illustrieren 2Kön 14,5f. das Rechtverhalten Amazjas, wenn es heißt, dass er die Nachkommen der Attentäter, die seinen Vater ermordet hatten, gemäß des Wortlauts der Tora des Mose nicht töten ließ. Dass sich alle diese Notizen dem Werk späterer Redaktoren verdanken, ist wenig wahrscheinlich. – Die militärischen und zivilen Maßnahmen dagegen lassen kein eigenständiges, gemeinsames Gepräge erkennen, das geeignet wäre, das positive Urteil über die jeweiligen Könige zu begründen. Gleiches gilt für die Angaben zur Dauer der jeweiligen Regentschaft. 21 Bei den Königen von Israel tritt der stereotype Verweis auf die „Sünde Jerobeams“ an die Stelle des Vergleichs mit den Vätern (ausgenommen 2Kön 17,2, wo das Verhalten Hoseas, des letzten Königs von Israel, von dem seiner Vorgänger abgesetzt wird). Ihm kommt eine analoge Funktion zu wie der Davidtypologie in Juda (vgl. dazu 2Kön 16,2f.), nur dass er die Religionspolitik der Könige von Israel als Fortsetzung der „Ursünde“ des ersten Nordreichsherrschers charakterisiert (vgl. 1Kön 12,28–30), die letztlich zum Untergang des Nordreichs führt. 22 Eine Ausnahme bildet König Joasch, bei dem ein Vergleich mit den Vorfahren ganz fehlt. An dessen Stelle tritt der Verweis auf den Priester Jojada, der maßgeblich an der Inthronisation des jugendlichen Kronprinzen beteiligt war und zeitlebens als dessen Ratgeber gewirkt hatte (vgl. 2Kön 12,3). 23 Obwohl nicht ausdrücklich davon die Rede ist, dass diese beiden Könige die Religionspolitik der Omriden übernahmen, lässt ihre negative Beurteilung im Zusammenhang mit dem Verweis auf das Haus Ahabs kaum einen anderen Schluss zu. Dann ist es aber
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schaft zwar negativ mit David, positiv jedoch mit dem Verhalten der Könige von Israel verglichen wird (vgl. 2Kön 16,2f.). Eine Steigerung erfährt der Vergleich bei Manasse, dessen religionspolitische Maßnahmen mit den „Greueln der Völker“, die Jahwe vor Israel vertrieben hatte, parallelisiert werden (vgl. 2Kön 21,2).24 Daran schließt sich wie bei Ahas ein doppelter Rückbezug an: negativ auf seinen Vater Hiskia, dessen Kultreformen er (teilweise) rückgängig machte, und positiv auf den israelitischen König Ahab, der wie Manasse Altäre für Ba‘al errichtet und eine Aschere aufgestellt hatte. Stimmen die bisher genannten Vergleichsaussagen darin überein, dass sie das negative Werturteil der judäischen Könige durchgängig mit dem Verhalten der Könige Israels, besonders des Hauses Ahabs, gleichsetzen, so ändert sich dies bei den letzten Königen Judas, die sämtlich negativ beurteilt werden. Die Josiasöhne Joahas und Jojakim werden statt an ihrem leiblichen Vater allgemein an dem bösen Verhalten ihrer Vorfahren gemessen (WJTBA, vgl. 2Kön 23,32.37). Mit letzteren ist entweder ihr Groß- (Amon) bzw. Urgroßvater (Manasse) gemeint, oder es handelt sich um eine abstrakte Typisierung. Die Religionspolitik der letzten Könige von Juda, über die keine detaillierten Auskünfte gegeben werden, stellt sich in dieser Perspektive als eine unausgesprochene Rückkehr zu früheren Kultfreveln dar, wie dies bereits bei Manasse (und in dessen Gefolge bei seinem Sohn Amon) konstatiert worden war. – Der letzte Josiasohn, Zedekia, schließlich wird mit seinem Bruder Jojakim verglichen. 25 Wenn Josia in V.2 mit seinem (Ahn-)Vater David verglichen wird, entspricht dies also ganz dem üblichen Schema der Königsbeurteilungen. David gilt dabei als das Idealbild des rechtschaffenen und frommen Königs – analog seinem Antonym Jerobeam I. im Nordreich Israel –, dem Josia vollwahrscheinlicher, dass hier konkret an den Ba‘alsdienst Ahabs gedacht ist (vgl. 2Kön 11,18) als an die „Sünde Jerobeams“, die unlöslich mit den beiden Heiligtümern in Dan und Bet-El verbunden war. 24 Liegt hier ein impliziter Vorverweis auf das Exil vor, das mit der Herrschaft Manasses unwiderruflich beschlossen ist? Die Wendung mJWGH TBYWT begegnet bereits im Zusammenhang mit dem Vorwurf an Ahas, er habe seinen Sohn durchs Feuer gehen lassen (vgl. 2Kön 16,3) und ist hier wie dort von Dtn 18,9–12 her motiviert (s. unten, S. 366f.). 25 Die unterschiedliche sprachliche Gestaltung der stereotypen Ein- und Ausleitungsformeln ist verschiedentlich zur Grundlage eines redaktionsgeschichtlichen Modells für die Entstehung der Königsbücher gemacht worden. Dabei variieren jedoch nicht nur die Abgrenzung und Anzahl der jeweils vorausgesetzten redaktionellen Wachstumsstufen, sondern auch ihr theologisches Profil und ihre zeitliche Ansetzung erheblich. Angesichts der aufs Ganze gesehen großen formalen Geschlossenheit in der Gestaltung der Rahmenstücke auf der einen Seite und der häufig kontextuell bedingten Variation ihrer Einzelelemente auf der anderen Seite hat jüngst AURELIUS, Zukunft, 21–70, dafür plädiert, die unterschiedlichen Formulierungen in den Königsbeurteilungen nicht als Hinweise auf einen mehrstufigen Wachstumsprozess zu interpretieren (s. unten, S. 466–471).
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kommen nacheifert, wie es der Nachsatz LWAMVW nJMJ RO-ALW ausdrücklich festhält (V.2bb, vgl. 1Kön 22,43).26 Diese uneingeschränkt positive Bewertung kehrt nur noch bei Hiskia (2Kön 18,3–7) wieder. Bei den übrigen Königen, die eine positive Beurteilung erhalten, unterliegt diese der stereotypen Einschränkung TWMBB mJRFQMW mJCBXM mYH DWY WRO-AL TWMBH QR (vgl. 1Kön 15,1427; 22,44; 2Kön 12,4; 14,4; 15,4.35). Die Kulteinheit ist demzufolge nicht das entscheidende Kriterium für die positive oder negative Beurteilung der judäischen Könige. Dies besteht vielmehr in der Frage nach der Kultreinheit, worunter die Einführung dem Jahwekult fremder, illegitimer Kultbräuche verstanden wird (vgl. die positiven bzw. negativen „Reformnotizen“ bei den jeweiligen Königen)! Während die sog. Höhennotiz für gewöhnlich unmittelbar an die Königsbeurteilung anschließt, fehlt sie bei Hiskia. An ihre Stelle tritt in 2Kön 18,4 der knappe Bericht über verschiedene Kultbeseitigungsmaßnahmen des Königs, der mit einer Notiz über die Entfernung (RWO Hif.) der TWMB einsetzt, die sich sprachlich eng an die übrigen Höhennotizen anlehnt. Hiskia erscheint somit als vollkommen guter König, der nicht nur die illegitimen Kultpraktiken, sondern auch die illegitimen Kultorte beseitigt, wie es die Unvergleichlichkeitsaussage in 2Kön 18,5 zum Ausdruck bringt. Das Vorbild Hiskias steht also im Hintergrund, wenn Josia nach 2Kön 22,2 als uneingeschränkt positiv beurteilter König vorgestellt wird. An die Stelle der „kleinen Kultreform“ eines Hiskia tritt hier jedoch der ausführliche Bericht über die Kultreform Josias, dessen religionspolitische Maßnahmen alle zuvor berichteten Kultreinigungs- und Kultbeseitigungsmaßnahmen bei weitem übertreffen sollten, und deren Darstellung – im Unterschied zu Hiskia – den alleinigen Gegenstand des Berichts über die Herrschaft dieses Königs ausmacht. Die einleitenden Rahmennotizen in 2Kön 22,1f. besitzen den vorangegangenen Beobachtungen zufolge nicht nur formelhaften Charakter, sondern führen gezielt auf den anschließenden Bericht über die res gestae Josias hin. Sie verraten einen Standpunkt jenseits der berichteten Ereignisse und verorten diese im Gesamtaufriss der Königsbücher, und sie lenken die Erwartungshaltung der Leser in eine bestimmte Richtung.
26 Dabei weckt die Negation RO-ALW unwillkürlich Assoziationen an die gewöhnliche Formulierung der sog. Höhennotiz, so dass das Verhalten Josias noch stärker von dem seiner Vorgänger abgesetzt wird. 27 In 1Kön 15,14 liegt die Höhennotiz in abgewandelter und verkürzter Form vor und ist von der Königsbeurteilung durch den Bericht über die kultpolitischen Reformen Asas in V.12f. getrennt. Die literarkritische Beurteilung des Zusammenhangs ist strittig (vgl. NOTH, 336f.; WÜRTHWEIN, 187f.; AURELIUS, Zukunft, 68 Anm. 221).
4. Kapitel
Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10) Der Bericht über die Ereignisse während der Regierung Josias setzt syntaktisch mit dem Tempusmarker JHJW und einer Zeitangabe („im 18. Jahr des Königs Josia“) ein. Die anschließende Handlungssequenz, die im Wesentlichen aus den Reden der drei Protagonisten Josia, Hilkia und Schafan besteht (V.4–7; V.8a*; V.9b.10a*), gliedert sich in die Beauftragung des königlichen Schreibers Schafan, der vom König zum Großpriester Hilkia geschickt wird, um die Bereitstellung dafür vorgesehener Finanzmittel zur Ausbesserung des Tempelgebäudes zu veranlassen (vgl. V.3–7), den knappen Bericht des Großpriesters betreffs der Entdeckung der Toraschrift im Tempel Jahwes und ihrer Übergabe an Schafan (vgl. V.8) sowie die in sich wiederum zweiteilige Meldung Schafans vor dem König, dass das Silber entsprechend der königlichen Anweisung an die Arbeiter ausgehändigt worden sei (V.9, vgl. V.4–7) und dass der Priester Hilkia dem königlichen Schreiber ein Schriftstück übergeben habe, das dieser anschließend laut vor dem König verliest (vgl. V.10). Die beiden Themen „Ausbesserungsarbeiten am Tempel“ und „Entdeckung der Toraschrift“ sind narrativ nur lose miteinander verbunden, was zu der Vermutung Anlass gegeben hat, es handle sich ursprünglich um zwei literarisch selbständige Themen: Die Grundlage bilde ein nur noch fragmentarisch erhaltener Instandsetzungsbericht (V.3–7.9*), der sekundär durch den sog. „Fundbericht“ erweitert worden sei (V.8.10*).1 Eine literarkritische Aufsprengung des Textstücks empfiehlt sich unter textpragmatischen Gesichtspunkten jedoch nicht, vielmehr ist die Erzählstrategie des Abschnitts möglichst genau zu analysieren und zu beschreiben. Mit der einleitenden temporalen Umstandsangabe springt die Darstellung der Herrschaft Josias unmittelbar in das 18. Regierungsjahr des Königs, nach der allgemein zugrunde gelegten Chronologie das Jahr 622 v. Chr. Über die Zeit vorher (und nachher) bleiben die literarischen (biblischen) Quellen stumm. War die Datumsangabe dem Verfasser aus der Überlieferung vorgegeben, oder hat er sie frei gewählt? Welche Kenntnisse besitzen wir über die politischen Verhältnisse in Palästina zu dieser Zeit? Lassen sich daraus Schlussfolgerungen für die Stoßrichtung der josiani1
Vgl. LEVIN, Josia, 201f.213f.; RÖMER, Transformations, 6f.
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schen Reform ableiten, die häufig mit einer antiassyrischen Politik Judas in Verbindung gebracht worden ist? Der Versuch, die sozio-historischen Rahmenbedingungen des Jahres 622 v. Chr. in Palästina zu erhellen, sieht sich vor die Schwierigkeit gestellt, dass die einschlägigen assyrischen und babylonischen Quellen für den fraglichen Zeitraum erhebliche Lücken aufweisen bzw. nur bruchstückhaft erhalten sind. Als gesichert kann jedoch gelten, dass der assyrische Einfluss in der südlichen Levante in den Thronwirren nach dem Tod Assurbanipals (627 v. Chr.?), in deren Verlauf es zu einer Aufstandsbewegung des babylonischen Königs Nabopolassar (626–605 v. Chr.) gegen die assyrische Oberhoheit kam, im Verfall begriffen war. Der assyrische Großkönig Sin-šar-iškun (623–612 v. Chr.) war durch die fortwährenden Auseinandersetzungen mit den Babyloniern im Süden und den Medern im Osten seines Reiches militärisch zunehmend gebunden und besaß kaum die Möglichkeit zu größeren Expeditionen in die westlichen Provinzen. Weniger sicher ist dagegen, ob die Assyrer bereits zu einem frühen Zeitpunkt, nach Beginn der Aufstände im babylonischen Süden (um 625 v. Chr.), ihre Truppenkontingente aus den westlichen Provinzen abzogen und diese gegen militärische Waffenhilfe der ägyptischen Kontrolle überließen, wie es in der Forschung gelegentlich angenommen wird.2 Unlösbar mit dieser Frage verbunden ist die Beurteilung eines möglichen ägyptischen Einflusses auf die Region zur Zeit der Regierung Josias. War Josia zunächst assyrischer und anschließend ägyptischer Vasall? Der ägyptische Pharao Psammetich I. (664–610 v. Chr.) konnte zwar bereits 657/6 v. Chr. die Unabhängigkeit gegenüber der assyrischen Großmacht zurückerlangen, sein Machtbereich blieb jedoch zunächst auf das ägyptische Kernland beschränkt.3 Die Annahme einer Ausweitung des ägyptischen Einflussbereichs auf die syro-palästinische Landbrücke gründet sich vor allem auf zwei Beobachtungen. Zum einen auf eine Überlieferung bei Herodot (vgl. Historien II,157), wonach Psammetich I. nach einer Belagerungszeit von 29 Jahren (sic!) die philistäische Stadt Aschdod erobert habe. Da die Zeitangabe für die Belagerung historisch kaum glaubwürdig ist, ist vorgeschlagen worden, sie als Angabe über das Regierungsjahr des Pharaos zu verstehen, so dass dieser Aschdod in seinem 29. Jahr, d.h. im Jahr 635 v. Chr., erobert hätte.4 Allerdings beruht dieser Beleg für eine politisch-militärische Präsenz Ägyptens in der südlichen Levante auf einer fragwürdigen Interpretation der Quellen, und es erscheint zweifelhaft, dass eine derartige Maßnahme zu diesem Zeitpunkt ohne Reaktion des assyrischen Großkönigs geblieben wäre, dessen Einfluss in der Region wenigstens bis zum Tod Assurbanipals ungebrochen war.5 Der zweite Anhaltspunkt, mit dem man sich auf historisch verlässlicherem Terrain bewegt, ist die militärische Waffenhilfe Ägyptens für Assur in dessen Auseinandersetzungen mit der babylonisch-medischen Koalition im Jahre 616 v. Chr. (sowie im weiteren Verlauf der Ereignisse im Jahr 609 v. Chr.), über die wir durch die neubabylonischen Chroniken unterrichtet sind. Leider sind die Chroniken für den Zeitraum von 626 bis 616 2
Vgl. NA’AMAN, Kingdom, 33–41; NIEHR, Reform, 42–44 Siehe unten, S. 463f. mit Anm. 34. 4 Vgl. dazu TADMOR, Philistia, 101f. 5 Im Zusammenhang der Darstellung bei Herodot macht die unglaubliche Angabe einer 29jährigen Belagerung Aschdods guten Sinn, denn er erwähnt dieses Ereignis gerade aus diesem Grund: Dies sei die längste Zeit gewesen, die je eine Stadt einer feindlichen Belagerung standgehalten habe. NA’AMAN, Kingdom, 39f., erklärt die Notiz als historiographische Spekulation Herodots, der die Eroberung Aschdods mit dem zuvor erwähnten Skythensturm in Verbindung bringe. 3
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v. Chr. nicht erhalten, so dass wir weder über den Beginn des assyrisch-ägyptischen Bündnisses noch über die Gegenleistung der Assyrer für die ägyptische Unterstützung genauere Kenntnisse besitzen. Es gibt in den Quellen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Assyrer sich bereits 625 v. Chr. aus den westlichen Provinzen zurückgezogen und diese dem ägyptischen Einflussbereich unterstellt hätten, um sich der Waffenhilfe Ägyptens gegen Babylon zu versichern.6 Diese Annahme erscheint angesichts der erhaltenen Nachrichten über den Verlauf des Konflikts, der zunächst auf den südmesopotamischen Raum beschränkt blieb und wechselseitige Erfolge auf beiden Seiten erkennen lässt, sogar eher unwahrscheinlich. Es ist zudem kaum anzunehmen, dass es vor dem Jahre 623 v. Chr., als Sin-šar-iškun seine Machtansprüche in Assur endgültig durchsetzen konnte, zu einem militärischen Bündnis zwischen den Assyrern und Ägypten gekommen ist, vermutlich eher später.7 Für die politische Großwetterlage des Jahres 622 v. Chr. bedeutet dies, dass es sich um eine Zeit des Umbruchs handelt, in der sich die Machtverhältnisse in der südlichen Levante neu zu ordnen beginnen, ohne dass die weitreichenden politischen Folgen dieser Neuordnung in Juda bereits absehbar gewesen wären.
Ob die religionspolitischen Reformen, die nach dem biblischen Bericht durch die Entdeckung der Toraschrift ausgelöst wurden (2Kön 23,1–24*), mit einer neuen, antiassyrischen Politik Josias in Verbindung stehen, muss die Analyse des Reformberichts erweisen – die Datumsangabe in 2Kön 22,3 schließt dies weder aus noch setzt sie es voraus. Von einer imperialistischen Religionspolitik der Assyrer, wie sie in der Forschung häufiger postuliert worden ist, ist ausweislich des archäologischen (und biblischen) Befundes im Juda des 7. Jahrhunderts kaum etwas zu spüren, so dass gegenüber einer Interpretation, die die Ereignisse des Jahres 622 v. Chr. vor6 Eine ägyptische Stele aus dem Jahr 612 v. Chr. erwähnt den Anspruch Psammetichs I. auf die Oberhoheit über die phönizischen Küstenstädte, so dass sich dieser Zeitpunkt als terminus ad quem für eine Wiederherstellung der ägyptischen Hegemonie über die südliche Levante ergibt (vgl. COGAN / TADMOR, 300). Man wird jedoch wenigstens bis in das Jahr 616 v. Chr., in dem zum ersten Mal von einer ägyptisch-assyrischen Koalition in den Quellen die Rede ist (vgl. BM 21901, Z.10f.), hinaufgehen müssen, obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der ägyptische Einfluss schrittweise ausbreitete und nicht von Beginn der Bündnisvereinbarungen an die gesamte syro-palästinische Landbrücke einschloss. NA’AMAN, Kingdom, 40f., geht davon aus, dass das ägyptische Interesse in erster Linie der Küstenregion galt und das judäische und samarische Bergland zunächst eine relative Unabhängigkeit genoss. 7 NA’AMAN, Kingdom, 34–41, spricht sich mit guten Gründen dafür aus, dass ein assyrisch-ägyptisches Militärbündnis frühestens Ende der 20er Jahre des 7. Jh.s anzusetzen ist, nachdem der assyrische Großkönig im Kampf mit den aufständischen Babyloniern (und angesichts der zunehmenden Bedrohung durch die Meder) immer mehr in Bedrängnis geraten war. – Das Fort in Megiddo aus der zweiten Hälfte des 7. Jh.s v. Chr. (Str. II), das MALAMAT, Armageddon, mit der Präsenz einer ägyptischen Garnison am Ort in Verbindung gebracht hat, kann nach Auskunft des Grabungsberichts keiner ethnischen Gruppierung zugeordnet werden (vgl. LAMON / SHIPTON, Megiddo I, 62–87, bes. 83). Der Übergang von Str. III (8./7. Jh.) zu Str. II (7. Jh.) in Megiddo lässt sich archäologisch nicht sicher datieren (vgl. a.a.O., 83–87) und zeigt keine Spuren eines tiefer gehenden kulturellen (oder gar ethnischen) Wandels.
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rangig vor diesem Hintergrund verstehen will, Zurückhaltung geboten ist.8 Sie sollte der Textinterpretation zumindest nicht a priori als hermeneutisches Prinzip vorangestellt werden. Weist die Datumsangabe in Vers 3a einerseits in politisch unruhige Zeiten, so kann ihr andererseits nicht von vornherein ein bestimmtes ideologisches Interesse zugeschrieben werden, in dem die folgenden Ereignisse zu lesen wären. Sie könnte dem Verfasser aus der Tradition vorgegeben gewesen sein und signalisiert im Verhältnis zu 22,1 zunächst, dass der König in 22,3 eigenverantwortlich handelt. Diesen Übergang will vielleicht auch die Notiz in 2Chr 34,3 markieren, wo davon die Rede ist, dass Josia bereits als junger Mann, in seinem achten Jahr, anfing, „den Gott Davids, seines Vaters, zu suchen“.
Die Erzählung beginnt nicht mit einer Neubestimmung des Außenverhältnisses Judas – etwa durch die Angabe der Aufkündigung der Vasallität gegenüber Assur (vgl. 2Kön 18,7b; 24,1.20) –, sondern mit innenpolitischen Maßnahmen. Der König, dessen Identität durch V.3a gesichert ist, sendet seinen Schreiber Schafan mit einem Auftrag zum Großpriester Hilkia. Der Name Schafan (nPV) gehört zur Gruppe der sog. Tiernamen und bezeichnet zoologisch den Klippdachs oder Klippschliefer (Procaria syriaca), ein Felsenbewohner, der zur Gattung der Rüsseltiere gehört und äußerlich an Kaninchen oder Murmeltiere erinnert. In Lev 11,5 und Dtn 14,7 wird er unter den unreinen Tieren aufgeführt, deren Verzehr untersagt ist.9 Als männlicher Personenname ist Schafan im Alten Testament häufiger belegt, wobei strittig ist, um wie viele Personen es sich dabei handelt. Da alle Belege aus der letzten Phase des judäischen Königtums stammen und die Namensträger mit der königlichen Beamtenschaft in Verbindung stehen, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich alle Belege auf eine Person, den „Staatssekretär“ unter Josia, beziehen, so dass sich das Bild einer einflussreichen, über mehrere Generationen hinweg hohe Verwaltungsämter am königlichen Hof besetzenden Aristokratenfamilie ergäbe.10 Doch ist diese Darstellung nicht zwingend, weil die Nennung des Vatersnamen an den meisten Stellen ohne den Zusatz RPOH begegnet (vgl. 2Kön 22,15; Jer 26,24; 29,3; Ez 8,11), so dass eine eindeutige genealogische Zuweisung nicht möglich ist. Lediglich für Gemarja, „den Sohn Schafans, des Schreibers“, ist diese Zuordnung zweifelsfrei belegt. Er gehörte zur probabylonischen Partei unter den obersten Beamten am Hof des Königs Jojakim, die den Propheten Jeremia unterstützten (vgl. Jer 36,10–12.25), und sein Name ist inschriftlich auf einer Bulle aus Jerusalem bezeugt.11 Außerbiblisch kommt der Name Schafan noch in zwei phönizisch-punischen Inschriften vor.12 8 Der assyrische Einfluss auf die materielle Kultur in Juda (z.B. Keramik, Glyptik) erklärt sich hinreichend als Ausdruck des assyrischen Kulturdruckes und der Handelskontakte zwischen Juda und den umliegenden assyrischen Provinzen (s. unten, S. 477–481). 9 Vgl. DIEBNER, Klippdachs, 503; KEEL et al., Landeskunde, 153f. 10 Die Filiation in 2Kön 22,3 nennt als Vater Schafans „Azalja, den Sohn Metullams“, dessen Name auch auf einem modernen Siegelabdruck belegt ist, dessen Authentizität jedoch fraglich bleibt (WSS Nr. 40, vgl. RENZ, Beitrag, 134f.). 11 Vgl. WSS Nr. 470. 12 Vgl. HAL3, s.v.
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4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
Die Bezeichnung „der Schreiber“ (RPOH) weist Schafan als einen hohen Beamten der königlichen Verwaltung aus (vgl. 2Sam 8,17–20.25; 1Kön 4,3; 2Kön 12,11–18; 18,37; 19,2; Jer 36,10.12–20.26; 37,15.20).13 Der Titel ist außerbiblisch etwa aus Ugarit und Alalakh bekannt, wo Inhaber dieses Amtes mit der Traditionspflege (z.B. Abschrift mythischer Texte, vgl. KTU 1.16,VI 59; 1.4,VIII 49; 1.6,VI 54; 1.17,VI 56), der Abfassung und Beurkundung von Verträgen und Verwaltungsdokumenten oder der Führung der internationalen höfischen Korrespondenz befasst sind. Für den judäischen „Schreiber“ oder „Schriftkundigen“ Schafan können vergleichbare Funktionen angenommen werden.14 Die Amtsbezeichnung ist auch auf mehreren hebräischen Siegeln belegt, unter denen eines einem brkjhw / bn nrjhw / hspr gehört15, der im Jeremiabuch als enger Vertrauter des Propheten erwähnt wird. In 2Kön 12,11 lautet der Titel kLMH RPO, der an den Ausdruck ṭupšar šarri aus der Amarnakorrespondenz erinnert (vgl. EA 286,61; 287,64; 289, 47), wo mit der Wendung ein ägyptischer Verwaltungsbeamte bezeichnet wird (vgl. sš š‘.t, Wen Amun II, 64.68).16 Nach Jer 36,12.20f. besaß der Schreiber seine Diensträume im königlichen Palast (RPOH TKVL).
Die Beauftragung des königlichen Schreibers wird in direkter Rede mitgeteilt (vgl. V.4–7) und hat ihre nächste Parallele in 2Kön 12,10–13.16. Schafan soll zum Großpriester Hilkia in das Haus Jahwes hinaufgehen, damit dieser das Silber, das zum Haus Jahwes gebracht worden ist, zur Auszahlung vorbereite (mMT Hif.). Bei dem Silber handelt es sich um die Weihegaben, die die Schwellenhüter vom Volk eingesammelt haben. Der Vorgang setzt eine Einrichtung voraus, die in 2Kön 12,5–17 näher beschrieben wird. Damals hatte der König Joasch eine (Neu-)Regelung für die Finanzierung von allfälligen Ausbesserungsarbeiten am Jerusalemer Tempel getroffen. Zu diesem Zweck wurde ein Kasten neben dem Altar aufgestellt, in den die Schwellenhüter die Weihegeschenke und Abgaben, die das Volk zum Heiligtum brachte, hineinlegten. Sobald der Kasten mit einer großen Menge Silber gefüllt war, kamen der Schreiber des Königs und der Großpriester und sie verschnürten (RWZ I)17 und zählten das Silber und übergaben es abgezählt den Vorarbeitern, die die Aufsicht über die Handwerker führten und das Silber an die einzelnen Gewerke austeilten, damit die baulichen Schäden am Tempelgebäude ausgebessert werden konnten.
13
Vgl. RÜTERSWÖRDEN, Königszeit, 85–89; NIEHR, RPO, 921–929. Die etymologische Herleitung des Wortes ist unklar. 14 Vgl. Vielleicht sollte das Lexem RPO besser mit „Schriftkundiger“ wieder gegeben werden, wie es der Breite des beschriebenen Tätigkeitsfeldes sowie der Semantik des Begriffs entspricht (vgl. WILLI, Juda, 106–108). 15 Vgl. WSS Nr. 417. 16 Vgl. RÜTERSWÖRDEN, Königszeit, 87f. 17 Hier ist vermutlich daran gedacht, dass das Silber in Säcken zusammengebunden wurde, die anschließend ausgewogen wurden, vgl. Ex 32,4; Dtn 14,25; 2Kön 5,23. Eine Umvokalisierung zu wajjiṣerû (von RZJ „formen, bilden“, meist verbunden mit der Vorstellung vom Einschmelzen des Metalls) ist unnötig (vgl. COGAN / TADMOR, 138f.).
4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
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Der Vorgang, den 2Kön 12,10–17 schildern, ist ein regelmäßig wiederkehrendes Prozedere18, wodurch gewährleistet ist, dass anfallende Restaurierungsarbeiten am königlichen Heiligtum in Jerusalem umgehend und stetig durchgeführt werden konnten. Dem königlichen Schreiber kam in diesem Verfahren die Aufgabe zu, das eingesammelte Silber gemeinsam mit dem Großpriester zu zählen resp. zu wiegen, und dafür Sorge zu tragen, dass das abgezählte Silber in die Hände derjenigen Personen übergeben wurde, die am Tempel die Aufsicht über die Handwerker führten, damit sein Verwendungszweck sichergestellt war. Die Entscheidung, welche Arbeiten im einzelnen durchgeführt werden mussten und wie viele Mittel den einzelnen Handwerdergruppen ausgezahlt wurden, oblag ausschließlich den die Aufsicht führenden Vorarbeitern, die darüber keine Rechenschaft ablegen mussten (vgl. 2Kön 12,16). Die Beteiligung eines zivilen Beamten an diesem Verfahren entspricht zum einen der königlichen Fürsorgepflicht für das Heiligtum am Residenzort und ist nach 2Kön 12 zum anderen durch das Motiv der Kontrolle der Priesterschaft begründet. Vorausgesetzt ist dabei, dass die Priester, nachdem der Kasten voll war, jeweils dem König Nachricht gaben, damit dieser durch seinen Schreiber die Auszahlung des Silbers veranlasste. Steht diese regelmäßige Einrichtung im Hintergrund der Eröffnungsszene in 2Kön 22,3–10, so fällt auf, dass der Erzähler sich ganz auf die königliche Handlungsrolle beschränkt. Der Bericht setzt dort ein, wo der König seinen Schreiber zum Haus Jahwes schickt, damit dieser den oben genannten Vorgang gemäß seiner administrativen Funktion überwacht.19 Auf diese Weise wird die Initiative des Herrschers und seine Sorge für das königliche Jahweheiligtum in Jerusalem betont herausgestellt. Die Sorge für die Heiligtümer und den Kultbetrieb gehörte zu den fundamentalen Pflichten des Königtums im Alten Orient. Davon legen zahllose Bau- und Königsinschriften beredtes Zeugnis ab.20 Hier sollen lediglich zwei Beispiele angeführt werden, die nicht von einer Neugründung eines Tempels, sondern von notwendig gewordenen Restaurierungsarbeiten an einem schon bestehenden Heiligtum berichten. Das erste Beispiel stammt aus der sog. Isin-Larsa-Zeit (2000–1800 v. Chr.). Nachdem der vermutlich amoritische Stammesfürst Kudurmabuk die Stadt Larsa erobert hatte, gelangte kurze Zeit später sein Sohn Waradsîn (ca. 1834–1823 v. Chr.) auf den Thron. Dieser berichtet in einer in mehreren Exemplaren erhaltenen Bauinschrift von einer von ihm durchgeführten Renovierung des E’unam18
Zu den weqāṭal-Formen in V.10 und 12 s. unten, S. 232 Anm. 117. Es ist denkbar, dass über die Feststellung der Summe des gesammelten Silbers Buch geführt wurde. Dies würde wenigstens zu den sonstigen Verwaltungsfunktionen des Schreibers gut passen. 20 Vgl. HUROWITZ, Temple Building, 32–125. 19
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4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
tila, des Heiligtums der Göttin Nininsina, der Stadtgöttin von Isin, das sich vermutlich in Larsa befand: „Für Nininsina, die große Herrin, die Mutter des Landes Sumer, welche die Lebewesen des Landes Sumer formt, die erstgeborene Tochter des reinen An21, seine Herrin, habe ich Waradsîn, der starke Mann, der Versorger von Ur, der König von Larsam, der König von Sumer (und) Akkad, der Hirte der Gerechtigkeit, der die Regeln22 vollendet, das E’unamtila, den reinen Götterwohnsitz, ihren Ort der Ruhe, ihr Haus, das seit fernen Tagen, nachdem es erbaut worden war, in Altersverfall geraten war, für mein Leben und für das Leben Kudurmabuks, meines leiblichen Vaters, fürwahr gebaut, (es) fürwahr an seinen Ort zurückgebracht, (sie) an ihrem ‚Orte Herzensfreude’ fürwahr großartig wohnen lassen …“23
Das zweite Beispiel, eine Inschrift des Königs Salmanassar I. (1263–1233 v. Chr.), in der er über seine Bautätigkeit am Aššur-Tempel in der Stadt Assur berichtet, zeigt sehr schön die kontinuierliche Fürsorge der Könige für das Heiligtum, wenngleich die Angaben kaum eine vollständige Auflistung aller jemals durchgeführten Bauarbeiten am Aššur-Tempel beabsichtigen. „Salmanasser, Statthalter des Enlil24 (und) Stadtfürst des Aššur, Sohn des Adad-nirari, des Statthalters des Enlil (und) Stadtfürsten des Aššur, des Sohnes des Arik-den-ili, des Statthalters des Enlil (und) Stadtfürsten des Aššur, der da Dauer verleiht den heiligen Kultstätten, der Ekur erbaut, das Heiligtum der Götter, die Wohnung des Nunnamnir. 25 Damals wurde Echursagkurkurra, der frühere Tempel, den Uschpia, mein (Vor-)Vater (und) Stadtfürst des Aššur, zuvor gemacht hatte, baufällig und Irischum, mein (Vor-) Vater (und) Stadtfürst des Aššur machte (ihn erneut). 159 Jahre vergingen und er wurde wieder baufällig, und Schamschi-Adad, mein (Vor-)Vater (und) Stadtfürst des Aššur, machte (ihn erneut). 580 Jahre vergingen und der Tempel und sein Innenraum wurde von einem Brand des Girra26 ruiniert. Diesen Tempel änderte ich vollständig. Seinen Baugrund erreichte ich, seine Fundamente gründete ich wie das Gefüge der Berge. Zwei Tortürme, welche früher nicht gemacht waren, machte ich zusätzlich. Den Vorhof des
21
An(û) ist der Himmelsgott, der Oberste und Vater aller Götter. Seine Gemahlin ist Uraš, nach späterer Tradition die Göttin Ki („Erde“). In der kassitischen und neuassyrischen Kunst ist sein Symbol die gehörnte Götterkrone (vgl. BLACK / GREEN, Gods, 30). 22 Gemeint sind die Grundlagen der kosmischen und sozialen Ordnung sowie des Kultus (vgl. TUAT II, 475). 23 Übersetzung nach TUAT II, 475f. 24 Enlil gehört zu den bedeutendsten Gottheiten des mesopotamischen Pantheons und gilt als Nachkomme des An(û). Das Kultzentrum Enlils war das E-kur („Berghaus“) in der Stadt Nippur. Der ehemals Enlil geweihte Tempel in der Stadt Assur ging später an Aššur über, den deus eponymus der Stadt (vgl. BLACK / GREEN, Gods, 76). 25 Nunnamnir ist ein Epitheton des Enlil. 26 Girra (oder Gibil) war der babylonisch-assyrische Feuergott, der sowohl mit der zerstörerischen Gewalt von Feuer und Hitze (Trockenheit), als auch mit den positiven Wirkungen des Feuers, wie in der Schmiede oder bei der Herstellung von Ziegeln, in Verbindung gebracht wird (vgl. BLACK / GREEN, Gods, 89).
4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
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Nunnamnir und die freie Fläche des Vorhofs des Aššur, meines Herrn, erweiterte und vergrößerte ich gegenüber früher erheblich …“27
Indem der König seinen Schreiber beauftragt, die notwendigen Vorbereitungen für die Durchführung von Ausbesserungsarbeiten am Tempelgebäude zu veranlassen, kommt er seiner Fürsorgepflicht für das königliche Heiligtum in Jerusalem nach und entspricht darin nicht nur dem altorientalischen Ideal eines gerechten Herrschers, sondern führt auch die seit Joasch bestehende Ordnung fort. Schafans Aufgabe besteht darin, zum Großpriester Hilkia zu gehen, damit dieser das Silber zur Auszahlung vorbereitet und es den Vorarbeitern aushändigt, die im Tempel die Aufsicht über die Handwerker führen. Der allgemeinere Ausdruck „das Silber (zur Auszahlung) vorbereiten“ (mMT Hif.) fasst die beiden Akte des Zusammenbindens und Zählens aus 2Kön 12,11 zusammen und wird in V.9 näher als Schmelzvorgang bestimmt.28 Mit der Übergabe des Silbers an die Vorarbeiter ist derjenige Teil des Vorgangs abgeschlossen, an dem der königliche Schreiber im Sinne des Aufsichtführenden beteiligt ist. Dies bestätigen sowohl der Bericht Schafans vor dem König in V.9, der nur die Vorgänge aus V.4f. rekapituliert, als auch die Anordnung von V.7, nach der mit den Vorarbeitern über die weitere Verwendung des Silbers nicht abgerechnet werden soll (vgl. 2Kön 12,16), mithin die Beteiligung des königlichen Schreibers nicht nötig ist. Der Ausdruck HKALMH JSY bezeichnet allgemein „diejenigen, die eine (Auftrags-)Arbeit ausführen / einen Dienst verrichten“. 29 Die Nominalbildung HKALM ist von der semitischen Wurzel kAL herzuleiten, die als Verb im Ugaritischen und Arabischen belegt ist und „senden“ bedeutet. Die Semantik des Nomens umfasst ein breites Spektrum, das von der Bedeutung „Bote, Auftrag“ bis zur allgemeinen Verwendung für „Arbeit“ reicht. Es wird im Alten Testament vor allem in Verbindung mit handwerklichen sowie kultischen Verrichtungen am Heiligtum verwendet. In diese Verwendungsweise fügt sich auch der Sprachgebrauch in 2Kön 22,5.9 ein. Bei 27
Übersetzung nach TUAT II, 489f. Siehe unten, S. 107f. In der antiochenischen Textform der Septuaginta werden Beauftragung und Ausführungsmotiv aneinander angeglichen (s. oben, S. 24f. Anm. 3). 29 Der Ausdruck bezeichnet in 1Kön 11,28(Sg.); 2Kön 12,15f.; 22,5; Esr 3,9; Neh 2, 16; 4,11(Sg.); 1Chr 22,15; 2Chr 24,12f.; 34,10.13(Sg.).17 verschiedene Bautätigkeiten. In Neh 11,12; 13,10; 1Chr 23,24 bezieht er sich auf den Dienst der Leviten am Heiligtum (vgl. 2Chr 34,10.13.17). 1Chr 27,26 dient er zur Bezeichnung von Landarbeitern auf dem königlichen Krongut, und in Ps 103,23 wird er auf Seefahrer angewendet. Nach Ex 35,35 (vgl. 36,8) werden die Kunsthandwerker, die an der Stiftshütte arbeiten, so genannt, während in Est 3,9; 9,3 königliche Beamte gemeint sind. In Jer 48,10 ist von denen die Rede, die „die Auftragsarbeit Jahwes“ verrichten, womit das Gericht über Moab gemeint ist. Ex 31,14f.; 35,2 schließlich untersagen am Sabbat jede Arbeit (im Zusammenhang mit dem Bau der Stiftshütte). 28
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4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
genauerem Hinsehen werden jedoch zwei Gruppen von Arbeitern im Text unterschieden: In V.5a und 9 ist von HWHJ TJB mJDQPMH HKALMH JSY die Rede, also von einer Gruppe von Diensthabenden / Arbeitern, die mit einer bestimmten Aufgabe im Haus Jahwes betraut wurden. Von diesen wird in V.5b eine Gruppe von Personen unterschieden, die „eine (Auftrags-)Arbeit ausführen“ (HKALMH JSY) und die in V.6 näher als Handwerkergilden bestimmt werden, die die Ausbesserungsarbeiten am Tempelgebäude ausführen sollen. Beide Personengruppen werden terminologisch klar voneinander abgegrenzt (vgl. 2Chr 34,10–13.17), so dass es sich nahe legt, im ersten Fall nicht an Handwerker, sondern an „Vorarbeiter“ oder besser an Aufsichtführende zu denken, die ihren Dienst im Tempel verrichten. 30 Bei der wechselnden Nomenklatur in 2Kön 22,5f. handelt es sich also nicht um eine Dublette, sondern um einen Beleg für die funktionale Hierarchie der Jerusalemer Tempelverwaltung.31 Dies sieht auch C. Levin, er führt jedoch aus, die vorliegende Textur beruhe auf einem Missverständnis, und beginnt seine diachrone Analyse des Stückes mit der lapidaren Feststellung: „V. 5 enthält eine störende Dublette.“32 Zur Begründung verweist er auf eine Beobachtung von B. Stade, der der Ansicht ist, dass V.5a das Gleiche aussage wie V.5b, und da nur V.5a in der Ausführungsnotiz in V.9 wiederkehre, sei V.5b als sekundärer Zusatz zu beurteilen.33 Dies erstaunt, wo doch der vorliegende Text zwischen den Gruppen in V.5a und V.5b deutlich unterscheidet. Was aber hat den sekundären Einschub veranlasst? Die Antwort auf diese Frage sei denkbar einfach: Das Ptz. Hof. von DQP, das ursprünglich die Handwerker bezeichnet habe, die mit der Ausführung der Arbeiten am Tempel betraut waren, sei später missverstanden und im Sinne der die Dienstaufsicht über die Handwerker führenden Personen interpretiert worden. Dann mussten aber die Handwerker, die die eigentlichen Arbeiten durchführten, im Text nachgetragen werden, was durch V.5ba.6 geschehen sei.34
30
In 2Chr 34 werden sie dementsprechend als Leviten charakterisiert (vgl. auch Esr 3,9f.). In 2Kön 12,12 liest das Ketîb mJDQPH, was als Ptz. akt. (happoqedîm) oder als Ptz. pass. (happequdîm) vokalisiert werden kann. Im ersteren Fall würde die Aufsichtsfunktion der Vorarbeiter noch stärker betont, doch bleibt auch ein Verständnis als Ptz. pass. möglich. Das Qere’ gleicht den Wortlaut an 2Kön 22,5.9 an und liest das Ptz. Hof. (hammupqādîm). 31 Vgl. auch SPIECKERMANN, Juda, 48 mit Anm. 37, der auf die Parallele in 1Kön 11, 28 aufmerksam macht. Dort ist davon die Rede, dass Salomo den Jerobeam mit der Aufsicht über die Fronarbeiter betraut (DQP), weil dieser sich bei den Bauarbeiten am Millo besonders hervorgetan hatte. 32 Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 186. 33 Vgl. STADE, Anmerkungen, 196. 34 Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 186f.
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Daran ist zunächst richtig, dass V.6 auf V.5b zurückgreift und diesen näher erläutert. Darauf weist nicht nur der asyndetische Anschluss in V.6a und die parallele Konstruktion mit der Präposition L hin, sondern auch die verkürzte Wiederaufnahme von V.5bb in V.6bb. Letzteres ist jedoch nicht zwingend ein literarkritisches Indiz, wie häufig angenommen worden ist. 35 Entscheidend für die literarkritische Argumentation Levins und seiner Vorgänger ist die Auffassung, der Ausdruck HKALMH JSY bezeichne Personen, die (notwendig) eine handwerkliche Arbeit ausführen. Diese Annahme ist aufgrund der Semantik des Nomens HKALM jedoch keineswegs zwingend, wie oben gezeigt worden ist. Vielmehr kann HKALM jede Art von Arbeit oder Dienst bezeichnen. Welche Tätigkeit jeweils gemeint ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang. Dieser spricht in 2Kön 22,5a entschieden gegen eine Auffassung als handwerkliche Arbeit, allenfalls im Sinne eines Vorarbeiters, der die Aufsicht über die Bausausführung und die Bereitstellung der nötigen Baumaterialien ausübt. Es erscheint methodisch fragwürdig, dieses Textverständnis, das auf einer schlüssigen Gesamtinterpretation des Textes beruht und von Levin für den Endtext nicht bestritten wird, durch das Postulat eines vormaligen Missverständnisses für das Resultat sekundärer Interpretationsarbeit zu erklären. Ganz abgesehen davon, dass gänzlich unerklärt bleibt, wie es zu diesem Missverständnis gekommen ist.36 Wenn Levin schließlich V.7 einem weiteren, späteren Ergänzer zuschreiben will, der eine Angabe über die Rechenschaftspflicht der „Vorarbeiter“ gegenüber der Tempelverwaltung vermisst habe37, so ist daran zu erinnern, dass es 2Kön 22,4–7 um die Rechenschaft gegenüber der königlichen Verwaltung zu tun ist und der Vers vor diesem Hintergrund hier einen guten Sinn ergibt: Die Tätigkeit des königlichen Schreibers beschränkt sich auf die Übergabe der Finanzmittel an die „Vorarbeiter“, denen die weitere Verteilung obliegt.38 Warum der Vers einer späteren Stufe angehören soll als V.5f. bleibt unklar.39
Die Rede des Königs in 22,4–7 ergibt demnach einen sinnvollen Zusammenhang, der keine literarische Aufsprengung des Textes nötig macht. In der Analyse wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Abschnitt die in 2Kön 12,5–17 berichtete Einrichtung eines „Kollektenkastens“ unter Kö35
Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 49; LEVIN, Instandsetzung, 187. Der Hinweis auf 2Kön 12,12, wo das Ketîb mJDQPH bezeugt ist, das als Ptz. akt. Qal gelesen werden kann („prüfend nach etwas oder jmd. sehen“), bleibt mehrdeutig, denn zum einen weicht der Wortlaut gegenüber 2Kön 22,5.9 signifikant ab, und zum anderen ist die Deutung der Verbalform selbst nicht sicher (s. oben, Anm. 30). 37 Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 187f. 38 Die vielfältigen historisierenden oder psychologisierenden Erklärungsversuche, warum keine Abrechnung mit den „Vorarbeitern“ erfolge (vgl. den instruktiven Überblick bei LEVIN, Instandsetzung, 187f. mit Anm. 100, und SPIECKERMANN, Juda, 49f.), gehen letztlich an der Intention des Textes in 2Kön 22,4–7 vorbei, der seinerseits auf der Darstellung in 2Kön 12,11–13.16 beruht. 39 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 49. 36
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nig Joasch von Juda voraussetzt und die dort festgehaltenen Regelungen unter Beschränkung auf die Handlungsrolle des Königs rezipiere. Diese verbreitete Annahme ist jedoch nicht selbstverständlich, und ihr ist gelegentlich widersprochen worden.40 Daher ist es notwendig, das Verhältnis der beiden Überlieferungen zueinander genauer zu bestimmen. Grundsätzlich sind dabei vier Modelle vorstellbar: – – – –
der Bericht in 2Kön 22,3–7 setzt die Erzählung aus 2Kön 12,5–17 voraus, 2Kön 12,5–17 ist umgekehrt von 2Kön 22,3–7 abhängig, beide Texte haben sich wechselseitig beeinflusst oder beide Überlieferungen greifen auf eine vorgegebene Verwaltungspraxis zurück, die sie je eigenständig rezipieren.
Bevor ein detaillierter Vergleich beider Textpassagen durchgeführt werden kann, muss der Bericht in 2Kön 12,5–17 auf seine literarische Kohärenz befragt werden. Für 2Kön 22,3–7 hatte sich die Einheitlichkeit des Textes bereits bei der Strukturanalyse ergeben. Der längere Bericht über die Neuordnung der Finanzierung von Instandsetzungsarbeiten am Jerusalemer Tempel schließt sich an die Nachrichten des vorderen Königsrahmens in 2Kön 12,1–4 an. Er setzt unversehens mit einer Anrede des Königs an die Priesterschaft ein (nicht an den Großpriester Jojada!), die ohne erzählerische Einbindung bleibt, so dass der Eindruck einer Grundsatzregelung entsteht.41 Die Rede des Königs legt fest, dass die Priester alles Silber der Weihgaben (mJVDQH pOK-LK), das zum Tempel gebracht wird, als Versorgungsbezüge für sich behalten sollen, im Gegenzug dazu aber verpflichtet sind, für sämtliche anfallenden Instandsetzungsarbeiten am Tempelgebäude aufzukommen (V.5.). Vers 7 setzt mit dem Tempusmarker JHJW und der Zeitbestimmung „im 23. Jahr des König Joasch“ neu ein. Es scheint vorausgesetzt zu sein, dass seit der Anordnung von V.5f. ein längerer Zeitraum verstrichen ist, obwohl sich dem Text keine genaueren Angaben hierüber entnehmen lassen.42 Die Priester sind ihrer Verpflichtung, die Bauschäden am Tempelgebäude auszubessern, nicht 40
Vgl. die Analyse der Texte bei SPIECKERMANN, Juda, 179–183, und LEVIN, Instandsetzung, 189–196 (vgl. bereits STADE, Anmerkungen, 192–197). 41 Dazu passt, dass von der Durchführung konkreter Baumaßnahmen in 2Kön 12 gar nicht die Rede ist. Es geht vielmehr um die grundsätzliche Frage nach der Finanzierung und Zuständigkeit für Instandsetzungsarbeiten am Jerusalemer Heiligtum. 42 Es bleibt letztlich offen, ob zwischen der Grundsatzerklärung in V.5f. und dem erzählerischen Neueinsatz viele Jahre ins Land gegangen waren, oder erst eine kürzere Frist verstrichen war. Im ersteren Fall wäre davon auszugehen, dass die Regelung von V.5f. keine konkreten Bauschäden vor Augen hatte (vgl. die situative Einbindung!), dass jedoch während der folgenden Jahre sich solche einstellten, die von der Priesterschaft entgegen der königlichen Anordnung nicht behoben wurden. Anderenfalls müsste vorausgesetzt werden, dass bereits V.5f. konkrete Missstände im Auge hatten, die jedoch trotz einer angemessenen Frist von der Priesterschaft nicht beseitigt worden waren.
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nachgekommen, weshalb der König den (Groß-)Priester Jojada und die übrigen Priester rufen lässt und von ihnen Rechenschaft über das Versäumte fordert. Statt einer Antwort revoziert der König seine vordem getroffene Anordnung, und die Priester stimmen dem zu.43 Die abschließende Neuregelung, von der V.10–13 berichten, geht dagegen auf die Initiative des (Groß-)Priesters Jojada zurück, der einen Kasten neben dem (Brandopfer-) Altar aufstellte, in den die Schwellenhüter, die zu den Priestern gerechnet werden (vgl. V.10), das Silber, das zum Tempel gebracht wurde, hineinlegten. Sobald sie sahen, dass der Kasten voll war, kam der Schreiber des Königs herauf und zählte resp. wog gemeinsam mit dem Großpriester das Silber, und sie übergaben es den „Vorarbeitern“, die die Aufsicht über die Bauarbeiten führten und das Silber an die Handwerker und zum Kauf von Baumaterial weitergaben (vgl. V.10–13). V.14–17 tragen abschließend einige ergänzende Bestimmungen bzw. Einschränkungen nach, die sicherstellen, dass das Silber ausschließlich für die Restaurierung des Tempelgebäudes und nicht für die Herstellung diverser Kultgeräte verwendet wird (V.14f.), dass die „Vorarbeiter“ über die weitere Verwendung der Mittel keine Rechenschaft ablegen müssen (V.16) und dass die Anteile am Schuld- und Sündopfer von dieser Regelung ausgenommen waren und als Versorgungsleistung bei den Priestern verblieben (V.17). Mit der anschließenden Notiz über die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Joasch von Juda und dem Aramäerkönig Hasaël von Damaskus beginnt ein neuer Abschnitt (vgl. 2Kön 12,18f.). Über die Durchführung konkreter Baumaßnahmen am Jerusalemer Tempel verlautet nichts – wie schon an seinem Beginn, so scheint der Abschnitt auch an seinem Ende mehr an einer Grundsatzregelung interessiert zu sein. Die literarische Einheitlichkeit des Stücks ist verschiedentlich in Frage gestellt worden.44 Dabei beschränken sich die Beobachtungen Spieckermanns in der Hauptsache auf diejenigen Passagen, die 2Kön 12,5–17 und 2Kön 22,3–7 gemeinsam sind, und suchen die These zu begründen, dass an diesen Stellen spätere Nachträge oder Bearbeitungen des Berichts in 2Kön 12 vorliegen, die 2Kön 22 voraussetzen. Darauf wird beim Vergleich der beiden Texte noch zurückzukommen sein. Eine erste Schwierigkeit ergibt sich gleich zu Beginn des Abschnitts in V.5. Dort wird die grundsätzliche Weisung des Königs, dass alles Silber der Weihgaben (oder Gelübde), d.h. alles Silber, das ausgesondert ist für Jahwe und zum Tempel gebracht 43
Die Zustimmung der Priester steht nicht im Widerspruch zur königlichen Autorität, sondern ist textpragmatisch gefordert, weil es um einen Eingriff in die priesterliche Versorgung geht. Dass staatliche Eingriffe in Hoheitsrechte der Tempel und Priester zu schweren innenpolitischen Spannungen führen konnten, belegen nicht zuletzt die religionspolitischen Maßnahmen Echnatons (Ägypten) und Nabonids (Babylon). 44 Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 175–183; SPIECKERMANN, Juda, 180–182.
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wird, den Priestern gehören soll, durch eine dreifache, asyndetisch angeschlossene Näherbestimmung erläutert, deren Verständnis aufgrund ihrer elliptischen Ausdrucksweise Schwierigkeiten bereitet. Einigermaßen deutlich ist noch die Unterscheidung zwischen freiwilligen (V.5b) und festgesetzten Abgaben (V.5a) zu erkennen. Vor allem der Verweis auf die festgesetzten Abgaben wird jedoch erst nach Auflösung der Abbreviaturen im Text verständlich. Der verkürzte Ausdruck (VJA)45 RBWY pOK wird bereits seit der Antike (unter Einfluss von 2Chr 24,6?) auf das mosaische Gesetz der Kopfsteuer für das Heiligtum aus Ex 30,11–16 bezogen. Dabei ist das Partizip RBWY als Abbreviatur für mJDQPH-LY RBYH-LK zu lesen: das Silber „eines jeden, der auf die Seite der Gezählten hinübertritt“ (vgl. Ex 30,13). Die Höhe der Abgabe beträgt nach Ex 30,13.15 einen halben Schekel, nach dem Gewicht des Heiligtums, d.h. 10 Gera. Die anschließende Wendung WKRY TWVPN pOK (VJA) wird von den meisten Auslegern wohl zu Recht mit den Bestimmungen über die Auslösung von freiwillig gelobten Personen, Tieren sowie Haus- und Grundbesitz in Lev 27,2–25 in Verbindung gebracht. Darauf deutet die Verbindung von kRY, dem terminus technicus für die priesterliche Schätzung, der außer in Lev 27 nur noch in Lev 5,15.18.27; Num 18,16 belegt ist (vgl. 2Kön 23,35 von einer königlichen Schätzung), und VPN hin, die sich nur in Lev 27,2 findet. Gemeint ist damit im Kontext von 2Kön 12,5 das Silber, das bei der Ablösung eines Gelübdes (RDN) vom Priester als dessen Schätzwert festgelegt wird. Im engeren Sinne bezöge sich die Angabe in V.5 nur auf solche Gelübde, bei denen eine Person ausgelöst werden soll (vgl. Lev 27, 2–8), angesichts des verkürzten Ausdrucks ist es jedoch nicht unwahrscheinlich, dass mit der Anspielung auf den ersten Unterfall in Lev 27,2ff. die gesamte Regelung über die Ablösung von Gelübden anklingen soll.46 Die beiden Beispiele in 2Kön 12,5a beziehen sich also auf festgelegte Abgaben, sei es die Kopfsteuer für den Tempel oder die Auslösung von Gelübden. Zwar werden Gelübde freiwillig abgelegt47 (und auch ihre Auslösung in Geld45
Es ist unklar, ob VJA als Apposition zu RBWY pOK zu ziehen ist und betont, dass die Abgabe von jedermann zu zahlen ist (vgl. LEVIN, Instandsetzung, 183), oder ob es zum Folgenden gehört und durch WKRY näher bestimmt wird (vgl. KEIL, 301). Letzteres könnte von der masoretischen Akzentsetzung gestützt werden, die RBWY pOK von VJIA durch zāqēp parvum abtrennt, doch steht auch VIJA mit zāqēp magnum gegenüber dem Folgenden isoliert dar. Berücksichtig man die Anspielung auf Lev 27,2 könnte in V.5ab ein freies Zitat der Stelle vorliegen (HWHJL TVPN kKRYB RDN ALPJ JK VJA). 46 Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 181. 47 Levin versteht die Ablösung von Gelübden als freiwillige Abgabe, die den allgemeinen Ausdruck in V.5b unter Rekurs auf das Gesetz erläutern will (vgl. ebd.). Die Freiwilligkeit bestehe in der Entscheidungsfreiheit dessen, der das Gelübde abgelegt hat, dieses in Geldform abzulösen. Die Auslösung des Gelübdes ist jedoch verpflichtend und von einem freiwilligen Weihegeschenk zu unterscheiden.
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form geschieht auf Wunsch des Gelobenden), hier geht es jedoch um den Schätzwert bei ihrer Auslösung, der vom Priester festgelegt wird und nicht jeweils frei bestimmt werden kann. Davon unterschieden sind diejenigen Votivgaben und Weihegeschenke, die das Volk freiwillig Jahwe und dem Tempel übereignet, welche Gründe auch immer dafür verantwortlich sein mögen (vgl. V.5b). Angesichts des elliptischen Ausdrucks und der Anspielungen auf die gesetzlichen Regelungen in Ex 30,11–16 und Lev 27*, die ihrerseits vermutlich später Herkunft sind48, ist damit zu rechnen, dass die Reihe asyndetischer Ergänzungen in V.5* als eine sekundäre Erweiterung des Grundtextes in 2Kön 12,5–17 zu beurteilen ist. Der Bearbeiter wollte den allgemeinen Ausdruck mJVDQH pOK LK seiner Vorlage durch Rückgriff auf die Toraüberlieferung inhaltlich erläutern. Die Orientierung an der Tora und das Bemühen um eine genauere Spezifizierung, welche Abgaben an die Priester fallen sollten, verbindet V.5a aber mit V.17, wo im Anschluss an Lev 5,15 und 7,7 festgestellt wird, dass die Abgaben für das Schuld- bzw. Sündopfer nicht für die Instandsetzung des Tempels verwendet werden sollten, sondern als Versorgungsanteile (neben den Naturalgaben) bei der Priesterschaft verblieben.49 Auf diese Weise wird eindeutig geregelt, welche Abgaben in „Geldform“ den Priestern zufallen und welche für den Tempel und seine Installationen eingesetzt werden sollten. Es legt sich daher nahe, beide Ergänzungen der gleichen Bearbeitung zuzuweisen. Ob innerhalb der Zusätze noch einmal zwischen mehreren Stufen zu unterscheiden ist50, kann hier auf sich beruhen, doch zwingt der Textbefund nicht zu dieser Annahme. Levin hat darüber hinaus vermutet, dass in 2Kön 12,7–9.10ba* eine weitere Ergänzung des Grundtextes vorliege.51 Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die Feststellung, dass in V.10ba zwei sich widersprechende Angaben über den Aufstellungsort des Kastens für die in den Tempel 48
Vgl. POLA, Priesterschrift, 61f. (zu Ex 30,11–16); ELLIGER, 382–385 (zu Lev 27*). Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 180. 50 LEVIN, a.a.O., 178–183, nimmt eine dreistufige Fortschreibung in 2Kön 12,5* an, die offensichtlich von der dreigliedrigen asyndetischen Erläuterung des Ausdrucks mJVDQH pOK LK in V.5aa* inspiriert ist. Danach sei zunächst V.5b (gemeinsam mit V.17) eingefügt worden, um die mJVDQ auf die freiwilligen Weihegeschenke, über die im Gesetz – notwendigerweise – keine Bestimmungen getroffen werden, zu begrenzen. Diese Linie sei dann von einem späteren Bearbeiter fortgeschrieben worden, der die Wendung WKRY TWVPN pOK in V.5ab eingefügt habe, die schließlich von einer noch späteren Hand als „Seelen-Lösegeld“ verstanden und mit der Kopfsteuer aus Ex 30,11–16 verbunden worden sei. Eine solche stufenweise Fortschreibung des Textes ist zwar grundsätzlich möglich, doch nötigt das Phänomen asyndetischer Reihung noch nicht zu einer literarkritischen Scheidung und die Zusätze lassen sich auch als zusammenhängende Konzeption verstehen. 51 Vgl. a.a.O., 175–178. 49
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gebrachten Weihegaben zu finden seien: Zum einen heißt es, der Kasten sei neben dem Altar aufgestellt worden, womit schwerlich ein anderer als der Brandopferaltar im inneren Vorhof des Tempels gemeint sein kann, zu dem das Volk keinen Zutritt hatte, zum anderen wird gesagt, er befinde sich auf der rechten Seite am Eingang zum Tempelbezirk. Mit diesem Widerspruch hänge aber ein zweiter eng zusammen: Laut der Fortsetzung des Berichts in V.10bbg legten die Schwellenhüter, die zu den Priestern gerechnet werden, das Silber, das in den Tempel gebracht wurde, in den Kasten, obwohl der König zuvor angeordnet hatte, dass die Priester kein Silber vom Volk entgegennehmen sollten, um das Baufällige am Tempel auszubessern (vgl. V.8f.). Es sei daher zu folgern, dass in V.7–9.10ba* eine sekundäre Erweiterung vorliege, die darum bemüht war, die Spannung zwischen dem königlichen Befehl in V.5f.*, die Priester sollten die Bauschäden am Tempel ausbessern, und dem Bericht in V.12f., dem zufolge die Handwerker die Arbeiten ausführten, auszugleichen. Die Datumsangabe in V.7 sei schließlich aufgrund schriftgelehrter Spekulation aus einer Kombination von 2Kön 13,1(.3) mit 2Kön 12,18f. gewonnen worden: Die Anordnung des Königs Joasch in seinem 23. Jahr diente dazu, die Verwendung des Tempelvermögens für die Instandsetzung des Heiligtums zu gewährleisten, bevor dieses als Tributzahlung an den Aramäerkönig Hasaël übergeben werden konnte (vgl. V.19). Wie aber steht es um die von Levin konstatierten Widersprüche? Liest man den masoretischen Text von V.10ba unvoreingenommen, so zeigt sich, dass beide Angaben zum Aufstellungsort sich nicht widersprechen, sondern einander ergänzen. Zunächst wird festgestellt, dass der Priester Jojada den Kasten neben dem Altar aufstellte, womit in der Tat der Brandopferaltar im Vorhof des Tempels gemeint sein wird. Erst die folgende Wendung gibt jedoch an, auf welcher Seite vom Altar sich der Kasten befand, nämlich auf der rechten Seite vom Eingangsbereich des Tempelbezirks her gesehen. Ein Widerspruch zwischen beiden Ortsangaben ergibt sich nur dann, wenn man sie unabhängig voneinander betrachtet. Das gleiche gilt für die Beteiligung der Priester am Handlungsablauf. Die königliche Anordnung in V.8, der die Priester zustimmen (vgl. V.9), bezieht sich auf die frühere Regelung, nach der die Priester alle Weihegaben, die zum Heiligtum gebracht werden, als ihre Versorgungsanteile beanspruchen durften, davon jedoch die Bauschäden am Tempel ausbessern lassen sollten. Weder ist davon die Rede, dass sie diese Arbeiten selbst durchführen sollten – allenfalls eine entsprechende „Bautruppe“, die es am Tempel gegeben haben dürfte52, käme dafür in Frage, noch steht die Tätigkeit der Schwellenhüter in V.10b in einem erkennbaren Widerspruch zur Neuordnung der Verhältnisse in V.7–9, denn hier geht es nicht um die Regelung der Pries52
Vgl. WÜRTHWEIN, 354.
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terversorgung, sondern um das Verfahren bei der Sammlung der Weihegaben, da das Volk den Bereich des inneren Vorhofes nicht betreten durfte 53. Die Darstellung ist also in sich stimmig und nötigt nicht zu einer literarkritischen Dekomposition. Was schließlich die Datumsangabe in V.7 betrifft, so mag man über deren Quellengehalt verschieden urteilen – als ein Produkt theologischer Geschichtsdeutung54 ist sie nicht notwendig von sekundärer literarischer Herkunft. Kann die literarische Integrität der Erzählung in 2Kön 12,5a*.6–16 vorausgesetzt werden, so stellt sich noch die Frage nach ihrer Zugehörigkeit zur Grundschicht des Berichts über die Regierung des Königs Joasch von Juda, die verschiedentlich bestritten worden ist.55 Levin betrachtet 2Kön 12,5–17* als einen nachdeuteronomistischen Nachtrag, der den ursprünglichen Zusammenhang zwischen dem vorderen Königsrahmen in 12,1–4* und dem Quellenauszug über die Tributleistungen an den Aramäerkönig Hasaël in 12,18f. unterbreche und den Verlust des Tempelschatzes korrigieren wolle, selbst wenn auf diese Weise „ein historisch unmöglicher Widerspruch entsteht“.56 Literarisch stehe die Erzählung in engem Zusammenhang mit der Notiz in 2Kön 12,3b, die ebenfalls sekundär sei57 und die sie illustriere. Levins These beruht jedoch auf einer Reihe von Voraussetzungen, die sich keineswegs von selbst verstehen. Das gilt zunächst für die Annahme, der Bericht über die Instandsetzung des Tempels habe den ursprünglichen literarischen Zusammenhang zwischen 2Kön 12,1–4* und 12,18f. unterbrochen. Diese Vermutung gründet sich nicht auf Beobachtungen im Text von 2Kön 12, sondern auf die Annahme, die Notiz in 2Kön 12,18f.* gehöre zu einer Reihe von Quellenauszügen, die von außenpolitischen Verwicklungen Judas berichten und an ihrer Stelle jeweils unmittelbar an die Angaben des Königsrahmens angeschlossen hätten (vgl. 1Kön 14,25f.; 15,17–22; 2Kön 14,8–14; 16,5–9*; 18,13–15; 24,10–15*). 58 Dies erhelle aus den teils absoluten, teils relativen Zeitangaben (vgl. 2Kön 14,8; 16,5: XA; 2Kön 24,10: AJHH TYB), die sich auf die Regierungszeit des jeweiligen Herrschers beziehen. Die Zeitangabe in 2Kön 12,18 (XA) dagegen schwebe „im Ungewissen“.59 An den übrigen von Levin angeführten Stellen ist jedoch das gleiche Phänomen wie in 2Kön 12,5–17 zu beobachten, nämlich dass Notizen über außenpolitische Verwicklungen der Könige von Juda vom einleitenden Königsrahmen durch Angaben zu ihren religionspo53
Vgl. COGAN / TADMOR, 138; WÜRTHWEIN, 355f. Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 177f. 55 Vgl. WÜRTHWEIN, 354.356f. 56 Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 174f. (175). 57 Vgl. a.a.O., 169–171. 58 Vgl. a.a.O., 172. 59 Ebd. 54
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litischen Maßnahmen getrennt sind, die ihrerseits in unmittelbarer Verbindung zu den Königsbeurteilungen des Rahmens stehen. Die literarkritische Analyse muss für jeden Einzeltext gesondert geführt werden und ergibt kein derart geschlossenes Bild, wie es Levin annimmt. 60 Hinzu kommt, dass die relative Zeitangabe XA unabhängig davon, ob sie unmittelbar auf den Königsrahmen folgt oder von ihm getrennt ist, sich in beiden Fällen auf die Regierungszeit des jeweiligen Königs bezieht. 61 Wenig überzeugend ist zudem die Annahme, der Ergänzer habe das Barvermögen des Tempels vor dem Verlust an die Aramäer schützen wollen und zu diesem Zweck einen historisch unmöglichen Widerspruch in der Darstellung in Kauf genommen. Denn einerseits greift 2Kön 12,19 auf Bestände des Tempelschatzes zurück, die der Regelung von 12,5–17* voraus lagen, und andererseits ist nirgends in 2Kön 12,5–17 davon die Rede, dass das Tempelvermögen vollständig zur Finanzierung von Instandsetzungsarbeiten ausgegeben worden sei. Ja, von der Durchführung irgendwelcher Baumaßnahmen verlautet im ganzen Bericht kein Wort! Die Antwort auf die Frage, die hinter 2Kön 12,14f. steht, lautet: Es soll sichergestellt werden, dass das Silber, das in den Tempel gebracht wird, wirklich für die Instandsetzung des Tempelgebäudes verwendet wird.62 Darin liegt das leitende Interesse des Verfassers.
Wenn Levin darauf aufmerksam macht, dass die Erzählung in engem Zusammenhang mit dem Königsrahmen stehe63, so ist ihm darin unumwunden zuzustimmen. Die Erzählung beabsichtigt in der Tat, die positive Beurteilung zu illustrieren, die Joasch in 2Kön 12,3 zuteil wird. Nur ist fraglich, ob V.3b einer sekundären Bearbeitung angehört, wie es Levin aufgrund seiner diachronen Analyse des Kapitels 2Kön 11 voraussetzt. 64 Zu 2Kön 12,3b hält er fest, dass der Relativsatz aus dem üblichen Schema der Königsbeurteilungen des vorderen Rahmens herausfalle und sich syntaktisch „als mangelhaft eingebauter Zusatz“ erweise.65 Betrachtet man zunächst das Schema des vorderen Königsrahmens, so fällt auf, dass V.3b an die Stelle tritt, an der bei den Königen von Juda gewöhnlich der Vergleich des Königs mit seinem Vater bzw. seinem (Vor-)Vater David erfolgt. Joasch ist der einzige König, bei dem eine durch die Präposition K eingeleitete Vergleichsaussage ganz fehlt. Funktional wird sie durch die Tätigkeit des Priesters Jojada ersetzt, dessen Unterweisung des (zunächst unmündigen) Königs die Stelle einnimmt, die sonst das Vorbild des Vaters und Amtsvorgängers ausgefüllt hat. Das Verbum HRJ Hif. hat hier kaum die 60
Wenigstens für 1Kön 15,13; 2Kön 14,5; 18,4 ist mit einer Zugehörigkeit zur Grundschicht der Königsbücher zu rechnen. 61 Im jetzigen Zusammenhang der Erzählung ließe sich die Zeitangabe sogar genauer auf das 23. Regierungsjahr des Joasch beziehen (vgl. 2Kön 13,1.3). 62 Vgl. a.a.O., 174. 63 Vgl. a.a.O., 175. 64 Vgl. LEVIN, Atalja. 65 LEVIN, Instandsetzung, 171.
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Bedeutung der „Unterweisung im Gesetz“66, sondern steht dem weisheitlichen Gebrauch der Wurzel näher, die u.a. die elterliche Unterweisung der Kinder bezeichnet.67 In dieser Verwendung liegt sie aber auf der gleichen Linie wie die übrigen Vergleichsaussagen der Königsbeurteilungen. Es zeigt sich an dieser Stelle erneut, dass die Rahmennotizen bei aller Schematisierung stets an ihren historischen und literarischen Kontext angepasst werden. Was die syntaktische Einbindung des Relativsatzes betrifft, so ist diese nicht zu beanstanden. Das Relativpronomen, das hier kausal aufgefasst werden kann68, bezieht sich auf das gesamte Satzgefüge in V.3a zurück: „die Ursache der Frömmigkeit des Joas wird durch den Relativsatz bestimmt.“69 Von daher erklärt sich auch die Stellung des Satzes nach -LK WJMJ. Er beabsichtigt keine Einschränkung der positiven Beurteilung des Königs, wie es die Chronik verstanden hat (vgl. 2Chr 24,2.15–27), sondern gibt deren Bezugspunkt an. Eine Ausscheidung des Satzes ist daher nicht geboten. E. Würthwein70 und V. Fritz71 haben im Anschluss an Beobachtungen K. Gallings72 gegen die Ursprünglichkeit der Erzählung vor allem sozialgeschichtliche Gründe geltend gemacht: Die Darstellung diene dazu, herrschende Verhältnisse des zweiten Tempels zu legitimieren. Erst nach dem Untergang des Königtums sei es notwendig gewesen, den Unterhalt des Tempels, für den in staatlicher Zeit der regierende König in Jerusalem zuständig war, neu zu ordnen. Daran ist zunächst einmal richtig, dass der Tempel in Jerusalem als königliche Stiftung der besonderen Fürsorge der Jerusalemer Könige unterstand und diese nach altorientalischer Gepflogenheit zur Pflege und Versorgung des Heiligtums und seines Kultbetriebs verpflichtet waren. Allerdings belegen altorientalische Beispiele hinreichend, dass die Versorgung der Heiligtümer neben königlichen Stiftungen und Einkünften aus der Bewirtschaftung von tempeleigenen Ländereien und anderen Wirtschaftsbereichen auch aus privaten Donationen bzw. Abgaben bestritten wurde.73 Vor allem für die kleineren, ländlichen Heiligtümer wird die Versorgung durch die ortsansässige Bevölkerung die gängige Praxis gewesen sein. Eine vergleichbare Mischfinanzierung scheint auch in 2Kön 12 vorausgesetzt zu sein: Die königliche Aufsicht und Verantwor-
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Ebd. Vgl. WILLI, Juda, 91–101 (bes. 93f.). 68 Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 170f. 69 A.a.O., 171. 70 Vgl. WÜRTHWEIN, 356f. 71 Vgl. FRITZ, 66f. 72 Vgl. GALLING, Stifter. 73 Vgl. POSTGATE, Mesopotamia, 114f.120–122.135.
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tung für die Versorgung des Heiligtums wird in diesem Text gerade nicht aufgehoben.74 Darüber hinaus sind für die Aufstellung eines „Kollektenkastens“ sowie die königliche Aufsicht über den Tempelschatz Analogien aus Mesopotamien bekannt. Aus einer Vielzahl von neubabylonischen Wirtschaftstexten geht hervor, dass die Heiligtümer regelmäßig größere und kleinere Mengen an Silber unterschiedlicher Gestalt und Qualität als Weihgaben von offizieller oder privater Seite erhielten, die in einem „Kasten“ (quppu oder arannu) am Eingang des Tempels gesammelt und in regelmäßigen Abständen eingeschmolzen und gereinigt wurden.75 Ein Vorgang, der große Ähnlichkeit mit der in 2Kön 12,5–12 und 22,4–7 vorausgesetzten Praxis aufweist. In einem Brief des hohen Beamten Mār-Ištar an den neuassyrischen König Asarhaddon (LAS 277) informiert dieser den König über notwendige Reparaturmaßnahmen an den Heiligtümern in Uruk und Dēr. 76 Aus dem Inhalt des Briefes geht hervor, dass königliche und priesterliche Verwaltung in Uruk bei der Bereitstellung von Finanzmitteln für Instandsetzungsarbeiten am Tempelgebäude zusammenwirkten. Dem königlichen Beamten scheint dabei eine Art Aufsichtsfunktion bei der Vergabe der Gelder zuzukommen.77 Die mesopotamischen Texte belegen, dass die Verwaltungsvorgänge, wie sie durch 2Kön 12,5–12 (par. 22,4–7) für den Jerusalemer Tempel bezeugt sind, in Übereinstimmung mit der gängigen Praxis an anderen vorderorientalischen Heiligtümern des 2. Jahrtausends v. Chr. stehen. Es spricht nichts gegen die Annahme, dass diese Vorgänge die Verhältnisse der (späten) Königszeit in Juda / Jerusalem widerspiegeln. Wie sich die Verhältnisse in der (ausgehenden) Perserzeit gestalteten, kann der relecture des Textes in 2Chr 24 entnommen werden. Weder literaturgeschichtliche noch sozialgeschichtliche Gründe nötigen dazu, den Bericht in 2Kön 12,5–17* der Grundschrift der Königsbücher abzusprechen. Damit ist über die Historizität des Berichteten für das 9. Jahrhundert v. Chr. jedoch noch kein abschließendes Urteil gesprochen. Vor einigen Jahren ist im Antikenhandel eine Inschrift aufgetaucht, die einen außerbiblischen Beleg für die in 2Kön 12,5–17 geschilderten Ereignisse zu liefern schien. 78 Die Inschrift, die nach dem Vorbild altorientalischer Königsinschriften in der 1.Pers. c. Sg. formuliert ist, enthält einen Bericht über die Durchführung von Baumaßnahmen des Kö-
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Vgl. auch GALLING, Stifter, 136f. Vgl. OPPENHEIM, Fiscal Practice, 116–118. 76 Vgl. HUROWITZ, Fiscal Practice. 77 Vgl. a.a.O., 291–293. 78 Erste Pressemitteilungen der israelischen Zeitschrift Ha’aretz datieren vom 13. Januar 2003. 75
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nigs Joasch von Juda79 am (Tempel-)Haus in Jerusalem. Die geschilderten Vorgänge lehnen sich teilweise wörtlich an die biblische Überlieferung in 2Kön 12,5–17 (par. 2Chr 24,1–14) an. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Fundes und seit der Veröffentlichung des Textes durch Mitarbeiter des Geological Survey of Israel, die seine Authentizität nach ersten Untersuchungen der Patina bestätigten 80, ist eine höchst kontroverse Debatte um die Echtheit des Fundes entbrannt, die bis in die Gegenwart andauert.81 Anlass zur Skepsis bieten die ungewöhnliche Beschaffenheit des Steins, die unregelmäßige Ausführung der Inschrift, orthographische und syntaktische Auffälligkeiten sowie die engen Bezüge zur biblischen Überlieferung in 2Kön 12 und 2Chr 24, vor allem aber die ungeklärte Herkunft der Tafel. Eine erneute Überprüfung der Patina erbrachte den Nachweis, dass diese synthetisch hergestellt und nachträglich auf den Stein aufgetragen wurde, die Inschrift mithin das Werk eines Fälschers sei. 82 Die israelische Antikenbehörde hat die Inschrift daraufhin – neben anderen spektakulären archäologischen Fundstücken wie dem so genannten Jakobus-Ossuar – öffentlich als Fälschung eingestuft. Die wissenschaftliche Diskussion über die Echtheit der Inschrift dauert weiter an. Weder naturwissenschaftliche noch paläographische oder sprachwissenschaftliche Analysen 83 vermochten bisher zu eindeutigen Ergebnissen zu gelangen. Solange über die Frage der Echtheit der Inschrift kein zufrieden stellender Konsens erreicht ist, sollte jedoch von ihrer Verwendung für die wissenschaftliche Rekonstruktion der Geschichte Israels im 9. Jh. v. Chr. abgesehen werden. Somit bleibt die alttestamentliche Überlieferung (vorerst) die einzige Quelle für die geschichtliche Rückfrage nach der Reform der Tempelfinanzen unter Joasch von Juda. Sicher scheint nur, dass der Verfasser der Königsbücher diese Einrichtung für die Geschehnisse am Ausgang des 7. Jh.s v. Chr. unter König Josia voraussetzen konnte, sei es, dass ihre Verknüpfung mit der Regierung des Joasch ihm in der Überlieferung vorgegeben war, sei es, dass erst er selbst diese Verbindung geschaffen hat.
Nachdem die literarische Integrität von 2Kön 22,3–7 und 2Kön 12,5–17 (abgesehen von den Zusätzen in V.5*.17) festgestellt worden ist und die Vermutung, der Bericht in 2Kön 12* sei erst sekundär in die Darstellung der Königsbücher eingefügt worden, als unbegründet zurückgewiesen werden konnte, ist abschließend nach dem Verhältnis der beiden Texte zueinander zu fragen. Dabei ist über den Vergleich der jeweils parallelen Erzählzüge bzw. Textpassagen hinaus die Frage nach der Funktion der (Teil-) Einheiten in ihrem literarischen Zusammenhang im Auge zu behalten. An79 Die Zuordnung erfolgt über das Patronym (A)ƒazjahû in Zeile 1 der Inschrift in Verbindung mit dem literarischen Charakter des Textes und den Parallelen in der biblischen Überlieferung. 80 Die Inschrift wurde zuerst von ILANI et al., Archaeometry, publiziert. 81 Aus der zunehmenden Zahl an Publikationen sei zu einer ersten Orientierung auf die Untersuchungen von CROSS, Notes; EPH’AL, Inscription; KNAUF, Inscription; ACHENBACH, Beobachtungen, verwiesen. Zurückhaltender urteilt zuletzt wieder N ORIN, Jehoaschinschrift. 82 Vgl. GOREN et al., Examination. Die Schlussfolgerungen Gorens und seiner Mitarbeiter sind inzwischen durch ein Gutachten des an der Universität Oldenburg lehrenden Geologen W. F. Krumbein wieder in Frage gestellt worden. 83 Die paläographischen und sprachgeschichtlichen Analysen stehen immer wieder vor dem Problem mangelnder Vergleichsstücke, ohne die eine gesicherte Beurteilung schwierig bleibt.
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gesichts der Ergebnisse der vorgängigen diachronen Textanalyse kann die Richtung einer möglichen literarischen Abhängigkeit nicht a priori bestimmt werden.84 Auch vermag die textkritische Grundregel lectio brevior potior est für die Literaturgeschichte kein taugliches Paradigma abzugeben85, wie schon ein flüchtiger Blick auf die chronistische relecture der Samuel- und Königsbücher zeigt. Schließlich muss die Möglichkeit einer wechselseitigen literarischen Abhängigkeit beider Texte voneinander, wie sie B. Stade vorgeschlagen hatte86, angesichts des literarkritischen Befundes ausscheiden. Die Annahme einer beiden Texten gemeinsam zugrunde liegenden Verwaltungspraxis und Kanzleisprache, die jeweils eigenständig rezipiert worden sei, kann zwar das gemeinsame Personeninventar, die Parallelen im Handlungsverlauf sowie einige terminologische Konvergenzen erklären, schwerlich jedoch die mehrfach zu beobachtende wörtliche Übereinstimmung ganzer Satzteile.87 Der folgende Vergleich wird sich daher im wesentlichen auf die Frage nach der Richtung des Abhängigkeitsverhältnisses, das beide Texte als ganze betrifft, beschränken, wobei vorauszuschicken ist, dass die Einzelbeobachtungen bisweilen verschieden interpretierbar sind und eine Lösung des Problems nur vor dem Hintergrund der jeweiligen narratologischen Gesamtkomposition zu erwarten ist. Die erste Übereinstimmung findet sich in 2Kön 12,10 und 22,4. In 2Kön 22,4 ist davon die Rede, dass Schafan, der Schreiber, den Großpriester Hilkia veranlassen soll, das Silber, das zum Haus Jahwes gebracht worden war (HWHJ-TJB ABWMH pOK TA, vgl. 12,10bg) und das die Schwellenhüter vom Volk eingesammelt hatten, für die anschließende Auszahlung vorzubereiten. Während die Zweckbestimmung des Silbers in 22,4 offen bleibt, ist aus 12,5–9* ersichtlich, dass es sich dabei um Weihegaben für Jahwe bzw. den Jerusalemer Tempel handelt: HWHJ-TJB ABWJ-RVA mJVDQH pOK LK (vgl. V.5). Auch die zweite Näherbestimmung des Silbers in 22,4, die sich auf die Tätigkeit der Schwellenhüter (pOH JRMV) bezieht, wird durch 12,10 84
Pace LEVIN, Instandsetzung, 189–191. Seine These, die Umwandlung der Befehlsin die Berichtsform, d.h. ein literarisches Gefälle von 2Kön 22 zu 2Kön 12, sei der natürliche Weg der Textentstehung, deren Umkehrung dagegen künstlich, ist lediglich ein stilkritisches Postulat und lässt sich weder durch die Verwendung der Perfektformen + waw (vgl. 12,10.12.15) noch durch die Imperfektformen in V.13b–17 hinreichend begründen. Die Wahl der Tempora ist vielmehr kontextuell bedingt, und der Wechsel von erzählter zu besprochener Welt in 2Kön 12 ist nicht von 2Kön 22 abhängig, wie schon der unterschiedliche Einsatz zeigt. 85 Es wird sich zeigen, dass sich sehr wohl plausible Gründe für die Auslassung bzw. Kürzung einzelner Abschnitte aus 2Kön 12 in 2Kön 22 angeben lassen. 86 Vgl. STADE, Anmerkungen, 193–197. Stade vermutete, dass V.6f. in 2Kön 22 ein sekundärer Nachtrag aufgrund von 12,13–16 (sic!) seien, während umgekehrt 12,11f.* aus 22,4f.* interpoliert worden wären. 87 Vgl. 12,10bg mit 22,4ab; 12,11bg mit 22,9ba; 12,12ab mit 22,5a*; 12,13abg* mit 22,6b; 12,16b mit 22,7b.
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erläutert: Sie nahmen die Weihegaben vom Volk (vgl. 12,9 mit 22,4) entgegen und deponierten sie in dem „Kasten“, den der Priester Jojada neben dem Altar aufgestellt hatte. Schließlich wird auch die Verwendung des Silbers durch 2Kön 12,5f.* vorab festgelegt: Es dient zur Finanzierung von Instandsetzungsarbeiten am Jerusalemer Tempel (vgl. 22,5b). Nach Einschätzung von Levin und Spieckermann ist das Erzählinventar von 2Kön 12,10 aus 22,4 entlehnt worden. Nach Spieckermann wirke V.10 im Handlungsverlauf von Kapitel 12 störend. Er begründet diese Einschätzung hauptsächlich mit dem plötzlichen Auftreten des Priesters Jojada und der appositionellen Stellung von pOH JRMV nach mJNHKH, die deutlich den Ausgleichsversuch zwischen beiden Texten erkennen lasse. Die Ergänzung wolle, eine „Ätiologie für die Existenz des Opferstocks im Tempel“ geben.88 Für Levin ist dagegen der gesamte Erzählzusammenhang in 2Kön 12,5f.*10 aus einer sekundären Verklammerung von 2Kön 22,4 und der Notiz über die Tributleistungen des Königs Joasch an den Aramäerkönig Hasaël von Damaskus in 12,18f. herausgesponnen worden. Er verfolge das Ziel, die Mittel des Tempelschatzes vor dem Zugriff der Aramäer zu schützen und sie statt dessen für die Reparatur von Schäden am Tempelgebäude zu verwenden, die unter der Herrschaft der Athalja entstanden seien, wie Levin der historisierenden Bearbeitung der Überlieferung in 2Chr 24,7 entnimmt.89 Der „Opferstock“ diene lediglich als Requisit, um die Einkünfte der Priester aus 12,5f.* mit dem in 22,4f. vorausgesetzten Verfahren zu harmonisieren.90 Was zunächst die Einschätzung betrifft, 2Kön 12,10 sei eine den Erzählzusammenhang störende „Ätiologie des Opferstocks“, so ist sie von Spieckermann kaum hinreichend begründet worden. Weder ist das Auftreten des Priesters Jojada nach 12,3–8 in V.10 „gänzlich unerwartet“ 91, noch zeigt das Nebeneinander von Schwellenhütern und Priestern einen Ausgleichsversuch mit dem Bericht in 2Kön 22,4–7. Vielmehr verdanken sich beide Konstellationen der narrativen Konzeption der Erzählung in Kap. 12. Während V.5f.* eine grundsätzliche Regelung zwischen dem König und der Priesterschaft (unter Einschluss Jojadas) treffen, bedarf es nach dem Scheitern der Verabredung einer Neuregelung, bei der die Tempelhierarchie beteiligt ist, die durch den Priester Jojada vertreten wird. 92 Es ist kein 88
Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 180. Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 191–193. 90 Vgl. a.a.O., 193f. 91 SPIECKERMANN, Juda, 180. 92 Es handelt sich bei der Erwähnung Jojadas in V.8 demnach nicht um eine „völlig planlose Eintragung“, wie Spieckermann meint (ebd.). Vielmehr kommt Jojada als einflussreicher Person innerhalb der Jerusalemer Priesterschaft eine vermittelnde Funktion im Konflikt zwischen dem König und den Priestern zu. Die herausgehobene Stellung 89
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Zufall, dass die Aufstellung des „Kollektenkastens“ auf ihn und nicht auf den König zurückgeführt wird, da es sich um einen Vorgang innerhalb der Tempelverwaltung handelt, für den der „Großpriester“ zuständig war. Wenn die Schwellenhüter in 12,10 unter die Gruppe der Priester gerechnet werden, so mögen sich darin historische Verhältnisse der (spät-)vorexilischen Zeit spiegeln93, narratologisch ist ihre Erwähnung durch das veränderte Verfahren bedingt. Das Silber der Weihegaben wird nicht mehr von jedem einzelnen Priester entgegengenommen, sondern von den Schwellenhütern, die es zum Sammelplatz neben dem Altar bringen, zu dem das Volk keinen Zutritt hatte. Vielleicht hängt ihr priesterlicher Status in 12,10 damit zusammen, dass es zur Entgegennahme diverser Weihegaben priesterlicher Kenntnisse und Kompetenzen bedurfte. Darauf weist zumindest die spätere Bearbeitung in V.5* hin. Umgekehrt ergibt sich bei Ausscheidung von V.10, anders als Spieckermann behauptet94, gerade kein glatter Zusammenhang von 12,9 zu 12,11, vielmehr hinge in diesem Fall nicht nur die Ortsangabe nWRAB (det.!) in der Luft, sondern der ganze Satz 12,11a bliebe ohne rechten Bezugspunkt im Vorangegangenen. Nicht weniger fragwürdig erscheint die Annahme Levins, der ganze Erzählzusammenhang von 12,5–10* sei sekundär aus dem Verfahren in 22,4 gewonnen worden. Zu den Problemen der literarkritischen Rekonstruktion Levins ist bereits oben Stellung genommen worden. Hier sollen lediglich einige Fragen, die mit der Textpragmatik von 2Kön 12* zusammenhängen, diskutiert werden. Nach Levin verfolge die Erzählung die Absicht herauszustellen, dass Joasch den Tempelschatz für die Wiederherstellung des unter der Regierung der Atalja verfallenen Tempels verwendet hatte, so dass dieser nicht den Aramäern in die Hände fiel, als diese Jerusalem belagerten
Jojadas in 2Kön 11f. ist evident, selbst wenn ihm der Titel LWDGH nHKH nirgends zugeschrieben wird. 93 Das Amt der Schwellenhüter ist für die vorexilische Zeit durch 2Kön 12,10; 22,4; 23,4; 25,18 (par. Jer 52,24) und Jer 35,4 belegt. Ihr hoher Rang und ihr priesterlicher Status in dieser Zeit wird indirekt durch 2Kön 23,4 und 25,18 bestätigt, wo sie neben dem Großpriester und seinem Stellvertreter (HNVM nHK) genannt sind. Nach 2Kön 23,4 sind sie an der Beseitigung illegitimer Kultgeräte aus dem Hauptraum des Jerusalemer Tempels beteiligt. Dem Tor als dem Grenzbereich zwischen dem profanen und sakralen Bereich kam in der religiösen Symbolwelt des Alten Orients eine besondere Bedeutung zu, weshalb dieser Bereich besonders geschützt werden musste. Die Dreizahl der Schwellenhüter ergibt sich aus den drei Haupttorbereichen des Jerusalemer Tempels (vgl. Ez 40, 6.24.35), denen jeweils ein Schwellenhüter vorstand. Neben ihrer Funktion als Heiligtumswächter kamen ihnen vermutlich auch fiskalische und administrative Aufgaben zu. In nachexilischer Zeit ging die Funktion der Torhüter auf die Leviten über (vgl. 2Chr 34,9), deren Dienstbezeichnung nun pOH JRYV oder einfach mJRYV lautete (vgl. 1Chr 9, 17–26; 26,1–19), vgl. MEYERS, pO, 898–901. 94 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 180 Anm. 49.
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(vgl. V.18f.).95 Weder die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten noch die Verwendung des gesamten Tempelvermögens für entsprechende Baumaßnahmen werden jedoch im Text explizit erwähnt. Warum der Verfasser für dieses Unterfangen ausgerechnet auf 2Kön 22,4–7 zurückgegriffen haben sollte, wo es, wie Levin selbst sagt, „in der Hauptsache um die Finanzierung gegangen (war)“96, bleibt schwer verständlich. Hinzu kommt, dass der Verfasser zu diesem Zweck eine höchst aufwändige literarische Überleitung zwischen 2Kön 12,18f. (mJVDQ) und 22,4–7 geschaffen hätte, um zwei Vorgänge zu verbinden, die von Haus aus nichts miteinander zu tun hatten97, ohne dass dies der Sache nach notwendig gewesen wäre. Wenn Levin abschließend festhält: „Am Ende des Verses (sc. 12,10) hat dank der Lade das Geld jene Form gewonnen, die in 22,4 vorausgesetzt ist“98, so ist dem entgegenzuhalten, dass es diese bereits in 12,5* erhalten hatte. 99 Unter der Voraussetzung, dass 2Kön 12* den Bericht in 2Kön 22,4–7 erweitert hat, wäre dies mit der Absicht geschehen, den Vorgang, der in 22,4f. einigermaßen undeutlich bleibt, näher zu bestimmen. Dafür diente vor allem das Institut des „Kollektenkastens“. Umgekehrt könnte Kap. 22 auch als gestraffte Rekapitulation der Vorgänge aus 2Kön 12,5–17* verstanden werden, die diese als Vortext voraussetzt und bei ihrer Aufnahme der eigenen Erzählabsicht unterordnet. Dafür spricht, dass in 22,4 ein sehr viel glatterer Textzusammenhang vorliegt, der die Ereignisse aus der Perspektive der königlichen Verwaltung schildert und komprimiert. Die Darstellung in V.4 setzt nach 12,11b ein, der ersten Erwähnung des kLMH RPO, und erweitert die Objektangabe (JRMV WPOA RVA HWHJ TJB ABWMH pOKH-TA mYH TAM pOH), um die Identität des Silbers im Anschluss an 2Kön 12,10 präziser zu bestimmen.100 Seinen Charakter als mJVDQ kann der Leser aus 12,5 erschließen – er ist für die Erzählabsicht von 22,4–7 nebensächlich. Der „Kollektenkasten“ bedarf keiner eigenen Erwähnung – er ist vorausgesetzt, wie die wörtliche Aufnahme von 12,10bg in 22,4a zeigt, obwohl er 95
Vgl. LEVIN, Instandsetzung, 191f. A.a.O., 192. 97 Gemeint sind die königlichen Stiftungen für das Jahweheiligtum in Jerusalem (vgl. 12,18f.) und die priesterlichen Versorgungsanteile gemäß der Tora, die beide als mJVDQ bezeichnet werden. Auf diesem Missverständnis beruht Levins Argumentation zufolge alles weitere (ebd.). 98 A.a.O., 194. 99 Die Parallelität von 12,5.10 spricht überdies dafür, dass die partizipiale Näherbestimmung HWHJ TJB ABWMH pOKH ursprünglich in Kap. 12 beheimatet war. 100 Der Ausdruck HWHJ TJB AZMNH pOKH-TA, der in 22,9 übernommen wird, wo auf dieselben Ereignisse rekurriert wird, ist der Erzählung situativ angemessen, da der Schreiber des Königs und der Großpriester das von ihnen im Tempel vorgefundene Silber einschmelzen und abgezählt weitergeben. Der Wortlaut in 22,4 lässt also noch erkennen, dass der Ablauf der Ereignisse ineinander verschränkt dargestellt wird. 96
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für den Handlungsablauf in 22,4f. nicht zwingend notwendig ist. Das personelle Inventar hat 22,4 ebenfalls aus 12,10f. übernommen101 – darin liegt vermutlich der Ausgangspunkt für den Rekurs auf Kap. 12 in 22,3–7, denen es wesentlich um das Zusammentreffen des königlichen Schreibers Schafan mit dem Großpriester Hilkia zu tun ist, wie die Fortsetzung der Erzählung zeigt. Dass die Schwellenhüter in 22,4 nicht als Priester bezeichnet werden, ist der Erzählstrategie des Verfassers geschuldet, der kein Interesse an der differenzierten Darstellung des Sammlungsvorgangs selbst zeigt.102 Der Annahme einer verkürzenden und akzentuierenden Nacherzählung von 12,5–12 in 22,4–7 kommt demnach mindestens ebenso große Plausibilität zu, wie einer umgekehrten Bestimmung des Abhängigkeitsverhältnisses, die zudem mit überaus diffizilen Textwachstumsprozessen rechnen muss. Aber bewährt sich diese Einschätzung im weiteren Textverlauf? Der Befund in 2Kön 12,11 und 2Kön 22,4f. ist ambivalent. Wie schon gesagt, setzt der Befehl des Königs in 22,4 chronologisch erst nach 12,11 ein und es entsteht die Frage, ob in 22,4 der Sache nach 12,11a vorausgesetzt ist oder nicht. Im letzteren Fall bliebe die Einrichtung des „Kollektenkastens“ für den Vorgang entbehrlich: Der König würde schlicht aufgrund offensichtlicher (oder ihm gemeldeter) Bauschäden am Tempel seinen Schreiber beauftragen, dafür Sorge zu tragen, dass das Silber, das in den Tempel gebracht wurde, für die Auszahlung an die Bauarbeiter vorbereitet wird. Der Erzähler in 2Kön 12,10f. hätte dann mit der Institution des „Kollektenkastens“ auch das Vorgehen von V.11a eingefügt, denn nur die Schwellenhüter konnten wissen, wann der Kasten voll war, so dass der königliche Schreiber in den Tempel bestellt werden musste. 103 Anderenfalls könnte die Auslassung dieses Zuges der Erzählung in 22,4 wiederum in der Erzählperspektive des Textes begründet sein, der deutlich die Handlungsrolle des Königs in den Mittelpunkt stellt und die fromme Initiative Josias hervorhebt. Auf diese Weise wird der wiederkehrende Charakter der Einrichtung aus 2Kön 12* zugunsten des gemeinorientalischen Königsideals, das die Darstellung der Regierung Josias bestimmt, verschleiert. Der König handelt nicht auf eine vorgängige Mitteilung des Tempelpersonals hin und führt einen vom Protokoll festgelegten Verwaltungsakt durch, sondern der Eifer für das Jahweheiligtum, seine Gottesfurcht, treibt ihn dazu. Im Folgenden weichen die Darstellungen voneinander ab: Gemeinsam ist beiden die Beteiligung des königlichen Schreibers und des Großpriesters des Jerusalemer Tempels am Vorgang der Auszahlung des Silbers. 101
Vgl. noch die präpositionale Wendung mYH TAM aus 12,9 in 22,4b. Ihre priesterliche Funktion scheint aber in 23,4 vorausgesetzt zu sein. 103 Ein vergleichbares Verfahren ist in einem Brief des Mār-Ištar an den assyrischen Großkönig Asarhaddon vorausgesetzt (vgl. HUROWITZ, Fiscal Practice, 292f.). 102
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Während 22,4f. einen störungsfreien Zusammenhang bieten, wonach der Schreiber zum Großpriester (in den Tempel) hinaufgehen und diesen anweisen soll, das eingegangene Silber (zur Auszahlung) vorzubereiten104, sind die Handlungsrollen des Schreibers und des Großpriesters in 12,11b weniger deutlich unterschieden. Dies zeigt sich vor allem an den Verbformen: Zunächst heißt es, dass beide, der Schreiber des Königs und der Priester, (zum Tempel) hinaufgehen, wobei das Verb HLY im Sg. verwendet wird. Daran ist noch erkennbar, dass nur der königliche Schreiber zum Tempel, der oberhalb des Königspalastes lag, hinaufgehen musste, während die Anwesenheit des Großpriesters dort vorausgesetzt werden konnte. Die folgenden beiden Verbformen setzen dagegen Schreiber und Großpriester als gemeinsames Subjekt der Auszählung des Silbers voraus, weshalb eine literarkritische Ausscheidung von LWDGH nHKHW als „eine unsinnige Glosse“105 nicht in Frage kommt. Der Begriff „Großpriester“ (LWDGH nHKH) in 12,11 (par. 22,4) ist noch kein hinreichendes Indiz für eine nachexilische Herkunft des Textes bzw. die Annahme einer späten Glosse. Der Ausdruck, der für den vorexilischen Tempel in Jerusalem noch in 2Kön 22,8; 23,4; 25,18 (par. Jer 52,24, dort als VARH nHKH) belegt ist, bezeichnet in diesen Texten den Vorsteher der Tempelverwaltung, ein Amt, das aus der mesopotamischen Tempelhierarchie bekannt ist106 und vielleicht noch den Sprachgebrauch im Sacharjabuch bestimmt (vgl. Sach 3,1–7.8–10; 6,9–15). Aufgrund welcher Qualifikation jemand in dieses Amt eingesetzt wurde, bleibt unklar.107 Deutlich ist dagegen, dass mit diesem Amt am vorexilischen Tempel nicht die gleichen kultischen und politischen Funktionen und Kompetenzen verbunden waren, wie mit dem Amt des Hohenpriesters in späterer Zeit.
Dass in V.11 plötzlich von LWDGH nHKH und nicht mehr von Jojada die Rede ist, dem der Titel trotz seiner hervorgehobenen Stellung innerhalb des 104 Das Verb mMT bedeutet im Qal „vollständig machen, fertig stellen“, wozu das Hif‘il den Kausativ bildet. Das Wort dient hier zur Beschreibung des gesamten Vorgangs, bis das Silber zur Auszahlung vorbereitet ist. Dies kann das Einschmelzen der verschiedenen Silberstücke, seine Umgießung und Wertbestimmung umfassen, wie es sich nach 22,9 nahe legt und in LXXB.L übernommen wird, doch bleibt das genaue Verfahren offen. SPIECKERMANN, Juda, 47 Anm. 35, bezieht die Aussage auf die Beendigung des Sammelvorgangs, damit die zur Verfügung stehende Summe berechnet werden kann. Doch sieht er selbst, dass dann nur eine Unterbrechung, keine Beendigung des Vorgangs ausgedrückt wäre, was zur Semantik von mMT schlecht passen will. 105 Vgl. a.a.O., 180 Anm. 49; kritisch bereits LEVIN, Instandsetzung, 194. Die meisten Ausleger, die LWDGH nHKH streichen, nehmen die Gruppe der „Priester“ als Subjekt der pluralen Verbformen an (vgl. schon STADE, Anmerkungen, 196). 106 Vgl. POSTGATE, Mesopotamia, 126f.; Zapff, Priester, 166. Aus dem phönizischpunischen Raum ist die analoge Bezeichnung rb khnm bekannt (vgl. Ringgren, nHK, 67). 107 Während das Amt des Hohenpriesters in späterer Zeit erblich war, ist dies für die staatliche Zeit eher unwahrscheinlich. Ob der Vorsitz des Priesterkollegiums durch Wahl, königliche Einsetzung oder im Sinne eines Altersvorsitzes bestimmt wurde, ist unbekannt.
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Priesterkollegiums, wie sie aus 2Kön 11,4–20; 12,3.8.10 hervorgeht, nirgends explizit zugeschrieben wird108, lässt sich vielleicht aus dem besonderen literarischen Charakter der Erzählung in 2Kön 12,5–17* erklären. Es ist bereits bemerkt worden, dass die Erzählung ohne situative Einleitung einsetzt und auch nicht von der Durchführung konkreter Instandsetzungsarbeiten am Tempelgebäude berichtet, sondern in der Hauptsache eine prinzipielle Neuregelung der Finanzverwaltung einführt. Dieser Mischform zwischen einer generalisierenden Verwaltungsreform und ihrer historisierenden Verortung unter König Joasch von Juda mag nicht nur der eigentümliche Erzählstil des Textes geschuldet sein, sondern ihr verdankt sich wohl auch die Nennung des Großpriesters und des königlichen Schreibers in V.11. Das Verfahren, das in V.10b–13 beschrieben wird, ist von den zeitgeschichtlichen Verhältnissen des 9. Jh.s abgelöst und besitzt Modellcharakter. Die Auszahlung des Silbers für anstehende Instandsetzungsarbeiten am Jerusalemer Tempel wird durch die Leiter der königlichen Kanzlei und der Tempelverwaltung beaufsichtigt und durchgeführt. Hier ist von allgemeinen Verwaltungsstrukturen die Rede, wie sie dem Verfasser bekannt waren, und nicht von einem geschichtlich einmaligen Vorgang. 109 Der Auszahlungsmodus wird in 22,4 recht allgemein mit dem Verb mMT Hif. „voll machen, fertig stellen“ bezeichnet, womit in diesem Zusammenhang gemeint ist, dass der Großpriester das eingegangene Geld zur Auszahlung vorbereiten soll. Ganz anders die Darstellung in 12,11 – hier sind Schreiber und Großpriester am Geschehen beteiligt, das näherhin in zwei Akte untergliedert wird. Zuerst wird das Silber bzw. die silbernen Weihegaben (in Säcken?) zusammengebunden (RWZ II, vgl. Dtn 14,25; 2Kön 5, 23), d.h., es werden kleinere Teilmengen gebildet, die anschließend ausgewogen werden. So wenigstens scheinen die Masoreten den Text verstanden zu haben, und diese Textauffassung wird durch die antiken Versionen bestätigt (LXX e]sfigqan, V effunderabant). 2Kön 22,9 deutet diesen Vorgang im Bericht des Schreibers Schafan vor dem König Josia als „einschmelzen des Silbers“ (kTN Hif., vgl. Ez 22,20). Die Praxis, dass Weihegaben oder auch Tributzahlungen in Form von silbernen (oder goldenen) Gegenständen eingeschmolzen, verfeinert und in Barren- oder Stangenform umgegossen wurden, ist aus babylonischen und griechischen Quellen belegt und kann auch für Jerusalem vermutet werden.110 Den Vorgang veranschaulicht ein Bericht Herodots über das Verfahren Darius I. (521–486 108
Jojada trägt in 2Kön 11,9f.15.18; 12,3.8.10 den Titel nHKH. Ob dieser in vorexilischer Zeit die Rangstellung des Oberhauptes der Priesterschaft zum Ausdruck brachte, ist mehr als fraglich (vgl. SPIECKERMANN, Juda, 47 Anm. 33). 109 Pace LEVIN, Instandsetzung, 190. 110 Vgl. dazu TORREY, Foundry; EISSFELDT, Einschmelzstelle; OPPENHEIM, Fiscal Practice.
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v. Chr.) mit Tributleistungen aus Silber und Gold: „Diesen Tribut stapelte der König in folgender Weise auf: Er schmolz ihn ein und goss ihn in tönerne Behälter. Sobald aber das Gefäß voll war, zerbrach er die Tonhülle, und wenn er Geld brauchte, schlug er so viel ab, wie er gerade nötig hatte.“ (Historien III,96).111 Die Verbform WRZJW, die die Masoreten von der Wurzel RWZ II abgeleitet haben, kann auch als wajjiṣrû (= 3. Pers. m. Pl. von der Wurzel RZJ) gelesen werden: „und sie formten (es)“. Gemeint wäre dann eben ein solcher Einschmelzvorgang, wie ihn Herodot beschreibt und wie er wohl auch in Sach 11,13 (RZWJ) vorausgesetzt ist.112 Angesichts der Mehrdeutigkeit des Wortlauts in 12,11 und der zitathaften Anspielung auf V.11bg in 2Kön 22,9ba ist jedoch die Annahme wahrscheinlicher, der Verfasser von 22,9 habe 12,11b vor Augen gehabt, als umgekehrt. Er hätte den Vorgang dann in 22,4 allgemeiner formuliert und damit der Polyvalenz des Wortlauts in 12,11 Rechnung getragen, wie denn auch in 22,9 (inkludierend?) der Plural gebraucht ist.113 Aber vielleicht darf man die Unterschiede zwischen beiden Texten in dieser Hinsicht nicht zu sehr pressen. Umgekehrt scheinen 2Kön 12,12f.* gegenüber 22,5f. einen stringenteren Textzusammenhang zu bieten, der die sprachliche Ungelenkheit der Vorlage vermeidet.114 Dieses Urteil gründet sich auf folgende Beobachtungen: Die Verbform WNTNW mit expliziter Nennung des Objekts erweist sich gegenüber der mehrdeutigen, suffigierten Form HNTJW als sekundäre Lesart, die den unklaren Wortlaut der Vorlage erläutert. Im weiteren Verlauf des Textes wird die „unschöne Wiederholung des Verbs nTN vermieden“115, das durch AZJ Hif. ersetzt wird (vgl. 12,12b mit 22,5b). Des gleichen übergeht 12,12 die „ungelenke Verdoppelung“116, die durch den zweimaligen Gebrauch des Ausdrucks HKALMH JSY in 22,5 entsteht, und „nennt … sogleich die einzelnen Gruppen der ausführenden Handwerker“117 aus 22,6 (vgl. 12,12b–13a). Auf den zweiten Blick ist die Bestimmung des Abhängigkeitsverhältnisses jedoch weit weniger eindeutig, als es zunächst den Anschein haben mag. Was die Verbform WNTNW zu Beginn von V.12 betrifft, so ist daran zu erinnern, dass der Modus der Auszahlung des Silbers in 12,11 gegenüber 22,4 verschieden formuliert ist. Der Ausdruck „abgezähl111
Vgl. EISSFELDT, Einschmelzstelle, 107f. Vgl. TORREY, Foundry. 113 Siehe unten, S. 107f. Subjekt der Handlung sind in V.9b die „Knechte“ des Königs. Es ist anzunehmen, dass Schafan sich selbst in diese Bezeichnung einschließt, ohne dass damit gesagt wäre, er oder der Großpriester hätten den Einschmelzvorgang selbst durchgeführt. Die Bezeichnung mJDBY wirft zudem ein Licht auf das Verhältnis der Priesterschaft zum König, die hier unter dessen Beamtenschaft gerechnet wird. 114 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 181. 115 Ebd. 116 LEVIN, Instandsetzung, 195. 117 Ebd. 112
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tes / abgewogenes Silber“ (nKTM pOK, vgl. Jes 40,12; Ez 45,11; Hi 28,25) bezieht sich auf den Vorgang des Zählens / Wiegens zurück, der in 12,11 ausdrücklich genannt wird (HNM), in 22,4 jedoch fehlt. Das abgezählte Silber, d.h. die vom Schreiber und Großpriester geprüfte und verzeichnete Summe an Silber, wird den „Vorarbeitern, die die Aufsicht (über die Bauarbeiten) führen“, übergeben. Die kürzere Formulierung in 22,5a verdankt sich zum einen dem summarischen Ausdruck in V.4, dem nicht am genauen Ablauf des Geschehens gelegen ist, und zum andern den abweichenden Handlungsrollen von Schreiber und Großpriester: In 2Kön 22,4f. gewinnt man den Eindruck, der Großpriester sei gemäß seiner Funktion als Leiter der Tempelverwaltung für die Abwicklung des Verfahrens zuständig, während dem königlichen Schreiber, der den Vorgang überwacht und dem König hierüber Rechenschaft schuldet, eine Aufsichtsfunktion zukommt (vgl. V.9). Die Verwendung des Perfekt + waw in 12,12 beruht kaum auf einer Anpassung des Jussivs HNTJW aus 22,5 an den narrativen Erzählzusammenhang, wie Stade unter Hinweis auf 22,9 vermutet hat.118 Denn zum einen wird in 22,9 eine gewöhnliche Narrativform verwendet, wie sie in 12,10–13 auch sonst zur Wiedergabe progresshafter, individueller Sachverhalte der Vergangenheit gebraucht werden, und zum anderen bliebe der Wechsel von regulären Narrativformen zu Perfekt mit waw copulativum in der gleichen syntaktischen Funktion durch den Verfasser gänzlich unmotiviert. Wenn in V.12 kein Textfehler vorliegt, was angesichts der gelegentlich zu beobachtenden Verschreibung von J und N nicht völlig ausgeschlossen werden kann119, stellt sich die Frage, welche syntaktische Funktion dem Perfekt an dieser Stelle zukommt. Die eine Möglichkeit wäre, hier an einen frequentativen Sinn des Perfekts zu denken, der zu dem generalisierenden Charakter der Erzählung passen würde.120 Es sollte dann zum Ausdruck gebracht werden, dass die Übergabe des Silbers an die „Aufseher“ ein regelmäßig wiederkehrender Vorgang war. Angesichts der umstehenden Narrativformen liegt aber ein Verständnis der Form als koordiniertes Perfekt näher. In diesem Fall würde die Übergabe des abgezählten Silbers an die „Werkmeister“ als eine Begleithandlung zum Zähl- und Wiegevorgang gerechnet werden. Der Vorgang wäre dann so vorgestellt, dass die „Aufseher“ bei der Zählung anwesend waren und das abgewogene bzw. abgezählte Silber ihnen unmittelbar übergeben würde bzw. Wertfeststellung und Übergabe als semantisch eng zusammengehörig betrachtet würden. In jedem Fall ergibt sich die Wahl des Perfekts + waw in 2Kön 12,12a aus der Erzählabsicht des Verfassers und ist nicht abhängig von der Vorgabe in 22,5a.
Es ist zwar richtig, dass die Formulierung in 12,12b gegenüber 22,5b stilistisch gefälliger ist, doch lässt sich für die etwas umständlichere Formulierung in 22,5, die im Übrigen terminologisch sehr präzise ist121, ein Grund 118
Vgl. STADE, Anmerkungen, 196, aufgenommen bei LEVIN, Instandsetzung, 190f. Vgl. DELITZSCH, Schreibfehler, 111f. 120 Eindeutig frequentativen oder iterativen Sinn hat die Form WNTNW in 12,10bb, wo an den wiederholten Vorgang des Einlegens der Weihegaben in den „Kasten“ gedacht ist. 121 Pace SPIECKERMANN, Juda, 181, der mit Bezug auf 22,5 von einer „terminologische(n) Unschärfe“ spricht. 119
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angeben. Der Verfasser hat nämlich die Angaben aus 12,12b.15, die den gleichen Sachverhalt beschreiben, zusammengezogen. Dabei hat er das Verb nTN (PK!) und die Wendung HKALMH JSYL aus V.15 übernommen122 und um die Funktionsbestimmung TJBH QDB QXCL HWHJ TJBB RVA erweitert, so dass V.5b strukturell der Explikation in V.6 genau entspricht (vgl. 12,12f.15).123 Dabei unterscheidet der Verfasser in 22,5 genau zwischen der Personengruppe, die die Aufsicht über die Handwerker und die Durchführung der Arbeiten führt (mJDQPMH HKALMH JSY) und der Gruppe der Handwerker selbst (HKALMH JSY). Nur von den Letzteren heißt es, dass sie die Bauschäden des Hauses, d.h. des Tempelgebäudes (und seiner Nebengebäude), ausbessern (vgl. V.5b.6b). Verwirrung entsteht hier nur, wenn man HKALMH JSY mit „Handwerker“ gleichsetzt124, was jedoch ausweislich der Semantik von HKALM nicht zutreffend ist. Der Begriff bezeichnet vielmehr jegliche Art von Auftragsarbeit oder Dienst vom Kunsthandwerk bis zu den kultischen Verrichtungen im Tempel.125 Von daher ist bereits der deutsche Begriff „Vorarbeiter / Werkmeister“ für mJDQPMH HKALMH JSY in gewisser Weise irreführend, insofern er eine Nähe der betreffenden Personen zu den Tätigkeiten der Handwerker suggeriert. Ebenso gut könnten jedoch Personen gemeint sein, die lediglich mit der (Dienst-)Aufsicht über die Handwerker und das Tempelgebäude betraut waren. Der Unterschied zwischen der Form mJDQPMH in 22,5 und dem Ketîb mJDQPH in 12,12 eignet sich – unabhängig von der Frage, wie das Ketîb des masoretischen Textes zu vokalisieren ist – kaum für eine Bestimmung des Abhängigkeitsverhältnisses beider Texte. 126 Das Ptz. Hof. mJDQPM ist zwar selten, findet sich aber auch in 2Chr 34,10.12.17, und es ist angesichts des textkritischen Befundes unklar, wann die Schreibung mJDQPH in der Textüberlieferung von 2Kön 12,12 aufgetreten ist.127 Auch die Frage, ob das Ketîb als Ptz. pass. Qal (happequdîm „die betraut wurden“)128 oder als defektive Pluralform von 129 DJQP „Betrauter, Aufseher“ (happeqidîm) zu lesen ist, macht für die Sachaussage keinen Unterschied. In jedem Fall sind die so bezeichneten Personen mit einem bestimmten 122 Beide Termini kommen übrigens auch in 12,16 vor, wo die Auszahlung des Silbers an die „Aufseher“ und die Handwerker in beiden Fällen mit nTN ausgedrückt wird. 123 Vers 6 schließt syntaktisch durch explikative Asyndese an V.5b an und ist ebenfalls von WNTJW abhängig. 124 Vgl. STADE, Anmerkungen, 196; LEVIN, Instandsetzung, 186f. 125 Siehe oben, S. 63f. 126 Pace SPIECKERMANN, Juda, 181 Anm. 52. 127 Eine Vielzahl mittelalterlicher hebräischer Handschriften liest mit dem Q ere’ mJDQPMH (vgl. BHS, z.St.). Die Überlieferung in den antiken Versionen ist uneinheitlich. 128 Vgl. BHS, z.St. 129 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 181 Anm. 52; LEVIN, Instandsetzung, 186.194. Die Form ist defektiv sonst nur in Gen 41,34 belegt (Jer 29,26 ist textlich unsicher), wird jedoch vielleicht durch die Lesart der LXXB.L tw~n e>pisko/pwn bestätigt. e>pi/skopoj dient auch in Jdc 9,28; Neh 11,9.14.21 zur Wiedergabe von DJQP, in 2Chr 34,12–17 steht im masoretischen Text dagegen das Partizip Hof. von DQP. Der Befund bleibt also mehrdeutig.
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Amt bzw. einer Aufgabe am Tempel betraut. Ihre Funktion ergibt sich jeweils aus dem Sinnzusammenhang.
Bezieht man die Aufzählung der einzelnen Handwerkergruppen in die Betrachtung ein, so verschiebt sich das Bild noch einmal. Während 22,6 die Gruppe der HKALMH JSY zusammenfassend als Handwerker mJVRC130, Bauleute (mJNWB) und Maurer (mJRDG) charakterisiert (V.6a) und anschließend den Erwerb von Baumaterial (Holz und Stein) nennt, um das Baufällige des Hauses auszubessern (V.6b), bieten 2Kön 12,12b–13 eine detailliertere und stilistisch schwerfälligere Reihung. Das erste Paar bilden die Holzarbeiter (zYH JVRCL), d.h. die Tischler oder Zimmerleute, und die Bauleute, die näher bestimmt werden als diejenigen, die das Haus Jahwes bauen131. Das zweite Paar besteht aus den Maurern und den Steinhauern (JNZCL nBAH), deren Erwähnung häufig für Irritationen unter den Auslegern gesorgt hat, weil direkt im Anschluss der Erwerb von Holz und Bruchsteinen (BZCM JNBA) angeführt wird (vgl. 22,5). Schafft der Erzähler damit in Erweiterung seiner Vorlage in 22,6 „eine Gruppe von Arbeitslosen“? 132 Oder werden die Steine „zum Zweck des Behauens“ gekauft, d.h. Natursteine, die später von den Steinmetzen bearbeitet werden?133 Gegen letztere Auffassung spricht, dass die Steinhauer nach 1Kön 5,29.31 die Aufgabe hatten, (Quader-)Steine aus einem Steinbruch zu hauen (vgl. 1Chr 22,2; 2Chr 2,1.17), nicht Natursteine zu bearbeiten (vgl. 1Chr 22,15, wo neben den mJBZC „Steinhauern“ die nBA JVRC „Steinarbeiter“ genannt werden). Vielleicht eröffnet die angeführte Stelle aus 1Kön 5,27–32 ein alternatives Textverständnis für 2Kön 12,13, ohne dass damit gerechnet werden müsste, der Erzähler habe den Text seiner Vorlage gedankenlos kopiert und erweitert. In 1Kön 5 ist davon die Rede, dass Salomo u.a. 80.000 Steinhauer zu königlicher Fronarbeit herangezogen habe, die im Libanon-Gebirge Steine für den Bau des Tempels hauen sollten. Der Libanon gehörte jedoch zum Herrschaftsbereich des phönizischen Königs Hiram von Tyrus, mit dem Salomo auch ein Abkommen über die Lieferung von Zedern- und Zypressenholz getroffen hatte (vgl. 1Kön 5,15–26). Der Text setzt voraus, dass die Fronarbeiter Salomos und die Arbeiter Hirams die Bruchsteine gemeinsam gehauen haben (vgl. 1Kön 5,32) – gleichwohl wird Salomo den Phönizier für die Lieferung des Rohstoffs entschädigt haben.
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Das Nomen VRC ist abgeleitet von der Wurzel ḫrš II „(etwas) handwerklich herstellen“ und bedeutet allgemein „Handwerker, Künstler“, je nach Kontext spezifiziert als Metall-, Holz- oder Steinarbeiter. Der allgemeine Oberbegriff soll in 2Kön 22,6 offensichtlich die verschiedenen Handwerksgruppen inkludieren. 131 Dabei ist nicht völlig klar, ob sich die partizipiale Näherbestimmung TJB mJSYH HWHJ nur auf die „Bauleute“ bezieht, um diese von der nachfolgenden Gruppe der Maurer abzugrenzen (vgl. SPIECKERMANN, Juda, 182), oder ob sie in Analogie zu TJB mJDQPH HWHJ (V.12a) gebildet wurde und den Unterschied zwischen den „Aufsehern“ und den „Arbeitern“ markieren soll (vgl. STADE, Anmerkungen 196). 132 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 182; LEVIN, Instandsetzung, 195. 133 Vgl. ŠANDA, 143f.
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Vielleicht hat der Erzähler von 2Kön 12,13 diesen Vorgang im Auge gehabt, als er die Steinhauer in der Reihe der Handwerker aufführte.
Die Reihe wird durch die summarische Angabe „und für alles, was zur Ausbesserung des Hauses nötig ist“ abgeschlossen (V.13b). Die etwas umständlich wirkende Auflistung in 2Kön 12,12b–13 verfolgt deutlich das Ziel, den Verwendungszweck des Silbers möglichst genau und umfassend anzugeben, was noch durch die anschließende Einschränkung in V.14f. (PK!) unterstrichen wird134, die betont, dass das Silber nicht zur Herstellung von Kultgeräten aufgewendet werden soll, sondern ausschließlich zur Ausbesserung des Tempelgebäudes. Im gleichen Duktus fügt V.16 hinzu, dass über die Verwendung des Silbers, das an die „Aufseher“ ausgegeben wurde, keine weitere Abrechnung geführt werden soll, da diese „auf Treu und Glauben handeln“, d.h., es soll sichergestellt werden, dass das Silber zur Instandsetzung des Tempels verwendet wird, welche Aufwendungen dazu im Einzelnen nötig sind, bleibt den damit Betrauten überlassen (vgl. V.13b). Dabei werden die Handwerkergruppen in V.16 wie in V.15 summarisch mit dem Ausdruck HKALMH JSY(L) bezeichnet, während diejenigen, die die Dienstaufsicht führen, nur mJVNAH genannt werden, die jedoch durch den nachfolgenden Relativsatz eindeutig identifiziert sind. Die gleiche Einschränkung findet sich auch in 2Kön 22,7. Der Vers ist strukturell 2Kön 12,16b genau parallel gestaltet, nur dass der Wortlaut gestrafft ist.135 134 Mit V.13 endet der narrative Teil des Textes, die anschließenden Erläuterungen sind wiederum genereller Natur und dienen dazu, das Verfahren via negationis gegenüber Fehlentwicklungen abzugrenzen. Der Wechsel von der erzählten in die besprochene Welt wird nicht durch eine Redeeinleitung markiert – überhaupt handelt es sich bei V.14–17 nicht um die Rede eines der Protagonisten der erzählten Welt, sondern um einen Erzählerkommentar, der stilistisch die Anordnungen des Königs nachahmt (vgl. V.5f.8). Der Wechsel der Textart hängt mit dem Charakter der Erzählung als Ganzer zusammen, die auf eine grundsätzliche Neuordnung der Finanzierung von Instandsetzungsarbeiten am Tempel abzielt. Diese Neuordnung ist narrativ in V.10–13 entfaltet worden, V.14–17 führen ergänzende Bestimmungen an, die dieses Verfahren vor Missbrauch schützen sollen und als solche aus der Stilform der Erzählung herausfallen. Es handelt sich demnach nicht um einen Rückfall des Bearbeiters „aus dem Bericht in die Befehlsform der Vorlage“, wie LEVIN, Instandsetzung, 195, behauptet, sondern um einen in der Sache begründeten Wechsel der Textform, der sich ausschließlich aus der Textpragmatik von 2Kön 12, 5–17 erklärt. Wenn SPIECKERMANN, Juda, 182f., V.12f. als sekundäre Interpolation betrachtet und die Fortsetzung von V.11 in V.14f. erblickt, so kann er dies nur deshalb tun, weil V.14f. den Vorgang aus V.12f. rekapitulieren; er übersieht dabei jedoch den grundlegenden Wechsel von der erzählten in die besprochene Welt. Für eine Ausscheidung von V.12f. in 2Kön 12,5–17 gibt es außer der Parallele in 22,5f. keinen Grund. 135 Die Einleitung AL kA ist aus V.14 entlehnt, das Verb BVC ins Nif. transponiert und der Relativsatz in eine Partizipialkonstruktion umgewandelt worden. Die Identität der „sie“ (mTA), mit denen nicht abgerechnet werden soll, ist in 22,7 durch die Wendung nTN + DJ + LY aus 12,16 hinreichend begründet, während 12,14 den Vorgang breiter ausführt,
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V.7b ist ein wörtliches Zitat von 12,16b (mJSY mH HNWMAB JK), obwohl hier auch ein gebräuchlicher Ausdruck der Verwaltungssprache vorliegen könnte. Die Anordnung ist in die Rede des Königs aufgenommen worden, weil der Auftrag Schafans dadurch begrenzt wird: Er soll zwar die Ausgabe des Silbers an die für die Bauleitung verantwortlichen Personen überwachen (bzw. darüber eine Verwaltungsnotiz anfertigen), die weitere Verwendung der Mittel untersteht dagegen nicht der Aufsicht der königlichen Verwaltung. Der oben skizzierte Befund hat gezeigt, dass die beiden (Teil-)Texte 2Kön 12,10–16 und 22,4–7 jeweils eine eigene Textstrategie verfolgen, die die Darstellung jeweils prägt und eine Entscheidung über das Abhängigkeitsverhältnis schwierig macht. Grundsätzlich ließen sich sowohl 2Kön 12,10–16 als Erweiterung gegenüber der Darstellung in 22,4–7 verstehen, als auch umgekehrt letztere als intentional verkürzte Rekapitulation der „Vorlage“ in Kap. 12. Argumente für eine lectio brevior oder lectio difficilior ließen sich auf beiden Seiten vorbringen, wobei nicht außer Acht bleiben darf, dass beide Texte zunächst je für sich zu lesen sind und die sprachliche Form im einzelnen nicht gepresst werden sollte. Ausschlaggebend für die Verhältnisbestimmung beider (Teil-)Texte zueinander ist daher weniger die Addition von Einzelbeobachtungen als die Analyse ihrer textpragmatischen Funktion im Ganzen. Hier ist offensichtlich, dass das Motiv der Tempelrenovierung in 2Kön 22,4–7 keine selbständige Bedeutung besitzt, sondern narratologisch die Funktion hat, die beiden Protagonisten Schafan und Hilkia im Tempel zusammentreffen zu lassen, damit letzterer dem Schreiber das Toradokument übergeben kann, dessen Verlesung die folgenden Ereignisse aus sich heraus setzt (vgl. 22,8–10). Dieser Funktionsanalyse entspricht, dass über die Durchführung, geschweige denn die Veranlassung zu Instandsetzungsarbeiten am Tempel in 2Kön 22 nichts verlautet – wie übrigens auch in 2Kön 12,5–17 nicht. Dort ist jedoch das Problem der Finanzierung von Reparaturarbeiten am Tempelgebäude das eigentliche Thema der Erzählung, das in grundsätzlicher Art und Weise abgehandelt wird und die gesamte Darstellung bestimmt. 136 Selbst wenn man über die Bewertung mancher Einzelheiten streiten kann, so hat die vergleichende Analyse beider Texte hinreichend deutlich gemacht, dass der Annahme einer Abhängigkeit der Darstellung in 2Kön 22,3–7 von der Erzählung in 2Kön 12,5–17* nichts entgegensteht. Angesichts der narratologischen Eigenständigkeit beider Stücke, die trotz einiger wörtlich übereinstimmender Passagen unverkennbar bleibt, ist der Begriff der „literariohne dass damit das Abhängigkeitsverhältnis von Kap. 12 zu Kap. 22 eindeutig bestimmbar wäre. 136 Vgl. WÜRTHWEIN, 357f., dessen nachexilische Ansetzung beider Texte jedoch nicht überzeugt.
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schen Abhängigkeit“ vielleicht dahingehend zu präzisieren, dass in beiden Texten der gleiche Verfasser – unter Aufnahme vorgegebener Quellen (?) – am Werk gewesen sein könnte, der sich jedoch nicht selbst kopiert, sondern in jeweils eigenständiger Form sein Thema entfaltet hätte. 137 Für die königliche Order in 22,4–7 gilt, dass sie nur diejenigen Elemente aus 2Kön 12 aufnimmt, die für den Auftrag des Schreibers Schafan von Bedeutung sind bzw. den Hintergrund des Vorgangs beleuchten, nämlich die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten am königlichen Heiligtum in Jerusalem. Unbeschadet der veränderten Akzentsetzung bleibt der Zusammenhang des „Ko-Textes“ als Subtext stets vorausgesetzt und muss für die Interpretation in Anschlag gebracht werden. Mit V.8 setzt unmittelbar die Rede des Großpriesters Hilkia an Schafan ein, ohne dass zuvor mitgeteilt würde, dass der königliche Schreiber dem Auftrag des Königs nachgekommen sei. Dies wird zwar vorausgesetzt, wie der nachholende Bericht Schafans vor dem König in V.9b zeigt, die Erzählung ist hier jedoch stark gerafft und springt sofort zu der für das weitere Geschehen entscheidenden Mitteilung Hilkias, dass er den HRWTH RPO im Tempel entdeckt habe. Bereits an dieser Art der Darstellung wird deutlich, dass es dem Erzähler nicht um einen Bericht über die Durchführung von Reparaturarbeiten am Tempelgebäude zu tun ist, sondern diese lediglich die Bühne darstellen für die Übergabe des Toradokumentes an Schafan und dessen Weiterleitung an den König (vgl. V.10). Die Erzählung „erweckt den Eindruck, als könne der Verfasser gar nicht schnell genug zur Hauptsache kommen, nämlich zu der Nachricht von der Auffindung des Gesetzbuches. Alles andere tritt demgegenüber zurück; der Auftrag an Schafan, die Renovierung des Tempels in die Wege zu leiten, ist nur die Einleitung dazu.“138 Daraus folgt jedoch nicht, dass V.8 einmal direkt an V.3 (ohne 139 RMAL) angeschlossen habe, wie W. Dietrich vermutet hat. Vielmehr erklärt sich der abrupte Übergang von V.7 zu V.8 als Stilmittel der narratolo137
Vgl. schon WELLHAUSEN, Composition, 293: „Die Verbindung (sc. zwischen Kap. 12 und Kap. 22) ist nicht bloß eine sachliche, sondern auch die Ausdrücke von Kap. 12 kehren in Kap. 22 wieder, und es kann nicht der geringste Zweifel walten, dass 2. Reg. 11.12.22.23 aus derselben Feder geflossen und folglich erst nach dem Jahre 621, vielleicht erst nach dem Tode Josias geschrieben sind.“ Wenn K UENEN, Einleitung, 83, dieser Einschätzung mit Hinweis auf die wörtlichen Kongruenzen zwischen beiden Berichten entgegentritt, die auf eine literarische Abhängigkeit hindeuten, so ist daran zu erinnern, dass die wörtlichen Übereinstimmungen, wo sie über gemeinsame Begrifflichkeit hinausgehen, überwiegend aus geprägten Wendungen bestehen bzw. in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht werden (vgl. 22,4 mit 12,10). Sollte darüber hinaus mit der Benutzung quellenhafter Überlieferungen (vgl. 12,12 mit 22,5; 12,16 mit 22,7) zu rechnen sein, wird eine abschließende Bewertung des Verhältnisses noch schwieriger. Zur Forschungsgeschichte vgl. LEVIN, Instandsetzung, 183–185. 138 DIETRICH, Josia, 206. 139 Vgl. a.a.O., 207f. (kritisch bereits SPIECKERMANN, Juda, 50f. Anm. 45).
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gischen Strukturbildung der Erzählung, in der der „Buchfund“ als kontingenter Überschuss der Szenerie besonders betont wird.140 Von daher wird auch der doppelte Redeeinsatz Schafans in V.9f. verständlich: V.9 berichtet von der Durchführung des königlichen Auftrags gemäß V.4–7. Daran schließt V.10a mit neuer Redeeinleitung die Mitteilung an, der Priester Hilkia habe Schafan ein Schriftstück übergeben, das dem König anschließend vorgelesen wird. Die erneute Redeeinleitung betont dabei nicht nur das Kontingenzmotiv des „Buchfundes“, sondern differenziert sprachlich zwischen dem Rapport des Schreibers (RBD kLMH-TA BVJW) und dem Bericht (DGJW) über das von Hilkia gefundene Schriftstück, das ein überschießendes Motiv darstellt, das keine Entsprechung im Auftrag des Königs besitzt und darum nicht durch einfache Kopula an V.9b angefügt werden kann.141 Mit der Erwähnung des Toradokumentes in V.8a „ist die entscheidende Triebfeder genannt, die alle folgenden Ereignisse in Gang setzen wird“.142 Mit ihm ist das eigentliche Thema der Erzählung erreicht. Zugleich ist mit der kurzen Rede Hilkias eine Vielzahl von Fragen verbunden, unter denen diejenige nach der Identität des Toraschriftstücks in der Forschung eine besondere Rolle gespielt hat. Dass der Erzähler an eine abgegrenzte, schriftlich niedergelegte Sammlung der ursprünglich mündlichen Toraerteilung gedacht hat, geht aus der Wendung HRWTH RPO eindeutig hervor.143 Weniger gesichert ist dagegen die Funktion des Artikels. Da der Ausdruck HRWTH RPO im vorangehenden Text von 2Kön 22,3–7 kein Bezugswort besitzt, scheidet der gängige anaphorische Gebrauch des Artikels an dieser Stelle aus. Meist wird stattdessen ein außertextlicher Bezug angenommen: „das, also nicht irgendein Buch, … wohl bereits z.Z. der Entstehung der Erzählung in irgendeiner Weise für bekannt gehalten.“ 144 Die Determination setze voraus, dass der Erzähler davon ausgeht, dass seine Leser (oder 140 Dies hat besonders HARDMEIER, König, 104, herausgestellt, der noch auf die besondere Funktion der direkten Rede hinweist, die „innerhalb von Erzähldarstellungen den höchsten Grad an Aufmerksamkeit auf sich (zieht)“ (a.a.O., 104 Anm. 44). Allerdings setzt sich die Erzählung in 22,3–10 nahezu ausschließlich aus den direkten Reden der Protagonisten zusammen (ohne dass diese in einen Dialog treten würden), denen gegenüber das narrative Gerüst des Textes in den Hintergrund tritt. 141 Dies ist gegen die literarkritischen Überlegungen bei DIETRICH, Josia, 207, festzuhalten. 142 SPIECKERMANN, Juda, 51. 143 Vgl. HOSSFELD / REUTER, RPO, 938. Keineswegs zwingend ist dagegen die Behauptung, bei der Entstehung dieser Vorstellung müsse „ein als kanonisch angesehener Text vorliegen“ (ebd.). Der Ausdruck HRWTH RPO bezeichnet vielmehr die schriftliche Niederlegung des Lehrvorgangs, der mit tôrāh ausgedrückt wird, und „das angesprochene Objekt bzw. nun eben Untersubjekt zum Handeln und Aktivwerden veranlaßt“. Ihre Autorität tut sich in der Art des Vermittlungsvorgangs kund (vgl. WILLI, Juda, 98). 144 SPIECKERMANN, Juda, 51 (vgl. HARDMEIER, König, 104).
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zumindest der implizite Leser) die Identität des Toraschriftstücks kennen und diesen Bezug selbständig herstellen können. Damit stellt sich sogleich die Frage, an welches Schriftstück hier konkret zu denken sei. Die Antwort auf diese Frage, die in der alttestamentlichen Forschung seit den Untersuchungen W. M. L. de Wettes meist gegeben wird, setzt den HRWTH RPO aus 2Kön 22,8 mit dem Deuteronomium bzw. einer älteren Vorstufe dieses Textes, dem sog. „Ur-Deuteronomium“, gleich.145 Das Hauptargument für diese Identifikation besteht nach de Wette in dem „Haupteindruck, den das gefundene Buch macht“ und der „auf den schauerlichen Inhalt des 5. B. (sc. Mose) und auf dessen ganze Tendenz und Anlage deutet“.146 Damit spielt de Wette auf das Motiv der Kultzentralisation an, dem sowohl im Deuteronomium (vgl. Dtn 12) als auch im Bericht über die Kultreformen Josias in 2Kön 23 eine wichtige Rolle zukommt. Darüber hinaus zeigen die Reaktion des Königs in 22,11.13 sowie der Inhalt des Huldaorakels (vgl. 22,16f.), dass „dieses Gesetzbuch Drohungen gegen die Uebertreter der Gesetze (enthielt) … Dies scheint besonders auf das 5. B. Mose hinzuweisen, das seiner ganzen Oekonomie nach eine Straf- und Warnungspredigt ist, und besonders in Kap. 27.28. Drohungen und Flüche enthält“.147 Diese Gleichsetzung des josianischen „Gesetzbuches“ mit dem Deuteronomium, die vereinzelt bereits in der Alten Kirche immer wieder erwogen worden war, ist im Anschluss an die Untersuchungen de Wettes weiter ausgebaut und von J. Wellhausen zum Eckpfeiler nicht nur der modernen Pentateuchkritik, sondern der Rekonstruktion der altisraelitischen Religionsgeschichte überhaupt erhoben worden.148 Unabhängig von der Frage nach den historischen Voraussetzungen der josianischen Reform hat C. Hardmeier die Identität des HRWTH RPO aus 2Kön 22,8 mit dem Deuteronomium auf der Ebene einer synchronen Lektüre des dtr Großgeschichtswerks herausgestellt. „Daß es ‚das‘ Buch, d.h. ein bekanntes Buch ist, von dem der Erzähler den Priester Hilkija auf Anhieb reden läßt, spielt auf das Leser- bzw. Hörer/innenwissen aus dem DtrG an. Es handelt sich um die HRWT, die Mose nach Dtn 31,9 im Anschluß an den Vortrag niedergeschrieben und nach 31,26 als HRWTH RPO neben der Lade verwahren ließ.“149 Dies verbindet Hardmeier mit dem Hinweis, dass von dem HRWTH RPO im Deuteronomistischen Geschichts145
Vgl. zusammenfassend PREUSS, Deuteronomium, 4–6. Beiträge, 176. 147 A.a.O., 175. Des Weiteren führt de Wette die Passabestimmungen (23,21) und die „Gesetze gegen Wahrsager, Zeichendeuter, Bilder und Götzen, K.23, 24“ an (ebd.), schränkt dies jedoch dahingehend ein, dass sich solche Bestimmungen auch anderwärts im Pentateuch finden ließen. 148 Vgl. SMEND, Arbeit, 32–36.46–49; LOERSCH, Deuteronomium, 18–20. 149 HARDMEIER, König, 104. 146
DE W ETTE,
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werk letztmalig in Jos 8,34 die Rede gewesen war, während es im Zuge der Überführung der Lade Jahwes in den Jerusalemer Tempel keine Erwähnung mehr findet (vgl. 1Kön 8,9). Daraus schließt er, dass nach der dtr Geschichtskonstruktion das „Tora-Buch“ im Rahmen des Tempelbaus unter Salomo verloren gegangen und erst zu Josias Zeiten wieder gefunden worden sei. Damit ist Josia „nach Mose in Moab und Josua bei der Landnahme überhaupt der erste und einzige im ganzen DtrG, der die dtr Tora von Dtn 1-30 vollumfänglich erfaßt, verstanden und als ganze konsequent in die Tat umgesetzt hat“. Zugleich erfülle Josia auf diese Weise die Forderung des dtr Königsgesetzes (Dtn 17,18–20), dem zufolge der König sich eine Abschrift dieser Tora anfertigen lassen und unablässig darin lesen soll (als Leitfaden seiner Herrschaftsausübung).150 Hardmeiers Textlektüre setzt den größeren narrativen Zusammenhang des Deuteronomistischen Geschichtswerks in einer späten (mindestens exilischen) Fassung voraus, ohne dies näher zu begründen. Dadurch wird seine Lektüre der Erzählung in 2Kön 22f. jedoch in eine bestimmte Richtung gelenkt, die sich bei einer unvoreingenommenen Betrachtung des Textes keineswegs von selbst versteht. Für sich genommen bezeichnet der Ausdruck HRWTH RPO zunächst lediglich die schriftlich niedergelegte Sammlung der Tora, d.h. im Zusammenhang der vorliegenden Erzählung der priesterlichen Toraerteilung des Jerusalemer Tempels, gewissermaßen ein Toraarchiv.151 Dabei ist für den Begriff HRWT der Aspekt der Mitteilung bzw. des Lehrvorgangs konstitutiv, der das Objekt (bzw. Untersubjekt) zum Handeln veranlasst (wie es der König Josia in Kap. 23 tut), nicht aber ein bestimmter Lehrinhalt oder gar eine „kanonische“ Textsammlung bzw. ein fest umrissener Rechtskodex (= Gesetzbuch).152 Eine Verbindung zur mosaischen Tora in Dtn 1–30 – der die gleiche Vorstellung einer verschrifteten Sammlung von Tora zugrunde liegt153 – schlägt erst 2Kön 23,25, wo davon die Rede ist, dass Josia „mit seinem ganzen Herzen und mit seiner ganzen næfæš und mit seiner ganzen Kraft gemäß der ganzen Tora des 150
Vgl. a.a.O., 91–94 (94); vgl. noch RÖMER, Transformations, 5–7. Dies ist jedoch nicht mit der „Vorstellung eines abgeschlossenen, niedergelegten JHWH-Willens“ zu verwechseln, wie es HOSSFELD / REUTER, RPO, 939, für die Wendung HRWTH RPO behaupten. 152 Vgl. zum (ursprünglich mündlichen) Charakter von HRWT die instruktiven Ausführungen bei WILLI, Juda, 91–101. 153 Die einschlägigen Stellen begegnen ausschließlich in den hinteren Rahmenkapiteln des Deuteronomium (vgl. Dtn 28,58.61; 29,19f.26; 30,10; 31,9.24.26), deren Zugehörigkeit zur ältesten Textstufe strittig ist. Die meisten der genannten Stellen gehen vermutlich auf eine späte dtr Redaktion zurück (vgl. PREUSS, Deuteronomium, 149–165). Für den dtn Grundbestand wäre demnach die Mündlichkeit des Toravorgangs (Moserede) konstitutiv geblieben. Zum (spät-)dtr Charakter von Dtn 17,18f. vgl. RÜTERSWÖRDEN, Gemeinschaft, 62–64. 151
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Mose (HVM TRWT)“ zu Jahwe umgekehrt sei. Dieser Sprachgebrauch unterscheidet sich jedoch erheblich von 2Kön 22,8 (und 11), wo sich gerade kein identifizierender Hinweis auf Mose als den Vermittler der Toraerteilung findet. Dies ist umso bemerkenswerter, als sich an den übrigen Stellen des Deuteronomistischen Geschichtswerks, an denen die Wendung RPO HRWTH begegnet, stets eine explizite Verbindung zu Mose feststellen lässt. Das gilt zunächst für die Belege im Deuteronomium selbst, für die jeweils durch ein hinzugesetztes Demonstrativpronomen der Bezug auf die Tora des Mose gesichert ist. In Dtn 28,61 heißt es in negativer Formulierung „jede Krankheit und jede Plage, die nicht geschrieben ist in dem Buch dieser Tora154, wird Jahwe über dich heraufkommen lassen“. Die Formulierung bezieht sich auf Vers 58 zurück, der das Verhältnis von Toravorgang und dessen Verschriftung genauer beschreibt: „alle Worte dieser Tora, die niedergeschrieben sind in diesem Buch“. Mit „diese Tora“ ist der Lehrvortrag des Mose gemeint, als dessen Rede Dtn 1–30 insgesamt stilisiert sind, ihre Einzelbestimmungen (mJRBD) sind in „diesem Buch“ niedergelegt, womit auf die Schriftform des Deuteronomium abgestellt wird. Beide Stellen greifen indes auf Dtn 31,9 voraus, da erst dort berichtet wird, dass Mose nach Beendigung seines Lehrvortrags „diese Tora“ aufgeschrieben (BTK) und den levitischen Priestern übergeben habe.155 Das gleiche gilt für Dtn 29,20 und 30,10. Dtn 29,20 bildet den Abschluss des kleinen Abschnitts 29,15–20, der Straffolgen für die Verehrung fremder Götter und ihrer Bilder ankündigt. Jeder aus den Stämmen Israels, der fremde Götter verehrt, wird von Jahwe bestraft „gemäß allen Flüchen des Bundes, der ge-
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Ein Teil der antiken Versionen liest hier, wie in Dtn 29,20; 30,10 und 31,26, RPOB HXH HRWTH („in diesem Tora-Buch“), vgl. zur Uneinheitlichkeit der Textbezeugung HOSSFELD / REUTER, RPO, 940. Wenn hier der hebräische Ausdruck mit „Tora-Buch“ wiedergegeben wird, so geschieht dies mit Rücksicht auf die literarische Stilisierung des Deuteronomium, wie sie sich in diesen relativ späten Texten wiederspiegelt. Allgemein bezeichnet RPO ein Schriftstück, „d.h. ein Stück Schreibmaterial …, auf welchem etwas geschrieben steht“, sei es ein Brief (vgl. 1Kön 21,8–12; 2Kön 10,1–7), ein Rechts- oder Verwaltungsdokument oder eine Schriftrolle (megillat sefær, vgl. Jer 36,1–32; Ez 2,8– 3,3), deren Inhalt häufig durch eine Constructusverbindung ausgedrückt wird, oder allgemein „Schrift“ (vgl. Dan 1,4.17), vgl. KÜHLEWEIN, RPO, 165. Die gängige Übersetzung von HRWTH RPO in 2Kön 22,8 mit „das Gesetzbuch“ wird hier jedoch aus einem doppelten Grund vermieden: zum einen erscheint der Begriff „Gesetz“ als Wiedergabe von HRWT nicht angemessen und zum anderen evoziert der Terminus „Buch“ leicht eine Assoziation zum Buch Deuteronomium, deren Gleichsetzung jedoch erst zu erweisen wäre. Daher soll hier vorerst allgemein von einem „Schriftstück“ gesprochen werden, wobei vermutlich an eine „Schriftrolle“ zu denken ist. 155 Es ist zu vermuten, dass in V.58–68 eine spätdtr Erweiterung der älteren Fluchreihe Dtn 28,15–45* vorliegt, die bereits die dtr Bearbeitung dieses Abschnitts voraussetzt (vgl. NIELSEN, 256).
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schrieben ist156 in diesem Torabuch“. Die „Flüche des Bundes“ können sich nur auf die Fluchreihen in Dtn (27) 28 beziehen (vgl. Dtn 28,69), wie nicht zuletzt aus der Selbstreferentialität des Demonstrativpronomens erhellt. Dtn 30,1–10 sprechen in prophetischer Färbung von der Wiederherstellung des verstoßenen Volkes nach dessen Umkehr, worin sich ihr spätexilischer oder nachexilischer Standort verrät.157 Jahwe wird das Volk wieder segnen, weil es auf seine Stimme hört und seine TWZM und TWQC hält, d.h. „das, was geschrieben ist in diesem Tora-Buch“. Die TWZM und TWQC repräsentieren die Gesamtheit der Einzelbestimmungen der Tora des Mose, wie sie im Deuteronomium aufgezeichnet sind. Die letzte Stelle, an der im Deuteronomium von HRWTH RPO die Rede ist, findet sich in Dtn 31,26. Der Abschnitt 31,24–29 nimmt die Notiz über die Niederschrift der Tora aus 31,9–13 auf und unterbricht den ursprünglichen Zusammenhang zwischen dem Mose-Lied (Dtn 32) und dessen Einleitung in 31,16–22, wobei er das Motiv der Zeugenschaft aus 31,19.21 auf die Toraschrift überträgt.158 „Nehmt diese Toraschrift und legt sie neben die Lade des Bundes Jahwes, eures Gottes, damit sie dort sei als ein Zeuge gegen dich / bei dir“ (31,26). Der Rückbezug auf Dtn 31,9 in V.24 macht die Identität „dieser Toraschrift“ mit der Tora des Mose unzweifelhaft klar. Wo immer im Deuteronomium von der Tora159 oder dem HRWTH RPO die Rede ist, wird diese eindeutig mit dem mosaischen Lehrvortrag gleichgesetzt. Dies bestätigt sich auch bei den weiteren Belegen der Wendung im Deuteronomistischen Geschichtswerk. Die Konstruktion HRWTH RPO + Demonstrativpronomen kehrt nur noch in Jos 1,8 wieder: „diese Toraschrift soll nicht von deinem Mund weichen“. Der Rückbezug auf die Tora des Mose ist durch den unmittelbar voraufgehenden V.7 gesichert, der die Imperative aus 1,6 (zMAW, QXC) im Sinne der Toraobservanz deutet („zu handeln gemäß der ganzen Tora, die mein Knecht Mose dir befohlen hat“). Beide Verse sind von R. Smend als spätdtr Nachträge zu 1,6 erwiesen worden.160 Schließlich ist noch auf Jos 8,34 hinzuweisen. Dort begegnet der Ausdruck HRWTH RPOB wie in 2Kön 22,8.11 ohne nähere Bestimmung. Der Zusammenhang von 8,30–35 macht jedoch deutlich, dass sich der Artikel in V.34 anaphorisch auf „das Buch der Tora des Mose“ in V.31 zurück bezieht 156 HBWTKH bezieht sich auf TJRBH und ist nicht zu ändern ( pace DRIVER, 326), vgl. die Bundesvorstellung in Dtn 28,69. 157 Vgl. NIELSEN, 270. 158 Das Stück erweist sich aufgrund seiner Stellung und Funktion in der Gesamtkomposition als später Nachtrag, der bereits die Einfügung des Moseliedes (Dtn 32) voraussetzt (vgl. NIELSEN, 276f., und die Diskussion bei PREUSS, Deuteronomium, 163f.). 159 Vgl. PERLITT, 20–24 (zu Dtn 1,5); RÜTERSWÖRDEN, Gemeinschaft, 47 (zu Dtn 17, 11); BEYERLE, Mosesegen, 113–136 (zu Dtn 33,8–11). 160 Vgl. SMEND, Gesetz, 494–497. In den gleichen redaktionsgeschichtlichen Zusammenhang gehört wohl die Wendung HVM TRWT RPO in Jos 23,5 (vgl. a.a.O., 501–504).
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(vgl. noch V.32.35), die Identität der Toraschrift mit der Tora des Mose also gesichert ist. Der ganze Abschnitt Jos 8,30–35 unterbricht die Eroberungserzählung und stellt vermutlich einen späten Nachtrag dar, der Josua in allem als den pflichtgemäßen Erfüller der mosaischen Tora porträtiert (vgl. Jos 11,15).161 In den übrigen Texten des Deuteronomistischen Geschichtswerks wird von „der Toraschrift (des Mose)“ nur noch in dem sekundären Zusatz 2Kön 14,6 gesprochen.162 Dort wird die Einschränkung der Blutrache, die der judäische König Amazja an den Mördern seines Vaters Joasch übt, durch einen Rückgriff auf eine Bestimmung aus Dtn 24,16 begrenzt („wie geschrieben ist im Buch der Tora des Mose, die Jahwe befohlen hat“). Die Erweiterung „die Jahwe befohlen hat“ (vgl. Jos 14,2; 22,2.8; Jdc 3,4; 2Kön 18,6) leitet bereits über zur Torakonzeption der Chronik und des Esra-Nehemia Buches. Signifikant für das Toraverständnis der Chronik ist 2Chr 34,14, in dem sich die chronistische Interpretation des Fundberichts aus 2Kön 22,8 widerspiegelt. „Und als sie das Silber ausschütteten, das in den Tempel Jahwes gebracht worden war, fand / entdeckte Hilkia, der Priester, das Buch der Tora Jahwes, die durch Mose vermittelt worden war.“ Subjekt der Tora ist Jahwe, der seine Weisungen durch Mose an das Volk weitergibt. 163 Gleichzeitig stellt der Chronist die Identität des gefundenen Schriftstücks mit der Tora des Mose ausdrücklich fest. Er vereindeutigt damit den Sprachgebrauch seiner Vorlage, die er anschließend wörtlich zitiert (V.15, vgl. 2Kön 22,8). Der HRWTH RPO, den Hilkia gefunden und an Schafan übergeben hat, ist der HVM DJB HWHJ TRWT RPO.
Damit bestätigt die chronistische relecture des Fundberichts von anderer Warte den Textbefund in den Büchern Dtn bis 2Kön: Wenn in diesen Büchern von der Tora bzw. der Toraschrift des Mose die Rede ist, wird dies stets explizit zum Ausdruck gebracht, wo dieser Bezug fehlt, sollte er aber nicht stillschweigend ergänzt werden. Für 2Kön 22,8 (und 11) legt sich daher eine „synchrone“ Lesart, die den Ausdruck HRWTH RPO von jenen Belegen her als Rückverweis auf die dtr Tora des Mose versteht, bei genauerer Beachtung des Sprachgebrauchs im Deuteronomium und den Vorderen Propheten gerade nicht nahe. Hinzu kommt, dass sämtliche Belege für HRWTH RPO (bzw. HVM TRWT) im Dtn und in Jos bis 2Kön vermutlich auf spätdtr Erweiterungen des Grundtextes zurückgehen – eine Beobachtung, 161
Vgl. FRITZ, 95–97.220 (zu Jos 22,5). Vgl. WÜRTHWEIN, 371 (DtrN). Ebenfalls spätdtr Bearbeitung entstammt der Verweis auf die HVM TRWT in 1Kön 2,3 (vgl. VEIJOLA, Dynastie, 22). Zum spätdtr Charakter von 2Kön 21,8f. vgl. SPIECKERMANN, Juda, 167f. Anm. 19 (s. unten, S. 303 Anm. 398). Die spätdtr Herkunft der Mosetypologie im Deuteronomistischen Geschichtswerk betont mit Recht AURELIUS, Zukunft, 6–10. 163 Vgl. Neh 8,14. Dass die beiden Wendungen HWHJ TRWT RPO (vgl. 2Chr 17,9; 34,14; Neh 9,13) und HVM (TRWT) RPO (vgl. 2Chr 25,4; Neh 8,1; 13,1) in der Chronik und in EsrNeh unterschiedliche Bezugsgrößen hätten (Pentateuch bzw. Deuteronomium), lässt sich nicht wahrscheinlich machen ( pace HOSSFELD / REUTER, RPO, 941f.). 162
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die auch für 2Kön 23,25 gelten dürfte.164 Daraus ergibt sich die Folgerung, dass der Textbefund in 2Kön 22,8 (und 11) zunächst unabhängig von diesem (spätdtr) Referenzsystem interpretiert werden sollte. Damit ist noch keine Entscheidung darüber gefallen, ob das Toradokument, das Hilkia im Tempel Jahwes gefunden hat, mit einer Vorstufe des Deuteronomium in Verbindung gebracht werden kann (vielleicht noch ohne dessen Einkleidung als Moserede?). Dies wird nicht zuletzt bei der traditionsgeschichtlichen Analyse des Reformberichts zu prüfen sein. Nur sollte die Interpretation nicht a priori von einer Identität des gefundenen Schriftstücks mit dem (Ur-)Deuteronomium ausgehen – weder mit Blick auf die historischen Voraussetzungen der josianischen Reformen noch hinsichtlich der literarischen Komposition in 2Kön 22–23*. Auslöser der nachfolgenden Ereignisse ist die Entdeckung der schriftlichen Sammlung der priesterlichen Toraerteilung des Jerusalemer Tempels, die via Schafan, den königlichen Schreiber, dem König als dem Patron des Heiligtums in der königlichen Residenzstadt vorgelegt wird. Das Schriftdokument wird demnach in erster Linie als Tora klassifiziert, d.h. durch einen Formalbegriff165, deren Autorität in ihrem Urheber begründet ist und die ihr Objekt (hier: den König) zum Handeln veranlasst. Der Gebrauch des Artikels, von dem die vorstehenden Überlegungen ihren Ausgang genommen haben, hat an dieser Stelle vermutlich kataphorische, Aufmerksamkeit weckende Funktion, d.h., er führt einen Gegenstand ein, in diesem Fall das Schriftstück, das Hilkia im Tempel gefunden hat, der im weiteren Erzählverlauf wieder aufgegriffen und eine zentrale Rolle spielen wird. 166 Damit ist nicht ausgeschlossen, dass der Erzähler ein außertextliches Wissen um dieses Schriftstück bei seinen Adressaten voraussetzen kann, der Text ist aber auch ohne ein solches Vorwissen aus sich heraus verständlich. Das zweite Problem, das im Zusammenhang mit der Fundnotiz häufig diskutiert worden ist, betrifft die näheren Umstände der Entdeckung des Toraschriftstücks. Der Erzähler selbst gibt dazu kaum konkrete Hinweise. Hilkia berichtet lediglich, dass er das Schriftstück im HWHJ TJB, d.h. im Tempelbezirk, gefunden hat. In der Forschung sind diese dürren Angaben meist vom Kontext her und im Rückgriff auf außerbiblische Parallelen dahin ergänzt worden, dass die Torarolle bei Bauarbeiten am Jerusalemer 164
Vgl. dazu SPIECKERMANN, Juda, 43–46, und s. unten, S. 456f. „HRWT ist ein Formal-, kein Materialbegriff; er meint primär einen Vorgang, nicht das Produkt“ (WILLI, Juda, 99). 166 Vgl. dazu mit weiteren Beispielen BLUM, Vätergeschichte, 13 mit Anm. 17. Alternativ könnte erwogen werden, ob der Artikel hier keine determinierende Funktion besitzt, sondern analog dem Gebrauch des Artikels vor Abstrakt- bzw. Formalbegriffen verwendet wird (vgl. Ges.-K. § 126n). 165
4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
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Tempel aufgefunden worden sei.167 Dafür könnte sprechen, dass der König seinen Schreiber Schafan nach 2Kön 22,3–7 mit dem Auftrag zum Großpriester Hilkia schickt, gemeinsam mit diesem die Auszahlung des am Tempel gesammelten Silbers an die mit der Aufsicht über die „Bautruppe“ des Tempels betrauten Personen zu überwachen, damit die notwendigen Materialien zur Ausbesserung für aufgetretene Bauschäden beschafft werden können. Dies könnte darauf schließen lassen, dass Josia entsprechende Instandsetzungsarbeiten am baufällig gewordenen Heiligtum angeordnet hätte, bei denen das besagte Dokument entdeckt worden wäre. Unterstützt wird diese Rekonstruktion der Ereignisse durch ägyptische und mesopotamische Überlieferungen, die in ähnlicher Weise davon berichten, dass im Zusammenhang mit Renovierungsarbeiten an einem Heiligtum alte Schriften gefunden wurden. Ein prominentes Beispiel dafür bieten die Bauinschriften des letzten neubabylonischen Königs Nabonid (556–539 v. Chr.), die wiederholt von Bemühungen des Königs berichten, die Gründungsurkunden der früheren Bauherren der Tempel aufzufinden, um das jeweilige Heiligtum an dem Ort und in der Art und Weise wieder zu errichten, die ihm von der Gottheit ursprünglich bestimmt waren. Besonders aufschlussreich ist die große Zylinderinschrift Nabonids aus Sippar, in der er nach einem ausführlichen Bericht über den Wiederaufbau des Echulchul, des großen Sîn-Tempels in Haran (vgl. Kol I,1–II,46), die Erneuerung des Ebarra, des Šamaš-Tempels in Sippar, und des Heiligtums der Anunitum in Sippar-Anunitum (einem Stadtteil von Sippar), schildert: „Dem Schamasch, dem Richter von Himmel und Erde, hatte Nebukadnezar, ein früherer König, seinen Tempel Ebarra in Sippar gebaut. Den alten Grundstein hatte er gesucht, aber nicht gefunden, (und dann) diesen Tempel gebaut. Nach (inzwischen) 45 Jahren waren die Mauern dieses Tempels eingefallen. (Daher) bekam ich Herzklopfen und Furcht, geriet in Nöte und verstört war mein Antlitz. Als ich den Schamasch aus ihm herausgeführt und in einem anderen Tempel hatte Platz nehmen lassen, riss ich diesen Tempel ab, suchte seinen alten Grundstein und ging 18 Ellen Erdreichs in die Tiefe. Den Grundstein des Naram-Sin, des Sohns des Scharrum-Kin, den 3200 Jahre lang keiner meiner königlichen Vorgänger gesehen hatte, (den) zeigte mir Schamasch, der große Herr (vom) Tempel Ebarra, dem Wohnsitz, der sein Herz erfreut. Im Taschrit, einem günstigen Monat, an einem geeigneten Tag, den Schamasch und Adad durch Opferschau bestimmt hatten, machte ich mit Silber, Gold, kostbaren Edelsteinen, harzigem Holz des Waldes (und) Zedernholzparfüm in Freude und unter Jubel auf dem Grundstein des Naram-Sin, des Sohnes des Scharrum-Kin, keinen Zoll vor- und keinen Zoll zurückstehend, sein Ziegelwerk dauerhaft …. Die Namensschrift des Naram-Sin, des Sohnes des Scharrum-Kin, sah ich und beseitigte sie nicht, sondern salbte sie mit Öl (und) opferte Lämmer. Dann deponierte ich sie zusammen mit meiner Inschrift wieder an ihrer (alten) Stelle …168 167
Diese Folgerung ist bereits bei einigen Kirchenvätern und jüdischen Exegeten des Mittelalters (Raschi, Radaq) belegt (vgl. EURINGER, Analogien [1912], 230–232). 168 In einem Parallelbericht über die Wiederherstellung des Ebarra in Sippar wird die Suche nach dem Grundstein etwas ausführlicher geschildert: „Rechts und links, vorn und
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Für Anunitum, die Herrin der Schlacht, die Bogen und Köcher trägt, die den Befehl ihres Vaters Enlil ausführt, die den Feind niederwirft (und) den Bösewicht vernichtet, die den Göttern vorangeht, die bei Sonnenauf- und -untergang meine Vorzeichen gut gestalten, grub ich den alten Grundstein von Eulmasch, ihrem Tempel in Sippar-Anunitum, an dem 800 Jahre lang seit der Zeit von Schagarakti-Schuriasch, König von Babylon, Sohn von Kudur-Enlil, kein König gebaut hatte, aus, prüfte und las ihn. Dann legte ich über den Grundstein des Schagarakti-Schuriasch, des Sohnes des Kudur-Enlil, sein Fundament und machte sein Ziegelwerk dauerhaft. Diesen Tempel baute ich und vollendete sein Werk …“ (Eḫulḫul-Zylinder II,46–III,35).169
Aus der Darstellung geht unzweifelhaft hervor, dass in Mesopotamien seit frühester Zeit Gründungsurkunden (gemeinsam mit weiteren Weihegaben) in die Tempelfundamente (bzw. das Mauerwerk) eingelassen worden sind, wie sie auch bei archäologischen Grabungen im Zweistromland mehrfach nachgewiesen werden konnten. Der Bericht des Nabonid macht des Weiteren klar, dass „ein Tempel erst dann rite wieder aufgebaut werden konnte, wenn die Urkunden der früheren Bauherren entdeckt waren“. 170 Wie das Beispiel der Wiederherstellung des Ebarra in Sippar durch Nebukadnezar II. zeigt, war einem Bauvorhaben, das nicht auf die früheren Gründungsurkunden zurückgreifen konnte, kein dauerhafter Bestand beschieden. Die Suche nach den Gründungsurkunden eines Heiligtums war also einerseits notwendig, um den Wohnsitz der Gottheit genau lokalisieren zu können, andererseits galt ihr Auffinden als besonderer Gunsterweis der Götter und als Zeichen ihrer Legitimation der königlichen Herrschaft des Bauherren, in diesem Fall Nabonids. Es fallen jedoch mehrere Unterschiede zwischen den mesopotamischen Bauinschriften und der Darstellung in 2Kön 22f. ins Auge: Hier ist zunächst das Motiv der (königlichen) Suche zu nennen. Die mesopotamischen Könige lassen nichts unversucht, um die alten Gründungsurkunden zu finden, während im biblischen Text nirgends davon die Rede ist, dass hinten von dem Heiligtum und in den Kammern stellte ich Nachforschungen an und versammelte die Alten der Stadt, die Babylonier, die Architekten (?), die Weisen, die im bîtmummu wohnen (und) bewahren die Entscheidung der großen Götter (und) bestimmen das Antlitz des Königtums; zur Beratung entbot ich sie und sprach zu ihnen also: Den alten Grundstein suchet und schauet nach dem Heiligtum des Richters Šamaš, auf dass ich einen ewigen Tempel für Šamaš und Malkatu, meine Herren, errichte. Unter Flehen zu Šamaš, meinem Herrn, mit ihren Gebeten zu den großen Göttern schaute die Masse der Gelehrten nach dem alten Grundstein und durchforschte das Gemach und die Kammern: und er ward erblickt. Sie kamen und sagten mir: Ich habe geschaut den alten Grundstein des Narâm-Sîn, des fernen Königs, das richtige Heiligtum des Šamaš, den Wohnsitz seiner Gottheit. Mein Herz freute sich und mein Antlitz glänzte. Das Heiligtum seiner Herrschaft und die Kammern erblickte ich und unter Jubel und Freude legte ich auf dem alten Grundstein sein Fundament.“ (Übersetzung nach EURINGER, Analogien, 18f.). 169 Übersetzung nach TUAT, Ergänzungslieferung, 16f. (vgl. Schaudig, Inschriften, 438f.) 170 EURINGER, Analogien, 19.
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der König (oder der Priester Hilkia) nach dem RPO gesucht171, geschweige denn Jahwe in dieser Angelegenheit befragt hätte.172 Zum anderen handelt es sich bei den Gründungsurkunden mesopotamischer Tempel der Form und des Inhalts nach um eine ganz andere Textgattung als bei dem Toradokument von 2Kön 22,8.173 Die Folge des „Buchfundes“ ist dem entsprechend kein Tempelneubau, wie in den genannten Bauinschriften aus dem Zweistromland, sondern eine Kultreform, d.h., nicht das Tempelgebäude wird aufgrund des Schriftstücks wiederhergestellt, sondern der dort praktizierte Kultvollzug wird neu geordnet. Die mesopotamischen Parallelen eignen sich daher kaum als Analogie zum biblischen Bericht in 2Kön 22f., um daraus auf die näheren Fundumstände des Toradokumentes zu schließen. 174 171
Das Verb AZM meint in 2Kön 22,8 wie an zahlreichen weiteren Stelle im Alten Testament ein „zufälliges Finden ohne vorhergehendes Suchen“, vgl. G ERLEMAN, AZM, 923. In den Fällen, in denen dem Finden ein Suchen oder Nachforschen vorausgeht, wird dies entweder explizit gesagt (häufig mit der Wurzel VQB) oder ist aus dem Zusammenhang erschließbar. Dass bei AZM stets das ursprüngliche Moment einer Bewegung mitschwingt, bleibt davon unberührt – entscheidend ist die Frage nach ihrer Zielgerichtetheit. 172 Das Huldaorakel hat eine deutlich andere Stoßrichtung (s. unten, S. 119–125). 173 Dies mag die Bauinschrift des Waradsîn von Larsa (ca. 1834–1823 v. Chr.) veranschaulichen, die von der Renovierung des Heiligtums E’unamtila der Göttin Nininsina, der Stadtgöttin von Isin, berichtet und im Fundament des wiedererrichteten Tempels deponiert war: „Für Nininsina, die große Herrin, die Mutter des Landes Sumer, welche die Lebewesen des Landes Sumer formt, die erstgeborene Tochter des reinen An, seine Herrin, habe ich Waradsîn, der starke Mann, der Versorger von Ur, der König von Larsam, der König von Sumer (und) Akkad, der Hirte der Gerechtigkeit, der die Regeln vollendet, das E’unamtila, den reinen Götterwohnsitz, ihren Ort der Ruhe, ihr Haus, das seit fernen Tagen, nachdem es erbaut worden war, in Altersverfall geraten war, für mein Leben und für das Leben Kudurmabuks, meines leiblichen Vaters, fürwahr gebaut, (es) fürwahr an seinen Ort zurückgebracht, (sie) an ihrem ‚Orte Herzensfreude‘ fürwahr großartig wohnen lassen, den Namen meiner Königswürde dort fürwahr auf immer vorhanden sein lassen, die Gründungsurkunde meines Lobpreises der Fürstenwürde, um bis ans Ende der Tage meinen Lobpreis zu bewirken, in dessen Gründungsplatte fürwahr begraben, seine lautere Mauer dort fürwahr eingetieft. Über meine Tat mögest du, Nininsina, meine Herrin, dich freuen! Eine Schicksalsentscheidung des Lebens, eine lange Regierungszeit, Jahre des Überflusses (und) einen Thron gefestigten Fundamentes möge sie mir zum Geschenk machen! Im Heiligtum von Larsam, meiner Stadt, in der ich geschaffen wurde, mögen meine Tage lange währen!“ (Übersetzung nach TUAT II, 475f.). Der König gibt hier als Zweck seiner Inschrift an, dass sie den Lobpreis seiner Königswürde bis an das Ende der Tage bewirken möge, d.h. sein ehrenhaftes Gedächtnis, das bei jeder Renovierung des Heiligtums durch die nachfolgenden Generationen erneuert werden soll, wie es Nabonid mit der Gründungsurkunde des Narâm-Sin, des Erbauers von Ebarra, getan hat. 174 Die Auskunft, der Unterschied „is easily explained by the dtr. intention to substitute the book to the temple“ (RÖMER, Transformations, 9 Anm. 40), ist weder angesichts des Reformprogramms in 2Kön 23, das von einer Ersetzung des Tempelkultes durch die
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Größeres Gewicht bei der Suche nach außerbiblischen Parallelen zum „Buchfund“ unter Josia kam in der religionsgeschichtlichen Forschung Bauinschriften zu, die in der neunten Krypta des Hathor-Tempels im ägyptischen Dendera gefunden wurden.175 Die Wandinschriften der Krypta, die listenartig die Götter von Dendera, die Lage ihrer Kulträume, ihre Feste sowie die Namen verschiedener Gruppen des Kultpersonals und diverser Kulteinrichtungen aufzählen, bieten an zwei Stellen einen Bericht über den Fund einer alten Urkunde, die Thutmosis III. (18. Dynastie) als Vorbild für seine Wiederherstellung der Tempelanlage von Dendera gedient haben soll. Die ausführlichere der beiden Versionen (A), die eine nähere Erläuterung der Fundumstände gibt, die hier besonders interessieren, befindet sich auf der Südwand der Krypta. „Der König von Ober- und Unterägypten, der Herr der beiden Länder Mn `prw R‘, der Sohn des R‘, der Herr der Diademe, Thutmosis machte seine Denkmäler (zu Ehren) seiner Mutter Hathor, der Herrin von Dendera, der Gezeugten von R‘, der Herrin des Himmels, der Gebieterin aller Götter, nachdem er gefunden hatte śnṯj wr von Dendera in alten Schriften, geschrieben auf ein Ziegenfell aus der Zeit der Horusdiener. Gefunden wurde (er) im Inneren einer Ziegelmauer des Königshauses (oder: des südlichen Hauses) 176 aus der Zeit des Königs von Ober- und Unterägypten, des Herrn der beiden Länder Mrj R‘, des Sohnes des R‘, des Herrn der Diademe, Ppj, der beschenkt ist mit Leben, Dauer. Genuss (?) jeglicher Art wie R‘ immerdar.“177
Tora nicht das Geringste erkennen lässt, noch vor dem Hintergrund der literarischen Konvention der mesopotamischen Texte überzeugend. 175 Vgl. zur Diskussion NAVILLE, Writings; HERRMANN, Analogien; EURINGER, Analogien. 176 Die Lesung der Hieroglyphe ist an dieser Stelle mehrdeutig: die gewöhnliche Lesung lautet pr śtn „Haus des Königs, Palast“. Es ist aber auch möglich, pr rśj „Haus des Südens“ zu lesen. „Im letzteren Falle wäre der Abbruch der Mauer zum Zwecke des Tempelbaues erfolgt, also das Dokument in einer Mauer des Hathortempels eingemauert gefunden worden. Das würde zum Inhalt der Inschriften und des Dokumentes besser passen und eine vorzüglichere Parallele zum Fund des Codex Helciae bilden, als wenn die Mauer dem Palaste angehört hätte, in dem man Tempelurkunden weniger erwartet.“ (EURINGER, Analogien, 242). 177 Text und Übersetzung nach EURINGER, Analogien, 238f. Der Wortlaut der zweiten, kürzeren Erwähnung der Fundtradition findet sich auf der Ostwand der Krypta (B): „Dies ist śnṯj wr von Dendera. Die Restauration der Denkmäler (wurde) gemacht vom König von Ober- und Unterägypten, dem Herrn der beiden Länder, Mn ḫprw R‘, dem Sohn des R‘, dem Herrn der Diademe, Thutmosis, nachdem er (es) gefunden hatte in alten Schriften aus der Zeit des Königs Chufu.“ (Text und Übersetzung nach EURINGER, Analogien, 239f.). Während die Version A das Alter des gefundenen Schriftstücks bis auf die vordynastische Zeit, die Zeit der mythologischen Horusdiener, die den Gott Horus begleiteten, als er aus Äthiopien auszog und Ägypten eroberte, zurückführt, gehört es nach der kürzeren Inschrift B in die Zeit des Pyramidenerbauers Cheops (4. Dynastie), also in eine sehr viel jüngere Zeit. Zu verschiedenen Ausgleichsversuchen zwischen beiden Überlieferungsvarianten vgl. HERRMANN, Analogien, 295f.; EURINGER, Analogien, 241f.
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Die Inschrift erzählt, dass Thutmosis III. bei Bauarbeiten am Tempel (?) auf ein uraltes Dokument stieß, das in einer Mauer aus Lehmziegeln, die unter Ppj I. (6. Dynastie) errichtet worden war, vermauert war. Dieses Dokument enthielt einen „Grundriss“ oder eine „Ordnung“, nach der Thutmosis III. das Heiligtum in Dendera wiederaufgebaut hatte, das seinerseits das genaue Gegenstück zu der zeitgenössischen Tempelanlage der Ptolemäer darstellt, die demnach auf einer uralten Tradition beruht. Eine Schwierigkeit bei der Interpretation der Inschrift besteht in der Deutung des Ausdrucks śnṯj wr, der entweder mit „der große Plan“178 oder „die große Regel“179 wiedergegeben wird. Das Wort śnṯ bedeutet ursprünglich „Grundriss, (Bau-)Plan“, was nicht nur zu der Erwähnung der „Baudenkmäler“, d.h. der Tempelanlage, die Thutmosis III. erneuert hat, in den beiden Inschriften A und B gut passt, sondern sich auch vor dem Hintergrund der vergleichbaren mesopotamischen Bauinschriften nahe legt, wobei unklar ist, ob die Dendera-Inschrift von diesen Vorbildern beeinflusst ist.180 Vor allem aufgrund des Anfangs der Inschrift B „dies ist śnṯj wr von Dendera“ und mit Blick auf die listenförmigen Aufzählungen der Götter, Riten und des Kultpersonals, die sich auf den Wandinschriften der Krypta befinden, hat man den Ausdruck im Sinne von „die große Kultordnung von Dendera“ verstanden, die nicht nur Informationen zum Tempelgebäude enthält, sondern den gesamten Kultbetrieb umfasst und damit in eine größere Nähe zu den in 2Kön 23 geschilderten kultpolitischen Maßnahmen Josias rückt.181 Dann aber ist es nur noch ein kleiner Schritt, die empfundene erzählerische 178
Vgl. HERRMANN, Analogien, 293. Vgl. EURINGER, Analogien, 239. 180 Nachrichten von uralten heiligen Texten, die in Gräbern oder Tempelanlagen gefunden wurden, sind in Ägypten weit verbreitet (vgl. SPEYER, Bücherfunde, 112f.). Dabei handelt es sich jedoch zumeist um religiöse oder magische Texte. Ein prominentes Beispiel ist das 64. Kapitel des ägyptischen Totenbuchs, in dessen kürzerer Rezension sich die folgende Rubrik findet: „Dieses Kapitel wurde gefunden in der Grundmauer von Ami Hunnu durch den Aufseher der Erbauer einer Mauer, in der Zeit (oder: aus der Zeit) der Majestät des Königs von Ober- und Unterägypten Usaphaïs (1. Dynastie) des Wahrhaftigen. Es waren geheimnisvolle Zeichen, die noch niemand gesehen oder geschaut hatte.“ (vgl. EURINGER, Analogien [1911], 235f.). Nach einer anderen Rezension wurde der Text bei einer Inspektionsreise des Prinzen Hordudef auf einer (Alabaster-)Platte unter den Füßen einer Statue des Thot, des Gottes der Wissenschaft und Lehrers der Menschen, in dessen Tempel in Hermopolis gefunden. – Aus neuerer Zeit wäre noch auf die historische Einleitung zum sog. „Buch vom Tempel“ hinzuweisen, die den zeitgenössischen, programmatischen Text als Dokument der Frühzeit ausgibt und ihm auf diese Weise eine höhere Autorität zuschreibt. Die Parallele ist insofern von besonderem Interesse, als das „Buch vom Tempel“ u.a. eine Neuregelung des Kultbetriebs vorsieht (vgl. SCHIPPER, Erkenntnisse, 1163f.) 181 Vgl. NAVILLE, Writings, 239, der noch auf die ebenfalls ptolemäerzeitliche Bilingue von Kanopus hinweist, in der śnṯ auf griechischer Seite durch ei>cisme/non „Gewohntes, Gewohnheit“ wiedergegeben wird. 179
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Lücke in 2Kön 22f. per Analogieschluss aus den Bauinschriften von Dendera zu ergänzen und dort ein vergleichbares Szenario zu rekonstruieren, wonach das Toradokument bei Renovierungs- oder Umbauarbeiten am Jerusalemer Tempel im Mauerwerk entdeckt und dem Großpriester Hilkia übergeben worden sei.182 Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein solcher Analogieschluss berechtigt ist. Zwar geht dem „Buchfund“ in den Inschriften von Dendera wie im biblischen Bericht kein gezieltes Suchen des Königs voraus – beide Dokumente werden zufällig entdeckt –, ihr literarischer Charakter ist jedoch grundverschieden, worauf J. Herrmann zu Recht hingewiesen hat. 183 Es kommt hinzu, dass das Toraschriftstück nach 2Kön 22 nicht bei Instandsetzungsarbeiten am Tempelgebäude gefunden wurde und dass es methodisch problematisch ist, dieses für den inschriftlichen Bericht konstitutive Motiv in den alttestamentlichen Text einzutragen. Dies gilt umso mehr, wenn die Erzählung in 2Kön 22,3–7 bewusst auf die Einrichtung aus 2Kön 12,5–17 anspielt, wie oben dargelegt worden ist. Denn in diesem Fall stünde hinter der Beauftragung Schafans ein regelmäßig wiederkehrender Verwaltungsakt, der nicht erst dann durchzuführen war, wenn entsprechende Bauschäden aufgetreten sind, sondern sobald der „Kasten“, in den die Weihgaben gelegt wurden, voll war (vgl. 2Kön 12,11). Von diesen Voraussetzungen her würde sich auch erklären, warum von allfälligen Instandsetzungsarbeiten am Tempel weder vorher noch später etwas berichtet wird. Die Angabe des Verwendungszwecks des Silbers in V.5b–6 bezeichnet seine grundsätzliche Bestimmung, wie bei einer zweckgebundenen Spende, impliziert jedoch nicht notwendig die aktuelle Durchführung von Baumaßnahmen.184 Entsprechend allgemein sind die Angaben gehalten. Schließlich sei wenigstens darauf hingewiesen, dass die ptolemäerzeitlichen Wandinschriften aus Dendera deutlich jünger sind als der biblische Bericht. 182 Vgl. NAVILLE, Writings, 240, der weiter schlussfolgert, dass das Toraschriftstück, das Hilkia im Mauerwerk gefunden hat, bei der Grundsteinlegung des Tempels unter Salomo dort deponiert worden sei, es mithin in die frühe Königszeit datiere, was bei dessen Gleichsetzung mit dem Deuteronomium zu einer massiven Infragestellung der neueren Urkundenhypothese führen würde. Navilles These beruht jedoch auf der problematischen Voraussetzung, dass es sich bei der in den Dendera-Inschriften erwähnten Mauer um eine Grundmauer gehandelt haben müsse und dass derartige Gründungsurkunden ausschließlich in den Fundamentmauern verborgen worden seien, wofür sich mindestens aus Mesopotamien genügend Gegenbeispiele anführen ließen. 183 Vgl. HERRMANN, Analogien, 298. Diese Feststellung gilt unabhängig davon, wie das semantische Feld von śnṯ im Ägyptischen genauer zu bestimmen ist. 184 Anders verhält es sich im parallelen Bericht der Chronikbücher, der den Auftrag an Schafan und seine Begleiter in 2Chr 34,8 dahin präzisiert, dass sie den Tempel Jahwes ausbessern sollen, den die früheren Könige von Juda hatten verfallen lassen (vgl. 34,11). Damit stimmt überein, dass die Chronik den Auftrag aus 2Kön 22,3–7 in einen narrativen Bericht über die Durchführung der Baumaßnahmen umgestaltet hat.
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Eine babylonische Steintafelinschrift des Königs Nabû-apla-iddina (887–855 v. Chr.), auf deren Vorderseite im oberen Teil eine „Einführungsszene“ vor dem Sonnengott Šamaš abgebildet ist, berichtet von der Herstellung eines anthropomorphen Kultbildes für den Sonnengott in seinem Tempel Ebabbar in Sippar und der Neuordnung seines Kultes durch den König.185 Nachdem das Bildnis der Gottheit bei kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Sutäern zerstört worden und der Versuch seiner Restauration unter Simbar-Šipak im 11. Jahrhundert v. Chr. gescheitert war, der anstelle einer anthropomorphen Götterstatue eine Sonnenscheibe, das Kultemblem des Šamaš, anfertigen und im Heiligtum aufhängen ließ, wandte die Gottheit sich dem Land unter der Herrschaft Nabû-aplaiddinas im 9. Jh. v. Chr. wieder gnädig zu und ließ den Priester Nabû-nadin-šumi ein Terrakottarelief mit einer bildlichen Darstellung des Gottes und seiner Insignien finden, nach dessen Vorbild eine neue Götterstatue angefertigt werden konnte: „Šamaš, der große Herr, der seit langer Zeit mit Akkad zürnte und seinen Nacken abgewandt hatte, unter der Regierung des Nabû-apla-iddina, des Königs von Babylon, erwies er Gnade und wandte sein Angesicht wieder zu. Ein Relief seiner Statue in gebranntem Ton mit seinem Aussehen und seinen Insignien wurde auf der gegenüberliegenden Seite des Euphrat, am westlichen Ufer, gefunden und Nabû-nadin-šumi, der Priester von Sippar … zeigte (es) dem König, seinem Herrn, und Nabû-apla-iddina, König von Babylon, welcher das Herstellen eines solches Bildes ihm befohlen hatte, sah dieses Bild und sein Gesicht jauchzte, und es freute sich sein Gemüt …“ (Kol. III,11–IV,11).186 Der Text fährt mit einem Bericht über die rituelle Herstellung der Statue und die Durchführung des Mundwaschungsrituals fort, bevor das Kultbild im Ebabbar aufgestellt und die regulären Opfer wieder aufgenommen werden. Der Bericht schließt mit weiteren Gunsterweisen des Königs für den Kult des Šamaš und den obligatorischen Segens- und Fluchformeln. Die Erzählung steht dem Bericht über die Auffindung des Toradokumentes vor allem darin nahe, dass das Relief mit der bildlichen Darstellung des Gottes überraschend entdeckt wird, als Ausdruck der freien Zuwendung der Gottheit an den König, und dass dieser Fund eine Reorganisation des Kultes des Sonnengottes in Sippar zur Folge hatte, die als Wiederherstellung des ursprünglichen Kultvollzugs interpretiert wird. Die Unterschiede liegen umgekehrt auf der Hand: Die Inschrift spricht von einem Relief, das zur Herstellung eines (neuen) Götterbildes Anlass gibt, der biblische Bericht in 2Kön 22f. redet dagegen von einem Text, dessen Beachtung gerade zur Beseitigung ikonischer Kultinsignien führt. Dennoch bildet die Inschrift des Nabû-appla-iddina eine wichtige Motivparallele zur erzählten Welt in 2Kön 22–23.
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick in die Chronik. Der Chronist schildert in 2Chr 34,14 die näheren Umstände des Fundes mit folgenden Worten: „als sie das Silber, das in den Tempel Jahwes gebracht worden war, ausleerten (mAJZWHB), entdeckte Hilkia, der Priester, das Toradokument Jahwes, das durch Mose vermittelt worden war“. Das Toraschriftstück wird nach der Darstellung der Chronik also nicht bei Bauarbeiten am Tempel entdeckt187, sondern beim Ausleeren des Kastens, in 185
Vgl. zum textlichen und ikonographischen Befund der Sonnentafel aus Sippar BERLEJUNG, Bilder, 141–149; SEIDL, Ringen. 186 Übersetzung nach BERLEJUNG, Theologie, 143f. 187 Die Erläuterung bei JAPHET, 1029 („The finding is a direct result of the repair …“), ist insofern zu präzisieren, als das Ausleeren des Silbers den Beginn der Instandsetzungsarbeiten einleitet, wie sich aus der Erzählung in 2Chr 34,8–11 ergibt.
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den die Schwellenhüter das Silber, das in den Tempel gebracht wurde, gelegt hatten. Wie das Schriftstück in den Kasten gelangt ist, bleibt offen – entweder gelangte es von außen in den Tempel (was allerdings kaum ohne Verbindungsleute unter den Tempelbediensteten vorstellbar wäre) 188, oder es wurde von Mitgliedern des Tempelpersonals dort deponiert, so dass es beim Auszählen des Silbers gefunden werden musste. Im letzteren Fall stünde der chronistische Text nahe bei der These, der ganze „Buchfund“ sei als eine pia fraus zu beurteilen189, wozu auf das in der Antike verbreitete, literarische Motiv der wundersamen Entdeckung uralter, heiliger Schriften verwiesen werden kann, wie es nicht nur aus Mesopotamien und Ägypten, sondern seit der hellenistischen Zeit auch aus Griechenland und Rom bekannt ist.190 Dabei diente „die Angabe, dass ein Buch aufgefunden sei, … zum Mittel der Beglaubigung“. 191 Auf diese Weise konnte auch ein jüngeres Werk aufgrund des ihm zugeschriebenen hohen Alters und seines Fundortes (oft an heiliger Stätte) autoritative Geltung beanspruchen. Obwohl es vereinzelt vertrauenswürdige Nachrichten von derartigen „Buchfunden“ gibt – der Vorgang an sich bei den Adressaten also auf historische Plausibilität rechnen konnte, dürfte sich das Motiv in einer Vielzahl von Belegen als literarischer Topos verselbständigt haben. Ein Einfluss dieser literarischen Konvention auf die Darstellung in 2Kön 22f. kann daher nicht ausgeschlossen werden. Es bleibt aber zu bedenken, dass das Schriftstück, das Hilkia im Tempel gefunden hat, seine Autorität zunächst allein aus seinem Toracharakter bezieht, ohne dass den Fundumständen, wie es sonst bei Buchfundberichten der Fall ist, eigenes Gewicht beigemessen würde. Nicht die näheren Umstände seiner Auffindung oder sein hohes Alter begründen seine Autorität, sondern seine Näherbestimmung als Tora (Jahwes).192 Nachdem Hilkia den königlichen Schreiber von dem Fund des Toraschriftstücks in Kenntnis gesetzt hat, übergibt er es diesem, der es sogleich
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Vgl. JAPHET, 1029f., die hervorhebt, dass das Schriftstück nach dem Bericht der Chronik nicht „im Haus Jahwes“ gefunden wurde, allenfalls in dem weiteren Sinne, dass das gesammelte Silber in den Tempel gebracht und dort ausgeleert wurde (vgl. V.15). 189 Vgl. schon die vorsichtigen Andeutungen bei DE WETTE, Beiträge, 179, und die Diskussion bei EURINGER, Analogien, 225–229. 190 Vgl. dazu SPEYER, Bücherfunde, 122–124. 191 A.a.O., 122. 192 Die Unterschiede in der narrativen Struktur zwischen 2Kön 22f. und den antiken „discovery reports“ macht das Diagramm bei RÖMER, Transformations, 8, deutlich: Im biblischen Bericht ereignet sich der „Buchfund“ überraschend und unversehens. Er dient in der Welt des Textes nicht der göttlichen Legitimation eines bereits bestehenden Reformprogramms, das von verschiedener Seite auf Widerstand gestoßen wäre, sondern setzt dies seinerseits in Gang.
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liest (vgl. V.8b).193 Aus der schlichten Notiz WHARQJW „und er las es (laut)“ auf den Umfang des gefundenen Schriftstücks schließen zu wollen, bleibt hypothetisch. Immerhin kann darauf verwiesen werden, dass Schafan das Schriftstück innerhalb kurzer Zeit zweimal liest (vgl. V.10b). Dies muss also aus der Perspektive des Erzählers möglich gewesen sein. 194 In der chronistischen Parallelerzählung lautet die Formulierung dagegen nPV WB_-ARQJW kLMH JNPL „und Schafan las in (oder: aus) ihm vor dem König“ (34,18), d.h., Schafan trug dem König nicht notwendig den gesamten Inhalt des Schriftstücks vor, das nach chronistischer Vorstellung wohl umfangreicher gewesen ist (vgl. V.14).195 Genaueres lässt sich dem Text jedoch nicht entnehmen.
Auffälliger ist schon, dass die Leser an dieser Stelle weder etwas über den Inhalt des Schriftstücks erfahren, noch über den Eindruck, den es auf Schafan (bzw. Hilkia) gemacht hat. Nun hat Spieckermann sicher etwas Richtiges gesehen, wenn er die sorgfältige Stilisierung des Berichtes betont: „Schafan muß in den Tempel gehen, um dort durch Hilkia mit dem Buch in Kontakt zu kommen. Hilkia und Schafan wiederum dürfen nach der Lektüre des Buches keine Reaktion zeitigen, um alles Interesse auf die Reaktion des Königs konzentrieren zu können. Das Buch und der König – dies sind die beiden Brennpunkte, um die die ganze Geschichte elliptisch organisiert ist.“196 Andererseits tritt der Unterschied zwischen der Reaktion des Königs und der beiden „Nebendarsteller“ erst durch die anschließende Einleitung zum Huldaorakel in aller Schärfe hervor (vgl. 22,11–20), die den wesentlichen Inhalt des Toradokumentes in der Unheilsansage gegen Juda und Jerusalem erblickt. Inwiefern in dieser Haltung ein gewisses Spannungsmoment zum Fortgang der Erzählung in Kap. 23 vorliegt, wird noch zu bedenken sein. Für die beiden „Nebendarsteller“, Schafan und Hilkia, gilt mindestens, dass sie den Inhalt des Schriftstücks für bedeutend genug gehalten haben, um es dem König vorzulegen, d.h., es muss sich aus ihrer Sicht um eine Angelegenheit von „öffentlichem“ Interesse gehandelt haben. Die gleiche Reaktion findet sich übrigens bei Michaja ben Gemarja und den anderen hohen Beamten des Hofes, nachdem Baruch aus der
193 Dass Schafan Subjekt zu wajjiqrā’ehû ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang: Hilkia hat dem Schreiber das Schriftstück zuvor übergeben. Darum kann in der griechischen Textüberlieferung (außer LXXL) die Renominalisierung Schafans in V.9a wegfallen. In 2Chr 34,15 fehlt die Lesenotiz: Schafan bringt das Dokument unverzüglich dem König, ohne sich vorher über dessen Inhalt zu informieren. 194 Vgl. die mehrfache Lesung der prophetischen Worte Jeremias am gleichen Tag durch Baruch bzw. Jehudi in Jer 36,10f.15f.21–23. 195 Vgl. JAPHET, 1030. Zur Formulierung ARQ + B „lesen aus / in“ vgl. Jer 36,6.8.10. 13f. im Unterschied zu Jer 36,(15.)21 (ARQ + Suffix). 196 SPIECKERMANN, Juda, 53.
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4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
Schriftrolle des Propheten Jeremia vorgelesen hatte (vgl. Jer 36,11f.16).197 Zutreffend ist in jedem Fall, dass Schafan aus der Sicht des Erzählers nur zu diesem einen Zweck zum Tempel hinaufgeht, damit Hilkia ihm das Toraschriftstück übergeben kann. Warum aber ist der Umweg über den königlichen Verwaltungsbeamten überhaupt nötig? Hätte Hilkia als Großpriester des Jerusalemer Stadtheiligtums das Toraschriftstück nicht selbst dem König, dem als Patron des Jerusalemer Tempels die Aufsicht über den Kultbetrieb oblag, überbringen können? Dies wäre wohl möglich gewesen; es scheint dem Erzähler jedoch wichtig zu sein, dass nicht der Großpriester, sondern der Schreiber des Königs das Schriftstück bei Hofe einführt. Die einfachste Erklärung dieses Sachverhaltes dürfte darin liegen, dass hinter der literarischen Stilisierung eine historische Figurenkonstellation sichtbar wird, die umrisshaft die Parteigänger der josianischen Reformen erkennen lässt. M.a.W., Hilkia und Schafan repräsentieren die priesterlichen und höfischen Gruppen, die die Umsetzung des Reformprogramms unterstützt, wenn nicht inauguriert haben. Die Umsetzung der Reformen oblag jedoch allein dem König, der nicht nur als Patron des Jerusalemer Tempels, sondern auch durch seine Stellung als Mittler zwischen der göttlichen und der menschlichen Sphäre für die Einhaltung des Willens der Götter zuständig war. Josia als der idealen Verkörperung dieses Amts kommt daher notwendig die alleinige Handlungskompetenz zu, wie sie bereits in der Rahmennotiz in V.2 zum Ausdruck gekommen war. Mit V.9f. schließt sich der zweiteilige Bericht des Schreibers vor dem König an, mit dem der erste Abschnitt endet.198 Vers 9a bringt einen erneuten Szenenwechsel, der den Leser wieder an den Ausgangspunkt, den königlichen Palast199, zurückbringt. Auch die beiden Hauptakteure, Schafan und der König, sind die gleichen wie in der Eröffnungsszene, nur dass die Rollenverteilung jetzt umgekehrt ist: Schafan redet, während der König passiv bleibt. Zunächst erstattet Schafan dem König auftragsgemäß Bericht (RBD kLMH-TA BVJW, vgl. Gen 37,14; Jes 41,28 u.ö.). Dabei rekapituliert 197 In Vers 16 wird allerdings die Reaktion der Beamten auf die Worte Jeremias knapp erwähnt: „und sie erschraken“ (vgl. FISCHER, 293–295). 198 Eine literarkritische Ausscheidung von V.9, wie sie DIETRICH, Josia, 207, vorgenommen hat, empfiehlt sich nicht (vgl. SPIECKERMANN, Juda, 52 Anm. 51). Hier ist nur noch darauf hinzuweisen, dass sich der Neueinsatz der wörtlichen Rede in V.10 den unterschiedlichen Gegenständen verdankt, die den Inhalt der Rede bilden, und darin die Zweigliedrigkeit der Darstellung in V.3–8 widerspiegelt. Die Mitteilung über das gefundene Schriftstück geht über den Rapport hinaus und erweist gerade darin seine Sonderstellung in der Erzählkomposition. 199 Der königliche Palast ist angesichts des Vorgangs und der Eingangsszene (V.3–7) der nächstliegende Ort der Begebenheit: Der König empfängt einen Beamten zum Rapport in seinem Palast. Von einer Ortsveränderung des Königs ist überdies nicht die Rede.
4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
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V.9b nur den ersten Teil der königlichen Rede aus V.4–7 (vgl. V.4f.). Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass diese Kürzung nicht auf eine diachrone Schichtung in V.4–7 hindeutet, sondern sich der wechselnden Erzählperspektive verdankt. In den Versen war allgemein der Zweck mitgeteilt worden, für den das eingesammelte Silber verwendet werden soll – in Anlehnung an die Durchführungsbestimmungen in 2Kön 12,5–17. In V.9b wird dagegen nur derjenige Teil der königlichen Anordnung erwähnt, der sich unmittelbar auf das Aufgabengebiet des Schreibers bezieht, nämlich die Überwachung der Auszahlung des Silbers an den mit der Aufsicht über die Arbeiten betrauten Personenkreis. Die weitere Verteilung der Mittel an die einzelnen Baugewerbe wird von der administrativen Kontrolle ausdrücklich ausgenommen (vgl. V.5b–7); daher ist es Schafan gar nicht möglich, hierüber Bericht zu erstatten. Auf der anderen Seite klingt im Schweigen des Schreibers über die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten an, dass sich die Anordnung des Königs gar nicht auf aktuelle Baumaßnahmen bezogen hat, wie bereits vermutet wurde. Schließlich variiert der Wortlaut im ersten Teil des Rapports gegenüber V.4: „Deine Knechte haben das Silber, das im Haus gefunden wurde, eingeschmolzen“. Die Selbstbezeichnung „deine Knechte“, in die Schafan eingeschlossen zu denken ist, bringt das Abhängigkeitsverhältnis zum König zum Ausdruck und entspricht höfischem Stil. In vergleichbarer Weise spiegelt der Partizipialausdruck AZMNH pOKH gegenüber ABWMH pOKH in V.4 die Perspektive des Schreibers wider. Das Silber, das sie im Tempel vorfanden, haben sie einschmelzen lassen. Ist kTN Hif. hier mit „einschmelzen“ wiederzugeben, enthielte V.9b im Vergleich zu der recht allgemeinen Bezeichnung „bereitstellen“ (mMT) in Vers 4 eine erhebliche Präzisierung des technischen Verfahrens, wie es O. Eißfeldt beschrieben hat. 200 Die Wurzel kTN bedeutet eigentlich „gießen, tropfen“, bezogen auf flüssige Substanzen wie Wasser (vgl. 2Sam 21,10; Hi 3,24), Regen (vgl. Ex 9,33) oder Milch (vgl. Hi 10,10). Im übertragenen Sinn wird es von Gottes Zorn (mit pA vgl. Jer 7,20; 42,18; 44,6; mit HMC vgl. Jer 7,20; 42,18; Nah 1,6; 2Chr 12,7; 34,21–25), seinem Fluch (ALA vgl. Dan 9,11) bzw. dem von ihm vorgesehenen Ende (vgl. Dan 9,27) gebraucht. Dieser übertragene Gebrauch für Gottes Zorn und Gericht leitet sich wohl von der Vorstellung „flüssigen Feuers“ her 201, wie es im Schmelzofen entsteht. In metallurgischem Zusammenhang ist die Wurzel kTN (Hif. / Hof.) im prophetischen Gerichtswort über das Haus Israel in Ez 20,17–22 belegt (vgl. V.20–22), wobei neben Kupfer, Eisen, Blei und Zinn vor allem Silber (pOK) genannt ist (V.20.22). In 2Kön 22,9 bleibt die genaue Konnotation des Wortes undeutlich: Es könnte an den im Alten Orient verbreiteten Vorgang gedacht sein, dass „the miscellaneous objects donated to the temple were melted down into ingots of standard size and fineness.“202 Es ist aber auch möglich, dass der Verfasser hier auf das Ausleeren des Kas200
Vgl. EISSFELDT, Einschmelzstelle. Dass Jahwes (oder eines Menschen) Zorn entbrennt ( HRC, TZJ), stellt eine gängige Redeweise im Alten Testament dar (vgl. SAUER, paA; DERS., HRC). 202 COGAN / TADMOR, 139. 201
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4. Kapitel: Die Entdeckung des Toradokuments (2Kön 22,3–10)
tens anspielt, aus dem die Weihgaben wie Wasser „ausgegossen“ oder „ausgeschüttet“ werden, um anschließend ausgewogen und weitergegeben zu werden (V.9bb). Vielleicht legt der Erzählzusammenhang letztere Annahme nahe, da zwischen dem Einschmelzvorgang und der Auszahlung des Silbers eine längere Zeitspanne verstrichen sein muss. Dagegen könnte jedoch eingewandt werden, dass bei der ganz auf das Wesentliche reduzierten Erzählweise eine solche Straffung der Handlung durchaus vorstellbar wäre. Eine Entscheidung muss hier offen bleiben.203
Nachdem Schafan dem König von der auftragsgemäßen Ausführung der Arbeiten berichtet hat, setzt V.10 mit einer neuen Redeeinleitung ein: Jetzt teilt Schafan dem König den Fund des Schriftstücks mit, der, wie in V.8, von der Dienstanweisung und deren Ausführung deutlich abgehoben wird. Genau genommen meldet Schafan dem König nur, dass Hilkia ihm ein Schriftstück übergeben hat; über dessen formale Bestimmung als Tora schweigt er ebenso wie über dessen Herkunft. Anschließend liest er es vor dem König laut vor (V.10b). Damit endet der erste Erzählbogen: Das Toraschriftstück, das Hilkia im Tempel gefunden hatte, hat seinen eigentlichen Adressaten erreicht – den König. Wie wird er reagieren? Wird ihn die Tora zum Handeln veranlassen, und welcher Art wird dieses Handeln sein? Diese Fragen leiten über zum nächsten Erzählabschnitt, dem Huldaorakel in 2Kön 22,11–20.
203
Zur Textüberlieferung der Septuaginta s. oben, S. 24f. Anm. 3.
5. Kapitel
Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20) Bei der Auslegung des Kapitels wird meist erst in Vers 12 ein szenischer Neueinsatz angenommen.1 Dafür spricht zum einen die Einleitung durch kLMH WZJW, die sowohl in 23,4 als auch in 23,21 den Beginn eines neuen Handlungsabschnitts anzeigt. Ihr korrespondiert funktional die Wendung kLMH CLVJW in 23,1 bzw. 22,3, so dass sich ein den gesamten Text durchziehendes Gliederungsmuster ergibt, das die königliche Initiative jeweils zu Beginn einer neuen Ereignisfolge betont herausstellt. Zum anderen verändert sich mit V.12 die Personenkonstellation: Der König wird einer Delegation gegenübergestellt, der neben den bereits eingeführten Akteuren Schafan und Hilkia drei weitere Personen aus dem Umfeld des Hofes angehören, die in V.12 teils mit Filiation, teils mit Angabe ihres Titels eingeführt werden. Vers 11 würde demnach noch zum vorigen Abschnitt gehören und berichtet von der unmittelbaren Reaktion des Königs auf das Gehörte. Nun ist unbestreitbar, dass V.11 Überleitungscharakter besitzt und die Verlesung der Toraschrift vor dem König mit der anschließenden Jahwebefragung verknüpft.2 C. Hardmeier hat jedoch darauf hingewiesen, dass die Reaktion des Königs auf die Verlesung der Toraschrift durch die temporale Marke YMVK JHJW (vgl. zur Konstruktion 1Kön 21,27; 2Kön 5,7; 19,1) „aus dem Erzählfluß herausgehoben und zum Anlaß für weitere Maßnahmen gestaltet (wird). Temporale Marken, die ereignisrelativ angelegt sind …, sind sehr wichtige narratologische Gestaltungsmittel, um die erzählte Zeit zu gliedern und ihr ein szenisches Relief zu verleihen. Sie haben eine makrostrukturelle Gliederungsfunktion, indem sie besondere Ereignisse … in ein zeitlich markiertes Verhältnis zur Folgeszene (V.12ff.) setzen … Die durch V.11 markierte Zweiteilung bestätigt sich ferner daran, daß beide Teile sowohl in 22,9ab.10 als auch in V.20b mit einer Berichterstattung an den König schließen.“3 Hardmeiers Beobachtungen werden durch einen Blick auf die Leitwortstruktur des Abschnitts bestätigt, 1
Vgl. LOHFINK, Kultreform, 211; HOFFMANN, Reform, 190–192. Vgl. die paronomastische Verbindung zwischen dem Vortrag des Schriftstückes durch Schafan in V.10 (qāra’ ) und dem Zerreißen der Kleider durch den König in V.11 (qāra‘ ). 3 HARDMEIER, König, 102 (vgl. mit abweichender Begründung bereits DIETRICH, Josia, 208; KOCH, Gefüge, 81). 2
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5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
denn nur in V.11–20 kommt der Verbindung von YMV „hören“ und RBD „reden / Wort“ innerhalb der Komposition 2Kön 22,1 bis 23,30 Leitwortcharakter zu (vgl. 22,11.13.18.19). Damit stimmt die Beobachtung überein, dass die Reaktion des Königs auch inhaltlich auf die folgende Gottesbefragung vorausweist. Man wird daher kaum fehlgehen, wenn man mit Hardmeier Vers 11 als narratologisches Signal für einen szenischen Neueinsatz versteht, der als Eröffnung und Überleitung zum Huldaorakel konzipiert ist.4 Die temporale Marke stellt die beiden Handlungen des „Hörens“ und des „Kleiderzerreißens“ in ein Folgeverhältnis zueinander: Das Zerreißen der Kleider steht in einem nicht genauer bestimmten zeitlichen und sachlichen Bezug zum Hören der Worte, d.h. der konkreten Einzelbestimmungen der Toraschrift. Hier ist also erstmals im bisherigen Erzählverlauf von der Inhaltsseite des Toradokumentes die Rede, das im Übrigen mit dem gleichen Formalbegriff bezeichnet ist wie in V.8 (HRWTH RPO). Was im Einzelnen darin geschrieben ist, darüber bleiben die Leser zunächst jedoch weiter im Unklaren. Lediglich die Reaktion des Königs, das Zerreißen seiner Kleider, gibt einen Hinweis darauf, dass die Toraschrift großes Unheil ankündigt. Der Ritus des Kleiderzerreißens ist Bestandteil des kulturimmanenten Symbolsystems in Israel (und im ganzen Vorderen Orient) und stellt gewissermaßen einen sozial lesbaren Code dar, der „der Strukturierung von Handlungszusammenhängen und der Interpretierbarkeit individueller Handlungen (dient).“5 Das Zerreißen der Kleider drückt dabei einen Zustand der Selbstminderung aus, mit dem das Subjekt auf einen bereits eingetretenen oder erwarteten Unglücksfall reagiert.6 Häufig wird das Zerreißen der Kleider durch weitere Selbstminderungsgesten begleitet:7 So zerreißt Jakob seine Kleider und legt ein QS-Gewand an, als er die Nachricht vom vermeintlichen Tod seines Sohnes Josef erhält, und Tamar, die Schwester Absaloms, zerriss ihr Ärmelgewand, legte Staub auf ihren Kopf und ging laut schreiend davon, nachdem ihr Bruder Amnon sie vergewaltigt und anschließend weggeschickt hatte. Nur vom Zerreißen der Kleider ist etwa in 2Kön 5,7 die Rede: Der König von Israel zerreißt seine Kleider, nachdem er einen Brief des Königs von Aram-Damaskus gelesen hatte, aus dem er schloss, dass der König von Aram einen Krieg mit Israel anzetteln wollte.
Insofern greift es sicherlich zu kurz, wenn Spieckermann die Aussage vom Zerreißen der Kleider in 2Kön 22,11 lediglich dahingehend verstehen will, 4
Vielleicht darf hierzu auch auf die Gliederung des Textes im Codex Petropolitanus olim Leningradensis hingewiesen werden, der nach V.10 eine lacuna aufweist und damit den Beginn eines neuen Unterabschnitts andeutet. 5 BENDER, Sprache, 150. 6 Das zerrissene Kleidungsstück symbolisiert den geminderten Zustand der betroffenen Person(-engruppe), den es quasi „materialisiert“, um ihn auf diese Weise für Außenstehende sichtbar zu machen. 7 Vgl. THIEL, YaRâQ, 190.
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
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„daß er (sc. der König) Relevanz und Quintessenz des Buches verstanden, die Inkongruenz seiner Forderungen mit den judäischen Zuständen realisiert hat und nun im Begriff ist, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen“.8 Gerade die kulturimmanente Symbolik der Handlung indiziert, dass der König aus dem „Hören“ der Toraschrift einen Unheilszusammenhang erschließt – sei er bereits eingetreten oder noch ausstehend gedacht. 9 Worin dieser Unheilszusammenhang besteht und woraus der König ihn erschlossen hat, wird (noch) nicht gesagt, die Reaktion des Königs verweist jedoch auf die anschließende Gottesbefragung voraus (vgl. 2Kön 19,1–7). Nachdem der König seine Kleider zerrissen hat, entsendet er eine Delegation aus fünf Personen, um eine Jahwebefragung durchführen zu lassen (V.12f.).10 Der Delegation gehören neben dem Priester Hilkia11 und dem Schreiber Schafan, die das Schriftstück an den König weitergeleitet hatten, noch drei weitere Personen aus der Umgebung des Königs an, über deren Identität wenig bekannt ist. Vermutlich waren sie hohe Beamte am königlichen Hof, die vom König als unabhängige Gewährsleute und Zeugen mitgeschickt wurden. Ahikam, der Sohn Schafans12, wird in Jer 26,24 als Zeitgenosse und Parteigänger Jeremias genannt, der ihn vor den Nachstellungen des Königs Jojakim und seiner Oberen beschützte. Sein Sohn wiederum war Gedalja, den der babylonische König Nebukadnezar II. nach der Eroberung und 8
SPIECKERMANN, Juda, 54. Es geht demnach in V.11 um mehr als um das (spontane) Erschrecken des Königs über die Worte des Gesetzbuches (vgl. DIETRICH, Josia, 208) oder dessen Anerkennung (vgl. HARDMEIER, König, 105). Wenn HOFFMANN, Reform, 198, darin einen „formellen Bußakt“ erblicken will, so muss er dafür auf die breitere Schilderung in V.19 ausgreifen, die weitere Selbstminderungsgesten anführt. Von einem „formellen Bußakt“ sollte man jedoch vor dem Hintergrund des oben skizzierten Befundes selbst dann nicht sprechen. – Es ist schon häufiger beobachtet worden, dass in Jer 36,22–24 geradezu eine antithetische Entsprechung zum Verhalten des Königs in 2Kön 22,11 vorliegt (vgl. FISCHER, 285; BENDER, Sprache, 152f.). Statt die prophetische Urteilsbotschaft zu hören und seine Kleider (als zeichenhafte Vergegenwärtigung des bevorstehenden Gerichts) zu zerreißen, „zerreißt“ (ARQ) König Jojakim die Schriftrolle, die vor ihm verlesen wird, und verbrennt sie im Feuer. Liest man Jer 36 als „Gegengeschichte“ zu 2Kön 22f., so wird nochmals deutlich, dass das Kleiderzerreißen auf einen realen Unheilszusammenhang verweist, demgegenüber Buße und Umkehr (vgl. 23,25f.) die einzig angemessene Haltung darstellen. 10 Die Renominalisierung des Subjekts kLMH in V.12 dient der Hervorhebung der königlichen Handlungsrolle und nötigt nicht dazu, „an doppelte Verfasserschaft (zu) denken“ ( pace DIETRICH, Josia, 208). Das gleiche Stilmittel begegnete schon in V.8b. 11 Hilkia wird hier (wie in V.10 und 14) nur mit dem einfachen Titel nHKH „der Priester“ bezeichnet, die vollständige Titulatur findet sich in 22,4.8 – literarkritische Schlüsse können daraus jedoch nicht gezogen werden. 12 Der Name [’]ḫqm [b]n špn ist auch auf einem Siegelabdruck unbekannter Herkunft belegt (vgl. WSS Nr. 431). 9
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5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
Zerstörung Jerusalems 586 v. Chr. zum „Statthalter“ über Juda eingesetzt hatte (vgl. 2Kön 25,22; Jer 39,14; 40,5ff.). Daraus lässt sich schließen, dass die Familie Ahikams zu den einflussreichen Beamtenfamilien am judäischen Königshof gehörte, die in den politischen Kontroversen der letzten Jahre vor dem Untergang Judas die probabylonische Partei um den Propheten Jeremia unterstützte. Es überrascht daher nicht, seinen Namen unter den engen Vertrauten des Königs Josia zu finden. Ob sein Vater mit dem bereits erwähnten königlichen Schreiber Schafan identisch ist13, bleibt dagegen zweifelhaft. Einerseits ist Schafan ein verbreiteter westsemitischer Personenname und andererseits fehlt bei der Filiation die Erwähnung des Titels „der Schreiber“, obwohl er anschließend bei der Erwähnung Schafans mitgeteilt wird. Dies erklärt sich am einfachsten, wenn beide Personen dadurch voneinander unterschieden werden sollen.14 Über Achbor, den Sohn Michajas, ist sonst nichts bekannt. Dass seine Familie ebenfalls zur Jerusalemer Beamtenaristokratie gehörte, könnte aufgrund der Stellung Elnatans, des Sohnes Achbors, der nach Jer 26,22; 36, 12 zu den hohen Beamten (mJRS) am Hofe Jojakims gehörte, bestätigt werden, falls es sich dabei um den Sohn des in 2Kön 22,12.14 genannten Achbor handelt.15 – Noch weniger weiß man über den dritten Gesandten aus dem Kreis der Beamten des Königs, Asaja, der den Titel „Diener des Königs“ (kLMH DBY) trägt. Der Titel, der auch inschriftlich auf Siegeln und Bullen häufiger belegt ist16, weist ihn als königlichen Beamten aus; über seine genaue Stellung oder seine Familie haben sich keine weiteren Nachrichten erhalten.17 Vers 13 führt den Befehl im Mund des Königs an, so wie in V.3–7 die Beauftragung Schafans in wörtlicher Rede mitgeteilt wurde. Die Gesandtschaft soll im Auftrag des Königs eine Gottesbefragung durchführen (HWHJ-TA VRD). Der Wortlaut der Beauftragung hat Anlass zu diversen literarkritischen Überlegungen gegeben, die meistens bei der „Doppelung des im Orakel in Frage stehenden Objekts“18 ansetzen (mit der Partikel DYB 13
Vgl. HARDMEIER, König, 105. Es sind noch mindestens zwei weitere Söhne Schafans bekannt, nämlich Elasa (Jer 29,3) und Jaasanja (Ez 8,11), die beide als „Sohn des Schafan“ bezeichnet werden. Es ist jedoch umstritten, ob es sich beide Male um die gleiche Vaterperson handelt. Umgekehrt heißt es über Gemarja in Jer 36,10 ausdrücklich, er sei „der Sohn Schafans, des Schreibers“. Es spricht einiges dafür dass der Titel RPOH nicht auf Gemarja, sondern auf seinen Vater Schafan zu beziehen ist (vgl. MCKANE, 903f.). 15 Vgl. FISCHER, 39f.; HOLLADAY, 109f. 16 Vgl. RENZ, Beitrag, 134 Anm. 26; KESSLER, Staat, 166. 17 Ein Siegel unbekannter Herkunft trägt die Inschrift l‘śjhw ‘bd hmlk „Asajahu, dem Knecht des Königs (gehörend)“, vgl. DEUTSCH / HELTZER, Inscriptions, Nr. 21. Die Echtheit des Siegels ist jedoch umstritten. 18 SPIECKERMANN, Juda, 55. 14
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
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bzw. LY). Spieckermann kommt dabei zu dem Schluss, dass „der Befehl HWHJ-TA WVRD WKL seine einzig sinnvolle Fortsetzung in RPOH JRBD HXH AZMNH (findet)“, weil das Schriftstück seit 22,8 im Mittelpunkt der Erzählung stehe.19 Dagegen sei die dreigliedrige DYB-Reihe „ein späterer Nachtrag, der unter Voraussetzung des folgenden Huldaorakels schon im Befehl des Königs sehr genau, genauer als dann das Orakel selbst, angeben will, was im Folgenden zu erwarten ist.“20 Daran ist zunächst richtig, dass die Formulierung HDWHJ-LK DYBW mYH-DYBW JDYB bereits auf das zweigliedrige Huldaorakel vorausblickt, das einen Gottesbescheid für „diesen Ort und seine Bewohner“ (V.16f.) bzw. für den König (V.19f.) unterscheidet. Diese Beobachtung unterstreicht jedoch eher die literarische Kohärenz des Abschnitts, als dass sie als Indiz für eine spätere Bearbeitung zu werten wäre. Dies gilt übrigens unbeschadet der Frage, ob die DYB-Reihe ursprünglich zweigliedrig war und erst später um das letzte Glied erweitert worden ist.21 Das hat bereits H.-D. Hoffmann richtig gesehen und festgestellt, dass „das dritte Glied … in jedem Fall nur erläuternder Zusatz zum zweiten Glied (ist)“.22 Mit „das Volk“ sind im vorliegenden Text die Bewohner Jerusalems gemeint, die neben den Einwohnern der Landschaft Juda genannt werden und mit diesen eine Einheit bilden (vgl. 23,1–3). Im Huldaorakel ist lediglich von „diesem Ort“ (HXH mWQMH) und „seinen Bewohnern“ (WJBVJ) die Rede (vgl. V.16f.19f.), womit in Anbetracht der semantischen Weite des Lexems mWQM sowohl die Stadt Jerusalem als auch die Landschaft Juda gemeint sein kann.23 Ob die Wendung HDWHJ-LK DYBW in V.13 als sekundäre Erläuterung zu mYH-DYBW hinzugefügt wurde oder bereits von Anfang an mit dieser einen Doppelausdruck gebildet hat, kann nicht mehr mit Sicherheit geklärt werden. Die strukturelle Entsprechung zwischen der Beauftragungsszene und dem Huldaorakel, mit den beiden Polen König und Volk, bleibt davon unberührt. Der eigentliche Grund für die literarkritische Ausscheidung der DYBReihe, den Spieckermann anführt, ist dann auch nicht die vermeintlich inkonsequente Differenzierung zwischen König, Volk und ganz Juda, sondern das doppelte Objekt der Orakelanfrage: „Geht, befragt Jahwe für mich und für das Volk und für ganz Juda über die Worte dieses gefundenen 19
Ebd. Ebd. Zum gleichen Ergebnis kommt DIETRICH, Josia, 209f., der immerhin bemerkt, dass „das doppelte DYB ein (recht geschickt angebrachter!) Zusatz“ sei (a.a.O., 209). Zur Kritik an Dietrichs Argumentation vgl. HOFFMANN, Reform, 190f., der mit Recht den kohäsionsbildenden Charakter der strukturellen Entsprechung zwischen Beauftragungsszene und Orakel hervorhebt. Diese macht jedoch das Orakel selbst keineswegs überflüssig (vgl. a.a.O., 191 Anm.4), wie noch zu zeigen sein wird. 21 Vgl. BHS, z.St., und DIETRICH, Josia, 209 Anm. 67. 22 HOFFMANN, Reform, 190 Anm.2. 23 Vgl. GAMBERONI, moWQâM, 1116f.1123. 20
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5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
Schriftstücks.“ Spieckermanns Argumentation setzt voraus, dass die DYBReihe und die präpositionale Fügung mit LY zwei konkurrierende Angaben hinsichtlich des Objekts der Orakelanfrage enthalten. Ist dies zutreffend? Um diese Frage zu klären, bedarf es eines Blickes auf die sonstige Verwendungsweise der Präposition DYB und ihre Verbindung mit dem Verb VRD. DYB ist im Alten Testament nur als Präposition belegt, die vermutlich von einer Nominalbildung DYB „Entfernung, Abstand“ abgeleitet ist und ursprünglich „entfernt (sein) von, im Abstand von“ bedeutet.24 In diesem lokalen Sinn begegnet DYB im Alten Testa-
ment an knapp der Hälfte der Belegstellen, wie an Jdc 3,22f. beispielhaft illustriert werden kann. Als Ehud den korpulenten moabitischen König Eglon ermordet, heißt es: „und auch der Griff (des Dolches) drang nach der Klinge (in seinen Leib) ein und das Fett schloss (sich) hinter (DYB) der Klinge“. Daraufhin verlässt Ehud den Ort des Geschehens „und schloss die Türflügel des Obergemachs hinter sich ( WDYB)“. In 2Sam 20,21 kündigt die kluge Frau aus Abel-Bet-Maacha Joab, dem Feldherrn Davids, an, dass der Kopf des aufständischen Scheba zu ihm über die Mauer (HMWCH DYB) der belagerten Stadt geworfen werden wird. Der gleiche Sprachgebrauch findet sich in 2Sam 19,12, als David vor den Nachstellungen Sauls durch das Fenster (nWLCH DYB) seines Wohnhauses fliehen muss (vgl. Jos 2,15).25 Davon abgeleitet wird DYB häufig in übertragenem Sinn verwendet, so im kultischen Zusammenhang in Verbindung mit der Wurzel RPK Pi. in der Bedeutung „Sühne schaffen für / zugunsten von“. Als Beispiel kann Lev 9,7 dienen: Mose weist Aaron an: „Bringe dein Sündopfer und dein Brandopfer dar und schaffe Sühne für dich und für das Volk (mYH DYBW kDYB RPKW).“26 Dabei liegt wohl die Vorstellung zugrunde, dass die Verfehlungen von ihrem Träger, an dem sie haften, getrennt werden, d.h., es wird ein schützender Abstand zwischen dem Objekt und seiner Schuld geschaffen (vgl. Ex 32,30; Lev 16,6f.).27 In größerer Nähe zu der Formulierung in 2Kön 22,13 steht der übertragene Gebrauch von DYB in Kombination mit der Wurzel LLP Hitp. („beten, Fürbitte leisten“) und verwandten Begriffen. So soll Abraham, der hier als Prophet vorgestellt wird, für Abimelech zu Gott beten, damit dieser am Leben bleibt (LLP + DYB Gen 20,7, vgl. V.17). Mose betet für das Volk (mYH DYB HVM LLPTJW Num 21,7) und für Aaron (-mG LLPTAW 24
Vgl. Ges.18, 160f. Die gleiche Vorstellung liegt den Stellen zugrunde, an denen davon die Rede ist, dass eine Person „durch ein Fenster blickt“ (pQV + nWLC + DYB), vgl. Gen 26,8; Jdc 5,28; 2Sam 6,16; 2Kön 9,30 (vgl. noch Prov 7,6). Die syntaktische Konstruktion kann durch Darstellungen des Typs der „Frau im Fenster“ veranschaulicht werden, auf denen ein weiblicher Kopf „im Abstand vom“ Fensterrahmen erscheint, so dass sie „durch“ das Fenster sieht. Lediglich am Rande sei erwähnt, dass die Konstruktion mit pQV + nWLC nur im Zusammenhang mit Personen aus königlichen Familien begegnet. 26 Die Septuaginta liest kai\ tou~ oi]kou sou und gleicht den Wortlaut an Lev 16,6. 11.17 an (vgl. RENDTORFF, 295f.). 27 Das gilt unabhängig davon, welche etymologische Ableitung für die Bedeutung von RPK favorisiert wird (entweder von arabisch kafara „bedecken“ oder von akkadisch kapāru „abwischen“, vgl. zur Diskussion JANOWSKI, Sühne, 15–102, der auf die Polysemie der Wurzel hinweist, die beide Bedeutungsaspekte umfasst). Die Auskunft, dass die syntaktische Konstruktion mit DYB „den betreffenden Texten einen besonders feierlichen Klang verleihen (soll)“, ist kaum hinreichend ( pace LANG, RPK, 305). 25
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nRHA DYB Dtn 9,20). Samuel, der wie Mose prophetische Züge erhält, betet für das Volk
zu Jahwe (vgl. 1Sam 7,5; 12,19.23). Der König Hiskia ersucht den Propheten Jesaja, angesichts der assyrischen Belagerung Jerusalems ein Gebet für den Rest, der noch übrig geblieben ist, zu erheben (TJRAVH DYB HLPT TASNW 2Kön 19,4). Umgekehrt wird dem Propheten Jeremia von Jahwe untersagt, für „dieses Volk da“ zu beten ( -DYB LLPTT-LA HXH mYH) oder eine Klage bzw. ein Gebet für sie (mDYB) zu erheben (vgl. Jer 7,16). An allen diesen Stellen bezeichnet die präpositionale Wendung die Person(-engruppe), zu deren Gunsten bzw. in deren Auftrag der Prophet (bzw. Mittler) stellvertretend zur Gottheit beten soll. Dabei liegt auch dieser Verwendungsweise von DYB wieder die Vorstellung der räumlichen Entfernung zugrunde: Der Prophet tritt zwischen die Gottheit und den „Beter“, der in einer räumlichen Distanz zum Geschehen verbleibt.
Die gleiche Funktion der präpositionalen Fügung ist in Jer 21,2 vorausgesetzt, der engsten Parallele zur Verbindung von VRD + DYB in 2Kön 22,13. Der König Zedekia sendet eine Delegation zum Propheten Jeremia mit dem Auftrag, eine Jahwebefragung durchzuführen (-TA WNDYB AN-VRD HWHJ). Anlass dafür ist die Belagerung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar II. (vgl. JK-Satz V.2ab). Der präpositionale Ausdruck WNDYB bezeichnet die Personengruppe, für die der Prophet stellvertretend die Gottheit befragen soll. Das „wir“ steht für das Volk, das politisch durch den König repräsentiert wird, der die Beauftragung zur Orakeleinholung ausspricht. Wie bei der Fürbitte tritt auch bei der Einholung eines Gottesorakels ein prophetischer Mittler zwischen die Gottheit und den Fragesteller. Dies wird in der Regel jedoch nicht durch VRD + DYB ausgedrückt, sondern mit der Präposition nM: „Gibt es hier nicht einen Propheten für Jahwe, dass wir Jahwe durch ihn (WTWAM) befragen?“ (2Kön 3,11; vgl. 1Kön 14,5; 22,8; 2Kön 8,8). Der Unterschied in der Formulierung erklärt sich aus der jeweiligen Sprechperspektive: In Jer 21,2 ergeht die Aufforderung zur Gottesbefragung im Mund des Boten an Jeremia selbst, an den übrigen Stellen werden Boten mit dem Auftrag, eine Gottesbefragung durchzuführen, zu einem Propheten geschickt, auf dessen mediale Funktion durch die Präposition nM hingewiesen wird. Wird also durch die Präposition nM auf den prophetischen Mittler zurückverwiesen, so bezeichnet die Präposition DYB die Person (oder Personengruppe), die der Prophet vor der Gottheit vertritt. Dies ist in Jer 21,2 das Volk, vertreten durch den König, in 2Kön 22,13 sind es der König und das Volk – hier aufgefasst als zwei sich gegenüberstehende Größen, denen jeweils ein Gotteswort übermittelt wird. Die DYB-Reihe in 2Kön 22,13 benennt demnach präzise die Gruppen, für die Jahwe befragt werden soll.28 Die anschließende syntaktische Fügung HXH AZMNH RPOH JRBD LY bezeichnet dagegen die Angelegenheit, in der die Gesandtschaft Jahwe befragen soll. Es geht um die „Worte der 28 Genau genommen ist die Sprechperspektive in V.13 noch einmal verschoben, insofern die Aufforderung zur Orakeleinholung in der Rede des Königs an die Gesandtschaft ergeht, die den König und das Volk vertritt.
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Schrift“, d.h. ihren Inhalt, über die der König für sich und das Volk einen Gottesbescheid einholen lässt. Dann sind die beiden präpositionalen Ausdrücke aber nicht als Doppelung anzusehen, sondern als komplementäre Bestimmungen, die gemeinsam den Auftrag an die Delegation beschreiben. Eine Notwendigkeit zu literarkritischer Differenzierung besteht an dieser Stelle nicht. V.13b liefert die Begründung, weshalb der König die Gottesbefragung durchführen lässt: „weil der Zorn Jahwes groß (ist), der gegen uns entbrannt ist“. In analoger Weise wird in Jer 21,2 die Begründung durch einen JK-Satz unmittelbar an die Aufforderung zur Orakeleinholung angeschlossen. Noch näher bei Vers 13 steht jedoch die syntaktische Fügung in 1Kön 14,5: Die Frau Jerobeams I. kommt zum Propheten Ahia, um ihn in einer Angelegenheit zu befragen, die durch die präpositionale Wendung HNB-LY („ihren Sohn betreffend“)29 inhaltlich näher bestimmt wird. Im Anschluss daran wird das Anliegen der Frau weiter begründet, „denn er ist krank“ (AWH HLC-JK). Die gleiche Struktur liegt 2Kön 22,13 zugrunde: Der König lässt Jahwe in der Angelegenheit „der Worte dieser Schrift“ befragen, was durch den Hinweis auf den großen Zorn Gottes erläutert wird, der gegen „uns“, d.h. die gegenwärtige Generation, entbrannt ist. Nicht das Schriftstück selbst, seine Autorität oder Bedeutung, steht in Frage, sondern sein Inhalt – genauer der Zorn Gottes, von dem darin geschrieben ist. Von hier aus erschließt sich auch die Bedeutung der Selbstminderungsgeste des Königs in V.11: Sein Entsetzen, das im Zerreißen der Kleider seinen symbolischen Ausdruck findet, hat seine Ursache in der Erkenntnis von Jahwes Zorn gegen sein Volk – er ist der Grund für das bevorstehende Unheil, das den Anlass für die Orakelanfrage liefert. 30
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Lies LY statt LA (vgl. BHS, z.St.). Den Anlass für eine Orakelanfrage bei Jahwe (VRD + Obj. HWHJ) bildet stets eine bereits eingetretene oder bevorstehende Notsituation. Dies veranschaulichen vor allem die Erzählungen über die Durchführung einer derartigen Orakeleinholung in den Samuelund Königsbüchern. Nach 1Sam 9 fassen Saul und sein Knecht den Entschluss, einen Gottesmann zu befragen, weil sie die entlaufenen Eselinnen nicht finden können (vgl. 1Sam 9,6–10). Noch deutlicher tritt das Motiv in 1Kön 14 hervor: Jerobeam I. beauftragt seine Frau, zum Propheten Ahia zu gehen, um durch ihn Jahwe zu befragen, ob sein kranker Sohn wieder gesund wird (vgl. 1Kön 14,1–3; 2Kön 1,2; 8,8f.). Eine politische Notlage ist Ursache der Gottesbefragung in Jer 21,1f. (vgl. 1Kön 22,5–17; 2Kön 3,10f.; auch 1Sam 28,4–6). – In den späteren Schriften löst sich die Wendung HWHJ VRD von dem Vorgang einer institutionalisierten Gottesbefragung und kann allgemeiner Ausdruck für die Hinwendung zu Gott werden, deren Folge Heil und Rettung ist, deren Verweigerung jedoch Unheil und Not nach sich zieht (vgl. Dtn 4,29; Jes 9,12; 55,6; 58,2; 65,10; Jer 10, 21; 29,13; Hos 10,12 u.ö.). Dabei tritt in den schriftprophetischen Texten quasi das Prophetenbuch an die Stelle der prophetischen Institution der Gottesbefragung als Quelle der Weisung Jahwes. 30
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Wiederum mit LY angeschlossen folgt die Erklärung, warum der Zorn Gottes gegen sein Volk entbrannt ist: „weil (RVA-LY) unsere Väter nicht auf die Worte dieser Schrift gehört haben, um gemäß allem, was darauf geschrieben ist, zu tun“. Der Grund für Jahwes Zorn gegen die gegenwärtige Generation liegt also im Fehlverhalten der „Väter“, d.h. der früheren Generationen. Sie haben die Bestimmungen des Schriftstücks nicht beachtet, ihr Handeln nicht an der Tora Jahwes ausgerichtet. Der Gegensatz zwischen den früheren und der gegenwärtigen Generation in V.13ba und V.13bb.g in Verbindung mit der doppelten Begründung (JK / RVA-LY) hat Spieckermann dazu veranlasst, V.13bb.g als spätere redaktionelle Ergänzung zu betrachten, die auf den Untergang Judas zurückblicke, der im Fehlverhalten der Väter begründet gewesen sei. 31 Eine vergleichbare Argumentation begegnet in 23,25–27 – ein Textstück, das Spieckermann mit Recht als sekundäre Erweiterung einstuft 32, wo die Sünde Manasses so schwer wiegt, dass Jahwe Juda trotz der vorbildlichen Umkehr Josias nicht mehr verschonen wollte oder konnte. Weder die konzeptionelle Nähe zu V.25–27 noch der vermutlich exilische Ort der Abfassung des Textstückes rechtfertigen jedoch die literarkritische Scheidung zwischen V.13ba und V.13bb.g. Vielmehr begründet der RVA-Satz den gegenwärtigen Zorn Jahwes. Dass die Generation Josias diesen Zorn verursacht habe, wie es Spieckermann für die von ihm angenommene Grundschicht supponiert33, ist im Text gerade nicht gesagt. Stattdessen macht die Erzählung deutlich, dass der vorbildliche König, sobald er Kenntnis von der Toraschrift erhält, sein Handeln nach ihr ausrichtet und auf diese Weise als Antitypos zu den „Vätern“ figuriert (vgl. V.11). Will man nicht a priori eine ältere Stufe des Huldaorakels postulieren, besteht keine Notwendigkeit, V.13bb.g als spätere Ergänzung auszuscheiden.34 Aus dem Munde des Königs erfährt der Leser erstmals etwas über den Inhalt des Toraschriftstücks, seine Worte (JRBD), d.h. seine Einzelbestimmungen. Was teilt der Erzähler über die gefundene Schrift mit? Das Wichtigste, das der König dem Schriftstück entnimmt, ist, dass Jahwes Zorn gegen Jerusalem / Juda entbrannt ist. Dies ist der Anlass für das Kleiderzer31
Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 55–57. Vgl. a.a.O., 43–46. 33 Vgl. a.a.O., 55f. 34 Das gilt mutatis mutandis ebenso für die Argumentation bei DIETRICH, Josia, 210f., der einen Widerspruch zwischen der Schuld der Väter in V.13b und der Begründung des Gerichts in V.16f. erkennt, da in V.17 von den Bewohnern Jerusalems gesagt werde, sie hätten Jahwe verlassen und anderen Göttern gedient, worin die gegenwärtige Generation eingeschlossen gedacht sein müsse. Letzteres ist sicher richtig, jedoch liegen beide Aussagen narratologisch auf verschiedenen Ebenen: V.13b zielt auf die Feststellung des Unheilszusammenhangs, V.16f. begründen die Unaufhaltsamkeit des Gerichts über Juda und Jerusalem. 32
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reißen (V.11) und die Orakelanfrage (V.12–20). Das Toradokument muss demnach den Zorn Jahwes in irgendeiner Weise in Aussicht stellen – vielleicht in Form von Fluchworten?35 Im Folgenden werden die Ursachen genannt, die den Zorn Jahwes hervorgerufen haben (V.13bb.g): Die „Väter“, d.h. die früheren Generationen, haben ihr Handeln nicht nach den Bestimmungen des Toradokuments ausgerichtet. Das Schriftstück enthält also eine Sammlung von Bestimmungen, die an die „Väter“ ergangen waren, d.h., sie waren dem Plot der Erzählung zufolge den früheren Generationen bekannt – im Unterschied zur Generation Josias, dem die Schrift soeben zur Kenntnis gebracht wurde. Über einzelne Sätze oder Vorschriften, die auf das Schriftstück geschrieben waren, wird nichts mitgeteilt. Erst im Huldaorakel erfahren die Worte der Toraschrift eine Näherbestimmung, indem Jahwes Zorn als Folge der Verehrung fremder Götter in Juda und Jerusalem beschrieben wird (vgl. V.17). Vers 13 hingegen reflektiert grundsätzlich den handlungsorientierenden Charakter der Tora, die darauf abzielt, „das angesprochene Objekt bzw. nun eben Untersubjekt zum Handeln und Aktivwerden (zu veranlassen)“.36 Eben dieses „Handeln“, das aus dem „Hören“ der Tora resultiert, haben die „Väter“ unterlassen und damit Jahwe, der als Autor(-ität) der Toraschrift vorausgesetzt ist, erzürnt. Die Diskrepanz zwischen den Bestimmungen des Toradokuments und der praktischen Gottesverehrung liegt offen zu Tage, wie die Reaktion des Königs zeigt. Bezieht man das Verbot der Fremdgötterverehrung aus V.17 mit in die Überlegungen ein, erscheinen die religionspolitischen Maßnahmen des Königs, von denen der Reformbericht erzählt, als Wiederherstellung der rechten Jahweverehrung nach dem Grundsatz des ersten Gebots, wodurch sich der König nicht nur als Hörer, sondern als Täter der Tora Jahwes erweist. Jahwes Zorn vermag er damit jedoch nicht mehr zu besänftigen (vgl. V.16f.).37 35 Darauf weist zumindest der Wortlaut in V.19 hin (HLLQLW HMVL TWJHL). Es gehört zum Gemeingut altorientalischer Rechtsvorstellungen, dass Rechtssammlungen oder Vertragstexte Schlussklauseln enthalten, die denjenigen, die die Vereinbarungen übertreten, im Namen der Götter schwere Strafen androhen. HARDMEIER, König, 109 mit Anm. 50, weist noch auf den Zusammenhang zwischen der Verehrung fremder Götter und dem Zorn Jahwes an Stellen wie Dtn 6,14f.; 8,19f.; 9,7–21 hin. Die Formulierungen in 2Kön 22,13.16f.19 scheinen jedoch weniger eine bestimmte Textstelle im Blick zu haben, als eine theologische Konzeption, die sich am ersten Gebot orientiert. 36 WILLI, Juda, 98. „Die einzelnen … mJRBD sind … Niederschlag und Ergebnis der dahinter liegenden HRWT.“ (a.a.O., 99). 37 HARDMEIER, König, 108f., liest V.13b vor dem Hintergrund des theologischen Paradigmas von Dtn 9,7–21. Wie Mose am Horeb den Zorn Jahwes prototypisch durch die Beseitigung des gusseisernen Stierbildes abgewendet hatte, seien die kultpolitischen Reformen Josias als Nachahmung der mosaischen „Ur-Reform“ zu verstehen (vgl. Dtn 9,21 mit 2Kön 23,6.12). So wichtig der Hinweis auf die Überlieferung vom „goldenen Kalb“ für das Verständnis der josianischen Reformtätigkeit ist (s. unten, S. 486f.), so fragwür-
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Wozu aber lässt der König überhaupt ein Jahweorakel einholen, wenn er den Inhalt der Toraschrift und ihre Bedeutung doch erkannt und in seinen eigenen Worten prägnant zusammengefasst hat? Ist das eigentliche Orakel nach V.13 nicht überflüssig? Was erwartet sich der König von der Befragung Jahwes? Auf diese Frage(n) sind verschiedene Antworten gegeben worden, die jeweils mit einer bestimmten redaktionsgeschichtlichen Theorie über das Huldaorakel verknüpft sind, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann.38 Eine Antwort, die sich einer gewissen Beliebtheit erfreut, ist die Annahme, die Einholung des Orakels diene dazu, die Legitimität des gefundenen Schriftstücks zu überprüfen. Zu diesem Zweck werde die Delegation damit beauftragt, einen prophetischen Gottesbescheid zu erwirken.39 Bedurfte eine Neuerung – wie sie die schriftlich niedergelegte Tora darstellte – einer Beglaubigung durch die beiden Institutionen, die in Israel seit alters für die Vermittlung des Gotteswillens zudig bleibt die Annahme, die Konzeption von Dtn 9,7–21 bilde die literarische Voraussetzung des Reformberichts bzw. des Huldaorakels. Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass Dtn 9, 7–21 bereits eine fortgeschrittene Stufe der Überlieferung von Ex 32 voraussetzt und die Querbezüge zum Bericht über die res gestae Josias auf den Verfasser von Dtn 9 zurückgehen. Im Übrigen ist in Dtn 9,7–21 nicht die Beseitigung des Kultbildes das entscheidende Element, um den Zorn Jahwes zu besänftigen, sondern die (prophetische) Fürbitte des Mose! 38 Siehe unten, S. 154–156. 39 Diese Lösung postuliert etwa DIETRICH, Josia, 212f., für seine Rekonstruktion des vordtr Grundbestandes des Kapitels. Seine Argumentation wird jedoch dadurch stark geschwächt, dass von dem ursprünglichen Orakelbescheid nach seiner Analyse nur noch ein wenig aussagekräftiges Gerippe erhalten ist, das im Wesentlichen aus Einleitungsformeln besteht (V.15aa.b.16aa.18bb). Den vormaligen Gehalt des Orakels rekonstruiert er im freien Spiel der Assoziationen aus V.13a. – Dass im Alten Orient eine Orakelanfrage durchgeführt werden konnte, um die Legitimation eines gefundenen Schriftstücks zu erweisen, zeigen die sog. Pestgebete des hethitischen Königs Muršiliš II. Im zweiten Pestgebet berichtet Muršiliš II. davon, dass er, nachdem er wegen des Zorns der Götter, die eine Seuche in das Land Ḥatti geschickt hatten, eine Orakelanfrage gemacht hatte, zwei alte Tafeln fand, die über kultisch-rechtliche Vergehen früherer Generationen unterrichteten, die die Strafe des Wettergottes nach sich gezogen hatten. Anschließend richtete er zwei weitere Orakelanfragen an den Wettergott, um zu erkunden, ob die Vergehen, die auf den Tafeln geschrieben waren, wirklich die Ursache für die Seuche waren, die das Land Ḥatti seit langer Zeit heimsuchte. Nachdem die beiden Orakel die Angaben der Tafeln bestätigten, bekannte Muršiliš II. die Schuld seiner Vorväter und beseitigte die angesprochenen Missstände (vgl. GÖTZE, Pestgebete, 204ff.). Neben den frappierenden Übereinstimmungen mit dem Bericht in 2Kön 22 fallen bemerkenswerte Unterschiede in der Darstellung auf, unter denen die Funktion der Orakeleinholung besonders hervorsticht. Das Orakel, das Muršiliš II. einholt, zielt darauf ab, die entstandene Not zu beseitigen, während das Huldaorakel gerade die Unausweichlichkeit des bevorstehenden göttlichen Zorngerichts einschärft. Steht im Pestgebet Muršiliš II. die Autorität der gefundenen Tafeln im Mittelpunkt der zweiten Orakeleinholung, so richtet sich die Gottesbefragung des Königs Josia auf die Frage, ob der göttliche Zorn besänftigt werden könne.
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ständig waren: das Priestertum und die Prophetie?40 Es deutet jedoch im Text nichts darauf hin, dass der König an der Geltung des Toradokumentes Zweifel hat. Im Gegenteil, sowohl das Zerreißen der Kleider als auch die Begründung für die von ihm in Auftrag gegebene Gottesbefragung weisen darauf hin, dass er das bevorstehende Unheil als von Jahwe gewirkt ansieht.41 H. Spieckermann hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Einholung eines Orakels „in Zeiten der Krise oder der Not … nicht nur das alttestamentlich, sondern auch das altorientalisch Normale (ist)“ und in diesem Zusammenhang auf die altorientalische Omenliteratur verwiesen. 42 Diese Einschätzung bestätigt sich auch bei einem Blick auf die alttestamentlichen Texte, die von einer VRD-Befragung Jahwes berichten. Dabei kann die vorliegende Not sowohl im privaten als auch im politisch-militärischen Bereich liegen. Ersteres mögen diejenigen Belege illustrieren, die von einer Gottesbefragung aus Anlass einer schweren Erkrankung berichten (vgl. 1Kön 14,1–3; 2Kön 1,2f.; 8,7f. – hierher gehört wohl auch Gen 25,22 43). Von einer militärischen Notlage ist in 2Kön 3,10f. und Jer 21,1f. die Rede.44 Den Zusammenhang von Gottesbefragung und Not- bzw. Krisensituation haben auch die späteren Belege für HWHJ-TA VRD bewahrt, auch wenn der Ausdruck immer stärker die allgemeine Bedeutung „nach Jahwe fragen, sich an Jahwe halten“ annimmt und als solcher etwa in der Chronik zur stehenden Wendung für das rechte Gottesverhältnis geworden ist.45 In 2Kön 22,13 besteht der Anlass zur VRD-Befragung in dem großen Zorn Jahwes, der gegen das Volk entbrannt ist. Wenn Spieckermann zu dem Schluss gelangt, das Ziel der Orakeleinholung sei „die Enthüllung, weshalb das Buch gerade jetzt zur Kenntnis gekommen ist“46, so setzt dies sein Verständnis des ältesten Textbestandes des Orakels voraus, das einerseits den Zorn Gottes – und damit die Einschätzung des Königs aus V.11.13 – bestätige (V.16f.*), andererseits sein Eintreffen einigermaßen unbestimmt lasse (vgl. V.19f.*) und damit die
40 Oder sollte die Prophetie gemäß Dtn 18,9–22 als die einzig legitime Quelle der Offenbarung Jahwes gelten, so dass die Toraschrift einem Propheten zur Beglaubigung vorgelegt werden müsse? Hulda wird das Dokument jedoch gar nicht vorgelegt! 41 Vgl. RÜTERSWÖRDEN, Hulda, 237. 42 SPIECKERMANN, Juda, 54 Anm. 53. 43 „Der Klageruf der Mutter kann Angst vor dem Sterben, vor einer Fehlgeburt oder dem Schicksal der noch Ungeborenen ausdrücken.“ (W ESTERMANN, 504) 44 In 1Kön 22,5–17 holen die Könige von Israel und Juda ein Kriegsorakel ein, um zu klären, ob die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Feldzug günstig sind – andernfalls droht eine militärische Niederlage. 45 Vgl. GERLEMAN / RUPRECHT, VRD, 464–466. 46 SPIECKERMANN, Juda, 54.
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Möglichkeit offen halte, die Katastrophe könne vermieden werden. 47 Der ursprüngliche kairo/j des Huldaorakels wäre damit als eine letzte Mahnung zur Umkehr zu bestimmen, der der König mit seinen Reformen Folge leistet. Diese Einschätzung steht und fällt mit der literarkritischen Analyse des Huldaorakels selbst, auf die noch zu sprechen zu kommen sein wird. Hier bleibt zunächst festzuhalten, dass das Orakel in seiner Endgestalt keine Verschonung vor dem göttlichen Zorn mehr in Aussicht stellt – nur wird er nicht die gegenwärtige Generation treffen.48 Die Frage des Königs ist letztlich nicht die Frage nach dem kairo/j des Buchfundes, sondern nach der Unausweichlichkeit des göttlichen Zorneshandelns. Es ist nicht die Frage, ob Jahwe seinem Volk zürnt – dies hat der König bereits festgestellt (V.13b), sondern ob es eine Rettung vor seinem Zorn gibt. Wäre es dann aber nicht angemessener, die Funktion der Gottesbefragung in einem Gesuch um die Fürbitte des Propheten angesichts des drohenden Zorns der Gottheit zu sehen? In diesem Sinne hat U. Rüterswörden den Ausdruck DYB VRD in V.13 interpretiert.49 Er gewinnt dieses Verständnis vor allem aufgrund eines Vergleichs mit Jer 21,1f.; 37,3. In Jer 21 schickt der König Zedekia eine Delegation zum Propheten Jeremia mit dem Auftrag, der Prophet möge Jahwe „für uns“ (WNDYB), d.h. für Juda und Jerusalem, befragen, weil Nebukadnezar II. Krieg gegen „uns“ führt. Dieser Formulierung eigne der Nebensinn, der Prophet möge bei Jahwe für sein Volk intervenieren, wie sich aus der Fortsetzung „vielleicht handelt Jahwe an uns ganz wie bei seinen früheren Wundertaten, so dass er (sc. Nebukadnezar) von uns abziehen muss“ ergebe (V.2).50 Für diese Deutung spreche vor allem der sonstige Sprachgebrauch der Präposition DYB, die „charakteristisch bei Verben des Fürbittens gebraucht (werde)“.51 Unterstützt werde diese Auffassung noch durch einen Vergleich zwischen Jer 47
Vgl. a.a.O., 60–71. Vgl. 2Kön 22,19f. Die Verschonung Josias (und seiner Zeitgenossen) entspricht nicht nur seinem vorbildlichen Verhalten (vgl. V.11), sondern der einseitigen Schuldzuweisung an die „Väter“ (vgl. V.13b), worin sich wiederum die innere Geschlossenheit des Abschnitts 22,11–20 zeigt. 49 Vgl. RÜTERSWÖRDEN, Hulda, 237–239. 50 Vgl. a.a.O., 238f. Ähnliches ist bei FISCHER, 634, zu lesen: Die Hoffnung, die sich in den Worten Zedekias ausspricht, „unterlegt der Aufforderung ‚befrag!‘ zu Beginn zumindest als zusätzliche Nuance ein flehendes Vortragen dieses Ansinnens an Gott …; solches aber ist Jeremia verboten …“ Das Verbot der Fürbitte, das Jeremia nach Jer 7, 16f.; 11,14 u.ö. von Jahwe erteilt wurde, ist mit LLP Hitp. oder vergleichbaren Verben verbunden, nirgends aber mit VRD konstruiert. Dies ist kein Zufall, sondern markiert einen Unterschied in der Bedeutung der beiden Lexeme (vgl. Jer 37,3). 51 RÜTERSWÖRDEN, Hulda, 239. Er stützt sich dabei auf einen Hinweis bei W ILDBERGER, 352, der verschiedene Verben der Fürbitte aufführt, die mit DYB konstruiert werden können (LLP Hitp., RTY Hif., QYX u.a.), ohne die semantischen Unterschiede zwischen den einzelnen Wurzeln zu beachten. 48
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37,1–8 und Jer 21,1–6, die eine Reihe inhaltlicher und formaler Übereinstimmungen aufweisen. Mit W. Thiel sei das Verhältnis beider Abschnitte zueinander so zu bestimmen, dass Jer 21,1–6 literarisch von Jer 37 abhängig ist.52 In Jer 37,3 lautet der Auftrag des Königs an den Propheten Jeremia „bitte doch für uns (WNDYB AN-LLPTH) zu Jahwe, unserem Gott“. „Hierfür steht in Kap.21: ‚befrage doch für uns (drš-n’ b‘dnw) Jahwe‘. Das heißt: In deuteronomistischer Diktion kann man dāraš ba‘ad sagen, wenn man ausdrücken will, daß jemand Fürbitte leisten soll.“ 53 Dieser Rückschluss ist jedoch in mancherlei Hinsicht problematisch. Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Präposition DYB ursprünglich zur Bezeichnung einer räumlichen Distanz zwischen zwei Größen dient, die in übertragenem Sprachgebrauch die Person bzw. Personengruppe einführt, für die eine Mittlergestalt stellvertretend vor der Gottheit eintritt.54 Die Verwendung der Präposition DYB signalisiert dabei den Aspekt der (räumlichen) Stellvertretung. Der Gedanke der Fürbitte ist dagegen allein aus der Semantik des jeweils gebrauchten Verbs zu entnehmen (meist LLP Hitp.). Die Wurzel VRD hat ein sehr weites Bedeutungsspektrum, umfasst aber primär die kognitive Sphäre „sich nach etwas erkundigen, fragen“. 55 Diese Bedeutung hat das Verb auch an den Stellen, die von einem Befragen Jahwes durch einen Propheten oder Gottesmann erzählen. Dass die Frage nach dem Ausgang der Not stets das Flehen des Notleidenden (bzw. des Mittlers) zu Gott impliziere, wie es C. Westermann postuliert hat56, lässt sich den einschlägigen Passagen nicht zwingend entnehmen. So erwarten sich Saul und sein Diener von dem Gottesmann schlicht eine Auskunft über den Verbleib der vermissten Eselinnen (vgl. 1Sam 9,6), und die Könige von Israel und Juda ersuchen Jahwe um ein Orakel über den Ausgang einer Schlacht (vgl. 1Kön 22,5f.; 2Kön 3,10f.). Selbst bei den Texten, die für Westermanns These den Ausgangspunkt gebildet haben, die Gottesbefragungen aus Anlass einer schweren Krankheit, steht nicht ein fürbittendes Eintreten des Propheten im Vordergrund, sondern die Frage, ob der Erkrankte wieder genesen wird (vgl. 1Kön 14,3; 2Kön 1,2; 8,8). 57 Weder die 52 Vgl. THIEL, Jeremia 1–25, 231–234. Thiel zufolge ist Jer 21,1–7 als eine dtr Nachbildung von Jer 37,1–11 zu beurteilen, die auf verschiedene Stücke des Jeremiabuchs zurückgreift (vgl. auch FISCHER, 671). Die größten Übereinstimmungen zwischen beiden Texten bestehen allerdings in den Abschnitten, die von der Entsendung einer Delegation zum Propheten und dessen Auftrag zur Fürbitte / Orakeleinholung sprechen, mithin formelhaftes Gut enthalten (vgl. die kritischen Bemerkungen bei MCKANE, 492–494). 53 RÜTERSWÖRDEN, Hulda, 239. 54 Siehe oben, S. 114f. 55 Vgl. GERLEMAN / RUPRECHT, VRD, 461. 56 Vgl. WESTERMANN, Begriffe. 57 Dieses Moment wird von Westermann überspielt, wenn er konstatiert: „Doch handelt es sich dabei (sc. bei der Befragung) nun gewiß nicht nur um das Einholen einer
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Wurzel VRD noch die Verwendung der Präposition DYB legen also den Gedanken an eine prophetische Fürbitte nahe. Dies gilt genau genommen auch für Jer 21,2: Der König Zedekia beauftragt Jeremia, Jahwe für ihn und das Volk zu befragen, d.h. ein Orakel über den Ausgang des Krieges gegen den babylonischen König Nebukadnezar II. einzuholen. Der Nachsatz in V.2b drückt – im Rückgriff auf die Errettung Jerusalems vor Sanherib unter Hiskia (vgl. 2Kön 19,1–7) 58 – die Hoffnung des Königs auf ein günstiges (Kriegs-)Orakel aus, die jedoch nicht bestätigt wird. Dass der Prophet Fürbitte geleistet hätte, wird nicht erwähnt – sie war ihm nach Jer 7,16f. sogar ausdrücklich verwehrt. 59 Die abweichende Formulierung in Jer 37,3 (LLP Hitp. + DYB) erklärt sich aus der vorausgesetzten Situation, die sich von derjenigen in Jer 21,1f. unterscheidet: In Jer 37,1–5 herrscht keine akute Notsituation vor wie in Jer 21, sondern die trügerische Ruhe angesichts des militärischen Entsatzes durch die Hilfstruppen eines ägyptischen Heeres, die zu einer kurzfristigen Aufhebung der Belagerung Jerusalems führten.60 In dieser Situation ersucht der König kein Kriegsorakel, sondern das Gebet des Propheten für das Volk.61 Der Versuch per Analogieschluss für DYB VRD in Jer 21,2 die Bedeutung „Fürbitte leisten“ aus Jer 37,3 zu gewinnen, ist daher methodisch fragwürdig.62 Dann muss aber auch für 2Kön 22,13 gelten, dass DYB VRD Auskunft …, das Sich-Wenden an Jahwe, auch wenn es scheinbar nur eine Frage ist, impliziert das Flehen des Kranken zu Gott, daß er gesund werden möchte.“ (a.a.O., 18). 58 Vgl. MCKANE, 496. 59 Siehe oben, S. 121 Anm. 50. 60 Vgl. MCKANE, 493. 61 Es ist bemerkenswert, dass in Jer 37,3 kein konkreter Anlass genannt ist, aus dem Zedekia zu Jeremia senden lässt. Die rahmenden Verse 1–2 und 4–5 geben lediglich eine allgemeine Situationsbeschreibung (anders FISCHER, 313, mit Verweis auf V.9 – inwieweit hier gegenüber 21,2 von einer „erhöhten Gefahr“ gesprochen werden kann, bleibt jedoch rätselhaft). In V.7 wird das Anliegen des Königs aus V.3 im Munde Jahwes mit der Wendung HWHJ VRD wieder aufgenommen, was zunächst darauf hindeuten könnte, dass beide Ausdrücke, LLP Hitp. und VRD, hier synonym gebraucht werden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Wechsel in der Terminologie eine Veränderung des Sachgehalts der Aussage impliziert. Die erwünschte Fürbitte ist dem Propheten nach Jer 7,16; 11,14 untersagt, stattdessen kündet er den bevorstehenden Untergang Judas an (vgl. F ISCHER, 314f.). Der Wandel im Verständnis der prophetischen Wirksamkeit könnte kaum deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. 62 Das gilt übrigens in gleicher Weise für den Versuch, in Jes 8,19, der zweiten Stelle, an der die Verbindung VRD + DYB im Alten Testament neben 2Kön 22,13 belegt ist, den Gedanken der Fürbitte eintragen zu wollen. Vielmehr geht es in diesem Text um den Prozess der Befragung (VRD) der verstorbenen Ahnen für die Lebenden (mJJCH DYB). Die Verwendung der Präposition DYB weist hier kaum auf ein intervenierendes Handeln der als Schutzgötter verstandenen Ahnen hin, wie es H. Wildberger aufgrund der sonstigen Verbindung der Präposition mit Verben der Fürbitte angenommen hat (vgl. DERS., 352), sondern deutet an, dass Totenbefragungen mit Hilfe einer Mittlergestalt durchgeführt
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nicht „Fürbitte leisten“ bedeutet, sondern das Einholen eines Orakels angesichts des bevorstehenden Unheils durch den Zorn Jahwes. Worin aber soll der Sinn eines solchen Orakels liegen, wenn der Tatbestand des göttlichen Zornes bereits durch den König konstatiert wird (vgl. V.13b)? Ist das Orakel nicht letztlich überflüssig?63 Oder stellt die Vorwegnahme des wesentlichen Inhalts des Orakels durch die Rede des Königs „gerade die besondere Technik der Darstellung dieser Szene“ dar, die darauf abzielt, dass das Orakel nur noch bestätigt, „was der vorbildliche König nach Inhalt und Konsequenzen selbst erkannt hat“?64 Hierzu ist noch einmal an den Befund der übrigen VRD-Befragungen mit Jahwe als direktem Objekt zu erinnern, bei denen stets eine Notsituation den Anlass zur Orakeleinholung bildete. In allen Fällen zielt die Orakelanfrage darauf ab, welchen Ausgang die gegenwärtige Krisensituation nehmen wird: Der König erkundigt sich, ob der Krieg einen für ihn günstigen Verlauf nehmen oder ob er von seiner Krankheit genesen wird. Von diesem Befund her ist auch für 2Kön 22,13 anzunehmen, dass das Jahweorakel die Funktion hat zu klären, ob Jahwes Zorn sich über sein Volk ergießen, oder ob er sein Volk verschonen wird.65 Der vorliegende Text des Huldaorakels gibt dann auch genau auf diese Frage eine Antwort: Jahwe wird das Unheil über „diesen Ort und seine Bewohner“ bringen, wie es in der Toraschrift geschrieben ist – sein Zorn kann nicht mehr besänftigt werden, er ist zu groß (V.16f.). Selbst das untadelige Verhalten des Königs vermag daran nichts zu ändern. Er wird das kommende Unheil zwar selbst nicht mit ansehen müssen, Juda und Jerusalem jedoch werden untergehen (V.19f.). Das Huldaorakel ist in der narrativen Disposition des Kapitels also keineswegs überflüssig, vielmehr teilt es den entscheidenden, letztgültigen Beschluss Jahwes über das Schicksal seines Volkes mit, der die Ereignisse von einer Warte jenseits des Gerichts betrachtet, von der aus die Tage des Königs Josia lediglich als ein interim erscheinen. Über das Huldaorakel ließe sich sagen, es biete eine „Ätiologie des Untergangs“; sein Blick ist rückwärts,
wurden, wie es die Erzählung von König Saul bei der Frau in En-Dor illustriert (1Sam 28,7–20). Das Verb VRD hat hier wie sonst auch die Bedeutung „sich nach etwas erkundigen, fragen“ (vgl. die kontextuelle Beziehung zu HRWT und HDWYT in V.16.20), nur steht die Befragung der Toten in deutlichem Kontrast zur Befragung Jahwes (vgl. 1Sam 28,6f.) bzw. seiner Propheten (vgl. Jes 8,16–18; Dtn 18,9–12), vgl. BLENKINSOPP, 242, der den Ausdruck HDWYTLW HRWTL aus V.20a zum vorhergehenden Satz zieht. 63 Vgl. DIETRICH, Josia, 211. 64 HOFFMANN, Reform, 191 Anm.4. 65 Vgl. auch HARDMEIER, König, 107: „Vielmehr beschränkt sich Joschijas Anfrage präzise darauf, wie sich die erkannte Zornesdrohung auf ihn selbst, auf das Volk sowie auf Juda auswirken wird.“
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nicht vorwärts gewandt – zwar nicht in narratologischer, wohl aber in theologischer Perspektive.66 Vers 14 bildet die narrative Überleitung zum Wortlaut des Orakels selbst. Es wird knapp geschildert, dass die Gesandtschaft, deren Mitglieder bis auf den Priester Hilkia nur mit ihrem Namen genannt werden (vgl. V.12), zu der Prophetin Hulda geht und sie über das Anliegen des Königs unterrichtet (V.14b). Dass die Männer einen Propheten bzw. eine Prophetin aufsuchen sollen, war zwar in der Rede des Königs nicht erwähnt worden, legt sich aber vor dem Hintergrund der übrigen Belege für VRDBefragungen im Alten Testament nahe und braucht nicht weiter zu überraschen.67 Viel diskutiert wurde hingegen die Frage, warum die Delegation ausgerechnet die Prophetin Hulda aufsucht und nicht Jeremia oder einen anderen der bekannten Propheten jener Zeit.68 In jedem Fall wird ihre Einführung in V.14 sehr breit dargestellt: Neben ihrem Titel HAJBNH werden der Name ihres Mannes mit doppelter Filiation und Berufsbezeichnung
66 Dass damit kein absolutes Vernichtungshandeln Jahwes intendiert ist, versteht sich von selbst. Eine Zukunftsperspektive eignet dem Textstück jedoch nur sehr gebrochen, indem das Verhalten Josias zwar vorbildlich ist, er den Untergang Judas aber nicht aufzuhalten vermochte. 67 Vgl. 1Sam 9,9; 1Kön 14,5; 22,8; 2Kön 3,11; 8,8; Jer 21,2. Der Gottesbefragung durch einen Propheten Jahwes steht das Verbot einer Orakeleinholung mittels anderer, magischer Praktiken kontrastiv gegenüber (vgl. Dtn 18,9–12; Jes 8,19f.). In Gen 25,22 wird keine Mittlerinstanz erwähnt. Der Tatbestand, dass Rebekka einen nicht näher bezeichneten Ort aufsucht, um Jahwe zu befragen, spricht jedoch dafür, dass die Erzählung eine vergleichbare Situation voraussetzt, wie die VRD-Befragungen in den Samuel- und Königsbüchern (vgl. WESTERMANN, 504). 68 Bereits die rabbinische Diskussion hat sich diese Frage gestellt und verschiedene Antworten erwogen: „Wieso durfte sie (sc. Hulda) prophezeien, wo Jeremia da war? In der Schule Rabhs erklärten sie im Namen Rabhs: Hulda war eine Verwandte Jeremias (vgl. Jer 32,7) und er nahm es ihr nicht übel. Wieso aber überging Josia den Jeremia und sandte zu ihr? In der Schule Rabbi Šilas erklärten sie: Weil die Frauen mitleidig sind.“ (bMeg 14b) Vor allem letztere Möglichkeit hat Eingang in die wissenschaftliche Diskussion gefunden: „Der König wünscht womöglich ein günstiges Orakel und hofft, dies von einer Frau zu erlangen, deren prophetische Tätigkeit keinen pessimistischen Anstrich hatte.“ (ŠANDA, 334). Diese Überlegungen setzen voraus, dass der König die Delegation zu Hulda geschickt hätte, was ausweislich des Textes nicht der Fall war – die Entscheidung, die Prophetin Hulda aufzusuchen, scheint die Gesandtschaft selber getroffen zu haben. Die Fragestellung berührt sich mit dem häufig diskutierten Problem des „deuteronomistischen Prophetenschweigens“ (vgl. KOCH, Profetenschweigen). Kochs Auffassung, das Prophetenschweigen des Deuteronomistischen Geschichtswerks (mit Ausnahme von 2Kön 18–20) erkläre sich aus einem theologischen Vorbehalt gegenüber der unbedingten Unheilsankündigung der „Schriftpropheten“, ist wenigstens für das Huldaorakel problematisch. Liegt die Antwort auf diese Frage vielleicht in der historischen Kontingenz der Ereignisse, von denen sich hier einige Erinnerungsspuren erhalten hätten, oder verdankt sich die Szenerie ganz der literarischen Konstruktion (s. unten, S. 489 Anm. 57)?
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und ihr Wohnort genannt. Was kann aus diesen Angaben über die Person der Hulda entnommen werden? Der Name Hulda bedeutet nach der wahrscheinlichsten etymologischen Herleitung „Stumpfschnauzenmull“, eine spalax-Art, die in Lev 11,29 unter den unreinen Tieren aufgeführt wird.69 Nun sind Tiernamen im Alten Orient nicht ungewöhnlich, und das gilt auch für solche Tiere, die man nicht essen durfte, wie das Beispiel des Schreibers Schafan zeigt, dessen Name „Klippdachs“ bedeutet, ein kaninchengroßes Säugetier, das nach Lev 11,5 ebenfalls unter die unreinen Tiere gerechnet wurde. Schwierig bleibt die Annahme einer genealogischen Verbindung zwischen Hulda und dem Propheten Jeremia, wofür die Erwähnung eines Schallum, eines Onkels Jeremias, in Jer 32,7 herangezogen worden ist.70 Es ist jedoch fraglich, ob die beiden Namensträger in Jer 32,7 und 2Kön 22,14 identisch sind.71 Hulda ist eine der wenigen Frauen, der im Alten Testament der Titel HAJBN beigelegt wird.72 Wie ein Blick auf die neuassyrischen Prophetien aus der Zeit der Könige Asarhaddon und Assurbanipal zeigt, in denen Frauen häufig in prophetischer Funktion begegnen, bleibt die Erzählung mit der Befragung einer Prophetin jedoch im Rahmen des alttestamentlich und altorientalisch Erwartbaren. Huldas Rang ist demjenigen der übrigen Propheten gleichgestellt. Ob sie im Umkreis des Tempelkultes oder als freie Prophetin tätig war, ist nicht bekannt. Die Berufsbezeichnung ihres Mannes RMV mJDGBH („Kleiderverwalter“) deutet darauf hin, dass er zum Kreis der königlichen Beamtenschaft gehörte, für Hulda mithin Beziehungen zum Königshof wahrscheinlich sind. 73 Der Weg, den die Gesandtschaft zurücklegen muss, ist nicht sehr weit, denn die Prophetin wohnt in Jerusalem, genauer in der „Zweit- oder Neustadt“, d.h. auf dem Gebiet der Stadterweiterung auf dem SW-Hügel, die gegen Ende des 8. Jh.s v. Chr. mit einer Stadtmauer umgeben worden war.74 Hulda ist also eine Jerusalemer Prophetin mit Verbindungen zum Königshof, bei der man ein Jahweorakel einholen konnte. Diese Angaben genügen, um sie als geeignete Adressatin der königlichen Gesandtschaft zu qualifizieren.75 69
Vgl. RÜTERSWÖRDEN, Hulda, 235. Vgl. die Diskussion bei COGAN / TADMOR, 283. 71 Der maskuline Personenname war verbreitet, vgl. HAL3, 1399. 72 Neben Hulda werden noch Mirjam (Ex 15,20), Debora (Jdc 4,4), die Frau des Propheten Jesaja (Jes 8,3) und Noadja (Neh 6,14) als „Prophetin“ bezeichnet. Nur von Hulda ist jedoch eine „Prophezeiung“ überliefert. 73 Die genaue Bedeutung des Titels und seine Stellung im Verwaltungsapparat sind unklar (vgl. SPIECKERMANN, Juda, 58f. mit Anm. 59). 74 Vgl. dazu jetzt GEVA, Excavations I; DIES., Excavations II; DIES., Excavations III. Geva gelangt zu dem Schluss, dass der SW-Hügel in der späteren Eisenzeit nur dünn besiedelt war, wofür landwirtschaftliche Installationen und große Freiflächen innerhalb des ummauerten Stadtgebietes sprechen. 75 Rüterswörden versteht die literarische Gestaltung der Hulda vor dem Hintergrund der dtn / dtr Prophetenkonzeption von Dtn 18,9–21. „Hulda (ist) die zur Zeit Josias amtierende Inhaberin des mosaischen Prophetenamtes“ (DERS., Hulda, 241). Als solche ist sie Fürbitterin für das Volk und Künderin der Tora, d.h. in dtn / dtr Perspektive des Deuteronomium (vgl. a.a.O., 231–241). Daran ist zunächst einmal richtig, dass sich die königliche Gesandtschaft an eine Prophetin wendet, die nach Dtn 18,15–21 den Willen Jahwes dem Volk (und dem König) kundtut. Dagegen kann der Aspekt der Fürbitte nur unter fragwürdigen semantischen Voraussetzungen in den Text eingetragen werden (s. oben, S. 121–124). Hulda ist fraglos eine legitimierte Künderin des Wortes – ob sie zugleich Inhaberin eines besonderen, mosaischen Amtes ist, sei dahin gestellt. 70
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Das anschließende Orakel zeigt einen kunstvollen Aufbau und entspricht in seiner dichotomischen Struktur der Beauftragung aus V.13, wobei die Unheilsankündigung gegen das Volk (V.15–17) und das Heilswort für den König (V.18–20) die Reihung aus V.13 in chiastischer Folge aufnehmen. Der Wortlaut des zweiteiligen Orakels weist neben einer Reihe von wörtlichen Berührungen mit seiner Einleitung in V.11–14 76 zahlreiche Stichwortverbindungen zu den übrigen Abschnitten des Berichts über die res gestae des Königs Josia auf 77, die erkennen lassen, dass das Huldaorakel eng mit seinem literarischen Kontext verzahnt ist und auf den umfassenden Geschehenszusammenhang von 2Kön 22–23 voraus- bzw. zurückblickt. Auf diese Beobachtungen wird im Zusammenhang mit der Frage nach dem literarhistorischen Ort des Huldaorakels noch einmal zurückzukommen sein. Zunächst sind jedoch die Kompositionsstruktur des Textes genauer zu beschreiben und seine narratologische Funktion zu ermitteln. Die beiden Teilorakel sind weitgehend parallel aufgebaut und sowohl inhaltlich als auch formal eng aufeinander bezogen.78 76 Aus dem ersten Orakelspruch sind hier vor allem die inhaltliche Näherbestimmung des kommenden Unheils im Sinne der Bestimmungen der Toraschrift ( RPOH JRBD LK V.16b, vgl. V.13ab) und die Rede vom göttlichen Zorn (TZJ + HMC), die in dieser Formulierung nur in 2Kön 22,13.17 belegt ist, zu nennen. Das zweite Teilorakel nimmt das Wortfeld der Selbstminderungsriten aus V.11b auf (v.a. YRQ + DGB, vgl. V.19) und kontrastiert das Verhalten der früheren Generationen (YMV, V.13b) mit dem des Königs. Darüber hinaus greifen die beiden Orakeleinleitungen in V.15.18a die Situation und Wortwahl aus V.13a auf (bes. VRD mit HWHJ als Objekt in V.13a.18a). 77 Der Bericht über die Auffindung des Toraschriftstücks wird vorausgesetzt ( JRBD AZMNH RPOH, vgl. V.13.16), ebenso der Bericht über die Kultreformen des Königs (vgl. RFQ Pi. + mJRCA mJHLA V.17, vgl. 23,5) samt der Selbstverpflichtungszeremonie in 23,1– 3 (ARQ mit dem König als Subjekt + RPOH JRBD LK in 22,16; 23,2). Die Ankündigung der Grablegung des Königs in 22,20 blickt auf den hinteren Königsrahmen voraus (vgl. die Wurzel RBQ in 23,30). Schließlich kann noch auf die Verwendung der Wurzel OYK Hif. in Verbindung mit dem Motiv des Zornes Jahwes in 23,26 verwiesen werden, wenngleich dort nicht HMC sondern pA für den Zorn Gottes verwendet wird. 78 Die strukturelle Parallelität der beiden Teilorakel lässt sich besonders gut an den jeweiligen Orakeleinleitungen demonstrieren, die weitgehend dem gleichen Muster folgen, jedoch unterschiedlichen Kommunikationsebenen zuzuordnen sind. Beide bestehen aus einer Beauftragungsformel mit anschließender Boten- bzw. Zitationsformel, die das Gotteswort einleitet (V.15b–16aa bzw. 18a.ba). Die beiden Elemente der Beauftragungsformel sind parallel gestaltet und begegnen in chiastischer Abfolge. Funktional entsprechen sich die Beauftragung WRMA / (WJLA) WRMAT HK und die Adressatenangabe VJAL / kLM LA HDWHJ, sowie die Näherbestimmung JLA mKTA CLV-RVA / HWHJ-TA VRDL mKTA CLVH, die deutlich macht, dass es sich bei dem Adressaten trotz seiner divergierenden Bezeichnung um die gleiche Person handelt. Die kontextuell bedingten Abweichungen sind durch die unterschiedliche Sprechperspektive beider Einleitungen begründet. Die enge Verknüpfung beider Orakelsprüche zeigt sich aber auch an verschiedenen Leitworten, die die Zusammengehörigkeit beider Teilorakel unterstreichen: Hierzu gehört zuerst die „Wiederaufnahme“ der Wendung AWB Hif. + HYR aus V.16a in V.20a, die gemeinsam mit der
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Der erste Teil besteht aus einer Unheilsansage gegen das Volk, die die klassische Form des prophetischen Gerichtsworts aufweist, die Zitationsbzw. Botenformel und das anschließende Drohwort jedoch vor den Schuldaufweis stellt. Diese Umstellung mag mehrere Gründe haben: zum einen ist ein Schuldaufweis im Zusammenhang mit VRD-Befragungen ungewöhnlich, da diese, wie bereits erwähnt, auf einen positiven oder negativen Gottesbescheid in einer Notsituation abzielen, der keiner weiteren Begründung bedarf.79 Zum anderen ergibt sich aus dieser Umstellung in beiden Teilorakeln ein chiastisches Entsprechungsverhältnis zwischen den Elementen „Ankündigung“ und „Begründung“. V.16 (Unheils-)Ankündigung für das Volk
V.19 Begründung
V.17 Begründung
V.20a (Heils-)Ankündigung für den König
Damit hängt schließlich auch der Wegfall des das Drohwort gewöhnlich einleitenden nKL in V.16 zusammen, das nach der Umstellung der beiden Formelemente vor dem Schuldaufweis funktionslos geworden ist. Eingeleitet wird das erste Orakel durch eine erweiterte Form der Boten- oder Zitationsformel, die Jahwe als den Gott Israels80 vorstellt (vgl. V.18b).81 Dies ist hier wohl nicht nur ein Ehrentitel, sondern bringt gleichzeitig den Anspruch Jahwes gegenüber dem ganzen Volk zum Ausdruck, dem das folgende Gerichtswort gilt.82 Die anschließende „Beauftragungsformel“ in V.15b („geht zu dem Mann, der euch zu mir gesandt hat“) ist bereits Teil der Gottesrede (vgl. V.15ab). Damit stimmt die Beobachtung überein, dass der König die Gesandtschaft nach 22,13 (vgl. V.18a) beauftragt hat, Jahwe Objektergänzung HXH mWQMH LY + WJBVJ LY (V.16a.20a, vgl. V.19a) eine inclusio um das zweiteilige Orakel bildet, des weiteren die Wurzel RBD (V.16.18f.) und das Wortfeld des „Hörens“ (YMV) und „Rufens“ (ARQ) in V.16.18b–19a. 79 Die einzige Ausnahme neben 2Kön 22,15–20 findet sich in dem stark erweiterten prophetischen Gerichtswort 1Kön 14,7–11, in dem das klassische Gattungsformular beibehalten wird (Scheltwort bzw. Schuldaufweis in V.7–9, Drohwort in V.10f.). Lediglich die Botenformel wird in 1Kön 14,7 vorangestellt, was vermutlich damit zusammenhängt, dass hier – wie in 22,15–20 – nicht der Prophet selber das Gotteswort übermittelt, sondern eine weitere Mittelsperson (vgl. 2Kön 1,3f. mit 1,6). Auf diese Weise wird das Prophetenwort als Ganzes als Wort Jahwes gekennzeichnet. 80 Israel ist hier nicht mehr Bezeichnung für die politische Größe des ehemaligen Nordreichs, sondern schließt alle Bevölkerungsgruppen ein, die zum Volk Gottes gehören, und spiegelt das Sonderverhältnis des Volkes zu Jahwe wider. 81 Vgl. zur erweiterten Form der Boten- bzw. Zitationsformel DIETRICH, Prophetie, 70f. 82 Die Wiederholung der Langform der Botenformel in V.18ba signalisiert wiederum die Zusammengehörigkeit beider Orakelteile.
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zu befragen, nicht jedoch die Prophetin Hulda aufzusuchen, so dass sich das Suffix der 1.Pers. c. Sg. in V.15b nach dem Kontext nur auf Jahwe beziehen kann, nicht aber auf die Prophetin.83 Jahwe selbst sendet die Delegation zum König zurück, der hier lediglich als VJA („Mann“) bezeichnet wird, d.h. „unter Ausblendung seiner königlichen Funktion“.84 Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass der König selbst nicht der eigentliche Adressat des Gotteswortes ist, sondern in Entsprechung zu V.13a das Volk. Dazu passt, dass der König in V.16f. nicht direkt angesprochen wird, sondern nur in 3. Person von ihm die Rede ist. Damit treten der König und das Volk in der Beurteilung Jahwes auseinander, worin sich wiederum die Doppelstruktur des Orakels andeutet. Die folgende Unheilsankündigung (V.16b–17) wird ihrerseits durch die Kurzform der Boten- bzw. Zitationsformel (HWHJ RMA HK) eingeleitet, sodass das Wort der Gesandtschaft gegenüber dem König als Gotteswort gekennzeichnet wird. Es liegt mithin keine Doppelung zu V.15ab vor, da beide Vorkommen der Formel auf unterschiedlichen Kommunikationsebenen im Text begegnen. Die Kommunikationsstruktur des ersten Teilabschnitts kann graphisch wie folgt veranschaulicht werden: 85 K1 K2 K3 K4 K5
Und sie (sc. Hulda) sprach zu ihnen: (V.15aa) „So hat Jahwe, der Gott Israels, gesprochen: (V.15ab) ‚Sagt dem Mann, der euch zu mir gesandt hat: (V.15b) So hat Jahwe gesprochen: (V.16aa) Siehe, ich bringe Unheil zu diesem Ort und über seine Bewohner …‘“ (V.16ab–17)
Die Gesandtschaft wird von Jahwe mit der Ausrichtung des Gerichtsworts beauftragt, das auf diese Weise besonders betont wird.86 Eine vergleichbare Kommunikationsstruktur findet sich in Jer 37,6f. Nachdem der König Zedekia eine Delegation zum Propheten Jeremia geschickt hatte mit der Aufforderung, für das Volk zu Jahwe zu beten (V.1–3), ergeht das Wort Jahwes an Jeremia: „So hat Jahwe, der Gott Israels, gesprochen: ‚So sollt ihr zu dem König von Juda sprechen, der euch zu mir geschickt hat, um mich zu befragen: Siehe, das Heer des Pharao, das ausgezogen ist euch zur
83 Anders argumentiert SPIECKERMANN, Juda, 61, der aus der Parallelität der Orakeleinleitungen in V.15 und V.18 auf eine gemeinsame Kommunikationsebene beider Verse schließt, ohne deren kontextuelle Einbettung zu berücksichtigen, und V.15ab als sekundäre Zufügung ausscheidet. 84 HARDMEIER, König, 112. 85 Vgl. a.a.O., 109. 86 Nach HARDMEIER, König, 111f., schließt die Botenformel in V.15ab die Gesandtschaft in den Adressatenkreis des ersten Teilorakels mit ein. Doch ist die Adressierung des Orakels unabhängig von der Botenformel in V.15.
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Hilfe, kehrt zurück in sein Land, nach Ägypten …‘“ (V.7).87 Die Struktur der Orakelerteilung gleicht derjenigen in 2Kön 22,15–17 mit Ausnahme der Zitationsformel als Eröffnung der eigentlichen Botenrede, die in Jer 37,7 fehlt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Argumentation bei Spieckermann 88, die erweiterte Form der Zitationsformel in V.15ab sei eine sekundäre Nachbildung der Formel aus 22, 18ba, problematisch. Weder liegt hier eine Doppelung zu V.16aa vor, wie Spieckermann behauptet, noch ist es zutreffend, dass der Formel vor V.15b „keine sinnvolle Funktion“89 zukomme, wie die Analyse der Kommunikationsebenen des Textes und der Vergleich mit Jer 37,6f. gezeigt haben. Schließlich kann aus 22,18 trotz der weitgehend parallelen syntaktischen Struktur beider Orakeleinleitungen nicht gefolgert werden, dass die Beauftragungsformel in V.15b zur Prophetenrede gerechnet werden müsse, da die Kommunikationsstruktur des zweiten Teilorakels sich von der des ersten signifikant unterscheidet. Darüber hinaus bestätigt die Formulierung in V.18a gerade den Rückbezug der 1.Pers. c. Sg. in V.15b auf Jahwe (vgl. die parallele Konstruktion in Jer 37,7!). Es gibt somit keine zwingenden Gründe für eine literarkritische Ausscheidung von V.15ab aus der vorliegenden Gesamtkomposition.
Ab V.16ab.b schließt sich die Unheilsansage an, die durch HNH + Partizip eingeleitet wird: „Siehe, ich lasse Böses kommen über diesen Ort und über seine Bewohner“.90 Die Ankündigung ist zunächst recht allgemein gehal-
87 Die Textform der Septuaginta in Jer 37,7 setzt voraus, dass Jahwe Jeremia beauftragt, dem König das Gotteswort selbst auszurichten. Dass die griechische Überlieferung an dieser Stelle den ursprünglichen Text bewahrt hat, erscheint ebenso zweifelhaft wie die Annahme, die Septuaginta betrachte das Gotteswort in V.6f. isoliert von der Gesandtschaft in V.1–3 (vgl. MCKANE, 924). Dagegen spricht schon der Ausdruck to\n a>posteila/nta pro\j se/, der ohne die Angaben aus V.1–3 in der Luft hinge. 88 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 61. DIETRICH, Prophetie, 56, weist V.15ab zusammen mit V.16ab–18ba DtrP zu, für den die erweiterte Form der Boten- bzw. Zitationsformel charakteristisch sei. 89 SPIECKERMANN, Juda, 61. 90 Die Inkongruenz der Präpositionen genügt nicht, um den Ausdruck WJBVJ-LYW in V.16ab als sekundären Nachtrag aus V.19a zu erweisen, wie SPIECKERMANN, Juda, 61 Anm. 66, es voraussetzt. Der Wechsel zwischen LA und LY ist selbst innerhalb der Belege für eine Konstruktion mit AWB Hif. + HYR häufig zu beobachten, ohne dass dabei eine erkennbare Systematik zutage träte, die obendrein redaktionsgeschichtliche Schlüsse erlauben würde (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 128f.). – Dagegen hat S WEENEY, King Josiah, 47–50, den Wechsel im Präpositionalgebrauch als eine redaktionelle Anspielung auf 1Kön 21,21 interpretiert, die dazu diene, zwei ursprünglich selbständige Orakelsprüche (vgl. V.17.18b und V.19–20a*) zu einer irreversiblen Gerichtsansage zusammenzubinden, indem das Heilswort in V.19–20a* nach dem Vorbild von 1Kön 21, 27–29 im Sinne einer Verzögerung des Gerichts um eine Generation umgedeutet werde. Das ältere Orakel habe dagegen von einer Rücknahme des göttlichen Zornes als Folge der Buße des Königs gesprochen. Es ist jedoch fraglich, ob der Wechsel im Präpositionalgebrauch die redaktionskritische Hypothese zu tragen vermag (s. oben), zumal der Aspekt der Verzögerung des Gerichts erst aus der Fortführung des Ko-Textes in 1Kön 21,
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ten, repräsentiert jedoch einen geprägten Sprachgebrauch, der vorwiegend im Jeremiabuch und in redaktionellen Textstücken der Königsbücher belegt ist.91 Ihr Inhalt wird durch das asyndetisch angeschlossene Akkusativobjekt „alle Worte des Schriftstücks, die der König von Juda (vor-)gelesen hat“ dahin erläutert, dass Jahwes Zorn, der gemäß des Toraschriftstücks gegen Jerusalem (und Juda) entbrannt ist (vgl. V.13b), über diesen Ort und seine Bewohner kommen wird.92 M.a.W., die Folgen, die das Toradokument für den Ungehorsam des Volkes in Aussicht stellt und deretwegen der König Jahwe befragen lässt, werden über das Volk hereinbrechen. Das kommende Unheil wird zwar (noch) nicht weiter konkretisiert, die Orakelanfrage des Königs wird in ihrem zweiten Teil (mYH-DYB) jedoch eindeutig beantwortet: Jahwe wird seinen Zorn vollstrecken, so wie es im Toraschriftstück angekündigt ist. Der Rückverweis auf „alle Einzelworte des Schriftstücks“ (RPOH JRBD-LK) nimmt wörtlich auf den Anlass der Jahwebefragung aus V.13ab Bezug: Jahwe wird das in den Bestimmungen des Toraschriftstücks angekündigte Unheil heraufführen, die vom König avisierte Notsituation kann nicht mehr abgewendet werden. Damit ist zugleich deutlich, dass die beiden von der Partizipialkonstruktion abhängigen Akkusativobjekte HYR und RPOH JRBD (+ Relativsatz) keine „inhaltlich völlig unvergleichbaren“ Größen sind93, die erst sekundär miteinander verbunden wurden, sondern einander komplementär entsprechen. Die Unheilsansage hat ein Maß: das Toradokument, das der König von Juda (vor-)gelesen hat. 27–29 erschlossen werden muss und die Reaktion des Königs in V.19 deutlich auf die Verlesung der Toraschrift Bezug nimmt (vgl. V.11). 91 Vgl. zur Verbindung von AWB Hif. mit HYR als Objekt 2Sam 17,14; 1Kön 9,9; 14, 10; 21,21.29; 2Kön 21,12; Jer 4,6; 6,19; 11,11.23; 19,3.15; 23,12; 32,42; 35,17; 36,31; 40,2f.; 42,17; 44,2; 45,5; 49,37; 51,64. Als älteste Belege kommen 2Sam 17,14 sowie Jer 4,6; 11,23 (= 23,12) in Frage, vgl. THIEL, Jeremia 1–25, 153; DIETRICH, Prophetie, 72f. Die übrigen Belege dieser Konstruktion entstammen sämtlich der nachexilischen Zeit (vgl. Ez 14,22; Hi 42,11; Dan 9,12; Neh 13,18; 2Chr 7,22; 34,24.28). Sachlich wäre die Übernahme der festgeschriebenen Fluchfolgen seitens des vertragsbrüchigen Partners in den neuassyrischen Vasallenverträgen zu vergleichen (vgl. P ARPOLA / WATANABE, Treaties, XXIIf.). 92 Der Begriff mWQM für sich genommen ist mehrdeutig: er kann sowohl einen einzelnen Platz als auch eine Ortschaft oder ein Gebiet bezeichnen. In Verbindung mit den folgenden Anschuldigungen und vor dem Hintergrund der anschließenden Kultreform, die im Kern von Maßnahmen im Umkreis des Jerusalemer Tempels berichtet, scheint es nicht abwegig, bei „diesem Ort“ an Jerusalem resp. den Jerusalemer Tempel zu denken (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 129, der aus V.14ab schließt, dass HXH mWQMH auf Jerusalem hindeute). Doch ist diese Annahme weder vor dem Hintergrund des Reformberichts noch angesichts des Rückbezugs von V.16 auf V.13 zwingend. Stattdessen legt sich aufgrund der Kompositionsstruktur des Abschnitts die Vermutung nahe, dass mit dem Ausdruck HXH mWQMH in V.16 (und 19) an das gesamte Gebiet Judas und Jerusalems gedacht ist (vgl. 23,1–3.4–20). 93 SPIECKERMANN, Juda, 62.
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Nur ist dieser Maßstab dem Orakel nicht erst redaktionell hinzugefügt worden, sondern bildet von Beginn an dessen Kristallisationskern. Allerdings besteht eine gewisse Unstimmigkeit zwischen dem Inhalt des Relativsatzes und der Rahmenerzählung, denn ausweislich des Berichtes in V.10b–11 hat der König das Toradokument nicht selber gelesen, sondern Schafan hat es ihm vorgelesen und der König hat „die Einzelbestimmungen des Toraschriftstücks“ gehört (YMV). Diese Inkohärenz ist umso bedeutender, als an einer späteren Stelle im Text sehr wohl davon die Rede ist, dass der König die Einzelbestimmungen des Schriftstücks laut vorgelesen hat, und zwar im Rahmen der „Bundeszeremonie“, in der sich der König und das Volk auf die Bestimmungen des (Tora-)Dokumentes verpflichten (vgl. 23,2f.). Dieser Bezug ist kaum zufällig und schon gar nicht als „unpräzise Angabe“ des Erzählers zu bewerten94, denn der Adressat der Toraverlesung in 23,2 ist das Volk, das sich geschlossen in Jerusalem versammelt hat und in den „Bund“ eintritt, d.h. die vorangegangene Selbstverpflichtung des Königs auf die Toraschrift für sich übernimmt. Dies stimmt mit der Adressatenangabe zu 22,16f. überein: Dem Volk wird das unausweichliche Gericht angekündigt, dessen Maßstab die Tora ist, auf die das Volk sich selbst verpflichtet hatte. Jahwes Zorn, der aufgrund des Ungehorsams der „Väter“ entbrannt war, wird sich über Jerusalem und Juda ergießen, weil auch die späteren Generationen Jahwe verlassen und andere Götter verehrt haben (vgl. V.17).95 Darin zeigt sich ein Standpunkt des Erzählers, der bereits auf das eingetroffene Gericht zurückblickt und die Toraschrift als den gültigen Maßstab für das Ergehen Israels als Volk Jahwes herausstellt. Dieser Standpunkt ist jedoch nicht notwendig derjenige der Grunderzählung von 2Kön 22f., wie schon daraus hervorgeht, dass die Gerichtsankündigung gegen das Volk an diesem Punkt der narrativen Darstellung vorgreift und diese insgesamt voraussetzt.96
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Ebd. (vgl. DIETRICH, Josia, 210 Anm. 69). Alternativ könnte daran gedacht werden, dass das Verhalten des Königs in V.16b nach dem Vorbild von Dtn 17,18–20 vorgestellt werden soll (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 138), doch setzt das dtn Königsgesetz die Vorstellung eines „Privatstudiums“ des Herrschers als Grundlage für dessen torakonforme Regierung voraus (vgl. die Konstruktion ARQ + B in Dtn 17,19). Hier steht dagegen der Öffentlichkeitsaspekt der Toraverlesung im Vordergrund, die einen anderen Adressatenkreis vor Augen hat als das Königsgesetz. 96 TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 129, sieht zwar die Spannung, bemüht sich jedoch, diese herunterzuspielen, indem er den Vorgang der Verlesung der Toraschrift in V.16b mit dem Hören „der Worte“ in V.18bb verbindet und in beiden keine Referenz auf die Erzählung, sondern „die Erwähnung einer der beiden komplementären Seiten der Einstellung zur tôrā“ erkennt. Dabei wird jedoch übersehen, dass es schon in V.16f. um das „Hören“ geht – nur dass dies nicht zu einem entsprechenden Verhalten geführt hat. 95
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
133
Die eigentümliche Verzahnung der einzelnen Unterabschnitte der Erzählung und ihre geschichtstheologische Reflexion, die für das Huldaorakel charakteristisch ist, setzen sich in der Begründung der Unheilsankündigung fort. Obwohl das Orakel keiner eigenen Begründung bedürfte, folgt in V.17 gemäß dem Gattungsformular des prophetischen Gerichtswortes ein Schuldaufweis, der das Verhalten des Volkes näherhin als Verstoß gegen das erste Gebot kennzeichnet: „Sie haben mich verlassen und anderen Göttern (Rauch-)Opfer dargebracht, um mich zu kränken durch jedes Werk ihrer Hände“. Beide Aussagen, das Verlassen Jahwes und die kultische Verehrung anderer Götter, verhalten sich komplementär zueinander und fassen das (Fehl-)Verhalten des Volkes, mit dem dieses Jahwes Unmut hervorgerufen hat, pointiert zusammen. Da die Bestimmungen der Toraschrift zuvor als Maßstab des angekündigten Unheils genannt waren (V.16b), ist zu folgern, dass die Vorwürfe, die V.17a erhebt, als Missachtung der Toraschrift zu gelten haben, deren sachliche „Mitte“ in der Perspektive des Huldaorakels demnach im ersten Gebot zusammengefasst werden kann. Lässt sich daraus auf eine bestimmte Textgestalt der „Toraschrift“ schließen – etwa auf das Deuteronomium? Es ist unstrittig, dass sich der Vorwurf, Israel habe Jahwe verlassen (BXY) und anderen Göttern gedient (mJRCA mJHLA), in der dtr beeinflussten Literatur häufiger findet (vgl. Dtn 31,16; Jos 24,16.20; Jdc 2,12f.; 1Kön 9,9; Jer 36,11 u.ö.). Gleiches gilt für die Verbindung von OYK Hif. + HWHJ als Objekt97, die zusammen mit der Wendung mHJDJ HSYM noch in Dtn 31,29; 1Kön 16,7; Jer 25,6f.; 32,30; 44,8 vorkommt. Die beiden Wurzeln BXY und RFQ Pi. + mJRCA mJHLA sind dagegen nur noch in Jer 1,16; 19,4 gemeinsam belegt. Bedenkt man weiterhin, dass die Verbindung von OYK Hif. mit HWHJ als Objekt + HSYM W/mKJDJ in Dtn 31,29 und 1Kön 16,7 jeweils die dtn / dtr Wendung „das Böse in den Augen Jahwes tun“ erläutert, in Jer 44,8 hingegen durch RFQ Pi. + mJRCA mJHLA näher bestimmt wird, so zeigt sich, dass die nächsten Parallelen zu der Formulierung in 2Kön 22,17a im Jeremiabuch zu finden sind, genauer: an Stellen, die vermutlich in die jüngere Nacharbeit am Jeremiabuch gehören. Ein ähnliches Bild hatte sich bereits für die Form der Unheilsankündigung mit der Konstruktion AWB Hif. + HYR ergeben, so dass der Eindruck entsteht, das Huldaorakel spreche in seinem ersten Teil eine (deutero-) jeremianische Sprache: Das Unheil, das Hulda ankündigt, wie dessen Begründung entsprechen der Unheilsprophetie ihres Zeitgenossen Jeremia. Damit ergibt sich der erstaunliche Befund, dass die Prophetin Hulda weniger als Auslegerin der Tora in Erscheinung tritt, die ihr gar nicht vorgelegt wird98, sondern als genuine Künderin des einen prophetischen Gotteswortes. Dieses ist so auf die Toraschrift bezogen, dass es deren Grundanliegen in eigener sprachlicher Ausgestaltung zur Geltung bringt. Eine zitathafte Rekapitulation des Toradokuments fehlt dagegen im Huldaorakel ebenso wie im übrigen Bericht über die Auffindung des Schriftstücks.
Im näheren Kontext der res gestae Josias weist der Vorwurf des Räucherns für fremde Götter auf den Katalog der Kultreformmaßnahmen des Königs 97
Vgl. die Belege bei STIPP, Konkordanz, 69f. Als „Predigerin“ der Tora wird Hulda in der späteren jüdischen Tradition häufiger dargestellt. Dies geschieht ganz in Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung der Propheten als Ausleger der Mosetora. 98
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5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
in Kap. 23 voraus (vgl. 23,5), der auf diese Weise im Licht des Fremdgötterverbotes gelesen wird99, und kontrastiert so das Verhalten des Königs mit demjenigen des Volkes. Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass das Räuchern für fremde Götter häufiger als Kehrseite der Nichtbeachtung des Wortes Jahwes begegnet100, so wie das Verhalten der „Väter“ im zweiten Orakelspruch dem hörenden Gehorsam des Königs gegenübergestellt wird (vgl. V.13b mit V.18b–19). Insofern konkretisiert V.17a die Feststellung im Mund des Königs aus V.13b: Die „Väter“ haben nicht auf die Bestimmungen des (Tora-)Schriftstücks gehört, d.h., sie haben Jahwe verlassen und andere Götter verehrt, so dass Jahwes Zorn gegen Israel entbrannt ist. Allerdings blieb dieser Ungehorsam nicht auf die früheren Generationen beschränkt, sondern schließt die späteren Generationen mit ein, die sich auf die Bestimmungen des Toradokuments verpflichtet hatten (vgl. V.16b). Darum kann der göttliche Zorn, der gegen Israel entbrannt ist, nicht gelöscht werden (V.17b).101
99 Dieser Zusammenhang würde noch verstärkt, wenn der Ausdruck mHJDJ HSYM in V.17a als „die Erzeugnisse ihrer Hände (= Kultbilder)“ verstanden werden könnte, wobei an die verschiedenen Kultobjekte zu erinnern ist, die der König nach 23,4–20 zerstört (bes. V.6.14). Doch bezeichnet der Ausdruck häufig allgemein die Handlungen / Werke einer Person(-engruppe), vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 130. 100 Die nächsten Belege für diesen Motivzusammenhang entstammen wiederum dem Jeremiabuch (vgl. Jer 11,9–13; 19,3–5; 44,4–6). In den Königsbüchern richtet sich die Kritik an der Darbringung von Räucheropfern dagegen vornehmlich gegen eine illegitime Praxis des Jahwekultes (vgl. 1Kön 22,44; 2Kön 12,4; 15,4.15; 16,4; 17,11; vgl. auch 1Kön 12,33; 13,1f.). Die einzige Ausnahme bildet die Notiz in 2Kön 23,5b; in 1Kön 11,8 wird lediglich von den ausländischen Frauen Salomos berichtet, dass sie ihren Göttern Rauch- und Schlachtopfer darbrachten. 101 Das Verbum TZJ, das knapp 30mal im Alten Testament belegt ist, hat die Grundbedeutung „anzünden, in Brand setzen“ und ist nicht synonym zu RYB oder pRS, „die beide für alle Arten des Brennens verwendet werden“ (FREEDMAN / LINDBOM, TZJ, 840). Die Verbindung von TZJ Nif. + HMC ist nur in 2Kön 22,13.17 belegt. An den übrigen Stellen ist TZJ stets mit einem konkreten Objekt verbunden, vor allem Städte (Jos 8,8.19; Jer 2,15; 32,29; 46,19; 49,2; 50,32; Thr 4,11; vgl. noch Am 1,14; Jer 49,27: „Stadtmauern“) und ihre Tore (vgl. Jer 17,27; 51,58; Neh 1,3; 2,17) bzw. Gebäude (Jdc 9,48; Jer 43,18; 51,30) sowie Felder, Waldstücke, Disteln und Dornen (vgl. 2Sam 14,30f.; Jes 9, 17; 17,4; 33,12; Jer 9,9; 11,16; 21,14; Ez 21,3). Außer in 2Sam 14,30f. begegnet das Verb stets im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen bzw. dem göttlichen Gerichtshandeln an Israel (vgl. Jer 2,15; 11,16; 17,27; 21,14; 32,29; Ez 21,3; Thr 4, 11; Neh 1,3; 2,17; vgl. auch Jes 9,17) oder den Völkern (vgl. Jer 43,12; 46,14; 49,2.27; 50,32; 51,30.58; Am 1,14; vgl. auch Jes 33,12). Dabei ist Jahwes Gericht in Jes 9,17; Jer 2,15; Thr 4,11 unmittelbar mit seinem Zorn gegen sein Volk verknüpft (vgl. Jer 11,16; 32,29). Sollte die ungewöhnliche Verbindung in 2Kön 22,13.17 eine Anspielung auf den Zusammenhang von Jahwes Gerichtshandeln gegen Juda und Jerusalem enthalten, wie er v.a. im Jeremiabuch wiederholt zum Ausdruck gebracht wird? Dies würde zu der bereits beobachteten Nähe der Gerichtsterminologie in V.16f. zum Jeremiabuch passen.
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135
Wie ist unter diesen Voraussetzungen das Verhältnis zwischen V.13b und V.16f. genauer zu bestimmen? Liegen hier nicht zwei unterschiedliche Konzeptionen vor, die den Untergang Judas einerseits auf das Fehlverhalten der „Väter“ (vgl. 23,26), andererseits auf den Abfall des ganzen Volkes, einschließlich der gegenwärtigen Generation, zurückführen? 102 Berücksichtigt man die kontextuelle Einbindung beider Aussagen, stehen diese jedoch nicht notwendig in einem Widerspruch zueinander: V.13b liefert im Munde des Königs die Begründung für die Notsituation, in der sich das Volk und der König befinden und deren Anlass der Zorn Jahwes ist, der sich aufgrund des Ungehorsams der „Väter“ entzündet hat. Diese Feststellung verbleibt noch ganz innerhalb des Inventars der Erzählung, der zufolge dem König (und dem Volk) die Bestimmungen der Toraschrift bislang nicht bekannt waren, ihnen demnach nicht der gleiche Vorwurf gemacht werden kann wie „den Vätern“. Vielmehr erweist sich die Frömmigkeit des Königs gerade darin, dass er auf die Bestimmungen der Toraschrift „hört“ (YMV, vgl. V.18b–19) und sein Handeln danach ausrichtet (vgl. 23,3), so dass er zum Antitypos „der Väter“ stilisiert wird, wie es das Heilsorakel für den König in 22,18–20a unterstreicht. Das Gerichtswort gegen das Volk in V.16f. reflektiert dagegen das weitere Geschick Judas und Jerusalems, das von demjenigen des Königs Josia unterschieden ist. Die Orakelanfrage des Königs zielte darauf ab, ob der Zorn Jahwes sich über König und Volk ergießen wird oder nicht. Die Antwort auf diese Frage ist zweiteilig: Der König wird das Unheil nicht sehen, das Jahwe über Jerusalem und Juda bringen wird – das Volk jedoch wird der Zorn Jahwes treffen, weil es im Unterschied zum König Jahwe verlassen und anderen Göttern gedient, mithin den Frevel der „Väter“ fortgeführt hat. Der Ungehorsam der früheren Generationen bot zwar den Anlass für Jahwes Zorn (vgl. V.13b); dass sein Zorn nicht mehr besänftigt werden kann, ist dagegen im fortgesetzten Ungehorsam des Volkes begründet, das seine Verpflichtung auf die Bestimmungen der Toraschrift gebrochen hat. Der scheinbare Widerspruch zwischen den Aussagen in V.13 und V.16f. erweist sich somit als ein Perspektivwechsel, der die Ebenen der erzählten Zeit und der Erzählzeit miteinander verschränkt und auf diese Weise einen genaueren Blick auf den Ort des Erzählers ermöglicht. Diese Interpretation setzt voraus, dass Vers 17 im Ganzen die Begründung für das vorangegangene Drohwort enthält, die das Motiv des göttlichen Zorns aus V.13b aufnimmt und vor dem Hintergrund des ersten Gebots inhaltlich expliziert. Dagegen ist jedoch geltend gemacht worden, dass V.17b weder syntaktisch noch inhaltlich an V.17a anschließe, sondern 102 Vgl. DIETRICH, Josia, 211, der daraus folgert, dass V.13b einen nomistischen Nachtrag innerhalb der Beauftragung darstelle, der die Schuld auf die früheren Generationen beschränken und die Generation Josias von den Vorwürfen ausnehmen wolle.
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5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
die Fortsetzung der Unheilsansage aus V.16* bilde.103 Spieckermann hat daraus geschlossen, dass V.17a gemeinsam mit V.16b nachträglich in das knappe Drohwort V.16a*.17b eingefügt worden sei, das ursprünglich keinerlei Begründung enthalten habe.104 Hoffmann hingegen sieht keinen Anlass dazu, den vorliegenden Text literarkritisch auf verschiedene Schichten zu verteilen, und erklärt den Befund kompositionskritisch: Die Unheilsansage in V.16 und 17b bilde einen Rahmen um die Begründung in V.17a, so dass sich in der Betrachtung beider Teilorakel ein fortlaufender Wechsel der beiden Elemente „Ankündigung“ und „Begründung“ ergebe, wobei die Unheilsankündigung in V.17b die sachliche Mitte der Komposition darstelle.105 V.16a*.b V.17a
V.20a
Ankündigung Begründung V.17b Ankündigung V.18bb–19 Begründung Ankündigung
Gegen die kompositionskritische Analyse bei Hoffmann spricht aber vor allem die kontextuelle Verbindung der Vorstellung vom Zorn Jahwes in V.17b mit der Rede des Königs in V.13b. Denn nach V.13b stellt der König fest, dass der Zorn Jahwes bereits entbrannt ist, weshalb für V.17b ein präteritales Verständnis der Form HTZNW nahe liegt.106 Der Anschluss der Fügung an V.17a stellt weder inhaltlich noch syntaktisch ein unlösbares Problem dar.107 Unter Berücksichtigung des Zeitbezugs in V.13b ist die Aussage syntaktisch mit dem vorangehenden Kausalsatz in V.17a zu verbinden.108 Die Verbalform wäre dann als Perfectum copulativum zu inter103
Vgl. mit je unterschiedlicher literarhistorischer Zuschreibung DIETRICH, Prophetie, 38; SPIECKERMANN, Juda, 63; HOFFMANN, Reform, 174. 104 Vgl. SPIECKERMANN, Juda 63f. Spieckermanns These kann sich zwar auf die bei Orakeleinholungen sonst übliche Praxis berufen, wonach ein Orakelbescheid ohne nähere Begründung ergehen kann, doch zeigt sich in der formgeschichtlichen Besonderheit des Huldaorakels gerade seine theologische Eigenart, die nicht literarkritisch nivelliert werden darf. 105 Vgl. HOFFMANN, Reform, 176f. 106 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 127 Anm. 212, der allerdings die Kopula als unbeholfene redaktionelle Verklammerung mit dem Vorangehenden einschätzt (vgl. a.a.O., 63 Anm. 71). 107 Vgl. die Auflistung der verschiedenen syntaktischen Verstehensmöglichkeiten bei TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 118f. 108 Vgl. DIETRICH, Prophetie, 38, der V.17ab als spätdtr Ergänzung betrachtet, ohne dass ein Anlass für die sekundäre Auffüllung des Textes erkennbar wäre. – Dieses Verständnis der syntaktischen Bezüge in V.17 ist der Verbindung von HTZNW mit der vorangehenden Infinitivkonstruktion vorzuziehen, da anderenfalls vorausgesetzt werden müsste, dass nYML an dieser Stelle konsekutiven Sinn hätte. Die Konjunktion leitet jedoch in der Regel finale Nebensätze ein, wie dies auch für 2Kön 22,17ab angenommen werden
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pretieren und bezeichnete sachlich die Folge, die der Ungehorsam des Volkes auf der Seite Gottes hervorruft: „(so dass) mein Zorn entbrannt ist gegen diesen Ort, und er wird nicht verlöschen“. Inhaltlich wird damit nicht zur Unheilsankündigung zurückgelenkt, sondern ihre Ursache benannt: Jahwes unwiderruflicher Zorn. Die beiden Vershälften von V.17 verhalten sich also komplementär zueinander und ergeben erst gemeinsam die sachgemäße Begründung des angekündigten Unheils. Damit erübrigt sich zugleich jede literarkritische Dekomposition innerhalb des ersten Huldaspruches109, der formal einem prophetischen Gerichtswort gegen das Volk nachgestaltet ist, bestehend aus einer Einleitung (V.15), einem Droh(V.16) und einem Scheltwort (V.17). Der zweite Teil des Huldaorakels (V.18–20a) enthält ein Heilswort für den König, das formal und inhaltlich eng mit dem vorherigen Gerichtswort gegen das Volk verbunden ist. Auf die chiastische Struktur der Elemente „Ankündigung“ und „Begründung“ ist bereits hingewiesen worden, ebenso auf die parallele Struktur der Redeeinleitungen in V.15b.16aa // V.18a.ba und die gemeinsamen Stichwortverbindungen.110 Anders als in V.15b ergeht der Auftrag zur Übermittlung des Orakelspruchs für den König in V.18a nicht im Munde Jahwes, sondern als Wort der Prophetin. Dies wird kann. Die hier vertretene Auffassung wird überdies von der masoretischen Satzgliederung unterstützt. 109 Dies gilt auch für die Annahme Dietrichs, der gesamte Inhalt des ersten Orakelspruchs sei von DtrP in einen älteren Rahmen, der V.15*.16aa.18bb.20b umfasst habe, eingefügt worden (vgl. DERS., Prophetie, 55–58). Das ältere Orakel, das von einer prophetischen Anweisung zur Umsetzung der Toraschrift gehandelt haben soll, sei bis auf V.18bb verloren gegangen. Dietrich begründet seine These vor allem mit der Beobachtung, die Redeeinleitung in V.18a.ba sei eine Wiederaufnahme der Einleitung aus V.15– 16aa (ohne die Langform der Botenformel in V.15ab, die ebenfalls erst von DtrP hinzugefügt worden sei). Nun ist es unstrittig, dass die beiden Orakeleinleitungen in V.15.18 weitgehend dem gleichen Aufbauschema folgen, wenngleich mit gewissen Modifikationen, die der jeweils vorausgesetzten Redesituation geschuldet sind. Inwieweit sich jedoch eine derart formelhafte Redeweise, wie sie jene Einleitungsformeln bieten, dazu eignet, von einer literarkritisch signifikanten „Wiederaufnahme“ zu sprechen, erscheint höchst fraglich. Gerade bei derart formelhaftem Sprachgebrauch kommt die Leistungsfähigkeit literarkritischer Argumentation an ihre Grenzen. Es kommt hinzu, dass die vorausgesetzte Kommunikationssituation und die Kompositionsstruktur des Textes die Parallelität der Redeeinleitungen notwendig machen. Die Verwendung der Kurzform der Boten- bzw. Zitationsformel in V.16aa erklärt sich hinreichend aus ihrer Nähe zur unmittelbar voranstehenden Langform in V.15ab, und die Bezeichnung des Königs in V.15b als VJA im Vergleich zu seiner titularen Benennung als HDWHJ kLM in V.16b verdankt sich der rhetorischen Disposition des ersten Teilorakels, das nicht das Geschick des Königs, sondern des Volkes zum Gegenstand hat (vgl. HARDMEIER, König, 112). Damit wird zugleich das Argument, die Anrede der 1.Pers. c. Sg. in V.18bb schließe besser an die Redeeinleitung in V.15–16aa an, hinfällig. 110 Siehe oben, S. 127f. mit Anm. 78.
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daran ersichtlich, dass in V.18a von Jahwe in der 3. Person die Rede ist, während in der parallelen Formulierung in V.15 die 1. Person gebraucht wird. Die vorgezogene Stellung der Adressatenangabe, die im casus pendens steht, betont den König als den unmittelbaren Adressaten des zweiten Teilorakels, das sich in der 2.Pers. m. Sg. direkt an ihn wendet (V.18bb– 20a). Die Zuspitzung auf den König kommt auch in der Verwendung der vollen Titulatur, die auf die Kontrastierung zwischen dem König und dem Volk in V.16b zurückweist, und in der wörtlichen Wiederaufnahme des königlichen Auftrags an die Gesandtschaft in V.13a zum Ausdruck ( VRD + HWHJ-TA). Die weithin parallele Struktur der Redeeinleitung (vgl. V.15b), die erweiterte Form der Boten- bzw. Zitationsformel in V.18ba und die inhaltlichen Rückbezüge auf das erste Orakel machen zugleich deutlich, dass der zweite Orakelspruch unlöslich mit dem ersten verknüpft ist und nur in enger Verbindung mit diesem sachgerecht interpretiert werden kann. Die erweiterte Botenformel in V.18ba sichert darüber hinaus die Identität der Herkunft beider Orakel von dem Gott Israels und kann in diesem Sinne als „Wiederaufnahme“ von V.15ab angesehen werden, ohne dass daraus literarkritische Schlüsse gezogen werden könnten.111 Im Unterschied zum ersten Orakelspruch enthält das zweite Orakel keine Unheilsansage, sondern einen begründeten Heilszuspruch an den König. Sein Aufbau folgt dem Schema eines prophetischen Heilswortes, bei dem die Begründung (V.18bb–19a) der Heilsansage in V.19b–20a vorangeht. Lediglich die Boten- bzw. Zitationsformel ist vor die Begründung gestellt worden (V.18ba), so dass der zweigliedrige Spruch insgesamt als Gotteswort ausgewiesen wird (vgl. V.16aa). An die Stelle der Botenformel tritt in V.19b die sog „Wortlautsicherungsformel“ HWHJ mAN, die die Heilszusage von der Begründung absetzt und ihre Autorität betont.112 So klar die Makrostruktur des zweiten Teilorakels ist, so komplex ist seine Mikrostruktur, die immer wieder Anlass zu literarkritischen Überlegungen geboten hat.113 Die eindringlichste Analyse des Aufbaus des königlichen Heilsorakels hat Hoffmann vorgelegt.114 Er unterscheidet innerhalb der Heilsbe111 Vgl. DIETRICH, Prophetie, 56f., der daraus folgert, dass V.18bb zum Bestand eines älteren Orakels gehört haben müsse, das aber nicht mehr vollständig rekonstruiert werden könne. Warum der Redaktor (DtrP) gerade den Anakoluth in V.18bb übernommen haben sollte, vermag Dietrich jedoch nicht plausibel zu machen (vgl. die Kritik bei SPIECKERMANN, Juda, 65 Anm. 75). 112 Die Wendung bezieht sich zuerst auf die Erhörungszusage in V.19b, die jedoch durch die Heilsansage in V.20a erläutert wird, zu der sie hinführt (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 132). 113 Vgl. die diffizile literarkritische Argumentation bei SPIECKERMANN, Juda, 64–69, und zuletzt LEVIN, Josia, 212f., denen eine Reihe älterer Entwürfe an die Seite gestellt werden kann. 114 Vgl. HOFFMANN, Reform, 174f.
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gründung in V.18bb–19 einen äußeren und einen inneren Rahmen, die sich um das Zentrum, den zitathaften Rückverweis auf das Gerichtswort gegen das Volk in V.19aa2 (vgl. V.16), legen. Dabei enthält der innere Rahmen (V.19aa1.19ab) die eigentliche Begründung des anschließenden Heilszuspruchs (V.20a), während der äußere Rahmen (V.18bb.19b) das Verhalten des Königs und das Handeln Jahwes am König durch das Entsprechungsmotiv aufeinander bezieht (vgl. das Leitwort YMV). äußerer Rahmen (YMV), V.18bb B innerer Rahmen (Buße des Königs), V.19aa1 C Rückverweis auf die Unheilsankündigung, V.19aa2 innerer Rahmen (Buße des Königs), V.19ab B’ äußerer Rahmen (YMV), V.19b
A
A’
Die Strukturanalyse der Begründung macht deutlich, wie sehr das Heilswort für den König kompositionskritisch mit der Unheilsansage gegen das Volk verbunden ist: Sie kann nur vor diesem Hintergrund recht verstanden werden115, was angesichts der Vielzahl von Versuchen, eine ältere Fassung des königlichen Heilsorakels zu rekonstruieren, das ursprünglich unabhängig von dem Gerichtswort gegen das Volk entstanden sei116, zur Vorsicht mahnt. An einem Punkt wird man jedoch die obige Aufbauanalyse modifizieren müssen, sobald man den Gesamtaufriss des zweiten Orakelspruchs mit in die Überlegungen einbezieht. Die Abweichung betrifft den äußeren Rahmen, für den Hoffmann zwar mit Recht auf das in der prophetischen Literatur verbreitete Motiv der Entsprechung zwischen menschlichem und göttlichem Handeln hingewiesen hat117, das durch das gemeinsame Stichwort YMV zum Ausdruck kommt, welches für den gesamten Textabschnitt 22,11–20 Leitwortcharakter besitzt (vgl. V.11.13). Das „Hören“ des Königs bzw. Gottes ist jedoch nur auslösendes Moment für ein daraus folgendes Handeln, das auf Seiten des Königs in der Durchführung von Selbstminderungsgesten besteht (V.19a, vgl. V.11), die Jahwe wiederum dazu veranlassen, den König von dem Unheilszusammenhang auszunehmen (vgl. V.20a). Die Selbstaussage Gottes „auch ich habe gehört“ (V.19b) ist
115
Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man berücksichtigt, dass mit dem Hinweis auf das kommende Unheil in V.20ab auf die Ankündigung in V.16ab zurückgelenkt wird, so dass der Unheilszusammenhang eine Art inclusio um das zweiteilige Jahweorakel bildet. Das Heilswort für den König ist lediglich eine individuell begrenzte Einschränkung der übergeordneten Gerichtsansage und kein unabhängiges, eigenständiges Orakelwort – wenigstens nicht nach dem vorliegenden Textzusammenhang. 116 Vgl. NELSON, Redaction, 76–79. 117 Vgl. HOFFMANN, Reform, 175 mit Anm. 16.
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daher primär als Einleitung des folgenden Heilswortes aufzufassen 118, was auch durch die Wortlautsicherungsformel gestützt wird, die zur Heilsansage überleitet. Treffen diese Beobachtungen das Richtige, dann folgt daraus, dass V.18bb ebenfalls eine solche einleitende Funktion zukommt: „(was) die Worte (betrifft), die du gehört hast …“. Dabei spielt die Frage, welche „Worte“ mit den mJRBD in V.18bb gemeint sind, ob sich der Ausdruck auf das zuvor ergangene Unheilswort gegen das Volk oder auf die Verlesung der Tora bezieht, eine nachrangige Rolle.119 Zwar legt sich aufgrund der Fortsetzung in dem Begründungssatz in V.19a120 und angesichts des Entsprechungsverhältnisses zu V.19b ein Bezug auf die Worte des Toradokumentes nahe („die Worte, die du gehört hast [und deretwegen du mich befragt hast]“), doch war bereits der erste Orakelspruch unlösbar mit „den Worten / Bestimmungen des (Tora-)Schriftstücks“ (V.16b) verknüpft und hatte deren unabwendbares Eintreffen für das Volk konstatiert, das jetzt mit Bezug auf den König eingeschränkt wird (vgl. die doppelte Orakelanfrage in V.13a).121 Daraus ergibt sich folgende Gliederung des zweiten Orakelspruchs: A B A’ B’
V.18b V.19a V.19b V.20a
Einleitung der Begründung (YMV Subjekt: König) Begründung (Selbstminderung des Königs) Einleitung der Heilsansage (YMV Subjekt: Jahwe) Heilswort
Ist die Funktion des Anakoluths in V.18bb als summarische Rekapitulation der Ausgangssituation und Einleitung des prophetischen Heilswortes richtig bestimmt122, dann entfällt die Notwendigkeit, nach einer ursprünglichen Fortsetzung der Konstruktion im Text von V.19–20a zu suchen, wie es vor allem Spieckermann unternommen hat.123 118
Vgl. zur syntaktischen Konstruktion TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 121. Im Übrigen ist auch V.19b wie V.18bb elliptisch formuliert, was zu einer gewissen Mehrdeutigkeit hinsichtlich des Objekts des göttlichen Hörens führt (vgl. a.a.O., 116). 119 Vgl. dazu HOFFMANN, Reform, 176, der sich wie die meisten neueren Ausleger für die erste Option entscheidet und in V.18bb primär an einen Bezug auf das erste Orakel denkt. 120 Der Infinitiv constructus kYMVB in V.19aa2 bezieht sich unzweifelhaft auf das erstmalige Hören der „Toraschrift“ durch den König in V.11 zurück, wie aus der Anspielung auf die Reaktion des Königs in V.19a hervorgeht (vgl. YRQ + DGB in V.11b und 19ab). 121 Vgl. schon HARDMEIER, König, 110f. 122 Vgl. zur syntaktischen Konstruktion auch TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 125f., der statt von einem Anakoluth hier von einer syntaktischen Ellipse spricht, die inhaltlich eine Aposiopese hervorrufe (vgl. a.a.O., 126 Anm. 239). Die syntaktische Verknüpfung mit der Erhörungsaussage in V.19b wird dadurch erleichtert, dass diese ebenfalls elliptisch formuliert ist. 123 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 65–69.
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Ausgehend von der Beobachtung, dass der kausale Nebensatz in V.19aa1 als Fortsetzung des Relativsatzes in V.18bb ungeeignet sei und eine psychologisierende Interpretation der Reaktion Josias auf die Verlesung der Toraschrift in V.11 darstelle, die eine gewisse Nähe zur chronistischen Theologie erkennen lasse, sieht Spieckermann in den ersten drei Worten von V.19aa2 (JTRBD RVA kYMVB) eine Wiederaufnahme, die aus dem Sprachmaterial von V.18bb gestaltet sei und den Abschluss eines redaktionellen Einschubs markiere. Das ursprüngliche Objekt des Relativsatzes in V.18bb finde sich in der zweiten Hälfte von V.19aa2 (mWQMH-LY bis HLLQLW). Damit ist die syntaktische Konstruktion jedoch noch nicht vollständig. Die Fortsetzung der Begründung in V.19ab.b setze den Einschub aus V.19aa1 inhaltlich fort und müsse daher ebenfalls als redaktionell beurteilt werden. Das Heilswort in V.20aa1 setze wiederum die Erhörungszusage aus V.19b voraus und sei von dieser abhängig. Darüber hinaus sei die Verheißung einer Grablegung mWLVB „nur als vaticinium ex eventu sinnvoll, weil die Anspielung auf das gebührende Begräbnis Josias nur für den, der die tragischen Todesumstände kennt, nicht selbstverständlich ist …“124 Der Abschluss des ursprünglichen Heilsorakels lasse sich schließlich in V.20aa2 identifizieren (kJNJY HNJART-AL). Der Rest von V.20a ist eine wörtliche Aufnahme von V.16ab und verdanke sich dem Bemühen des Redaktors, beide Teilorakel kompositorisch enger miteinander zu verbinden. Das ursprüngliche Heilswort für den König lautet in der Rekonstruktion Spieckermanns: „Die Worte, die du gehört hast über diesen Ort und über seine Bewohner, dass sie zum Entsetzen und zum Fluch werden, werden deine Augen nicht sehen.“
Nun ist es gerade das Eigentümliche eines Anakoluths, dass eine begonnene syntaktische Konstruktion abgebrochen wird, wobei der Übergang zur Ellipse bisweilen fließend ist.125 Spieckermanns gesamte Argumentation beruht aber auf der fragwürdigen Voraussetzung, die syntaktische Konstruktion in V.18bb sei das Resultat ungeschickter redaktioneller Erweiterungsarbeit in V.19–20a. Eine derartige Haltung ist jedoch nicht zuletzt angesichts ihres problematischen Bildes der Arbeitsweise der Redaktoren, denen unbedenklich sprachliche Inkompetenzen zugeschrieben werden, die den Verfassern der biblischen Texte nicht zugemutet werden können, methodisch höchst fragwürdig.126 Wird dagegen der Anakoluth in V.18bb als Stilmittel der Kompositionsstruktur des Textes anerkannt, nötigt nichts dazu, hier den Ansatzpunkt für eine ältere Textgestalt des Huldaorakels zu vermuten.127 Dass dies auch für den Rest des Textes gilt, soll ein genauerer Blick auf die zweiteilige Struktur des königlichen Heilswortes zeigen. Die Konjunktion nYJ führt einen untergeordneten Kausalsatz ein (vgl. V.19a), der die Begründung für das anschließende Heilswort enthält. Die Begründung selbst besteht aus vier semantisch eng zusammengehörigen Sachverhalten, die sich paarweise um den erweiterten Infinitiv constructus 124
A.a.O., 68. Vgl. BÜHLMANN / SCHERER, Stilfiguren, 52. 126 Vgl. bereits die kritischen Bemerkungen bei TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 136 Anm. 239. 127 Das gilt in gleicher Weise für die Annahme, V.18bb sei das einzig erhaltene Fragment des ursprünglichen Huldaorakels (s. oben, S. 137 Anm. 109). 125
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in V.19aa2 gruppieren und die Selbstminderungsgeste des Königs aus V.11b aufnehmen und in Richtung auf eine umfassende Buß- und Umkehrtheologie ausgestalten. Diese beginnt mit einer grundsätzlichen Charakterisierung der Person des Königs: „dein Herz war / ist weich“. BL bezeichnet in diesem Zusammenhang wohl in erster Linie den intellektuell-voluntativen Aspekt der menschlichen Existenz128, wie sich aus der eigentümlichen Verbindung mit der Wurzel kKR an dieser Stelle ergibt. kKR Qal („zart / schwach sein“) ist in Kombination mit BL fünfmal im Alten Testament belegt: In Dtn 20,3; Jes 7,4; Jer 51,46 steht die Konstruktion im Parallelismus mit der Mahnung zur Furchtlosigkeit. Die „Weichheit des Herzens“ ist hier jeweils negativ konnotiert: Das Herz der Angeredeten soll nicht weich sein / werden, d.h., sie sollen nicht verzagen. 129 In die gleiche Reihe gehört die Klage Hiobs, Gott habe sein Herz „weich / verzagt gemacht“ (kKR Hif., vgl. Hi 23,16). An den genannten Stellen steht der emotional-seelische Aspekt des menschlichen Herzens im Vordergrund. Dies ist aber für 2Kön 22,19 (par. 2Chr 34,27) schon angesichts der positiven Konnotation der Metapher von der „Weichheit des Herzens“, die sonst im Alten Testament nicht belegt ist, unwahrscheinlich.130 Vielmehr scheint die Wendung an dieser Stelle ein Gegenbild zu der besonders im Jeremiabuch verbreiteten Vorstellung von der „Verbohrtheit des Herzens“ (BL TWRRV) zu evozieren, die dort im Gegensatz zum gehorsamen Hören ( YMV) auf und der Umkehr zu Jahwe steht.131 Wenn im Huldaorakel von der „Weichheit des Herzens“ des Königs die Rede ist, so zielt dies weniger auf ein Bußritual als auf die Bereitschaft des Königs zur Umkehr, zum Hören und zur
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Vgl. dazu STOLZ, BL, 862f. Während in Dtn 20,3 und Jes 7,4 das Kriegsvolk bzw. der König aufgefordert werden, in der bevorstehenden militärischen Konfliktsituation nicht mutlos zu sein, gilt die Mahnung in Jer 51,46 dem deportierten Volk, das aus dem zerstörten Babel ausziehen soll. 130 Will man für den Begriff BL in 2Kön 22,19 aufgrund der übrigen Belege am seelischen Aspekt des Menschseins festhalten, könnte auf den Begriff der Gottesfurcht zurückgegriffen werden, in dem sich allerdings psychische und geistig-voluntative Aspekte vermischen (vgl. STÄHLI, ARJ, 769ff.). 131 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 120f. Von zehn Belegen für die Wendung TWRRV + BL + Suff. im Alten Testament finden sich acht im Jeremiabuch (vgl. 3,17; 7, 24; 9,13; 11,8; 13,10; 16,12; 18,12; 23,17), vgl. noch Dtn 29,18 und Ps 81,13. Der Ausdruck gehört in den Bereich der Verstockungsterminologie und bezeichnet den fortwährenden Starrsinn Israels (nur Jer 3,17 in einem Heilswort an die Völker), das sich dem Aufruf zur Umkehr verweigert und „aus sich selbst heraus die Katastrophe des Exils bewirkt hat“ (vgl. FABRY / VAN MEETEREN, TWRRV, 481). Es ist eben diese Haltung, die nach Auskunft des Huldaorakels den Zorn Jahwes unwiderruflich über das Volk gebracht hat. Der König dagegen zeichnet sich dadurch aus, dass sein Herz „weich“ ist, d.h., er ist zur Umkehr bereit und verharrt nicht im Abfall von Jahwe. 129
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Anerkennung der Worte der Toraschrift. In diesem Sinne ist die „Weichheit“ des Herzens nicht zu tadeln, sondern zu loben. Dieser Gedanke wird durch das zweite Glied der Aussagenkette weitergeführt. Die Wurzel YNK Nif. hat die Bedeutung „sich beugen / demütigen“ bzw. passivisch „gebeugt / gedemütigt werden“. Dabei sind die Belege, die eine militärische Unterordnung einer politischen Macht unter eine andere bezeichnen (vgl. Jdc 3,30; 8,28; 11,33; 1Sam 7,13; 2Sam 8,1 par. 1Chr 18,1; 1Chr 17,10; 2Chr 13,18; Ps 106,42 u.ö.), zu unterscheiden von der Verwendung, die in 2Kön 22,19 vorliegt und ihre nächsten Parallelen in der „chr Theologie der humiliatio“ besitzt (vgl. 2Chr 7,14; 12,6f.12; 32,26; 33,12.19.23; 36,12).132 In der Chronik dient die Wurzel YNK zum Ausdruck der grundlegenden Hinwendung eines Menschen, meist des Königs, zu Jahwe und der Anerkennung seines (prophetisch vermittelten) Wortes bzw. seines (Straf-)Handelns (vgl. 2Chr 7,14; 32,26; 33,12.19). „Es geht um die innere Grundeinstellung zu Jhwh … und kn‘ niph ist dabei der Terminus, der die Wende zu Jhwh hin bezeichnet.“133 Der gleiche Sprachgebrauch liegt aber auch V.19a zugrunde: Der König „demütigte sich“ vor Jahwe, d.h., er wandte sich Jahwe zu, als er die Worte der Toraschrift hörte (YMV), deren Inhalt durch den folgenden Relativsatz näher bestimmt wird. Hatte das erste Glied der Aussagenkette in anthropologischen Grundbegriffen von der Verfasstheit des königlichen Herzens gesprochen und damit von den Voraussetzungen seiner Umkehr, so thematisiert das zweite Glied den Akt der inneren Hinwendung des Königs zu Jahwe selbst als ein „sich beugen / demütigen vor Jahwe“ angesichts des göttlichen Zorns, der dem König mit der Verlesung der Toraschrift bekannt gemacht wird (vgl. V.11. 13).134 Dagegen sollte mit Blick auf den Terminus YNK in 2Kön 22,19 besser nicht von einem „Bußzeremoniell“ gesprochen werden135, wie es sich für 1Kön 21,27–29 nahe legen mag, denn in 22,19 ist YNK nicht summarische Zusammenfassung einzelner Trauer- und Selbstminderungsriten wie in 1Kön 21,29, sondern lediglich ein Glied einer umfassenderen Handlungskette, die neben der Demütigung des Königs, die in unmittelbarer Verbindung mit der Toraverlesung steht (vgl. die temporale Näherbestimmung durch den Infinitiv
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Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 66 mit Anm. 76 (vgl. auch Lev 26,41). WAGNER, YNK, 221. 134 Dass Jahwe hier von sich in dritter Person spricht, ist auffällig, besitzt jedoch nicht „den Wert einer literarkritischen Indikation“ (SPIECKERMANN, Juda, 66 Anm. 76). Ob sich darin „mangelnde stilistische Sorgfalt“ (ebd.) oder ein geprägter Sprachgebrauch ausspricht (vgl. DIETRICH, Prophetie, 84), muss offen bleiben. Das Phänomen an sich ist jedoch häufiger belegt. 135 Vgl. WAGNER, YNK, 221f., der hierfür vor allem auf 1Kön 21,27–29 verweist und von daher annimmt, der Terminus „erfährt auch hier seine Definition durch Hören auf JHWHs Wort, das Zu-Herzen-Nehmen …, das Kleiderzerreißen und Weinen vor JHWH“ (a.a.O., 222). 133
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constructus der Wurzel YMV + B), weitere zeitlich differenzierte Selbstminderungsakte anführt (vgl. V.19ab).
Die temporale Näherbestimmung „als du hörtest, was ich geredet habe …“ nimmt auf die Verlesung des Toradokuments vor dem König in V.10f. Bezug und erläutert den Anakoluth in V.18bb.136 Die Umkehr des Königs zu Jahwe ist die unmittelbare Folge / Wirkung des Toravortrags und qualifiziert das „Hören“ des Königs inhaltlich als die gehorsame Anerkennung des göttlichen Zorns (vgl. 2Chr 12,5f.). Der RVA-Satz entfaltet das Objekt des Hörens, wobei das Stichwort RBD aus 22,13 (RPOH JRBD, vgl. V.16b) und V.18bb (mJRBD) aufgenommen wird:137 Die „Worte“ der Toraschrift werden unter Rückgriff auf das erste Orakel als Unheils- und Fluchworte charakterisiert, die die anschließenden Selbstminderungsgesten des Königs veranlasst haben (vgl. V.19ab). Die Terminologie ist teils direkt aus 22,16 entlehnt (vgl. die Objektangabe WJBVJ-LYW HXH mWQMH LY), teils stellt sie eine variierende Wiederaufnahme der Unheilsansage dar. Hatte die Unheilsankündigung in 22,16 allgemein von „dem Bösen“ (HYR) gesprochen, das Jahwe „über diesen Ort und seine Bewohner“ bringen wird, so formuliert V.19a schärfer: „Sie sollen zum Schrecken / Entsetzen und zum Fluch(-wort) werden.“ Die beiden Begriffe HMV138 und HLLQ139 kommen in dieser Verbindung im Alten Tes336 Dabei bestätigt sich die Vermutung, dass die mJRBD aus V.18bb auf die Toraverlesung zu beziehen sind, da der Relativsatz in V.19aa2 eindeutig die Situation von V.10f. rekapituliert, wie der anschließende Hinweis auf das Zerreißen der Kleider zeigt. Gleichzeitig wird der Inhalt des Schriftstücks unter Rückgriff auf Formulierungen des ersten Orakelspruchs wiedergegeben, so dass sich der Text wechselseitig interpretiert und als Sachzusammenhang gelesen werden will (vgl. V.20a). 137 Insofern trifft Spieckermanns Feststellung, der Beginn der temporalen Umstandsbestimmung stelle „eine leicht variierende Aufnahme des Sprachmaterials von 22,18bb“ dar (DERS., Juda, 66), durchaus zu, nur können daraus keine literarkritischen Schlüsse gezogen werden, wie schon daraus hervorgeht, dass anderenfalls eine willkürliche Zäsur inmitten des RVA-Satzes angenommen werden müsste, die weder sachlich noch syntaktisch plausibel ist und sich allein der Suche nach einem „passenden“ Anschluss an den Anakoluth in V.18bb verdankt. Ganz abgesehen davon, dass der Relativsatz TYMV RVA nicht notwendig nach einem syntaktischen Objekt verlangt. – Wenn LEVIN, Josia, 212 mit Anm. 58, V.19aa2.b insgesamt als sekundären Zusatz aus dem Grundbestand des Orakels ausscheiden will, so ist dies einzig darin begründet, dass nach seiner Ansicht der Bericht über die Auffindung der Toraschrift nochmals jünger ist als der Kern des Huldaorakels, doch lässt sich diese Auffassung am Text nicht substantiieren. Mit der Anordnung der einzelnen Glieder in V.19a ist literarkritisch nicht zu argumentieren: Das Zerreißen der Kleider und das Weinen vor Jahwe stehen in einem fortlaufenden Geschehenszusammenhang mit der Selbstdemütigung des Königs, der durch die temporale Umstandsbestimmung in V.19aa2 nicht unterbrochen wird. 138 Das Nomen HMV („Schrecken, Entsetzen“) ist überwiegend in der prophetischen Literatur beheimatet. Beinahe zwei Drittel aller Vorkommen finden sich im Jeremiabuch (24x Jer; 3x Jes; je 1x Ez, Hos, Joel, Mi, Zef, Sach). Die übrigen sechs Belege verteilen
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tament nur in 2Kön 22,19 vor, begegnen jedoch zusammen mit anderen Termini in drei- oder mehrgliedrigen Reihungen im Jeremiabuch. 140 Während HMV überwiegend für geographische bzw. architektonische Größen (Länder, Städte, Häuser), aber vereinzelt auch für Personengruppen, verwendet wird141, dominieren bei LLQ eindeutig personale Objekte – allerdings ist in Gen 8,21 davon die Rede, dass Jahwe den Ackerboden (HMDA) nicht noch einmal verfluchen will (LLQ, vgl. auch Hi 24,18), so dass der Doppelausdruck HLLQLW HMVL insgesamt auf „diesen Ort und seine Bewohner“ zu beziehen ist: Sie werden für jeden, der ihre Geschichte betrachtet, ein Anlass zum Entsetzen und ein Sinnbild der Verwünschung / Verfluchung sein (vgl. Jer 29,21f.).142 Während das Nomen HLLQ zum Terminus für das Unheil bewirkende Fluchwort geworden ist, das vor allem im Deuteronomium in Opposition zu HKRB steht und dort überwiegend als Sammelbegriff für die Fluchreihen in Dtn 27f. dient (vgl. Dtn 11,26–30; 27,13; 28,15.45; 29,26; 30,1–19; Jos 8,34), ist der formelhafte Gebrauch der Konstruktion HJH / nTN + HLLQL („zum Fluch werden / machen“) mit Ausnahme von 2Kön 22,19 (vgl. Sach 8,13, ohne L) ausschließlich im Jeremiabuch belegt. Diese Beobachtung mahnt zur Zurückhaltung angesichts der verbreiteten Annahme, dass die Wendung in 2Kön 22,19 auf die Fluchkapitel des Deuteronomium anspiele143 und die Darstellung in Kap. 22 als „Ätiologie“ des Deuteronomium zu verstehen sei. Die Skepsis verstärkt sich noch, bezieht man den Begriff HMV in die Untersuchung mit ein: Von 39 Belegen für das Lexem im Alten Testament finden sich 24 im Jeremiabuch und nur einer im Deuteronomium (vgl. Dtn sich auf je 2x Ps und 2Chr und je 1x Dtn und 2Kön. „Alle Belege stehen im Kontext von Gericht, das angedroht oder in Erinnerung gerufen wird“ (MEYER, mMV, 248). 139 Die nominale Ableitung HLLQ ist im Alten Testament 33x belegt, mit einem Schwerpunkt im Dtn (11x) und in Jer (9x). Der Terminus bezeichnet allgemein das Verächtlichmachen bzw. Verwünschen von Personen (vgl. 2Sam 16,12; 1Kön 2,8) und im Besonderen das formelhafte Fluchwort (vgl. Dtn 28,15.45; 30,1.11). In Opposition zu HKRB „wird qelālā der eigentliche Terminus für das einen Mitmenschen verwünschende Fluchwort“ (KELLER, LLQ, 645). 140 Vgl. Jer 25,18 (nTN + L); 42,18; 44,12.22 (jeweils HJH + L); vgl. noch Jer 29,18 (nur HMV) und 44,8 (nur HLLQ). Diese und ähnliche Reihenbildungen sind von THIEL, Jeremia 1–25, 223, als „Katastrophenformel“ bezeichnet worden. Ihr Objekt ist mit Ausnahme von Jer 49,13 Juda / Jerusalem (bzw. die Ägyptengruppe). 141 Vgl. die Übersicht bei MEYER, mMV, 248f. 142 „Ein Geschmähter, der wegen eines unverantwortlichen Benehmens verächtlich gemacht, verflucht worden ist, wird zum personifizierten, in Verwünschungen von seinen Mitmenschen zitierten, beispielhaften ‚Fluchwort‘ (qelālā). Dies wird häufig in Jer gesagt, und zwar in den für Jer charakteristischen, totale Entehrung, ja Vernichtung drohenden Synonymenreihen (Jer 24,9; 25,18; 42,18; 44,8.12.22; 49,13).“ (KELLER, LLQ, 645) 143 Vgl. LEVIN, Josia, 212.214; HARDMEIER, König, 110f.
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28,37). Nimmt man hinzu, dass die Verbindung beider Termini nur noch in Jer 25,18; 44,12.22 und 49,13 vorkommt, dann scheint der Schluss unvermeidlich, dass das bevorstehende Unheil, das im Toraschriftstück angekündigt ist, im zweiten Orakelspruch wie schon im ersten in den Farben der (deutero-)jeremianischen Prophetie und nicht in der Sprach- und Gedankenwelt des Deuteronomium vorgestellt wird. Das Unheil, das Juda / Jerusalem und seine Bewohner treffen wird, hat derart gewaltige Ausmaße, dass es selbst zum Fluchwort wird. Unter dem Eindruck dieser „Worte“ wendet sich der König Jahwe zu. Die temporale Näherbestimmung kYMVB, die durch den Relativsatz erweitert ist, bezieht sich auf den Vorgang der Demütigung des Königs vor Jahwe, wie die syntaktische Konstruktion mit der Präposition B deutlich macht, die die (Selbst-)Demütigung des Königs unmittelbar mit dem Vorgang des Hörens verbindet und auf diese Weise das zweite Glied der Reihe in V.19a zeitlich näher bestimmt und von den übrigen Handlungen absetzt. Es ist daher nicht ratsam, die Narrative in V.19a als individuelle Sachverhalte der Vergangenheit aufzufassen, die die AK-Formen aus V.19aa1 erklären, ohne dass dabei ein Handlungsprogress vorläge.144 Dagegen spricht nicht nur die Zeitbestimmung in V.19aa2, sondern auch der Fortgang des Verses. Denn das dritte Glied der Reihung erwähnt das Zerreißen der Kleider und nimmt die entsprechende Formulierung aus 22,11 abgesehen von der kontextbedingten Umformung in die 2.Pers. Sg. wörtlich auf. Das Kleiderzerreißen steht aber nach V.11 in einem Entsprechungsverhältnis zum Toravortrag, ohne dass dieses temporal genauer fixiert wäre: Der Infinitiv constructus mit der Präposition K drückt lediglich aus, dass der Vorgang des Kleiderzerreißens in einem sachlichen Entsprechungsverhältnis zum „Hören“ des Königs vorgestellt ist, sei es, dass dieses gleichzeitig oder nachzeitig zum Toravortrag gedacht ist.145 Diese temporale Unschärfe wird durch die Narrativkette in V.19a vereindeutigt, insofern zwischen der Demütigung des Königs, als eines inneren Vorgangs, der sich gleichzeitig mit dem Hören der Toraschrift vollzieht, und dem Zerreißen der Kleider als äußerem Zeichen der Selbstminderung angesichts der Ankündigung des göttlichen Zorns eine temporale Differenz markiert wird: Der Vorgang des Kleiderzerreißens erfolgt nach der Verlesung des Toraschriftstücks und bringt die Toraerkenntnis des Königs für die Umstehenden sichtbar zum Ausdruck.146 144
Pace TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 117. Vgl. JENNI, Kaph, 148. 146 Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass aus der Symbolhandlung des Kleiderzerreißens nicht kurzerhand auf eine „kultisch-rituelle Begehung“ geschlossen werden darf, die dann als hermeneutischer Schlüssel für die Reihung in V.11a herangezogen werden kann, wie es etwa HOFFMANN, Reform, 178f., unter Verweis auf 1Kön 21,27–29 tut. 145
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Als letzter Akt der Umkehr wird erwähnt, dass der König vor Jahwe „geweint“ (HKB) habe. Diese Wendung wird zusammen mit dem rituellen Akt des Kleiderzerreißens gerne dafür in Anspruch genommen, hinter der gesamten Reihe in V.19a eine rituelle Bußzeremonie zu vermuten, die der König nach der Verlesung der Toraschrift durchgeführt hätte.147 Nun ist es zweifellos richtig, dass HKB (+ HWHJ JNPL) kultische Konnotationen besitzt (vgl. Jdc 20,23.26)148 und im Rahmen von kollektiven Trauer- und Bußriten Verwendung findet (vgl. Jes 22,12; Jo 2,12; Sach 7,3; Est 4,1–3; Esr 10,1 u.ö.).149 Daneben begegnet das Verb aber auch im Zusammenhang individueller Klagegebete als Verstärkung der Notschilderung und zur Intensivierung der Bitte (vgl. Ps 6,7–9 u.ö.).150 In 2Kön 22,19 scheint das Weinen weniger Ausdruck eines öffentlichen Bußritus zu sein als Hinweis auf die persönliche Frömmigkeit und Umkehr des Königs, wie schon daraus erhellt, dass nur der König Subjekt des Weinens ist.151 Wichtiger für das Verständnis des Textes ist jedoch, dass das Weinen, das mit HKB zum Ausdruck gebracht wird, kein nonverbales Geschehen ist.152 Vielmehr ist es Bestandteil der Hinwendung zu Jahwe, die Ausdruck der Umkehr ist und darauf abzielt, dass Jahwe „hört“ (vgl. Dtn 1,45) und sich dem Beter wieder zuwendet (vgl. Jo 2,13f.). Genau darauf kommt es in 2Kön 22,19 an, wie die anschließende Erhörungsaussage in V.19b zeigt, die mit dem Motiv des „Hörens“ einerseits auf den Anakoluth in V.18bb zurückweist (vgl. die Hervorhebung durch emphatisches mG und das Personalpronomen der 1.Pers. c. Sg.)153 und andererseits direkt an das letzte Glied der Begründung anknüpft und zum Heilswort für den König überleitet:154 Jahwe hat Im Unterschied zum Bericht in 1Kön 21,27 ist der Vorgang des Kleiderzerreißens in 2Kön 22,11.19 nicht mit weiteren Trauer- oder Bußriten verbunden, die es erlauben würden von einer „rituellen Bußhandlung“ zu sprechen. 147 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 131f.; HOFFMANN, Reform, 179f. 148 In Jdc 20,23.26–28 zieht die israelitische Stämmekoalition, die gegen die benjaminitische Stadt Gibea kämpft, nach einer verlorenen Schlacht zum Jahweheiligtum in BetEl, um dort ein Kriegsorakel einzuholen (vgl. 2Kön 22,13): Dies wird von verschiedenen rituellen Handlungen und Opfergaben begleitet. – Etwas anders liegt der Fall in Jdc 21, 2f., wo das Volk eine (Toten-)Klage für den Stamm Benjamin abhält. 149 Vgl. dazu HAMP, HKB, 640–642. 150 Vgl. a.a.O., 641f. 151 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 67 Anm. 78. Allenfalls könnte daran gedacht werden, dass der König hier als „Modell“ für eine kollektive Buße porträtiert werden soll und deshalb Elemente eines solchen Rituals auf ihn übertragen worden wären. 152 „Ähnlich dem griech. klai/w und dakru/w, lat. fleo und lacrimo geht HKB von Mund und Stimme, YMD von den Augen aus“ (HAMP, HKB, 679). 153 Die Erhörungszusage ist wie die Einleitung zur Begründung des Heilswortes elliptisch formuliert. 154 Warum die Erhörungsaussage in V.19b „vor der Einleitung (sc. des Heilswortes) JNNH nKL V.20a zu früh kommt“ und sich daher als (wenig gelungener) sekundärer Zusatz erweise (LEVIN, Josia, 212 Anm. 57, vgl. DIETRICH, Prophetie, 38), bleibt rätselhaft. Die
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das „Weinen“ des Königs als Ausdruck seiner Umkehr „gehört“, weshalb er von dem kommenden Unheil ausgenommen sein wird. Die Wortlautsicherungsformel am Ende von V.19 unterstreicht die Erhörungszusage und betont das Sonderorakel für den König (vgl. V.13). Die eigentliche Heilsankündigung wird gemäß der Gattung des prophetischen Heilswortes durch die überordnende Konjunktion nKL eingeleitet und parallel zur Unheilsankündigung in V.16ab durch die Konstruktion 155 JNNH + Ptz. eröffnet. Das Heilswort besteht aus drei parallelen Aussagen, die sich gegenseitig interpretieren und in der Strafverschonung gipfeln. 156 „Siehe, ich werde dich auf deine Väter (ver-)sammeln, und du wirst zu deinen Grabkammern versammelt werden mit Frieden (mWLVB), und deine Augen werden nicht (an-)sehen all’ das Unheil (HYRH LKB), das ich über diesen Ort bringen werde.“ (V.20a)
In der Forschung ist vor allem die Deutung der ersten beiden Glieder strittig. Die Formulierung „ich werde dich auf (LY) deine Väter (ver-)sammeln (pOA Qal)“ mit Jahwe als Subjekt ist im Alten Testament ohne Parallele. Gewöhnlich wird die Aussage passivisch konstruiert, so auch in Jdc 2,10 (pOA Nif.), der einzigen Stelle neben 2Kön 22,20 (par. 2Chr 34,28), an der 157 pOA im Zusammenhang einer Todesnotiz mit T(W)BA (LA) verbunden ist. Die übliche Formel lautet dagegen pOA Nif. + mY (Pl.) + Suff. + LA (vgl.
Wortlautsicherungsformel HWHJ mAN ist weder „deplaziert“ noch gehört sie „in dieselbe Kategorie der stilistischen Ungereimtheiten wie das HWHJ JNPM in der Gottesrede“ (SPIECKERMANN, Juda, 67 Anm. 71), sondern setzt die Situation der Botenrede voraus und tritt an die Stelle, die im regulären Gattungsschema die Botenformel innehat. 155 Die Form kPOA kann entweder als 1.Pers. c. Sg. PK Qal von pOA + Suff. 2.Pers. m. Sg. („siehe, ich werde dich versammeln“) oder als Ptz. m. Sg. Qal von pOA + Suff. 2.Pers. m. Sg. aufgelöst werden. Aufgrund der Parallele zu V.16ab und weil nach JNNH der Gebrauch des Partizips überwiegt (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 114), ist die partizipiale Auflösung wahrscheinlicher. Ein Bedeutungsunterschied liegt nicht vor, da der Zeitbezug der Aussage durch die nachfolgenden Verbalformen eindeutig als nachzeitig festgelegt ist. 156 Vgl. bereits HOFFMANN, Reform, 182ff. 157 Jdc 2,10 ist Bestandteil der dtr Überleitung von der Zeit der Landnahme unter Josua zur Epoche der Richter in Jdc 2,6–23. Nach dem Bericht vom Tod und Begräbnis Josuas (V.8f.) erwähnt V.10 das „Versammeltwerden jener Generation (sc. die Zeitzeugen der Landnahme) zu ihren Vätern“. Erst mit der nachfolgenden Generation, die von den machtvollen Taten Jahwes für Israel nicht mehr wusste (V.10b), begann der Abfall des Volkes von Jahwe, mit dem das sog. Richterschema einsetzt. Die syntaktische Struktur der Wendung in Jdc 2,10 pOA Nif. + BA (Pl.) + Suff. + LA deutet darauf hin, dass es sich dabei um eine Variation der üblichen Konstruktion mit mY (Pl.) + Suff. + LA handelt. Der abweichende Präpositionalgebrauch in 2Kön 22,20a könnte sich aus der zunehmenden Angleichung der beiden Präpositionen LA und LY im Zusammenhang mit dem Phänomen des hebräischen Laryngalschwunds erklären.
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Gen 25,8.17; 35,29; 49,29.33; Num 20,24.[26?]; 27,13; 31,2; Dtn 32, 50).158 Die genaue Bedeutung und die Herkunft des Ausdrucks sind unklar. Meist wird angenommen, die Wendung sei ein euphemistischer Ausdruck für „sterben“ und habe ihren Ursprung in der Beisetzung der Totengebeine im Familiengrab (vgl. 2Sam 21,13; Jer 25, 33).159 Erstere Annahme gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass der Ausdruck pOA Nif. + mY / BA (Pl.) + Suff. den Tod bzw. das Sterben eines Menschen bezeichnen kann (vgl. Gen 49,29; Num 20,24; 27,13; 31,2). Allerdings wird bei der Mehrzahl der Belege zwischen dem Tod einer Person (TWM, YWG), ihrem „versammelt werden zu den Vätern / Vorfahren“ und dem Begräbnis (RBQ) unterschieden. Dies gilt vor allem für die priesterlichen Sterbenotizen in Gen 25,8 (Abraham) und 17 (Ismael); 35,8 (Isaak) und 49,29.33 (Jakob), in weniger ausgeführter Form auch für den Tod Aarons (Num 20,26) und Moses (Dtn 32,50). Dabei geht die Sterbenotiz der Rede vom Versammeltwerden zu den Vorfahren regelhaft voraus, während die Begräbnisnotiz danach folgt. 160 Es spricht daher einiges dafür, dass der Ausdruck pOA Nif. + mY / BA (Pl.) + LA weniger den Vorgang des Sterbens oder Begrabenwerdens als den Aspekt der postmortalen (!) Gemeinschaft des Verstorbenen mit seinen Vorfahren / Ahnen zum Ausdruck bringt, welche Vorstellungen sich damit im Einzelnen auch immer verbunden haben mögen.161 Ob dahinter ganz prak-
158 Vereinzelt ist die vollständige Wendung zu einfachem pOA Nif. verkürzt. Ein solcher elliptischer Gebrauch liegt in Num 20,26; 27,13b (vgl. Jes 57,1?) vor, wo jedoch unmittelbar zuvor (vgl. Num 20,24; 27,13a) die vollständige Formel begegnet, die durch die Wurzel pOA wieder aufgenommen wird; vgl. zur literarkritischen Beurteilung von Num 20,22–26 die Diskussion bei SEEBASS, 299f., und FREVEL, Blick, 238–240. Dagegen gehören Zef 1,2f. (vgl. zu den textkritischen Problemen IRSIGLER, 95); Ps 26,9; 104,29 und Hi 34,14 nicht in diesen Zusammenhang, da an diesen Stellen jeweils eine andere Konstruktion vorliegt. Vergleichbares gilt für die Rede vom „Einsammeln (der Gebeine)“ in 2Sam 21,13; Jer 8,3; 25,33; Ez 29,5. 159 Vgl. JENNI, BA, 11; RINGGREN et al., TWM, 770f. 160 Die einzige Ausnahme von dieser wiederkehrenden Abfolge stellt Num 20,26 dar, wo das Versammeltwerden Aarons der Sterbenotiz vorausgeht ( mV TMW pOAJ nRHAW) und eine Begräbnisnotiz ganz fehlt (vgl. V.28). Die fehlende Begräbnisnotiz (vgl. Gen 28,17) erklärt sich vielleicht vor dem Hintergrund der Parallelisierung des Todes Aarons mit dem Tod des Mose, die durch den Ort des Geschehens (Berg Hor) und die 30tägige Trauer des Volkes (V.29) noch unterstrichen wird (vgl. Dtn 34,1–8), vgl. FREVEL, Blick, 242– 244. Die Vorordnung des pOA Nif. vor die Sterbenotiz bleibt dagegen auffällig und lässt sich kaum allein aus stilistischen Gründen erklären (vgl. a.a.O., 239f.), es sei denn, die Form TMW wäre nicht als Perfekt consecutivum, sondern als Ptz. m. Sg. zu lesen in der Bedeutung „und er wird dort tot sein“, d.h. sein Leichnam wird auf dem Berg verbleiben. Dann würde der Ausdruck hier an die Stelle der Begräbnisnotiz treten. Dass TMJW in V.28a die Bedeutung „sterben“ hat, muss dazu nicht im Widerspruch stehen, da in V.28 das Versammeltwerden (zu den Vätern) nicht wieder aufgegriffen wird, die Wendung also die Aussage von V.26b zusammenfasst und rekapituliert. 161 Vgl. ALFRINK, L’expression. Inwieweit die Formel noch „eine versteckte Anspielung auf den Ahnenkult“ enthält, der an den Gräbern der Verstorbenen gefeiert wurde, wie LIPIŃSKI, mY, 186, vermutet, muss angesichts der späten Belege der Formel aus spätexilischer bzw. nachexilischer Zeit offen bleiben. Vgl. zur Mehrdeutigkeit der mit der Wendung pOA Nif. + mY / BA (Pl.) + Suff. + LA verbundenen Vorstellung auch LEVINE,
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5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
tisch die Sitte der Mehrfachbestattung in einem Familiengrab steht, die archäologisch für Jerusalem / Juda verschiedentlich nachgewiesen worden ist 162, ist nicht mehr mit Sicherheit zu klären. Zwar setzen die priesterlichen Todes- und Begräbnisnotizen der Genesis in der Regel die Bestattung in einem Familiengrab voraus, dies gilt jedoch für Aaron und Mose nicht in gleicher Weise. Umgekehrt ist in der Erzählung von der Bestattung der Saulnachkommen in 2Sam 21,10.14 zwar deren Beisetzung in einem Familiengrab berichtet, dort fehlt aber, wie auch in Jer 8,2; 25,33 und Ez 29,5, die charakteristische Verbindung von pOA (Qal / Nif.) mit mY / BA (Pl.) + Suff. (vgl. V.13), so dass die Belege im Wesentlichen auf den priesterlichen Erzählfaden des Pentateuch beschränkt bleiben.
Für das Verständnis von 2Kön 22,20a ist zweierlei von Bedeutung. Zum einen ist an dieser Stelle Jahwe Subjekt des Versammelns, d.h., die verbreitete passive Konstruktion des Vorgangs wird auf Jahwe als dessen eigentlichen Agens durchsichtig gemacht: Gott selbst versammelt den König zu dessen Vorfahren. Vielleicht noch bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang jedoch die Wahl der Wurzel pOA, die sonst in den Königsbüchern nirgends für das Sterben oder den Tod eines Königs verwendet wird. Die gewöhnliche Formulierung bei einem nicht gewaltsamen Tod eines Herrschers lautet WJTBA mY … BKVJW (vgl. 2Sam 7,12; 1Kön 2,10; 11,43; 14, 20.31 u.ö.).163 Diese Wendung wird hier bewusst vermieden und durch die Konstruktion mit pOA ersetzt, woraus sich die seltene Verbindung von pOA Qal / Nif. mit T(W)BA + Suff. erklärt. Damit ist zugleich deutlich, dass der Erzähler in V.20a keineswegs voraussetzt bzw. zum Ausdruck bringen will, der König werde eines natürlichen Todes sterben, so dass er in Widerspruch zum Bericht über den gewaltsamen Tod Josias in Megiddo in 23,29–30a geraten würde. Das Gegenteil ist der Fall: Die ungewöhnliche Formulierung in V.20a verdankt sich gerade der Spannung zwischen der Heilsankündigung und dem gewaltsamen Geschick des Königs, die sie aus494, der allerdings begrifflich und syntaktisch nicht zwischen der vollen formelhaften Wendung und diversen anderen Verwendungsweisen von pOA Nif. unterscheidet. 162 Bei einer Sekundärbestattung wurden die Knochen der Verstorbenen von den Liegebänken entfernt und in Depositkammern bzw. in späterer (hell.-röm.) Zeit in Ossuarien gesammelt (vgl. M. WEIPPERT, Sarkophag, 275; H. WEIPPERT, Palästina, 488f.). 163 Eine Ausnahme bildet die Sterbenotiz des israelitischen Königs Ahasja in 2Kön 1, 17 (TMJW), der eines natürlichen Todes gestorben war. Die Formulierung erklärt sich jedoch aus ihrer engen Verbindung mit der vorangegangenen Erzählung von der Krankheit bzw. dem Unfall des Königs, der daraufhin den Ba‘al von Ekron befragen lässt, weshalb Jahwe ihm durch den Propheten Elia mitteilen lässt, dass er von seiner Krankheit nicht mehr genesen werde (vgl. V.4.6.16). Die Formulierung in V.17a ist aber explizit als Erfüllungsvermerk mit Blick auf die unmittelbar vorangegangene Todesankündigung gestaltet, weshalb hier von der üblichen Formel abgewichen wird. Zum Problem der „doppelten“ Sterbenotiz bei König Ahab vgl. STEUERNAGEL / SCHULZE, Aussage, 268. Ihre These, die Wendung WJTWBA mY BKV würde in den Königsbüchern jeweils solchen Herrschern beigegeben, denen „irgendetwas Positives nachgesagt werden konnte“ (a.a.O., 275; Hervorhebung vom Vf.), bleibt jedoch einigermaßen unbestimmt und führt nicht weiter.
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
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zugleichen versucht, indem der vorzeitige Tod des Königs als eine heilvolle Verschonung interpretiert wird.164 Die Annahme eines älteren, josianischen Heilsorakels für den König findet an der Formulierung in V.20aa1 mithin keinen Anhalt. Nicht anders verhält es sich mit dem zweiten Glied der Aussagenreihe in V.20a, das die Ankündigung des Todes des Königs aufnimmt (vgl. pOA Nif.) und dahingehend weiterführt, dass ihm ein Begräbnis mWLVB verheißen wird: „und du wirst zu (LA) deinen Grabkammern versammelt werden in / mit Frieden“. Das Verständnis des Ausdrucks mWLVB in diesem Zusammenhang hat für viele Irritationen gesorgt und zu der verbreiteten Vermutung Anlass gegeben, hinter der Formulierung verberge sich ein älterer Kern des Huldaorakels, der von der Gerichtsankündigung gegen das Volk und dem gewaltsamen Geschick des Königs noch nichts wisse. 165 Diese Auffassung scheint zunächst im Recht zu sein, wenn man die übrigen Stellen vergleicht, an denen der Ausdruck mWLVB im Kontext von Todes- oder Begräbnisaussagen im Alten Testament begegnet: In Gen 15,15 wird Abram angekündigt, dass er mWLVB zu seinen Vätern (hin-)eingehen werde (AWB + LA), was im Folgenden durch die Wendung „du wirst in gutem Alter (HBWF HBJSB) begraben werden“ erläutert wird. Damit ist zweifellos gemeint, dass Abram in einem Zustand „vollständigen Heilseins“, alt und lebenssatt, sterben wird – im Unterschied zu seinen Nachkommen, die als Fremdlinge in Ägypten leben (V.13f.) und erst nach vier Generationen (vgl. V.13: „vierhundert Jahre“) in das Land zurückkehren werden. 166 Eine ähnliche Bedeutung kommt dem Ausdruck mWLVB in 1Kön 2,6; Jer 34,5 zu: In 1Kön 2,6 ermahnt David seinen Sohn Salomo, „das graue Haar“ Joabs, des Feldhauptmanns Davids, nicht „im Frieden“ zur Scheol hinabsteigen zu lassen. Diese Mahnung besitzt eine Parallele in Davids Anweisungen den Benjaminiter Schimi betreffend (vgl. 1Kön 2,8f.), von dem es heißt, Salomo solle sein graues Haar „mit Blut“ (mDB) zur Scheol hinab bringen (V.9). Aus der Gegenüberstellung der beiden parallel gestalteten Aussagen geht eindeutig hervor, dass der Ausdruck mWLVB in 1Kön 2,6 soviel wie „unversehrt“ bedeutet und im Gegensatz zu einem gewaltsamen Tod steht. Nicht anders verhält es sich mit der Ankündigung des Propheten Jeremia an König Zedekia kurz vor der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar II. in Jer 34,4f., in der dem König mitgeteilt wird, er solle nicht „durch das Schwert“ (BRCB), sondern „im Frieden“ (mWLVB) sterben und wie die früheren Könige ehrenhaft bestattet werden (vgl. V.5). 164
Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 133. Vgl. COGAN / TADMOR, 295; vorsichtiger urteilen MONTGOMERY / GEHMAN, 545, und GRAY, 713.727f. 166 Zur literarhistorischen Einordnung des Textes vgl. die Diskussion bei S EEBASS, 74–77, und SCHMID, Erzväter, 172–186. 165
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5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
Ist angesichts der angeführten Belege nicht doch eine Spannung zwischen der Ankündigung des Huldaorakels und dem Geschick des Königs, wie es 23,29–30a berichten, zu konstatieren? Dies wäre der Fall, wenn die beiden ersten Satzaussagen in V.20a semantisch übereinstimmen würden. Dagegen spricht jedoch, dass der Agens der zweiten Aussage, nach 2Kön 23,30a zu urteilen (WJDBY), nicht mit dem Subjekt des ersten Glieds identisch ist und dass der Präpositionalausdruck in V.20aa2 (kJTRBQ LA) den Sinngehalt der Aussage vom Tod des Königs auf dessen Begräbnis verschiebt (vgl. 2Sam 21,13f.; Jer 25,33).167 Die präpositionale Umstandsbestimmung mWLVB macht demnach keine Aussage über das Sterben des Königs, sondern über sein Begrabenwerden.168 Wie aber ist dies inhaltlich zu verstehen? Zielt der Satz auf ein ehrenhaftes Begräbnis, wie es Jeremia dem König Zedekia ankündigt, wenn er auf das Wort Jahwes hören und die Stadt den Babyloniern übergeben werde?169 Dafür spricht, dass derselbe Prophet König Jojakim verkündet, er werde wie ein Esel, außerhalb der Tore Jerusalems begraben werden, und niemand werde die (offizielle) Totenklage für ihn halten (vgl. Jer 22,18f., und zur Sache Dtn 28,26; 2Sam 21,10–14; 1Kön 14,13; Jer 16,5f.; 25,33; Ez 29,4f.). 170 Dass letzteres Geschick jedoch nicht notwendig mit dem gewaltsamen Tod eines Herrschers zusammenhängen muss, zeigen neben 2Kön 22,30 jene Belege, die von der Bestattung eines auf unnatürliche Weise verstorbenen Herrschers in seiner dynastischen Grablege berichten (vgl. 2Kön 9,27f.; 12,22; 14,19f.; 21,23. 26). Vielmehr scheint der Gegenbegriff zu mWLVB in 2Kön 22,20a, von dem her die Aussage des zweiten Glieds erst ihre volle Bedeutung erhält, in der auffälligen Wendung HYRH LKB im dritten Glied vorzuliegen, das den Abschluss der Heilsankündigung bildet. Der König wird das gesamte Unheil, das Jahwe über diesen Ort bringen wird, nicht mit ansehen müssen.171 Dieser Zusammenhang wird durch die ungewöhnliche Konstruktion von HAR + Präposition B, die analog der präpositionalen Wendung mWLVB gebildet ist, noch unterstrichen. Diese Form der kontrastierenden Gegenüberstellung hat jeweils eine Parallele in Jer 34,4f. (BRCB / mWLVB) und 1Kön 2,6.9 (mWLVB / mDB), wo der Gegenbegriff ebenfalls die Bedeutung des mWLVB näher bestimmt. Damit dürfte zugleich deutlich sein, dass die syntaktische Konstruktion HAR + B kein Indiz für eine diachrone Schich167 Sollte die Wendung kJTRBQ-LA TPOANW bewusst auf den Wortlaut der Begräbnisnotiz in 23,30 anspielen (WTRBQB WHRBQJW), wäre dies ein weiterer Hinweis darauf, dass das Huldaorakel für seinen jetzigen Zusammenhang konzipiert wurde und hier kein Widerspruch zwischen Ankündigung und Erfüllung zu konstatieren ist, wie häufiger vermutet wurde ( pace COGAN / TADMOR, 295). 168 Vgl. HOFFMANN, Reform, 183f.; TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 132–134. 169 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 134. 170 Vgl. DIETRICH, Prophetie, 57f.; SPIECKERMANN, Juda, 67f. mit Anm. 80. 171 Vgl. dazu den Hinweis bei DIETRICH, Prophetie, 58.
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
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tung des Textes darstellt.172 Steht der Gerichtsankündigung im Huldaorakel aber der Untergang Judas und Jerusalems vor Augen, wie es die zahlreichen Querverbindungen zur Prophetie Jeremias nahe legen, dann ergibt sich als weiterer Hintergrund für das Verständnis des Ausdrucks „du wirst versammelt werden zu deinen Grabkammern bešālôm“ das Geschick der Deportation und des Todes (bzw. Begräbnisses) im fremden Land, das im Alten Orient gemeinhin als ein großes Unglück galt und das mit Ausnahme Jojakims – von dem in 2Kön 24,6 jedoch keine Begräbnisnotiz überliefert ist (!) – allen verbleibenden Königen der davidischen Dynastie widerfuhr (vgl. 2Kön 23,34; 24,15; 25,6f.; Jer 22,10–12).173 Die Heilsansage für den König besteht somit darin, dass das Unheil, das in wörtlicher Aufnahme der Gerichtsankündigung aus V.16a rekapituliert wird und eine inclusio um das zweiteilige Huldaorakel bildet, die noch einmal betont, dass das Orakel für den König unlöslich mit dem vorangegangenen Orakelspruch gegen das Volk verbunden ist, nicht zu Lebzeiten des Königs eintreten wird.174 M.a.W., die Strafe, die „diesen Ort und seine Bewohner“ unwiderruflich treffen wird, wird um der (Selbst-)Demütigung des Königs willen aufgeschoben (vgl. zum Motiv der Strafverschiebung 1Kön 11,11–13; 21,27–29) – wohlgemerkt: sie wird aufgeschoben, nicht ausgesetzt oder gar aufgehoben. Die Bipolarität des Huldaorakels, die bereits in der Formulierung der Orakelanfrage vorabgebildet ist (vgl. V.13a), verdankt sich gerade dieser Verknüpfung des Geschicks des Königs mit 172 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 68f., der die ersten drei Worte des dritten Gliedes in V.20a (kJNJY HNJART-AL) zum alten Kern des Orakels rechnet und dies in der Hauptsache mit der „absonderlichen“ – wenngleich nicht singulären – Konstruktion von HAR + Präposition B begründet. Allerdings wird er zu dieser literarkritischen Operation in erster Linie dadurch genötigt, dass er im Text nach einer ursprünglichen Fortsetzung des Anakoluths aus V.18bb sucht. – Die Verbindung von HAR + B drückt nach HAL3, 1080f., ein „(An-)sehen mit (starker) Gefühlsbewegung“ aus (hier der Trauer oder Anteilnahme); vgl. zur Konstruktion auch die Belege in der Mošiʽ-Inschrift (Z.4.7), wo die Wendung die Bedeutung „(siegreich) auf jmd. herabblicken“ zu haben scheint. 173 Vgl. dazu die Hinweise bei HOFFMANN, Reform, 184f. mit Anm. 65. „Die Einschränkung der Exilskatastrophe für die Person des Josia … besteht konkret darin, daß ihm das Schicksal der letzten Davididen Joahas, Jojachin und Zedekia erspart bleibt, in fremder Erde verscharrt zu werden.“ (a.a.O., 185) – Wenn SPIECKERMANN, Juda, 68, darauf aufmerksam macht, eine derartige Verheißung sei „nur als vaticinium ex eventu sinnvoll, weil die Anspielung auf das gebührende Begräbnis Josias nur für den, der die tragischen Todesumstände kennt, nicht selbstverständlich ist …“, ist dies dahin zu präzisieren, dass es weniger die Umstände des Sterbens Josias als die Erfahrung der Deportation und des Sterbens im fremden Land sind, die den Heilscharakter der Verheißung ausmachen. 174 Vgl. die Reaktion Hiskias auf die Unheilsansage des Propheten Jesaja in 2Kön 20, 16–19, wo der König das Gericht über sein Haus als ein „gutes Wort“ beurteilt, weil das Unheil nicht zu seinen Lebzeiten eintreffen wird, d.h. Hiskia selbst entgeht dem Geschick seiner Nachfahren, die in die Gola weggeführt werden.
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demjenigen des Volkes, in der die geschichtstheologische Aporie, die sich in der Rückschau aus der Reformpolitik Josias auf der einen und dem Untergang des Staates Juda, einschließlich der Zerstörung Jerusalems und seines Tempels, auf der anderen Seite ergab, aufgenommen und in prophetischer Diktion bearbeitet wird. Anders gesagt: die Doppelstruktur ist nicht „das Problem des Huldaorakels“175, sondern sie ist die Antwort auf das hermeneutische Problem, das sich der geschichtstheologischen Reflexion im Blick auf die Herrschaft des Königs Josia stellte.176 Der abschließende Versteil 22,20b notiert mit den gleichen Worten wie 22,9ab (WBJVJW RBD kLMH-TA) die Rückkehr und Berichterstattung der Delegation vor dem König, mit der die Szene schließt. Über die Reaktion des Königs wird nichts mitgeteilt, sie ergibt sich auf der Ebene der Endgestalt des Textes aus den nachfolgenden Maßnahmen, die der König mit der Versammlung der Repräsentanten des Volkes und der anschließenden Verpflichtung auf die Toraschrift in 23,1–3 einleitet.
Hier schließt sich eine grundsätzliche Frage an: Wie erklärt sich die Reaktion des Königs auf die vernichtende Unheilsankündigung, die ihm durch das Huldaorakel übermittelt wurde? Warum beginnt er ein umfassendes Reformprogramm, obwohl das eingeholte Orakel die Aussichtslosigkeit aller dieser Bemühungen und die Endgültigkeit des göttlichen Zorngerichts über Juda und Jerusalem nachdrücklich feststellt?177 Haben wir hier einen letzten – vergeblichen – Versuch vor uns, „dem Rad noch in die Speichen zu fallen“, das Unaufhaltsame aufzuhalten, so wie es David oder Ahab getan haben?178 Oder dient die Darstellung der Reformtätigkeit Josias in Kap. 175
Vgl. LEVIN, Josia, 210. Die gleiche Problematik wird in der abschließenden Bewertung der Herrschaft Josias in 23,25–27 reflektiert, deren Umkehrtheologie (vgl. das Leitwort BWV) SPIECKERMANN, Juda, 67, derselben Hand zuweist, die für die (redaktionelle) Bearbeitung des Huldaorakels verantwortlich zeichne (vgl. auch HARDMEIER, König, 110.113, bei abweichender literarkritischer Beurteilung). Es sei jedoch bereits hier darauf hingewiesen, dass im Detail signifikante Differenzen in der geschichtstheologischen Argumentation zwischen beiden Textstücken beobachtet werden können, die genauer untersucht werden müssen (s. unten, S. 457–459). 177 „Das zweite Teilorakel ist … die unbedingte Bestätigung der Unausweichlichkeit des Gerichtes, die sich daran zeigt, daß auch Josia das Ende nicht aufhalten kann, sondern nur persönliche Bewahrung vor den Auswirkungen der Katastrophe erlangt.“ (HOFFMANN, Reform, 186f.). 178 Vgl. 2Sam 12,15b–23 bzw. 1Kön 21,27–29. In beiden Fällen handelt es sich um die Durchführung von Selbstminderungsriten angesichts einer Notsituation, die im Falle Ahabs zu einer Strafverschonung des Königs führen, während dies bei David nicht möglich ist, da die Strafe bereits von ihm auf seinen Sohn verschoben wurde. Eine strikte Analogie zu 2Kön 23,1–3 bieten beide Stellen nicht. Vielmehr wäre das Ansinnen Josias darin zu suchen, das Geschick des Volkes in Analogie zu seinem persönlichen Geschick zu beeinflussen, indem das Volk die Umkehr zu Jahwe mit vollzieht und der offizielle Kultus nach den Vorgaben der Toraschrift umgestaltet wird. 176
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
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23 lediglich dazu, den König aus der Rückschau als idealen Repräsentanten der Institution des Königtums gemäß dem dtn Königsgesetz in Dtn 17, 18–20 zu stilisieren, „der zu früh und noch vergeblich in vorbildlicher Tora-Gefolgschaft dieser Wende (sc. der erhofften Schicksalswende in spätexilischer Zeit) den Weg zu bereiten versucht hat“?179 Verdankt sich mithin die literarische Verknüpfung des Huldaorakels mit dem Reformbericht ausschließlich der geschichtstheologischen Reflexion einer späteren Zeit, die darum bemüht ist, die Aporie, die sich mit dem Geschick des Königs (und des Volkes) verbindet, aufzuarbeiten? Legt man eine synchrone Lektüre des literarischen Zusammenhangs in 2Kön 22–23 zugrunde, so können alle genannten Antworten ein gewisses Recht für sich reklamieren. Denn zweifellos lassen sich die Reformmaßnahmen des Königs einerseits als Ausfluss seiner (Selbst-)Demütigung vor Jahwe (vgl. V.11.19) und andererseits als Versuch, das Volk auf das gehorsame Tun der Tora Jahwes zu verpflichten, verstehen, um wie für sich selbst so auch für das Volk einen Strafaufschub zu erreichen, der letztlich auf eine Zurücknahme der unbedingten Unheilsankündigung abzielt. Allerdings ist dieser Versuch zum Scheitern verurteilt, wie nicht erst die Rahmennotiz in 23,25–27 feststellt, die im vorliegenden Text mit dem Huldaorakel eine inclusio um den Reformbericht bildet und dessen Verständnis bestimmt. Dies kann vielmehr bereits dem Wortlaut des Orakels selbst entnommen werden. Denn die „anachronistische“ Formulierung in V.16b („alle Worte / Bestimmungen des Schriftstücks, die der König von Juda ausgerufen / vorgelesen hat“) greift auf die Selbstverpflichtung von König und Volk auf das Toradokument in 23,2f. voraus: Dem Volk wird das Unheil angekündigt, das die Toraschrift in Aussicht stellt, weil es seine Selbstverpflichtung auf die Tora Jahwes gebrochen hat (vgl. V.17) und dem Vorbild des Königs nicht gefolgt ist. Damit wird deutlich, dass die Unheilsankündigung in 22,16f. keine Möglichkeit zur Umkehr, d.h. zur Verschonung vor dem Zorn Jahwes, mehr offen lässt. Das Huldaorakel blickt nicht nur historisch, sondern auch narratologisch auf die Ereignisse aus Kap. 23 zurück und eignet sich daher kaum dazu, die umfangreichen Reformen des Königs zu begründen. Das gleiche gilt mutatis mutandis für die Annahme, die Komposition verfolge die Absicht, den König als Idealgestalt nach dem Vorbild des dtn Königsgesetzes zu stilisieren, gewissermaßen als einen Reformer, der seiner Zeit voraus war. Denn dies würde nichts anderes bedeuten, als dass die Verbindung des Huldaorakels mit dem Reformprogramm in Kap. 23 gerade keinen organischen Zusammenhang bildet, sondern das Ergebnis sekundärer Verknüpfung ist, die auf ei-
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HARDMEIER, König, 114.
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ner älteren Überlieferung fußt.180 Die Reformtätigkeit des Königs wäre dem Huldaorakel in diesem Fall vorausgegangen und nicht durch es hervorgerufen worden. Damit stellt sich aber die Frage nach der literarischen Integrität des Berichtes. W. Dietrich, der die Spannung zwischen der Orakelerteilung und dem Beginn der Reformmaßnahmen deutlich empfunden hat, hat die These aufgestellt, das ursprüngliche Orakel sei bis auf wenige Reste in V.15aa.b. 16aa.18bb durch eine spätere Überarbeitung verloren gegangen und habe einen prophetischen Gottesbescheid enthalten, demzufolge die Bestimmungen des gefundenen Toradokuments in die Tat umgesetzt werden sollten, was umgehend erfolgt sei.181 Es hat sich jedoch im Verlauf der Untersuchung gezeigt, dass alle Versuche, hinter dem vorliegenden Text ein älteres Orakel zu rekonstruieren, unabhängig von dessen möglichem Umfang und Inhalt, erfolglos bleiben müssen. Das vorliegende Orakel samt Einleitung erweist sich als eine kunstvolle und in sich geschlossene Komposition, die keinerlei Anlass zu einer literarkritischen Differenzierung bietet. Damit muss die von Dietrich und anderen vorgeschlagene Lösung des Problems mittels der Rekonstruktion einer älteren, vordtr Version des Huldaorakels aufgegeben werden.182 In Aufnahme der Beobachtungen Dietrichs hat Levin nach älteren Vorgängern183 einen radikaleren Weg eingeschlagen und das gesamte Huldaorakel mit seiner Einleitung in 22, 12–20 für literarisch sekundär erklärt.184 Zwar geht auch Levin davon aus, dass innerhalb des Orakels zwischen einer älteren Grundschicht und einer jüngeren Bearbeitung zu unterschieden sei, doch lasse sich bereits für den Grundbestand des Textes, den Levin in 22,12–15.19a*.20a* vermutet, zeigen, dass dieser nachträglich in den ursprünglichen Zusammenhang zwischen 22,9 und 23,4 eingefügt worden sei. Levin begründet seine These mit dem Prinzip der Wiederaufnahme bzw. der Ringkomposition, das der Ergänzer für seine Eintragung benutzt habe: „Er beginnt mit der Aufnahme des ursprünglich folgenden Textes, bringt dann sein Eigenes und schließt mit der Wiederaufnahme des ursprünglich vorangehenden Textes.“185 Im Blick auf das Huldaorakel bedeute dies, dass einerseits die Beauftragung des Priesters Hilkia in 22,12 (nHKH HJQLC TA kLMH WZJW) die Eröffnung des 180 Dies setzt auch HARDMEIER, König, 116ff., voraus, nur dass er annimmt, der in sich kohärente dtr Bericht über die res gestae des Königs Josia in 2Kön 22,2–23,27 (zur Abgrenzung vgl. a.a.O., 87f.) habe in 23,4–15* auf eine ältere Quelle zurückgegriffen, die von verschiedenen kultpolitischen Reformen des Königs berichtete, und diese in seine Gesamtdarstellung eingefügt. Die Darstellung zielte von Anfang an darauf ab, die Josiazeit als Prolepse zeitgenössischer restaurativer Erwartungen zu porträtieren, die vor der Schwierigkeit gestanden habe, das Scheitern dieser Reformpolitik und ihre Vorbildfunktion miteinander zu verbinden. 181 Vgl. DIETRICH, Prophetie, 55–58; DERS., Josia, 111–113. 182 Vgl. zu älteren Vorschlägen die bei DIETRICH, Prophetie, 55f. Anm. 26, genannte Literatur. 183 Vgl. ŠANDA, 335f. 184 Vgl. LEVIN, Josia, 209–213. 185 A.a.O., 209.
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
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Reformberichts in 23,4 (LWDGH nHKH WHJQLC TA kLMH WZJW) aufnehme, und andererseits die Schlussnotiz in 22,20b (RBD kLMH-TA WBJVJW) auf den Rechenschaftsbericht des Schreibers Schafan in 22,9ab (RBD kLMH TA BVJW) zurückverweise. „Die wörtlichen Übereinstimmungen von Aufnahme und Wiederaufnahme sind eindeutig und haben völlige Beweiskraft.“186 Ganz so eindeutig liegt die Sache indes nicht. Was zunächst den Rechenschaftsbericht der Gesandtschaft betrifft, so verdankt sich die parallele Formulierung in 22,9 und 20 der jeweils vorausgesetzten Botensituation, ist also stilistisch bedingt und für sich kein hinreichendes literarkritisches Indiz. 187 Das gleiche gilt in noch stärkerem Maße für die vermeintliche Aufnahme von 23,4 in 22,12, die darüber hinaus voraussetzt, was sie allererst begründen soll, dass nämlich 23,4 ursprünglich direkt an 22,20 resp. 22,9 angeschlossen habe.188 Die königliche Beauftragung in 22,12 und 23,4 (HWZ, vgl. 23,21) verdankt sich ebenso geprägter Sprache wie die Rechenschaftsnotiz in 22,9ab und 20b und ergeht im Übrigen jeweils an verschiedene Personengruppen. 189 Schließlich hat die Kompositionsanalyse des Textabschnitts gezeigt, dass der narrative Einsatz des Huldaorakels bereits mit der relativen Zeitbestimmung in V.11 gegeben ist, so dass die Handlungssequenz V.11–20 umfasst.190 Damit relativieren sich die literarkritischen Argumente, die Levin für die Ausscheidung des Huldaorakels vorgebracht hat, erheblich. Dennoch hat er im Ergebnis das Richtige gesehen.
Der entscheidende Hinweis auf den sekundären Charakter des Huldaorakels ist bereits genannt worden: die Formulierung in 22,16b, die nicht nur proleptisch auf die Selbstverpflichtung des Volkes in 23,2f. vorausgreift, sondern die Ereignisse in einer Art und Weise reflektiert, die einen Standort des Ergänzers „jenseits des Gerichts“ erkennen lässt. Der Zorn Jahwes kann nicht gestillt werden, weil das Volk seiner Selbstverpflichtung, die Tora Jahwes zu tun (vgl. 22,13 mit 23,3), nicht nachgekommen ist, so dass sie „zum Entsetzen und zum Fluch(-wort) werden“ müssen (vgl. V.19). Der „höhere“ Standort des Huldaorakels zeigt sich kompositionsgeschichtlich daran, dass von hier aus Linien in alle übrigen Unterabschnitte der
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A.a.O., 209f. Vgl. zum Sprachgebrauch Gen 37,14 und 1Kön 12,6.9.16. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass V.20b nach dem Vorbild von V.9ab formuliert sein und auf eine spätere Hand zurückgehen kann, nur vermag die parallele Formulierung die literarkritische Urteilsbildung nicht zu begründen. 188 Vgl. LEVIN, Josia, 210. 189 In 22,12 wird eine Gesandtschaft zu der u.a. der Priester Hilkia gehört, mit der Einholung eines Jahweorakels beauftragt, während in 23,4 der Befehl an die Priesterschaft ergeht, die Kultgeräte, die für die Verehrung Ba‘als, der Aschera und des Himmelsheeres angefertigt wurden, aus dem Tempelgebäude ( LKJH) zu entfernen. Dass Hilkia in beiden Reihen an erster Stelle genannt wird, hängt vermutlich mit seiner besonderen Stellung zusammen, was sich für 23,4 von selbst versteht. Die Beteiligung von Priestern bei der Einholung eines prophetischen Orakelbescheids ist auch in 2Kön 19,2 (par. Jes 37,2); Jer 21,1; 37,3 belegt (dort jedoch immer in nachrangiger Position). Die Nennung Hilkias vor dem Rest der Delegation ist wohl auf seine Rolle bei der Entdeckung des Schriftstücks zurückzuführen (vgl. 22,8.10). 190 Siehe oben, S. 109f. 187
158
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
Gesamterzählung verlaufen.191 M.a.W., das Textstück setzt die vollständige Texteinheit (mit Ausnahme der Passafeier) voraus und interpretiert sie im Licht der bevorstehenden Katastrophe. Diese Einschätzung bestätigt sich, wenn die Sprachgestalt des Huldaorakels mit in die Betrachtung einbezogen wird, die enge Parallelen zur (deutero-)jeremianischen Prophetie aufweist192, so dass man von Hulda als einem „weiblichen Jeremia“ gesprochen hat.193 Das Gericht, das Hulda „über diesen Ort und seine Bewohner“ (vgl. V.16.19–20a) ankündigt, ist kein anderes als die von Jeremia angekündigte Katastrophe des Jahres 586 v. Chr.194 Schließlich ist die hermeneutische Funktion des Huldaorakels für die Gesamterzählung zu beachten: Das Orakel dient nicht dazu, die Reformpolitik des Königs zu inaugurieren – und hat dies auch nie getan, sondern die geschichtstheologische Aporie aufzulösen, die sich in (spät-)exilischer Perspektive aus der torakonformen Herrschaft des Königs Josia auf der einen und dem wenige Jahrzehnte später erfolgten Untergang Judas und Jerusalems auf der anderen Seite ergab. In dieser Intention berührt sich das Huldaorakel mit der vermutlich ebenfalls sekundären geschichtstheologischen Argumentation in 2Kön 23,25–27, wo der Untergang Judas mit dem gleichen Schicksal des Nordreichs Israel parallelisiert und mit der „Sünde Manasses“ begründet wird (V.26f.; vgl. 2Kön 21,10–16; 24,3f.).195 Sowohl literarische als auch theologisch-konzeptionelle Beobachtungen legen daher den Schluss nahe, dass das Huldaorakel sich späterer geschichtstheologischer Reflexion verdankt und kein originärer Bestandteil des ursprünglichen Berichts über die Regierung Josias in 2Kön 22f. gewesen ist. Seine Einfügung verleiht dem Reformprogramm des Königs den Charakter einer Prolepse, einer Vorwegnahme eines Ideals, das es zukünftig (wieder) zu realisieren gilt 196,
191
Siehe oben, S. 127 mit Anm. 77 und 78. Auch sonst weist das Vokabular und die theologische Konzeption des Huldaorakels in die exilisch-nachexilische Zeit. 193 Vgl. LEVIN, Josia, 211. 194 Hier zeigt sich eine Prophetenkonzeption, die von der Einheit des göttlichen Wortes ausgeht, das durch die Propheten verkündigt wurde. – Der Gedanke, dass das Volk hinter die Kultreform des Königs zurückgefallen ist und damit das Gericht Jahwes herauf beschworen hat, findet sich mit Bezug auf die (dtr) Reformen Hiskias in Jer 26,17–19 wieder (vgl. hinsichtlich der Reformen Josias die Hinweise in Jer 3,10; 11,10–13), vgl. SCHART, Zwölfprophetenbuch, 236. 195 Siehe unten, S. 457–459. 196 Hierin liegt durchaus ein Hoffnungspotential des Textes, obgleich er die Unausweichlichkeit des Gerichts trotz des Gehorsams des Königs unerbittlich herausstellt. Letzteres liegt aber darin begründet, dass das Volk seine Bundesverpflichtung gebrochen und Jahwe verlassen sowie anderen Göttern gedient hat (vgl. 22,16f. mit 23,3). Ob sich mit dieser Hoffnung royalistische Erwartungen verbunden haben, wie H ARDMEIER, König, 114f., vermutet, muss einstweilen offen bleiben. Dem Text des Huldaorakels selbst 192
5. Kapitel: Das Huldaorakel (2Kön 22,11–20)
159
das an seinem Ort jedoch eine Episode blieb, die den Keim des Untergangs bereits an ihrem Beginn in sich trug. Der Gegensatz, in dem diese Leseperspektive zum Kern des Reformberichts in Kap. 23 steht, ist im vorliegenden Text noch deutlich zu spüren und weist darauf hin, dass die Reformtätigkeit des Königs den späteren Bearbeitern bereits vorgegeben war. Das Huldaorakel ist weniger für den Handlungsfortschritt notwendig als für die geschichtstheologische Frage, wie es trotz der vorbildlichen Herrschaft des Königs zum Untergang Judas und Jerusalems kommen konnte. Liest man den Bericht in 2Kön 22,3– 23,30 zur Gegenprobe ohne das Huldaorakel, so schließt sich der Reformbericht nahtlos an die Verlesung der Toraschrift vor dem König an, der das Volk auf das Toradokument verpflichtet und dessen Bestimmungen im praktischen Kultvollzug umsetzt. Die Darstellung gewinnt dann einen völlig anderen Charakter: Sie berichtet von einem Neubeginn, der durch die Auffindung des Toraschriftstücks angestoßen wird und auf die Neukonstitution des Gottesvolkes und seines Gottesdienstes hinführt. Die ursprüngliche Erzählung atmet nirgends den Geist der bevorstehenden Katastrophe, sondern ruht ganz in den historischen und religionsgeschichtlichen Rahmenbedingungen der ausgehenden Königszeit. Die Ausgangsbeobachtung, dass sich die Verbindung des Huldaorakels mit der Reformpolitik des Königs primär literarischer Kompositionsarbeit verdankt, bestätigt sich somit – jedoch nicht im Sinne einer einheitlichen, exilischen Gesamtkomposition vor dem Hintergrund eines dtr Großerzählwerks, wie es zuletzt Hardmeier angenommen hat197, sondern im Sinne einer geschichtstheologischen Neuinterpretation, die den älteren Bericht unter veränderten historischen Rahmenbedingungen zu verstehen versucht. Darin deutet sich ein (mindestens) zweistufiges Modell für die Entstehung der Königsbücher an, das zwischen einer älteren (spätvorexilischen) Grundschicht und einer (spätexilischen?) Neubearbeitung unterscheidet.198
ist eine solche Erwartungshaltung kaum zu entnehmen. Zum Verständnis der strittigen Schlussverse der Königsbücher vgl. jüngst GERHARDS, Begnadigung. 197 Vgl. HARDMEIER, König, passim. 198 Siehe unten, S. 466–471, und die Überlegungen bei SCHMID, Wellhausen.
6. Kapitel
Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3) Mit Kapitel 23 setzt ein neuer Erzählabschnitt ein. Dies illustrieren sowohl der Wechsel im Personeninventar als auch der erneute Ortswechsel: In 23, 1–3 ist weder von Schafan noch von Hilkia, den beiden Protagonisten der Eröffnungssequenz, die Rede.1 Stattdessen ist die Handlung ganz auf den König fokussiert (vgl. V.1a.2a*.b.3a)2, der hier – abgesehen von der Einleitung des Huldaorakels in 22,11–13 – erstmals seit 22,3 als handelndes Subjekt auftritt. Neben den König tritt das Volk (vgl. 23,21–23), das sich aus Anlass der Verpflichtungszeremonie im Tempelbezirk versammelt und auf dessen vollständige Anwesenheit die Erzählung nachdrücklich hinweist (vgl. das Leitwort LK, das in Verbindung mit mYH bzw. dessen Repräsentanten allein in V.1–2a viermal begegnet). Der sehr dicht gestaltete Abschnitt, der durch eine Vielzahl von Stichwortbezügen und Inklusionen bestimmt ist3, enthält gleich mehrere Dislokationen. In V.1 entsendet ( CLV, vgl. 22,3.15.18) der König Boten, um die Ältesten Judas und Jerusalems zu versammeln. Anschließend zieht der König begleitet vom ganzen Volk vom Königspalast hinauf zum Tempelbezirk (V.2a). Nach der öffentlichen Verlesung der TJRBH RPO JRBD tritt der König an einen hervorgehobenen Ort innerhalb des Tempelbezirks (DWMYH), um eine TJRB zu schließen. Mit V.3b nimmt erneut das Volk eine „Ortsveränderung“ vor, indem es in die 1 Hilkia wird noch einmal in 23,4 im Zusammenhang mit verschiedenen priesterlichen Gruppen zu Beginn des Reformberichts genannt; Schafan wird nach 22,10 (bzw. 14) überhaupt nicht mehr erwähnt. Beide sind jedoch im vorliegenden Text als Glieder des Volkes bzw. Angehöriger der Priesterschaft (vgl. V.2) bei der Zeremonie als anwesend mitzudenken. 2 In V.2a erscheinen neben dem König das Volk bzw. seine Gruppen als Subjekt, die den König auf seinem Weg zum Tempel begleiten. Das Subjekt der Verlesung der Bestimmungen der „Bundesurkunde“ in V.2b bleibt grammatisch unbestimmt, doch legt der Duktus des Textes die Vermutung nahe, dass der König – trotz der Renominalisierung in V.3a – als logisches Subjekt vorauszusetzen ist (ob der König das Dokument selbst verlesen oder seine Verlesung lediglich angeordnet hat, kann hier offen bleiben). Das Subjekt der Infinitivkette in V.3a wird ebenfalls nicht näher bestimmt, was mit ihrer Funktion zusammenhängt. – Insofern sich der König in V.3a jedoch auf die Bestimmungen der „Bundesurkunde“ verpflichtet, kann er als logisches Subjekt der Infinitivreihe zumindest indirekt erschlossen werden (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 144). 3 Vgl. dazu die Beobachtungen bei TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 146–149.
6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
161
TJRB eintritt (DMY, vgl. V.3a). Der gesamte Text lässt demnach eine Bewe-
gung erkennen, die vom König ausgeht und auf das Volk hinzielt.4 Der König ist der Initiator der Handlung, in deren Verlauf das Toraschriftstück einerseits an seinen Herkunftsort – den Jerusalemer Tempel (vgl. V.2b mit 22,8) – zurückkehrt und andererseits aus dem kleinräumigen Umkreis der Beamtenaristokratie hinaustritt und zur Grundlage der öffentlichen Religionsausübung erhoben wird. Damit gelangt das Schriftstück zu seiner eigentlichen Bestimmung, wird sein Charakter als Tora Jahwes anerkannt, und es kann seine Wirkung entfalten. Spieckermann hat von daher völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die berît-Zeremonie in V.1–3 „das Gelenk und Herzstück“ der Gesamterzählung ist5, das die Erzählung über die Entdeckung des Toradokumentes mit dem Reformbericht in Kap. 23 verknüpft, als dessen Grundlage es im Weiteren erscheint. Diese Verknüpfung erfolgt in erster Linie durch die Identifizierung der Toraschrift aus 2Kön 22,8.(10) mit der „Bundesurkunde“ in 23,2f., wie sie sich in der Determination des Ausdrucks TJRBH RPO und in der anschließenden partizipialen Wendung HWHJ TJBB AZMNH ausspricht (vgl. V.26). Hinzu kommen die bereits erwähnte, rückläufige Bewegung zum Tempel (HLY, vgl. 22,3f.9) und das Motiv der Verlesung des Schriftstücks (ARQ, vgl. 22,8.10). Die meisten der genannten Rückbezüge finden sich ebenso in 22,11–20: die Wurzeln AZM bzw. ARQ in 22,13.16, vor allem aber die Verbindung von RBD (Pl.) mit RPO (+ Ptz. pass. von BTK) in 22,11.13.16 (vgl. 23,2f.). P. Tagliacarne hat darüber hinaus noch auf zwei semantische Entsprechungen zwischen 22,11–20 und 23,1–3 aufmerksam gemacht. Zum einen steht die Selbstverpflichtung „hinter Jahwe her zu gehen“ (V.3a) im Gegensatz zu dem Vorwurf (an das Volk!), Jahwe verlassen zu haben (vgl. 22,17aa), und zum anderen nimmt die öffentliche Bekanntmachung der Tora (23,2) und der Entschluss, ihre Bestimmungen zu verwirklichen (23,3), die in 22,13 festgestellte Ursache des göttlichen Zornes antithetisch auf, so dass zu erwarten wäre, dass damit auch der Zorn Jahwes selbst aufgehoben ist.6 Vor diesem Hintergrund stellt sich nochmals die bereits diskutierte Frage nach dem Verhältnis der Verpflichtungszeremonie zum vorangegangenen Huldaorakel.
4
Vgl. auch LOHFINK, Bundesurkunde, 106f. Eine Kreisbewegung, die vom König ausgeht und am Ende wieder zu ihm zurückkehrt, wie sie in den ersten beiden Szenen (22,3–10 und 22,11–20) von Lohfink konstatiert wird, liegt dem Aufbau von 23,1–3 nicht zugrunde. – Sie ist in Kap. 22 vielmehr darin begründet, dass die Textstruktur jeweils durch die Entsendung königlicher Beamter und deren Rückkehr nach erfolgter Ausführung des Auftrags bestimmt wird, was in 23,1–3 nur für die knappe Notiz in V.1 gilt. 5 SPIECKERMANN, Juda, 79. 6 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 164f.
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6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
Eine synchrone Lektüre des vorliegenden Erzählzusammenhangs kann dieses Verhältnis nur so bestimmen, dass die Selbstverpflichtung von König und Volk darauf abzielt, Jahwes Erbarmen und die Abkehr von seinem Zorn zu erwirken, indem Israel kollektiv zu seinem Gott zurückkehrt, um auf diese Weise den Anlass für dessen Zorn aufzuheben. 7 Ein analoger Vorgang lässt sich innerhalb der chronistischen Darstellung der Kultreform des Königs Hiskia von Juda beobachten (vgl. 2Chr 29,3–11). Weil „die Väter“ (gemeint ist Hiskias Vater, König Ahas) Jahwe verlassen (BXY, V.6; vgl. 2Kön 22,17!) und den regulären Tempelkult eingestellt hatten, war Jahwes „Zorn“ gegen Juda und Jerusalem entbrannt (V.8.10), und er gab sie in die Hände ihrer Feinde (V.8f.).8 Angesichts des Zornes Jahwes, der Juda und Jerusalem getroffen hat, entschließt sich Hiskia, eine TJRB „zugunsten Jahwes“ zu stiften (TRK + L)9, damit dieser von seinem Zorn „zurückkehre“ und die aktuelle Notsituation beende (WPA nWRC WNMM BVJW V.10b, vgl. 2Kön 23,26a!). Im Un7 Auf dieser Linie interpretiert SPIECKERMANN, Juda, 71, den Zusammenhang unter Voraussetzung der von ihm rekonstruierten Grundschicht des Textes. L OHFINK, Bundesurkunde, 109–113, deutet den Handlungsverlauf in 2Kön 22–23* (ohne den Reformbericht 23,4–20) dagegen vor dem Hintergrund der Institution eines „Bundeserneuerungsfestes“ (vgl. BALTZER, Bundesformular, 60–62). Die Doppelstruktur des Huldaorakels sei dahin zu verstehen, dass das Unheilswort gegen das Volk (22,16f.) den Bruch der TJRB (zwischen Jahwe und dem Volk!) und den daraus resultierenden Unheilszusammenhang konstatiere (vgl. die Reaktion des Königs und seine Deutung der Ereignisse in 22,11.13). Das anschließende Heilsorakel (an den König!) korrigiere jedoch das vorausgegangene Gerichtswort und hebe es auf. Die Schalom-Zusage in 22,20 impliziere die „Begnadigung und den neuen Bundeswillen Jahwes“ (LOHFINK, a.a.O., 111 Anm. 24) und ermächtige den König, den Akt der „Bundeserneuerung“ durchzuführen (vgl. 23,1–3). Das Huldaorakel erweise sich in seiner Doppelstruktur letztlich als „eine Heilszusage“ (a.a.O., 111). Diese Sichtweise ist jedoch mit einer Reihe von Problemen behaftet: Nicht nur ist die Existenz eines institutionalisierten „Bundeserneuerungsfestes“ im vorexilischen Israel / Juda literarisch nicht zu belegen, der Bericht in 2Kön 23,1–3 lässt auch nirgends erkennen, dass es sich bei der TJRB um eine „Bundeserneuerung“ handelt. Vor allem aber korrigiert das Heilswort in 2Kön 22,19f. das vorangegangene Unheilswort nicht, sondern ist umgekehrt von diesem her als individuelles Heilsorakel für den König zu lesen, das den Unheilszusammenhang nicht aufhebt, sondern ihn bestätigt (s. oben, S. 153). Dieses Textverständnis legt sich wiederum nicht erst von dem dtr Rahmenstück in 23,25–27 her nahe, wie Lohfink meint (vgl. a.a.O., 111 Anm. 21), sondern ist bereits dem Wortlaut des Huldaorakels selbst und seiner Kontextualisierung zu entnehmen. 8 Hier ist v.a. an die Ereignisse des sog. „syro-ephraimitischen Krieges“ gedacht (734–732 v. Chr.), der nach chronistischer Darstellung mit einer katastrophalen Niederlage Judas und der Deportation großer Teile der Bevölkerung endete (vgl. 2Chr 25,5–8). Darüber hinaus werden in 2Chr 28,10f. weitere militärische Niederlagen gegen Edom und die Philister erwähnt, die auf den Treubruch des Ahas gegen Jahwe zurückgeführt werden. 9 Der Sprachgebrauch in 2Chr 29,10 und Esr 10,3 steht im Widerspruch zu der generellen Einschätzung Weinfelds, die Konstruktion TJRB TRK + L signalisiere stets ein hierarchisches Verhältnis eines Höhergestellten zu einem Niedrigergestellten, wobei letzterer durch den Präpositionalausdruck bezeichnet werde (vgl. DERS., TJRB, 787f.). An beiden Stellen handelt es sich vermutlich um eine Selbstverpflichtung des Königs resp. des Volkes gegenüber Jahwe (vgl. zur berît-Konzeption in den Chronikbüchern JAPHET, Ideology, 195f.).
6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
163
terschied zu 2Kön 22f. ist das Gericht Jahwes über Juda und Jerusalem nach 2Chr 29,6–9 jedoch bereits eingetroffen und König und Volk leiden unter den Folgen des göttlichen Zorns.10 Der in 2Kön 22f. vorausgesetzten Situation näher steht die berît-Konzeption in Esr 10. Nachdem Esra erfahren hat, dass sich das Volk Israel nicht von den übrigen Völkern abgesondert, sondern sich mit ihnen verschwägert hatte, spricht er ein langes Bußgebet, in dem er die Schuld des Volkes bekennt und sie dem Erbarmen Gottes gegenüberstellt (vgl. Esr 9,6–15).11 In dieser Lage unterbreitet Schechanja, der Sohn Jehiëls, den Vorschlag, eine TJRB „zugunsten unseres Gottes“ zu schließen (TRK + L) des Inhalts, alle (fremden) Frauen und die von ihnen geborenen Kinder „hinausgehen zu lassen“ ( AZJ Hif.).12 Als Begründung für diesen Vorschlag führt er an, dass trotz der Verfehlungen des Volkes eine Hoffnung (HWQM) für Israel vorhanden sei. Dies kann im Zusammenhang mit dem unmittelbar voraufgehenden Gebet Esras nur so verstanden werden, dass die Umkehr des Volkes und eine Selbstverpflichtung auf die Tora (vgl. V.4b) auf Gottes Seite die Abkehr von seinem Zorn und die erneute Zuwendung seiner Barmherzigkeit zur Folge haben wird. Damit wäre in Esr 10 die gleiche Grundsituation vorausgesetzt wie im Bericht über die josianische Reform. Allerdings gibt es einen schwerwiegenden Unterschied zwischen beiden Darstellungen: In 2Kön 22–23 erweist sich die Hoffnung auf eine Umkehr Jahwes von seinem Zorn als illusorisch – die prophetische Unheilsansage im Munde Huldas ist unwiderruflich, das Wort Jahwes „kommt nicht leer zurück“.13 Das wird jedoch nicht erst im Fortgang der Erzählung konstatiert, sondern ist bereits in der Doppelstruktur des Huldaorakels vorabgebildet, das sich nicht zuletzt aufgrund seiner hermeneutischen Funktion für die Gesamterzählung als sekundäre Erweiterung des Grundtextes erwiesen hat.14 Diese Einschätzung wird durch die terminologischen und semantischen Entsprechungen zwischen 2Kön 23,1–3 und 22,11–20 noch unterstützt. Gerade die Antithetik zwischen der Selbstverpflichtung des Volkes, die Bestimmungen des „Bundesdokuments“ zu verwirklichen und Jahwe zu folgen (23,3), und seiner Missachtung des ersten Gebots (vgl. 22,17a) begründen die Unausweichlichkeit des göttlichen Zorns. Nur sind beide argumentativ nicht so aufeinander bezogen, dass die Verpflichtungszeremonie den Anlass zu Jahwes Zorn aufheben könnte, sondern sie ist geradezu sein Ausgangspunkt, wie 22,16 deutlich macht. Die Übertretung der TJRB verursacht Jahwes Zorn „gegen diesen Ort und seine Bewohner“. Die Bezüge zwischen beiden Abschnitten sind in der Tat offenkundig – und bedeutungsvoll; sie rühren jedoch nicht vom Verfasser von 23,1–3* her, sondern verlaufen in umgekehrter Richtung und haben ihrerseits im Text von 2Kön 23,1–3 Spuren hinterlassen, wie die weitere Untersuchung zeigen wird.
Berücksichtigt man den redaktionellen Charakter des Huldaorakels, ergibt sich für die ursprüngliche Handlungsfolge ein unmittelbarer Anschluss der 10
Die gleiche Situation ist in den sog. „Pestgebeten“ Muršilliš II. vorausgesetzt, der den Zorn der Götter durch die Wiedereinsetzung der regulären Opfer zu beenden sucht, ohne dass in diesem Zusammenhang jedoch von einer berît resp. adê des Königs die Rede wäre (s. oben, S. 119 Anm. 39). 11 Dabei zielt die Argumentation Esras letztlich darauf ab, dass Jahwes Erbarmen mit seinem Volk trotz dessen neuerlichen Abfalls von ihm, der seine Existenz aufs Äußerste gefährdet (vgl. V.17f.), nicht zu Ende ist (V.15, vgl. V.3–9). 12 Vgl. zu dieser ungewöhnlichen Terminologie JAPHET, Expulsion, 150–154. 13 Vgl. auch TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 413f., der in diesem Zusammenhang von einer „tragischen Auffassung der Geschichte“ spricht (a.a.O., 419). 14 Siehe oben, S. 157–159.
164
6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
TJRB-Zeremonie an die Verlesung der Toraschrift vor dem König (vgl.
22,10). Die Reaktion des Königs auf das Gehörte besteht darin, dass er die „Ältesten Judas und Jerusalems“ in Jerusalem versammelt, um sich selbst (und das Volk) in einem öffentlichen Akt auf die tätige Annahme der Bestimmungen des Toradokuments zu verpflichten. Mit anderen Worten, der König (an)erkennt die Tora und ihren Geltungsanspruch und setzt ihn in Kraft – nicht im staatsrechtlichen Sinne15, sondern als handlungsorientierende Norm der öffentlichen (und privaten)16 Religionsausübung. Von einem „Bußritus“ angesichts eines be(vor)stehenden Unheilszusammenhangs ist hier nicht die Rede – nicht das Abwenden des göttlichen Zorns, sondern die Anerkennung der (schriftlichen) Tora als Tora, d.h. ihres normativen Charakters, steht im Mittelpunkt der Erzählung. Die Toraschrift wird gefunden, sie wird bekannt gemacht17, ihr normativer Charakter wird anerkannt – in dieser Bewegung des Textes vollzieht sich der Weg der Toraschrift vom „Zion“ zum „Gottesvolk“, von der Erteilung der Tora zu ihrer Anwendung. Die Wirkung, die von dieser Bewegung ausgeht, schildert der anschließende Katalog mit kultischen Reformmaßnahmen (23,4–20, vgl. V.21–23). Der König, der die Kenntnis der Tora an das Volk vermittelt (vgl. V.2), wird in diesem Zusammenhang als vorbildlicher Hörer und Täter der Tora porträtiert. Ihm obliegt die Sorge und Verantwortung für den offiziellen Kult in Jerusalem (und in der Landschaft Juda), weshalb ihm die zentrale Handlungsrolle zukommt.18 Dies deutet auf ein Toraverständnis hin, das nicht auf die Klärung einzelner Ritualbestimmungen beschränkt ist, sondern grundsätzlichen Charakter besitzt. Damit stimmt die 15
Es wäre verfehlt, wollte man im Blick auf die Verpflichtungszeremonie in 2Kön 23, 2b–3 von einer Einsetzung der Tora als „Staatsgesetz“ sprechen, worauf bereits LOHFINK, Bundesurkunde, 101, im Anschluss an Noth mit Recht hingewiesen hat. 16 Wenigstens deutet die Selbstverpflichtung des Volkes in V.3b darauf hin, dass die Bestimmungen der Toraschrift in der Welt der Erzählung nicht nur Grundlage der offiziellen, staatlichen Kultpraxis, sondern auch in der persönlichen Frömmigkeit des Volkes sein sollen. Dies rät zu einer gewissen Vorsicht angesichts der in der jüngeren Forschung zur Religionsgeschichte Israels vermehrt zu beobachtenden Tendenz, die Bereiche der offiziellen Religion und der persönlichen Frömmigkeit („popular religion“) zu stark voneinander zu trennen. Ungeachtet der prinzipiellen Berechtigung der methodischen Differenzierung zwischen verschiedenen Kontexten und Formen praktizierter Religiosität ist mit einer stärkeren wechselseitigen Durchdringung und Beeinflussung der unterschiedlichen Ebenen zu rechnen. 17 Die Bekanntmachung vollzieht sich im Vorgang einer dreifachen Verlesung des Schriftstücks (ARQ, vgl. 22,8.10; 23,2), in dem sich sein Weg vom Tempel über den König zum Volk abbildet. Man ist versucht zu sagen, dem Schriftstück eigne eine eigene Dynamik, die zu seiner Weitergabe drängt und erst zur Ruhe kommt, nachdem das ganze Volk es gehört hat. 18 Die zentrale Stellung des Königs in der Erzählung hat LOHFINK, Bundesurkunde, 113–115, nachdrücklich herausgestellt.
6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
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Beobachtung überein, dass der Erzähler über die Einzelbestimmungen des Schriftstücks wenig mitteilt – sie scheinen geradezu bedeutungslos zu sein gegenüber dem Gewicht, das in der Erzählung auf der Anerkennung der Toraschrift als solcher und ihres Anspruchs liegt.19 Der Übergang von der Toraverlesung vor dem König zu ihrer öffentlichen Bekanntmachung und verpflichtenden Annahme seitens des Königs und des Volkes ist vom Erzähler zwar nicht breiter ausgestaltet worden, ergibt aber einen narratologisch wie thematisch sinnvollen Zusammenhang, der auf der Ebene des Endtextes durch das Huldaorakel unterbrochen wird, das eine gegenüber dem Grundtext verschiedene Leseperspektive in die Erzählung einträgt, die sich nicht nur in der Geschichtstheologie, sondern auch im Toraverständnis des Ergänzers ausspricht.20 Der Abschnitt beginnt in V.1 ganz analog der Szenerie in 22,3b mit der königlichen Entsendung von Boten (jeweils mit CLV formuliert). Anstelle der breiten Ausgestaltung der Reden der Protagonisten in 22,3–10, der gegenüber das Handlungsgerüst stark zurücktritt, fehlt in 23,1–3 jede direkte 19 Dazu passt die Feststellung, dass dort, wo von der praktischen Umsetzung der Tora im vorliegenden Erzählzusammenhang die Rede ist, nämlich im Bericht über die Kultreform, das Schriftstück nirgends ausdrücklich erwähnt wird. Die einzige Ausnahme bildet die Passafeier in 23,21–23. 20 LEVIN, Josia, 215, hat die These vertreten, dass der Bundesschluss in 23,1–3 gegenüber der sekundären Erweiterung des sog. Instandsetzungsberichts (22,3–7.9) durch den Fundbericht (22,8.10f.) noch einmal später anzusetzen sei, da die Terminologie in 23,2f. (TJRBH RPO) gegenüber 22,8.11 (HRWTH RPO) wechselt. Die Szene setze die Bundesschlusszeremonie aus 2Kön 11,14.17f., den deuteronomischen Bundesschluss in Dtn 26, 16–19 sowie den Sinaibund nach Ex 24,7f. voraus. Zu den literarkritischen Problemen in Kap. 22 ist das Nötige bereits gesagt (s. oben, S. 60–65.89f.). Levins Einschätzung, 2Kön 23,4a sei ein redaktionelles Bindeglied, das den Instandsetzungsbericht sekundär mit dem Reformbericht (23,4–20*) verknüpfen wolle (vgl. a.a.O., 201f.), beruht auf fragwürdigen Schlussfolgerungen: dass in 23,4a neben dem Großpriester Hilkia und den Schwellenhütern über 22,4 hinaus weitere Priestergruppen genannt sind, erklärt sich ebenso wie die direkte Anrede des Königs an die Priester und die Erwähnung des HWHJ LKJH anstelle von HWHJ TJB (vgl. 22,9f.) aus der unterschiedlichen Szenerie und kann nicht als Indiz für literarische Abhängigkeit interpretiert werden. Das Personeninventar in 22,3–7 ist aus 2Kön 12 vorgegeben, die „Zweitpriester“ haben hier keine Funktion. Anders verhält es sich bei der Anweisung in 23,4, mit der der König die Priester beauftragt, die Kultgeräte, die sich im Tempelinneren befinden (LKJH), zu dem nur die Priester Zutritt haben, herauszubringen (s. unten, S. 241–243 mit Anm. 152). Von daher erklärt sch auch der Wechsel im Satzbau von V.4a. Der König ist das Subjekt der Reformen in 23,4–20, lediglich das Betreten des Tempelinneren obliegt allein der Priesterschaft, die damit zugleich als Träger der Reformen ausgewiesen wird. Der Instanzenweg „König – Kanzler – Hoherpriester“ bleibt in 23,4 deshalb außer Acht, weil er weder szenisch (vgl. 23,2f.) noch sachlich vonnöten ist. Letzteres deutet wiederum daraufhin, dass der Beginn des Reformberichts den Bundesschluss aus 23,1–3* literarisch voraussetzt, dieser mithin kein späterer Zusatz sein kann. Der Wechsel in der Terminologie zwischen 22,8.11 und 23,1 (vgl. V.21) ist sachlich begründet und eignet sich nicht als literarkritisches Kriterium.
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Rede, und der Bericht ist ganz auf das Handlungsgefüge fokussiert. Dabei verlangsamt sich das Erzähltempo immer mehr, bis es seinen Höhepunkt in der Verpflichtungszeremonie von König und Volk erreicht (vgl. V.3). Die Darstellung in V.1a ist dagegen stark gerafft und auf das Wesentliche verkürzt: Weder nennt der Verfasser das Objekt des Sendens („die Boten“), das aus dem Erzählzusammenhang erschlossen werden muss, noch wird der Auftrag mitgeteilt, mit dem die Delegation betraut wird. Letzteres ergibt sich erst aus der Fortsetzung in V.1b: Die Boten versammeln die Ältesten Judas und Jerusalems beim König. In diesem Sinne ist die syntaktische Konstruktion in V.1b zu verstehen. Die Boten sind als implizites Subjekt des Versammelns anzusehen („und man [sc. die Boten] versammelte alle Ältesten Judas und Jerusalems bei ihm“); die auffällige Konstruktion verdankt sich der stark verkürzten Darstellungsart des Textes. 21 Damit erübrigen sich zugleich alle Versuche, die Verbform WPOAJW im Anschluss an die antiken Versionen entweder in den Singular zu ändern (pOAJW, vgl. LXX sunh/gagen und 2Chr 34,29)22 oder als Nif‘al zu vokalisieren (wajje’āsepû, vgl. Vulgata und Pešiṭtā) und die Ältesten als Subjekt der Handlung anzusetzen („und alle Ältesten Judas und Jerusalems versammelten sich bei ihm“).23 Ungewöhnlich ist auch der Doppelausdruck mJLVWRJW HDWHJ JNQX, der im Alten Testament nur an dieser Stelle vorkommt.24 Die Institution der „Ältesten“ als Repräsentanten größerer sozialer Gemeinschaften ist mit Ausnahme Ägyptens im Alten Orient vielfältig belegt.25 In altbabylonischen Texten treten die Ältesten der Stadt (šībūtum) gemeinsam mit dem Ortsvorsteher (sugāgum) als selbständiges Organ der lokalen Gerichtsbarkeit neben 21
Vgl. EYNIKEL, Reform, 162 Anm. 5. Vgl. BHS, z.St. Diese Lesart ist als lectio facilior zu bewerten und dürfte von der Zentralstellung des Königs innerhalb des Handlungsgefüges in V.1–3 beeinflusst sein (vgl. auch TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 142f. Anm. 249). Darüber hinaus wäre zu erwarten, dass bei einer solchen Konstruktion die nota accusativi vor HDWHJ JNQX LK mJLVWRJW gesetzt wäre, wie dies in 2Chr 34,29 der Fall ist, um eine mögliche Unklarheit hinsichtlich des Subjekts zu vermeiden. Die Septuaginta setzt vielleicht eine Textform voraus, die dem chronistischen Text entspricht. 23 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 71 Anm. 87 (im Anschluss an BHS, z.St.). Die Vokalisierung ist dadurch veranlasst, dass das Verb pOA im Qal im Alten Testament stets transitiv konstruiert wird, so dass die Ältesten nach der masoretischen Vokalisation nicht Subjekt der Aussage sein können. Dies spricht jedoch eher dafür, die Boten als Subjekt der Verbalhandlung anzusetzen und den Text in seiner masoretischen Form zu belassen. 24 Bereits die syntaktische Konstruktion ist auffällig, da im biblischen Hebräisch in der Regel jedem nomen regens nur ein nomen rectum zugeordnet ist, jedoch lassen sich eine Reihe von Belegen für die Verbindung eines nomen regens mit zwei semantisch eng verbundenen Nomina im st. cs. und vereinzelt sogar Ansätze zu Reihenbildung beibringen (vgl. Ges.-K., § 128a; JOÜON / MURAOKA, Grammar, § 129b). Der Doppelausdruck „Juda und Jerusalem“ ist in spätvorexilischer Zeit eine feste Verbindung für das Herrschaftsgebiet der judäischen Monarchie. 25 Vgl. KLENGEL, šībūtum; DERS., Rolle. 22
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den königlichen Gerichten in Erscheinung.26 Die Texte aus Mari am mittleren Euphrat bezeugen Älteste als politische Vertreter sowohl unabhängiger Städte als auch nomadischer Verbände, die in vielfältigen Funktionen auftreten: als Verhandlungspartner, die Bündnisverträge schließen, als die Repräsentanten von Städten bzw. Gebieten gegenüber dem König sowie in militärischen und kultischen Zusammenhängen.27 Vermutlich liegen die Ursprünge der Institution der Ältesten in der Sozialstruktur nomadischer Sippenverbände, die nach der Sesshaftwerdung in der Organisation der Städte weitergeführt wurden. Dieses Stadium der Entwicklung spiegeln noch die frühen Belege für das „Amt“ der Ältesten in der alttestamentlichen Überlieferung, die sämtlich aus der Zeit nach der Sesshaftwerdung stammen.28 Im Laufe der Königszeit geht die politische Bedeutung der Ältesten gegenüber der königlichen Zentralgewalt immer mehr zurück und sie begegnen vor allem in den Städten neben der königlichen Beamtenschaft als Mitglieder der Oberschicht.29 Ausweislich des deuteronomischen Gesetzes oblag den (Stadt-)Ältesten die Entscheidung bei lokalen Rechtsfällen (vgl. Dtn 19,1–3; 21,1–9.18–21; 22,13–21; 25,5– 10).30 In der Zeit des Exils und in nachexilischer Zeit besteht die Institution der Ältesten als Organ der Sippenverbände und der lokalen Selbstverwaltung zunächst fort, verliert
26
Vgl. KLENGEL, šībūtum, 371–375. Vgl. THIEL, Entwicklung, 27f. 28 Vgl. Jdc 11,1–5; 1Sam 11,1–3; 30,26–31; 2Sam 3,17; 5,3; 17,4; 19,12 und THIEL, Entwicklung, 106–110. Die Datierung der Texte ist notorisch strittig, doch spricht nichts gegen die Annahme einer vordtr Abkunft der aufgeführten Stellen (vgl. zu den Belegen in der sog. Aufstiegs- bzw. Thronfolgegeschichte die abweichende redaktionsgeschichtliche Einschätzung durch RUDNIG, Davids Thron, und FISCHER, Hebron). 29 Vgl. 1Kön 20,7f.; 21,8–14; 2Kön 10,1–7; Thr 1,19 und 2,9f. Dabei ist die Zuordnung der Ältesten zu den königlichen Beamten oft nicht eindeutig zu bestimmen (vgl. Jdc 8,6 in Verbindung mit V.14.16). Ihre genaue Stellung und Funktion bleibt unscharf: In 1Kön 20,8f. erscheinen sie als politische Ratgeber des Königs, in 1Kön 21,8–14 repräsentieren sie gemeinsam mit den mJRC die Notabeln einer Stadt (vgl. 2Kön 10,1, wo die Ältesten mit den mJRS der Stadt identifiziert werden). 30 GERTZ, Gerichtsorganisation, 226–233, beurteilt die Ältestengerichtsbarkeit in Dtn 21,18–21; 22,13–21 und 25,5–10 dagegen als exilisch-nachexilische „Notlösung“, die auf die Vorstellung von den Ältesten als Wahrer und Künder des dtr Gesetzes in den Rahmenkapiteln des Deuteronomiums (vgl. Dtn 5,23; 27,1; 31,9) zurückgreife und die Gerichtsbarkeit an die Vorsteher der Gentilverbindungen (zurück-)verweise, die nach der Zerstörung Jerusalems und dem Verlust der Eigenstaatlichkeit als einzig verbliebene Instanz für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung in Frage gekommen seien. In den älteren Gesetzen Dtn 19,1–13* und 21,1–9* treten die Ältesten lediglich als Repräsentanten ihrer Städte auf, ohne dass ihnen richterliche Aufgaben zugeschrieben würden. Diese obliegen auf dieser Stufe der dtn Rechtsüberlieferung den Berufsrichtern, deren Einsetzung, die im Zusammenhang mit einer josianischen Verwaltungsreform stehe, in Dtn 16,18 programmatisch gefordert wird. Dass diese Forderung ihrerseits eine laikale Torgerichtsbarkeit voraussetze, sei nicht bestritten. Im Lichte der altbabylonischen Gerichtsorganisation stellt sich jedoch die Frage, ob das Nebeneinander von Laiengerichtsbarkeit und Einsetzung von (Berufs-)Richtern zu einer rechtshistorischen Differenzierung nötigt (vgl. RÜTERSWÖRDEN, 114f.). 27
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jedoch später zunehmend an Bedeutung.31 Die „Ältesten Israels“ bzw. die „Ältesten des Volkes“ im Pentateuch spiegeln dagegen weniger eine bestimmte soziale Institution (Gesamt-)Israels wieder, sondern repräsentieren den Zwölfstämmeverband im Gegenüber zu Mose.32 Eine vergleichbare Funktion kommt den Ältesten in 1Sam 8,4f. und 1Kön 8,(1.)3 zu, wo der soziologische und der theologische Aspekt in der Darstellung jedoch stärker vermischt sind.33
Der Ausdruck die „Ältesten Judas“ hat seine nächsten Parallelen in 1Sam 30,26–30; 2Sam 19,12 und Ez 8,1. Er bezeichnet an den beiden ersten Stellen die Ältesten der einzelnen Städte Judas als deren politische Repräsentanten, um deren Wohlwollen und Unterstützung David sich bemüht. 34 Beide Belege stehen im engeren Zusammenhang mit Davids Königtum über Juda: Davids militärische Unterstützung und seine politisch motivierten Geschenke an die Vertreter der Städte Judas münden in 2Sam 2,1–4a in seine Salbung zum König über Juda in Hebron. Umgekehrt wendet sich David nach seinem Sieg über Absalom vor seiner Rückkehr nach Jerusalem an die Ältesten in Juda mit der Frage, ob diese den König nicht in sein Haus zurückholen wollen, d.h. ihn als ihren rechtmäßigen König anerkennen, wie es die Stämme Israels beabsichtigten. Ez 8,1 schließlich reflektiert die Situation der judäischen Gola nach der ersten Deportation durch den neubabylonischen König Nebukadnezar II. Die „Ältesten Judas“ repräsentieren hier die Gemeinschaft der nach Babylon deportierten Judäer, die zum Propheten kommen, um ein Gotteswort von ihm zu erbitten (vgl. 2Kön 6,32; Ez 14,1; 20,1; 33,31). Der Sprachgebrauch an dieser Stelle erinnert an die Funktion der „Ältesten Israels“ im Pentateuch, könnte aber zugleich die Sozialstruktur der babylonischen Gola widerspiegeln (vgl. Jer 29,1).35 Alle drei Belege für die Rede von den „Ältesten Judas“ fügen sich problemlos in das Gesamtbild ein, das sich für die Institution der Ältesten aus dem alttestamentlichen Befund ergibt. – Von den Ältesten Jerusalems ist in dieser Form hingegen nur in 2Kön 23,1 die Rede, doch lassen sowohl 31
Vgl. für Babylon Jer 29,1; Ez 8,1; für Juda Esr 5,5.9; 6,7f.14; 10,8.14. Eine erst exilisch-nachexilische Herkunft der Institution der Ältesten in Juda lässt sich aus den alttestamentlichen Texten dagegen nicht begründen (so HOFFMANN, Reform, 201 Anm. 38). 32 Vgl. CONRAD, nQX, 647–649. Ebenfalls eine gesamtisraelitische Perspektive spiegeln vermutlich die Erwähnungen der „Ältesten Israels“ in Ez 14,1 und 20,1.3 neben der Bezeichnung HDWHJ JNQX in Ez 8,1 (vgl. ZIMMERLI, 1258–1261). 33 In 1Kön 8,1–3 gehört die Erwähnung der „Ältesten Israels“ vermutlich zur ältesten Überlieferung, die später durch die „Häupter der Stämme“ bzw. die „Vorsteher der Vaterhäuser“ erläutert resp. ergänzt wurde (vgl. NOTH, 176f.). – An den spätdtr Stellen Dtn 29,9; 31,28; Jos 8,33; 23,2; 24,1 werden neben den „Ältesten“ weitere Amtsträger als Repräsentanten des Volkes aufgeführt: die mJRFV (ein untergeordneter Sekretär in der Militär- und Justizverwaltung, vgl. GERTZ, Gerichtsorganisation, 82–84), die mJFPV („Richter“) und die mJVAR („Häupter [der Stämme]“). 34 Vgl. zu 1Sam 30,26–31 jüngst FISCHER, Beutezug. 35 Vgl. ZIMMERLI, 209.
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Hinweise auf Älteste als Mitglieder der Oberschicht in den Städten Israels und Judas in der Königszeit36 als auch ihre konkrete Erwähnung in Thr 1, 19; 2,10 in der Klage des personifizierten Jerusalem den Rückschluss zu, dass es auch in der judäischen Hauptstadt ein solches Gremium gegeben hat.37 Die Versammlung der „Ältesten Judas und Jerusalems“ beim König schließt sich eng an die Konzeption der Ältesten als Repräsentanten der einzelnen Städte und Territorien Israels bzw. Judas an, die in ihrer Gesamtheit (LK) das ganze Gottesvolk nicht nur als sozialpolitische, sondern als religiöse Gemeinschaft symbolisieren. Der Doppelausdruck „Juda und Jerusalem“ bezeichnet in der späten Königszeit das Staatsgebiet der Könige von Juda und lässt die politische Sonderstellung Jerusalems seit dem ausgehenden 8. Jh. v. Chr. deutlich erkennen. Diese Konstellation spiegelt sich vor allem in den Adressatenangaben der (spätvorexilischen) prophetischen Unheilsansage (vgl. Jes 5,3; Jer 4,5.16; 9,10; Zef 1,4).38
Der Anlass, zu dem der König die Ältesten des Volkes bei sich versammeln lässt, wird in Vers 1 nicht mitgeteilt, sondern ergibt sich erst aus dem weiteren Fortgang des Textes. Es finden sich nur wenige Stellen im Alten Testament, an denen von der Versammlung von Ältesten beim König die Rede ist. In 2Sam 5,3 erscheinen die Ältesten Israels, d.h. der Nordstäm36
Siehe oben, S. 166–168. Dies bestätigt indirekt die Erwähnung von (einigen der) Ältesten des Volkes ( JNQX mYH) in Jer 19,1, mit denen an dieser Stelle (neben den „Ältesten der Priester“, vgl. 2Kön 19,2 par.) vermutlich Mitglieder der Jerusalemer Stadtaristokratie gemeint sind. Die Erwähnung der Ältesten des Volkes gehört zum literarischen Grundbestand des Textes (vgl. THIEL, Jeremia 1–25, 220f.). Zur Lesart der Septuaginta in V.1 vgl. MCKANE, 443. – Dagegen scheint die Wendung „die Ältesten des Landes“ in Jer 26,17 an Repräsentanten der Landschaft Juda zu denken (evtl. unter Einschluss Jerusalems?), wie sowohl aus der Einleitung des Textstücks (vgl. V.2) als auch aus dem Zitat des Propheten Micha aus Moreschet – einem Ort in der judäischen Schefela – gefolgert werden kann. 38 Das sog. Weinberglied in Jes 5,1–7 verdankt sich in seiner Endgestalt kaum später, exilisch-nachexilischer Geschichtsreflexion, wie dies jüngst Becker, Jesaja, 127–134, behauptet hat. Die literarische Geschlossenheit des Textes hat BARTELMUS, Beobachtungen, überzeugend herausgearbeitet (vgl. zur literarischen Komposition von Jes 1–12 BLUM, Testament); vgl. noch Jes 1,1; 2,1 (nachexilisch, vgl. BLUM, a.a.O., 565f.); 3,1.8; 22,21 (vorexilisch, vgl. BLENKINSOP, 338–340), zur historischen Einordnung von Zef 1,4–6 vgl. IRSIGLER, 102–121. – Die Mehrzahl der Belege findet sich im Jeremiabuch und wird dort meist der dtr Redaktion zugeschrieben. Dabei ist zwischen den beiden geprägten Wendungen mJLVWRJ TWZCW HDWHJ JRYB (vgl. Jer 7,17.34; 11,6; 33,10 [postdtr]; 44,2.6.9. 17.21) und mJLVWRJ JBVJW HDWHJ VJA (vgl. Jer 4,4; 11,2.9; 17,25; 18,11; 32,32; 35,13, vgl. 36,31) zu unterscheiden, vgl. THIEL, Jeremia 1–25, 120.142 (vgl. noch Jer 4,3 [dtr?]; 11, 12f.; 17,20.26; 19,7; 25,2.18; 33,16 [postdtr]; 34,7.19; 35,17; 36,9; 40,1). Sicher nachexilischer Herkunft sind die Belege in Sach 1,12; 8,15; Joel 4,1.6.20; Dan 9,7; Esr 4,6 und in der Chronik (vgl. 2Chr 20,15.18.20; 21,13; 33,9; 35,18), die verdeutlichen, dass der Sprachgebrauch bis in die Perserzeit hinein fortdauert. Seine Anfänge liegen jedoch unzweifelhaft in der politischen Konstellation der ausgehenden Königszeit. 37
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me, bei David in Hebron und David schließt dort eine TJRB „für sie“ (TRK + L)39, und sie salben ihn zum König über Israel. Hier treten die Ältesten also als Repräsentanten der israelitischen Stämme auf, die als Vertragspartner Davids fungieren. Eine vergleichbare Situation – jedoch ohne Erwähnung der Ältesten – wird in 2Kön 11,17 erzählt. Im Rahmen der Inthronisation des jugendlichen Königs Joasch von Juda schließt (TRK) der Priester Jojada eine TJRB zwischen (nJB) dem König und dem Volk. Ungeachtet der Frage, ob eine derartige TJRB zwischen König und Volk zum festen Bestandteil des judäischen Krönungsrituals gehörte40, bleibt festzuhalten, dass der Anlass der Versammlung in 2Kön 23,1 nicht in der Investitur des Königs begründet ist, wie bereits aus der Zeitangabe „im achtzehnten Jahr des Königs Josia“ in 22,2 hervorgeht.41 Gleiches gilt für die Zusammenkunft der Ältesten Israels bei König Ahab in 1Kön 20,7f. Dort versammelt der König die Ältesten angesichts einer militärischen Bedrohung durch den Aramäerkönig Ben-Hadad und berät mit ihnen das weitere Vorgehen. Näher bei 2Kön 23,1–3 steht dagegen die Zusammenkunft der Ältesten Israels bei Salomo anlässlich der Einweihung des Jerusalemer Tempels und der Überführung der Lade (vgl. 1Kön 8,1–3). In beiden Fällen repräsentieren die Ältesten das Volk bei einer kultischen Handlung von überindividueller und überregionaler Bedeutung, und beide Male scheinen sie an der Durchführung der Zeremonie beteiligt zu sein. Die Zusammenkunft der „Ältesten Judas und Jerusalems“ als Repräsentanten der politischen und religiösen Größe Juda beim König signalisiert vor diesem Hintergrund, dass ein Ereignis von überregionaler Bedeutung bevorsteht, das mit der Entdeckung des Toradokuments im Zusammenhang steht und das ganze Volk betrifft.
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Die Wendung TJRB TRK + L kann so verstanden werden, dass David als Höhergestellter den Vertretern der Nordstämme eine Verpflichtung auferlegt (vgl. W EINFELD, TJRB, 787), woraufhin sie ihn zum König salben. Der Passus wird jedoch meist vor dem Hintergrund der Verhandlungen in 1Kön 12,1–20 und mit Rücksicht auf den allgemeinen Sprachgebrauch von TRK + L dahin interpretiert, dass David den Nordstämmen gegenüber bestimmte Zusagen macht (Schutz, Privilegien), d.h. sich selbst zu Leistungen verpflichtet (vgl. MCCARTER, 132), und die Ältesten ihn daraufhin zum König über Israel salben. Dessen ungeachtet ist das Verhältnis, das durch die TJRB geschlossen wird, als eine gegenseitige Verpflichtung zu verstehen (vgl. STOEBE, 154). – Der Wortlaut in 2Sam 5,3 bringt das fragile Verhältnis der Nordstämme zum judäischen Königtum stärker zum Ausdruck. Anders urteilt NOWACK, 167, der jedoch die Unterschiede in der Formulierung zwischen 2Sam 5,3 und der auf die Königserhebung Davids über die Nordstämme vorausweisenden Stelle in 2Sam 3,21 übergeht. 40 Vgl. zur Diskussion Mettinger, KING, 137–148. 41 Eine TJRB zwischen dem König Zedekia und dem Volk wird noch in Jer 34,8–22 erwähnt, ein Text, der in verschiedener Hinsicht Parallelen zu 2Kön 23,1–3 aufweist (s. unten, S. 185–187.201f.).
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Nachdem die Ältesten beim König zusammengerufen worden waren, begibt sich Josia hinauf zum Tempel Jahwes (HLY V.2a, vgl. 22,4). Die fortlaufende Reihe von Narrativen macht deutlich, dass die Sammlung der Ältesten (V.1b) dem Zug zum Tempel voraufgeht. Dies bestätigt indirekt die Aufzählung derjenigen Gruppen, die den König auf seinem Weg begleiten, unter denen die „Ältesten Judas und Jerusalems“ zwar nicht eigens genannt werden, unter die sie als Repräsentanten des Volkes jedoch subsummiert werden können: „und alle Männer Judas und alle Einwohner Jerusalems (zogen) mit ihm (hinauf), und die Priester und die Propheten, und das ganze Volk, vom Kleinsten bis zum Größten“.42 Die Breite der Darstellung, die durch das dreimalige LK noch unterstrichen wird, stellt sicher, dass ganz Israel, nicht nur seine politischen Repräsentanten, an der anschließenden Zeremonie teilnimmt und bereitet die Selbstverpflichtung des ganzen Volkes, das nach V.3b in die TJRB eintritt, erzählerisch vor. Dennoch wirkt die Aufzählung merkwürdig überladen und hat wiederholt zu Vermutungen über eine sekundäre Auffüllung des Textes Anlass gegeben. Einen ersten Anhaltspunkt für literarkritische Überlegungen bietet die bereits angedeutete Spannung zwischen der Versammlung der Ältesten in V.1b und der Präsenz des ganzen Volkes nach V.2a: „Denn beide Gruppen nebeneinander können unmöglich gleicherweise ursprünglich im Text gestanden haben, da doch wohl die Ältesten als Repräsentanten eben des Volkes zusammengerufen worden sind, das im folgenden nur noch erwähnt wird.“43 Spieckermann zieht daraus den Schluss, dass die Erwähnung der „Ältesten Judas und Jerusalems“ den späteren Redaktoren als festes Element der Überlieferung vorgegeben war, das vom Verfasser der Königsbücher (DtrH) durch Einfügung der Wendung WTA mJLVWRJ JBVJ LKW HDWHJ VJA LKW um den Personenkreis erweitert worden sei, der an der anschließenden Verpflichtungszeremonie beteiligt sein sollte. 44 Diese Argumentation lässt sich auf den ersten Blick durch den Konkordanzbefund weiter stützen, wonach die Wendung mJLVWRJ JBVJ LKW HDWHJ VJA LK überwiegend in solchen Abschnitten des Jeremiabuches belegt ist, die Thiel der deuteronomistischen Redaktion zugewiesen hat. 45 42
Die Aufzählung ist syntaktisch als Umstandsangabe zu V.2aa1 aufzufassen und unterbricht den Handlungsprogress von V.2a* zu V.2b (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 195). 43 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 72. Die semantische Differenz zwischen den „Ältesten Judas und Jerusalems“ und der Wendung mJLVWRJ JBVJ LKW HDWHJ VJA LKW, die die Gesamtheit der Untertanen des Königs bezeichnet, stellt auch TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 150 mit Anm. 271, heraus. 44 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 71f. 45 Siehe oben, S. 169 Anm. 38 (an den Stellen im Jeremiabuch fehlt allerdings die Partikel LK). Die Zuweisung der entsprechenden Texte des Jeremiabuches zur deuteronomistischen Redaktion beruht jedoch nicht in erster Linie auf der hier interessierenden Adressatenangabe, die ihrerseits kaum dazu geeignet ist, das Textstück 2Kön 23,1–3 literaturgeschichtlich genauer zu verorten (vgl. EYNIKEL, Reform, 165f.); zur Diskussion über den deuteronomistischen Charakter der Prosareden im Jeremiabuch vgl. W EIPPERT, Prosareden.
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Das Vorhandensein des Doppelausdrucks in der prophetischen Anrede des sog. Weinbergliedes Jes 5,1–7 (dort V.3) mahnt jedoch zur Vorsicht vor einer pauschalen Zuweisung der Konstruktion an eine exilisch-nachexilische Bearbeitung. Hinzu kommt, dass das Nebeneinander von Ältesten und Volk in V.1–3 eine Parallele in 1Sam 8 besitzt. Dort treten zunächst die Ältesten als Vertreter des Volkes auf (V.4), das im weiteren Verlauf der Erzählung an ihrer Stelle genannt wird (vgl. V.7.10.19f.).46 Ähnlich verhält es sich in 1Kön 20,7f., wo ebenfalls zuerst die Ältesten Israels zusammengerufen werden (V.7) und es anschließend heißt, dass „alle Ältesten und das ganze Volk“ zum König sprechen (V.8, vgl. Jos 9,11). Diese Stellen machen deutlich, dass zwischen den beiden Größen zwar keine semantische Äquivalenz besteht, beide aber nicht notwendig in sachlicher Konkurrenz zueinander stehen, so dass eine literarkritische Ausscheidung des Doppelausdrucks mJLVWRJ JBVJ LKW HDWHJ VJA LKW in V.2a zwar möglich, jedoch nicht notwendig ist.
Der Nachtragscharakter der übrigen Glieder der Aufzählung deutet sich bereits aufgrund der ungewöhnlichen syntaktischen Stellung der drei Satzglieder hinter der Präposition TA (+ Suff. 3.Pers. m. Sg.) an.47 Darüber hinaus nimmt der Ausdruck mYH LK, der durch das antonyme Epitheton LWDG DYW nFQML ergänzt wird, das die Emphase des vorangestellten LK noch unterstreicht48, die Wendung „alle Männer Judas und alle Bewohner Jerusalems“ vom wieder auf, bildet somit eine Klammer um die beiden („Berufs-“)Bezeichnungen mJNHKH und mJAJBNH.49 Die Anwesenheit der beiden Gruppen von Ritualexperten, die für die Vermittlung des Gotteskontaktes zuständig sind und bereits im Zusammenhang mit der Entdeckung der Toraschrift eine wichtige Rolle gespielt haben (in Gestalt des Großpriesters Hilkia und der Prophetin Hulda), wird dadurch besonders betont. Das ganze Volk, vom Kleinsten bis zum Größten50, einschließlich seiner politischen Repräsentanten (Königshaus, Älteste) und religiösen Autoritäten (Priester, Propheten) versammelt sich im Tempelbezirk und tritt der Verpflichtung auf das Toradokument bei. Diese listenartige Aufzäh46
VEIJOLA, Königtum, 54f., erklärt das Nebeneinander von Ältesten und Volk in 1Sam 8 hingegen redaktionsgeschichtlich. – Ähnlich urteilt Noth in 1Kön 8,1–3, wo neben der Erwähnung der Ältesten Israels (vgl. V.1.3) ausdrücklich vermerkt wird, dass das ganze Volk bei der Einweihung des Tempels anwesend ist (LARSJ VJA LK, V.2). 47 Vgl. auch EYNIKEL, Reform, 167 Anm. 25. 48 Vgl. dazu TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 151. 49 Die Setzung des Artikels vor mJNHK und mJAJBN dient zur Umschreibung der jeweiligen Gruppe als abstrakter Größe (vgl. Ges.-K., § 126l) und knüpft an den Sprachgebrauch der jeremianischen Ständeaufzählungen an (vgl. Jer 4,9; 8,1; 13,13). In funktionaler Hinsicht ist dieser Gebrauch des Artikels der Totalitätsaussage der übrigen Aufzählungsglieder vergleichbar. 50 TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 151f., macht darauf aufmerksam, dass die Wendung LWDG DYW nFQML im Kontext nicht näher präzisiert wird, so dass sie hier sowohl die physische (Körper-)Größe als auch das Lebensalter oder den sozialen Status der betreffenden Personengruppe anzeigen kann. Diese unbestimmte Verwendungsweise steht im Dienst der Darstellung einer möglichst umfassend vorgestellten Präsenz des ganzen Volkes.
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lung der repräsentativen Stände Judas und Jerusalems hat nun eine auffallende Parallele in den sog. „Ständelisten“ des Jeremiabuches, in denen – bei wechselnder Anzahl und Reihenfolge – das Volk und seine führenden Vertreter als Adressaten der prophetischen Unheilsverkündigung genannt werden und die überwiegend der dtr Bearbeitung des Jeremiabuches zugewiesen werden können.51 Nimmt man alle diese Beobachtungen zusammen, so spricht einiges für die Annahme, die letzten drei Glieder der Aufzählung in V.2a einer späteren Bearbeitung des Textes zuzuordnen 52, die neben den politischen Repräsentanten des Volkes auch die Anwesenheit seiner religiösen Autoritäten gewährleistet wissen wollte und die Präsenz des ganzen Volkes nachdrücklich herausstellt. Die Nähe dieser Redaktion zu Konzeptionen des Jeremiabuches53 und der indirekte Rückbezug auf das Huldaorakel machen es wahrscheinlich, dass hier die gleiche Hand am Werk gewesen ist, die bereits für die Einfügung des Huldaorakels verantwortlich zeichnete. Diese Möglichkeit gewinnt noch dadurch an Gewicht, dass in der geschichtstheologischen Rückschau des Huldaorakels die Ursache für die unaufhaltsame Gerichtsansage gegen das Volk gerade in dessen Übertretung der berît-Verpflichtung zu suchen ist (vgl. 22,16f.). Die Anwesenheit des ganzen Volkes sowie seiner politischen und religiösen Repräsentanten bei der Verpflichtungszeremonie wiederum stellt das Gegenstück und die Voraussetzung des prophetischen Gerichtswortes dar und steht im Zusammenhang mit der Anklage der führenden Stände Judas und Jerusalems in der deuterojeremianischen Prophetie, in deren sprachlichem Gewand sich bereits das Huldaorakel präsentierte. 51
Vgl. Jer 2,26b; 8,1; 13,13; 32,32 und dazu THIEL, Jeremia 1–25, 83.130.177, und DERS., Jeremia 26–45, 34. Die ausführlichste Auflistung, die neben den Königen, Beamten (mJRS), Priestern und Propheten noch die Männer Judas und die Bewohner Jerusalems aufführt (vgl. 2Kön 23,2!), findet sich in Jer 32,32 (vgl. noch Ez 7,26f.; 22,23–31). Dagegen liegen in Jer 4,9; 26,7f. und 29,1 vermutlich ältere, jeremianische Belege für die Ständeaufzählungen vor. Von diesen Stellen steht nur Jer 4,9 im Zusammenhang mit einer Gerichtsansage des Propheten. – Jer 26,7f. spiegeln den Konflikt Jeremias mit den religiösen Autoritäten in Jerusalem wider (vgl. Jer 2,8; 5,31; 6,13f.; 23,11 alle jeremianisch?); 29,1 eröffnet den Brief Jeremias an die babylonische Gola. Wenig aussagekräftig in redaktionsgeschichtlicher Hinsicht ist dagegen die Wendung LWDG DYW nFQML, obgleich der Ausdruck sich mit der Präposition L nur noch in Jer 42,8 findet. Im Übrigen zeigen die Belege jedoch eine breite Streuung (vgl. Gen 19,11; 1Sam 30,2.19; 2Kön 25,26; Jer 31,34; 42,1; 44,18; Jona 3,5; 2Chr 15,13). 52 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 72, der mit einer Ergänzung rechnet, die auf „theokratischen Maßstäben“ beruht, obwohl er auf die Parallelen in den (deutero-)jeremianischen Ständelisten hinweist. 53 Hier kann noch auf die scharfe Auseinandersetzung des Propheten mit den religiösen Autoritäten in Jerusalem, namentlich den Priestern und Propheten, hingewiesen werden, die sich im Jeremiabuch vielfach niedergeschlagen hat (vgl. Jer 18,18; 23,33f.; 37, 15f.).
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Nachdem der König gemeinsam mit den Ältesten und dem Volk zum Tempelbezirk hinaufgegangen ist, werden die Bestimmungen des Toradokuments vor der versammelten Menge laut verlesen (ARQ). Das Subjekt des Toravortrags bleibt unbestimmt: Nachdem der König zuletzt Subjekt einer Verbalhandlung gewesen ist (V.2a), und da der ganze Abschnitt das Handeln des Königs betont in den Mittelpunkt der Darstellung rückt, legt sich der Schluss nahe, er sei in V.2b als implizites Subjekt vorauszusetzen.54 Zur Vorsicht mahnt jedoch die Tatsache, dass der König zu Beginn von V.3a erneut ausdrücklich als handelndes Subjekt genannt wird, was unnötig wäre, wenn das Subjekt in V.2b eindeutig mit dem König zu identifizieren ist. Ganz ähnlich ist die Renominalisierung kLMH in V.2a zu beurteilen, die nach dem Subjektwechsel in V.1b und der Erwähnung „aller (LK, Sg.) Ältesten Judas und Jerusalems“ dazu dient, in V.2a eine Mehrdeutigkeit hinsichtlich des agierenden Subjekts zu vermeiden und die königliche Handlungsrolle zu betonen. Dies könnte dafür sprechen, dass die Verlesung der Tora in V.2b von einer nicht näher bestimmten Person (oder Personengruppe) vorgenommen wurde. Eine letzte Entscheidung kann in dieser Frage nicht mehr erreicht werden; vielleicht ist die Mehrdeutigkeit des Textes beabsichtigt und hat ihren Grund darin, dass der Erzähler alle Aufmerksamkeit auf die Person des Königs richten will (vgl. die elliptische Konstruktion in V.1). Die Wendung ARQ + nXA + Präposition B findet sich noch in Dtn 31,11 (vgl. Dtn 31,18.20 mit RBD Pi.) im Zusammenhang mit der Anweisung zur Verlesung der mosaischen Tora am Laubhüttenfest, doch reicht dieser intertextuelle Bezug nicht aus, um eine deuteronomistische Prägung des Ausdrucks zu erweisen55, da die Terminologie in Verbindung mit dem Verlesen eines Dokuments im Alten Testament verbreitet ist und keine spezifi-
54 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 143. Die Verlesung der Tora – genauer des Deuteronomium – durch den König am Laubhüttenfest ist im Anschluss an Dtn 31,9–11 und Neh 8,1–4 in bSota 7,8 (Agrippa) belegt. In Dtn 31,9–11 wird die schriftliche Tora den (levitischen) Priestern und den Ältesten Israels übergeben mit dem Auftrag, sie nach Ablauf von sieben Jahren, zur Zeit des Erlassjahres, am Laubhüttenfest vor dem versammelten Volk auszurufen. Hier werden mithin neben den Priestern auch die politischen Repräsentanten Israels mit der Weitergabe der Tora betraut. Nach Neh 8,2f. übernimmt Esra bei der Verlesung der Tora priesterliche Funktionen (vgl. zur priesterlichen Herkunft Esras Esr 7,1–5) – zum Verhältnis zwischen der Funktion Esras und derjenigen der Leviten bei der Toraverlesung in Neh 8,1–5 vgl. SCHUNCK, 240–248. Das dtn Königsgesetz in Dtn 17,14–20 eignet sich dagegen kaum als Beleg für die Auffassung, der König sei in V.2b Subjekt der Toraverlesung, da sich die Anweisungen des Königsgesetzes auf das private Torastudium und nicht auf deren öffentliche Proklamation beziehen ( pace GRAY, 729). 55 Pace HOFFMANN, Reform, 202 mit Anm. 43. Die weiteren Belege für den angeblich dtr Sprachgebrauch in V.2, die Hoffmann anführt, sind noch weniger aussagekräftig.
6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
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sche literarische Beheimatung erkennen lässt.56 Die nächste Parallele zur Proklamation des TJRBH RPO, wie das Toradokument hier (und in 23,21) bezeichnet wird, findet sich bei der Verlesung des gleichnamigen Schriftstücks durch Mose am Sinai (vgl. Ex 24,7f.): „und Mose nahm die Verpflichtungsurkunde (TJRBH RPO) und er rief (sie) in die Ohren des Volkes (mYH JNXAB ARQJW)“. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Passagen ist mehrfach und kontrovers diskutiert worden, ohne dass hier auf die komplexen literarischen Verhältnisse in der Sinaiperikope (Ex 19–24) näher eingegangen werden kann.57 Für das Verständnis der Verpflichtungszeremonie in 2Kön 23,1–3 ist vorrangig die Frage von Interesse, inwieweit mit einem literarischen Rückbezug auf den Sinaibund zu rechnen ist, der für die Bestimmung der Identität des Toradokuments und die Interpretation der Verpflichtungsszene insgesamt (vgl. V.3) bedeutungsvoll wäre. Vergleicht man die beiden Textpassagen unter dieser Fragestellung, so treten neben den offensichtlichen Gemeinsamkeiten rasch frappante Unterschiede in der literarischen Form und theologischen Konzeption zwischen 2Kön 23,2f. und Ex 24,4–8 zutage. Beide Stücke stimmen darin überein, dass sich das Volk in einer berît-Zeremonie dazu verpflichtet, die Worte / Bestimmungen, die es gehört hat und die schriftlich niedergelegt worden sind, zu tun, d.h. sie einzuhalten (vgl. Ex 24,7 mit 2Kön 23,2b.3b). 58 Weder die Verpflichtungszeremonie selbst noch die Konzeption der TJRB in Ex 24,7f. entsprechen jedoch dem Handlungsverlauf in 2Kön 23,2f. Der Bundesschluss wird in Ex 24 wesentlich von der begleitenden Opferhandlung (V.4–6) und dem Blutritus (V.8) geprägt, die das Verlesen der Verpflichtungsurkunde und deren Annahme durch das Volk rahmen (V.7).59 Die TJRB selbst wird von Jahwe mit dem Volk geschlossen (TRK + mY + Suff. 2.Pers. m. Pl.), d.h., es handelt sich hier nach der Kategorisierung
56
Vgl. neben den Belegen in Dtn 31,11 und Ex 24,7 noch Jer 29,29; 36,6.10.13–18. 21; Neh 13,1 sowie Jer 2,2; Ez 8,18; 9,1; 10,13 und dazu EYNIKEL, Reform, 169f. 57 Vgl. PERLITT, Bundestheologie, 190–203; Reuter, Kultzentralisation, 231–258; OSWALD, Israel. 58 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 77. 59 Die literarhistorische Entwicklung in Ex 24 ist mehrstufig verlaufen und kann hier nicht en detail nachgezeichnet werden. Im Anschluss an die literarkritische Analyse des Textes durch PERLITT, Bundestheologie, 190–203, wird meist angenommen, dass die Verpflichtungszeremonie (vgl. V.3.7f.) sekundär in eine ältere Opferszene (V.4–6*) eingefügt worden sei, doch hat zuletzt wieder OSWALD, Israel, 93f., darauf hingewiesen, dass das Motiv der beiden Hälften des Blutes in Vers 6 notwendig auf eine erzählerische Fortsetzung dränge, die in Vers 8 vorliegt, so dass der Abschnitt Ex 24,4–8 eine narrative Einheit darstelle. Wie immer die literarische Schichtung beurteilt wird, der Zusammenhang zwischen der berît-Zeremonie und der Opferszene bleibt für Ex 24* konstitutiv und hat keine Analogie in 2Kön 23.
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6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
von M. Weinfeld60 um eine gegenseitige Verpflichtung, die das Sonderverhältnis Jahwes zu Israel in vertragsrechtlicher Terminologie bestimmt. Dagegen ist in 2Kön 23,3 von einer TJRB zwischen Jahwe und dem Volk, die von Jahwe initiiert worden wäre, nicht die Rede.61 Stattdessen liegt hier eine Selbstverpflichtung des Königs auf die Tora vor, der das Volk beitritt (vgl. V.3b) und die sich terminologisch von der Formulierung in Ex 24,8 deutlich abhebt: In 2Kön 23,3 fehlt die Angabe des Partners, mit dem die TJRB geschlossen wird und der in der Regel durch eine präpositionale Fügung eingeführt wird (meist durch mY, TA oder L).62 Der Ausdruck JNPL HWHJ bezeichnet nicht den Partner der vertraglichen Vereinbarung, sondern nennt Jahwe als Zeugen der Verpflichtungserklärung des Königs63, was nicht zuletzt daraus erhellt, dass eine derartige „Zeugenformel“ in Zusammenhängen, in denen von einer TJRB zwischen Jahwe und seinem Volk gehandelt wird, nirgends belegt ist. Berücksichtigt man ferner, dass die Formulierung der TJRB in Ex 24,8 dem üblichen Sprachgebrauch und der bundestheologischen Konzeption des Deuteronomium nahe steht 64, wäh60 Vgl. WEINFELD, TJRB, 787f. Weinfeld unterscheidet hinsichtlich des Präpositonalgebrauchs zwischen TJRB TRK + L, mY, TA und LY. Der Ausdruck TJRB TRK mit der Präposition mY „bezeichnet einen gegenseitigen Vertrag“ (a.a.O., 788), während die gleiche Wendung mit der Präposition TA, wie mit der Präposition L, das Verhältnis eines Höhergestellten zu einem Niedrigeren zum Ausdruck bringe, das diesem Verpflichtungen auferlegt bzw. Privilegien gewährt. Diese funktionale Differenzierung im Sprachgebrauch lässt sich jedoch nicht konsequent durchhalten, wie Weinfeld im Blick auf die Konstruktion TJRB TRK + L in Esr 10,3 und 2Chr 29,10 selbst zugesteht. Das Gleiche gilt jedoch für die Unterscheidung von TJRB TRK + TA und TJRB TRK + mY, wie der Wechsel der Konstruktion innerhalb des gleichen Sachzusammenhangs (Jahwes TJRB mit Israel) in Dtn 5,2f. und 29,11–14 nahe legt (vgl. noch Dtn 9,9 mit der Vorlage Ex 34,27 und die Varianten in der hebräischen Textüberlieferung zu Ps 105,9). In 2Sam 3,21 und 5,3 mag der Wechsel in der Konstruktion (TJRB TRK + L / TA) dagegen mit dem Wechsel der Erzählperspektive zusammenhängen, der erkennen lässt, dass die Verhältnisbestimmung der an einem Vertragsschluss beteiligten Parteien perspektivisch sehr unterschiedlich wahrgenommen und dargestellt werden kann, selbst wenn von der gleichen Vereinbarung die Rede ist. 61 Hier besteht zugleich eine fundamentale Differenz zwischen der TJRB in 2Kön 23, 2f. und der dtn / dtr Bundestheologie (vgl. Dtn 5,2f.; 28,69; 29,11–14), die nicht unbesehen in den Ausdruck TJRBH RPO in V.2b hineingelesen werden sollte. 62 Siehe unten, S. 179–181. 63 Vgl. im Alten Testament noch 1Sam 23,18; 2Sam 5,3 (par. 1Chr 11,13); Jer 34,15. 18 und 2Chr 34,31 (par. 2Kön 23,3), wo – abgesehen von 2Kön 23,3 (par. 2Chr 34,31) – jeweils von einer Vereinbarung zwischen zwei menschlichen Partnern die Rede ist (s. unten, S. 185–187). Die Aufzählung von Gottheiten als Vertragszeugen und Garanten ihrer Einhaltung ist in neuassyrischen Vertragstexten und Königsinschriften mehrfach belegt, vgl. SAA II, Nr. 6,13–24; KAI 222,7–13 (s. unten, S. 183–185). 64 Dies gilt sowohl für den Horebbund (vgl. Dtn 4,23; 5,2f.; 9,9; 28,69b) als auch für den Moabbund (vgl. Dtn 28,69a; 29,11.13f.; 31,16), die jeweils von Jahwe mit (TA / mY) dem Volk geschlossen werden (in Dtn 29,13f. mit Mose als Mittler der TJRB).
6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
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rend die Vorstellung einer Selbstverpflichtung des Königs resp. des Volkes auf die Tora(-schrift) in der dtn / dtr Literatur ohne wirkliche Parallele ist65, erweist sich die Annahme einer literarischen Übernahme des Ausdrucks TJRBH RPO und der mit ihm verbundenen Konzeption von Ex 24 nach 2Kön 23 als in höchstem Maße unwahrscheinlich.66 Vielmehr verdankt sich der Wechsel in der Bezeichnung des Toradokuments der narratologischen Disposition in 2Kön 22–23 selbst: mit RPO TJRBH wird kein anderes Dokument eingeführt als der aus 22,8 bekannte HRWTH RPO, wie der anschließende Partizipialausdruck HWHJ TJBB AZMNH sicherstellt. Der Wechsel in der Benennung liegt allein darin begründet, dass dieses Toradokument jetzt zur Grundlage der Selbstverpflichtung von König und Volk gemacht wird. Es wird zu einer Verpflichtungsurkunde und tritt als solche in Kap. 23 in Erscheinung (vgl. V.21–23). Die Determination des Ausdrucks erklärt sich hinreichend aus dem Rückgriff auf 22,8 und kann nicht als Hinweis auf eine Rezeption der dtr Konzeption des Horeb- bzw. Moabbundes betrachtet werden, wie dies in der Forschung bisweilen geschehen ist.67 Vers 2b besagt mithin nichts anderes, als dass 65 Das Königsgesetz in Dtn 17,14–20 verpflichtet den König zwar auf die mosaische Tora, dort fehlt jedoch ein Bezug auf die berît-Konzeption. – LEVIN, Atalja, 71f., hat die Selbstverpflichtung von Volk und König in 2Kön 23,2f. dagegen als Nachbildung der TJRB bestimmt, die der Priester Jojada nach 2Kön 11,17 zwischen Jahwe, dem König und dem Volk geschlossen hat (nJBW … nJB TJRB TRK). Dafür spreche neben dem identischen Ort der Handlung (DWMYH, vgl. 2Kön 11,14; 23,3), dem Zusammenhang zwischen dem Verpflichtungsakt und den anschließenden kultischen Reformen (vgl. 2Kön 11,18; 23,4– 20) und der determinierten Form TJRBH, die in 2Kön 23,3 „schlechterdings keinen Sinn mehr gibt“ (a.a.O., 71 Anm. 30), vor allem die Einseitigkeit der Verpflichtung, die ein Merkmal der spätdtr Gesetzestheologie sei. Nun besteht über die Nähe der szenischen Einbindung der berît-Zeremonie in 2Kön 23,1–3 zu 2Kön 11,17f. kein Zweifel (s. unten, S. 178f.). Allein nicht nur die Terminologie, die durch die vermittelnde Funktion des Priesters Jojada begründet ist (vgl. Mose in Dtn 29,13f.), sondern vor allem der Aspekt des beidseitigen Verpflichtungsverhältnisses, das sich in der sprachlichen Form ausdrückt, unterscheidet 2Kön 11,17 grundlegend von 2Kön 23,2f. Wenn in 2Kön 11,17a nur die eine Hälfte der sog. Bundesformel als Inhalt der Verpflichtung angeführt wird, so vermag dies nicht darüber hinweg zu täuschen, dass sich darin gerade das beidseitige Vertragsverhältnis ausspricht, wie es die Konstruktion nJBW kLMH nJBW HWHJ nJB TJRB TRK mYH zweifelsfrei belegt. 66 Vgl. im Anschluss an PERLITT, Bundestheologie, 195, bereits SPIECKERMANN, Juda, 76f., und REUTER, Kultzentralisation, 249f. ( pace LEVIN, Josia, 215). 67 Vgl. HOFFMANN, Reform, 202. – Umgekehrt wäre es denkbar, dass der „im Kontext überraschende, aber kommentarlose, selbstverständliche Gebrauch des Ausdrucks“ RPO TJRBH in Ex 24,7 auf dessen sekundärer Übernahme aus 2Kön 23,2f. beruht (vgl. bereits PERLITT, Bundestheologie, 195). E. Reuter hat aus der terminologischen Identität der beiden Stellen die Folgerung gezogen, dass die dtr Redaktoren, die für die Einschaltung von Ex 24,3f.*6–8 verantwortlich sind, das dtr redigierte „Bundesbuch“, das die Grundlage der josianischen Verpflichtungszeremonie gebildet habe, am Sinai verankert haben, um es mit der Autorität der mosaischen Gesetzgebung auszustatten (vgl. REUTER, Kult-
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6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
die Bestimmungen des Toradokuments, das zur Grundlage der Selbstverpflichtung von Volk und König dient, in die Ohren der versammelten Menge gerufen werden, d.h., sie werden vor dem Volk öffentlich proklamiert und bekannt gemacht. Damit hat das Toraschriftstück seinen Adressatenkreis erreicht. Was noch aussteht ist seine Approbation. Nach der Verlesung aller Bestimmungen der Verpflichtungsurkunde tritt der König hervor und stellt sich auf einen herausgehobenen Platz im Tempelbezirk68, der mit dem determinierten Ausdruck DWMYH bezeichnet wird. Weder die Lokalisierung noch die Gestalt dieser architektonischen Struktur sind genauer bekannt. Das Lexem wird im Alten Testament überwiegend zur Bezeichnung von „Säulen / Pfosten“ als Architekturelementen von Tempel- oder Palastbauten bzw. metaphorisch z.B. für die „Säulen der Erde“ (vgl. Ps 75,4; Hi 9,6) oder die Wolken- und Feuersäule in der Exodusüberlieferung (vgl. Ex 13,21f.; Num 14,14; Neh 9,12.19) verwendet. 69 Bereits G. von Rad hat von diesem Befund ausgehend vermutet, dass es sich bei dem Ausdruck in 2Kön 11,14 (und 23,3) um einen sichtbar herausgehobenen Ort gehandelt haben müsse: „Der König muß doch der festlich gedrängten Menge sichtbar gewesen sein, so möchte man auch an ein säulenartiges Podest denken.“70 M. Metzger hat den „Standort für den König“ mit einer ebenerdigen Basaltbasis im Hof des spätbronzezeitlichen Tempels von Kāmid el-Lōz und vergleichbaren Steinbasen bronzezeitlicher Tempelanlagen in Hazor und Bybzentralisation, 248–250). Auch OSWALD, Israel, 89–95, hält die Vertragstexte der vorderen Sinaiperikope (vgl. Ex 19,3b–8; 20,22f.; 21,1; 24,4–8) für literarisch sekundär, da sie eine eigene topografisch-epistemologische Konzeption vertreten („Jhwh-Himmel-Typ“), die in der vorderen Sinaiperikope sonst nicht belegt ist. Der TJRBH RPO bezieht sich ihm zufolge auf die beiden Textsammlungen des Dekalogs und des „Bundesbuches“ (vgl. V.3) – einen näheren Bezug zu 2Kön 23,1–3 stellt er nicht her. Eine gewisse Zurückhaltung empfiehlt bereits die Überlegung, dass die vertragsrechtlichen Elemente in Ex 24,7f. sich generell altorientalischer, vertragsrechtlicher Topik verdanken (einschließlich des Rückgriffs auf eine „Bundesurkunde“) und nicht notwendig aus 2Kön 23 entliehen sein müssen. Aber selbst wenn eine Identifizierung des Bundesbuches mit der „Bundesurkunde“ Josias beabsichtigt wäre, so läge diese Gleichsetzung allein auf der Ebene der redaktionellen Bearbeitung in Ex 24 vor – ein Rückschluss auf die historischen Verhältnisse zur Zeit Josias erscheint dagegen nicht nur redaktionsgeschichtlich sondern vor allem angesichts der grundlegenden konzeptionellen Differenzen zwischen beiden Texten methodisch schwierig. 68 Ausweislich der Narrativkette in V.1–3 handelt es sich bei der Angabe in V.3a um eine weitere Dislokation des Königs, der sich somit erst zum Vollzug der TJRB an diesen Platz begibt (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 145 Anm. 262). Dagegen lässt der partizipiale Ausdruck in 2Kön 11,14 erkennen, dass der König während des gesamten Vorgangs der Inthronisation an diesem Ort stand. 69 Vgl. Ges.18, s.v. 70 Vgl. VON RAD, Königsritual, 207. In diesem Zusammenhang kann vielleicht auf die bekannte Stele des „Baal aù foudre“ aus Ugarit hingewiesen werden, auf der vor dem Gott in verkleinertem Maßstab eine Person abgebildet ist, die auf einem erhöhten Podest steht – allerdings ist nicht ganz klar, ob es sich dabei um eine menschliche Gestalt (den König!) oder eine Gottheit handelt.
6. Kapitel: Die Verpflichtungszeremonie (2Kön 23,1–3)
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los sowie einer Alabasterplatte im Hypostylensaal des Amun-Tempels von Karnak in Verbindung gebracht, die nach seiner Einschätzung keine architektonische Funktion erfüllen, sondern kultischen Zwecken gedient haben könnten.71 „Es ist zuzugestehen, daß der Terminus ‘ammûd im Alten Testament in der Regel eine aufragende Säule bezeichnet. Es wäre aber denkbar, daß dieser Terminus nicht in jedem Falle unbedingt die ganze Säule bezeichnen mußte, sondern sich im engeren Sinne speziell auf die Säulenbasis als einem wichtigen Element der Säule beziehen und in diesem Sinne auch die Basis, die als Standort für den König diente und in ihrer Form der Säulenbasis ähnelte, bezeichnen konnte.“72 Diese Überlegung verdient nicht zuletzt deshalb Beachtung, weil der gewöhnliche Sprachgebrauch von DWMY im Alten Testament sich von der Verwendung des Begriffs an den beiden fraglichen Stellen grundlegend darin unterscheidet, dass der Terminus nur hier einen „erhöhten Standort“ bezeichnet, auf dem eine Person steht, die übliche Wiedergabe mit „Säule / Pfosten“ hier somit unpassend erscheint. Ob der so ausgezeichnete Platz wie im spätbronzezeitlichen Tempel von Kāmid el-Lōz ebenerdig oder als erhöhtes, säulenartiges Podest vorzustellen ist, lässt sich anhand der Quellenlage nicht entscheiden.
Die Determination spricht indes dafür, dass der Verfasser bei seinen Adressaten die Kenntnis der Installation voraussetzen konnte. Es handelt sich demnach um einen Ort innerhalb des Tempelareals, an dem der König bei kultischen Zeremonien seinen Platz hat. Diese Einschätzung wird durch die Parallele in 2Kön 11,14 gestützt, in der es heißt, dass der König Joasch von Juda während der Inthronisationsfeierlichkeiten im Tempelbezirk LY DWMYH stand, „wie es Brauch war / ist (FPVMK)“. Angesichts der sonstigen Parallelen zwischen den beiden Berichten in 2Kön 11f. und 22f. ist zu vermuten, dass die Schilderung der Szenerie in V.3a auf 2Kön 11,14 zurückgreift73, anderenfalls würde der Text auf eine allgemein bekannte Örtlichkeit verweisen. Der Gebrauch des Artikels ist in dieser Hinsicht wenig aussagekräftig, da er in 2Kön 11,14 ebenso unvermittelt begegnet wie in 2Kön 23,3. Aufschlussreicher ist dagegen die Beobachtung, dass der König an beiden Stellen im Rahmen einer berît-Zeremonie auftritt (vgl. 11,17), so dass die Wahl des Ortes in V.3a nicht zufällig erfolgt sein dürfte. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die sprachliche Gestaltung des Verpflichtungsaktes in 2Kön 23,3 eine Sonderstellung (nicht nur) im Bereich der dtr Literatur einnimmt, die bei einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung des Textstückes beachtet werden muss. Der Verpflichtungsakt selbst wird durch die verbreitete Konstruktion TJRB TRK („eine Verpflichtung schneiden / bestimmen“) ausgedrückt, die Parallelen
71
Vgl. KUSCHKE / METZGER, Kumudi, 164–166. A.a.O., 166. 73 Unter Voraussetzung der obigen Analyse von 2Kön 22,3–7 ist damit zu rechnen, dass die Szenerie in 2Kön 11 und 23 auf denselben Verfasser zurückzuführen ist ( pace LEVIN, Josia, 215). 72
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in der vertragsrechtlichen Literatur des Alten Orients besitzt.74 Ungewöhnlich ist dagegen, dass V.3a nur den König als Vertragspartner nennt. Der Partner, mit dem eine TJRB geschlossen wird, wird regelhaft durch eine präpositionale Fügung eingeführt. Ein solcher Sprachgebrauch herrscht auch in der dtn / dtr Literatur vor: In den Rahmenpartien des Deuteronomium wird die TJRB Jahwes mit dem Volk Israel entweder mit TJRB TRK + TA (vgl. Dtn 5,3; 28,49; 29,13f. und 2Kön 17,15.25.38) oder durch TRK TJRB + mY ausgedrückt (vgl. Dtn 4,23; 5,2; 9,9; 29,11.24; 31,16 und 1Kön 8,9–21) – und zwar sowohl in Beziehung auf den Horeb- als auch auf den Moabbund (vgl. Dtn 5,2f.; 29,11–14). Dabei ist es stets Jahwe, der die TJRB setzt. Dies gilt ungeachtet der Mittlerfunktion, die Mose nach Dtn 28, 69a und 29,13f. einnimmt, wie nicht zuletzt aus Dtn 29,11 hervorgeht. 75 In Dtn 7,2 wird der Sachverhalt, dass das Volk Israel keine TJRB mit den Völkern des Landes schließen soll, durch die Konstruktion TJRB TRK + L zum Ausdruck gebracht (vgl. Jdc 2,2), die in den dtr redigierten Geschichtsbüchern für die Bestimmung eines Verpflichtungsverhältnisses zwischen zwei menschlichen Partnern üblich ist (vgl. Jos 9,6f.11.15f.; 1Sam 11,1f. (txt?); 2Sam 5,3; 1Kön 20,34; 2Kön 11,4).76 An einigen Stellen fehlt die präpositionale Fügung, obwohl eindeutig ein wechselseitiges Verpflichtungsverhältnis vorliegt: in diesen Fällen werden jedoch ausdrücklich beide Vertragspartner als gleichberechtigte Subjekte des Verpflichtungsaktes genannt (vgl. 1Sam 18,3; 23,18; 1Kön 5,26 und Gen 21, 27.32; 31,44). 77 74 Hier sind u.a. die Wendung krt ln ’lt ‘lm („einen ewigen Eid hat er mir / uns bestimmt“) auf einer phönizischen Beschwörungstafel aus Arslan Taş aus dem 7. Jh. v. Chr. (vgl. KAI 27,9f.) sowie die aramäischen Vertragstexte aus Sefire aus dem 8. Jh. v. Chr zu nennen (w‘dj’ ’ln zj gzr brg’jh „und diesen Vertrag / diese Bestimmungen [sind es], die Barga’ja geschnitten / bestimmt hat“, vgl. KAI 222,A7). Darüber hinaus kann auf den griechischen Ausdruck o[rkia te/mnein („Eide schneiden / bestimmen“) hingewiesen werden (vgl. WEINFELD, TJRB, 787), der in der Septuaginta jedoch nicht vorkommt. TJRB wird in der Septuaginta durchgängig mit diach/kh übersetzt (Ausnahme: 2Kön 17,15 sunch/kh); der Verbindung TJRB TRK entspricht griechisch diati/chmi diach/kh. te/mnein ist zwar in 2Kön 6,4 und Dan 2,34.45 als Äquivalent für RXG belegt, nicht jedoch für TRK. – Die rituelle Handlung, auf die der Ausdruck zurückverweist und die als bedingte Selbstverfluchung zu interpretieren ist, veranschaulichen Gen 15,17f.; Jer 34,18 und KAI 222,A39f. (vgl. auch Dtn 29,11: TJRBB RBY). 75 Vgl. Ex 24,7f. Dies gilt vermutlich in gleicher Weise für die TJRB, die Josua „für“ das Volk „schneidet“ (TRK + L, vgl. Jos 24,25), wenngleich Jahwe hier nur indirekt als Partner des Verpflichtungsverhältnisses erscheint (vgl. V.26f.), vgl. LEVIN, Atalja, 34f., der mit einem gewissen Recht auf die königliche Handlungsrolle Josuas an dieser Stelle aufmerksam macht. 76 In 2Sam 3,12f.21 wird die Konstruktion TJRB TRK + TA verwendet, um das Loyalitätsverhältnis Abners zu David (V.12f.) bzw. den „Königsvertrag“ zwischen David und Israel (V.21) zu beschreiben. 77 TJRB TRK ohne präpositionale Ergänzung findet sich auch in Hos 10,4, der Kontext lässt jedoch deutlich erkennen, dass es sich hier um politische Bündnisse handelt (vgl.
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Der einseitige Verpflichtungsakt in V.3a ist angesichts des skizzierten Befundes auffällig und sollte bei der Interpretation des Textes unbedingt beachtet werden. Dann gilt es einerseits festzuhalten, dass hier nicht von einer gegenseitigen Verpflichtung zweier Vertragsparteien die Rede ist – weder zwischen Jahwe und dem König / Volk78, noch zwischen dem König und dem Volk79, sondern von einer Selbstverpflichtung des Königs auf die Anerkennung der Toraschrift.80 Auf der anderen Seite ist daran zu erinnern, dass die berît-Zeremonie in 2Kön 23,2f. weder sprachlich noch konzeptionell eine Parallele in der dtn / dtr Literatur besitzt, so dass davor zu warnen ist, den Abschnitt vorschnell unter dem Paradigma einer dtn / dtr Bundestheologie zu subsumieren. Dies ist ungeachtet der sprachlichen Eigentümlichkeit des Textes in der Forschung immer wieder geschehen81 und wird bisweilen mit dem Hinweis auf die Determination des Ausdrucks TJRBH TA TRKJW verknüpft: „In der determinierten Redeweise von ‚dem V.3f.). Dabei steht vermutlich die schwankende Bündnispolitik der israelitischen Könige im Hintergrund. – In Ps 83,6 bezeichnet die Präposition LY diejenige Größe, der gegenüber zwei oder mehrere Parteien einen Bündnisvertrag schließen ( TJRB WTRKJ), hier die politischen Feinde Israels, die Israel vernichten wollen und sich zu diesem Zweck gegen Gott (kJLY) zusammengeschlossen haben (vgl. V.2–9). 78 Vgl. BALTZER, Bundesformular, 61 Anm. 3, der besonders auf die Infinitivreihe in V.3 hinweist (s. unten, S. 189–195), und LOHFINK, Bundesurkunde, 115–118, der für die „erzählte Welt“ in 2Kön 22f. eine umfassende Bundesinstitution voraussetzt. Bei dieser Interpretation wäre der König wie Mose oder Josua als Bundesmittler zu verstehen (vgl. dazu grundlegend NOTH, Gesetze, 61f.64f.). 79 Vgl. WEINFELD, TJRB, 792. 80 Damit soll jedoch nicht behauptet werden, dass unter TJRB allein „die Verpflichtung, die ich selbst übernehme, die ich einem anderen auferlege oder die gegenseitige Verpflichtung“ zu verstehen sei (vgl. KUTSCH, Verheißung, 39). Vielmehr ist LEVIN, Atalja, 69f., darin zuzustimmen, dass TJRB stets „ein durch förmliche Verpflichtung begründetes Verhältnis zweier oder mehrerer Partner“ bezeichnet (a.a.O., 69). Umso bemerkenswerter ist der in V.3a geschilderte Vorgang der Selbstverpflichtung des Königs gegenüber der Toraschrift. 81 Aufschlussreich ist hier die verstiegene Argumentation Noths, der zunächst feststellt, dass die Bestimmung der Vertragspartner in 2Kön 23,1–3 offen bleibe (was nur mit Einschränkungen zutrifft). Er verweist dann auf Jos 24,25 als nächste Parallele, wo ebenfalls nicht gesagt werde, „zwischen wem damals in Sichem der ‚Bund‘ abgeschlossen wurde; und doch wird von niemand bezweifelt, daß es sich … um einen Bund zwischen Gott und Volk (handelte)“ (DERS., Gesetze, 63). Analoges sei für 2Kön 23,1–3 zu vermuten (vgl. a.a.O., 62). Nur ist in Jos 24,25 sehr wohl gesagt, zwischen wem die TJRB geschlossen wurde, nämlich zwischen Josua (als Mittler Jahwes?) und dem Volk (TRK + L). Darüber hinaus verweist Noth auf die zeitgenössische Literatur: „Das Deuteronomium und die deuteronomistische Literatur kennen den Begriff Bund nur im Verhältnis zwischen Gott und dem Volk bzw. dessen Vorfahren; und der Verfasser des Gesetzesauffindungsberichtes in 2. Kön. 22.23 … wird … in diesem Sinne zu interpretieren sein“ (a.a.O., 62). Nur wer eine dtn / dtr Bundestheologie in 2Kön 23,1–3 voraussetzt, kann diesen Text als Beleg für diese Konzeption lesen – ihm selbst ist sie nicht zu entnehmen.
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Bund‘ schlägt die deuteronomistische Fiktion durch; es kann nur ‚den einen Bund‘ geben, der am Horeb (Dt 5,2; 28,69b) bzw. in Moab (28,69a) ein für allemal geschlossen wurde“.82 Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Vermutung, es handele sich bei der Bundeszeremonie in V.3 um eine „Bundeserneuerung nach dem Modell der dtr Tora von Dtn 530“, bei der „entsprechend Dtn 31,11f. der volle Inhalt des gefundenen ‚Bundesbuches‘ … vorgelesen (wurde)“.83 Nun ist im Text von 2Kön 23,2f. jedoch weder von einer Bundeserneuerung die Rede84, noch nötigt der Artikel bei TJRB zu der Annahme, hier werde auf den Horeb- oder Moabbund des Deuteronomium angespielt. Vielmehr erklärt sich die Determination hinreichend aus dem kontextuellen Rückbezug auf V.2b: Die TJRB, die der König schließt, ist eben jene, deren Inhalt die Bestimmungen der Verpflichtungsurkunde bilden, die vor dem versammelten Volk verlesen wurden. Zu einer Textänderung besteht demnach ebenso wenig Anlass85 wie zu der Behauptung, die Setzung des Artikels impliziere einen textexternen Verweis auf den Horeb- bzw. Moabbund.86 Letztere besitzt nur un82
KESSLER, Staat, 213. HARDMEIER, König, 117. Diese Vermutung hatte bereits NOTH, Gesetze, 62f., geäußert, und sie ist durch BALTZER, Bundesformular, 60–62, und LOHFINK, Bundesurkunde, 111f., weiter ausgebaut worden. Letztere leiten den Charakter des Textstückes als Bundeserneuerung jedoch in der Hauptsache von der vorausgehenden, durch das Huldaorakel bezeugten Verletzung des Bundesverhältnisses und der anschließenden Buße des Königs ab (vgl. 22,11–20). Beides gehört nach der oben vorgestellten Ansicht nicht zum ursprünglichen Bestand des Textes. 84 Vgl. bereits PERLITT, Bundestheologie, 8. 85 In der Septuaginta fehlt der Artikel vor diach/kh mit Ausnahme der antiochenischen Handschriftengruppe, die den Rückbezug auf die im Tempel gefundene Toraschrift explizit wiederholt (vgl. V.2b): th\n diach/khn th\n eun oi]kw| kuri/ou („die Verordnung / Verfügung, die im Haus des Herrn gefunden worden war“). 86 LEVIN, Atalja, 71 Anm. 30, führt den Gebrauch des Artikels bei TJRB, der „hier ja nun schlechterdings keinen Sinn mehr gibt“, als ein Indiz für die sekundäre Übernahme der Bundesschlussszene in 2Kön 23,1–3 aus 2Kön 11,14.17f. an. Er geht davon aus, dass TJRBH in 2Kön 11,17* ursprünglich den Königsvertrag bezeichnet hat und erst unter dem Einfluss spätdtr Gesetzestheologie auf das Verhältnis Israels zu seinem Gott übertragen wurde, das in V.17a einseitig die Verpflichtung des Volkes gegenüber Jahwe herausstelle. Diese Konzeption, die eine gewisse Analogie in der chronistischen berît-Vorstellung besitzt (s. unten, S. 198f.203f.), stehe auch im Hintergrund von 2Kön 23,1–3 (vgl. a.a.O., 71f.). Es ist jedoch fraglich, ob allein die Beobachtung, dass in 2Kön 11,17 nur der erste Teil der sog. Bundesformel als Inhalt der Verpflichtung erwähnt ist, hinreicht, derart weit reichende Schlussfolgerungen zu begründen, zumal das Verhältnis Israels zu seinem Gott den entscheidenden Streitpunkt innerhalb des Berichts über die Jehu-Revolution ausmacht (vgl. 2Kön 9f.), zu dem 2Kön 11 gewissermaßen einen Anhang bildet (vgl. V.18). Als Vorbild für 2Kön 23,1–3 könnte der Jojada-Bund in 2Kön 11,17f. allenfalls insoweit gedient haben, als die Szenerie und der Zusammenhang von Verpflichtungsakt und Inkraftsetzen der Verpflichtungsbestimmungen, die jeweils unmittelbar aufeinander folgen und Kultbeseitigungsmaßnahmen zum Inhalt haben (vgl. 2Kön 11,18 mit 23,4–20), in 83
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ter der Voraussetzung, der Textabschnitt sei Bestandteil einer geschlossenen literarischen und konzeptionellen Gesamtkomposition eines dtr Großgeschichtswerkes eine gewisse Plausibilität.87 Dass diese Leseperspektive auf einer bestimmten Stufe der literarischen Traditionsbildung als angemessen zu beurteilen sein mag, soll nicht bestritten werden. Im ältesten Erzählzusammenhang von 2Kön 22–23*, der vermutlich in den größeren Geschehensbogen der Samuel- und Königsbücher eingebettet war, hat sie jedoch keinen Anhaltspunkt. Daraus folgt im Blick auf die Identität des TJRBH RPO und den Charakter der königlichen Selbstverpflichtung in 2Kön 23,1–3, dass ersterer nicht ohne weiteres mit dem Deuteronomium oder einer früheren „Ur-Form“ desselben gleichgesetzt werden sollte und dass der Verpflichtungsakt, den König und Volk vollziehen, weder nach dem Vorbild des Königsvertrags gestaltet ist noch als Bundeserneuerung des Sinai- oder Horebbundes gedeutet werden kann.88 Stattdessen liegt hier eine eigenständige berît-Konzeption vor, der es um die Anerkennung der Tora als Urkunde und Grundlage der Selbstverpflichtung von König und Volk zu tun ist. Was die Identität des Schriftstücks und die genaueren Umstände seiner Herkunft und Auffindung betrifft schweigt der Erzähler. Über die Gründe hierfür wird noch zu handeln sein. Der Unterschied zur dtn / dtr Konzeption des „Gottesbundes“ zwischen Jahwe und seinem Volk, wie sie auch 2Kön 11,17* zugrunde liegt, wird noch dadurch verstärkt, dass der König die TJRB „vor Jahwe“ schließt. Die Wendung HWHJ JNPL, die die Präsenz der Gottheit beim Verpflichtungsakt evoziert, geht nicht in der Vorstellung einer besonders feierlichen und gehobenen Sprache angesichts einer kultischen Zeremonie von herausragender Bedeutung auf, sondern zielt näher auf die Funktion Jahwes als Zeuge und Garant der TJRB ab, wie sie aus altorientalischen Vertragstexten bekannt und auch im Alten Testament mehrfach belegt ist. Das berühmteste beiden Texten ähnlich gestaltet sind. Letzteres vermag kaum zu überraschen und findet sich ähnlich in Jer 34,8–22 (vgl. V.8–10). Es ist darüber hinaus vorstellbar, dass 2Kön 11* und 2Kön 22–23* auf den selben Verfasser zurückgehen (vgl. E YNIKEL, Reform, 174f.). Eine „Kopie des Jojadabundes“ (LEVIN, Atalja, 71) liegt in 2Kön 23,1–3 dagegen nicht vor (s. oben, S. 179 Anm. 65). 87 Vgl. PERLITT, Bundestheologie, 9f. „Unterstellt man (vorläufig) die Geschlossenheit der Komposition des DtrG, dann ist dessen Schluss nicht ohne dessen Anfang, 2K 22f. also nicht ohne das Dtn zu verstehen, umgekehrt verschafft die Szene von 2K 22f. dem Dtn den Geltungsrahmen in der Entstehungszeit, den es selbst nicht bieten konnte, ohne die mosaische Fiktion aufzugeben. … In 2K 23,1-3 weiß der Verfasser deshalb mehr als sein Held.“ Die vorläufige Unterstellung wird von Perlitt freilich nicht mehr kritisch hinterfragt, wenn er im weiteren Verlauf seiner Untersuchung die Gleichsetzung von „Bund“ und „Gesetz“ vor dem Hintergrund ihrer dtr Verschmelzung in der Vorstellung von der „Lade des Bundes Jahwes“ für die „Bundesurkunde“ in 2Kön 23,1–3 einfach voraussetzt (vgl. a.a.O., 38–47). 88 Vgl. a.a.O., 10f. mit Anm. 6.
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Beispiel einer solchen Aufzählung von Göttern als Vertragszeugen findet sich in den Vasallenverträgen Asarhaddons (681–669 v. Chr.), in denen er die assyrischen Vasallenstaaten auf die Anerkennung seines Sohnes Assurbanipal als den legitimen Thronfolger verpflichtet.89 Im Anschluss an die Präambel (§ 1) folgt eine Liste von Götternamen, die von dem großen Himmelsgott angeführt wird. Anschließend werden die assyrischen und babylonischen (Haupt-)Götter, die Götter des Himmels und der Erde, die Götter Assyriens, die Götter Sumers und Akkads und alle Götter der Länder als Zeugen (ina panu) des Vertragsabschlusses aufgezählt (Z.16–24).90 Die meisten kehren in der abschließenden Fluchreihe wieder, woraus ersichtlich wird, dass mit der Zeugenfunktion der Götter zugleich ihre Funktion als Garanten der Einhaltung der Verträge verbunden ist, insofern die Fluchworte demjenigen drohen, der die Verpflichtung nicht einhält (vgl. §§ 35–36). Ein zweites prominentes Beispiel findet sich in den Sefire-Verträgen zwischen dem König Bir-Gaʼya von KTK und Mati‘’el, dem König von Arpad, aus der Mitte des 8. Jh.s v. Chr.91 Dort heißt es, dass der Ver89 Vgl. PARPOLA / WATANABE, Treaties, 6. Die Edition bietet einen Komposittext, „(that) has been reconstructed from hundreds of fragments reduceable to eight separate manuscripts, all found in the Nabu temple of the city of Calah“. Die verschiedenen Ausfertigungen des Vertragstextes nennen unterschiedliche Vasallenkönige an der östlichen Peripherie des assyrischen Reiches als Vertragspartner, die überwiegend in Medien zu lokalisieren sind, doch ist anzunehmen, dass entsprechende Vereinbarungen mit allen Vasallenfürsten der Assyrer geschlossen wurden. Dies wird durch den jüngsten Fund einer solchen adê-Verpflichtung in Tell Tayinat bestätigt (vgl. Lauinger, Succession Treaty). Die Texte datieren sämtlich aus dem Monat Iyyar des Jahres 672 v. Chr., drei Jahre vor dem Tod Asarhaddons. 90 Die akkadische Wendung ina pānī(m) („vor dem Angesicht [der Götter]“) entspricht hebräisch (HWHJ) JNPL und impliziert die (physische) Anwesenheit der Götter bei der Vertragszeremonie, die durch ihre Standbilder oder Statuen repräsentiert werden (vgl. PARPOLA / WATANABE, Treaties, XXXVII). Der Ausdruck HWHJ JNPL verdankt sich dagegen der (königlichen) Audienzvorstellung und impliziert nicht notwendig die Anwesenheit eines Kultbildes oder der Bündnispartner in einem Heiligtum (vgl. 1Sam 23,18). 91 Die Identität des Bir-Gaʼya, der als höhergestellter Vertragspartner auftritt und die ‘dj mit Mati‘’el schließt (vgl. KAI 222,A1–7), und seines Herrschaftsbereiches (KTK) ist trotz anhaltender Debatten nach wie vor strittig. Parpola hat vorgeschlagen, diesen Herrscher mit dem assyrischen König Assurnirari V. (754–745 v. Chr.) gleichzusetzen und die Sefire-Verträge als aramäische Entsprechungen eines assyrischen Vertragstextes zwischen Assurnirari V. und Mati‘’el von Arpad, der vermutlich aus dem 1. Regierungsjahr des assyrischen Königs stammt, aufzufassen. Parpola weist auf eine Reihe von bemerkenswerten Übereinstimmungen zwischen beiden Texten hin (vgl. PARPOLA / WATANABE, Treaties, XXVII–XXVIII), doch finden sich ebenfalls Parallelen zu anderen neuassyrischen Vertragstexten, so dass eine Identifikation unsicher bleiben muss. LIPIŃSKI, Aramaeans, 221–231, hat vorgeschlagen, KTK mit dem bei Theodoret von Kyrrhos erwähnten Ki/ttika zu verbinden, und vermutet, die Ortslage sei die Hauptstadt des eisenzeitlichen Aramäerstaates von Bīt Ṣullūl, westlich von Karkemiš. BEYERLE, Aram, 57f., hat
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trag (‘dj), den Bir-Gaʼya von KTK mit Mati‘’el geschlossen hat, „vor“ (qdm) den Göttern von KTK und den Göttern von Arpad geschlossen wurde (vgl. KAI 222, A7–13). Im Anschluss an die Auflistung der Götter ist von ihrer Wächterfunktion die Rede, an die sich eine lange Reihe von Fluchworten anschließt, die Mati‘’el und seine Nachfolger treffen sollen, wenn sie den Vertrag brechen (šqr, vgl. Z.13–42).92 Die gleiche Vorstellung von Jahwe als Zeuge und Garant der TJRB kann an jenen Stellen vorausgesetzt werden, an denen eine TJRB „vor Jahwe“ (HWHJ JNPL) geschlossen wird. Dieser Sprachgebrauch ist im Alten Testament außer in 2Kön 23,3 (par. 2Chr 34,31) nur noch in 1Sam 23,18; 2Sam 5,3 (par. 1Chr 11,3) und Jer 34,15.18 belegt.93 In allen genannten Fällen handelt es sich um Verträge bzw. Abkommen, die zwischen zwei menschlichen Parteien geschlossen werden. Dies ist in 2Sam 5,3 evident, wo die „Ältesten Israels“ als Vertreter der politischen Größe Israel zu David nach Hebron kommen und er eine TJRB „für sie“ (mHL) vor Jahwe (HWHJ JNPL) schließt, womit hier der „Königsvertrag“ gemeint sein dürfte, auf den die Salbung Davids durch die Ältesten zum König über Israel folgt. 94 Jahwe fungiert hier als Zeuge und Garant der TJRB zwischen dem König und dem dagegen jüngst die These erneuert, Bir-Gaʼya sei mit einem urartäischen Herrscher zu identifizieren. 92 Die Zeugen- und Wächterfunktion der Götter bei Vertragsabschlüssen oder Eidesleistungen ist darüber hinaus vermutlich in zwei Vertragstexten Assurbanipals (669–627 v. Chr.) belegt (vgl. SAA II, Nr. 9,1f. und Nr. 10,1–3), doch ist der Text an beiden Stellen stark zerstört. Der Sachverhalt begegnet aber auch in anderen Textgattungen, vor allem in Königsinschriften und in Briefen (vgl. SHERIFFS, Phrases). Dabei ist vorausgesetzt, dass „all Neo-Assyrian treaties appear to have been sworn agreements, witnessed and sworn by the gods of both contracting parties“ (P ARPOLA / WATANABE, Treaties, XXXVII). 93 Vgl. zur Sache Gen 31,43–54. Der Text ist schwierig und scheint literarisch nicht einheitlich zu sein (vgl. GUNKEL, 350f.); zu den textgeschichtlichen Problemen siehe SEEBASS, LXX. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Funktion der Gottheit als „Zeuge (DY, V.50) bzw. „Wächter“ (HPZ, V.49 – vermutlich in einer sekundären [?] etymologischen Erklärung des Ortsnamens Mi‰pāh) der gegenseitigen Verpflichtung zwischen Laban und Jakob sowie das Motiv des Schwurs bei den Vertragsgöttern (vgl. V.53f.) von Interesse. In einer älteren Form der Erzählung kam die Zeugenfunktion wohl dem Grenzstein (maṣṣebāh) bzw. dem Steinhaufen (gal) zu. 94 Vgl. zum „Königsvertrag“ und seinem Ort im „Königszeremoniell“ noch 2Kön 11,12–17* und dazu LEVIN, Atalja, 91–94. In 2Sam 5,3 scheint die Salbung Davids zum König über „Israel“ als Folge des königlichen Verpflichtungsaktes verstanden zu sein, der so gesehen kaum eine einseitige Verpflichtung des Volkes zum Gegenstand gehabt haben dürfte (vgl. die Verhandlungen zwischen „Israel“ und Rehabeam in 1Kön 12,1– 19*). Dagegen wird die Salbung zum König in 2Kön 11,12 durch den Priester Jojada vor dem Abschluss des „Königsvertrags“ (vgl. V.17) durchgeführt. In 2Sam 2,4 ist nur von der Salbung Davids zum König über das Haus Juda durch die „Männer Judas“ die Rede (vgl. 19,11 u.ö.).
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Volk und ist nicht Bündnispartner. Eine vergleichbare Konzeption liegt der TJRB zwischen Jonathan, dem Sohn Sauls, und David in 1Sam 23,18 zu-
grunde: Hier treten beide Vertragsparteien als gleichberechtigte Partner auf, die miteinander eine TJRB schließen (vgl. Gen 21,27; 1Kön 5,26). Gegenstand dieser TJRB, die in Horescha in der Wüste Sif „vor Jahwe“ geschlossen wird, ist der Verzicht Jonathans auf die Thronfolge seines Vaters und der Übergang des Königtums auf David (vgl. V.17). Jahwe tritt auch an dieser Stelle als Zeuge und Wächter der TJRB auf, der über die Einhaltung der gegenseitigen Verpflichtungserklärung wacht und ihre Übertretung ahndet. Davon, dass diese TJRB in einem Heiligtum geschlossen worden wäre, ist nicht die Rede. Anders verhält es sich in Jer 34,15.18, wo vorausgesetzt wird, dass die TJRB zwischen dem König Zedekia und den Einwohnern von Jerusalem wie in 2Kön 23,3 im Tempel „vor Jahwe“ geschlossen wurde. Der Ort der Zeremonie wird in Jer 34,15 jedoch eigens genannt, ist also in der Wendung HWHJ JNPL / JNPL nicht mitgesetzt95 – in 2Kön 23,3 ergibt sich die Lokalität aus dem Kontext (vgl. V.2a). Letztere führt auch in Jer 34,15.18 Jahwe als Zeugen der TJRB ein, der erst tätig wird, nachdem das Volk seine Verpflichtung, die hebräischen Schuldsklaven freizulassen, gebrochen und diese nach erfolgter Freilassung in die Schuldknechtschaft zurückgezwungen hatte.96 Dieser Vertragsbruch zieht 95 Die literarische Integrität des Stücks Jer 34,8–22 ist umstritten. WEIPPERT, Prosareden, 86–106, vertritt die Ansicht, das Stück sei literarisch einheitlich und könne auf den Propheten Jeremia selbst zurückgeführt werden. Nach THIEL, Jeremia 26–52, 39–43, ist eine ältere Grunderzählung in V.8b–9a*.10–13a.18* von einer dtr Redaktion im Rückgriff auf die Sklavengesetzgebung in Dtn 15,12–18 fortgeschrieben und ergänzt worden. Für eine sekundäre Einführung der Verse 13–16 spricht sich auch K ESSLER, Staat, 217 Anm. 20, aus. Im letzteren Fall wäre die Lokalisierung der TJRB „im Tempel“ erst nachträglich eingefügt worden und im ursprünglichen Text hätte der Ausdruck JNPL lediglich die Zeugenfunktion Jahwes bezeichnet (V.18). 96 Der Hintergrund der TJRB zwischen dem König und der Jerusalemer Oberschicht – andere Bewohner der Stadt werden kaum über Schuldsklaven verfügt haben – ist nach V.22 (vgl. 34,7!) vermutlich in der politischen Situation der (bevorstehenden?) Belagerung Jerusalems durch die Babylonier zu erblicken. Ob dabei stärker ökonomische Gesichtspunkte oder militärische Erwägungen im Hintergrund standen (vgl. die Hinweise bei THIEL, Jeremia 26–52, 40, und KIPPENBERG, Schuldknechtschaft, 526), ist vermutlich in letzterem Sinn zu entscheiden, da es fraglich bleibt, ob damit zu rechnen ist, dass die entlassenen Sklaven – angesichts der militärischen Lage – die Stadt verlassen haben, wie dies B. Duhm angenommen hatte: „Während der Belagerung waren die Sklaven unnütz, denn sie dienten ohne Zweifel überwiegend zur Besorgung des Ackerbaus außerhalb der Mauern, sie waren sogar lästig, weil sie den Verteidigern der Stadt die Lebensmittel wegassen; man wollte also beim Anrücken der Belagerer sich dieser unnützen Mäuler im eigenen Interesse … entledigen.“ (DERS., 280). Nachdem das babylonische Heer die Belagerung vorübergehend aufgehoben hatte und die unmittelbare militärische Bedrohung abgewendet war, traten die Oberen Jerusalems von der Vereinbarung wieder zurück und zwangen die ehemaligen Schuldner, in das Abhängigkeitsverhältnis zurückzukehren, was
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das Strafgericht Jahwes gegen die Vertragsparteien nach sich97, wie dies auch in den neuassyrischen Vertragstexten in Aussicht gestellt wird. Jahwe ist in Jer 34 nicht Vertragspartei, wie aus V.8–10 unzweideutig hervorgeht, sondern Zeuge und Garant der TJRB.98 Vor diesem Hintergrund kann die TJRB in V.18 als TJRB Jahwes („meine berît“) bezeichnet werden, insofern jede TJRB (bzw. adê) nach Ausweis der altorientalischen Vertragstexte als ein „sworn agreement“ anzusehen ist, bei dem eine (oder beide) Vertragspartei(en) eine bedingte Selbstverfluchung für den Fall des Vertragsbruches auf sich nehmen.99 Dieses Motiv, das mit dem Rekurs auf das rituelle Hindurchgehen der Bündnispartner durch die beiden Hälften des zerteilten Jungstiers anklingt (vgl. die Wurzel RBY in V.18f.), dient in Jer 34 zur Begründung der anschließenden Strafansage. 100 Wenn die TJRB in V.18 demnach als HWHJ TJRB charakterisiert werden kann, so ist dies dahin zu interpretieren, dass ungeachtet des Umstands, dass die TJRB ein Vertragsverhältnis zwischen dem König und dem Volk begründet, grundsätzlich jede TJRB, die „vor Jahwe“ geschlossen wird – und damit vermutlich überhaupt jede TJRB – als HWHJ TJRB gelten kann, selbst wenn Jahwe nicht als Vertragspartei in Erscheinung tritt. 101 In diese Richtung weist auch der Sprachgebrauch in 1Sam 20,8, wenn David zu Jonathan sagt, „du hast deinen Knecht (sc. David) mit dir in die TJRB Jahwes eintreten lassen“. Die Aussage,
den Zorn Jahwes und die Strafansage zur Folge hat. Dass eine rituelle Lösung der Eidesleistung möglich war, zeigt SAA II, Nr. 6,377–384 (§ 33), wo dies als Vertragsbruch gebrandmarkt wird. 97 Die Rolle des Königs bleibt innerhalb der Gesamtkomposition eigentümlich schillernd: Er ist derjenige, der die TJRB in V.8 initiiert, gehört also zu den Vertragsparteien. Nach Vers 11 (vgl. V.19) wird der König nicht unter denjenigen Personengruppen aufgeführt, die den Bund übertreten haben, dennoch wird er in V.21f. unter das Gericht eingeschlossen. KESSLER, Staat, 217 Anm. 19, hat vermutet, der König habe keine (jüdischen) Schuldsklaven besessen (höchstens Kriegsgefangene), weshalb er nicht des Bundesbruchs bezichtigt werden könne (vgl. aber THIEL, Entwicklung, 54.59 [zu den Verhältnissen in Alalaḫ] bzw. a.a.O., 75 [zum Bereich des spätbronzezeitlichen Syrien / Palästina]). Wie immer man diese Frage beantworten mag, die Übertretung der TJRB zieht keine Konsequenzen seitens des Königs nach sich – die Verfolgung obliegt allein dem göttlichen Sachwalter der TJRB, eine Vorstellung, die Parallelen im Inschriftenwerk Assurbanipals besitzt (vgl. Cyl. B, Col. IV,51–70; Rassam-Zylinder, Col. II,114–120). Vielleicht wurde das Gerichtswort erst sekundär auf den König ausgedehnt (vgl. THIEL, Jeremia 26–52, 42f.), der in V.21 gemeinsam mit den mJRS des königlichen Hofes erwähnt wird, und ihm so eine Mitverantwortung an den Vorgängen zugewiesen. 98 Vgl. THIEL, Jeremia 26–52, 41. 99 Vgl. SAA II, Nr. 6,25–40.494–512, und PARPOLA / WATANABE, Treaties, XXIIf. XXXVIIf. (Zitat: XXXVII). Hier ist noch auf das Nebeneinander von „Bund“ (TJRB) und „Eid / Schwur“ (HLA) in der vertragsrechtlichen Terminologie des Alten Orients und im Alten Testament zu verweisen (vgl. WEINFELD, TJRB, 784f.). 100 Vgl. KAI 222,A39f. 101 Vgl. THIEL, Jeremia 26–52, 41f., der noch auf den vergleichbaren Sachverhalt in Ez 17,19 aufmerksam macht (vgl. Jos 9,18–20).
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die narratologisch auf 1Sam 18,3 zurückweist102, bezeugt eine vergleichbare Vorstellung wie die oben diskutierte Stelle in 1Sam 23,18, dass nämlich Jahwe als Zeuge der TJRB zwischen David und Jonathan vorgestellt ist, so dass diese TJRB zugleich als HWHJ TJRB gilt. Dazu passt, dass im weiteren Textverlauf in 1Sam 20,12–17 David und Jonathan ihre TJRB durch einen Schwur bei Jahwe bestätigen (vgl. V.12f.17).103 Die Vorstellung, dass eine Vereinbarung zwischen zwei menschlichen Parteien zugleich als ein Vertrag der Gottheiten, vor denen er geschlossen wurde, angesehen wird, findet sich auch in den Sefire-Verträgen, in denen die adê zwischen Bir-Gaʼya von KTK und Mati‘’el von Arpad gleichzeitig als adê der Götter von KTK und der Götter von Arpad bezeichnet werden kann (vgl. KAI 222,B5f.). Entsprechend heißt es, dass der König von Arpad bei Vertragsbruch nicht nur gegenüber seinem (assyrischen?) Oberherrn, sondern auch gegenüber den Vertragsgöttern, die in der Inschrift genannt sind, vertragsbrüchig geworden sei (šqrtm lkl ’lhj ‘dj’, vgl. KAI 222,B23). In diesem Zusammenhang ist noch auf eine Stelle in den Annalen Assurbanipals hinzuweisen, in der die Verpflichtungen gegenüber dem assyrischen Großkönig mit den „großen Verträgen (des Gottes) Aššur“ (adê rabûti mešša iluaššur) parallelisiert werden: „Die Einwohner von Aribi fragten einer den andern: ‚Warum ist dem Lande Aribi eine derartig schlimme Sache widerfahren?‘ ‚Weil wir die großen Verträge Aššurs nicht beobachtet (und) uns versündigt haben gegen die Wohltat Assurbanipals, des Königs, den Ellil liebt.‘“ (vgl. Rassam-Zylinder, Col IX,68–74).104 Hier liegt möglicherweise der Ursprung der im Alten Orient vereinzelt belegten Vorstellung einer adê eines Gottes mit einem menschlichen Partner, die für die dtn / dtr berîtKonzeption prägend geworden ist.105
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In 1Sam 18,3 sind David und Jonathan gemeinsam Subjekt des Bundesschlusses (vgl. 1Sam 23,18), nach 20,8 geht die Initiative zu der TJRB dagegen von Jonathan aus, worin sich der soziale Rangunterschied zwischen beiden widerspiegelt. 103 Vgl. 2Sam 9,1–13; 21,7 – diese Stellen unterstreichen die bindende Autorität der TJRB, obwohl einer der beiden Bundespartner bereits verstorben ist. Ihre Geltung wird durch den göttlichen Zeugen und Adressaten des Schwurs in Kraft gesetzt und aufrechterhalten. 104 Übersetzung nach Streck, Assurbanipal, 79. 105 Vgl. die in phönizischer Sprache abgefasste Beschwörungstafel aus Arslan Taş / Ḫadattu (7. Jh. v. Chr.), in der davon die Rede ist, dass „Aššur einen ewigen Bund / Schwur mit uns / mir geschlossen hat“ (krt ln ’lt ‘lm ’šr, vgl. KAI 27,8–10). Die Wendung krt ’lt macht die Nähe zur Vertragsterminologie evident, nur ist hier die Gottheit Subjekt der Eidesleistung zum Schutz des Besitzers des Amuletts. – Auf eine adê des Gottes Aššur bzw. der Göttin Ištar zugunsten (ina muhhur) Asarhaddons verweist eine neuassyrische Sammeltafel mit prophetischen Orakeltexten, die im Zusammenhang mit der Thronbesteigung des Königs stehen (vgl. SAA IX, Nr. 3 II,27–32 und II,35–III,12). Die Interpretation des Textes ist jedoch nicht eindeutig: Die „Bundestafel“ (ṭûppi adê) Aššurs, die vor dem König verlesen wird (II,27–32), bezieht sich auf die beiden vorangegangenen prophetischen Heilsorakel zurück (I,27–II,26), hat mithin den Charakter einer göttlichen Selbstverpflichtung. Die adê, die Ištar von Arbela zugunsten Asarhaddons schließt, hat ihre göttlichen Väter und Brüder als Gegenüber, stellt also eine Vereinbarung zwischen den Göttern dar (II,33–III,15). Erst im Anschluss daran ist von den rituellen Pflichten des Königs gegenüber dem Kult der Göttin die Rede (vgl. III,16–37). – Ob der Text der Tafel K.4730, die in die Zeit Sanheribs oder Asarhaddons zu datieren ist, von einer adê des Gottes Aššur („der König der Götter“) mit dem König spricht, ist nicht sicher, da das Gegenüber der göttlichen adê nicht explizit genannt wird, vgl. zur Diskus-
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Des ungeachtet ist daran festzuhalten, dass die Wendung HWHJ JNPL in 2Kön 23,3 wie an den sonstigen Stellen, an denen sie in vertragsrechtlichen Zusammenhängen im Alten Testament belegt ist, auf die Zeugenfunktion Jahwes verweist. Die Zeugen- und Wächterfunktion eignet Jahwe jedoch ausschließlich bei zwischenmenschlichen Vereinbarungen und fehlt überall dort, wo von einem Verpflichtungsverhältnis zwischen der Gottheit und dem Volk die Rede ist! Diese Beobachtungen stützen die Annahme, dass in 2Kön 23,3 eine Selbstverpflichtung des Königs (und des Volkes, V.3b) auf die Toraschrift zum Ausdruck kommt, die „vor Jahwe“ als Zeuge und Garant ihrer Einhaltung eingegangen wird. Nur in dieser Hinsicht kann davon gesprochen werden, dass der Verpflichtungsakt des Königs ein Verpflichtungsverhältnis zwischen ihm resp. dem Volk und der Gottheit konstituiert. Dies ist jedoch von der dtn / dtr Bundestheologie begrifflich wie konzeptionell zu unterscheiden. Auf den Akt der Selbstverpflichtung des Königs folgt in V.3a eine Angabe über den Inhalt der TJRB, der durch eine Reihe von Infinitiven mit der Präposition L wiedergegeben wird (mJQHL … RMVLW … TKLL).106 „Genauer analysiert faßt der Text zunächst in zwei koordinierten Infinitivkonstruktionen den Gegenstand des Eides zusammen.“107 Der dritte Infinitiv ist den beiden vorangehenden Infinitiven im vorliegenden Text konsekutiv untergeordnet, wie aus der asyndetischen Konstruktion hervorgeht. Die beiden koordinierten Infinitive bestimmen die TJRB bzw. die RPO JRBD 108 TJRBH (V.2b) inhaltlich wie formal näher : Der König verpflichtet sich, „(allein) hinter Jahwe her zu gehen“ (HWHJ RCA TKLL), d.h., in der Perspektive des ersten Gebotes, Jahwe allein zu verehren und keinen anderen / fremden Göttern zu dienen. Die zweite Infinitivkonstruktion erläutert dies dahingehend, dass sich die Verehrung Jahwes im ungeteilten Halten seiner sion OTTO, Deuteronomium, 80–86. Dagegen betrachtet KOCH, Vertrag, 319f., die Übertragung der vertragsrechtlichen Konzeption auf das Verhältnis des Volkes zu Jahwe gerade als Invention dtr Schriftgelehrsamkeit. Eine mögliche Vorstufe der dtr Bundeskonzeption sieht er in der Ehemetaphorik des Jeremiabuches (vgl. Jer 2–6*), vgl. a.a.O., 321f. Es sei jedoch nochmals daran erinnert, dass diese Frage für den Zusammenhang von 2Kön 23,1–3 nachrangig ist, da dort nicht von einer TJRB zwischen einem menschlichen und einem göttlichen Partner die Rede ist. 106 Vgl. zur Konstruktion 2Kön 11,17; Jer 34,8f. „Die Infinitive sind die inhaltliche Bestimmung zu berīt …“ (MÜLLER, 2Kön 23,3, 28). 107 LOHFINK, 2Kön 23,3, 35. Lohfink grenzt die beiden ersten Infinitive als „materiale Bestimmungen des Gegenstands des Eides“ von dem dritten Infinitiv ab, der den Eid „eher ‚formal‘“ charakterisiere (ebd.). Die begriffliche Unterscheidung zwischen formal und material erscheint jedoch mindestens unglücklich, da der zweite Infinitiv ebenfalls eine eher „formale“ Näherbestimmung enthält (nämlich die verschiedenen Gebotstermini) und in der abschließenden Infinitivkonstruktion „materiale“ und „formale“ Aspekte ineinander verschränkt erscheinen. 108 Vgl. zum syntaktischen Gefüge TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 164.
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Gebote (WJTWZM), Anordnungen (WJTWDY) und Satzungen (WJTQC) realisiert.109 Die schriftliche Tora, die im RPO niedergelegt und als „Vertragsurkunde“ (TJRBH RPO) Grundlage und Gegenstand der Selbstverpflichtung des Königs ist, wird somit formal als eine Sammlung von verbindlichen Einzelbestimmungen charakterisiert, die von Jahwe autorisiert sind und deren Inhalt in der Forderung nach der alleinigen Verehrung Jahwes konvergiert. Dagegen zielt die dritte Infinitivkonstruktion nicht auf eine „materiale“ Bestimmung der TJRB, sondern beschreibt den Gegenstand der Verpflichtungserklärung des Königs funktional als ein „In-Kraft-Treten-Lassen“ oder „In-Geltung-Setzen“ (mWQ Hif.) der Bestimmungen dieser Verpflichtung, die auf dieses Schriftstück, nämlich die „Vertragsurkunde“, geschrieben worden sind und die zuvor bekannt gemacht worden waren (vgl. V.2b).110 Der Gegenstand der Verpflichtung ist demnach die praktische Umsetzung der TJRBH RPO JRBD. Damit verbleibt der dritte Infinitiv sprachlich wie konzeptionell innerhalb des szenischen Repertoires von 2Kön 23,1–3 (vgl. Kap. 22*). Die ersten beiden Infinitive lassen dagegen sachliche Berührungen zum Huldaorakel und zur spätdtr Gesetzestheologie erkennen, worauf noch näher einzugehen ist. Trifft diese Beobachtung zu, dann legt sich die Vermutung nahe, dass die breite inhaltliche Ausgestaltung der TJRB in V.3a das Ergebnis einer redaktionellen Erweiterung des Grundtextes darstellt.111 Dafür könnte weiterhin die Doppelung der inhaltlichen Bestimmung der TJRB sprechen, wie sie in den beiden koordinierten Infinitiven (RMVLW … TKLL) auf der einen und dem nachgeordneten, asyndetisch angeschlossenen Infinitiv mJQHL auf der anderen Seite vorliegt. Zwar lässt sich der abschließende Infinitiv als Rekapitulation der vorangehenden Aussagen verstehen (explikative Asyndese), doch zeigt sich gerade darin ein retardierendes Moment im Erzählverlauf. Die Nachordnung des letzten Gliedes dieser Reihe von Infinitiven wäre somit das Resultat späterer exegetischer Arbeit, die den allgemeinen Ausdruck JRBD-TA mJQHL 112 TAXH TJRBH gesetzestheologisch interpretiert. Indem diese nachträgliche 109
LOHFINK, 2Kön 23,3, 35, spricht in diesem Zusammenhang von der „personalsachlichen Zweiheit“, die in der dtn / dtr Gebotsparänese verbreitet ist. 110 Die Demonstrativpronomina TAX und HX unterstreichen die enge Kontextbindung der Aussage und binden den Inhalt der TJRB an die Verlesung der Toraschrift in V.2b zurück (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 162f.). 111 Vgl. dazu SPIECKERMANN, Juda, 73 mit Anm. 92; EYNIKEL, Reform, 180. 112 Die Wendung mWQ (Hif.) + TJRBH JRBD dient in Jer 34,18 (vordtr, s. oben, S. 186 Anm. 95) zur allgemeinen Umschreibung der Einhaltung der vertraglichen Verpflichtung seitens der Bundespartner bzw. ihrer Nichtbeachtung. – Die Konstruktion wird sinnverwandt, jedoch mit signifikant veränderter Terminologie am Schluss des Reformberichts in 2Kön 23,24 aufgenommen (HRWTH JRBD-TA mJQH nYML). Letztere Stelle ist möglicherweise von Dtn 27,26 (mTWA TWSYL TAXH-HRWTH JRBD-TA mJQJ-AL RVA RWRA) beeinflusst und charakterisiert Josia als den vorbildlichen Frommen, der die Tora Moses umfänglich
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Konkretion der ursprünglichen „Inhaltsangabe“ der TJRB vorangestellt wurde, geriet diese im Endtext selbst in eine nachgeordnete Stellung.113 Die ältere Erzählung hat nur davon gesprochen, dass der König sich dazu verpflichtet hat, die Bestimmungen der Toraschrift, die im Tempel gefunden worden war, zu verwirklichen (mWQ Hif.).114 Es ist in der Forschung wiederholt auf die Nähe der ersten beiden Infinitivausdrücke zu Sprache und Theologie des dtn / dtr Vorstellungskreises hingewiesen und auf diese Weise die Identifikation des TJRBH RPO (und damit des HRWTH RPO aus Kap. 22) mit dem Deuteronomium bzw. seinem josiazeitlichen Bestand begründet worden.115 Die ausführlichste Analyse des sprachlichen Befundes hat N. Lohfink vorgelegt. Dabei liegt sein Interesse auf der Frage, ob sich eine „sprachliche Brücke“ zwischen den beiden Infinitivkonstruktionen in V.3a und dem HRWTH RPO (bzw. dem RPO TJRBH) ermitteln lasse, die einen Rückschluss nicht nur auf dessen Identität, sondern auch auf dessen textlichen Umfang erlaubt. 116 Im Blick auf den ersten Infinitiv HWHJ RCA TKLL kommt Lohfink zu dem Ergebnis, dass verwirklicht und auf diese Weise dem Fluchzusammenhang entgeht. mWQ (Hif.) mit menschlichem Subjekt, das die Worte Jahwes umsetzt, begegnet im Alten Testament sonst nur noch 1Sam 15,11.13 im Zusammenhang der Verwerfung Sauls. An den meisten Stellen ist Jahwe Subjekt der Aussage, der entweder sein eigenes Wort oder das Wort der Propheten bestätigt (vgl. DIETRICH, Prophetie, 77f.); zu 1Sam 1,23 vgl. DIETRICH, 20.53f. 113 Diese wird durch den asyndetischen Anschluss des dritten Infinitivs bewirkt; die Konstruktion ist wohl weniger auf ein Versehen des Bearbeiters zurückzuführen, der „die durch die Ergänzung notwendig gewordene Kopula vor mJQHL nachzutragen vergessen hat“ (SPIECKERMANN, Juda, 73 Anm. 92), als auf eine sachliche Notwendigkeit, insofern hier verschiedene inhaltliche Bestimmungen der TJRB nebeneinander gestellt werden, die semantisch in Konkurrenz zueinander stehen. – Man wird dagegen nicht einwenden können, dass in der Septuaginta die Kopula vor RMVL nicht belegt sei, da dies nur für die Lesart des Codex Vaticanus zutrifft (vgl. auch 2Chr 34,31 LXX), die vermutlich auf in– nergriechische Harmonisierung oder ein Schreibversehen zurückgeht (vgl. LOHFINK, 2Kön 23,3, 35 Anm. 5). Die antiochenische Septuagintaüberlieferung liest poih~sai statt a>nasth~sai, was auf hebräisches TWSYL im Text der Vorlage zurückverweist, das in der dtn / dtr Paränese häufig gemeinsam mit RMV auftritt und semantisch eng mit ihm zusammengehört. Die gleiche Lesart bezeugt die chronistische Parallele in 2Chr 34,31. Dies deutet darauf hin, dass die Chronik und die antiochenische Septuaginta, die in diesem Textstück die älteste Septuagintaüberlieferung repräsentiert, auf einer abweichenden hebräischen Textvorlage beruhen. Es fragt sich jedoch, ob diese gegenüber der masoretischen Textform die ältere Lesart bewahrt hat, denn die Verbindung von RMV und HSY legt sich vom Sprachgebrauch des Deuteronomium her nahe und dürfte von dort in den Königetext eingetragen worden sein. Der masoretische Text bietet in 2Kön 23,3 dagegen die lectio difficilior, die daher als älteste erreichbare Lesart zu gelten hat (vgl. zur Diskussion LOHFINK, a.a.O., 37 mit Anm. 13). 114 Vgl. zur Semantik der Aussage TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 161f. mit Anm. 326. 115 Vgl. NOTH, Gesetze, 62 mit Anm. 112; LOHFINK, 2Kön 23,3. 116 Vgl. LOHFINK, 2Kön 23,3, 35.
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der Ausdruck eine Nähe zu dtn / dtr Sprach- und Vorstellungselementen aufweist, gleichzeitig jedoch eine gewisse Eigentümlichkeit zeigt. Dabei dürfte die ungewöhnliche Form RCA statt JRCA (vgl. 2Chr 34,31) auf Haplographie des J zurückzuführen sein. Der Unterschied zur sonstigen Verwendungsweise der Verbindung von kLH + JRCA in der dtn / dtr Literatur sollte daher nicht überbewertet werden.117 Die Verbindung von kLH + JRCA + GN gehört „zu den häufiger wiederkehrenden Sprachmustern“ im Deuteronomium und in der dtr beeinflussten Literatur des Alten Testaments.118 Sie wird dort jedoch überwiegend in Verbindung mit dem Ausdruck mJRCA mJHLA („fremde Götter“) gebraucht und steht unter dem Verdikt des ersten Gebots. Der alleinigen Verehrung Jahwes entspricht das Verbot der Verehrung fremder Götter (vgl. Dtn 5,6f.). Die positive Variante kLH + JRCA + HWHJ kommt neben 2Kön 23,3 lediglich in Dtn 13,5; 1Kön 14,8; 18,21 vor (vgl. Hos 11,10; Jer 2,2)119 und dürfte der negativen Formulierung nachgebildet worden sein.120 Die Paränese in Dtn 13,5 verbindet die rechte Jahweverehrung wie 2Kön 23,3 mit dem Halten seiner Gebote (TWZM) und verklammert die Sammlung der drei Rechtsfälle in Dtn 13 mit der Abgrenzung gegen die „fremden Götter“ in den sekundären Rahmenversen von Dtn 12 (vgl. V.2f.29–31). Diese Beobachtungen und die Anredeform in der 2.Pers. Pl. deuten darauf hin, dass der Vers als eine spätdtr Ergänzung des Grundtextes von Kap. 13 zu beurteilen ist.121 Der gleiche Zusammenhang von Gebotsparänese und Jahweverehrung liegt in dem vermutlich spätdtr Einschub 1Kön 14,8b vor.122 In der Begründung des prophetischen Gerichtswortes gegen das Haus Jerobeams (V.7–9), die auf die Prophetenerzählung in 1Kön 11,29–39 zurückgreift, werden das Verhalten Davids, der Jahwe „nachgegangen war“ und seine Gebote (TWZM) gehalten hatte, und Jerobeams kontrastiert, 117
Pace Lohfink, der die Möglichkeit eines Textfehlers nicht in Erwägung zieht (vgl. a.a.O., 36). 118 Vgl. Dtn 4,3; 6,14; 8,19; 11,28; 13,3.5; 28,14; Jdc 2,12.19; 1Kön 11,5.10; 14,8; 18,18.21; 21,26; 2Kön 17,15; 23,3 – in den meisten Fällen ist jedoch eine spätdtr Herkunft der Textstücke zu vermuten. 119 Hos 11,10 (und 11?) ist ein redaktioneller Nachtrag, der die Erfahrung des Exils nicht nur Israels, sondern auch Judas vorauszusetzen scheint. Die Verehrung Jahwes ist die Folge der Umkehrforderung (vgl. V.2) und ihrerseits Voraussetzung der Rückführung Israels aus dem Exil (vgl. JEREMIAS, 147). – Jer 2,2(f.) ist vermutlich sekundäre Einleitung zu 2,4–13 (vgl. HERRMANN, 109–117) und überträgt die Vorstellung von der Braut, die dem Mann folgt (vgl. Gen 24,5.8.31.61; 1Sam 25,42) auf das Verhältnis Israels zu Jahwe (vgl. Hos 2,16–19). – Dieser Verwendung des Idioms entspricht der Bedeutungsumfang der akkadischen Wendung alāku arki, der ebenfalls „a conjugal connotation“ eignet (vgl. WEINFELD, Deuteronomy, 83 Anm. 2). 120 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 73 Anm. 92. Eindeutigkeit ist in dieser Frage jedoch nicht zu gewinnen, da wenigstens 1Kön 18,21 auf den nicht-theologischen Gebrauch von kLH + JRCA zurückgreift, der eine Parallele im akkadischen Idiom alāku arki besitzt (s. vorige Anm.). 121 Vgl. RÜTERSWÖRDEN, 83.85. 122 Vgl. zur literarhistorischen Einordnung DIETRICH, Prophetie, 28f. (DtrN).
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der sich „fremde Götter“ gemacht und Jahwe den Rücken zugekehrt hat (vgl. V.9). Anders verhält es sich an der letzten Stelle, die hier zu diskutieren ist: In 1Kön 18,21 fehlt ein Verweis auf das Halten der Gebote123, stattdessen wird das Volk von Elia vor die Entscheidung gestellt, ob Jahwe oder Ba‘al der Gott (Israels) ist, den es verehren will (WJRCA WKL). Im Hintergrund steht hier die Verwendung von kLH + JRCA im zwischenmenschlichen Bereich zum Ausdruck der militärischen (vgl. Jdc 9,4; 1Sam 17,13f.) oder politischen Gefolgschaft (vgl. 2Sam 2,10; 15,13; 1Kön 2,28; 12,20; 16,21; 2Kön 9,18f.), wobei „in der Regel eine Entscheidungssituation vorausgesetzt oder beschrieben (ist)“.124 Der militärisch-politische Sprachgebrauch hat eine Analogie in der altorientalischen Vertragsterminologie (alāku arki)125 und gehört in 1Kön 18 zum vordtr Bestand der Erzählung. Angesichts dieses Befundes ist festzuhalten, dass die Wendung HWHJ JRCA kLH zwar keine dtn / dtr Invention darstellt, ihre charakteristische Verknüpfung mit der Gebotsparänese (RMV + TWZM), wie sie in 2Kön 23,3a vorliegt, jedoch als Kennzeichen einer spätdtr Bearbeitung gelten kann, die ihre nächsten Parallelen in Dtn 13,5 und 1Kön 14,8 besitzt.
Berücksichtigt man die konzeptionelle Nähe des Ausdrucks zum ersten Gebot, fällt sogleich die Verwandtschaft mit Vorstellungen des Huldaorakels auf, das Jahwes Zorn gegen „diesen Ort und seine Bewohner“ mit dem Verstoß gegen das erste Gebot begründet und das Verhalten des Volkes in 22,17a geradezu in antithetischer Entsprechung zum Inhalt der Selbstverpflichtung in V.3 charakterisiert (BXY mit Jahwe als Objekt; RFQ Pi. + mJRCA mJHLA). Damit ist der Horizont angedeutet, in den die Bearbeitung in V.3 eingezeichnet werden kann und vor dem deren Motivation erkennbar wird. Das Gericht über das Volk wird mit der Übertretung der TJRB begründet (vgl. 22,16f.), deren Inhalt wiederum im Licht des ersten Gebots interpretiert wird, so dass sich beide Abschnitte gegenseitig auslegen. Die Verpflichtungsszene war dem Bearbeiter bereits vorgegeben und er hat sie nach seinen theologischen Grundüberzeugungen ausgestaltet. Die Gleichsetzung der Bundesurkunde mit dem Deuteronomium mittels der „sprachlichen Brücke“ zwischen ihren Einzelbestimmungen und der dtn / dtr Gebotsparänese hat hier ihren Ursprung. Ließe sich die sprachliche Nähe zwischen der ersten Infinitivkonstruktion in V.3a und dem Deuteronomium noch als eher locker beurteilen, so verschiebt sich das Bild im Falle des zweiten, koordinierten Infinitivs: Das Verb RMV (häufig durch infinitivisch angeschlossenes HSY erweitert) in 123 Der entsprechende Verweis in V.18 ist ein sekundäres Interpretament (vgl. THIEL, 128–130). 124 A.a.O., 148f. (148). 125 So heißt es in einem Brief des Rib-Hadda von Gubla / Byblos an den ägyptischen Pharao aus dem Tontafelarchiv von El-Amarna: „May the King, my Lord, heed the works of his servant. Men of Gubla, my own household, and my wife, kept saying to me: ‚Ally yourself with the son of ‘Abdi-Aširta so we can make peace between us.‘ But I refused, I did not listen to them.“ (EA 136,6–15, Übersetzung nach MORAN, Amarna Letters, 218f.; vgl. EA 149,40ff.; 280,16ff.; ARM IV,11,18f. und WEINFELD, Deuteronomy, 83f.).
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Verbindung mit Ausdrücken für „Gesetz“ ist ein „Kernelement der dtn Paränese“.126 Bedeutsamer als diese allgemeine Feststellung ist jedoch die Reihe der einzelnen „Gesetzestermini“, die in V.3a mit RMV zusammengestellt werden: TWZM, TWDY und TQC. Von diesen kommen TWZM und mJQC bzw. TQC in der dtn / dtr Literatur sowohl einzeln als auch in Reihenbildungen häufig vor.127 Anders verhält es sich dagegen mit dem dritten Begriff TWDY, der im Plural mit der Bedeutung „(Vertrags-)Bestimmungen, Anordnungen“ nur noch in Dtn 4,45; 6,17.20; 1Kön 2,3; 2Kön 17,15 belegt ist.128 Berücksichtigt man weiterhin, dass die drei Begriffe in 2Kön 23,3a eine Reihe bilden, verbleiben lediglich Dtn 6,17 und 1Kön 2,3 als engere Parallelelen (vgl. 1Chr 29,19; 2Chr 34,31).129 Die Gebotsparänese in Dtn 6,17 steht im Zusammenhang einer kurzen „Alternativpredigt“ (V.14–19*) und bindet die Gabe des Landes an die Beachtung der Gebote zurück. Der Abschnitt erweist sich durch den unregelmäßigen Gebrauch des Numerus, seine spätdtr Gesetzestheologie und seine Nähe zum späten Kapitel Dtn 4 als ein sekundärer Nachtrag in Dtn 6.130 Dies gilt mutatis mutandis ebenso für die Reihe in 1Kön 2,3, die gegenüber 2Kön 23,3 um ein Glied erweitert 126
LOHFINK, 2Kön 23,3, 37. Lohfink zählt allein im Deuteronomium 47 Belege für diesen Sprachgebrauch (vgl. zu weiteren Belegen W EINFELD, Deuteronomy, 336), von denen an 25 Stellen RMV durch HSY erweitert ist. Die Vorkommen im deuteronomischen Gesetzeskorpus (vgl. Dtn 12,28; 13,1.5.19; 15,5; 16,12; 17,19; 19,9) sind vermutlich überwiegend spätere Nachträge. Das paränetische Element hat ebenfalls Parallelen in der akkadischen Vertragsterminologie (naṣāru amāt / adê naṣāru), vgl. WEINFELD, Deuteronomy, 77 mit Anm. 6; DERS., TJRB, 788. 127 Vgl WEINFELD, Deuteronomy, 336–338. LOHFINK, 2Kön 23,3, 38–40, diskutiert ausführlich das Nebeneinander der beiden Formen QC und HQC bzw. der jeweiligen Pluralbildungen im Blick auf 2Kön 23,3 (par. 2Chr 34,31) und Dtn 6,17 (WJQC) und gelangt zu dem Schluss, dass in 2Kön 23,3 ursprünglich wie in 2Chr 34,31 und Dtn 6,17 die maskuline Form anzusetzen sei (vgl. LXXL prostagmata), die erst in der späteren Textüberlieferung an die beiden anderen Formen angeglichen wurde. Beweisen lässt sich die textkritische Argumentation Lohfinks nicht. Ihr Aufwand erklärt sich in der Hauptsache aus dem Versuch, Dtn 6,17 als textliche Vorlage für 2Kön 23,3 zu erweisen, doch scheint dies angesichts der „Freiheiten …, welche … auch sonst in diesem Satz (sc. 2Kön 23,3a) gegenüber den Formulierungen des damaligen dt Gesetzes (bestehen)“, kaum ins Gewicht zu fallen (a.a.O., 40). 128 Die weiteren Belege für TWDY im Plural sind frühestens exilischer (vgl. Jer 44,23), mehrheitlich jedoch nachexilischer Provenienz (vgl. Ps 25,10; 78,56; 93,5; 99,7; 119 [22 Vorkommen!]; Neh 9,34; 1Chr 29,19; 2Chr 34,31) – es handelt sich also um einen späten Sprachgebrauch. Im Singular dient TWDY in der Priesterschrift zur Bezeichnung der Sinaigesetzgebung. 129 Nur an diesen Stellen ist TWDY (Pl.) abgesehen von Ps 78,56; 99,7 und 119,146. 167f. mit RMV verbunden. Dtn 6,20 bezieht sich auf Dtn 4,45 zurück und ist im Zusammenhang des Kapitels ein spätdtr Nachtrag (vgl. RÜTERSWÖRDEN, 52); zum spätdtr Charakter von 2Kön 17,15 vgl. WÜRTHWEIN, 396f. 130 Vgl. VEIJOLA, 176f.
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ist (mJFPVM). Die Beobachtung von Doppelungen und syntaktischen Brüchen in 1Kön 2,3f. deutet darauf hin, dass die Gesetzesparänese in V.3 einer spätdtr Bearbeitung in 1Kön 1f. angehört, die eine konzeptionelle Nähe zu den nomistischen Erweiterungen in Jos 1,7f. erkennen lässt. 131 Die beiden nächsten Parallelen zu der Reihe von Ausdrücken für „Gesetz“ in 2Kön 23,3a können also in ihrem jeweiligen Kontext mit guten Gründen einer spätdtr Fortschreibung zugewiesen werden, ohne dass damit bereits eine Aussage über eine spezifische Schichtenzugehörigkeit („DtrN“) gemacht wäre. Dies legt aber auch für 2Kön 23,3a den Gedanken nahe, dass die inhaltliche Näherbestimmung der TJRB durch TWZM, TWDY und TQC ein spätdtr Interpretament darstellt, das seine Einfügung der gleichen Intention verdankt, wie sie für die erste Infinitivkonstruktion wahrscheinlich gemacht werden konnte. Dabei kann offen bleiben, ob die Bearbeitung in 2Kön 23,1–3 literarisch von Dtn 6,17 bzw. 1Kön 2,3 abhängt 132 oder ob sie nur den gleichen theologischen Leitideen verpflichtet ist. 133 Diesen Beobachtungen lässt sich schließlich auch das letzte Glied einfügen, das mit dem zweiten Infinitiv verbunden ist, die adverbiale Näherbestimmung „mit ganzem Herzen und mit ganzer Lebenskraft“ ( BL-LKB 134 VPN-LKBW). „Die doppelte Präpositionalverbindung … hat einen gut deuteronomischen Klang.“135 Allerdings fehlt hier das enklitische Personalpronomen, das für den dtn / dtr Gebrauch dieser Wendung sonst charakteristisch ist.136 Diese Besonderheit erklärt sich jedoch angesichts der Unbe131
Vgl. VEIJOLA, Dynastie, 22.29; EYNIKEL, Reform, 180f. Einen Rückschluss auf die Zugehörigkeit von Dtn 6,17 zum Bestand des dtn Gesetzbuches der Zeit Josias erlaubt der literarhistorische Befund in 2Kön 23,3 nicht ( pace LOHFINK, 2Kön 23,3, 41f.); sie wäre allenfalls für den literarischen Horizont des Ergänzers erwägenswert (vgl. das Motiv des Zornes Jahwes in Dtn 6,15!). – T AGLIACARNE, Keiner war wie er, 159 Anm. 319, weist darauf hin, dass 2Kön 23,3 im Endtext eine inclusio sowohl mit Dtn 6,17 als auch 1Kön 2,3 bildet, mithin sowohl die Darstellung der Königsbücher als auch des DtrG umschließe. Diese Beobachtung ließe sich noch dahin ergänzen, dass in Dtn 6,14f. wie in 1Kön 2,3 neben der Mahnung zum Halten der Gebote auch das Motiv des „Gehens auf den Wegen Jahwes“ (vgl. 1Kön 2,3 und den Hinweis auf die schriftliche Tora des Mose) bzw. des Verbotes, „fremde Götter“ zu verehren (vgl. Dtn 6,14), begegnet. Dies könnte darauf hindeuten, dass die spätdtr Redaktion in 2Kön 22f. einen weiten literarischen Bezugsrahmen voraussetzt. 133 Dafür könnten die sprachlichen Differenzen zwischen 2Kön 23,3 und Dtn 6,17 (bzw. 1Kön 2,3) sprechen, auf die bereits LOHFINK, 2Kön 23,3, 38–40, hingewiesen hat und die der Annahme direkter literarischer Abhängigkeit entgegenstehen. 134 TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 159f. mit Anm. 323, deutet den Doppelausdruck als „lexikalisierte Synekdoche“ und verweist auf das Prinzip der „Stereometrie im Hebräischen. Beide Begriffe verstärken sich gegenseitig und bezeichnen die Willenssphäre des Menschen“ (a.a.O., 160). 135 LOHFINK, 2Kön 23,3, 40. 136 In 2Chr 34,31 wird sowohl das in dieser Verbindung ungewöhnliche BL (neben VPN noch in Jer 32,41) durch BBL ersetzt als auch das enklitische Personalpronomen der 132
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stimmtheit des Subjekts: „Auf ein unbestimmtes Subjekt können sich keine Pronomina beziehen“.137 Diese Unbestimmtheit rührt möglicherweise von der älteren Vorlage her, die den Inhalt der TJRB recht allgemein durch die Wendung TAXH TJRBH JRBD TA mJQHL wiedergegeben hatte, was sowohl den König als auch das Volk als logisches Subjekt einschließt (vgl. V.3b). Die Singularität des Ausdrucks innerhalb der dtn / dtr Literatur kann demnach nicht als Argument gegen eine spätdtr Herkunft des Textstücks angeführt werden.138 „Die geprägte Wendung be=kul lib ist nur in einem eingeschränkten Sinn eine feststehende Formulierung. Sie wird je nach Subjekt mit dem entsprechenden ePP versehen. Aus ebensolchen Kontextgründen können 2Kön 23,3 keine Pronomina angehängt werden.“ 139 Vor diesem Hintergrund ist es jedoch aufschlussreich, dass sich die zweigliedrige Formel (BL + VPN) im Textbereich der Bücher Dtn bis 2Kön nahezu ausschließlich in spätdtr Erweiterungen findet (vgl. Dtn 4,29; 10,12; 11,13; 13,4; 30,2.6.10; Jos 22,5; 23,14; 1Kön 2,4; 8,48).140 Die einzige, aber gewichtige Ausnahme bietet vielleicht Dtn 26,16, wo der Doppelausdruck sowohl mit RMV als auch mit Gesetzesterminologie verknüpft ist und im Zusammenhang der sog. „Bundesformel“ (vgl. V.17f.) vorkommt. 141 Der 2.Pers. m. Sg. hinzugefügt, so dass das Subjekt der Handlung eindeutig mit dem König identifiziert wird. 137 MÜLLER, 2Kön 23,3, 28. Wenn TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 161 Anm. 324, zu bedenken gibt, dass das Fehlen eines grammatischen Subjekts im Satz noch nicht bedeute, dass das semantische Subjekt unbestimmt sei, letzteres jedoch je nach Interpretation der TJRB entweder mit dem König oder dem Volk gleichsetzt, bestätigt er lediglich die Beobachtung Müllers. 138 Pace LOHFINK, Diskussion, 44. 139 MÜLLER, 2Kön 23,3, 29. 140 Vgl. dazu SPIECKERMANN, Juda, 73f. Anm. 92. – Der eingliedrige Ausdruck LKB BL (vgl. 1Sam 7,3; 12,20.24; 1Kön 8,23 [par. 2Chr 6,14]; 14,8; 2Kön 10,31 und Jer 3,10; 24,7; 29,17; Zef 3,14; Jo 2,12; Ps 9,2; 86,12; 111,1; 119,2.10.34.58.69.145; 138,1; Prov 3,5; 2Chr 15,15; 22,9; 31,21) hat Parallelen in altorientalischen und griechisch-hellenistischen Vertragstexten (vgl. WEINFELD, TJRB, 789; EYNIKEL, Reform, 181 Anm. 95), ist in der alttestamentlichen Literatur jedoch erst seit der exilischen Zeit sicher belegt (strittig sind die Stellen im Jeremiabuch, vgl. THIEL, Jeremia 1–25, 88f.255f.; DERS., Jeremia 26– 52, 14–16; zu Zeph 3,14–18 vgl. IRSIGLER, 404–425). Die dreigliedrige Variante ( -LKB DAM-LKBW VPN-LKBW BBL) kommt nur in Dtn 6,5 und 2Kön 23,25 vor. 141 Vgl. SMEND, Bundesformel, 16f., der vermutet, dass die beiden koordinierten Infinitive in 2Kön 23,3a sprachlich und konzeptionell den Formulierungen in Dtn 26,16f. nachgebildet seien und dass die beidseitige berît-Vorstellung aus Dtn 26,16–19 auch für 2Kön 23,1–3 vorausgesetzt werden könne. Er gesteht jedoch zu, dass die terminologischen Anklänge, die zwischen beiden Texten bestehen, kaum beweiskräftig sind, „weil es sich um Ausdrücke handelt, die im deuteronomisch-deuteronomistischen Schrifttum auch sonst häufig sind“ (a.a.O., 17). Dass sich die einseitige Formulierung der TJRB in 2Kön 23,3 „mit der auch sonst zu beobachtenden Scheu, Jahwe direkt als Bundespartner zu nennen“ erklären ließe (ebd.), ist angesichts der sonstigen Belege im Deuteronomium ab-
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Abschnitt macht jedoch den Eindruck, dtr überarbeitet zu sein, so dass sich letzte Gewissheit über die Datierung nicht erlangen lässt. 142 Doch selbst wenn Dtn 26,16–19* als frühester Beleg für die zweigliedrige Gestalt des Ausdrucks anzusetzen wäre, der von spätdtr Redaktoren aufgegriffen worden ist und auch für den Ergänzer in 2Kön 23,3 eine wichtige Rolle gespielt hat, änderte dies an der redaktionsgeschichtlichen Gesamtbeurteilung von V.3 nichts. Vielmehr erweist sich jener als ein schriftgelehrter Interpret, der die Selbstverpflichtung des Königs vor dem Hintergrund dtn / dtr Gesetzes- und Bundestheologie rezipiert und sie in einen umfassenden literarischen Zusammenhang einordnet, der von der Väterzeit bis in die spätexilische Zeit reicht. An die ursprüngliche Inhaltsangabe der Selbstverpflichtung des Königs, die nach obiger Analyse in der praktischen Anerkennung und Verwirklichung der Bestimmungen des Toradokuments bestand, schließt sich in V.3b ein zweiter „Verpflichtungsakt“ an. In einer im masoretischen Text singulären Wendung wird berichtet, dass das ganze Volk, das nach V.2a* im Tempel versammelt war, „sich in die berît (hinein) stellte“ (-LK DMYJW 143 TJRBB mYH), wie der Ausdruck vermutlich zu verstehen ist. DMY beinhaltet hier, wie in V.3a, den Aspekt der Dislokation: Das Volk tritt in die TJRB ein, die der König initiiert hat, und übernimmt damit die gleiche Verpflichtung, die der König auf sich genommen hat (vgl. V.3a). 144 Die nächste sprachliche Parallele zu dieser Wendung findet sich in Sir 44,12a: 145 mYRX DMY mTJRBB („in ihre berît trat ihre Nachkommenschaft ein“). Die wegig (s. oben, S. 179–181). Die Argumentation bei NOTH, Bundschließen, 152f., auf die sich Smend beruft (vgl. a.a.O., 17 Anm. 22), berücksichtigt die unterschiedliche sprachliche Darstellungsweise im Zusammenhang des Verpflichtungsaktes nicht hinreichend und trägt eine bestimmte berît-Konzeption von außen in den Text ein. 142 Vgl. SMEND, Bundesformel, 14, sowie die divergierenden literarhistorischen Einschätzungen des Textes durch BRAULIK, 197, und NIELSEN, 238f. 143 Im Zusammenhang mit DMY wird die Präposition B ganz überwiegend in lokaler Bedeutung verwendet. Dabei herrschen konkrete Objekte vor (vgl. aber Koh 8,3: RBD YR; Sir 44,12: TJRB; 51,27: HMKC). Im übertragenen Gebrauch kann DMY + B einen Zustand bezeichnen (vgl. Jer 48,11; Hag 2,5; Sir 11,20). Zwar ist eine temporale Verwendung der Präposition mit der Wurzel DMY ebenfalls belegt (vgl. Mal 3,5), dieses Verständnis ist für 2Kön 23,3 jedoch unwahrscheinlich, da der Narrativ DMYJW in V.3b eine Folgehandlung beschreibt. 144 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 156.163. „In 3a wechselt der König für die Handlung von 3b den Ort; in 3c wechselt das Volk von der ‚Nicht-berīt‘ zur berīt“ (ebd., 156); vgl. DE BOER, Sirach, 27. 145 Der Vers fehlt in der hebräischen Handschrift des Sirachbuches aus Massada (HM), die unter den hebräischen Handschriften den Vorzug verdient; der Text wird nach HB geboten, der unter den in der Geniza der Synagoge von Alt-Kairo entdeckten Handschriften die größte Bedeutung zukommt (vgl. zum textgeschichtlichen Befund SAUER, 33f.). Der griechische Text liest an dieser Stelle e>n tai~j diach/kaij e]sth to\ spe/rma au>tw~n („ihre Nachkommenschaft hielt an den Verfügungen / Verordnungen fest“). Der unge-
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Aussage bezieht sich dort auf die Nachkommenschaft der „begnadeten Männer“, die der Sirazide im abschließenden Enkomion seiner Schrift preist (vgl. 44,1–50,26). Der Ausdruck „ihre berît“ weist auf die TJRB voraus, die Jahwe mit Noah (44,17), Abraham (44,20–22), Aaron (45,15), Pin`as (45,24, vgl. 50,24) und David (45,25) geschlossen hat und in deren Verpflichtungsverhältnis „ihre Nachkommenschaft“ eingetreten bzw. geblieben ist (vgl. 41,21f.; 45,15–24), d.h. deren Verpflichtung sie auf sich genommen hat.146 Mit diesem Verpflichtungsverhältnis ist nach der Überzeugung Ben Siras das Halten der Gebote bzw. der Tora verbunden (vgl. 41,20f.), „wodurch das Fortbestehen, die Sicherheit und das Wohl … gesichert sind.“147 Das „Bleiben“ der Nachkommen in der TJRB besitzt demnach eine doppelte Stoßrichtung: einerseits intendiert es das Festhalten am Erbe der Väter, das Verharren „in gleicher treuer Gesetzeserfüllung“ wie die Vorfahren148, andererseits sichert gerade dieses Erbe den Fortbestand und das Wohlergehen der nachfolgenden Generationen. Diese Konzeption setzt selbstverständlich eine Form der Bundesvorstellung voraus, die an ein Verpflichtungsverhältnis zwischen Jahwe und seinem Volk (bzw. dessen Repräsentanten) denkt, sie geht jedoch darin mit 2Kön 23,3* parallel, dass eine Personengruppe in ein bereits vorhandenes Verpflichtungsverhältnis eintritt bzw. in diesem verbleibt. Der Chronist hat in seinem Bericht über den josianischen Bundesschluss den letzten Satz stark bearbeitet. Die Narrativform DMYJW ist in das Hif‘il transponiert worden, so dass der König Subjekt der Handlung ist: „und er ließ jeden, der in Jerusalem und Benjamin gefunden wurde, hintreten.“149 In der Fortsetzung des Verses heißt es dann, dass die Bewohner Jerusalems „gemäß der berît Gottes (mJHLA TJRBK), des Gottes ihrer Väter“ handelten. Der Wortlaut legt eine Mittlerfunktion des Königs nahe: er lässt das Volk sich aufstellen (zum Eintritt in die TJRB?, vgl. V.33)150, doch ist von einem Beitritt des Volkes wöhnliche Plural von diach/kh erklärt sich entweder vor dem Hintergrund der Mehrzahl von Bundesschlüssen, die im „Lob der Väter“ erwähnt werden, oder als Anspielung auf die Gebotsmitteilung, die das Wesen insbesondere des Abrahambundes in Sir 44,20f. kennzeichnet. 146 Zum Verhältnis von priesterlicher und königlicher TJRB im Sirachbuch vgl. PIETSCH, Sproß, 164–175. 147 DE BOER, Sirach, 29. 148 RYSSEL, Sprüche, 450. 149 Der Text wird jedoch meist dahingehend korrigiert, dass entweder TJRBB anstelle von nMJNBW gelesen oder ersteres nach letzterem eingefügt wird (vgl. BHS, z.St.). Der Ausdruck nMJNBW mLVWRJB ist in der Chronik singulär (gegenüber dem gewöhnlichen „Juda und Benjamin“) und in V.32b ist nur noch von den „Bewohnern Jerusalems“ die Rede (vgl. aber „Israel“ in V.33), vgl. JAPHET, Ideology, 108 Anm. 713. 150 Einige mittelalterliche, hebräische Handschriften lesen RBYJW statt DBYJW. Diese Lesart nimmt die Bundesterminologie aus V.31f. auf (vgl. TJRBB RBY in Dtn 29,11) und erweitert die Aussage von V.32a auf „Israel“, d.h. die Stämme des ehemaligen Nordreichs (vgl. 2Chr 34,6f.). In dieser Textform bereitet die anschließende Infinitivkonstruktion mHJHLA HWHJ-TA DWBYL keine Schwierigkeiten, da sie als Inhaltsangabe des Bun-
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zur TJRB nur insofern die Rede, als das Volk resp. die Bewohner Jerusalems, sich entsprechend der TJRB des Gottes ihrer Väter verhielt; m.a.W., sie befolgten die Verpflichtungen, die Jahwe ihnen auferlegt hatte. Letzteres deutet an, dass der Verfasser der Chronik hier an eine (Selbst-)Verpflichtung des Volkes auf ein bereits bestehendes Verpflichtungsverhältnis zwischen Gott und seinem Volk denkt, mithin eine „Bundeserneuerung“ oder „Aktualisierung“ des Verpflichtungsverhältnisses im Blick hat, die auf die Initiative des Königs zurückgeht (vgl. 2Chr 15,8–15; 29,3–11).151 Die Verbindung von TJRB + DMY (Hif.) ist alttestamentlich noch in Ps 105,10 (par. 1Chr 16,17) und Ez 17,14 belegt. Im ersteren Fall preist der Psalmist Jahwe, der seiner TJRB für immer gedenkt, die er mit Abraham geschlossen hat (vgl. V.8f.). Er hat sie für Jakob als ein schriftlich fixiertes Dekret (QC) hingestellt (DMY)152, für Israel als eine fortdauernde TJRB (vgl. V.10). Inhaltlich ist dabei von der Landverheißung an Abraham die Rede (vgl. V.11). Noch einmal anders liegt der Fall in Ez 17,14. Der Text spricht von dem Vasallitätsverhältnis zwischen dem neubabylonischen König Nebukadnezar II. und dem judäischen König Zedekia, das jener nach der Eroberung Jerusalems 597 v. Chr. mit diesem schloss (vgl. V.12f.).153 In diesem Zusammenhang heißt es, dass Nebukadnezar die Oberschicht des Landes deportierte, um das dortige Königtum zu schwächen, damit es sich nicht gegen die babylonische Oberhoheit erhebe, sondern das Verpflichtungsverhältnis gegenüber dem Großkönig einhalte, „dass es Bestand habe“ (HDMYL), d.h., damit der Zustand der Vasallität fortbestehe.154
Das Eintreten eines Bündnispartners in eine zweiseitige TJRB wird alttestamentlich für gewöhnlich mit der Formel AWB + TJRBB zum Ausdruck ge-
desschlusses verstanden werden kann. Selbst wenn die Lesart als sekundär zu beurteilen ist, gibt sie doch zu erkennen, in welcher Perspektive der Zusammenhang von V.32f. gelesen worden ist. 151 JAPHET, Ideology, 105–108, betont zwar die Einseitigkeit der Verpflichtung gegenüber der Gottheit, schließt jedoch in Analogie zu Jer 34,8–22 und 2Kön 11,17 (par. 2Chr 23,16) auf ein gegenseitiges Verpflichtungsverhältnis zwischen König und Volk in 2Kön 23,2f., das der Chronist unverändert übernommen habe. Diese Annahme ist wenigstens für 2Kön 23,2f. unbegründet. In der Chronik bleibt ein solches Verständnis der Szene angesichts der textlichen Veränderungen gegenüber der Vorlage und der sonstigen Belege für TJRB gleichwohl möglich (s. unten, S. 203f.). 152 Das Suffix der 3.Pers. f. Sg., das mit DMY verbunden ist, könnte sich syntaktisch ebenso auf WTYWBV („sein Schwur“) zurückbeziehen, was in V.9 parallel zu TJRB steht (allerdings formuliert V.9a elliptisch mHRBA-TA TRK RVA und der Relativsatz nimmt auf V.8a Bezug WTJRB mLWYL RKX, vgl. KRAUS, 893). 153 Ob dies in Form eines Vasallenvertrags geschah, wie es bei den neuassyrischen Königen belegt ist, muss offen bleiben, da bislang keine adê-Verpflichtungen neubabylonischer Herrscher mit ihren Klientelfürsten belegt sind, doch scheint die Institution in Babylonien bekannt gewesen zu sein (vgl. BRINKMAN, Covenants, 99–102) und besitzt in der adê, die der babylonische König Marduk-zakir-šumi I. seinem neuassyrischen Vertragspartner Šamši-Adad V. auferlegt hat, ein älteres Vorbild (vgl. a.a.O., 96f.). Auf die Übernahme neuassyrischer Rechts- und Verwaltungsstrukturen unter neubabylonischer Vorherrschaft, wie sie durch Textfunde aus Tell Šēḫ Ḥamad belegt sind, hat K OCH, Vertrag, 320f., mit recht hingewiesen. 154 Vgl. zu Ez 17,11–21 ZIMMERLI, 384–387 (bes. 384f.).
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bracht.155 Dabei ist vorausgesetzt, dass die TJRB von der anderen Vertragspartei initiiert worden ist. Dies lässt sich beispielhaft an Ez 17,13 illustrieren. Der babylonische Großkönig Nebukadnezar II. wählt ein Mitglied der königlichen Familie in Jerusalem aus, das er als Vasallenkönig über Juda und Jerusalem einsetzt. Das Vasallitätsverhältnis wird vom fremden Oberherrn eingerichtet (TRK + TJRB + TA, V.13a). Diesem Vorgang entspricht sachlich die Fortsetzung in V.13b, die das Zustandekommen des Vasallitätsverhältnisses in der Perspektive des Jerusalemer Vasallenfürsten beschreibt: „Er (sc. Nebukadnezar) ließ ihn (sc. den judäischen Vasallenkönig Zedekia) in den Eid / Fluch (HLA) eintreten (AWB Hif.)“. Darin kommt zum Ausdruck, dass das Verpflichtungsverhältnis gegenüber dem babylonischen König durch eine Eidesleistung seitens des Vasallen begründet wird, wie es durch mesopotamische Vertragstexte mehrfach belegt ist.156 Die Kausativform lässt keinen Zweifel daran, dass diese TJRB von der Großmacht oktroyiert wurde, die Eidesleistung selbst (AWB + HLA + B) wird jedoch vom niedriger gestellten Vertragspartner erbracht. Ähnlich liegen die Verhältnisse in 1Sam 20,8, wenngleich dort nicht von einem Eid / Schwur die Rede ist. David fordert Jonathan auf, ihm gegenüber DOC zu üben, und begründet dies mit dem Hinweis auf die TJRB, die Jonathan mit ihm geschlossen hat. Bei der „Gunst“, um die David Jonathan bittet, handelt es sich folglich um dessen bundesgemäße Verpflichtung David gegenüber, wie dieser seinerseits in V.8b beteuert, dass er sich nichts habe zuschulden kommen lassen, dessentwegen Saul ihm nachstellen könnte, d.h., er bekundet seine Loyalität zum Königtum Sauls. Das Verpflichtungsverhältnis wird hier aus der Perspektive Davids als des niedriger gestellten Partners charakterisiert, wie dies seiner sozialen Stellung gegenüber dem königlichen Prinzen Jonathan entspricht. Dieses hierarchische Verhältnis ist einerseits an der zweimaligen Selbstbezeichnung Davids als „Knecht“ (DBY) Jonathans in V.8a erkennbar und spiegelt sich andererseits in der Formulierung „du hast deinen Knecht in die berît Jahwes mit dir eintreten lassen“ wieder. Wiederum macht das kausative Hif‘il deutlich, von wem die Initiative zu der TJRB ausgegangen ist, nämlich von dem höhergestell-
155 In Dtn 29,11 ist stattdessen von TJRBB RBY die Rede, vom „Hindurchschreiten (sc. des Volkes) in / durch die berît Jahwes (und in / durch seinen Eid / Fluch)“. Die Wendung, die hier nicht wie sonst negativ die Übertretung der TJRB meint (vgl. Dtn 17,2; Jos 7,11.15; 23,16; Jdc 2,20; 2Kön 18,12; Hos 6,7; 8,1, stets mit TJRB als Akkusativobjekt), spielt wohl auf das rituelle Hindurchschreiten durch zwei Tierhälften im Rahmen der Bundeszeremonie an (vgl. Gen 15,17f.; Jer 34,18; KAI 222A,39f.). DE BOER, Sirach, 27f., führt weitere Wendungen mit TJRB + B auf, die jedoch semantisch kaum auf einer Ebene liegen und zum Verständnis des Ausdrucks TJRBB DMY wenig beitragen. 156 Vgl. zur eidlichen Bekräftigung des Verpflichtungsverhältnisses W EINFELD, TJRB, 784f., und PARPOLA / WATANABE, Treaties, XXXVIIf.XLII.
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ten Kronprinzen, der David die TJRB gewährt und sich ihm gegenüber verpflichtet hat (vgl. V.12–17).157 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die TJRB zwischen dem König Zedekia und den Bewohnern von Jerusalem, die in Jer 34,8–22 geschildert wird. Die Initiative zum Verpflichtungsakt geht vom König aus (TJRB TRK + TA, V.8b). Nachdem der Inhalt der TJRB mitgeteilt wurde – die Ausrufung einer Freilassung für alle judäischen Volksangehörigen, die in Schuldknechtschaft geraten waren (vgl. V.8f.) – fährt der Text fort, dass die mJRS und das ganze Volk, die in die TJRB „hineingegangen waren“ (AWB Qal), ihrer Verpflichtung nachkamen und ihre Schuldknechte und -mägde entließen (vgl. V.10). Wie an den beiden zuvor diskutierten Stellen wird mit der Wendung TJRBB AWB das Verhalten derjenigen Vertragspartei, mit der die TJRB geschlossen wird, zum Ausdruck gebracht; der Wechsel der Stammesmodifikation von Hif‘il zu Qal verleiht dem Vorgang jedoch eine größere Selbständigkeit, die sich in dem Motiv der Aufkündigung der 158 TJRB fortsetzt (vgl. V.11). R. Kessler hat das Nebeneinander von TRK TJRB mit königlichem Subjekt in V.8 und TJRB AWB mit dem Volk als Subjekt in V.10 aus dem besonderen Charakter der TJRB in Jer 34,8–22 erklärt: Aufgrund der tief greifenden Einschnitte in die Sozialstruktur, die eine allgemeine Sklavenfreilassung bedeutete159, bedurfte die königliche 157 Nach 1Sam 18,3 (vgl. 23,18) wird das Verpflichtungsverhältnis zwischen David und Jonathan als eine Vereinbarung zweier gleichberechtigter Partner charakterisiert (TJRB DWDW nTNWHJ TRKJW). – V.1 betont jedoch die Zuneigung, die Jonathan für David empfand (BHA) und die nach V.3b den Anlass zur TJRB zwischen beiden bildete. Die Frage, ob die Übergabe der Waffen und des Obergewandes Jonathans an David (vgl. V.4) lediglich als Freundschaftsgeste zu interpretieren ist (bzw. als Ausrüstung des Hirtenjungen zum Kriegsmann, vgl. STOEBE, 348) oder ob sich darin bereits die veränderte hierarchische Ordnung abzeichnet, wie sie dann in 1Sam 20,14–16 und besonders deutlich in 23,16–18 zum Ausdruck kommt, ist angesichts der späten Entstehung von 1Sam 18,1–5 vermutlich in letzterem Sinn zu beantworten. 158 Hierzu könnte noch auf die Rekapitulation der Ereignisse mit der Wendung TRK TJRB in V.15 und 18 verwiesen werden, die den Aspekt der Selbsttätigkeit der Angesprochenen verstärkt. Einschränkend ist jedoch zu bemerken, dass zumindest Vers 15 im Verdacht steht, sekundär in den Text gelangt zu sein (vgl. KESSLER, Staat, 217 Anm. 20). Darüber hinaus blicken V.15 und 18 summarisch auf den Verpflichtungsakt zwischen König und Volk zurück und übergehen die Differenzierungen in V.8 und 10. Dies geschieht möglicherweise vor dem Hintergrund, dass beide Vertragsparteien, König und Volk, als vertragsbrüchig angesehen werden (vgl. das doppelte Gerichtswort in V.17–22), s. oben, S. 187 Anm. 97. In Vers 18 verdankt sich die Wahl des Ausdrucks TJRB TRK zudem der Analogie zum rituellen Zerschneiden eines Tieres (LGY), vgl. KAI 222A, 39f. 159 Es ist in der Forschung umstritten, ob im Text ursprünglich von einer Entlassung sämtlicher Sklaven und Sklavinnen die Rede gewesen ist, die erst mit der sekundären Eintragung des Rückbezugs auf die Bestimmungen aus Dtn 15,12–18 auf eine Regelung über die Freilassung hebräischer Schuldsklaven eingeschränkt wurde (vgl. dazu T HIEL, Jeremia 26–52, 39f.). Der Entscheidung in dieser Frage kommt für das Verständnis des
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Initiative der Zustimmung der Bevölkerung bzw. ihrer Oberschicht, die vor allem von dieser Regelung betroffen gewesen sein wird.160 Dieser Eindruck werde noch dadurch bestätigt, dass der König auf die Verletzung der Vereinbarung durch die Bürger nicht reagiert – dies bleibt allein Jahwe vorbehalten (vgl. V.12–22). Letzteres erklärt sich jedoch vor dem Hintergrund der Kompositionsstruktur des Abschnitts, der auf das prophetische Unheilswort in V.17–22 hinausläuft, so dass hieraus keine allzu weit reichenden sozialgeschichtlichen Schlüsse gezogen werden sollten. Dies ändert aber nichts an der zutreffenden Beobachtung, dass die TJRB erst durch den Eintritt des Volkes rechtswirksam wird.161 Textes in Jer 34,8–22* große Bedeutung zu, da mit ihr nicht nur das Problem der Stellung des Königs im Verpflichtungsgeschehen berührt wird, sondern sich daraus Folgen für die vermuteten politischen Hintergründe der Maßnahmen ergeben (s. oben, S. 186f. Anm. 96). Die Bemerkung Thiels, die „ausdrückliche Beschränkung (sc. der Freilassung) auf die Angehörigen des eigenen Volkes … war wohl auch unnötig, da die Hauptmasse der Sklaven wahrscheinlich ohnehin von judäischen Schuldsklaven gestellt wurde …“ (a.a.O., 40), verschleiert das Problem eher, als es zu lösen. Waren unter den freigelassenen Sklaven beispielsweise auch Kriegsgefangene, so fiele zumindest die Einschätzung, der König sei am Bruch der TJRB nicht beteiligt gewesen, da er kaum über Schuldsklaven verfügt haben dürfte dahin (so KESSLER, Staat, 217 Anm. 19). Gleichzeitig würde sich die Spannung zwischen der „Ohnmacht“ des Königs und dem Strafhandeln Jahwes auflösen. Wären ausländische Sklaven in die Freilassung einbezogen, ist darüber hinaus weder damit zu rechnen, dass diese in die umliegenden Ortschaften zurückkehren würden (in ihren Familienverband), noch wäre ihre Beteiligung an der militärischen Verteidigung der belagerten Stadt zu erwarten. Diesen Fragen kann hier jedoch nicht weiter nachgegangen werden. 160 Vgl. KESSLER, Staat, 215–218: „Maßnahmen, die Folgen für das Sozialgefüge der Gesellschaft haben, kann der König nicht in autokratischer Manier durchsetzen, sondern er muß sich dazu der Zustimmung der davon betroffenen Teile der oberen Schichten des Volkes versichern.“ (a.a.O., 218). 161 Die Wendung TJRBB AWB hat eine Parallele im Akkadischen ana adê erēbu (griechisch ei>se/rxescai ei>j ta\j sponda/j, vgl. Thukydides, Peloponnesischer Krieg V, 36,2), die vor allem im Zusammenhang mit der Vereidigung assyrischer Beamte begegnet, die in die adê des Königs eintreten und damit das Loyalitätsverhältnis begründen, das vom König initiiert wird. Der Vorgang wird in zwei Briefen des königlichen Beamten Issar-šumu-ereš vom Beginn des Jahres 672 v. Chr. an den assyrischen König Asarhaddon anschaulich beschrieben, in denen anhand hemerologischer Vorzeichen der geeignete Zeitpunkt für die Vereidigung verschiedener Beamtengruppen erörtert wird: „The scribes of the cities of Nin[eveh], Kilizi and Arbela (could) ent[er] the treaty (ana adê erubû), they have (already) come. (However), those of Assur [have] not (yet) [come] … If it pleases the king, my lord, let the former, who have (already) come, enter the treaty; the citizens of Nineveh and Calah would be free soon and could enter (the treaty) under (the statues) of Bel and Nabû on the 8th day. Alternatively, (if) the king, my lord, orders, let them go, do their work, and get free (again); let them reconvene on the 15 th, come here and all enter the treaty in the said place at the same time. However, it is written as follows in the hemerologies of the month Nisan: ‚He should not swear on the 15th day (or else) the god will seize him.‘ (Hence), they should en[ter] the treaty (adê lerūbū) on the
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Mehr Schwierigkeiten bereitet der Ausdruck TJRBB AWB in 2Chr 15,12. Nachdem der König Asa die „Greuelbilder“ (mJZWQV) im Land zerstört und den Altar im Vorhof des Tempels erneuert hat (vgl. V.8–10), versammelt er das Volk in Jerusalem und veranstaltet ein Opferfest ( CBX, V.11). Anschließend heißt es, dass „sie in die berît eintraten“ (TJRBB WABJW), als deren Inhalt die ungeteilte Jahweverehrung angegeben wird (HWHJ-TA VWRDL). Die Partner der TJRB werden nicht ausdrücklich genannt, worin die Hauptschwierigkeit der Interpretation besteht. Der übrige Sprachgebrauch deutet darauf hin, dass das versammelte Volk einer anderweitig gestifteten TJRB beitritt. Ein Vergleich mit weiteren Bundesschlusszeremonien in der Chronik legt die Vermutung nahe, dass die Veranlassung des Verpflichtungsaktes vom reformerisch gesinnten König Asa ausgegangen ist. Dafür spricht sowohl die chronistische Version der Verpflichtungsszene unter König Josia (vgl. 2Chr 34,30–33)162 als auch das Ansinnen seines Vorfahren Hiskia, eine TJRB „für Jahwe“ zu schließen (vgl. 2Chr 29,10), was sinngemäß als eine Selbstverpflichtung von König (und Volk?) auf die Tora Jahwes zu verstehen ist.163 Auf der gleichen Linie befindet sich die chronistische relecture des Jojadabundes, in dem der Hohepriester an die Stelle des unmündigen Königs Joasch tritt und eine TJRB zwischen sich selbst, dem König und dem Volk stiftet des Inhalts, Jahwes Volk zu sein (vgl. 2Chr 23,16).164 In allen diesen Fällen geht die Initiative zum Bundesschluss von den politischen (bzw. religiösen) Repräsentanten des Volkes aus, nirgends von Jahwe selbst! Dazu passt die Beobachtung, dass die Gottheit an keiner Stelle als Partner der TJRB erscheint165, diese vielmehr die ungeteilte Gottesverehrung zum Gegenstand hat (vgl. 2Chr 34,32f.). Diese Konzeption der Selbstverpflichtung auf die mosaische Tora, die sich in modifizierter Form bereits im Grundtext von 2Kön 23,3 findet, hat eine Parallele in der berît-Konzeption der Gemeinschaft von Qumran, auf die S. Japhet nachdrücklich hingewiesen hat.166 Daraus ergibt sich für das Verständnis von 15th day at d[awn], (but) conclude it (liškūnū) only in the night of the 16th day before the stars.“ (vgl. SAA X, Nr. 6). Am 15. Nisan schreibt Issar-šumu-ereš an den König: „The scribes, the haruspices, the exorcists, the physicians and the augurs staying in the palace and living in the city will enter the treaty (adê erūbū) on the 16th of Nisan. Now let them conclude the treaty (adê liškūnū) tomorrow.“ (vgl. SAA X, Nr. 7). 162 Siehe oben, S. 198f. 163 Vgl. JAPHET, Ideology, 112–115. 164 Vgl. a.a.O., 108–110. 165 Eine gewisse Ausnahme bilden diejenigen Stellen, an denen von der „Lade des Bundes (Jahwes)“ die Rede ist (vgl. 1Chr 15,25f.28f.; 16,6.37; 17,1; 22,19; 28,2.18; 2Chr 5,2.7), die gemäß 2Chr 6,11 auf die TJRB zurückverweist, die Jahwe mit den Israeliten geschlossen hatte. Die (Selbst-)Verpflichtung von Volk und König bleibt als Verpflichtung zur Toraobservanz auf dieses Verpflichtungsverhältnis zwischen Gott und Volk bezogen. Dafür spricht auch die variierende Aufnahme von Ps 105,8–10 in 1Chr 16,15–17. 166 Vgl. JAPHET, Ideology, 111f.115f.
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2Chr 15,12, dass die Wendung TJRBB AWB hier vermutlich in verkürzter Form den Gedanken der Einwilligung des Volkes in die vom König Asa initiierte Verpflichtungszeremonie zum Ausdruck bringt, der in V.14f. durch den Aspekt der Eidesleistung aufgenommen und vertieft wird: TJRB und Eid verhalten sich komplementär zueinander und bringen denselben Sachverhalt zum Ausdruck, wie nicht zuletzt die inhaltliche Näherbestimmung beider als „Suchen Jahwes“ (V.12: VRD; V.15: VQB) deutlich macht.167 Eine markante Ausnahme zu diesem Gebrauch von AWB + TJRB + B scheint dagegen in Ez 16,8 vorzuliegen, der einzigen Stelle, an der Jahwe Subjekt der Handlung ist. In der großen Bildrede Ez 16 wird das Verhältnis Gottes zu seinem Volk mit Hilfe der Ehemetaphorik beschrieben. Vor diesem Hintergrund ist die eherechtlich ungewöhnliche Aussage vom Schwur Jahwes und seinem Bundesschluss mit Jerusalem, das hier als personifizierte Braut auftritt, zu verstehen.168 Insofern vermischen sich in Ez 16,8 Bild- und Sachebene auf der Ausdrucksseite. Jahwe erwählt sich Jerusalem / Israel, und er verpflichtet sich ihm mit einem Schwur, aber er verpflichtet es umgekehrt nicht sich, sondern tritt in ein Verpflichtungsverhältnis mit ihm ein. Einerseits geht alle Initiative bei der Brautwerbung von Jahwe aus, andererseits wird er nicht als Stifter der TJRB bezeichnet. Vielleicht erklärt sich die auffällige Formulierung vor dem Hintergrund des alttestamentlichen Eherechts, wonach das unverheiratete Mädchen der potestas des pater familias unterstand. Anderenfalls wäre davon auszugehen, dass TJRBB AWB an dieser Stelle bedeute „eine berît festsetzen / bestimmen (mit jmd.)“. Dafür könnte man auf Jer 34,15.18 verweisen, wo die Wendung TJRBB AWB aus V.10 durch TJRB TRK aufgenommen zu sein scheint, so dass zwischen beiden Ausdrücken Synonymität hergestellt würde. Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass zumindest V.15 wahrscheinlich von späterer Hand eingefügt wurde und von dtn / dtr Bundestheologie beeinflusst ist.169 Im Blick auf V.18 ist dies nicht so sicher; die 167 Auf der gleichen Linie liegt der Sprachgebrauch in Sir 44,20: „denn er (sc. Abraham) hielt die Gebote des Höchsten und trat in einen Bund mit ihm ein (TJRBB AWB)“. Die Initiative zum Bundesschluss geht von Jahwe aus (vgl. Gen 15,17f.; 17,1–8), Abraham tritt in das Verpflichtungsverhältnis ein und vollzieht die Beschneidung als Bundeszeichen. Sein vorbildlicher Gehorsam und seine Toraobservanz rahmen die berît-Aussagen (vgl. V.20a.d). „Ben Sira nimmt hierbei in Kauf, dass er in einer anachronistischen Vorstellungsweise schon von den Geboten spricht, die Abraham bekannt gewesen sein müssten … Wichtig für Ben Sira ist die religiöse Bezugnahme, die an dem Leben Abrahams erkannt werden kann.“ (SAUER, 305). – Schließlich ist noch auf die Formulierung in Neh 10,30 hinzuweisen: „und sie sollen eintreten in einen Eid und einen Schwur, in der Tora des Gottes zu gehen“. Die Wendung bezieht sich auf die Selbstverpflichtung des Volkes und seiner Repräsentanten in V.1 (HNMA TRK), der sich das ganze Volk durch eine eidliche Versicherung anschließen soll (vgl. V.29f.) und die in V.31–40 ‚zitiert‘ wird. Der Terminus TJRB taucht in diesem Zusammenhang zwar nicht auf, die Vorstellung ist jedoch derjenigen der übrigen Belege eng verwandt: Durch das Eintreten in einen Eid oder Schwur übernimmt das Volk die Verpflichtung zur Observanz der Tora Gottes, die von seinen Repräsentanten initiiert worden ist (vgl. SCHUNCK, 291.296f.). 168 Vgl. GREENBERG, 277f. „Through the terminology of oath and covenant, which does not belong to the realm of marriage, glimmers the reality underlying the metaphor.“ (a.a.O., 278). 169 Siehe oben, S. 186 Anm. 95.
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Formulierung mit der Wurzel TRK erklärt sich dort aber aus der Parallele zur rituellen Selbstverfluchung der Bundespartner für den Fall der Übertretung der TJRB, die durch das Hindurchgehen (RBY) durch die zerteilten (TRK) Hälften eines Jungstiers vollzogen wird. Beide Stellen nehmen darüber hinaus aus je eigener Perspektive summarisch auf das Geschehen in V.8–10 Bezug, das dort en detail mit der Zuordnung der beiden Bundesparteien beschrieben wird. Insofern eignet sich der Befund in Jer 34,8–22 nur bedingt als Analogie zur Deutung der sprachlichen Wendung in Ez 16,8.
Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass der Ausdruck TJRBB AWB an allen Stellen das Eintreten in ein wechselseitiges Verpflichtungsverhältnis bezeichnet, das von anderer Seite initiiert worden ist. Dabei ist der Aspekt konstitutiv, dass das Verpflichtungsverhältnis erst durch den Beitritt der Partei(en) zur TJRB konstituiert wird. Hierin unterscheidet sich die sprachliche Formulierung in 2Kön 23,3b von den oben diskutierten Belegen, denn das „Hinzutreten“ (DMY) des Volkes „in die berît“, die der König zuvor geschlossen hat, ist gerade nicht im Sinne des Beitritts in ein Verpflichtungsverhältnis zwischen dem König (bzw. der Gottheit) und dem Volk zu verstehen – dies würde mit der Wurzel AWB ausgedrückt werden, sondern als Übernahme der Selbstverpflichtung des Königs, die Bestimmungen der Toraschrift anzuerkennen und zu verwirklichen. Der auffällige sprachliche Befund in 2Kön 23,3* ist daher für die Interpretation des Textes unbedingt zu beachten und nicht vorschnell in ein anderweitiges theologisches Muster zu pressen. Dann ist aber unübersehbar, dass es sich in 2Kön 23,1–3* nicht um eine dtr Bundeskonzeption handelt, in der das Volk in eine TJRB mit seinem Gott eintritt, die durch den König vermittelt wird, sondern um die Vorstellung einer einseitigen Selbstverpflichtung von König und Volk auf die Anerkennung des Toradokuments, das im Tempel von Jerusalem gefunden worden ist.170 170 Dies betont mit Recht KESSLER, Staat, 213f., der den Grund für den Beitritt des Volkes zur TJRB des Königs in 2Kön 23,1–3 in Analogie zu Jer 34,8–22* darin gegeben sieht, dass „das dem Bund zugrunde liegende Gesetz als Sozialgesetz in die Belange des Volkes eingreift“ (a.a.O., 215), weshalb „der König … ein solches Gesetz nicht einfach anordnen will oder kann, sondern sich der Zustimmung des ‘am versichern muß“ (a.a.O., 214). Diese Sicht der Dinge setzt jedoch voraus, dass das Toradokument aus 2Kön 22,8. 10; 23,2f.* mit dem dtn Gesetz identisch ist, und beachtet die sprachliche Differenz der Bundesschlussterminologie zwischen Jer 34,8–22* und 2Kön 23,3* nicht genügend. In Jer 34* ist der Beitritt des Volkes bzw. seiner Oberen (mJRS) konstitutives Element der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem König und den Bewohnern Jerusalems, in 2Kön 23,3 ist dies nicht der Fall: Die Übernahme der Selbstverpflichtung des Königs durch das Volk stellt einen selbständigen Akt dar, der für das Verpflichtungsverhältnis des Königs bedeutungslos ist (vgl. die Stellung des Volkes in Neh 10,29f. im Verhältnis zur Selbstverpflichtung seiner Repräsentanten). Während in Jer 34,8–22* die soziale Maßnahme der Sklavenfreilassung den alleinigen Inhalt der Vereinbarung darstellt, fehlt in 2Kön 23 jeglicher Hinweis auf den Charakter des Toraschriftstücks als eines Sozialgesetzes – ob dieser aus Jer 22,15f. erschlossen und die Darstellung in 2Kön 22f. im Gegenzug als „Legendenbildung“ seiner dtr Verfasser abgetan werden darf, bleibt fraglich.
7. Kapitel
Die Kultreform (2Kön 23,4–20) 7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
Im vorliegenden Erzählzusammenhang schließt der Bericht über eine Reihe von kultischen Einzelmaßnahmen, die der König Josia am Jerusalemer Tempel und an den „offiziellen“ Kulteinrichtungen1 in der Landschaft Juda sowie in Bet-El und „den Städten Samarias“ durchführen lässt, unmittelbar an die feierliche Selbstverpflichtung von König und Volk auf die Bestimmungen des Toraschriftstücks in V.1–3 an. Diese kompositorische Zusammenstellung hat eine doppelte Konsequenz für das Textverständnis: Auf der einen Seite erscheinen die kultpolitischen Vorgänge in diesem Licht als direkte Folgerungen aus der Selbstverpflichtung des Königs auf die Toraschrift, mithin als Maßnahmen, deren Durchführung als Ausdruck der Anerkennung der Bestimmungen des gefundenen Toradokuments zu gelten hat (vgl. 23,3*).2 Auf der anderen Seite impliziert diese Anordnung ein Verständnis des Inhalts des Toraschriftstücks, das darin primär Regelungen zur „Neuordnung“ der religiös-kultischen Praxis der Jahweverehrung niedergelegt sieht, m.a.W., zwischen legitimen Formen der Jahwereligion 1 Vgl. zum Begriff der „offiziellen Religion“ ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, 40–42. Die dominante Handlungsrolle des Königs im Reformbericht unterstreicht nicht nur dessen Anspruch auf die Aufsicht über Orte und Formen der offiziellen Religionspraxis, d.h. der auf die Volksgemeinschaft bezogenen religiösen Symbolwelt und ihrer lokalen Ausprägung, wie er bereits in der Selbstverpflichtungsszene in 23,1–3 zum Ausdruck kommt, sondern deutet zugleich dessen Durchsetzung an, an der neben den politischen auch die Repräsentanten der religiösen Institutionen beteiligt sind (vgl. V.4). Dabei zielt die Reformbewegung auf eine Stabilisierung und Identitätsbildung der religiösen Symbolwelt des vorexilischen Juda. Dies setzt voraus, dass der König im Bereich der „offiziellen Religion“ machtpolitisch zu derartigen Eingriffen in der Lage war bzw. dass die avisierten Kulteinrichtungen der königlichen Aufsicht unterstellt waren, einschließlich der Priesterschaft. 2 Eine Analogie zu diesem Zusammenhang einer berît-Zeremonie (ohne Urkunde) und ihren kultpolitischen Konsequenzen findet sich in 2Kön 11,17f. Dort wird berichtet, dass der Priester Jojada eine TJRB zwischen Jahwe, dem König und dem Volk schließt, deren Inhalt in einer verkürzten, eingliedrigen Form der sog. „Bundesformel“ mitgeteilt wird: Allein Jahwe ist der Gott des Volkes. Der Exklusivität dieses Verhältnisses entspricht die anschließende Zerstörung des Heiligtums des Ba‘al samt seines Kultinventars und die Ermordung des Priesters Mattan (vgl. V.18a), die der parallelen Erzählung von der Ausrottung des Ba‘alkultes in Samaria in 2Kön 10,18–27 nachgebildet zu sein scheint. Allerdings ist an letzterer Stelle von einer TJRB nicht die Rede.
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und illegitimen Praktiken und Bräuchen, die zu beseitigen sind, unterscheidet.3 Der König hätte demnach unverzüglich die nicht torakonformen kultischen Einrichtungen und Praktiken in der „offiziellen“ Jahwereligion abgeschafft und beseitigt und sich damit seiner Verpflichtung gemäß verhalten. Es handelt sich bei dem Abschnitt 23,4–20 (vgl. V.21–23.24)4 somit um einen Ausführungsbericht zur vorangegangenen Verpflichtungsszene. Damit ist die Intention der vorliegenden Erzählung sicher richtig bestimmt. Umso erstaunlicher ist es, dass sich innerhalb der Darstellung der Reformmaßnahmen kein expliziter Rückbezug auf das Toradokument findet, ganz im Gegensatz zu den übrigen Erzählabschnitten (vgl. 22,8.10f.13. 16; 23,2f.21.24)! Dieser auffällige Befund ist seit der Studie von T. Oestreicher5 mit Recht immer wieder angeführt worden, um die Besonderheit und Eigenständigkeit des so genannten Reformberichts in V.4–20 herauszustellen. Er wird meist durch eine zweite Beobachtung ergänzt, die in die gleiche Richtung weist: Nur in diesem Abschnitt (genauer: in V.4–15) findet sich eine Häufung nicht narrativ-sequentieller Verbalformen in narrativem Kontext.6 Gemeint sind damit in der Regel die sieben Belege der syntaktischen Formation weqāṭal-x (vgl. V.4f.8.10.12.14f.), die auch als Perfectum copulativum bezeichnet wird7, genau genommen müssten jedoch auch die vier Belege für die syntaktische Konstruktion we-x-qāṭal in diesem Zusammenhang genannt werden (vgl. V.11–13.15).8 Die ungewöhnliche, gleichwohl nicht irreguläre, syntaktische Struktur des Abschnitts erweckt den Eindruck, es handle sich hierbei weniger um eine Erzählung als um eine listenartige Aufzählung von Einzelmaßnahmen, die nur lose litera3
Dies setzt nicht notwendig voraus, dass jede Einzelheit des Reformberichts eine Entsprechung im Toradokument gehabt haben müsse, zumindest jedoch das Vorhandensein einer hermeneutischen Grundorientierung, die Leitlinien für Einzelfallentscheidungen bereitstellt, die handhabbar waren. – Umgekehrt hatte das Huldaorakel bei Missachtung der Bestimmungen des Toradokuments Jahwes Zorn in Aussicht gestellt und das erste Gebot als Differenzkriterium benannt. Es stellt sich die Frage, inwieweit der Reformbericht in dieser Hinsicht mit der Programmatik des Huldaorakels übereinstimmt. 4 Die Verse 21–24 gehören der narrativen Gesamtstruktur des Textes zufolge zwar zum Reformbericht, sind von V.4–20 jedoch thematisch und syntaktisch abgesetzt und sollen als eigenständige Unterabschnitte behandelt werden. Auf den Nachtragscharakter von V.24 ist bereits hingewiesen worden (s. oben, S. 39). 5 Vgl. OESTREICHER, Grundgesetz, 40. Wenn HOFFMANN, Reform, 211, diese Beobachtung mit dem Hinweis auf den Rekurs auf das „Gesetzbuch“ in V.23f. vom Tisch wischt und behauptet, deren literarkritische Ausscheidung aus dem ursprünglichen Erzählzusammenhang könne anhand vermeintlicher stilkritischer Differenzen nicht hinlänglich begründet werden, ist damit der Befund für 2Kön 23,4–15(20) nicht revidiert. 6 Vgl. OESTREICHER, Grundgesetz, 14.30. 7 Vgl. die differenzierte Beschreibung der Verwendung des Begriffs Perfectum copulativum bei SPIECKERMANN, Juda, 123–125. 8 Vgl. schon HARDMEIER, König, 138f.
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risch miteinander verbunden sind. Bevor daraus jedoch weiter reichende Schlüsse auf die ursprüngliche Form und den Sitz im Leben des Textstücks gezogen werden9, ist daran zu erinnern, dass der Abschnitt als Ganzer trotz seiner auffälligen syntaktischen Struktur narratives Gepräge trägt, wie nicht zuletzt die wajjiqṭōl-x Formationen in V.4.6-8.11.14f. zeigen.10 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Verwendung syntaktischer Fügungen des Typus weqāṭal-x bzw. we-x-qāṭal in narrativem Kontext in den Königsbüchern häufiger belegt ist11, weshalb ihr Vorkommen im vorliegenden Abschnitt nicht vorschnell zum Indiz für form- oder literarkritische Rekonstruktionsvorschläge erhoben werden sollte. Eine an formalen und thematischen Struktursignalen orientierte Gliederung des Berichts zeigt eine deutliche Zweiteilung, die vor allem durch die verschiedenen Lokalisierungen der Einzelmaßnahmen hervortritt. Während der erste Teil von kultpolitischen Reformen des Königs in Jerusalem, am königlichen Residenzheiligtum und in der Landschaft Juda berichtet (vgl. V.4–14), die geographisch durch die Gebietsmarkierungen in V.8 („von Geba’ bis Be’eršeba‘“) in Nord-Süd-Richtung näher abgegrenzt wird, erzählen V.15–20 (eingeleitet durch mGW) von Kultbeseitigungsmaßnahmen am (vormaligen?) königlichen Heiligtum in Bet-El (vgl. 1Kön 12f.; Am 7, 10–17) und den „Städten Samarias“ (nWRMV JRY, vgl. HDWHJ JRY in V.5.8).12 Die Bewegung des Textes verläuft dabei jeweils vom Hauptkultort hin zu den im Land verstreuten Kultstätten, m.a.W., vom Zentrum zur Peripherie. Die gleiche Zweiteilung liegt übrigens der chronistischen Darstellung des Reformberichts zugrunde, nur dass das Heiligtum in Bet-El nicht ausdrücklich erwähnt wird (vgl. 2Chr 34,3–5.6f.). Ob man die parallele Struktur der beiden Hauptteile des Reformberichts noch genauer beschreiben kann, wie dies Lohfink im Anschluss an Hoffmann getan hat 13, bleibt dagegen fraglich. Lohfink hat im ersten Teil (V.4–14) eine vergleichbare palindrome Struktur ausgemacht, wie sie Hoffmann für V.15–20 vorgeschlagen hatte. Nach Hoffmann rahmen die Schilderungen der eigentlichen Reformmaßnahmen Josias in Bet-El und in den „Städten Samarias“ (V.15.19f.) die Erfüllungsnotiz in V.16–18.14 Eine analoge Struktur vermutet Lohfink auch für V.4–14. Dabei setzt er voraus, dass sich die Einzelmaßnahmen in 9
Ebd. Darauf hat mit Recht bereits HOFFMANN, Reform, 208–211, hingewiesen, der jedoch an der grundsätzlichen stilistischen Differenz des Abschnitts im Vergleich mit seinem Kontext festhält und sie aus dessen Sachgehalt heraus erklärt. „Es handelt sich ... nicht länger um Erzählung, sondern um katalogartige Auflistung von knappen Einzelnotizen, die nicht den Anspruch erheben, als fortlaufender Handlungszusammenhang begriffen zu werden.“ (ebd., 209). Ob dies für den gesamten Abschnitt in narratologischer Hinsicht zutreffend ist, darf bezweifelt werden. 11 Siehe unten, S. 231–238. 12 Vgl. bereits HOFFMANN, Reform, 218f. 13 Vgl. LOHFINK, Diskussion, 38f. 14 Vgl. HOFFMANN, Reform, 219. 10
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V.4–7 und V.10–14 jeweils gegen fremde Kulte richten und teilt sie in zwei Gruppen zu je vier Gliedern, die einen Rahmen um die beiden Maßnahmen gegen den Jahwekult auf den bāmôt in V.8f. bilden.15 Abgesehen davon, dass die Zuordnung der kultpolitischen Reformen des Königs zu den beiden Kategorien „Fremdgötterverehrung“ und „Jahweverehrung“, hinter denen unschwer die dtn / dtr Dichotomie von Kultreinheit und Kulteinheit erkennbar ist, ausweislich des religionsgeschichtlichen Befundes problematisch erscheint16, stellt sich bereits mit Blick auf die kompositionsgeschichtlichen Verhältnisse in V.15–20 die Frage, ob sich die Unterscheidung zwischen Kultbeseitigungsmaßnahmen und Erfüllungsvermerk wirklich so sauber vollziehen lässt, wie Hoffmann es vorschlägt. Die engen sprachlichen und konzeptionellen Bezüge zwischen V.19f. und 1Kön 13,2.32 mahnen hier zur Vorsicht (vgl. auch V.15 mit 1Kön 12,31–33).17
Unbeschadet der eben skizzierten Gesamtkomposition des Textes lassen sich Gründe benennen, die für die Annahme einer sekundären Erweiterung des Abschnitts in den Versen 15–20 sprechen. Dies ist besonders deutlich in V.16–20, die sich in stilistischer Hinsicht von dem Vorherigen unterscheiden. Zwar sollte man hier weniger auf die narrativ-sequentielle Darstellung abheben, wie dies häufiger getan worden ist18, denn einerseits findet sich die syntaktische Fügung we-x-qāṭal auch in V.19 und andererseits liegt eine analoge narrativ-sequentielle Ereignisfolge ebenso in V.6–8 (vgl. V.4.11) vor. Gewichtiger ist schon die Beobachtung, dass sich nur in diesem Teilstück ein kurzer Dialog zwischen dem König und den Bewohnern von Bet-El findet, was gegenüber der gerafften Darstellungsweise im übrigen Text auffällt. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass in V.16 und V.19 – jeweils zu Beginn der beiden Unterabschnitte, die das Geschehen in solche Maßnahmen, die am Heiligtum in Bet-El lokalisiert sind, und diejenigen in den „Städten Samarias“ unterteilen – der Eigenname des Königs verwendet wird, der abgesehen vom vorderen und hinteren Königsrahmen (vgl. 22,1f.; 23,28–30) sonst nur noch in der Zeitangabe „im 18. Jahr des Königs Josia“ erscheint, die in 22,3 und 23,23 als Rahmen um den Bericht über die res gestae des Königs gelegt ist.19 Die einzige weitere Stelle, an 15
„Daraus folgt natürlich, daß hier weder eine historisch richtige Reihenfolge gesucht werden darf“ (LOHFINK, Diskussion, 39), noch dass dem Abschnitt ein topographisches Strukturprinzip zugrunde liege. 16 Vgl. schon die abweichende Zuordnung der Reformen zum Fremd- bzw. Höhenkult bei JEPSEN, Reform, 134–137. – Es erscheint sogar fraglich, ob im Reformbericht, abgesehen von V.13f., überhaupt von Kultstätten und -praktiken „fremder Götter“ die Rede ist oder ob es sich ursprünglich jeweils um Erscheinungsformen und Requisiten des Jahwekultes gehandelt hat, die erst rückblickend stigmatisiert und als „fremd“ deklariert worden sind. Dies ist wenigstens für den Ascherakult, die Gestirnsverehrung und die Feuerriten im Ben-Hinnomtal zu vermuten. 17 Es scheint, dass der gesamte Abschnitt über die Reformen Josias in Samaria (vgl. V.15–20) im Endtext als Erfüllungsvermerk zur Prophetenerzählung in 1Kön 12f. gestaltet ist, so dass Josia „die Sünde Jerobeams“ beseitigt. 18 Vgl. zuletzt KOCH, Gefüge, 88; HARDMEIER, König, 118f. 19 Vgl. HARDMEIER, König, 118f.
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der der Name des Königs Josia genannt ist (23,24), ist nach verbreiteter Ansicht ebenfalls später an den Reformbericht angehängt worden. 20 Hinzu kommt, dass der Abschnitt 23,16–20 durchgehend und in V.16–18 ausdrücklich auf die vermutlich spätdtr Erzählung in 1Kön 13 zurückgreift und die Maßnahmen Josias als Erfüllung der prophetischen Unheilsansage des Gottesmannes ausweist (vgl. die umgekehrte Referenz in 1Kön 13,2).21 Zwar gibt es auch an weiteren Stellen des Reformberichts Rückverweise auf frühere Ereignisse, von denen in den Königsbüchern berichtet wird (vgl. V.12f.15), V.16–20 heben sich aber noch durch eine weitere Spannung von ihrem Kontext ab. Einerseits setzen sie literarisch die Anwesenheit des Königs in Bet-El nach V.15 voraus, andererseits stehen die Handlungen Josias in V.16 in einem sachlichen Widerspruch zur Notiz über die Zerstörung des Altars in V.15, insofern dieser dort voll funktionsfähig erscheint (vgl. 1Kön 13,2).22 Schließlich lassen sich in V.15 selbst Spuren einer redaktionellen Bearbeitung entdecken, die den Vers über den Rückverweis auf die kultpolitischen Maßnahmen Jerobeams I. (vgl. 1Kön 12, 25–32) mit der Ergänzung in V.16–20 literarisch verknüpft. Dies geschieht zum einen mittels der Einfügung des Objekts HMB und zum anderen durch den gemeinsamen intertextuellen Verweis auf die Kultgründungserzählung 20
Vgl. a.a.O., 120. Vgl. Würthwein, 460f. Das literarische Gefälle zwischen beiden Texten ist jedoch im Einzelnen schwierig zu bestimmen, zumal die literarischen Verhältnisse in 1Kön 13 mehrdeutig sind und sich prophetische Ankündigung und Erfüllungsvermerk nicht vollständig zur Deckung bringen lassen. Zwar verweist das Prophetenwort in 1Kön 13,2 auf die Ereignisse unter Josia voraus, doch ist in 2Kön 23,16–18 nicht davon die Rede, dass der König die Priesterschaft von Bet-El auf dem Altar geschlachtet ( CBX) habe. Dies tragen erst V.19f. indirekt nach, wenn dort die Tötung der bāmôt-Priester gemeinsam mit dem Verbrennen menschlicher Gebeine in den Städten Samarias genannt und betont wird, dass Josia überall so verfuhr, wie er es in Bet-El getan hatte (vgl. V.19b). Umgekehrt rekurrieren 2Kön 23,16–18 unzweifelhaft auf die Episode vom Gottesmann aus Juda, der ein Gotteswort gegen den Altar von Bet-El ausgesprochen hatte und dessen Grab in BetEl zu sehen war (vgl. 1Kön 13,11–31) – oder muss zwischen einer älteren Prophetenüberlieferung, der Notiz in 2Kön 23,16–20 und der Prophetenerzählung in 1Kön 13 im Sinne eines mehrstufigen Wachstumsprozesses unterschieden werden (s. unten, S. 438–443)? 22 Vgl. zuletzt ARNETH, Reform, 193 Anm. 19. Wenn HOFFMANN, Reform, 261 Anm. 31, die Spannung damit auflösen will, dass „an ein zeitliches Nacheinander in der Abfolge der Reformaktionen im ganzen Kultbericht ... nicht zu denken ist“, so widerstreitet diese Beobachtung nicht nur der chronologisch-sequentiellen Erzählfolge in V.16–20, sondern auch der syntaktischen Gesamtstruktur des Reformberichts. – KEIL, 404 Anm. 1, hebt den Widerspruch auf, indem er annimmt, dass in V.16 nicht der noch unversehrte Altar, sondern die Stätte des zerstörten Altars gemeint sei, die durch das Verbrennen menschlicher Gebeine verunreinigt werden solle. Die Verunreinigung des Altars gehe weiter als seine Zerstörung, da nach antiker Anschauung die Heiligkeit eines Ortes über seine Zerstörung hinaus erhalten bleibe. Es ist jedoch fraglich, ob dieser Zusammenhang bereits auf der ältesten Textstufe bestand. 21
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in 1Kön 12f.23 Der textliche Befund spricht also für die Annahme, dass der Reformbericht in V.15*.16–20 sekundär erweitert worden ist. Dann stellt sich jedoch die Frage, welchem Gliederungsprinzip der verbleibende Bestand des Abschnitts folgt, da sich die oben skizzierte parallele Struktur der beiden Hauptteile auf der Ebene des Endtextes als redaktionelle Komposition erwiesen hat. In diese Untersuchung ist V.15 insoweit mit einzubeziehen, als der Grundbestand des Verses mit den redaktionellen V.16–20 nicht auf derselben literarischen Stufe steht. Die uneinheitliche Syntax des Abschnitts und das Fehlen eines klar erkennbaren Prinzips der Abfolge der einzelnen Reformschritte haben in der Forschung zu einer Vielzahl von Rekonstruktionsvorschlägen geführt, die teils literarkritische24, teils formkritische Bemerkungen zugrunde gelegt haben. In der älteren Forschung, für die hier stellvertretend der Vorschlag von A. Jepsen stehen mag, ist verschiedentlich eine Textumstellung erwogen worden, um ein geschlossenes, topographisch orientiertes Gliederungsprinzip ermitteln zu können.25 So hat Jepsen erwogen, die Verse 11f., die von Kultbeseitigungsmaßnahmen im Tempelbezirk handeln, hinter V.4–7 zu versetzen, in denen ebenfalls die Ortsangabe HWHJ TJB vorherrscht (bzw. HWHJ LKJH, V.4), und V.8b vor V.8a zu stellen, da dieser den Zusammenhang von V.8a und V.9 störe. Er erhält dann eine Reihe von Maßnahmen zur Beseitigung von Fremdkulten am Jerusalemer Tempel (vgl. V.4–7.11f. [8b]) und eine zweite Reihe von Reformen in der Umgebung Jerusalems und in der Landschaft Juda (einschließlich Bet-Els), die der Reinigung des Jahwekultes gewidmet seien (vgl. V.8a.9f.13–15).26 Jepsen verbindet diese Zweiteilung anschließend mit der chronologisch differenzierten Darstellung der Regierung Josias nach dem Bericht der Chronik, indem er die erste Reihe von Maßnahmen gegen den assyrisch beeinflussten Fremdkult mit den Reformen im 12. Jahr des Königs gleichsetzt (vgl. 2Chr 34,3–7), während die Verunreinigung der Höhenheiligtümer auf den Fund des Torabuches im 18. Jahr Josias zurückgehe, das er mit dem (Ur-) Deuteronomium gleichsetzt (vgl. 2Chr 34,8–21).27 Von den Schwierigkeiten, die mit einer historischen Auswertung der chronistischen Erzählung von der Kultreform
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Vgl. Hardmeier, König, 119f mit Anm. 60 (s. unten, 300–303). Vgl. den Versuch einer quellenkritischen Aufteilung des Textes bei Procksch, König Josia. Eine redaktionsgeschichtliche Lösung hatte Hölscher, Komposition, vorgeschlagen. Aus der jüngsten Forschung sei die konsequent redaktionskritische Analyse des Textes durch Levin, Josia, 202–209, genannt. 25 Vgl. Jepsen, Reform. Ein älterer Versuch, der Unordnung des Reformberichts durch das Mittel von Textumstellungen beizukommen, findet sich bei Schmidt, Periode. 26 Vgl. Jepsen, Reform, 133f. 27 Vgl. a.a.O., 138–140. 24
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Josias verbunden sind, einmal abgesehen28, entbehrt die Textumstellung, die Jepsen vornimmt, jeglicher Grundlage im überlieferten Text und wird allein durch den Hinweis auf die „Unordnung“ des Reformberichts und die unbefriedigenden Versuche, mit Hilfe literarkritischer Operationen zu einer Lösung zu gelangen, gerechtfertigt.29 Doch selbst wenn man geneigt ist, die Umstellungen zu akzeptieren, ergibt sich kaum eine systematische Doppelreihe im Sinne Jepsens. Darauf weist zum einen die Nennung der 30 TWMB im Tor des Stadtkommandanten Josua in V.8b hin und zum anderen 31 die Erwähnung fremder Gottheiten in V.13 (vgl. noch das Auftreten Ascheras in beiden Reihen, V.6f.15). Bei aller Berechtigung, die in der Warnung vor einer voreiligen quellen- oder redaktionskritischen Lösung der Textprobleme liegt, vermag auch eine Textumstellung keine zufriedenstellende Antwort zu geben, zumal die Ursache für die spätere Konfusion unerklärlich bliebe. Diesen Einwand hat bereits K. Koch gegen die Theorien von Jepsen und anderen vorgebracht und stattdessen dafür optiert, die syntaktische Struktur des Textes bei seiner Gliederung stärker zu berücksichtigen. 32 Hierzu zieht er vor allem die weqāṭal-x Formationen heran, die jeweils das Ende einer Geschehensfolge kennzeichnen, so dass sich folgender Aufbau ergibt:33
28
Vgl. schon die kritischen Bemerkungen zur historischen Verwertbarkeit der chronistischen Darstellung bei GRESSMANN, Josia, die von SPIECKERMANN, Juda, 30–41, aufgenommen und verstärkt worden sind. 29 „Wenn man dann die Wahl zwischen der Annahme einer Überarbeitung oder der einer Umstellung hat, sollte man grundsätzlich zuerst den Versuch machen, durch Umstellung zu einem besseren Verständnis zu kommen. Ergänzungen, Überarbeitungen oder gar Quellenscheidungen sind erst dann anzunehmen, wenn auch Umstellungen nicht zu einem sinnvollen Text führen ... Gewiß kann man jede Umstellung für willkürlich erklären; aber ist sie wirklich willkürlicher als die Annahme einer Ergänzung oder gar verschiedener Quellen?“ (JEPSEN, Reform, 133). 30 Jepsen gelangt zu seiner Zuweisung von V.8b zur Reihe von Reformen gegen fremde Kulte vermutlich aufgrund der freien Konjektion von mJRYVH zu mJRYSH („Dämonen, Bocksgeister“, vgl. BHS, z.St.), die sich in der älteren Forschung großer Beliebtheit erfreute, inzwischen jedoch weithin aufgegeben worden ist (s. unten, S. 348f.). 31 JEPSEN, Reform, 136, versucht diese Schwierigkeit dadurch zu beheben, dass er den zweiten Relativsatz in V.13a, der die Heiligtümer auf dem „Ölberg“ mit den Kultstätten, die Salomo nach 1Kön 11,1–8 für die Götter seiner ausländischen Frauen errichtet hatte, in Verbindung bringt, als späteren Zusatz eines dtr Redaktors erklärt. Eine Begründung für diesen literarkritischen Eingriff gibt Jepsen – abgesehen von der inneren Stimmigkeit seiner Textrekonstruktion – nicht. 32 Vgl. KOCH, Gefüge, 83f. 33 Vgl. a.a.O., 89f.
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Entfernung diverser Kultgeräte aus dem Tempelinneren (LKJH) und Absetzung der Priestergruppe der mJRMK (b) V.6–10*: Maßnahmen gegen den Ascherakult und weitere astrale Kultpraktiken in der unmittelbaren Umgebung des Tempels ( HWHJ-TJB); Zentralisierung der Priesterschaft in Jerusalem (c) V.11–13.14a*: Beseitigung solar konnotierter Kultobjekte und Kultstätten in Jerusalem und der näheren Umgebung (d) V.14f.*19a*: Zerstörung der HMB (+ Aschera) von Bet-El und der TWMB in den Städten Samarias (a) V.4f.*:
Der Aufbau des Grundbestands des Reformberichts (mit redaktionellen Erweiterungen in V.5*.9.12*.13*.15*.16–20)34 folgt nach Koch keiner chronologischen Ordnung, wie von Jepsen angenommen35, sondern einer „kultischen Geografie“, die ihren Ausgang am Tempel nimmt und vom Tempelgebäude selbst (a) über Einrichtungen im Tempelbezirk bzw. seiner unmittelbaren Umgebung (b) zu den Kultstätten auf dem Ölberg (c) bis nach Bet-El (und zu den Städten Samarias?) verläuft (d).36 Der Text zeichnet somit den Weg vom Zentrum der kultischen Ordnung am Jerusalemer Tempel zur Peripherie der übrigen Kultstätten im Land nach. Man kann verschiedene Einwände gegen den Gliederungsvorschlag von Koch vorbringen; der wichtigste besteht darin, dass die beiden Prinzipien der kultischen Geographie und der syntaktischen Abschnittsgliederung sich teilweise gegenseitig aufheben. Dies tritt ganz deutlich in V.11f.* zutage, die geographisch in den gleichen Horizont wie V.6–10 gehören (vgl. die Umstellung bei Jepsen), von diesen aber durch die weqāṭal-x Sätze in V.8b und V.10 getrennt sind. Wenn Koch diese Unschärfe durch den Hinweis auf die solare Konnotation der Kulteinrichtungen in V.11–14* relativieren möchte37, so bleibt diese sowohl für die Dachaltäre (V.12*) als auch für die TWMB auf dem Ölberg (V.13f.*) zumindest fraglich.38 Nicht viel besser steht es um die Abgrenzung des letzten Teilabschnitts (V.14f.*19a). Koch weist selbst darauf hin, dass ein Neueinsatz nach dem weqāṭal-x Satz in 34 Vgl. a.a.O., 88f. Innerhalb der Verse 16–20 erwägt Koch für V.19a (ohne den zweiten Relativsatz) und V.20b die Möglichkeit eines älteren Grundbestands. 35 Vgl. JEPSEN, Reform, 140f. 36 Vgl. KOCH, Gefüge, 89f. (90). 37 Vgl. a.a.O., 90. 38 Zu den Dachaltären vgl. UEHLINGER, Kultreform, 79f., der sie im Gefolge der Angaben aus Jer 19,13 (par. Jer 32,29); Zef 1,5 mit Astralkultpraktiken in Verbindung bringt. Die Verknüpfung mit der „Sonnenuhr“ des Ahas, die in 1QJesa 38,8 vorausgesetzt zu sein scheint, ist kaum hinreichend, um die kultischen Installationen auf dem Dach mit solaren Kulthandlungen gleichzusetzen (vgl. aber unten, S. 415–420). – Selbst wenn man mit Koch den Verweis auf die ausländischen Götter in V.13a für sekundär erachtete, genügt die Lage der Kultstätten auf dem „Ölberg“ nicht, um daraus auf solare Kultpraktiken zu schließen (vgl. DERS., Gefüge, 88, der darin im Umkehrschluss ein Indiz für die sekundäre Herkunft von V.13a* sieht).
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V.14a sachlich schwierig ist, „da Masseben und Ascheren sonst zusammengehören, Deut 7,5; 12,3 u.ö.“, und erwägt die Zugehörigkeit des ersten Narrativsatzes zum vorherigen Abschnitt (c).39 Dann muss aber auch V.14b zu dieser Einheit gerechnet werden, da sich das Suffix der 3.Pers. m. Pl. an 40 mWQM auf die vorher genannten Kultobjekte bezieht. Ob V.19a* wirklich den Abschluss des Grundbestands des Textes gebildet hat, erscheint letztlich selbst Koch fraglich41, zumal sich dafür keine literarkritischen Argumente beibringen lassen. Aber auch wenn grundlegende Anfragen an den Gliederungsvorschlag Kochs formuliert werden können, sollte sein Hinweis auf die Bedeutung der syntaktischen Struktur des Reformberichts für dessen Gliederung unbedingt beachtet werden. Eine sachlogisch orientierte Gliederung des Textstücks hat C. Hardmeier vorgelegt.42 Seine Analyse geht vor allem von den genannten Kultobjekten bzw. -einrichtungen aus, bezieht darüber hinaus aber auch topographische Beobachtungen ein. Grundsätzlich betrachtet er den Abschnitt V.4–15 als einen Katalog von Einzelmaßnahmen, der nicht einem chronologischkonsekutiven, sondern einem sachlichen Aufbauprinzip folge. Diese Struktur, die bereits der ältesten Textkomposition zugrunde gelegen habe und noch die Endgestalt des Textes bestimme, lasse eine Dreiteilung erkennen, die durch verschiedene inkludierende Elemente bestimmt werde. Der erste Teil spreche in V.4f. allgemein von der Beseitigung der Kultgeräte der fremden Götter (Ba‘al, Aschera und „das Himmelsheer“) und der Außerdienststellung ihrer Priesterschaft (mJRMK).43 Daran schließe sich in V.6–12 ein zweiter Teil an, der im Einzelnen die Infrastruktur der in V.4 genannten Fremdkulte ins Auge fasse und in sich wiederum zweigeteilt sei. In V.6–10 werde das mobile und immobile Kultinventar des Aschera- und Ba‘al-Kultes aufgeführt (einschließlich des tofæt, vgl. Jer 19,5; 32,35), dem auf der Ebene der Endgestalt des Textes das illegitime Jahwepriestertum auf den TWMB (V.8a.9) an die Seite gestellt sei (vgl. V.8a mit V.5). Die Verse 11f. behandelten dagegen das Kultinventar der Himmelsgottheiten. Der abschließende dritte Teil wende sich Kulteinrichtungen in der näheren und weiteren Umgebung Jerusalems zu, einschließlich des Altars und der Aschera von Bet-El (V.13–15). Dabei nehme die Erwähnung der Aschera 39
Vgl. KOCH, Gefüge, 89 Anm. 22. Kochs Hinweis, dass der Narrativsatz in V.14ab als Folgehandlung zum übergeordneten weqāṭal-x Satz gehört, gilt in gleicher Weise für dessen narrative Fortführung in V.14b (vgl. ebd.). 41 Vgl. a.a.O., 88. 42 Vgl. HARDMEIER, König, 121f.137. 43 Den Versen 4f. käme gewissermaßen die Funktion einer Überschrift über die folgenden Reformen zu. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der Rekurs auf Bet-El in V.4b eine Inklusion mit V.15* bildet und dass die mJRMK über den Relativsatz in V.5a eng mit dem Kultpersonal der TWMB in V.8 und V.13 verknüpft sind. 40
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in V.15b auf die Beseitigung des gleichnamigen Kultobjekts im Jerusalemer Tempel (vgl. V.6) Bezug und schließe den Ring der Aufzählung in V.6–15* ab. Darüber hinaus bildeten die Nennung Bet-Els in V.4b und V.15 sowie die Gruppe der „Fremdpriester“ in V.5, die nach Hardmeier „weniger am Jerusalemer Tempel tätig war, sondern vielmehr in den Kulten am Ölberg wirkte (13f.)“44, einen inneren und äußeren Rahmen um die Gesamtkomposition. Der Vorschlag Hardmeiers ist darin weiterführend, dass er neben das topographische Gliederungsprinzip ein sachlogisches stellt, das ersteres ergänzt und relativiert, so dass die Notwendigkeit zu Textumstellungen aufgrund einer einseitig geographischen Anordnung der Einzelmaßnahmen entfällt.45 Vielmehr überlagern sich im Reformbericht verschiedene Aufbauprinzipien, ohne dass sich daraus bereits auf verschiedene Quellen oder Redaktionsschichten schließen ließe. Nach welchen sachlogischen Kriterien die einzelnen kultpolitischen Maßnahmen miteinander verbunden worden sind, wird man allerdings verschieden beurteilen können. So ist es sicher richtig, dass für die dtn / dtr Kultgeschichtsschreibung Ba‘al und Aschera zum Sinnbild der Fremdgötterpolemik geworden sind und als solche in V.4f. nebeneinander gestellt werden. Ob dagegen der Kult an den TWMB im Stadttor (V.8b) oder im tofæt (V.10) zu Recht als Auswuchs des Ba‘al- und Ascherakultes bezeichnet werden kann46, ist trotz der Belege in Jer 19,5; 32,35 fraglich.47 Ähnliches gilt für die Rahmenelemente: Hard44
HARDMEIER, König, 136. Nach Hardmeiers Auffassung wird mit den mJRMK auf der vordtr Textstufe eine Gruppe von Priestern bezeichnet, „die ... die fremden Kulte der assyrischen Oberherren (im Jerusalemer Tempel, 23,4b.5* [sic!]) und der diplomatischen Vertretungen (auf dem Ölberg, 23,13a) bedienten“ (ebd., 125). Voraussetzung für diese Funktionsbestimmung der mJRMK ist zum einen die literarkritische Analyse von V.5, wie sie Hardmeier vornimmt, und zum anderen ein bestimmtes Bild der religionsgeschichtlichen Verhältnisse im späteisenzeitlichen Juda, das mit einer massiven Überformung des religiösen Symbolsystems durch die assyrische Großmacht rechnet. Beides wäre zu präzisieren. 45 Allerdings möchte Hardmeier für V.12bb einen ursprünglichen Anschluss an V.11b annehmen, da das Verstreuen der Asche im Kidrontal besser zum Verbrennen der Sonnenwagen passe (vgl. V.6). Dieses Argument ist jedoch weder grammatisch noch sachlogisch zwingend, wie schon die Handlungsfolge in V.6 zeigt (vgl. V.15b). Das Suffix der 3.Pers. m. Pl. bei mRPY weist auf CBXM (m. Pl.) zurück (V.12a) und kann sich nicht auf HBKRM (f. Pl., vgl. V.11b) beziehen. Von den Pferden (mJOWOH, V.11a) ist wiederum nicht gesagt, dass sie verbrannt wurden – vermutlich handelt es sich nicht um figürliche Statuetten, sondern um Wagenpferde (s. unten, S. 399). 46 Vgl. HARDMEIER, König, 135. 47 An beiden Stellen werden die Kultpraktiken, die in 2Kön 23,10 mit dem TPT im Zusammenhang stehen, mit LYBH TWMB assoziiert. Die Verknüpfung mit Ba‘al fehlt dagegen in Jer 7,31 und dürfte an den beiden anderen Stellen auf eine Tendenz zur Stigmatisierung illegitimer Kultpraktiken als Ba‘al-Dienst zurückzuführen sein. Dies ist beson-
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meier ist darin zuzustimmen, dass die Erwähnung Bet-Els in V.4b im vorliegenden Text eine inclusio mit der Zerstörung des Heiligtums in Bet-El in V.15 bildet. Schwieriger ist dagegen schon die Annahme, das Verbrennen der Aschera in V.15b verweise auf V.6 zurück und rahme auf diese Weise die Abfolge der Maßnahmen in V.6–15*, da das gesamte in V.15 genannte Kultinventar zuvor mehrfach erwähnt wird (vgl. HRVA V.4.6f.14 [Pl.]48, HMB V.8f.13, CBXM V.12), eine klare Ringstruktur ist somit kaum zu erkennen. Gänzlich spekulativ bleibt schließlich die Vermutung, die mJRMK hätten ihre Tätigkeit vor allem an den Kultstätten auf dem „Ölberg“ ausgeübt, so dass sich auf der Ebene des Vorstufentextes eine weitere inclusio zwischen V.5* und V.13f.* ergäbe.49 Hier macht sich negativ bemerkbar, dass Hardmeier der syntaktischen Struktur des Endtextes nur wenig Aufmerksamkeit schenkt und stattdessen für den älteren Grundtext einen konsequenten Aufzählungsstil postuliert, der später teilweise narrativ überformt worden sei.50 Für diese These gibt es jedoch keine hinreichenden sprachlichen oder formgeschichtlichen Gründe51, so dass der Versuch einer Aufbauanalyse des Textes über dessen syntaktische Struktur nicht vorschnell hinweggehen sollte. Dieses Anliegen teilt die jüngste Kompositionsanalyse des Reformberichts, die M. Arneth vorgelegt hat.52 Er geht davon aus, dass dem Reformbericht eine bewusste literarische Komposition zugrunde liegt, deren Kompositionsprinzip Analogien in zeitgenössischen neuassyrischen Texten besitze. Vorab identifiziert er mit der Mehrheit der Forschung V.16–20 sowie die Relativsätze in V.12a (ab RVA2°), 13a (ab RVA2°) und 15a (ab HMBH), die jeweils auf Paralleltexte in den Königsbüchern verweisen, als spätere Fortschreibungen des Grundtexts.53 Im verbleibenden Textbestand arbeitet er anschließend eine Vielzahl, zum Teil mehrfach verschränkter chiastischer Strukturelemente heraus, die dem Abschnitt ein in sich geschlosseders deutlich in Jer 32,35, wo ausdrücklich davon die Rede ist, dass die verbotene Kultausübung kLML geschieht (vgl. 2Kön 23,10), s. unten, S. 373f. 48 Es fällt auf, dass unter allen Belegen für HRVA im Reformbericht nur in V.15b die Determination fehlt. Der Verbgebrauch verbindet dagegen V.15b mit V.6 (pRS). 49 Die vordtr Verknüpfung zwischen den mJRMK und den TWMB auf dem „Ölberg“ in V.13 beruht auf dem Postulat, dass einzig der Ausdruck mLVWRJ JBOM in V.5ab zum älteren Textbestand gehöre, obwohl Hardmeier den Relativsatz im übrigen vollständig der dtr Überformung zuweist. Vermutlich ist er aufgrund eines gewissen Formzwangs zu dieser Auffassung gelangt, da für die Angaben in V.5* sonst eine lokale Näherbestimmung fehlt. Ein literarkritisch relevanter Bruch ist im Text dagegen nicht festzustellen. Der Verweis auf die TWMB in der Umgebung Jerusalems liegt vielmehr auf derselben literarischen Ebene wie die Verbindung mit den TWMB in den Städten Judas (vgl. V.8a). 50 Vgl. HARDMEIER, König, 124f. 51 Siehe unten, S. 230f. 52 Vgl. ARNETH, Reform. 53 Vgl. a.a.O., 193f.
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nes, kunstvoll gestaltetes Gepräge verleihen. Beruhen die chiastischen Verknüpfungen in V.6f. (vgl. auch V.11) vor allem auf der Wiederaufnahme von Stichworten (HRVA, HWHJ TJB) oder Motivzusammenhängen, die teils quer zu den syntaktischen Strukturen verlaufen54, so bildet in V.8–13* die chiastische Anordnung der Satzformationen des Typs we-x-qāṭal in V.11b, V.12a* und V.13* mit denen des Typs weqāṭal (V.8b und V.10) bzw. wajjiqṭōl (V.11a) das kompositorische Gerüst des Abschnitts.55 Beide Teilabschnitte werden durch die inclusio zwischen V.4b und V.15a* gerahmt und sind darüber hinaus mittels der parallelen Struktur der beiden Passagen V.4–6* und V.8–13*, die jeweils einen Rahmen um die beiden Zentralverse V.5* und V.11 bilden, miteinander verbunden. Schließlich sind auch V.12b, V.14* und V.15b durch die weqāṭal-x Sätze chiastisch mit ihrer unmittelbaren Umgebung verknüpft (vgl. die we-x-qāṭal Formationen in V.12a*, V.13* und V.15a*) und weisen zudem Stichwortverbindungen zu V.6f. auf.56 Es dürfte deutlich sein, dass eine derart komplexe literarische Kompositionsstruktur keinen Raum mehr für die Rekonstruktion einer älteren literarischen Vorstufe lässt.57 Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob die hier vorgestellte, äußerst artistische Kompositionsanalyse dem literarischen Charakter und der syntaktischen Struktur des Reformberichts wirklich Rechnung trägt. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die chiastischen Strukturelemente teilweise syntaktisch zusammenhängende Satzeinheiten willkürlich auflösen, um ein palindromisches Kompositionsschema zu rekonstruieren. Hier werden wichtige, strukturbildende Einzelbeobachtungen (wie die inclusio, die der Begriff HRVA um V.6f. bildet) mit einem fragwürdigen stilistischen Rigorismus vermischt, der in der Gefahr steht, einen „chiastischen Wildwuchs“ zu generieren.58 Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die siebenfache chiastische Struktur in V.8–13* nur dadurch ermöglicht wird, 54
Vgl. a.a.O., 195. Vgl. a.a.O., 196–199. 56 Vgl. a.a.O., 199–205. 57 Vgl. a.a.O., 207f. Arneth hält es für möglich, dass der ursprüngliche Reformbericht auf eine ältere Liste mit Kultbeseitigungsmaßnahmen zurückgegriffen und diese königsideologisch bearbeitet habe, doch sei diese „aufgrund der diffizilen Syntax aus 2Reg 23, 4b–15* nicht mehr zu rekonstruieren“ (a.a.O., 207 Anm. 54). Eine Rückfrage hinter die literarische Komposition des Reformberichts wäre dann nur noch auf überlieferungsgeschichtlichem Wege möglich. Diese Option gilt es im weiteren Verlauf der Untersuchung im Auge zu behalten. 58 Dieser Eindruck wird vor allem dadurch erweckt, dass die chiastischen Bezüge scheinbar willkürlich auf der Ebene des Satzbaus, in der Wiederaufnahme von Leitworten oder in parallelen grammatischen Erscheinungen (z.B. lokale Umstandsbestimmungen) identifiziert werden. Diese Verfahrensweise erlaubt aber eine Vielzahl alternativer Kompositionsanalysen, wodurch die Plausibilität des vorliegenden Versuchs nicht gestützt wird (vor allem bei abweichenden literarkritischen Vorentscheidungen). 55
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dass V.8a und V.9 aus dem Textbestand ausgesondert werden, wofür dessen literarisches Aufbauschema als „wesentliches Argument“ angeführt wird (siehe zu V.12f. und V.15).59 Eine Gegenprobe wird nicht unternommen – zu stark ist der Formzwang. Aber auch die doppelte chiastische Einbindung der Verse 12a* (nach vorn zu V.8b, nach hinten zu V.12b) und 13* (nach vorn zu V.10, nach hinten zu V.14*) widerrät der Annahme eines stringenten chiastischen Kompositionsschemas. Dieses vermag darüber hinaus die auffälligen weqāṭal-x Formationen nicht zu erklären60, da als chiastische Entsprechung zu den we-x-qāṭal Sätzen auch wajjiqṭōl-x Sätze hätten verwendet werden können (vgl. zu V.11). Schließlich ist zu den von Arneth herangezogenen neuassyrischen Parallelen, vor allem der BabylonInschrift Asarhaddons61, anzumerken, dass die chiastische Kompositionstechnik, die sich in diesem Text beobachten lässt, auf die weiträumige Verknüpfung von Erzählbögen abzielt und sich von der kleinteiligen und vielfach verschränkten chiastischen Struktur des Reformberichts deutlich unterscheidet – ganz abgesehen davon ist das Stilelement des Chiasmus in der Literatur des Alten Orients verbreitet und eignet sich kaum als Kriterium für literarische Beeinflussung. Dies ist auch hinsichtlich der Konzentration der Handlung auf den König und der Erwähnung diverser Kultrequisiten sowie des Kultpersonals in Rechnung zu stellen, welche die Königsinschrift Asarhaddons mit dem Reformbericht in 2Kön 23* teilt.62 Das aufgeführte Kultinventar (Götterstatuen, Kultgeräte), einschließlich der Kultbediensteten (Priesterschaft), ist im Zusammenhang kultreformerischer Handlungen der Sache nach vorgegeben und in beiden Texten gemäß des jeweiligen kultisch-religiösen Bezugssystems unterschiedlich realisiert worden. Auf den Differenzpunkt, der am meisten heraussticht, hat schon Arneth hingewiesen:63 Während in der Asarhaddon-Inschrift von der Wiedereinsetzung der kultischen Ordnungen in Babylon die Rede ist, ist es dem Reformbericht um die Beseitigung als illegitim erachteter kultischer Bräuche und ihrer Infrastruktur zu tun. Die Konzentration der Darstellung auf die Person des Königs im Reformbericht weist nicht nur auf seine „Mittlerstellung zwischen Gottheit und Volk“ hin64, sondern zeigt ihn vor allem als Kultherrn der „offiziellen Religion“ resp. als Patron des königlichen Heiligtums in Jerusalem und verdankt sich hier wie dort der Pragmatik der jeweiligen Darstellung bzw. der ihr zugrunde liegenden Textgattung (Königsinschrift).65 59
Vgl. ARNETH, Reform, 198f. „Aufgrund unserer Analyse gehen wir davon aus, daß der Verwendung der we-AKFormen vor allen Dingen kompositorische Absichten zugrunde liegen.“ (a.a.O., 194 Anm. 24). 61 Vgl. a.a.O., 209–213. 62 Vgl. a.a.O., 214f. 63 Vgl. a.a.O., 215. 64 A.a.O., 214. 65 Selbstverständlich handelt es sich bei der Darstellung in 2Kön 23* nicht um die Wiedergabe einer Königsinschrift – unabhängig von der Frage, ob der Verfasser auf eine schriftliche Quelle zurückgegriffen hat oder nicht, der Charakter der Darstellung steht in seiner Konzentration auf die Person des Königs jener Gattung jedoch recht nahe. 60
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Der Durchgang durch eine Auswahl aus der Vielzahl von Gliederungsvorschlägen zum Reformbericht hat ein doppeltes Ergebnis erbracht: einerseits setzen die Versuche je unterschiedliche literarkritische Schichtungen des Textes voraus, so dass die ursprüngliche Kompositionsstruktur des Reformberichts in seiner Endgestalt nur in mehr oder weniger starker Brechung erkennbar ist. Dieses Verfahren ist jedoch insofern problematisch, als eine Strukturanalyse des Textes zunächst von der vorliegenden Textgestalt auszugehen und diese auf erkennbare Kompositionssignale zu untersuchen hat. Daher soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, den vorliegenden Text (abzüglich der oben ermittelten Erweiterungen in V.15–20) auf die ihm inhärenten Aufbauprinzipien zu befragen und die literarkritischen Probleme erst im Zuge der anschließenden Einzelauslegung zu erörtern. M.a.W., der Reformbericht ist zuerst als Teil der übergreifenden Erzählung in 2Kön 22–23* zu lesen, ohne dass damit bereits ein Urteil über die Frage präjudiziert werden soll, ob der Verfasser für seine Darstellung auf (eine) ältere literarische Quelle(n) zurückgegriffen habe. Als ein zweites Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass der Reformbericht mehrere sich ergänzende und teilweise überlagernde Aufbauprinzipien erkennen lässt und dass der Beachtung seiner syntaktischen Struktur bei der Kompositionsanalyse verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Wechsel der verschiedenen Satzformationen (weqāṭal-x, we-x-qāṭal und wajjiqṭōl-x) von besonderer Bedeutung, da er dem Bericht sein unverwechselbares Gepräge verleiht. Werden die syntaktischen Signale hinreichend berücksichtigt, dann weisen sie einen Weg zum besseren Verständnis der sich überlappenden Kompositionsprinzipien des Reformberichts. Der Reformbericht schließt mit der Beauftragung an die Priesterschaft, die Kultgeräte für Ba‘al, Aschera und das Himmelsheer aus dem Tempelgebäude herauszubringen, in V.4 syntaktisch nahtlos an die vorausgegangene Erzählung an (vgl. Narrativ, Personeninventar), als deren chronologisch-sequentielle und sachlogische Fortsetzung er sich darstellt (vgl. zu 23,1–3). Die sequentielle Struktur, die durch die Abfolge von Narrativformen (Typ wajjiqṭōl-x) gekennzeichnet ist, setzt sich mit wenigen Ausnahmen bis einschließlich Vers 11 fort, so dass V.4–11 unter syntaktischen Gesichtspunkten als eine zusammenhängende Einheit betrachtet werden können.66 Davon setzen sich V.12–15, die keine übergreifende konsekutive Erzählfolge aufweisen, als eine Aneinanderreihung weiterer Einzelmaßnahmen syntaktisch ab (we-x-qāṭal). Damit stimmt eine inhaltliche Be66
Dies zeigt sich vor allem daran, dass die Narrativformen in V.4–11 die einzelnen Kultbeseitigungsmaßnahmen untereinander verknüpfen, während sie in V.12–15 lediglich zum Ausdruck von Teil- oder Folgehandlungen im Zusammenhang mehrteiliger Einzelmaßnahmen dienen.
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obachtung überein: topographisch sind die Kultreformen in V.4–11 überwiegend am Jerusalemer Tempel (HWHJ TJB, V.6f.; vgl. HWHJ LKJH, V.4) lokalisiert, während in V.12–15 verschiedene Kulteinrichtungen in der näheren und weiteren Umgebung des Tempels aufgeführt werden und zwar in zunehmender Distanz (V.12 – V.13f. – V.15). Die Reform beginnt also im Zentrum am königlichen Heiligtum und setzt sich von dort bis an die Peripherie des Herrschaftsgebietes des Königs, nach Bet-El, fort. Die „kultische Geografie“, wie sie Koch beschrieben hat, erweist sich somit als ein bestimmendes Strukturprinzip der Darstellung, in das sich übrigens die Fortschreibung in V.15–20* glatt einfügt, insofern diese den Weg der Reform bis in die Städte Samarias (V.19f.) auszieht, um den König abschließend nach Jerusalem, ins Zentrum, zurückkehren zu lassen (vgl. V.20b). Das topographische Aufbauprinzip wird jedoch an einer Reihe von Stellen unterbrochen bzw. durch ein abweichendes, sachlogisches Ordnungsschema überlagert, was Anlass zu diversen Textumstellungs- oder Schichtungshypothesen gegeben hat. Bei näherem Zusehen und unter Berücksichtigung der syntaktischen und semantischen Struktursignale zeigt sich jedoch, dass der vorliegende Text eine sinnvolle Gesamtstruktur erkennen lässt, die nicht allein an einer „kultischen Geografie“ orientiert ist. Die syntaktischen Bezüge und semantischen Felder sprechen dafür, dass der erste Abschnitt in mehrere Unterabschnitte gegliedert ist. In V.4–7 werden kultische Einrichtungen und Kultbedienstete, die mit der Verehrung Ba‘als, Ascheras und des Himmelsheeres in Verbindung stehen, aus dem Tempelbezirk entfernt. Dabei lassen sich die summarischen Maßnahmen in V.4f., die syntaktisch eine Einheit bilden (vgl. die Beiordnung der Außerdienststellung des Kultpersonals durch die syntaktische Konstruktion mit weqāṭal-x in V.5), von den gesonderten Aktionen gegen den Ascherakult unterscheiden (V.6f., vgl. inclusio durch HRVA) und können als eine Art Überschrift verstanden werden.67 Dieser Charakter wird durch die Rahmung des Reformberichts mit der doppelten Erwähnung Bet-Els in V.4b und V.15 und den auf V.8a und V.13 vorausweisenden Relativsatz in V.5a noch verstärkt.68 Mit Vers 8 tritt die Priesterschaft, die an den TWMB in den 67
Der Überschriftcharakter der Verse ist jedoch dahingehend zu präzisieren, dass hier keine abstrakte Themaangabe formuliert wird, sondern sehr wohl konkrete Einzelmaßnahmen zur Beseitigung kultischer Missstände aufgeführt werden, wie sich anhand der eigenständigen Terminologie (HWHJ LKJH, mJRMK) und der Beteiligung der Jerusalemer Priesterschaft (vgl. V.4a) erkennen lässt. Die Charakterisierung als Überschrift ergibt sich vor allem aus der Aufzählung der Götterepitheta in V.4a und die Verzahnung der beiden Verse mit dem nachfolgenden Reformkatalog. 68 Die Unterbrechung des Handlungsprogresses in V.4b deutet darauf hin, dass der König nicht direkt im Anschluss an die Verbrennung der Kultgeräte deren Asche nach Bet-El überführt hat, sondern dass dieser Vorgang chronologisch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein kann und vermutlich mit Josias Aufenthalt in Bet-El nach V.15–20
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Städten Judas Dienst getan hat, in den Mittelpunkt. Das topographische Gliederungsprinzip ist hier jedoch nur scheinbar durchbrochen, denn bei der Sammlung der Landpriester geht es letztlich um die Priesterschaft des Jerusalemer Zentralheiligtums, wie die nähere Erläuterung in V.9 unmissverständlich klar macht.69 Die Verse 8a und 9 stören mithin nicht den topographischen Zusammenhang des ersten Hauptteils, sondern fügen sich darin gut ein. Wie verhält es sich aber mit V.8b und V.10, die beide Kultinstallationen nennen, die außerhalb des Tempelbezirks lokalisiert sind? Hier hilft wiederum die syntaktische und semantische Reliefgebung des Textes weiter. Beide Maßnahmen werden der Haupthandlung in V.8a mittels der syntaktischen Fügung weqāṭal-x beigeordnet, bilden also den Texthintergrund. Diese Beiordnung wird auf der Ebene der Semantik einerseits durch das Leitwort HMB, durch das V.8b sowohl mit V.8a als auch mit V.9 verknüpft ist, und andererseits durch die Wurzel AMF (Pi.), die V.10 mit V.8a verbindet, verstärkt, so dass sich für V.8–10 ein syntaktisch und semantisch geschlossener Unterabschnitt ergibt, in dem das topographische Aufbauprinzip des Textes durch ein sachlogisches Gliederungsprinzip ergänzt wird.70 Vers 11 berichtet von einer Einzelmaßnahme, die mit solaren Kultpraktiken im Zusammenhang steht und schließt die Reformaktivitäten im Tempelbezirk ab. Der zweite Teil des Reformberichts lässt sich verhältnismäßig einfach in drei Unterabschnitte gliedern, die jeweils mit einer bestimmten Einzelmaßnahme befasst sind, deren Objekt jeweils betont vorangestellt wird
in Verbindung zu bringen ist. Der Versteil liegt somit nicht notwendig quer zur topographischen Situierung des ersten Hauptteils in V.4–15*. – V.5ab verknüpft das Vorgehen gegen die mJRMK mit der Verunreinigung der TWMB in den Städten Judas und in der Umgebung Jerusalems und vernetzt auf diese Weise V.5 mit V.8 und V.13. Allerdings ist die syntaktische Konstruktion in V.5 schwierig (s. unten, S. 262f.). 69 Indem die Priesterschaft an den lokalen Heiligtümern, die nach der Vorstellung des Textes (und der übrigen Rahmenbeurteilungen der Könige Israels und Judas) mit der „offiziellen Religion“ und deren königlicher Aufsicht in Zusammenhang stehen, in Jerusalem zusammengezogen wird, ergaben sich tiefgreifende Konsequenzen für die soziale Hierarchie und die ökonomischen Ressourcen der alteingesessenen Jerusalemer Priesterschaft, die in V.9 thematisiert werden. 70 Die Abfolge der Vorgänge in V.8f. ist nicht zu beanstanden, obwohl die Einfügung der Kultanlagen im Stadttor prima facie den Zusammenhang von V.8a und V.9 zu unterbrechen scheint (vgl. KOCH, Gefüge, 89). Die Vorschrift von V.9 bezieht sich jedoch auf die gesamte Priesterschaft, die an den TWMB Dienst getan hat (TWMBH JNHK), schließt mithin die Kultbediensteten der Kulteinrichtungen im Stadttor ein. – Die Priesterschaft der TWMB in der Umgebung Jerusalems scheint dagegen von dieser Bestimmung ausgenommen zu sein – vermutlich weil die dortigen Kultbräuche ausdrücklich mit der Verehrung fremder Götter in Verbindung gebracht werden (vgl. V.13), während V.9 nahe legt, dass es sich bei den TWMBH JNHK um Jahwepriester handelt.
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(we-x-qāṭal, vgl. V.12, V.13f.71 und V.15*). Anders als in V.4–11 lässt sich hier kein durchlaufender Handlungsprogress feststellen, stattdessen werden verschiedene Kultinstallationen listenartig aufgezählt. Eine konsekutive Handlungsfolge begegnet nur vereinzelt, wo innerhalb einer Maßnahme mehrere Teilhandlungen voneinander unterschieden werden sollen (vgl. V.12b.14.15b). Die topographische Anordnung der Verse, die bereits beschrieben worden ist und die von der näheren Umgebung des Jerusalemer Tempels bis zum Heiligtum von Bet-El verläuft, scheint jedoch an ihrem Beginn gestört zu sein. Vers 12 erwähnt neben den Altären auf dem Dach, dem Obergemach des Ahas, d.h. das Obergeschoss, das König Ahas hatte errichten lassen, die Altäre, die König Manasse in den beiden Vorhöfen des Tempels (HWHJ TJB TWRZCB) aufgestellt hatte. Während unklar ist, ob sich die erste Ortsangabe auf den Tempel oder auf den königlichen Palastkomplex bezieht, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tempel befand72, verweist die zweite Angabe eindeutig auf den Tempelbezirk. Dafür bieten sich grundsätzlich zwei Erklärungsmöglichkeiten an: entweder wollte der Verfasser zwischen dem HWHJ TJB und den HWHJ TJB TWRZC unterscheiden – im Sinne einer absteigenden Nähe zum Allerheiligsten als dem kultischen Zentrum (vgl. den Übergang vom HWHJ LKJH, zu dem nur die Priester Zutritt hatten, zum HWHJ TJB in V.4–7) – oder die Zusammenstellung in V.12 verdankt sich wiederum sachlichen Gründen, in diesem Fall der Identität der kultarchitektonischen Terminologie ( CBXM), die durch 71
Die Vorgänge in V.14 sind syntaktisch der Maßnahme gegen die TWMB in V.13 beigeordnet (weqāṭal-x). Dabei kann zunächst offen bleiben, ob sich die Notiz über die Zerstörung der Maṣṣeben und Ascheren nur auf die Kultanlagen auf dem Ölberg bezieht oder auf das ganze Gebiet Judas ausgreift (vgl. 1Kön 14,23), s. unten, S. 429–431. 72 Die Frage wird in der Forschung unterschiedlich beantwortet, wobei nicht zuletzt die literarkritische Beurteilung des Ausdrucks XCA TJLY eine Rolle spielt. Die Wendung wird meist als sekundäre Glosse gewertet (vgl. GRAY, 737; SPIECKERMANN, Juda, 111 Anm. 174; EYNIKEL, Reform, 347; BARRICK, King, 76), die den lokalen Haftpunkt der kultischen Installationen auf dem Dach vom Tempel- in den Palastbezirk verschiebe. Ursprünglich sei von Einrichtungen auf dem Dach eines Gebäudes im Tempelbezirk die Rede gewesen, wofür in erster Linie auf die Lokalisierung der Altäre, die Manasse in den beiden Vorhöfen des Tempels errichtet hatte, verwiesen wird. Umgekehrt hatte bereits C.-F. Keil im Anschluss an Thenius vermutet, dass sich das Obergemach des Ahas im Bereich des Tempelbezirks befand: „Da jedoch vorher und nachher von den im Tempel befindlichen Gegenständen des Götzendienstes die Rede ist, so wird wohl auch dieser Söller ein Obergemach eines Tempelvorhofgebäudes gewesen sein ..., vielleicht des Thoreinganges, welchen Ahas bei Verlegung des äußeren Eingangs in den Tempel ... erbaut hatte, da die Thorgebäude nach Jer. 35,4 obere Stockwerke hatten.“ (K EIL, 402, vgl. GRAY, 699, unter Hinweis auf Jes 38,8 in 1Q Jesa). Weder die Angaben in 2Kön 23, 12 noch eine Verbindung mit den XCA TWLYM in 1Q Jesa erlauben jedoch eine sichere Ortsbestimmung der als XCA TJLY bezeichneten architektonischen Installation (s. unten, S. 413f.).
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den gemeinsamen Bezug auf astrale Kultpraktiken vielleicht noch unterstrichen werden kann.73 Nimmt man die skizzierten Beobachtungen zur syntaktischen und semantischen Struktur des Textes zusammen, ergibt sich eine Unterteilung in zwei Hauptabschnitte, die einem topographischen Gliederungsprinzip folgen. Beide Hauptteile werden durch die Inklusion der Ortsangabe Bet-El in V.4b und V.15 eng miteinander verzahnt. Innerhalb dieser Abschnitte lassen sich anhand syntaktischer und semantischer Textsignale mehrere Unterabschnitte identifizieren, in denen das topographische Aufbauprinzip durch sachlogische Verknüpfungen erweitert und teils überlagert wird: V.4–11 kultpolitische Reformen am königlichen Heiligtum in Jerusalem V.4f. Beseitigung von Kultgeräten und Kultpersonal für den Ba‘al- und Ascherakult und die Verehrung des Himmelsheeres (HWHJ LKJH) V.6f. Beseitigung der Ascherafigur im Jerusalemer Tempel (HWHJ TJB) und mit ihr verbundener Kulteinrichtungen V.8–10 Sammlung der judäischen Landpriesterschaft und Verunreinigung der TWMB V.11 Beseitigung des Kultinventars solarer Kultriten am Jerusalemer Tempel (TJB HWHJ) V.12–15 kultpolitische Reformen in der Umgebung des Jerusalemer Tempels V.12 Zerstörung der Dachaltäre und der Altäre für das Himmelsheer in den Vorhöfen des Tempels (HWHJ TJB TWRZC) V.13f. Beseitigung der TWMB „gegenüber von Jerusalem“ V.15 Zerstörung kultischer Installationen im Heiligtum von Bet-El Exkurs 1: Der Gebrauch der syntaktischen Fügung weqāṭal-x in den Königsbüchern74 Bevor die literarische Kohärenz und das religionsgeschichtliche Relief des Reformberichts im Einzelnen untersucht werden sollen, müssen einige grundsätzliche Überlegungen zur syntaktischen und pragmatischen Funktion der oben erwähnten weqāṭal-x Sätze vorangestellt werden, die wiederholt als Kriterien für die Beurteilung der literarischen Integrität des Textes und seiner sprachgeschichtlichen Einordnung herangezogen worden sind. Die Analyse der Kompositionsstruktur des Abschnitts hat bereits die Richtung gewiesen, in der eine Antwort auf die skizzierten Fragen zu suchen ist. Dennoch soll hier zunächst noch einmal das grammatische Problem vor das die weqāṭal-x Formationen die sprachliche Analyse des Reformberichts stellen, in Erinnerung gerufen werden. Die nachfolgenden sprachgeschichtlichen Erwägungen gehen von der Grundannahme aus, dass im Biblischen Hebräisch Zeitbezüge weder durch ein reines Aspektsystem (perfektiv / imperfektiv), noch durch ein absolutes Zeitstufensystem, sondern durch ein relatives Tempussystem zum Ausdruck gebracht werden, wie es im Anschluss an die sprachtheoretischen Überlegungen von A. Denz zuerst von R. Bartelmus auf noetischer Grund-
73
Siehe unten, S. 415–420. Die im Folgenden gebotene forschungsgeschichtliche Skizze basiert im Wesentlichen auf meinem Beitrag Tempus und Syntax, 160–169. 74
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lage dargestellt worden ist.75 Nach diesem Modell kommt der Afformativ- oder Suffixkonjugation die Grundfunktion der Vorzeitigkeit (Vergangenheit), der Präformativkonjugation die Grundfunktion der Nachzeitigkeit (Zukunft) zu.76 Diesen beiden „einfachen“ Verbformen, die noch durch das Partizip aktiv zur Bezeichnung der Gleichzeitigkeit (Gegenwart) ergänzt werden, korrespondieren die beiden „zusammengesetzten“ Verbformen wajjiqṭōl (Imperfectum consecutivum) und weqāṭal (Perfectum consecutivum), deren Funktion darin besteht, die einmal durch eine „einfache“ Verbform erreichte Zeitstufe fortzuschreiben. Dabei dient wajjiqṭōl vorwiegend zum Ausdruck des Handlungsprogresses in der Vergangenheit, weqāṭal zum Ausdruck des Handlungsprogresses in der Zukunft bzw. bei iterativen oder generellen Sachverhalten. Die „zusammengesetzten“ Verbformen übernehmen gewissermaßen die Funktionen der vorangehenden „einfachen“ Verbform, wo diese unter dem Gesichtspunkt des Progresses artikuliert werden sollen.77 Überträgt man dieses Modell auf das syntaktische Gefüge des Reformberichts in 2Kön 23,4–15, dann ergibt sich der auffällige Befund, dass die weqāṭal-Formen hier weder zur Bezeichnung des Progress in der Zukunft noch zum Ausdruck der Iterativität dienen, sondern individuelle Sachverhalte der Vergangenheit berichten, ohne dass ein Funktionsunterschied zu den sie umgebenden wajjiqṭōl-Formationen zu bestehen scheint.78 Eine funktionsgleiche Verwendung von weqāṭal und wajjiqṭōl zum Ausdruck des Handlungsprogresses in der Vergangenheit („Narrativ“79) käme jedoch einer sprachlichen Schizophrenie gleich, da kaum anzunehmen ist, dass eine formenarme Sprache wie das Biblische Hebräisch zwei morphologisch unterschiedene Verbformen zur Bezeichnung desselben Sachverhalts ausgebildet bzw. zwei noetisch in Opposition zueinander stehende Sachverhalte durch eine gemeinsame Verbform ausgedrückt hat. 80 Dann stellt sich jedoch die Frage, wie das Nebeneinander beider syntaktischer Formationen im vorliegenden Text zu erklären ist.
75
Vgl. BARTELMUS, HYH. Es sei ausdrücklich betont, dass dieses Modell auf einer synchronen Analyse der masoretischen Textform beruht und die Fragen einer diachronen Sprachgeschichte des Hebräischen nur am Rande berührt. Die Geschlossenheit und Tragfähigkeit des Modells – zumindest im Bereich biblisch-hebräischer Prosa – unterstreicht jedoch seine hohe Valenz. Eine grammatische Analyse des inschriftlichen Materials der vorexilischen Zeit, die in Einzelfragen zu abweichenden Ergebnissen gelangt, hat S CHÜLE, Syntax, vorgelegt. 76 Die Grundfunktion der Afformativkonjugation wird durch die Nebenfunktionen der Perfektivität (Aspekt, bzw. Zeitablaufsverhältnis), punktueller Aktions- oder Ablaufsart und retrospektivem Richtungskoeffizienten (zu dieser Beschreibungskategorie vgl. BARTELMUS, HYH, 44f.), diejenige der Präformativkonjugation durch imperfektiven Aspekt, punktuelle Aktionsart und prospektiven Richtungskoeffizienten ergänzt. 77 Vgl. die tabellarische Übersicht bei BARTELMUS, HYH, 47. Eine alternative Sicht des althebräischen Tempussystems hat jüngst BLUM, Verbalsystem, vertreten. Für die Unterscheidung verschiedener Bedeutungsebenen bei der Formenbildung, die erst im Verbund die volle Bedeutung der jeweiligen Verbalform erschließen, hat zuletzt wieder DIEHL, Imperfekt, mit guten Gründen plädiert. 78 Vgl. V.4b.5.8b.10.12b.14a.15b. Neben den sieben weqāṭal-Sätzen begegnen in dem Abschnitt zwölf syntaktische Fügungen mit wajjiqṭōl und vier nach dem Typ we-x-qāṭal. 79 Zur Bezeichnung „Narrativ“ für die Form wajjiqṭōl als Haupterzähltempus im Biblischen Hebräisch vgl. KÖHLER, Syntactica, 299f. 80 Vgl. WEIPPERT, Petition, 457f.; BARTELMUS, Verbform, 371.
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Dazu ist zunächst an eine weitere Gebrauchsweise von weqāṭal im Biblischen Hebräisch zu erinnern, die in der Diskussion über die syntaktische Struktur des Reformberichts weitgehend unberücksichtigt geblieben ist. Neben der Verwendung zur Bezeichnung des Progresses der Nachzeitigkeit bzw. bei iterativen oder generellen Sachverhalten sowie nach auslösenden Verbalformen 81, kommt der Verbform an einer Reihe von Stellen eine koordinierende Funktion zu, die unter der Bezeichnung Perfectum copulativum Eingang in die hebraistische Diskussion gefunden hat. 82 Unter diesen Sprachgebrauch sind solche Stellen zu rechnen, an denen zwei unmittelbar aufeinander folgende Perfektformen zur Bezeichnung zweier sachlich identischer Sachverhalte durch einfaches W verknüpft werden (Hendiadys, vgl. Dtn 2,30; 1Sam 12,2; Jes 1,2). Die gleiche Konstruktion begegnet dort, wo zwei oder mehrere semantisch eng aufeinander bezogene, abgeschlossene Sachverhalte koordiniert werden, der Erzählprogress also unterbrochen und eine Neben- oder Begleithandlung zur Haupthandlung eingeführt wird (vgl. Gen 28,6; 2Kön 14,7; Am 7,4).83 Dabei bildet die Unterbrechung des Handlungsprogresses das entscheidende Merkmal der syntaktischen Fügung. In allen diesen Fällen liegt aus der Perspektive des Erzählers quasi eine „punktuelle Gleichzeitigkeit“ der Handlungen vor. Als eine Sonderform dieses Sprachgebrauchs können Aufzählungen gelten, bei denen eine Reihe von individuellen Sachverhalten der Vergangenheit durch koordinierendes weqāṭal zu einer Handlungseinheit verbunden werden, ohne dass sie in eine sequentielle Folge zueinander gesetzt würden (vgl. 2Kön 18,4).84 Die Schwierigkeit der Differenzierung beider Verwendungsweisen von weqāṭal besteht darin, dass sie morphologisch nicht zu unterscheiden sind. Ihre unterschiedliche Betonung in den Formen der 1.Pers. c. Sg. und der 2.Pers. m. Sg. geht auf die masoretische Aussprachetradition zurück und kennt eine ganze Reihe von Ausnahmen. 85 In den Formen der 3.Pers. m. Sg., wie sie im Reformbericht vorliegen, ist eine solche Unterscheidung unmöglich; sie kann ausschließlich aus dem jeweiligen Kontext erhoben werden. Ungeachtet der offenen Frage, ob eine grammatische Differenzierung zwischen Perfectum consecutivum und Perfectum copulativum angesichts des skizzierten morphologischen Befundes sinnvoll ist, oder ob beide Verwendungsweisen besser unter die Kategorie des Perfectum consecutivum zu subsumieren wären, ist an der funktionalen Unterscheidung zwischen der Verwendung von weqāṭal zur Bezeichnung des Handlungsprogresses der Nachzeitigkeit bzw. bei iterativen oder generellen Sachverhalten und dem
81 Vgl. Ges.-K. § 112; MEYER, Grammatik, § 101; DIEHL, Fortführung (weqāṭal nach Imperativ). 82 Vgl. Ges.-K. § 112pp; WALTKE / O’CONNOR, Syntax, 540. 83 Weitere Belege bei DRIVER, Treatise, § 131; JOHNSON, Perfekt; WALTKE / O’CONNOR, Syntax, 540–542. 84 2Kön 18,4 berichtet von kultpolitischen Reformen des Königs Hiskia, der die TWMB entfernt (RWO Hif.), die Maṣṣeben zerbrochen (RBVW), die Ascheren abgehauen (TRKW) und die kupferne Schlange, die Mose gemacht hatte, zerschlagen hat ( TTKW). Dabei ist deutlich, dass die einzelnen Maßnahmen (actions) weder eine narrative Ereignisfolge ( plot) bilden, noch je für sich stehen, sondern einen nicht-sequentiellen Ereigniszusammenhang (event) darstellen, was syntaktisch durch die Beiordnung ausgedrückt wird. 85 Dessen ungeachtet gibt die abweichende masoretische Akzentsetzung noch zu erkennen, dass sich die Masoreten des Unterschiedes zwischen Perfectum consecutivum und Perfectum copulativum sehr wohl bewusst waren. Aus diesem Grund haben JOÜON / MURAOKA, Grammar, § 115c.117, vorgeschlagen, terminologisch zwischen weqāṭaltí (waw consecutivum) und weqāṭálti (waw copulativum) zu unterscheiden.
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koordinierenden, nicht-progresshaften Gebrauch der Verbalform zum Ausdruck der Zusammenordnung zweier oder mehrerer, punktuell gleichzeitiger, individueller Sachverhalte der Vergangenheit festzuhalten. Das verbreitetste Modell zur Deutung des Wechsels von weqāṭal- und wajjiqṭōlFormationen im Reformbericht geht von der Voraussetzung aus, dass beide Verbformen im Text funktionsgleich zur Bezeichnung des Handlungsprogresses in der Vergangenheit verwendet werden, und ist in seiner klassischen Form zuerst von B. Stade vertreten worden, der im Rahmen seiner sprachlichen Analyse von 2Kön 10–14 auf das Problem aufmerksam wurde und die These aufstellte, dass sich in der Verwendung von weqāṭal in der Funktion als Narrativ aramäischer Spracheinfluss geltend mache, da im Aramäischen die Afformativkonjugation das Haupterzähltempus darstelle. 86 Diese These verband Stade mit der weitergehenden Annahme, dass ein solcher aramaisierender Einfluss auf das Hebräische frühestens seit der exilisch-nachexilischen Zeit wahrscheinlich zu machen sei, sodass dort, wo in älteren Texten weqāṭal-Formen funktionsgleich neben Narrativformen begegnen, es sich entweder um einen Textfehler handeln müsse, oder eine spätere Glosse vorliege, die bereits aramäischem Spracheinfluss unterliegt. Mit Bezug auf den Reformbericht in 2Kön 23,4–15 wertet Stade die weqāṭal-Formen entsprechend als literarkritisches Indiz und kommt zu dem Ergebnis, dass alle Vorkommen von weqāṭal im Reformbericht entweder als Textfehler oder als sekundäre Erweiterungen des Grundtextes anzusprechen seien.87 Die sprachgeschichtliche Grundthese Stades, dass die Verwendung von weqāṭal als Narrativ in 2Kön 23,4–15 und verwandten Texten auf aramäischen Spracheinfluss zurückgehe, ist in der alttestamentlichen Forschung weithin übernommen worden und hat auch Eingang in die hebraistischen Lehrbücher gefunden.88 Strittig war in der weiteren Diskussion lediglich der Zeitpunkt, ab wann mit einem aramaisierenden Einfluss auf das Hebräische zu rechnen sei. Nachdem R. Meyer zunächst für eine sehr frühe Herleitung von narrativ gebrauchtem weqāṭal aus dem Kanaanäischen des zweiten Jahrtausends plädiert hatte89, war es vor allem H. Spieckermann, der alle angeblich frühen Belege für weqāṭal in der Funktion als Narrativ einer kritischen Sichtung unterzog und zu dem Ergebnis kam, dass aufgrund des alttestamentlichen sowie des epigraphischen Befundes erst ab dem Ende des 8. Jh.s v.Chr. unter dem Einfluss assyrischer Verwaltungspraxis mit einer aramaisierenden Beeinflussung des Hebräischen zu rechnen sei. 90 Seine Argumen-
86
Vgl. STADE, Anmerkungen, 194–196. Vgl. a.a.O., 194f. 88 Vgl. Ges.-K. § 112pp; DRIVER, Treatise, § 133 (mit Einschränkungen für die vorexilische Zeit); BARTELMUS, Einführung, 106; WALTKE / O’CONNOR, Syntax, 541. Vorsichtiger äußert sich JENNI, Lehrbuch, 267, der im Blick auf das Verbalsystem des Biblischen Hebräisch zwar auf die spätere sprachgeschichtliche Entwicklung hinweist, in der das Imperfectum consecutivum als Erzählform in den Hintergrund tritt, ohne dies jedoch mit der Einwirkung des Aramäischen zu begründen. 89 Vgl. MEYER, Erzählungsstil; DERS., Grammatik, § 101. Hauptbeleg für Meyers These war das sog. Deboralied, in dem sich der früheste Beleg für narrativ verwendetes weqāṭal im Alten Testament finden ließe (vgl. Jdc 5,26). Angesichts der komplexen Datierungsfragen und der poetischen Gestaltung des Deboraliedes vermag dieser vereinzelte Beleg die weitreichenden Schlussfolgerungen Meyers jedoch kaum hinreichend abzusichern, vgl. zu den textlichen und historischen Problemen des Deboraliedes SCHERER, Religion, 118–187; PFEIFFER, Jahwes Kommen von Süden, 31–91; GROSS, 288–349. 90 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 120–130. 87
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tation stützte sich dabei nicht zuletzt auf ein Ostrakon aus Meṣad Ḫašavjāhû, in dem der von Spieckermann postulierte narrative Gebrauch des Perfectum copulativum – in der Terminologie Spieckermanns (!) – neben Imperfectum consecutivum auch inschriftlich belegt sei.91 M. Weippert hat jedoch schlüssig nachweisen können, dass die beiden weqāṭal-Formen, auf die Spieckermann sich bezieht, in der Inschrift nicht funktionsgleich mit dem Narrativ verwendet werden, sondern eine Begleit- oder Nebenhandlung zur Haupthandlung bezeichnen, wie es dem Sprachgebrauch des klassischen Hebräisch entspricht.92 Die zeitliche Ansetzung eines aramaisierenden Einflusses auf das hebräische Tempussystem, den auch Weippert nicht bestreitet, wäre damit wieder völlig offen. Wie verhält es sich aber grundsätzlich mit der These eines aramaisierenden Sprachgebrauchs im Blick auf die weqāṭal-Formation im Biblischen Hebräisch? Die These setzt einerseits die Verwendung der Afformativkonjugation als Erzähltempus im (Alt-)Aramäischen und andererseits deren Aufnahme im Mittel- bzw. Neuhebräischen voraus, in dem die wajjiqṭōl-Formation ganz außer Gebrauch kommt. So unstrittig der Endpunkt der sprachgeschichtlichen Entwicklung im Mittel- bzw. Neuhebräischen ist93, so problematisch erscheint bei genauerem Hinsehen die Annahme eines narrativen Perfectum copulativum im Biblischen Hebräisch. Bereits Spieckermann hatte darauf hingewiesen, dass in der alttestamentlichen Literatur der nachexilischen Zeit, in der die sprachliche Beeinflussung des Hebräischen durch das (Reichs-)Aramäische immer mehr zugenommen hat, der weqāṭal-Formation als Erzähltempus nur „periphere Bedeutung“ zukommt, während wajjiqṭōl bis in die Spätschriften des Alten Testaments das klassische Erzähltempus geblieben ist.94 Diese Feststellung wird noch durch eine weitere Beobachtung unterstützt. K. Koch hat zu Recht den Einwand erhoben, dass weder im Biblischen Aramäisch noch in den Textfunden von Qumrân eine gehäufte Verwendung von weqāṭal-Formen in der Funktion des Narrativs festgestellt werden könne.95 Vielmehr treten im Biblischen Aramäisch neben das Imperfectum consecutivum synthetische Mittel zur Darstellung des Erzählprogresses ein.96 Es ist aber ganz unwahrscheinlich, dass das Aramäische zeitgleich zwei verschiedene syntaktische Konstruktionen (weqāṭal und Temporaldeiktika) zur Darstellung des gleichen Sachverhalts (Progress in der Vergangenheit) ausgebildet haben sollte. Schließlich ist bereits der Ausgangspunkt der angenommenen sprachgeschichtlichen Entwicklung keineswegs so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheinen könnte.
91 Vgl. a.a.O., 129 (vgl. zum Text nebst philologischem und historischem Kommentar jetzt HAE I, 315–329; WEIPPERT, Textbuch, 371f.). 92 Vgl. WEIPPERT, Petition, 464f. Alternativ könnte man die Wortform mOAW in Mhas (7):1,5.7 in Fortführung des Imperfectum consecutivum LKJW als Infintiv absolutus interpretieren (vgl. HAE I, 325f.). KRÜGER, Ostrakon, hat dagegen vorgeschlagen, mOAW als Perfectum consecutivum zu verstehen und modal wiederzugeben. – Wegen des fragmentarischen Erhaltungszustands und der noch ausstehenden Endpublikation des Materials bleibt es unsicher, ob die gleiche Konstruktion auch in KAgr (9):10,1 belegt ist ([…] nNC nTNW), vgl. HAE I, 64. 93 Vgl. MEYER, Grammatik, § 101,7. 94 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 128. 95 Vgl. KOCH, Gefüge, 87. Lediglich bei eingliedrigen Verbalsätzen begegnet aus verständlichen Gründen häufiger weqāṭal (vgl. die Belege bei BAUER / LEANDER, Grammatik, § 79h–i), vgl. zur Verwendung des Perfekt im sog. Reichsaramäisch jetzt die erhellende Untersuchung von GZELLA, Tempus. 96 Vgl. dazu WILLI-PLEIN, Daniel 6.
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Zwar kennt das (Alt-)Aramäische (wie das Hebräische) einfaches qāṭal in Erzählungen zur Darstellung individueller Sachverhalte der Vergangenheit97, daneben begegnet im selben narrativen Kontext aber auch wajjiqṭōl zur Darstellung des Handlungsprogresses, wie sich sowohl aus entsprechenden Formen in der Zkr-Inschrift als auch in den so genannten Bileam-Fragmenten aus Tell Dēr ‘Alla und der Tell Dan Inschrift ergibt. 98 Damit bestätigt sich die frühere Vermutung von R. Degen, dass in erzählendem Kontext „die wayyiqtol-Konstruktion auch im A[lt]a[ramäischen] geläufig war“.99 Unterzieht man ferner die von Spieckermann zusammengestellten etwa 200 „sicheren“ Belege für weqāṭal als Erzähltempus im Alten Testament einer kritischen Prüfung, so zeigt sich, dass nahezu alle angeführten Stellen nach den Regeln der klassischen hebräischen Grammatik verstanden werden können und dass sich die Annahme eines aramaisierenden Perfectum copulativum als „Ersatzform“ des Imperfectum consecutivum im Biblischen Hebräisch nicht bewährt.100 Dann verlangt aber das Vorkommen der weqāṭal-Formen im Reformbericht eine anderweitige Erklärung. Einen gewichtigen Vorschlag in diese Richtung hat Koch unterbreitet. Er stellt zunächst zu Recht die verbreitete Annahme in Frage, die weqāṭal-Formationen würden im Reformbericht funktionsgleich mit dem Narrativ verwendet, und macht auf die oben skizzierten Schwierigkeiten des sprachgeschichtlichen Befundes aufmerksam. 101 Stattdessen unternimmt er den Versuch, die drei verschiedenen Satzformationen, die im Reformbericht begegnen (wajjiqṭōl-x, weqāṭal-x und we-x-qāṭal), in ihrer je eigenen syntaktischen Funktion und semantischen Bedeutung zu erfassen. Für die weqāṭal-Formationen kommt Koch zu dem Schluss, dass ihnen ein resultativer Charakter eigne: weqāṭal werde dort verwendet, „wo eine abgeschlossene Handlung mit dauerhafter und wichtiger Wirkung hervortritt“.102 Als ein sprechendes Beispiel für diesen Gebrauch verweist er auf die Endlagerung der unreinen Asche der Kultgeräte für Ba‘al, Aschera und das Himmelsheer (V.4, vgl. V.12b): „Die nach Betel oder ins Qidrontal gebrachte Asche ist dort verblieben, hat diese Orte bleibend disqualifiziert“.103 Die weqāṭal-Formationen treten dort auf, wo „es sich um eine abschließende Notiz über das betroffene Objekt handelt“. 104 Dagegen begegnen die gleichen Verben der Zerstörung und Verunreinigung im Narrativ, wenn von Zwischenereignissen, die von nachfolgenden Handlungen überholt werden, die Rede sei (vgl. V.6f.) oder wenn Nebenereignisse, die neben der Haupthandlung verlaufen, be-
97
Vgl. DEGEN, Altaramäische Grammatik, § 74. Die inschriftlichen Belege stammen sämtlich aus dem 8. Jh. v.Chr. (vgl. SCHÜLE, Syntax, 178–180.195–203); zum Tempusgebrauch der Tell Dan Inschrift vgl. EMERTON, New Evidence; DERS., Comments; TROPPER, wyqtl; MURAOKA, Inscription. 99 Vgl. DEGEN, Grammatik, 114f. Anm. 21 (115). 100 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 125–128. Eine Durchsicht aller einschlägigen Belege kann hier nicht erfolgen; für die erzählende Literatur der nachexilischen Zeit vgl. vorläufig PIETSCH, Aramaismus, und zum sprachlichen Befund bei Ezechiel BARTELMUS, Verbform, 108–116. 101 Vgl. KOCH, Gefüge, 83f.87. 102 A.a.O, 86. Ähnlich argumentiert VON SODEN, Aramaismen, der jedoch in diesem Zusammenhang eine „Sonderverwendung“ des Habitativs „zur Kennzeichnung von auf Dauer gerichteten Handlungen oder Vorgängen“ in den Königsbüchern postuliert (a.a.O., 38). 103 KOCH, Gefüge, 86. 104 Ebd. 98
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richtet würden (vgl. V.8.14a).105 Der dritten Satzformation we-x-qāṭal schließlich komme ebenfalls resultative Bedeutung zu, jedoch nicht mit der gleichen Endgültigkeit wie bei den weqāṭal-Formationen. Letzteres illustriert Koch u.a. an der Handlungsfolge in V.11f., die zunächst von der Zerstörung der Sonnenwagen und Altäre berichten (we-x-qāṭal, vgl. V.11b.12a), um dann mit weqāṭal das endgültige Ausstreuen ihrer Asche ins Kidrontal zu konstatieren (vgl. V.12b).106 Grundsätzlich weist Koch in die richtige Richtung, wenn er darauf insistiert, die unterschiedlichen syntaktischen Fügungen nicht über einen Kamm zu scheren, sondern funktional zu differenzieren. Inwieweit die von ihm vorgeschlagene Funktionsbestimmung zu überzeugen vermag, bleibt dagegen zu prüfen. Koch selbst weist darauf hin, dass bei seiner Deutung der Sprachgebrauch in V.6, wo in analoger Weise zu V.4 und V.12 vom Ausstreuen der Asche der Aschera im Narrativ gesprochen wird, auffällig ist.107 Seine Erklärung, die Gräber, über denen die Asche verstreut wurde, sollten weiter benutzt und daher nicht endgültig disqualifiziert werden, vermag jedoch kaum zu überzeugen. Nicht weniger problematisch ist seine Erklärung des Wechsels der syntaktischen Konstruktion im Zusammenhang der Notizen über die Zerstörung von Kultanlagen im Tempelbezirk (wajjiqṭōl, vgl. V.7) bzw. im Stadttor und auf dem „Ölberg“ (weqāṭal, vgl. V.8b und V.14a): Kochs Vermutung, die Überreste der Letzteren sollten – als mahnendes Beispiel – liegen bleiben, während erstere alsbald entfernt wurden, bleibt Spekulation.108 Gleiches gilt für die unterschiedliche Verwendung der Wurzel TBV Hif., die in V.5 als weqāṭal- und in V.11a als wajjiqṭōl-Form belegt ist, ohne dass zwischen der Beendigung der Tätigkeit der mJRMK bzw. der Pferde der Sonne109 ein qualitativer Unterschied festgestellt werden könnte. Beide werden veranlasst, ihre bisherige (kultische) Tätigkeit endgültig einzustellen. Wenig plausibel erscheint schließlich die Annahme, dass mit den wajjiqṭōl-Formationen in V.8 und V.14 Nebenhandlungen „draußen in der Provinz“ 110 bezeichnet würden. Vielmehr ist nach den klassischen Regeln hebräischer Grammatik zu erwarten, dass Neben- oder Begleithandlungen zur Haupthandlung durch weqāṭal (oder bei Hintergrundinformationen durch we-x-qāṭal), aber nicht durch wajjiqṭōl ausgedrückt würden. Letzteres führt vielmehr die Haupthandlung fort bzw. bildet den Textvordergrund. Lässt sich demnach die von Koch vorgeschlagene syntaktische und semantische Differenzierung zwischen weqāṭal- und wajjiqṭōl-Formen im Reformbericht vom Sprachgebrauch des Textes her kaum halten, so gilt Vergleichbares für seine Unterscheidung von weqāṭal- und we-x-qāṭal-Formationen. Der von Koch festgestellte resultative (oder habitative) Charakter beider syntaktischen Formationen rührt vielmehr vom perfektiven Aspekt (bzw. Zeitablaufsverhältnis) der Afformativkonjugation her.111 Ein gradueller semantischer Unterschied kann aus der syntaktischen Differenzierung der beiden Formationen nicht herausgelesen werden und bewährt sich auch vom Textbefund her nicht. Weder ist zwischen der Entweihung des TPT (weqāṭal, V.10) und derjenigen der TWMB für die fremden Götter (we-x-qāṭal, V.13) eine graduelle semantische Differenz feststellbar, noch
105
Ebd. Vgl. a.a.O., 86f. 107 Vgl. a.a.O., 86. 108 Ebd. 109 Der Verbgebrauch bestätigt, dass es sich hierbei um lebende Tiere und nicht um Pferdestatuetten handelt, vgl. UEHLINGER, Kultreform, 75 Anm. 87. 110 KOCH, Gefüge, 86. 111 Vgl. MEYER, Grammatik, § 101,1. 106
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kann Kochs Auffassung des Handlungsgefüges in V.11b–12 gefolgt werden: Der relative Neueinsatz, der erzählerisch durch die Fügung we-x-qāṭal in V.12a signalisiert wird, zeigt vielmehr an, dass sich die weqāṭal-Form in V.12b ausschließlich auf die Überreste der zuvor zerstörten Altäre bezieht. So wichtig einerseits der Hinweis ist, die auffällige Verwendung von weqāṭal-Formen im Text des Reformberichts nicht vorschnell als Indiz sekundärer Erweiterungsarbeit unter dem Postulat eines aramäischen Spracheinflusses zu interpretieren, sondern ihre syntaktische Funktion im Textzusammenhang zu beachten, so wenig vermag seine semantisch-syntaktische Funktionsbestimmung den Textbefund abschließend zu erklären. Einen alternativen Ansatz zur Deutung des Nebeneinanders von weqāṭal- und wajjiqṭōl-Formationen in 2Kön 23,4–15, der in ähnlicher Weise um die Beachtung der syntaktischen Funktion der verschiedenen Satzformationen bemüht ist, hat Hardmeier entwickelt.112 Er unterscheidet grundsätzlich zwischen einer narrativ-konsekutiven Erzählfolge, bei der Einzelereignisse in einen unumkehrbaren zeitlichen Folgezusammenhang gestellt werden und so einen narrativen Spannungsbogen erzeugen (Konsekutivtempora), und Aufzählungstexten, die keine Erzählfolge konstituieren, sondern einzelne Maßnahmen additiv aneinanderreihen bzw. koordinieren (Perfectum copulativum).113 Letztere repräsentieren den perfektiven Aspekt von Ereignissen, die in der Sprecherperspektive als gleichzeitig abgeschlossene Handlungen zur Darstellung kommen. Solche listenähnlichen Aufzählungen finden sich neben 2Kön 23,4–15 etwa in 2Kön 14,7; 18,4 sowie außerbiblisch in der Moši‘-Stele.114 Die so gewonnene stilistisch-syntaktische Differenzierung verbindet Hardmeier mit einer literar- bzw. überlieferungskritischen Hypothese, indem er davon ausgeht, dass in 2Kön 23,4–15 ein älterer „Reformbericht“ aufgenommen, stilistisch überarbeitet und erweitert worden sei. Dieser ältere Textbestand, den Hardmeier mit Hilfe einer literaturgeschichtlich-kommunikationstheoretischen Analyse aus dem vorliegenden Erzählzusammenhang rekonstruiert115, sei durchgehend im nicht-konsekutiven Aufzählungsstil gehalten gewesen (weqāṭal bzw. we-x-qāṭal). Die Narrativformen, die sich jetzt im Text des Reformberichts finden, gingen sämtlich auf redaktionelle Erweiterungen bzw. stilistische Transformationen des Textes bei seiner Einarbeitung in die narrativ-konsekutive Erzählfolge von 2Kön 22,3–23,24 zurück (vgl. V.4a.6f.11).116 M.a.W., der syntaktische Wechsel von weqāṭal und wajjiqṭōl wird hier nicht im Sinne einer sprachgeschichtlich sekundären Entwicklung zum Indiz literarkritischer Dekomposition, sondern umgekehrt aufgrund stilistisch-textpragmatischer Überlegungen zum Kriterium literarischer Priorität erhoben.
112
Vgl. HARDMEIER, König, 124f.138f. Vgl. a.a.O., 125 Anm. 65 (ähnlich bereits OESTREICHER, Grundgesetz, 31f.). 114 In 2Kön 14,7 werden zwei militärische Erfolge des Königs Amazja von Juda im Grenzgebiet zu Edom berichtet, die durch weqāṭal miteinander verknüpft sind, wobei der Sieg über die Edomiter im „Salztal“ als übergeordnete Handlung fungiert, der die Eroberung und Umbenennung von YLOH in LATQJ beigeordnet wird. – In Zeile 22–28 der Moši‘-Inschrift zählt der moabitische König eine Reihe von Bau- und Restaurationsmaßnahmen auf, die er nach seinem Sieg über Israel in seinem Herrschaftsbereich unternommen hat. Die einzelnen Handlungen, die durch weqāṭal-Formen miteinander verbunden sind, werden aus der Perspektive des Erzählers zu einer nicht-konsekutiven, semantisch eng aufeinander bezogenen Einheit zusammengeordnet. 115 Vgl. HARDMEIER, König, 113–133. 116 Vgl. a.a.O., 124f. 113
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Der Ansatz Hardmeiers erscheint vor allem darin weiterführend, dass er die syntaktische Differenz zwischen weqāṭal- und wajjiqṭōl-Formationen mit Überlegungen zur Textpragmatik verknüpft und darin über Koch hinausgeht. Indem Hardmeier zwischen narrativ-konsekutivem wajjiqṭōl und kopulativem bzw. koordinierendem weqāṭal unterscheidet, lenkt er den Blick auf eine alternative Funktionsbestimmung der weqāṭal-Formen in 2Kön 23,4–15, die überdies in den Bahnen klassisch-hebräischer Syntax verbleibt. Die zentrale syntaktische wie textpragmatische Kategorie, die damit in der Unterscheidung der Satzformationen zum Tragen kommt, ist die Kategorie des Erzählprogresses (textpragmatisch gesprochen des Spannungsaufbaus resp. seiner Unterbrechung), die im relativen Tempussystem des Biblischen Hebräisch die charakteristische Funktion der Konsekutivtempora ausmacht. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass der stilistische Rigorismus, der Hardmeier dazu veranlasst, für seine literaturwissenschaftlich erhobene Vorstufenrekonstruktion eine durchgehende weqāṭal-Reihung zu postulieren, vom Textbefund her in keiner Weise gerechtfertigt erscheint. Weder kann er die Annahme einer redaktionellen narrativ-konsekutiven (Teil-)Bearbeitung des Textes wirklich plausibel machen, noch nötigt der übrige Sprachgebrauch im Alten Testament zu einer formgeschichtlich begründeten Trennung von nicht-progresshaftem, koordinierendem weqāṭal und narrativ-konsekutivem wajjiqṭōl, die vielmehr auch sonst verschiedentlich in Kontaktstellung begegnen. Dies soll abschließend an einigen Beispielen aus dem Textbereich der Königsbücher veranschaulicht werden. Von den 39 Belegen für das Perfectum copulativum in den Königsbüchern, die Spieckermann in seiner Übersicht aufführt, entfallen allein sieben auf den Reformbericht in 2Kön 23,4–15. Diese Stellen sollen im Zusammenhang der Einzelexegese genauer analysiert werden. Für eine Reihe weiterer Belege kann wahrscheinlich gemacht werden, dass die Verbform besser als Perfectum consecutivum mit futurischer oder iterativer Bedeutung zu bestimmen ist.117 Die verbleibenden etwa zwanzig Fälle, an
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Die syntaktische Fügung DJMYHW in 1Kön 12,32b wird von NOTH, 287, als Perfectum consecutivum mit frequentativer – besser: iterativer – Funktion bestimmt. Jerobeam setzte die TWMB-Priester, die er nach V.31 in Dienst gestellt hatte, dauerhaft in Bet-El ein. Der Satz beschließt die Reihe kultischer Neuordnungen, die Jerobeam laut 1Kön 12,31f. im Nordreich eingeführt hatte. Alternativ könnte erwogen werden, den Satz als Begleithandlung zum königlichen Opfervollzug zu verstehen. Der König stieg zum Altar hinauf (CBXMH LY LYJW, V.32a), um den Stierbildern zu opfern (vgl. 1Kön 12,26–30), zu deren Kultbediensteten er die „Höhenpriester“ in Bet-El bestellt hatte. Der illegitime Kult geschieht im Beisein (und unter Mitwirkung) der illegitimen Priesterschaft Bet-Els. In diesem Fall wäre die Unterbrechung des Handlungsprogresses die entscheidende Funktion der syntaktischen Konstruktion (Perfectum copulativum). – Ähnlich verhält es sich in 1Kön 13,3. Nachdem der Gottesmann ein Unheilswort gegen den Altar von Bet-El ausgerufen hat, das dessen Verunreinigung durch Josia zum Inhalt hatte (V.2), kündet er ein Beglaubigungszeichen an: TPWM AWHH mWJB nTNW (V.3aa). Der Ausdruck AWHH mWJB und die vorausgehende Unheilsansage könnten dafür sprechen, die Verbform am Beginn von V.3 als Perfectum consecutivum aufzufassen und futurisch zu übersetzen: „und er wird an jenem Tag ein Zeichen geben“ (vgl. NOTH, 290; COGAN, 367f. – dieses Textverständnis wird von einem Teil der Septuagintaüberlieferung gestützt, vgl. kai\ dw/sei LXXB.L). Das angekündigte Zeichen wäre dann auf die Zerstörung des Altars durch Josia zu beziehen (vgl. 2Kön 23,15). Im weiteren Verlauf der Erzählung wird das Eintreffen des Zeichens jedoch unmittelbar im Anschluss an die Reaktion Jerobeams auf das Wort des Gottesmannes berichtet (V.5), um dieses zu bestätigen. Dies wiederum legt ein Verständnis
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denen die syntaktische Fügung weqāṭal-x zur Bezeichnung eines individuellen Sachverhalts der Vergangenheit dient, sollen im Folgenden in ihrer kanonischen Abfolge diskutiert und die oben formulierte sprachgeschichtliche Hypothese auf ihre Plausibilität hin überprüft werden. Die ersten Belege finden sich innerhalb des Berichtes über den Bau des Tempels durch Salomo in 1Kön 6,32.35. Es handelt sich in beiden Fällen um Näherbestimmungen zur Herstellung der Türen am Eingang zum Hauptraum des Tempels ( LKJH) bzw. zum Allerheiligsten (RJBD), in dem die beiden Keruben standen (vgl. V.23–28). Nachdem Salomo die Türflügel aus Ölbaum- bzw. Zypressenholz hergestellt hatte (HSY, vgl. V.31. 33), ließ er – wie an den Wänden (vgl. V.29) – Keruben- und Palmettendarstellungen sowie verschiedene florale Elemente auf den Türflügeln einritzen ( YLQW) und überzog sie mit Gold (BHX HPZW).118 Der sonstige Sprachgebrauch des Bauberichts lässt erkennen, dass der Verfasser im Gebrauch der Tempora sorgfältig unterscheidet und je nach Aussageabsicht we-x-qāṭal oder wajjiqṭōl-x Formationen verwendet. Die Vorkommen der Wurzel HPZ in V.28 (Narrativ, vgl. V.20–22.30) bzw. YLQ in V.29 macht deutlich, dass es sich bei den weqāṭal-x Formationen in V.32.35 weder um einen aramaisierenden Narrativ noch um ein Perfectum consecutivum mit frequentativer Bedeutung handeln kann.119 Es legt sich vielmehr nahe, dass die syntaktische Fügung hier jeweils eine Begleit- oder Nebenhandlung zur Herstellung der Türen, die die übergeordnete Handlung bildet, zum Ausdruck bringt. Diese Auffassung gilt übrigens unabhängig von der Frage, ob das Motiv
der Verbform in V.3 als Perfectum copulativum nahe, das die Ankündigung des Zeichens der Unheilsankündigung in V.2 koordiniert. Allerdings sind die literarischen Verhältnisse in 1Kön 13 schwierig, vgl. NOTH, 292f.; SPIECKERMANN, Juda, 114f. mit Anm. 184. – Dagegen ist die iterative Funktion des Perfectum consecutivum in 1Kön 14,27b einigermaßen deutlich. Nach dem Verlust der goldenen Tragschilde, die Rehabeam als Tribut dem ägyptischen Pharao Schischak überlassen hatte (V.25f.), ließ der König neue Schilde aus Bronze anfertigen (V.27a), die er den Oberbefehlshabern der königlichen Leibgarde (mJZRH) übergab (DJQPHW, V.27b), in deren Obhut sie fortan blieben. Wann immer der König den Palast verließ, um zum Tempel hinaufzugehen, trugen die Soldaten der Leibwache die Schilde und brachten sie anschließend an ihren Aufbewahrungsort zurück (vgl. V.28), vgl. NOTH, 331f. – Frequentativer bzw. iterativer Gebrauch des Perfectum consecutivum kann auch für 2Kön 12,10.12 erwogen werden (s. oben, S. 84). – Im Bericht über die kultpolitischen Missstände unter Manasse wird in 2Kön 21,4 allgemein die Errichtung von Altären im Tempelbezirk erwähnt, wobei unklar bleibt, ob es sich dabei um Jahwe-Altäre gehandelt hat (vgl. 2Kön 16,10–16) oder um Altäre für fremde Götter. Die syntaktische Fügung HWHJ TJBB TCBXM HNBW kann als generalisierende Aussage aufgefasst werden, die durch den Narrativ in V.5 aufgenommen und weitergeführt wird (vgl. K EIL, 388f.). Vers 6 führt dagegen eine Reihe von mantischen Praktiken auf, die Manasse fortwährend geübt haben soll und die unter das Verdikt von Dtn 18,10f. fallen. 118 Der Vorgang wird durch den Narrativsatz in V.32b dahingehend erläutert, dass das Blattgold nur auf die Keruben- und Palmettendarstellungen appliziert wurde, die vermutlich mit dem im Alten Orient verbreiteten Motiv des von Tieren bzw. Mischwesen flankierten heiligen Baumes zu verbinden sind (vgl. NOTH, 125f.). 119 In V.32a liegt eine Pendenskonstruktion mit pronominaler Aufnahme des pendierenden Objekts vor. Der syndetische Anschluss des Verbalsatzes ( YLQW) unterstreicht die Satzgrenze zwischen Pendens und zugehörigem Satz. Es ist jedoch nicht völlig auszuschließen, dass die Kopula auf eine Dittographie mit dem voranstehenden n zurückgeht.
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des Goldüberzugs hier sekundär in den Zusammenhang eingefügt worden ist oder nicht.120 Als nächstes ist kurz auf 1Kön 11,9f. zu sprechen zu kommen. Nachdem Salomo diverse Kultstätten für fremde Gottheiten errichtet hatte, entbrannte Jahwes Zorn gegen ihn. Als Begründung für den Zorn Gottes wird darauf verwiesen, dass dieser Salomo zweimal erschienen war (HAR Nif.) und ihm befohlen hatte (HWZW), keinen fremden Göttern zu dienen (vgl. 1Kön 3,14; 9,4.6). Die weqāṭal-x Formation zu Beginn von V.10 macht klar, dass es sich bei der Gebotsmitteilung um eine Begleithandlung zur Gotteserscheinung in V.9b handelt – das Verbot, fremde Götter zu verehren, ist Bestandteil der visionären Schau. Dabei ist es nachrangig, ob in V.9b mit dem masoretischen Text hannir’āh (AK + Art. in relativer Funktion)121 zu lesen ist oder die Form mit der Septuaginta als Partizip Nif‘al vokalisiert wird (hannir’æh)122 – im letzten Fall könnte die syntaktische Fügung weqāṭal-x auch als Perfectum consecutivum mit frequentativer Bedeutung aufgefasst werden. Die Septuaginta übersetzt an beiden Stellen partizipial. In 1Kön 20,21b wird der Sieg des Königs Ahab von Israel gegen den Aramäerkönig Ben-Hadad, der Ahab in dessen Hauptstadt Samaria belagert hatte, als ein „großer Schlag“ gefeiert. Die syntaktische Konstruktion HLWDG HKM mRAB HKHW weist die Wendung als eine Umstandsangabe zum vorhergehenden Satz aus, in dem es heißt, dass der König Pferde und Streitwagen der Aramäer schlug (kJW).123 Wie bereits der Verbgebrauch lehrt, liegt hier keine narrativ-konsekutive Ereignisfolge vor, sondern beide Handlungen bilden eine Aussageeinheit: der Sieg, den Ahab über die Aramäer errungen hatte, war ein großer Sieg gewesen. – Ganz ähnlich verhält es sich in V.27, wo der Ausdruck WLKLKW (LWK Polp., „[mit Lebensmitteln] versorgt werden“) eine Begleithandlung zur Musterung des israelitischen Heerbannnes (DQP Hitp.) bezeichnet. Beide Handlungen bilden den Texthintergrund für die Aufstellung des Heerbannes Israels gegenüber dem Heerlager der Aramäer (vgl. V.26f.). In der Erzählung von Nabots Weinberg wird berichtet, dass die Notabeln der Stadt, in der Nabot wohnt, der brieflichen Aufforderung Isebels nachkommen und ein Fasten (mWZ) ausrufen (vgl. 1Kön 21,12), bei dem sie Nabot an die Spitze des Volkes setzen ( WBJVHW). Die syntaktische Formation weqāṭal-x drückt auch an dieser Stelle keinen konsekutiven Handlungsprogress aus, sondern bezeichnet eine Begleithandlung zum Ausrufen des Fastentages. Beide Handlungen gemeinsam erläutern inhaltlich unter Rückgriff auf V.9 die allgemeine Bestimmung aus V.11 (HCLV RVAK … WSYJW, vgl. den asyndetischen Anschluss mit qāṭal-x in V.12a). Die Annahme einer narrativen Verwendung des Perfectum copulativum bewährt sich hier ebenso wenig, wie an den bisher diskutierten Stellen. Dies gilt wohl auch für die Fügung HWHJ JNARHW in 2Kön 8,10. Der Satz begegnet dort innerhalb der Antwort Elisas auf eine Gottesbefragung, die der erkrankte Aramäerkönig Ben-Hadad durch seinen Diener Hasaël bei dem Gottesmann durchführen lässt (V.7–15). Nachdem Elisa dem Boten zunächst aufträgt, dem König mitzuteilen, dass er von der Krankheit gewiss wieder genesen werde (HJCT HJC, vgl. V.8b), fährt er anschließend fort, dass Jahwe ihn habe sehen lassen (JNARHW), dass der König sicher sterben werde (TWM TWMJ). Das Nebeneinander beider sich scheinbar widersprechender Aussagen hat die Aus120
Vgl. dazu WÜRTHWEIN, 69f. Dieser Sprachgebrauch begegnet an meist späten Stellen des Alten Testaments (vgl. Ges.-K. § 138i–k). 122 Vgl. NOTH, 241f. 123 Die beliebte Textänderung zu CQJW (vgl. LXX kai\ e]labev, s. BHS, z.St.) ist unnötig (vgl. MONTGOMERY / GEHMAN, 928; COGAN, 465). 121
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leger seit frühester Zeit irritiert.124 Bereits der Adressat des Nachsatzes in V.10b ist unklar: dass die Worte noch Bestandteil des Gottesbescheids sind, den Hasaël dem König von Aram überbringen soll, ist angesichts des Wechsels von der Anredeform in die 3.Pers. m. Sg. unwahrscheinlich. Richten sich die Worte an Hasaël, der nach V.10a der Angesprochene ist? Dann läge in V.10b ein Verweis auf das gewaltsame Geschick vor, das Ben-Hadad erleidet (vgl. V.15). Aber selbst wenn dies als sicher zu gelten hätte, bliebe es fraglich, ob der Nachsatz das Attentat, das Hasaël auf Ben-Hadad verübt, legitimieren will.125 Vielmehr legt sich die Vermutung nahe, dass die Aussage die Absicht verfolgt, das prophetische Wort aus V.10a (sek.?) zu erläutern und mit den anschließenden Worten über Hasaël zu verbinden. Im letzteren Fall wäre es dem Bearbeiter vor allem darum zu tun, den Gottesmann gegenüber dem Vorwurf der falschen Prophetie zu entlasten. Die Antwort auf die Gottesbefragung, die Ben-Hadad in Auftrag gegeben hatte, lautete zwar: „Du wirst gewiss (von der Krankheit) genesen“. Das gewaltsame Geschick des Königs hatte Jahwe seinem Propheten jedoch nicht verborgen. Der eigentliche Adressat des Halbverses wäre dann der implizite Leser, der das Gotteswort der Propheten an der Prophetentheologie von Dtn 18,20–22 messen soll. Wie immer man die redaktionsgeschichtlichen Verhältnisse in diesem Abschnitt beurteilen mag126, syntaktisch liegt in V.10b eine Beiordnung vor, die sich in temporaler Hinsicht zum Empfang des Gotteswortes gleichzeitig verhält und am besten adversativ aufgelöst wird: „Geh, sage zu ihm: ‚Du wirst gewiss genesen‘. Jahwe aber hat mich sehen lassen, dass er gewiss sterben wird.“ Mit Blick auf 2Kön 14,7 ist bereits oben127 festgestellt worden, dass der Verbform SPTW koordinierende Funktion zukommt: Die Eroberung von Sela‘ und seine Umbenen124
Das Ketîb der masoretischen Textform bezeugt dagegen die Variante AL-RMA kL („geh, sage nicht“). Diese ist aber wohl als sekundärer Ausgleichsversuch zu beurteilen, der die beiden Aussagen in V.10a.b miteinander harmonisieren will. Die Kopula wäre bei dieser Lesung kausal aufzulösen (vgl. KEIL, 277). Die Variante gerät aber in einen Widerspruch mit der Notiz über die Übermittlung des Wortes des Gottesmannes an BenHadad in V.14, wonach Hasaël dem König ausrichtet: „Du wirst leben (= von der Krankheit genesen)“. Die Logik, die hinter dieser Interpretation steht, hat Keil wohl treffend formuliert: „der Widerspruch mit V.14 erklärt sich einfach daraus, daß Hazaël seinem Könige nicht die Wahrheit berichtet hat, weil er ihn tödten und den Thron usurpiren wollte“ (ebd.). Nur steht letzteres mit ersterem in keinem notwendigen inneren Zusammenhang. 125 Vgl. WÜRTHWEIN, 320. Eine andere Auffassung vertritt RUPRECHT, Entstehung, der die Begegnung zwischen Elisa und Hasaël im Sinne einer Designation des künftigen Aramäerkönigs durch Jahwe versteht (vgl. die Kritik bei W ÜRTHWEIN, 321 Anm. 5). Als eine bewusste Lüge, um die Durchsetzung des göttlichen Gerichts an Israel durch die Aramäer unter Hasaël zu erleichtern, versteht S WEENEY, 318f., den Text: „Elishaʼs instructions facilitate YHWHʼs intentions to replace Ben Hadad with Hazael, in so far as it will make it easier for Hazael to kill Ben Hadad.“ (ebd., 318). Die visionäre Schau des Gottesmannes mag Hasaël in seinem Entschluss, Ben-Hadad zu töten, bestärkt haben, die Worte Elisas wären jedoch missverstanden, würden sie als Legitimation des Handelns Hasaëls oder gar als dessen göttliche Designation gedeutet. Sie besitzen vielmehr geschichtstheologische Qualität, indem sie das Verhältnis Israels zu den Aramäern kritisch reflektieren. Wie immer man in dieser Frage urteilen mag, der Nachsatz in V.10b ist für ein Verständnis des Abschnitts als Designation Hasaëls unnötig. 126 Vgl. WÜRTHWEIN, 318–321. 127 Siehe oben, S. 230 Anm. 114.
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nung in Jokte’el werden der kurzen Notiz über den erfolgreichen Feldzug Amazjas von Juda gegen die Edomiter als Begleithandlung beigeordnet (vgl. den Rückbezug auf die Haupthandlung durch den determinierten Ausdruck HMCLMB). – Eine Begleithandlung zum Sieg gegen Edom formuliert auch V.10ab. Nach seinem erfolgreichen Feldzug gegen die Edomiter im Salztal fordert Amazja den König Joasch von Israel zum Kampf heraus (V.8–14). Dieser versucht, Amazja von seinem Vorhaben abzubringen, indem er ihn im Stile altorientalischer Kriegsrhetorik auf seine militärische Übermacht hinweist und ihn auffordert, nach Jerusalem zurückzukehren und sich an seinem Sieg über Edom genügen zu lassen (vgl. V.9f.). Der Erfolg gegen die Edomiter habe das Herz Amazjas übermütig gemacht (kBL kASNW, V.10a). Die Selbstüberschätzung und Vermessenheit des judäischen Königs ist Begleitumstand und Folge seines Siegs gegen den südöstlichen Nachbarn – beides gehört zusammen, ihr Verhältnis ist jedoch asymmetrisch. 128 Amazja schlägt die Warnung des Königs von Israel in den Wind und es kommt zur Schlacht bei Bet-Schemesch, die mit einer verheerenden Niederlage Judas endet. Amazja wird von Joasch gefangen genommen und muss mit ihm nach Jerusalem zurückkehren, wo Joasch einen Teil der Stadtmauer schleifen lässt (V.13). Als Begleithandlung zur Zerstörung der Stadtmauer wird berichtet, dass der König von Israel neben Gold und Silber aus dem Tempelvermögen und den Schatzhäusern des Königs auch Geiseln129 mit sich nach Samaria führte (CQLW, V.14a). Dass hier kein Narrativ gebraucht wird, mag auf den ersten Blick befremden, berechtigt jedoch weder zu dem Postulat, die Konstruktion weqāṭal-x würde hier in der Funktion des Narrativs verwendet, noch zu ihrer literarkritischen Ausscheidung aufgrund eben jenes Postulats.130 Stattdessen ist der vorliegende Text ohne weiteres verständlich, indem er die Vorgänge, die mit der Unterwerfung Amazjas verbunden sind, unter semantischem Aspekt zusammenfasst (V.13f.). Schwieriger liegen die Dinge in 2Kön 18,36.131 Nachdem der HQV-BR („Obermundschenk“, in neuassyrischer Zeit der Titel eines hohen militärischen oder zivilen Beamten) das Volk zur Übergabe der belagerten Stadt Jerusalem aufgefordert hatte (V.23–35), wird in V.36 die Reaktion des Volkes geschildert: „das Volk aber schwieg“ (mYH WVJRCHW). In der Parallelüberlieferung Jes 36,21 wird anstelle der syntaktischen Fügung mit weqāṭal-x der Narrativ verwendet (WVJRCJW, ohne den Zusatz mYH)132, so dass man geneigt sein kann, für die syntaktische Konstruktion in 2Kön 18,36 die gleiche Funktion anzusetzen. Andererseits sollte die unterschiedliche sprachliche Form zunächst ernst genommen und nach einem alternativen Verständnis des Ausdrucks in 2Kön 18,36 gefragt werden. Dazu bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an: Entweder die Verbform WVJRCHW ist als Perfectum consecutivum aufzufassen und dient hier zum Ausdruck eines iterativen Sachverhalts: das Volk schwieg beständig – es gibt keinerlei Reaktion des Volkes auf die
128 DRIVER, Treatise, § 119g, hat dagegen vorgeschlagen, die Verbform als Perfectum consecutivum zu lesen und den Satz als Fragesatz zu verstehen: „Sollte dein Herz dich erheben (= überheblich machen)?“ 129 Vgl. zum Ausdruck TWBRYTH JNB COGAN / TADMOR, 157. 130 Vgl. WÜRTHWEIN, 372. 131 Zum Sprachgebrauch in 2Kön 18,4 s. oben, S. 225 mit Anm. 84 und vgl. SPIECKERMANN, Juda, 126 Anm. 211. 132 Die Septuaginta bietet in 2Kön 18,36 ebenfalls kein Äquivalent für mYH. Ob dies wegen der Inkongruenz im Numerus zwischen Verb und Subjekt an dieser Stelle ausgelassen worden ist? Oder sollte hier sekundär zwischen der Reaktion der königlichen Beamten und des Volkes, das auf der Mauer steht (vgl. V.27), unterschieden werden (vgl. COGAN / TADMOR, 233)?
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Rede des neuassyrischen Beamten. Die andere Möglichkeit versteht die syntaktische Fügung als Beiordnung (Perfectum copulativum) und löst die Kopula adversativ auf: „das Volk aber schwieg“. In diesem Fall könnte sich das Schweigen des Volkes auf die gesamte vorangehende Rede des Assyrers beziehen und stünde zu dieser im Verhältnis punktueller Gleichzeitigkeit – das Volk hörte die ganze Rede des HQV-BR schweigend an und antwortete ihm kein Wort (RBD WTA WNY-ALW). Die Wahl der Afformativkonjugation im Nachsatz spricht zugunsten der zweiten Möglichkeit (vgl. auch den Gebrauch des Aorist e>kw/feusan in der Septuaginta, der ein punktuelles Geschehen zum Ausdruck bringt). Der nächste Beleg findet sich ebenfalls in den Hiskiaerzählungen, ist aber textlich unsicher. Im Gebet Hiskias (2Kön 19,14–19) schildert der König die gewaltige Heeresmacht der assyrischen Großkönige, die die Völker und ihr Land vernichtet (BRC Hif.) und ihre Götter ins Feuer geworfen haben (VAB mHJHLA TA WNTNW, V.18). Die Parallelüberlieferung in Jes 37,19 liest an dieser Stelle den Inf. abs. nTNW (vgl. WNTJW in 1QJesa!), eine Variante, die aufgrund von Haplographie (W/N) entstanden sein könnte. Die Lesart in 1QJesa kann nicht unmittelbar für eine Konjektur des Textes in 2Kön 19,18 herangezogen werden, sie zeigt aber, wie der Text in späterer Zeit verstanden werden konnte (vgl. den Narrativ in 2Kön 19,18 // Jes 37,19). Die masoretische Textform in 2Kön 19,18 gibt jedoch auch ohne die These eines narrativen Gebrauchs der Fügung weqāṭal-x einen guten Sinn, der durch die Parallele in Jes 37,19 bestätigt wird.133 Die Zerstörung der Götter(-statuen) wird den militärischen Eroberungen in V.17 beigeordnet, denn der Sieg über die fremden Völker ist zugleich ein Sieg des Gottes Aššur und seines irdischen Stellvertreters, des assyrischen Großkönigs, über die Götter der Völker, die die Übermacht Aššurs unter Beweis stellt (vgl. dazu noch einmal die Rede des HQV-BR in 2Kön 18,28–35). Beide Handlungen bilden eine sachlogische Einheit, was durch die Fügung mit weqāṭal-x syntaktisch zum Ausdruck gebracht wird. Daran schließt der Hinweis auf das Nicht-Gottsein der fremden Götter insofern sinnvoll an, als Hiskia Jahwe in V.19 auffordert, sein Volk aus der Hand der Assyrer zu erretten, damit alle Königreiche der Erde erkennen, dass Jahwe allein Gott ist. Die Götter der Völker waren Menschenwerk, darum konnten sie nicht retten – Jahwe allein ist Gott und deshalb gibt es bei ihm die Hoffnung auf Rettung (vgl. Dtn 4,25–40; Jes 40,12–31; 44,6–20). Im weiteren Verlauf des Textes ergeht ein Wort des Propheten Jesaja an Hiskia, in dem Jahwe das Gericht über Assyrien ankündigt (V.21–28). In dem poetisch geformten Stück wird Assur wegen seines Hochmuts, mit dem es Jahwe verhöhnt hat, angeklagt. Dabei wird daran erinnert, dass Jahwe selbst Assur seine Macht verliehen hat (vgl. auch 2Kön 18,25): „Hast du nicht gehört? Vor langer Zeit habe ich es gemacht, seit den Tagen der Urzeit habe ich es gebildet – jetzt habe ich es kommen lassen.“ (2Kön 19,25). Jahwe hat die aktuellen Ereignisse bereits in der Vorzeit festgesetzt (vgl. die beiden Verben HSY und RZJ, die das Schöpferhandeln Jahwes bezeichnen, das hier auf sein Handeln in der Geschichte übertragen wird) und Assur zu seinem Werkzeug bestimmt. Schwierigkeiten bereitet die Form HJTRZJW in der zweiten Doppelzeile von V.25, da die Kopula den Parallelismus zwischen JTJSY HTA QWCRML und HJTRZJ(W) mDQ JMJML zu stören scheint.134 Der
133 Der Infinitiv absolutus in Jes 37,19 ordnet die Zerstörung der Götterbilder dem Akt der Unterwerfung der Völker bei. „Es ist wahr, Jahwe, die Könige Assurs haben alle Länder zerstört und ihre Götter ins Feuer geworfen (VAB mHJHLA-TA nTNW)“ (V.18f.). 134 Vgl. WÜRTHWEIN, 426, der die Kopula vor HJTRZJ streicht (vgl. auch 1QJesa zu Jes 37,26 und WILDBERGER, 1418). Dagegen zieht SWEENEY, 407, QWCRML in den Frage-
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Gebrauch der Kopula erklärt sich jedoch, wenn mDQ JMJML als pendierende Zeitangabe erkannt wird und das W als Satzweiser den dazugehörigen Verbalsatz einleitet. 135 Die genaue Funktion der Kopula in solchen Konstruktionen ist noch nicht hinreichend geklärt. Legt man einstweilen die üblichen syntaktischen Verwendungsweisen zugrunde, bietet sich auch an dieser Stelle ein koordinierendes Verständnis der Fügung an, wofür auch die semantische Nähe der beiden Verben HSY und RZJ in diesem Zusammenhang spricht.136 Es verbleiben zwei Belege aus den Schlusskapiteln des zweiten Königebuchs, die noch kurz diskutiert werden müssen. Im Abschnitt über die erste Belagerung Jerusalems durch den neubabylonischen König Nebukadnezar II. (2Kön 24,10–17) wird berichtet, dass dieser, nachdem Jojachin von Juda ihm die Stadt übergeben hatte, die Schatzkammern des Tempels und des königlichen Palastes plünderte (V.13). Daran schließt sich eine summarische Notiz an, dass Nebukadnezar II. ganz Jerusalem, die hohen Beamten, das Kriegsvolk sowie die Handwerker wegführte (HLGHW) und niemanden zurückließ, außer die ärmste Schicht der Landbevölkerung (V.14). Die syntaktische Formation weqāṭal-x hat hier entweder koordinierende Funktion, so dass die Deportation weiter Teile der Oberschicht Judas und Jerusalems der Plünderung der Schatzhäuser beigeordnet wird (vgl. 2Kön 14,14), oder es könnte – weniger wahrscheinlich – ein frequentativer Gebrauch des Perfekts vorliegen, der den endlosen Zug der Weggeführten in Szene setzt. 137 – Abschließend ist auf die Schlussverse der Königsbücher zu sprechen zu kommen, in denen vom weiteren Geschick des Königs Jojachin in Babylon die Rede ist (vgl. 2Kön 25,27–30). Der Statuswechsel Jojachins beim Regierungsantritt des neuen babylonischen Königs Amel-Marduk, der kein singuläres Phänomen darstellt, wird durch den Wechsel seiner Kleidung unterstrichen (WALK JDGB TA ANVW, V.29a).138 Die Fortführung des Verses, in der davon die Rede ist, dass der judäische König fortan an der königlichen Tafel speiste (LKAW, V.29b), könnte dafür sprechen, dass der weqāṭal-x Satz in V.29a ebenfalls iterativ aufzufassen ist, in dem Sinne, dass Jojachin dauerhaft die Kleider seiner Gefangen-
satz TYMV ALH hinein („Did you not hear it from the past?“), so dass sich in V.25 zwei parallel gebaute Doppelzeilen ergeben (vgl. BHS, z.St.). 135 Vgl. dazu GROSS, Pendenskonstruktion, 43ff. 136 Zur syntaktischen Konstruktion in 2Kön 22,17 s. oben, S. 136f. 137 Die Verse 15f. enthalten ebenfalls einen Bericht über die Wegführung der königlichen Familie, der Beamtenschaft sowie der Handwerkergruppen und der wehrfähigen Männer, die jedoch im Narrativ formuliert ist und teilweise im Widerspruch zu den Angaben in V.14 steht (vgl. die Zahlenangaben). Es ist daher häufig vermutet worden, dass die Notiz in V.13f. sekundär in den Erzählzusammenhang eingefügt worden sei, zumal das Personeninventar in V.15 gut an den Bericht von der Übergabe der Stadt durch den König in V.12 anschließt (vgl. GRAY, 760f.; WÜRTHWEIN, 473, zurückhaltender urteilen COGAN / TADMOR, 313f.). Die syntaktische Konstruktion in V.14 spricht jedoch gegen die Auffassung, der Text lasse den babylonischen König die Einwohner Jerusalems zweimal wegführen. Vielmehr wird die Totalität der Deportation der Bevölkerung Jerusalems der vollständigen Plünderung der Stadt in V.13 summarisch an die Seite gestellt (vgl. 6x LK in V.13f.), bevor in V.15f. von der Wegführung der einzelnen Gruppen berichtet wird. Dies schließt nicht aus, dass V.13f. als redaktioneller Einschub zu beurteilen sind, doch ist diese Frage für die grammatische Prüfung des Textes von nachrangiger Bedeutung. 138 Vgl. Gen 41,14. „Das Ablegen von degradierender Kleidung und / oder das Anlegen anderer Kleidung ist eine Möglichkeit, die Beendigung eines Minderungszustandes auszudrücken.“ (BENDER, Sprache, 152).
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schaft abgelegt hat.139 Vermutlich ist der Vorgang jedoch als Begleithandlung zur Rangerhöhung des Königs durch Amel-Marduk in V.28b zu ziehen, als deren Folge Jojachin an der großköniglichen Tafel speisen durfte.140 Die Durchsicht der einschlägigen Belege in den Königsbüchern hat ergeben, dass an keiner der untersuchten Stellen eine Verwendung der syntaktischen Formation weqāṭal-x als Narrativ postuliert werden muss. Vielmehr ließ sich zeigen, dass der Sprachgebrauch in den Königsbüchern durchgängig den Regeln des biblisch-hebräischen Verbalsystems folgt, wie sie eingangs beschrieben worden sind.141 Dies wird bei der weiteren Analyse des Reformberichts in 2Kön 23 zu berücksichtigen sein, bei der die weqāṭal-x Sätze nicht vorschnell als Indiz für die literarische Schichtung des Textes gewertet werden können, wie dies noch bei Hollenstein142 und Barrick143 geschieht. Andererseits sollte das Nebeneinander von narrativ-konsekutiven und nicht sequentiellen Handlungen im Text nicht formgeschichtlich aufgelöst und zum Kriterium für eine ältere Vorstufenrekonstruktion erhoben werden, wie es Hardmeier vorgeschlagen hat. 144 Stattdessen muss versucht werden, das Textgefüge und seine syntaktische Struktur möglichst genau zu erfassen und den Text auf etwaige Kohärenz- und Inkohärenzsignale zu untersuchen. Dabei ist der religionsgeschichtliche Befund stets mit zu Rate zu ziehen, um der Gefahr einer einseitigen literarästhetischen Betrachtungsweise des Textes zu wehren.
139 Die Verbform LKAW ist ausweislich des Kontextes eindeutig als Perfectum consecutivum mit frequentativer oder iterativer Bedeutung zu interpretieren. 140 Die Entscheidung hängt nicht zuletzt von der Beantwortung der Frage ab, wer als Subjekt der Aussage von V.29a zu gelten hat. Verbindet man V.29a stärker mit V.29b, legt sich nahe, Jojachin als Subjekt des Kleiderwechsels anzunehmen. Dafür könnte sprechen, dass in vergleichbaren Zusammenhängen der Wechsel der Kleidung durch die Person geschieht, die sich im Zustand der Minderung befindet (vgl. BENDER, Sprache, 152f.). In 2Kön 25,28f. (par. Jer 52,32f.) ist jedoch – im Unterschied zu den übrigen Belegen (vgl. Gen 41,14; Dtn 21,13; 2Sam 12,20) – unklar, ob der Kleiderwechsel durch Jojachin oder den babylonischen Großkönig veranlasst wird (nur an diesen beiden Stellen begegnet das Verb H/ANV in diesem Zusammenhang). Im letzteren Fall würde sich darin eine Erhöhung der Rangstellung des judäischen Königs durch Amel-Marduk ausdrücken (vgl. Gen 41,42), vgl. KRONHOLM, HNV, 321. 141 Eine andere Auffassung hat jüngst HOFFMANN, Afformativkonjugation, für einige Belege der Fügung weqāṭal-x in der Genesis vertreten. Dabei beruht seine Argumentation vor allem auf dem Grundsatz, dass die morphologische Ununterscheidbarkeit zwischen Perfectum consecutivum und Perfectum copulativum zu der Schlussfolgerung berechtige, dass die gleichzeitige Verwendung beider Formen ein und demselben Verfasser oder Redaktor nicht zuzutrauen sei (vgl. a.a.O., 83). Er muss allerdings zugestehen, dass dieselben Verfasser / Redaktoren, die weqāṭal für den Narrativ verwenden, gleichzeitig die klassische Form wajjiqṭōl gebrauchen (vgl. a.a.O., 85). Aber abgesehen von den problematischen Schematisierungen, die Hoffmann den Verfassern der biblischen Texte zuschreibt, ließe sich für alle von ihm diskutierten Belege ein Verständnis als Perfectum consecutivum oder koordinierendes Perfectum copulativum plausibel machen (vgl. Gen 15,6; 21,25; 28,6; 37,3) – für Gen 31,7; 34,5; 43,9 schlägt er selbst eine Interpretation als Perfectum consecutivum vor (vgl. a.a.O., 81.87); in Gen 38,5; 49,23 ist der Text unsicher (vgl. a.a.O., 88). 142 Vgl. HOLLENSTEIN, Erwägungen. 143 Vgl. BARRICK, King, 64–105. 144 Siehe oben, S. 230f.
1. Baʽal, Aschera und das Heer des Himmels (2Kön 23,4f.)
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1. Ba‘al, Aschera und das Heer des Himmels (2Kön 23,4f.) 1. Baʽal, Aschera und das Heer des Himmels (2Kön 23,4f.)
Der Reformbericht setzt mit der königlichen Beauftragung an die Priesterschaft ein, die Kultgeräte, die für die Verehrung des Ba‘al, der Aschera und des Himmelsheeres verwendet worden waren, aus dem Tempelgebäude zu entfernen (vgl. V.4a). Sie schließt szenisch unmittelbar an die vorangegangene Selbstverpflichtung von König und Volk in 23,1–3 an, als deren äußere Konsequenz der Reformbericht im vorliegenden Text erscheint. Die erzählerische Kontinuität zeigt sich aber nicht nur in der logischen Zuordnung von Selbstverpflichtung und Reformbericht, sondern auch in der Einheit der Zeit, des Ortes und der handelnden Personen. Bereits Spieckermann hat darauf hingewiesen, dass der Reformbericht „genau wie die bisherigen Abschnitte den König in den Mittelpunkt des Geschehens (stellt), was auf dieselbe darstellerische Perspektive hindeutet und davor warnen sollte, den mehr aufzählenden RB (= Reformbericht) von dem mehr erzählenden Fund- und Bundbericht zu strikt zu trennen.“145 In die gleiche Richtung weist die Nennung des Großpriesters Hilkia sowie der Schwellenhüter, die bereits in Kap. 22 erwähnt worden waren und deren Wiederaufnahme kohärenzbildende Funktion hat. Dass der König sie direkt ansprechen kann, setzt voraus, dass er sich nach wie vor im Tempelbezirk aufhält, wo nach 23,2f. die Verpflichtungszeremonie lokalisiert war. Der vorliegende Zusammenhang impliziert folglich, dass die Reformen direkt im Anschluss an die Selbstverpflichtung von König und Volk durchgeführt wurden. Damit erweist sich wenigstens die Einleitung des Reformberichts als konstitutives Element der narratologischen Komposition in 2Kön 22f.*. Diese Beobachtungen werden in gewisser Weise durch die sprachliche Struktur der Beauftragung unterstützt, die sich eng an die vergleichbaren Einleitungssequenzen in 2Kön 22,12; 23,21 anschließt:146 In allen drei Fällen wird die Beauftragung in der 3.Pers. m. Sg. Narrativ Qal von der Wurzel HWZ mit dem König als Subjekt und einem personalen Objekt (mit nota accusativi) konstruiert. Der Inhalt des Befehls wird im Inf.-cs. (mit der 145 SPIECKERMANN, Juda, 79. Ausführlicher hat HOFFMANN, Reform, 208–211, den kompositionellen Zusammenhang des Reformberichts mit dem Rest der Erzählung in 2Kön 22f. herausgearbeitet. Dagegen hat jüngst wieder HARDMEIER, König, 124–129, Einspruch erhoben und die unleugbaren Spuren der kontextuellen Vernetzung des Reformberichts mit seiner Umgebung auf eine redaktionelle Bearbeitung einer älteren Vorstufe des ursprünglichen Berichts zurückgeführt. Diese Option wird im weiteren Verlauf der Untersuchung zu prüfen sein; dabei sollten jedoch nicht vorschnell sämtliche sprachlichen und thematischen Verknüpfungen zwischen dem Reformbericht und seinem engeren und weiteren literarischen Kontext zum redaktionellen Beiwerk erklärt werden, wie es Hardmeier etwa im Blick auf seine These einer durchgängigen narrativen Überformung eines ursprünglich im reinen Aufzählungsstil gehaltenen Maßnahmenkatalogs zu tun geneigt ist (vgl. a.a.O., 124f.). 146 Allerdings gehört der Beleg in 2Kön 22,12 vermutlich einer späteren Bearbeitungsstufe an (s. oben, S. 157–159).
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
Präposition L) mitgeteilt. Im Unterschied zu den beiden anderen Stellen wird in V.4 jedoch nicht der Wortlaut des königlichen Befehls zitiert, sondern lediglich dessen Inhalt angegeben.
Die Personengruppe, die in V.4a angesprochen ist, besteht aus dem Großpriester Hilkia, der durch die Übergabe des Toradokuments die Reformen allererst angestoßen hatte, der übrigen Priesterschaft des Jerusalemer Tempels (HNVMH JNHK)147 und den Schwellenhütern.148 Dabei ist umstritten, welche Funktion die Erwähnung der Priesterschaft bzw. des Tempelpersonals an dieser Stelle angesichts der im Reformbericht sonst dominierenden 147 Im vorliegenden Text wird Hilkia als Vorsteher der Jerusalemer Tempelpriesterschaft aus der Gruppe der Priester herausgehoben (vgl. Kap. 22). Dem Nebeneinander beider Größen liegt die Vorstellung zugrunde, dass die gesamte Priesterschaft des Jerusalemer Tempels in den Akt der Reform eingebunden ist (vgl. die vermutlich sekundäre Einfügung der Priester und Propheten in 23,2). Der Wortlaut in V.4a wird jedoch oft in Analogie zu 2Kön 25,18 // Jer 52,24 in den Singular HNVMH nHK als titulare Bezeichnung für den Stellvertreter des Großpriesters geändert. Dabei wird vorausgesetzt, dass jeweils parallele Ämteraufzählungen vorliegen, von denen die hierarchische Struktur in 2Kön 25,18 größere historische Plausibilität beanspruchen könne (vgl. SPIECKERMANN, Juda, 79f. Anm. 103). Bei genauerem Hinsehen erscheint diese Voraussetzung jedoch zweifelhaft. Zwar ist anzunehmen, dass der titulare Ausdruck VARH nHK in 2Kön 25,18 der Bezeichnung LWDGH nHK funktional entspricht, doch beabsichtigt der Text in 2Kön 23,4 nicht eine Aufzählung priesterlicher Ämter, sondern bringt die Beteiligung der gesamten Priesterschaft des Jerusalemer Tempels an den Reformen zum Ausdruck. Selbst in 2Kön 25,18 lässt der Wortlaut des Textes eine alternative Auffassung zu: In V.18–21 liegt eine Aufzählung von Personen vor, die Nebusaradan, der mJCBF-BR („Oberster der Leibwache“, vgl. zur Bedeutung des Titels TIMM, Nebukadnezar, 379 Anm. 76), in Jerusalem gefangennahm, um sie zum König von Babel nach Ribla zu bringen, wo sie hingerichtet wurden. Diesem Befund entspricht, dass der namentlich erwähnte Zefanja in V.18 als nHK HNVM, als ein Priester zweiten Ranges bezeichnet wird (erst Jer 52,24 setzt den Artikel vor HNVM, vgl. zur Textüberlieferung in 2Kön 25,18 TIMM, a.a.O., 385f. Anm. 107). Eine Ämteraufzählung ist damit nicht notwendig intendiert. Weder der Befund in 2Kön 25,18 noch die Darstellung in 2Kön 23,4 nötigen somit zu einem textkritischen Eingriff (vgl. LXX toi~j ivw/pion kuri/ou). Das Fehlen dieses Teilverses in der hebräischen Textüberlieferung könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Kultfähigkeit der Frau in der Zeit des Zweiten Tempels größeren Beschränkungen unterlag, die im Text durchbrochen zu sein schienen (vgl. DIETRICH, 18.42f.). Aber selbst, wenn der griechischen Texttradition hier ein höheres Alter zuzuerkennen wäre, ergibt sich daraus nicht notwendig die Folgerung, dass Hanna den Innenraum des Tempelgebäudes (LKJH, V.9) betreten hat. Dies ist weder aus der Sitzposition des Priesters Eli neben einem der Türpfosten des Heiligtums noch aus der präpositionalen Wendung HWHJ JNPL (= e>nw/pion kuri/ou) sicher zu erschließen. – Bleibt der textliche Befund in 1Sam 1,9f. mehrdeutig, so bestehen gegenüber den weiteren Stellen, die Zwickel für seine These anführt, noch stärkere Zweifel. Die Thronratsvision des Propheten Jesaja (Jes 6,1–11) ist schon aufgrund ihrer Gattung schwerlich dazu geeignet, Auskunft darüber zu geben, ob zur Zeit ihrer Abfassung die Kultteilnehmer freien Zugang zum Jerusalemer Tempel gehabt haben. Dies gilt nicht minder von den Bittgesuchen des Psalmisten in Ps 27,4–6, in denen der Beter Schutz und Zuflucht am Tempel als dem Ort der rettenden Präsens Jahwes, sucht. Wendungen wie „er wird mich bergen in seiner Hütte am Unheilstag“ oder „er wird mich verstecken im Versteck seines Zeltes“ (Ps 27,5) bezeichnen weniger das Tempelgebäude als architektonischen Raum, als den Bereich des Heiligtums als Sphäre der Gottespräsenz, in der dem Beter Hilfe und Rettung zuteil wird und seine Feinde ihn nicht erreichen können (vgl. Ps 23,5f.). In diesen Raum ist jedoch der gesamte Heiligtumsbezirk eingeschlossen; er ist nicht auf das eigentliche Tempelgebäude beschränkt, unbeschadet der Tatsache, dass dieses das innere Zentrum des Komplexes darstellt. Noch weniger kann dem Bericht in Neh 6,10–13 in dieser Sache entnommen werden, da Nehemia den Vorschlag Schemajas, er solle sich im Inneren des Tempelgebäudes (LKJH) verbergen, zurückweist, weil dies eine TAFC sei, derer er sich nicht schuldig machen will. Zu einer literarkritischen Emendation, die den sakralrechtlichen Sinn der Aussage vom Asylrecht auf ein todesrechtliches Vergehen Nehemias verschoben hätte, besteht kein Anlass ( pace SCHUNCK, 172f.181). Umgekehrt geht aus der Erzählung über den Aussatz des Königs Usija in 2Chr 26,16–21 hervor, dass nach Ansicht der Chronik dem König das Betreten des Tempels ( LKJH, vgl. V.18), um dort zu opfern (RFQ Hif.), untersagt war, da dies als Privileg der Priesterschaft galt. Zwar liegt der Akzent in 2Chr 26 auf dem Opfervorgang, doch ist die Unterscheidung zwischen dem sa-
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der Annahme, der Satzteil sei das Ergebnis einer redaktionellen Überarbeitung einer älteren Vorlage.153 Die Trias der erwähnten Fremdgötter (Ba‘al, Aschera und das Himmelsheer), deren Kultinventar der König vernichtet hat, besitzt ihre nächsten Parallelen in 2Kön 17,16; 21,3.154 Dabei ist vor allem der Rückbezug auf kral-kultischen Bereich (einschließlich der Sorge für das Kultinventar) und der königlichen Aufsicht und Fürsorge für den Tempelkult hier wie in 2Kön 23 grundlegend. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Verfasser von 2Kön 23,4 zwischen dem Aufenthalt des Königs (und des Volkes) im Tempelbezirk (HWHJ TJB, vgl. 23,2f.*) und dem Betreten des Tempelgebäudes (LKJH) unterschieden hat. 153 So mit unterschiedlichen literaturgeschichtlichen Voraussetzungen LEVIN, Josia, 202, und HARDMEIER, König, 122f.126. Levins Argumentation für den sekundären Charakter von V.4* setzt dabei weithin voraus, dass der Reformbericht in einem älteren Stadium der Geschichte des Textes direkt an den Instandsetzungsbericht in 22,3–10* anschloss. Diese Auffassung ist zwar insoweit im Recht, als das Huldaorakel sich als späteres Interpretament des Berichts in 2Kön 22f.* erweisen lässt (s. oben, S. 157–159); dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für die Verpflichtungszeremonie in 23,1–3* (s. oben, S. 160–165), an die der Reformbericht szenisch anknüpft. Hardmeier wiederum rekonstruiert, ausgehend von der vorgeblichen Spannung, die aus dem Wechsel zwischen dem König und der Priesterschaft resultiere, eine ältere literarische Vorstufe, in der allein der König als handelndes Subjekt in Erscheinung trat, und ändert zu diesem Zweck den Infinitiv AJZWHL in eine AK-Form AJZWH (AWHW) (vgl. a.a.O., 139), mit der der ältere Quelltext begonnen habe (vgl. ähnlich KOCH, Gefüge, 82f.). Die vielfältigen terminologischen Differenzen zwischen V.4* und seinem literarischen Kontext sind jedoch das Ergebnis einer bewussten Kompositionsarbeit und nötigen nicht zur Annahme einer redaktionellen Bearbeitung. 154 Nur an diesen beiden Stellen werden im Alten Testament neben 2Kön 23,4 alle drei Größen nebeneinander genannt. Innerhalb der literarisch mehrschichtigen Reflexion über die religionspolitischen Ursachen des Untergangs des Nordreichs Israel in 2Kön 17,7–23 (vgl. WÜRTHWEIN, 395–397) werden in V.16f. eine Reihe von kultischen Verfehlungen aufgezählt, die Israels Ungehorsam gegenüber den Geboten Jahwes illustrieren, zu deren Beachtung er Israel durch die Propheten immer wieder aufgefordert hatte (vgl. V.13f.). Die Aufzählung enthält neben der Anfertigung einer Aschere (vgl. 1Kön 16,33) und der kultischen Verehrung Ba‘als und des Himmelsheeres die Herstellung der beiden gegossenen Stierbilder (vgl. 1Kön 12,28–30) und den Vorwurf verschiedener magischer und orakelhafter Praktiken, deren Übernahme Israel nach Dtn 18,9f. untersagt war. Bereits der kumulative Charakter des Abschnitts und der Rekurs auf diverse Verbote des Deuteronomium (vgl. Dtn 12,3; 17,3) deuten den spätdtr Ort des Verfassers an, der sich noch darin zeigt, dass zwar der Ba‘alskult in der dtr Darstellung der Könige des Nordreichs eine prominente Rolle spielt (vgl. die Geschichte des Hauses Ahab seit 1Kön 16,29), die Verehrung des Himmelsheeres wie auch die Durchführung diverser Orakelpraktiken dagegen den israelitischen Herrschern sonst nirgends zum Vorwurf gemacht werden (anders bei den judäischen Königen, vgl. 2Kön 16,3; 21,6 und 23,10.24). Eine gewisse Ausnahme bildet 1Sam 28, doch wird dort eine gegenüber 2Kön 17,17 abweichende Terminologie verwendet. Der Passus erweckt somit den Anschein, nicht nur den Untergang des Nordreichs theologisch zu begründen, sondern bereits das Schicksal beider Staaten zusammenzuschauen (vgl. 2Kön 21,10–15).
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
die Maßnahmen Manasses aufschlussreich, zu dessen Reformpolitik die Kultreform Josias (im Leseablauf der Königsbücher) in ein antithetisches Verhältnis gerückt wird. Josia unterbindet die Kultpraktiken, die Manasse ein- bzw. fortgeführt hatte. Damit gewinnt die einleitende Sequenz des Reformberichts zugleich einen textübergreifenden Horizont, der den Bericht über die Reform Josias in das literarische Gefüge und historiographische Konzept der Königsbücher hineinstellt. Das Nebeneinander der drei Größen Ba‘al, Aschera und Himmelsheer, deren summarischer Charakter bereits betont wurde, kann daher nicht unbesehen als quellenhaftes Zeugnis der religionsgeschichtlichen Verhältnisse im spätvorexilischen Juda gewertet werden, sondern ist zunächst im Zusammenhang der Geschichtsschreibung der Königsbücher zu interpretieren. Dies wird besonders an der Erwähnung Ba‘als deutlich, der die Reihe der Fremdgötter in V.4 eröffnet und darüber hinaus im Reformbericht nur noch in V.5b begegnet, wo er einer Aufzählung von Himmelskörpern vorangestellt ist. Die syntaktische Struktur in V.5b lässt erkennen, dass Ba‘al dort weniger als eigenständige Gottheit, denn als Chiffre oder Sammelbezeichnung für illegitime Astralkultpraktiken auftritt. Dafür spricht vor allem der asyndetische Anschluss der mit VMVL einsetzenden Aufzählung, die auf diese Weise als nähere Erläuterung des vorangestellten LYBL fungiert.155 Spricht somit schon der Sprachgebrauch des Reformberichts gegen die Annahme, der König habe sich gegen eine eigenständige Ba‘alsverehrung in Juda und Jerusalem gewandt, verstärkt sich dieser Eindruck, wenn man die weiteren Belege für den Ba‘alskult in den Königsbüchern mit in die Untersuchung einbezieht. Innerhalb der Königsbücher fällt auf, dass Ba‘al beinahe exklusiv mit der Kultpolitik des Hauses Ahab in Verbindung gebracht wird, in Zusammenhang mit dessen Regierungsantritt und seiner Verschwägerung mit dem tyrischen Königshaus in 1Kön 16,31f. die Verehrung Ba‘als erstmals 155
Eine vergleichbare Konstruktion begegnet in Zef 1,4f. Dort dient die Wendung „der Rest des Ba‘al (LYBH RAV)“ als Oberbegriff für die folgenden kultischen Vergehen, wie aus dem asyndetischen Anschluss des Ausdrucks mJRMKH mV-TA (V.4b) ersichtlich ist. Die Aufzählung der weiteren als illegitim erachteten Kultpraktiken in Zef 1,4–6* konkretisiert den vorangestellten Ausdruck „der Rest des Ba‘al“, mit dem „der ganze Götzendienst, mit allem, war drum und dran hängt“ bezeichnet ist (W ELLHAUSEN, Propheten, 151). – In diesem Zusammenhang ist noch ein Vergleich zwischen Jer 19,13 und seiner späteren relecture in Jer 32,29 von Interesse, da an letzterer Stelle statt von Opfern (RFQ Pi.) für das Himmelsheer von Opferhandlungen für Ba‘al die Rede ist. Diese Variante ist umso bemerkenswerter, als Jer 32,29b die Vorlage aus 19,13b fast wörtlich aufnimmt. Die Ersatzlesung von Ba‘al für das Heer des Himmels (vgl. noch Jer 8,2) unterstreicht dessen verallgemeinernde Verwendung als Chiffre für vielfältige Formen der illegitimen Kultpraxis in Juda und Jerusalem und erlaubt eine aktualisierende Interpretation der Überlieferung unter veränderten religionspolitischen Rahmenbedingungen.
1. Baʽal, Aschera und das Heer des Himmels (2Kön 23,4f.)
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erwähnt wird.156 Ihren ersten Höhepunkt erreicht sie in der Auseinandersetzung zwischen Elia und den Ba‘alspropheten in 1Kön 18,16–40. Mit der Ausrottung des Ba‘alskultes und der Vernichtung des Hauses Ahab durch Jehu in 2Kön 10,18–27 endet nach der Darstellung der Königsbücher der Ba‘alskult im Nordreich. Im Südreich Juda wird eine Verehrung Ba‘als dagegen überhaupt nur an drei Stellen erwähnt, von denen die beiden ersten ausdrücklich mit dem Haus Ahab in Verbindung gebracht werden. Im ersten Fall handelt es sich um die Zerstörung des Ba‘alheiligtums und die Ermordung des dort amtierenden Priesters Mattan in 2Kön 11,18. Die kurze Notiz, die den ausführlichen Bericht über die Ausrottung des Ba‘alsdienstes in 2Kön 10,18–27 nachahmt, ist unlösbar mit dem Sturz der Königin Atalja, der Mutter des Königs Ahasja und Tochter Omris (vgl. 2Kön 8,18. 26f.) verbunden, die nach dem Bericht der Königsbücher die Verehrung des Ba‘al in Jerusalem protegiert hat (vgl. auch 2Chr 24,7) und der somit eine vergleichbare Funktion zukommt, wie sie Isebel in 1Kön 18f. zugeschrieben wird.157 Die literarische Stilisierung des Abschnitts erlaubt kaum mehr einen Rückschluss auf die konkreten religionspolitischen Verhältnis156 Die Schwere des Vorwurfs wird dadurch betont, dass die Schuld Ahabs über die Verfehlungen seiner Vorgänger darin hinausgeht, dass er nicht nur „in der Sünde Jerobeams“ verharrte, sondern als Folge seiner Heirat mit der sidonischen Prinzessin Isebel, die vornehmlich politische Gründe gehabt haben wird, den Ba‘alskult in Israel inaugurierte, der fortan mit dem Hause Ahab untrennbar verbunden sein wird. Dabei spielt für die historiographische Konzeption weder die Frage eine Rolle, ob Ahab selbst „den Ba‘al“ (stets mit Artikel als Individuation eines Gattungsbegriffes: „der Herr, Besitzer“) verehrt hat, noch welche konkrete Erscheinungsform des Ba‘al im Hintergrund der Auseinandersetzungen stand. Mit Blick auf die erste Frage hat man wiederholt auf die im Alten Testament überlieferten Namen der Söhne Ahabs verwiesen, die darauf schließen lassen, dass Jahwe der Schutz- und Dynastiegott Ahabs gewesen sei (Ahasja vgl. 1Kön 22,52–54; Joram vgl. 2Kön 3,1–3 – beide gelten dem Verfasser der Königsbücher wohl als Söhne Ahabs und Isebels, obwohl der Name der Mutter nicht genannt ist; Atalja vgl. 2Kön 8,18. 26). Die Kultstätte für Ba‘al, die der König in Samaria errichten ließ (vgl. 1Kön 16,32), war wohl zunächst den religiösen Bedürfnissen Isebels und ihres diplomatischen Gefolges geschuldet (vgl. NOTH, 354f.). Von einem religionspolitischen Dualismus der Omriden, wie ihn einst ALT, Stadtstaat, wirkmächtig nachgezeichnet hatte, sollte man angesichts der neueren Erkenntnisse über die Frühgeschichte Israels besser nicht sprechen. Das Verhältnis Israels zu Kanaan kann schwerlich mit dem religiösen Gegensatzpaar Jahwe vs. Ba‘al gleichgesetzt werden. Was das Problem der Identität „des Ba‘al“ betrifft, so ist aufgrund der Herkunft Isebels an den tyrischen Hauptgott Melkart gedacht worden (vgl. NOTH, 355). Als Alternative hat man im Anschluss an EISSFELDT, Ba‘alšamēm, eine Verbindung mit dem phönizischen Himmelsgott Ba‘alšamem erwogen. Die alttestamentlichen Nachrichten verweisen auf Sidon, dessen Hauptgott Baʽal gewesen ist (vgl. Timm, Omri, 229–231) und dürften kaum erst auf eine spätdtr Bearbeitung zurückgehen ( pace WÜRTHWEIN, 202f.). Vgl. zur kontroversen Diskussionslage die Darstellung bei T HIEL, 132–137. 157 Vgl. zur literarischen Stilisierung der Figur der Isebel die gründliche Analyse bei PRUIN, Geschichten und Geschichte.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
se in Juda in der Mitte des 9. Jh.s v. Chr.158, aber selbst wenn man den Bericht in 2Kön 11 historisch auswerten wollte, bliebe der Ba‘alskult in Juda / Jerusalem nicht mehr als eine Episode. Dies gilt in noch weitaus stärkerem Maße von der summarischen Notiz in 2Kön 21,3, derzufolge Manasse von Juda Altäre für Ba‘al errichtet haben soll. Es ist mehr als fraglich, ob hinter der Bemerkung eine Wiederbelebung des Kultes des Ba‘alšamem oder einer anderen bestimmten Gottheit steht oder ob sich der Vermerk nicht vielmehr der tendenziösen Absicht der Darstellung in 2Kön 21, 3–9 verdankt, die Manasse einerseits als Antitypos zu seinem Vater und Vorgänger Hiskia porträtiert und ihn andererseits mit dem frevlerischen Nordreichskönig Ahab parallelisiert (vgl. V.3).159 Überblickt man die Belege für den Gott Ba‘al in den Königsbüchern, so ergibt sich, dass dessen Verehrung fast ausschließlich auf das Gebiet des Nordreichs Israel und dort besonders auf die Regierungszeit des Hauses Ahab beschränkt ist. In Juda spielt der Ba‘alskult dagegen keine Rolle, ja er erscheint dort lediglich als Ausfluss der Verbindung mit dem Hause des Ahab und als Chiffre einer illegitimen Kultpraxis.160 Diese Einschätzung bestätigt sich, wenn man die weiteren Belege für die Ba‘alsverehrung in Juda / Jerusalem näher besieht. Neben Zef 1,4f. sind hier vor allem jene Stellen im Jeremiabuch von Interesse, die mit guten Gründen auf den Propheten selbst zurückgeführt werden können und an denen in Aufnahme der Prophetie Hoseas der Vorwurf der Ba‘alsverehrung begegnet.161 Zeitlich gehören diese Belege in das ausgehende 7. Jh. bzw. 158
Vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, 232f. mit Anm. 24. Vgl. LEVIN, Atalja, 63f. Diese Beobachtung gilt unabhängig davon, wie man die literarkritischen Verhältnisse in 2Kön 21,3–9 im Einzelnen beurteilt. 160 „So ist ... Baal im dtr Denken zum Oberbegriff für den Bruch des ersten Gebotes geworden.“ Der Name Ba‘als „bleibt terminologisch stabil, und als solcher bleibt er kontinuierlich Israels zentrale Gefahr der Verfehlung Gottes, so gewiß diese neue Formen annehmen kann.“ (JEREMIAS, Baal, 103). 161 Die wenigen Belege für Ba‘al in der Chronik fügen sich dem Bild, das sich aus den Königsbüchern ergeben hat, glatt ein. Sofern sie nicht unmittelbar aus dem Text der Vorlage übernommen worden sind (vgl. 2Chr 23,17; 33,3), sind sie entweder aus einer kontextuellen relecture der vorgegebenen Überlieferung gewonnen worden (vgl. 2Chr 24,7; 34,4) oder führen das historiographische Konzept der Königsbücher eigenständig fort. Letzteres ist vor allem an zwei Stellen zu beobachten, an denen im Zusammenhang der Darstellung der Königsbücher eine Erwähnung Ba‘als fehlt. In 2Chr 17,3 lautet das Urteil über die Frömmigkeit des Königs Joschafat „und Jahwe war mit Joschafat, denn er wandelte auf den früheren Wegen seines Vaters, und befragte nicht die Ba‘ale“. Das „Befragen / Suchen“ (VRD) der mJLYB bezeichnet in antonymischer Aufnahme der Wendung HWHJ VRD in der Chronik ein verfehltes Gottesverhältnis. Der Gegensatz wird in Vers 4 aufgenommen und weitergeführt, wobei die Verehrung der mJLYB mit dem Verhalten (der Könige) Israels parallelisiert wird. Der Chronist erweist sich demnach auch hier als abhängig von der theologischen Konzeption seiner Vorlage (vgl. auch STRÜBIND, Tradition, 143–145). In den Rahmennotizen zur Herrschaft des Königs Ahas fügt der 159
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an den Beginn des 6. Jh.s. v. Chr. Die einschlägigen Abschnitte im Jeremiabuch stehen im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Falschprophetie (23,13.27) und rekurrieren auf Verhältnisse im Nordreich Israel (vgl. 2,8; 23,13), ohne dass dahinter noch eine konkrete Anschauung der Ba ‘alsverehrung erkennbar wäre.162 Vielmehr tritt der Vorwurf der Prophetie im Namen Ba‘als neben die Kritik an der Heilsprophetie, die Jeremias Gegner im Namen Jahwes verkünden, und wird mit dieser parallelisiert (23,13f.). Ba alsprophetie ist falsche Prophetie, wie die Verehrung der mJLYB – im Anschluss an den Sprachgebrauch Hoseas (vgl. Hos 2,15; 11,2) – mit der Abkehr von Jahwe und illegitimen Kultpraktiken gleichgesetzt wird (vgl. 2,23–25). Diese Tendenz wird in den dtr redigierten Stücken des Jeremiabuches aufgenommen und weitergeführt, in denen Ba‘al häufig in Parallele zu den „fremden Göttern“ erscheint und seine Verehrung in einen Gegensatz zum ersten Gebot tritt (vgl. Jer 7,9; 9,13; 11,13.17; 19,4f.; 32,29.35). „Die Baal-Thematik ist in der dtr Redaktion des Jeremiabuches ... auf allen Ebenen zu einem Aspekt der Fremdgötterpolemik geworden ... Insofern bleibt der Charakter Baals als Chiffre für verfehlte Gottesverehrung, wie er im Hoseabuch vorgefunden wurde, erhalten.“163 Die Polemik gegen den Ba‘ alsdienst nimmt zwar konkrete religiöse Erscheinungen der eigenen Gegenwart in den Blick, die aus der Perspektive der Texte in einem schroffen Gegensatz zur legitimen Jahweverehrung stehen, subsumiert darunter jedoch eine wandelbare Vielfalt von Phänomenen, deren religionsgeschichtlicher Hintergrund im Einzelnen nicht mehr sicher aufzuhellen ist. – Ein analoger Sprachgebrauch liegt der Wendung „der Rest des Ba‘al“ in Zef 1,4 zugrunde. Mit H. Irsigler ist zu konstatieren, dass es sich hier „nicht um die Gottheit primär handeln (kann)“. Vielmehr ist ein „weiterer und metaphorischer Sinn“ vorauszusetzen. „Es geht um den Baalsdienst, um die Gesamtheit fremdreligiöser Praktiken, die mit dem Etikett Baal Chronist im Anschluss an die Notiz „und er wandelte auf den Wegen der Könige Israels“ (vgl. 2Chr 28,2) den Hinweis ein: „auch machte er Gussbilder für die Ba‘ale“. Die Verbindung Judas mit den mJLYB verdankt sich also an dieser Stelle ebenfalls der Assoziation zum Nordreichskönigtum, die der Chronist durch die Hinzufügung in V.2 entsprechend der Tendenz der Königsbücher unterstrichen hat. Daraus ergibt sich, dass die Chronik das Thema der Ba‘alsverehrung ganz in der Linie ihrer Vorlage verarbeitet hat und ihre Darstellung keine Rückschlüsse auf eine religiöse Verehrung Ba‘als im Juda der ausgehenden Perserzeit erlaubt. Der Gott Ba‘al spielt in den religionsgeschichtlichen Verhältnissen des nachexilischen Juda keine nennenswerte Rolle. Liegt darin eine Ursache dafür, dass sich in der Chronik eine Reihe von Eigennamen mit dem theophoren Element Ba‘al erhalten haben, die in den Samuel- und Königsbüchern „zensiert“ wurden (s. unten, S. 248–250)? 162 Zu den religions- und literaturgeschichtlichen Verhältnissen vgl. JEREMIAS, Baal, 96–98. Dagegen stellt LEVIN, Atalja, 64, alle Vorkommen von Ba‘al im Jeremiabuch „in den Zusammenhang der spätdeuteronomistischen Abgöttereipolemik“. 163 JEREMIAS, Baal, 99.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
versehen werden.“164 Dies wird durch die syntaktische Struktur in den Versen 4f.* bestätigt: Der asyndetische Anschluss in V. 4bb weist die drei folgenden Objekte (jeweils mit nota accusativi) als inhaltliche Näherbestimmungen des Oberbegriffs LYBH RAV-TA aus, die diesen erläutern. Darunter werden die Tätigkeit der mJRMK, die Verehrung des Himmelsheeres und das gemeinsame Schwören bei Jahwe und kLM gerechnet. Ba‘al kann an dieser Stelle geradezu als Sammelbegriff für astral konnotierte Kultpraktiken verstanden werden, ein Sprachgebrauch, der an 2Kön 23,5 erinnert.165 Die Verehrung eines bestimmten Gottes, wie des phönizischen Ba‘alšamen, kann für das spätvorexilische Juda aus Zef 1 hingegen nicht erschlossen werden. Diesem weitgehenden Schweigen der alttestamentlichen Überlieferung über eine lebendige Kultpraxis für den Gott Ba‘al in Juda und Jerusalem entspricht der Befund des Onomastikons. Mit Ausnahme weniger Personennamen, die mit der Familie und dem „Hofstaat“ Davids verbunden sind, also in die Frühzeit des judäischen Königtums (bzw. in seine Vorgeschichte) gehören, gibt es weder im biblischen noch im epigraphischen Material eindeutig judäische Belege für Namensträger mit dem theophoren Element Ba‘al.166 Anders stellt sich die Situation im Blick auf das Gebiet des Nord164
Vgl. IRSIGLER, 108. Eine literarische Abhängigkeit des Abschnitts Zef 1,4f. vom Bericht über die josianische Reform ist unwahrscheinlich (s. unten, S. 487f. mit Anm. 56). 166 Das epigraphische Material hat RENZ, Beitrag, 146–154, gesichtet und ausgewertet. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es „eigentlich judäische Belege“ nicht gibt (a.a.O., 148). Ein vergleichbarer Befund ergibt sich mit Blick auf das Onomastikon hebräischer Siegel und Bullen: „Hebrew Baal-names were common in nothern Israel ..., while none have been found in Judah.“ (WSS, 489). Strittig ist in diesem Zusammenhang allenfalls der schwer deutbare Personenname LYBJNY auf einem Ostrakon aus Meṣad Ḫašavjāhû aus dem 7./6. Jh. v. Chr. (bei anderer Lesung LYBZY, vgl. zum Text HAE I, 333). Der judäische Charakter der festungsartigen Anlage könnte für die Annahme sprechen, dass die auf dem Ostrakon Nr. 6 (Lieferschein?) erwähnte Person judäischer Herkunft ist (vgl. WENNING, Mesad Hasavyahu, 179f.). In Anbetracht der geographischen Lage des Stützpunktes, auf halbem Weg zwischen Jaffa und Aschdod an der Mittelmeerküste gelegen, und seiner kurzen Besiedlungszeit am Ende des 7. oder Anfang des 6. Jh.s ist jedoch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass es sich bei dem Namensträger (und seiner Familie) ursprünglich um Bewohner der Küstenebene handelt, die seit dem ausgehenden 8. Jh. v. Chr. zum assyrischen Provinzsystem gehörte (vgl. die Personennamen mit dem theophoren Element LYB auf hebräischen Ostraka des 7. Jh.s aus Tell Ğemme: YMVLYB Gem [7]:3,4; ALYB Gem [7]:3,6). – Im Onomastikon der alttestamentlichen Texte beschränken sich Personennamen mit dem theophoren Element LYB im Gebiet Judas im Wesentlichen auf die Zeit und Umgebung Davids. Dabei fällt auf, dass die einschlägigen Namensformen ausschließlich in der griechischen Textüberlieferung der Samuelbücher und in der Chronik belegt sind. Im Fall des Davidsohnes YDJLYB ist die Überlieferung sogar noch stärker gespalten: Während 1Chr 14,7 die ba‘alhaltige Namensform bietet, lautet der Name in der genealogischen Liste 1Chr 3,8 in Übereinstimmung mit 2Sam 5,16 YDJLA. 165
1. Baʽal, Aschera und das Heer des Himmels (2Kön 23,4f.)
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reichs Israel dar. Hier finden sich in der alttestamentlichen Überlieferung zwar ebenfalls nur wenige Belege für Personennamen mit dem theophoren Element Ba‘al, die überdies auf die Epoche der Richter und die Familie Sauls beschränkt sind.167 Das Onomastikon der Samaria-Ostraka, die zeitDie Septuaginta hat in 2Sam 5,16 eine überschießende Reihe mit insgesamt 16 Personennamen, unter denen sich an vorletzter Position der Name Baaleima/c findet, der in einem Teil der antiochischen Textüberlieferung als Baaleidac bezeugt ist. Die antiochenische Texttradition unterstützt somit indirekt die ältere Namensform der Chronik. Allerdings unterliegt die griechische Textform ihrerseits dem Einfluss sekundärer Textanreicherung, die sich vielleicht einer alternativen Form der überlieferten Namensliste verdankt (die überschüssigen 13 Namen entsprechen in der Anzahl exakt der Zahl der Davidsöhne nach 2Sam 5,14–16 und lassen sich wie diese in drei Gruppen unterteilen). Unter den „Helden Davids“ wird gleich zu Beginn eine Person erwähnt, die im Text von 1Chr 11,11 den Namen JNWMKC nB mYBVJ trägt, der Mehrzahl der Handschriften der griechischen Textüberlieferung zufolge dagen Iesebaal bzw. Isbaal heißt (LXXA Isbaam). Diese Namensform findet sich mit leichter orthographischer Variation auch in den antiochenischen Septuagintahandschriften zu 2Sam 23,8 (Iesbaal; LXXB Iebo/sce). Der masoretische Text liest in 2Sam 23,8 statt eines Namens eine Partizipialkonstruktion TBVB BVJ, deren Sinn dunkel bleibt und die vielleicht sekundär aus TVB VJA verschrieben worden ist. Die ursprüngliche Namensform wird vermutlich im Anschluss an die antiochenische Handschriftengruppe als LYBV(J)A zu rekonstruieren sein (vgl. STOEBE, 497). Schließlich kennt die Chronik unter den Beamten Davids in der Liste 1Chr 27,25–31 einen nNCLYB aus Gedora, einer Stadt auf dem Gebirge Juda (vgl. BHS, z.St.), der den königlichen Oliven- und Sykomorenplantagen in der Schefela vorstand. Über die Herkunft und das Alter der Liste, die zum chronistischen Sondergut gehört, besteht notorisch Uneinigkeit (vgl. RUDOLPH, 179.183f.; JAPHET, 477–479). Der hypokoristische Personenname ANYB oder HNYB (griechisch Baana), den auch zwei der „Provinzgouverneure“ Salomos tragen (vgl. 1Kön 4,12.16), ist als Vatersname eines der „Helden Davids“ in 2Sam 23,29 belegt (vgl. 2Sam 4,2.5f.9: Name eines der Attentäter Ischba‘als; Esr 2,2; Neh 7,7; 10,28: eine oder mehrere Personen unter den Rückkehrern aus der Gola, vgl. Neh 3,4). Es ist jedoch umstritten, ob die Namensform als Kurzform eines mit dem theophoren Element LYB gebildeten Eigennamens zu deuten ist (vgl. NOTH, Personennamen, 40), oder ob sie mit der Göttin TNY in Zusammenhang steht (vgl. ZADOK, Anthroponymy, 59 mit Anm. 13). Dass damit zu rechnen ist, dass LYB in Personennamen als Apellativum oder Gottesepitheton verstanden wurde, zeigt nicht zuletzt der Name HJLYB („Jahwe ist Herr / Besitzer“), ein Benjaminit, der sich laut 1Chr 12,6 dem Gefolge Davids in Ziklag angeschlossen hatte. 167 Aus der Richterzeit ist der Name LYBRJ „Ba‘al (ist) groß“ oder „Ba‘al streite (für mich)“ belegt, den nach Jdc 6,32; 7,1; 8,29.35; 9,2f.5.26.19.24.28.57; 1Sam 12,11; 2Sam 11,21 (M TVBRJ; LXXL Ierobaal) Gideon, der Vater Abimelechs, trägt (vgl. zur Namensform WSS Nr. 1077, und SCHERER, Religion, 228 Anm. 211). – Darüber hinaus haben zwei der Söhne Sauls gemäß der biblischen Überlieferung Namen mit dem theophoren Element LYB: LYBV(J)A, der ihm auf dem Thron über Israel folgte, und LYB(J)PM. Letzterer gilt nach 2Sam 21,8 als Sohn der Rizpa, einer Nebenfrau Sauls (vgl. 3,7), den David den Gibeoniten auslieferte. Der Name lautet im masoretischen Text TVB(J)PM und wird meist in Analogie zur chronistischen Namensform des gleichnamigen Sohnes Jonathans zu LYB(J)RM konjiziert (vgl. 1Chr 8,34; 9,40). Diese Namensbildung ist für den Saulsohn allerdings nirgends attestiert, weshalb MCCARTER, 124f.439, vorgeschlagen
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
lich in die erste Hälfte des 8. Jh.s v. Chr. einzuordnen sind, d.h. in die Regierungszeit Jerobeams II. (787–747 v. Chr.), bezeugt jedoch eine Vielzahl von Namen, die mit dem theophoren Element Ba‘al gebildet sind. 168 Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass eine Unterscheidung zwischen einer appellativen Verwendung (Ba‘al = „Herr, Besitzer“) und einem Gottesnamen bei Eigennamen notorisch schwierig ist, spricht der epigraphische Befund für die Annahme, dass es auf dem Gebiet des Nordreichs noch im 8. Jh. eine eigenständige Verehrung des Gottes Ba‘al (bzw. seiner Erscheinungsformen) gegeben hat. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Darstellung in 2Kön 10,18–27 eine vollständige Ausrottung der Ba‘alsverehrung im Nordreich suggeriert. Doch mahnen schon die Belege im Hoseabuch – hat, den Namen als LYB(J)PM zu lesen. Die Namensüberlieferung des zweiten Sauliden ist ebenfalls mehrdeutig: im masoretischen Text der Samuelbücher lautet er durchgängig TVBVJA („Mann der Schande“, vgl. MCCARTER, 85–87), vgl. 2Sam 2,8.10.12.15; 3,7 (txt?).8.11(txt?).14f.; 4,1f.(txt?)5.8.12. 1Chr 8,33; 9,39 bieten dagegen die vermutlich ältere Form LYBVJA, die zusätzlich durch eine Handschrift der antiochenischen Texttradition in 2Sam 2,8.10.12.15 gestützt wird (Eisbaal; LXXB Iebo/sce). Die übrigen Textzeugen der antiochenischen Handschriftengruppe lesen den Namen dagegen durchgängig als Memfibo/sce (= TVB[J]PM), eine Variante, die für 2Sam 4,1f.12 durch 4QSama gestützt wird und innerhalb des Abschnitts 2Sam 3,7–4,12 auch im Codex Vaticanus (LXXB) vorherrscht. Die Verwirrung in der Namensüberlieferung hat McCarter dahingehend zu lösen versucht, dass er annimmt, die Erwähnung der Rizpa in 2Sam 3,7 habe in Verbindung mit der Erzählung aus 2Sam 21,1–14 die Assoziation des (falschen) Namens TVB(J)PM anstelle von TVBVJA hervorgerufen und sei im weiteren Erzählverlauf überdies für die Ersetzung des ursprünglichen Namens des Sohnes Jonathans ( LYBJRM) durch TVB(J)PM (vgl. 2Sam 4,4!) verantwortlich (vgl. a.a.O., 124f.). Diese Interpretation des Textbefundes kann sich vor allem auf den Namenswechsel ab 2Sam 3,7 in einigen Septuagintahandschriften stützen. Ob sie sich für den masoretischen Text und die Qumranüberlieferung (vgl. 4QSama) in gleicher Weise aufrecht erhalten lässt, bleibt jedoch fraglich, da die Qumranhandschrift nur fragmentarisch erhalten ist und entscheidende Textpassagen fehlen (vgl. zu 3,7) und der offensichtliche Textausfall in der masoretischen Fassung von 2Sam 3,7 nicht zwingend auf eine ursprüngliche, später als fehlerhaft erkannte Namensform TVB(J)PM zurückgeführt werden kann. Wie dem auch sei, es bleibt die irritierende Feststellung, dass nach der Mehrzahl der antiochenischen Handschriften zwei Söhne des ersten Königs von Israel den gleichen Namen tragen: Memfibo/sce. – Es ist bereits davon die Rede gewesen, dass ein weiterer Träger des Namens TVB(J)PM aus dem Umkreis der Familie Sauls bekannt ist: der gehbehinderte Nachkomme Jonathans (vgl. 2Sam 4,4; 9,6.[10–13; 16,1.4; 19,25f.31]; 21,7). Nach 1Chr 8,34; 9,40 war sein Name LYB(B)JRM (vgl. LYBRM Sam [8]: 1.2,7 „Ba‘al hat gesegnet“ oder „mein Herr ist Ba‘al“, vgl. Ges.18, 740); LXXL liest Memf(e)ibaal, was auf hebräisches LYBJPM zurückverweist. Allerdings hat VEIJOLA, David, die These aufgestellt, dass es sich bei dem Sohn Jonathans um das literarische Produkt einer redaktionellen Bearbeitung des Textes handelt, „die Davids bleibende Treue zu Jonathan zu betonen versucht“ (a.a.O., 74). In 2Sam 9,10–13; 16,1–4; 19, 25–31 sei von dem Sohn Sauls gleichen Namens die Rede, in dessen Dienst Ziba gestanden habe. – Schließlich kennt die Chronik noch einen Onkel Sauls mit Namen LYB (vgl. 1Chr 8,30; 9,36). 168 Vgl. RENZ, Beitrag, 147f.
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trotz ihrer abstrahierenden und generalisierenden Tendenz – hier zur Vorsicht.169 Vor diesem Hintergrund gewinnt der Quellenbefund für Juda und Jerusalem zusätzlich an Profil – die Verehrung einer bestimmten Gottheit unter dem Namen Ba‘al kann für dieses Gebiet aus den Quellen nicht wahrscheinlich gemacht werden. Dieses Urteil mag für die Frühzeit gewissen Einschränkungen unterliegen170, in der späteren Königszeit (8.–6. Jh. v. Chr.) ist der Befund jedoch eindeutig. Für die religionsgeschichtliche Rückfrage nach den Konturen der josianischen Reform und ihrer narrativen Vergegenwärtigung im Reformbericht bedeutet dies, dass Ba‘al hier sehr wahrscheinlich als Chiffre für verschiedene illegitime Kultpraktiken innerhalb der Jahwereligion zu deuten ist. Der (Re-)Personalisierung, die im Gottesnamen Ba‘al vorliegt, entspricht keine einheitliche Gotteskonzeption oder Kultpraxis im religiösen Symbolsystem Judas im ausgehenden 169 Vgl. JEREMIAS, Baal, 101, der die Ereignisse im Zusammenhang der Jehurevolution als Hinweis darauf versteht, dass die Zerstörung des Ba‘al-Heiligtums in Samaria der Vermischung von Ba‘al- und Jahweverehrung in Israel Vorschub geleistet habe, wie sie indirekt von Hosea vorausgesetzt werde. Vgl. zu den Samaria-Ostraka als Zeugnis der persönlichen Frömmigkeit im Israel des 9./8. Jh.s v. Chr. ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, 231f. 170 Für die Annahme, dass es im Gebiet Judas einen Ba‘alskult gegeben hat, sprechen vor allem einige Ortsnamen, die auf die Verehrung lokaler Ba‘al-Numina verweisen. Das Alte Testament nennt wenigstens vier oder fünf Ortslagen im judäischen Bergland und im Negeb, deren Name auf einen ursprünglichen Zusammenhang mit einer Gottheit des Ba‘al-Typs hindeutet. Dabei handelt es sich zum einen um Baal-Perazim, das nach 2Sam 5,20 (vgl. 1Chr 14,11) in der Ebene von Refaim, am Oberlauf des Wādi eṣ Ṣarār im Grenzgebiet zu den Philistern, lag, jedoch nicht mehr sicher lokalisiert werden kann (vgl. STOEBE, 177, mit verschiedenen Identifikationsvorschlägen). In der Grenzbeschreibung Jos 15,9f. wird ein Ort namens Baala (HLYB), nw von Jerusalem, erwähnt, der – vermutlich sekundär – mit Kirjat Jearim (Dēr el-Azhar) identifiziert wird (vgl. 1Chr 13,6; 2Sam 6,2 und dazu STOEBE, 188) und in Jos 15,60; 18,14 unter der Bezeichnung Kirjat Baal erscheint. Die Ortslage wird von FRITZ, 160, mit „Ṣoba etwa 3 km südöstlich von Dēr elAzhar gleichgesetzt“. Eine Ortslage gleichen Namens im Negeb wird in Jos 15,29 genannt (vgl. HLB Jos 19,3; HCLB 1Chr 4,29). Sie ist vielleicht mit Baalat-Beer in Jos 19,8 (vgl. LYB in 1Chr 4,33) identisch. Ihre Gleichsetzung mit Tulūl el-Medbaḫ, 18 km östlich von Be’eršeba‘, ist dagegen strittig (vgl. GÖRG, Baala). Jos 15,24 nennt eine Ortschaft Bealot im Negeb, deren Lage unbekannt ist (oder ist sie mit Baalat-Beer in Jos 19,8 zu verbinden?). Das gleiche gilt für Baalat in 1Kön 9,18 (vgl. 2Chr 8,6), das nach dem Textzusammenhang im Gebiet von Geser zu suchen ist (vgl. N OTH, 213f.). Schließlich ist in Jdc 20,33 von einem Ort mit Namen Baal-Tamar, im Gebiet des Stammes Benjamin, in der Nähe von Geba (9 km nö von Jerusalem), die Rede, der bislang nicht näher lokalisiert werden konnte (vgl. zur Diskussion GASS, Ortsnamen, 422–424). Die Ortsnamen (und das Onomastikon der Personenamen der frühen Königszeit) sind Hinweise darauf, dass der Gott Ba‘al in Juda bekannt gewesen ist, selbst wenn aus ihnen keine Rückschlüsse mehr auf die religiöse Symbolwelt Judas in der späten Königszeit gezogen werden können.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
7. Jh. v. Chr. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass die geschichtstheologische Konzeption, die den Reformbericht antithetisch mit der Religionspolitik Manasses verknüpft hat, hier wie dort den gleichen an Hosea und Jeremia angelehnten Sprachgebrauch voraussetzt, der den Vorwurf des Ba‘alsdienstes im Sinne einer paradigmatischen Zuspitzung für eine als illegitim erachtete Jahweverehrung erhebt. Diese Verwendungsweise liegt auf der Linie, die auf eine Gleichsetzung von Ba‘alsdienst und Übertretung des ersten Gebots hinführt, ohne dass deren charakteristische Terminologie hier bereits vorausgesetzt wäre. Neben Ba‘al werden in V.4a die Göttin Aschera und das Himmelsheer aufgezählt. Im Unterschied zu Ba‘al kommt den beiden anderen Größen im Reformbericht eine prominente Rolle zu (vgl. Aschera: V.6f.14.15; Himmelsheer: V.5.11f.). Der religionsgeschichtliche Befund stützt die Vermutung, dass beide im religiösen Symbolsystem des spätvorexilischen Juda von Bedeutung gewesen sind – selbst wenn hier manches offen bleiben muss.171 Allerdings differiert der Sprachgebrauch in V.4a leicht gegenüber der sonstigen Verwendungsweise im Reformbericht. Denn Aschera bezeichnet innerhalb der Trias vermutlich eine Göttin, die außerbiblisch vor allem aus den Texten aus Ugarit bekannt ist.172 Dagegen ist mit dem Begriff HRVA in V.6 eindeutig das Kultsymbol gemeint, das auch in V.7 avisiert sein dürfte (vgl. auch V.14f.).173 Als Name der Göttin begegnet der Ausdruck im Alten Testament nur noch in 1Kön 15,13; 18,19; 2Kön 21,7(?), alles Stellen, die vermutlich dtr Herkunft sind. 174 Es muss daher 171
Vgl. den instruktiven Überblick über die religionsgeschichtlichen Befunde im späteisenzeitlichen Juda bei KEEL / UEHLINGER, Göttinnen, §§ 168–204, und die kritische Würdigung des Werkes durch W EIPPERT, Religionsgeschichte, und HARTENSTEIN, Beitrag. Eine konzise Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse zu dieser Epoche hat O. Keel jüngst in seiner zweibändigen Gesamtdarstellung der Religionsgeschichte Jerusalems vorgelegt (vgl. DERS., Geschichte, §§ 572–585). 172 Eine knappe Übersicht über das einschlägige Material aus Ugarit bietet W YATT, Asherah, 184f. 173 Dies gilt mit der Einschränkung, dass in Vers 7, wie in 1Kön 15,13 und 2Kön 21,7, die enge Verflochtenheit zwischen der Gottheit und dem sie repräsentierenden Kultsymbol oder Kultbild besonders zum Ausdruck kommt. 174 Die dtr Herkunft der Notiz über die 400 Propheten der Aschera steht außer Frage (vgl. THIEL, 87, spätdtr mit Hinweis auf 2Kön 17,16). Das gleiche hat wohl für die Nachricht über das Kultbild der Aschera (HRVAH LOP), das Manasse im Jerusalemer Tempel aufstellen ließ (vgl. 2Kön 21,7), zu gelten, die zwar eine historisch verlässliche Erinnerung enthalten kann (vgl. SPIECKERMANN, Juda, 166; FREVEL, Aschera, 543), literarisch jedoch kaum von dem Bericht über die Regierung Manasses in 2Kön 21,1–9 zu trennen ist (s. unten, S. 302f. Anm. 397). Dagegen ist für die Zerstörung des „Greuelbildes“ (TZLPM) der Aschera durch König Asa in 1Kön 15,13 wiederholt vermutet worden, dass es sich hierbei um eine Annalennotiz handle, die der dtr Verfasser der Königsbücher in seinen Bericht aufgenommen habe (vgl. NOTH, 337). Nun hat bereits SPIECKERMANN, a.a.O., 186f., mit Recht darauf hingewiesen, dass die sprachliche Gestalt der Zerstörungs-
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damit gerechnet werden, dass sich die spezifische Terminologie in 2Kön 23,4 redaktioneller Arbeit verdankt. Dies gilt in gleicher Weise für die Wendung mJMVH ABZ-LK, die in V.4 als Sammelbezeichnung für Gestirnskulte gebraucht wird (vgl. 2Kön 21,3; Zef 1,5; Jer 19,13; Dtn 4,19)175, während sie in V.5b neben Sonne, Mond und Sternkreisbildern (TWLXM) begegnet und pleonastisch zum Ausdruck für die Gesamtheit der übrigen Sterne dient (vgl. Dtn 17,3; Jer 8,2).176 Die Akzentverschiebungen, die sich in der Reihe der Fremdgötterbezeichnungen gegenüber der sonstigen Terminologie des Reformberichts zeigen, sowie die kompositorische Einbindung des Verses in den Fortgang der Erzählung geben Anlass zu der Vermutung, dass der Wortlaut in V.4a nicht quellenhaft ist. Dagegen vermag auch der Hinweis nicht aufzukommen, dass in den Königsbüchern zwar verschiedentlich von mJLK im Zusammenhang des Jahwekultes die Rede ist (vgl. 1Kön 7,41–45.48–51; 8,4; 15,15; 2Kön 12,14; 14,14; 24,13), nirgends jedoch von Kultgeräten für fremde Götter.177 Die Wahl des Ausdrucks ist hier vielmehr der Absicht des Verfassers geschuldet, die vollständige Vernichtung aller kultischen Installationen und Gerätschaften zu dokumentieren, die mit einer illegitimen Kultpraxis im Jerusalemer Tempel in Verbindung standen. Dabei ist der Bezug auf den Tempel in Jerusanotiz in 1Kön 15,13b enge Berührungen mit dem Bericht über die Zerstörung des Ascherabildes durch Josia in 2Kön 23,6 aufweist, so dass die Vermutung naheliegt, dass die Notiz über das Vorgehen Asas gegen das Kultbild der Maacha auf den Verfasser der Königsbücher zurückgeht. Dafür spricht vielleicht auch die Wahl des Begriffs TZLPM, der bei aller semantischen Unschärfe doch wohl als ein „pejorativer Bildbegriff“ aufzufassen ist (zur semantischen Valenz des Wortes vgl. FREVEL, a.a.O., 535f., Zitat: 536), analog zu Bildungen wie zQV (vgl. 1Kön 11,5.7 u.ö.) oder mJLWLG (vgl. 1Kön 15,12 u.ö.). Darin besteht wiederum ein signifikanter Unterschied zum Sprachgebrauch des Reformberichts in 2Kön 23,6f. Diese Beobachtungen schließen nicht aus, dass 1Kön 15,13 historische Erinnerungen bewahrt (vgl. 1Kön 15,13a), doch lassen sich diese literarisch kaum mehr von der vorliegenden Textgestalt abheben. 175 In Dtn 4,19 fasst der Ausdruck mJMVH ABZ LK vermutlich die Glieder der vorangegangenen Aufzählung (Sonne, Mond und Sterne) zusammen (explikative Asyndese, vgl. SPIECKERMANN, Juda, 223) und vertritt somit die Gesamtheit astraler Phänomene, deren kultische Verehrung Israel im Unterschied zu den übrigen Völkern (mJMY) untersagt ist, weil Israel das Eigentumsvolk (mY) Jahwes ist (V.20). Alternativ könnte erwogen werden, ob mJMVH ABZ LK nur auf das letzte Glied der Reihe zu beziehen und als Parallelausdruck zu mJBKWK („Sterne“) zu interpretieren ist. Ein solches Verständnis könnte auf Dtn 17,3 verweisen, wo mJMVH ABZ LK neben Sonne (VMV) und Mond (CRJ) die übrigen Gestirne meint (vgl. noch Jer 8,2). 176 Beide Stellen gehen auf dtr Redaktionsarbeit zurück, vgl. THIEL, Jeremia 1–25, 128–132 (zu Jer 7,30–8,3), und RÜTERSWÖRDEN, Gemeinschaft, 31–38 (zu Dtn 17,2–7). 177 „Völlig unabhängig von vorgegebener Tradition ist DtrH in 23,4 kaum, da er normalerweise nicht zwischen Göttern und ihnen dienenden bzw. sie repräsentierenden Kultobjekten (mJLK) unterscheidet.“ (SPIECKERMANN, Juda, 81). Kritisch dazu bereits HOFFMANN, Reform, 233 Anm. 69.
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lem dem Sprachgebrauch in V.4a und an den übrigen Stellen in den Königsbüchern gemeinsam. Die mehrteilige Handlungsfolge der Reformnotiz in V.4 weist auch im zweiten Teil einige Abweichungen gegenüber der ansonsten vorherrschenden Terminologie des Reformberichts auf.178 Nachdem die Priester und die Schwellenhüter das mobile Kultinventar aus dem Tempelgebäude entfernt haben, verbrennt der König die Kultgeräte außerhalb der Stadt, an den Abhängen des Kidrontals. Daran ist weniger überraschend, dass der König das Subjekt der Aussage ist, denn dies entspricht nicht nur der generellen Perspektive der Erzählung, der Narrativ schließt auch nahtlos an die vorherige finite Verbalform an. Grammatisch (und logisch) liegt hier kein Subjektwechsel vor – eine Ausführungsnotiz zu dem Befehl in V.4a wird nicht mitgeteilt und ist auch entbehrlich.179 Ungewöhnlich ist im Zusammenhang
178 Nicht nur in dieser Hinsicht sind die stilkritischen Beobachtungen bei HOFFMANN, Reform, 220–251, zu präzisieren. Er weist zu Recht darauf hin, dass in V.4.6.12.15 jeweils eine mehrstufige Abfolge von Teilhandlungen vorliegt, die als „ein Stil- und Darstellungsmittel des Berichtes“ zu werten ist (a.a.O., 221). Dass diese Darstellungsart hingegen „überhaupt kein historisches oder chronologisches Interesse (verfolge)“, sondern allein dazu diene „die Totalität des Vernichtungswerkes“ zu beschreiben (a.a.O., 223), kommt einer petitio principii gleich und nivelliert die sorgsame Differenzierung innerhalb der sprachlichen Gestalt des Reformberichts. Dies geschieht bei Hoffmann vor dem Hintergrund, dass er den Bericht durchgängig als ein Produkt dtr Kultsystematik erweisen will. Dies gelingt jedoch nur um den Preis einer teilweise plakativen und undifferenzierten Textinterpretation, die den Wert einer Vielzahl guter Einzelbeobachtungen in seiner Analyse leider bisweilen verdunkelt. Differenzierter urteilt KÖHLMOOS, Bet-El, 192f. Ihr Hinweis auf die Nähe der mehrstufigen Kultbeseitigungsmaßnahmen in V.4b, 6b, 12b und 15b zum Bericht über die Tempelreinigung und -weihe unter Hiskia in 2Chr 29 verfängt jedoch nicht, denn in 2Chr 29,15–19 ist nicht von der Zerstörung der unreinen Kultgeräte die Rede, sondern von deren Reinigung und erneuten Weihe zum kultischen Gebrauch. Die priesterliche Konzeption von „rein“ und „unrein“, die sich auch im Reformbericht findet, ist darüber hinaus für eine Datierung des Textes nicht geeignet. – Ein weiterer Unterschied zwischen Vers 4 und dem Rest des Reformberichts besteht in der sprachlichen Formulierung der Näherbestimmung der Kultgeräte. Während die Kultobjekte sonst stets mittels eines RVA-Satzes hinsichtlich ihrer Lokalität, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Urheberschaft näher charakterisiert werden, erfolgt dies in V.4a mit Hilfe der partizipialen Wendung mJMVH ABZ LKLW HRVALW LYBL mJWSYH. Weiterhin fällt auf, dass das Subjekt der Herstellung der Geräte in V.4 unbestimmt bleibt, während im übrigen Bericht entweder einzelne Könige oder summarisch „die Könige Judas“ (V.5.11, vgl. V.12a) als Verantwortliche genannt werden. Letzteres könnte damit zu erklären sein, dass der Verfasser in die Aussage von Vers 4 bewusst alle illegitimen Kultgeräte des Jerusalemer Tempels, einschließlich privater Weihgaben, eingeschlossen wissen wollte. 179 Eine mittelalterliche hebräische Handschrift, ein Teil der antiochenischen Septuagintaüberlieferung (b' = Rahlfs, Nr. 19, o = Rahlfs, Nr. 82) und die Pešiṭtā lesen hier eine Pluralform und setzen die Priester als handelndes Subjekt voraus. In der antiochenischen Texttradition findet sich zusätzlich eine Ausführungsnotiz im Anschluss an den kö-
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des Reformberichts dagegen, dass der König die Kultgeräte „verbrennt“ (pRS). Zwar begegnet die Wurzel pRS im Reformbericht nicht weniger als siebenmal (vgl. V.6.11.15[2x]16.20), doch variiert die Wahl der verba delendi sonst stets in Relation zu den Objekten der Vernichtung und ihrer materiellen Beschaffenheit. Die Wurzel pRS wird nur dort verwendet, wo von Objekten aus brennbarem Material die Rede ist.180 Nun ist vor allem aus mesopotamischen und ägyptischen Quellen bekannt, dass neben Möbelstücken, Werkzeugen und Haushaltsgeräten auch ein Teil des Kultinventars aus Holz hergestellt worden ist.181 Die Mehrzahl der Geräte, die zu kultischen Zwecken verwendet wurden, bestand dagegen aus Keramik oder wertvollen Metallen wie Kupfer, Silber oder Gold (seltener sind auch steiniglichen Befehl: kai e>qh(ga)gon. Letztere Ergänzung entspricht einer verbreiteten Tendenz der späteren Textüberlieferung. 180 Eine Ausnahme bildet lediglich die Verbrennung der HMB, von der in V.15b die Rede ist, ein Ausdruck der im Alten Testament nur hier begegnet (zu den textgeschichtlichen Problemen in V.15 s. oben, S. 33). Warum dagegen die Verbrennung der Sonnenwagen (V.11b) nicht „konkret vorstellbar“ sei, da „man (sie) sich kaum aus Holz bestehend wird denken dürfen“ (HOFFMANN, Reform, 225), bleibt ebenso rätselhaft, wie die Aufzählung der menschlichen Gebeine, die Josia laut 2Kön 23,16.20 verbrannt haben soll, unter solchen Objekten, „die nach archäologischen Erkenntnissen als unbrennbar bezeichnet werden müssen“ (a.a.O., 346 mit Anm. 25). Hoffmanns Feststellung, der Begriff pRS werde im Reformbericht „unpräzise und pauschal als Terminus technicus für die radikalste Form der Vernichtung gebraucht“ (a.a.O., 225), ist in dieser Verallgemeinerung schlicht falsch. Dennoch hat er damit für V.4 (und vermutlich auch für V.15) Richtiges gesehen. Befremden erweckt jedoch seine Behauptung, dass das Verbrennen der Kultgegenstände „nicht unter dem Gesichtspunkt exakter Beschreibung zu fassen (sei), da nach der Verbrennung ein anschließendes Pulverisieren überflüssig erscheint“ (ebd.). Wenn er sich dazu zum einen auf die Vernichtung der zerstörten Altäre in V.12b beruft, und zum anderen auf das weitere Schicksal der Asche der verbrannten Kultgeräte in V.4b, so ist zwar unbestritten, dass es sich bei der Zerkleinerung der Überreste der Kultobjekte zu Staub in V.6 und V.15 (jeweils QQD) bzw. V.12 (zZR) „um einen selbständigen Akt der Vernichtung handelt“ (a.a.O., 225 Anm. 16), dieser ist jedoch von den vorausgehenden Teilaktionen unterschieden und setzt diese seinerseits voraus. Das erkennbare Interesse an einer totalen Vernichtung der Objekte steht nicht im Widerspruch zur sachlichen Logik der Erzählung. 181 Holz wurde in Mesopotamien etwa für den Hausbau, bei der Fertigung von Möbelstücken, Werkzeugen, Waffen oder Haushaltsgeräten, wie Bechern, Löffeln, Kämmen und diversen Kästen oder Behältnissen verwendet. Der Gebrauch hölzerner Geräte im Kult kann ebenfalls vorausgesetzt werden, wenngleich sich archäologische Relikte davon im Zweistromland (und in Palästina) aufgrund des raschen Verfalls des Materials nur in Ausnahmefällen erhalten haben (vgl. STROMMENGER, Holz; GALLING / WEIPPERT, Holzbearbeitung). Als zY JLK („hölzerne Geräte“) werden in Lev 11,32; 15,12 allerlei Gegenstände des täglichen Gebrauchs bezeichnet (vgl. auch Num 31,20 von einem Teil des Beutegutes). Die Unterscheidung zwischen hölzernen und tönernen Gefäßen ( zRC JLK, vgl. Lev 11,33; 15,12) erfolgt im Zusammenhang mit verschiedenen Reinigungsvorschriften, meist fehlen jedoch konkrete Materialangaben.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
nerne Kultgefäße belegt). Dies geht nicht nur aus den textlichen Quellen (vgl. für den Jerusalemer Kult z.B. 1Kön 7,41–50), sondern auch aus archäologischen Funden eindeutig hervor.182 Berücksichtigt man den summarischen Charakter der Notiz in V.4, so ist davon auszugehen, dass der Verfasser nicht nur von der Zerstörung hölzerner oder textiler Kultrequisiten berichten will, sondern die Vernichtung sämtlicher Bestandteile des kultischen Inventars im Blick hat, das für die Durchführung als illegitim erachteter Kulthandlungen verwendet worden war, unabhängig von dessen materieller Beschaffenheit. Dann ist aber der Schluss unausweichlich, dass der Verbgebrauch in Vers 4ba gegenüber dem Rest des Reformberichts signifikant verschieden ist. pRS bezeichnet hier pauschal den Akt der Vernichtung der Kultgeräte, ungeachtet der Frage, ob dies mit Blick auf die zu zerstörenden Objekte sinnvoll erscheint. Die Wahl der Verbalwurzel mag sich an dieser Stelle deren prominenter Rolle im weiteren Textverlauf verdanken (vgl. V.6.11). Der Sprachgebrauch berührt sich jedoch mit einer vergleichbar schematischen Verwendung des Verbs im Zusammenhang mit der Zerstörung weiterer Kultgegenstände, die materialiter als nicht brennbar zu gelten haben: Das bekannteste Beispiel dürfte die Verbrennung des Stierbildes sein, das Aaron nach Ex 32,4 am Fuße des Gottesberges aus dem Ohrschmuck des Volkes hergestellt hatte und das ausdrücklich als „Gussbild“ (HKOM) bezeichnet wird (vgl. Dtn 9,21). Dahinter mag die Vorstellung stehen, dass jede Art von „Götterbild“ ( LOP) verbrannt werden soll (vgl. Dtn 7,5.25). Der gleiche undifferenzierte Sprachgebrauch begegnet noch in 2Kön 10,26 (steinerne Maṣṣebe des Ba‘altempels) und könnte als Folge einer „typisierten Kultsprache“ zu interpretieren sein, die „die Materialvorstellung vollständig vernachlässigt“. 183 Ob alle diese Texte auf einer literarischen Stufe stehen, ist damit noch nicht ausgemacht; sie teilen aber die Vorstellung, dass illegitime Kultobjekte durch Verbrennung vollständig zu vernichten sind.
Der Ort, an dem die Kultgeräte verbrannt werden, liegt außerhalb der Stadtmauern Jerusalems (mLVWRJL zWCM)184, genauer an den „Abhängen des Kidron“ (nWRDQ TWMDVB). Das Kidrontal begrenzt die alte Davidstadt auf dem Südosthügel nach Osten hin. „Das Überschreiten dieser markanten Stadtgrenze Jerusalems war gleichbedeutend mit dem Verlassen der Stadt (vgl. 2Sam 15,23; 1Kön 2,37). Jenseits des Kidron begann ... die Frem-
182
Vgl. REICHERT, Kultgeräte. HOFFMANN, Reform, 346. Inwieweit die Zerstörung des „Greuelbildes“ der Aschera (HRVAL TZLPM), in 1Kön 15,13 ebenfalls unter diesen Sprachgebrauch zu subsumieren ist, muss angesichts der semantischen Unschärfe des Begriffs TZLPM, der keinen Rückschluss auf die materielle Beschaffenheit des so bezeichneten Objekts erlaubt, offen bleiben. Die Verwendung der Verben TRK und pRS könnten sich in diesem Zusammenhang dem Bezug des Kultobjekts zur Göttin Aschera verdanken (Dtn 12,3; 2Kön 23,6; vgl. 2Kön 18,4; 23,14). 184 Vgl. zu diesem Ausdruck SPIECKERMANN, Juda, 82 Anm. 108. 183
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de.“185 In seinem nördlichen Teil, unterhalb des Tempelplatzes, fiel es in der Antike steil ab, der südliche, flachere Teil wurde vor allem in der Umgebung der Giḥon-Quelle für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Der östliche Abhang des Kidrontals, der zum Ölberg hinaufführt, diente seit dem 9. Jh. v. Chr. als Nekropole, wovon noch heute die eindrucksvollen Felsgräber von Silwān ein beredtes Zeugnis ablegen.186 Welcher Teil des Kidrontals mit der topographischen Angabe nWRDQ TWMDVB genau gemeint ist, ist nicht mehr sicher zu bestimmen. Das Lexem HMDV ist alttestamentlich nur noch in Dtn 32,32, Jes 16,8, Jer 31,40 (vgl. BHS, z.St.) und Hab 3,17 belegt und zwar überwiegend in agrarischem Kontext, so dass sich die Bedeutung „Pflanzung“ oder „Feld, landwirtschaftliche genutzte Fläche“ nahe legt.187 Lediglich in Jer 31,40 erscheint der Begriff losgelöst von diesem Zusammenhang zur Bezeichnung der (terrassierten) Abhänge an der Südgrenze Jerusalems.188 Diese Bedeutung ist auch für die Verwendung von HMDV in 2Kön 23,4 vorauszusetzen. Es ist jedoch fraglich, ob der Verfasser dabei an die bewässerten Obst- und Gemüsegärten am Westabhang des Kidrontals denkt, für die eine landwirtschaftliche Nutzung nachweisbar ist. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass der Ausdruck auf die östlich des Kidrontals gelegenen Abhänge am Ölberg verweist, die seit Alters her als Begräbnisplatz dienten und an denen neben den repräsentativen Felsgräbern der wohlhabenden Familien Jerusalems auch „die Gräber des Volkes“ (V.6) vermutet werden können.189 Die Terminologie in V.4 nimmt somit 185 KÜCHLER, Kidron-Tal, 471. Der Name Kidrontal bedeutet „dunkles Tal“ (vgl. RDQ „sich verfinstern, dunkel werden“), vgl. zu seiner Lage und Geschichte jetzt K ÜCHLER, Jerusalem, 670–752 (bes. 670–675). 186 Zur Geschichte der Nekropole von Silwān vgl. die grundlegende Untersuchung von USSISHKIN, Silwan. 187 Vgl. SPIEKERMANN, Juda, 82 Anm. 108, der sich vor allem auf die Untersuchung von GROATTO / SOGGIN, Bedeutung, beruft. In Dtn 32,32 und Jes 16,8 steht der Begriff im Parallelismus zu nPG („Weinstock“), in Hab 3,17 in einer Reihe mit HNAT („Feigenbaum“), nPG und TJX („Ölbaum“). Wenn es an letzterer Stelle heißt, dass die TWMDV keine Nahrung hervorbringen, legt dies die Bedeutung „Acker“ oder „agrarische Nutzfläche“ für HMDV nahe. Ges.18, 1326, gibt den Plural mit „Terassenanlagen“ wieder, gemeint sind terassierte, agrarische Nutzflächen. 188 Nach der Logik der Beschreibung der zukünftigen Stadtgrenzen Jerusalems in Jer 31,38–40, die im Norden beginnend gegen den Uhrzeigersinn von Westen nach Osten verläuft, bezeichnet TWMDV in V.40a die gestuften Abhänge, die sich an der südlichen Stadtgrenze in östlicher Richtung bis zum Kidrontal erstrecken, d.h. die Abhänge des Ben-Hinnomtals, das in V.40 „Tal der Leichname und der (Fett-)Asche“ genannt wird (vgl. FISCHER, 179f.). Da Terrassenfeldbau in Palästina weit verbreitet ist und das BenHinnomtal (vor allem im oberen Talgrund) zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wurde (vgl. KÜCHLER, Hinnom-Tal), besteht durchaus eine sachliche Nähe zwischen der Verwendung des Lexems HMDV in Jer 31,40 (Qere’) und den übrigen Belegstellen. 189 Die Nekropole in Silwān scheint jedoch gegen Ende des 8. Jh.s v. Chr. aufgegeben worden zu sein, wie die neu entstehenden Grabanlagen am Oberlauf des Ben-Hinnomtals
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auch in diesem Fall die Begrifflichkeit der folgenden Reformnotizen auf (vgl. nWRDQ LCN in V.6.12) und wandelt sie leicht ab. Schließlich notiert V.4bb, dass der König die Überreste des verbrannten Kultinventars (mRPY „ihre Asche“) nach Bet-El verbracht habe. Über den Zweck dieser Maßnahme gibt der Text keine nähere Auskunft – ihre Absicht scheint in der Erwähnung des Namens Bet-El mitgesetzt zu sein. In Bet-El (das heutige Bētīn, 17 km nördlich von Jerusalem gelegen), das mit einigen Unterbrechungen von der Frühbronzezeit bis in die hellenistisch-römische Zeit durchgängig besiedelt war und zum Gebiet des Stammes Benjamin gehörte, gab es nach alttestamentlicher Überlieferung ein Heiligtum, das unter Jerobeam I. in den Status eines Staatsheiligtums des Nordreichs Israel erhoben wurde (vgl. Gen 28,10–22; 1Kön 12,26–32; Am 7, 10–13).190 In der späteren Königszeit geriet der Kult in Bet-El aus judäischer Perspektive immer mehr in die Kritik, bis er in nachexilischer Zeit geradezu als Synonym für einen illegitimen Jahwe-Kult verstanden werden konnte (vgl. 2Kön 17,24–41).191
Im Reformbericht wird Bet-El noch einmal in V.15–20 erwähnt, wo von der Zerstörung des Heiligtums (HMB) einschließlich des Altars und der Aschera durch den König Josia gehandelt wird. Beide Notizen bilden im vorliegenden Text eine inclusio, die um den restlichen Reformbericht gelegt ist, und verweisen aufeinander. Vor diesem Hintergrund ist zunächst nach der Funktion der Überführung der Asche der Kultgeräte in V.4bb zu fragen. Erklärt sie sich aus der Tendenz, „alles Unreine vom Tempel möglichst weit zu entfernen“ und an einem geeigneten Ort zu entsorgen? 192 vermuten lassen (vgl. BIEBERSTEIN, Pforte, 512). Wenig wahrscheinlich ist hingegen, dass mit nWRDQ TWMDV der steile Westabhang im nördlichen Teil des Kidrontals im Bereich des Tempelareals gemeint ist, der in der Antike als Abfallhalde genutzt wurde. Dies kann zwar nicht zwingend aus den geographischen Angaben in Jer 31,38–40 geschlossen werden, wie SPIECKERMANN, Juda, 82 Anm. 108, gegen DALMAN, Jerusalem, 174, einwendet, doch spricht die sonstige Verwendung von HMDV im Alten Testament für diese Annahme. Dass „die fremdländischen Idole ... jeweils von der Plattform des Tempels (in das Kidrontal) hinuntergeworfen (wurden)“ (KÜCHLER, Jerusalem, 673), wird weder in 1Kön 15,13 noch im Reformbericht behauptet. Ganz spekulativ bleibt die Vermutung, die Bezeichnung TWMDV weise auf eine Kultstätte des Unterweltgottes Mot hin ( pace TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 177f. Anm. 370) 190 Zur Geschichte und Bedeutung Bet-Els und der mit ihm verbundenen religiösen Traditionen und Überlieferungen vgl. KOENEN, Bethel; KÖHLMOOS, Bet-El. 191 Vgl. zu den Sinnbildungsprozessen in der Erinnerung an Bet-El in der prophetischen und dtr Literatur die Überlegungen bei KÖHLMOOS, Bet-El, 309–316. 192 SPIECKERMANN, Juda, 83 (kritisch dazu KOCH, Gefüge, 91 Anm. 26). Hierbei wäre noch genauer zu fragen, ob der Zielpunkt, an den die Asche der Kultgeräte gebracht wird, durch deren Überreste verunreinigt werden soll oder ob dieser – in der Perspektive des Erzählers – bereits als unrein zu gelten hat und daher für die Deponierung der Asche als besonders geeignet erschien. Erwägt man ein unpolemisches Verständnis der Aussage, dann bliebe die Möglichkeit, dass die Überreste der Kultgeräte an das Heiligtum von BetEl transferiert werden, um sie dort kultisch rite zu entsorgen, was in Jerusalem vor Abschluss der Kultrestitution nicht möglich gewesen sei. Diese Interpretation setzt jedoch
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Diese Annahme ließe sich mit dem Hinweis auf die kritische Haltung, die in den Königsbüchern mehrfach gegenüber Bet-El zum Ausdruck gebracht wird, verbinden. Der Vorgang besitzt eine Analogie in den Nachrichten über das Verstreuen der Überreste weiterer Kultrequisiten durch den König im Kidrontal (vgl. V.6.12). Nach V.6 verstreut der König die Asche der Aschera des Jerusalemer Tempels „über der Grabanlage der Söhne des Volkes“, die im Kidrontal lag. Vers 12b spricht davon, dass die Reste der zu Staub zerstoßenen, steinernen Altäre im Kidrontal verstreut wurden.193 Im Lichte von V.6 darf angenommen werden, dass das Kidrontal in V.12 ebenfalls die Konnotation der Unreinheit besitzt, so dass in beiden Fällen daran gedacht ist, dass die Überreste des als illegitim erachteten Kultinventars an einen unreinen Ort gebracht werden.194 Der Vergleich mit den beiden zuletzt genannten Stellen lässt jedoch den Unterschied zu V.4bb nur umso deutlicher hervortreten: Warum wird die Asche der Kultgeräte bis nach Bet-El getragen, wenn sie ebenso gut im Kidrontal hätte entsorgt werden können? Oder umgekehrt gefragt: Warum werden nur die in V.4 genannten mJLK, nicht aber das übrige mobile Kultinventar nach Bet-El gebracht? Eine Antwort auf diese Frage lässt sich nur finden, wenn die kompositorische Klammer zwischen V.4bb und V.15–20 berücksichtigt wird. W. B. Barrick hat zum Verständnis des Verses auf eine interessante Parallele in den Annalen Sanheribs aufmerksam gemacht. Dort ist davon die Rede, dass der assyrische Großkönig nach der Eroberung Babylons (689 v. Chr.) etwas von dem Staub der zerstörten Stadt als Machterweis Assurs an die umliegenden Völkerschaften schickt, „as a warning to other potential rebels“.195 Demnach hätte Josia die Überreste der illegitimen Kultgeräte nach Bet-El bringen lassen, um die Macht des Jahwe von Jerusalem zu demonstrieren und die Priesterschaft von Bet-El vor einer synkretistischen Kultpraxis zu warnen. Barrick konzediert jedoch, dass „Josiahʼs motive nonetheless is unclear“.196 In der Tat will die Analogie zwischen der politischen Absicht Sanheribs und den kultpolitischen Reformen Josias nicht recht überzeugen. Dies liegt vor allem daran, dass das Verhältnis der Vorgänge in V.4b zur Zerstörung des Heiligtums von Bet-El in V.15–20 unklar bleibt. Der Charakter einer Warnung oder Provokation seitens des Königs gegenüber der Priesterschaft von Bet-El geht aus dem Wortlaut des voraus, dass V.4bb zunächst getrennt von den übrigen Bet-El Passagen des Reformberichts zu lesen ist. 193 Zu den textlichen Problemen in V.12b s. oben, S. 32. 194 Betrachtet man die Aussage von V.12b dagegen isoliert, könnte ebenso gut erwogen werden, ob das Kidrontal hier nicht in seiner Funktion als Müllhalde, ohne weitergehende kultisch-sakrale Konnotationen, erwähnt wird. Die enge sprachliche Parallele zwischen V.12bb und V.6b spricht jedoch gegen diese Auffassung. 195 BARRICK, King, 73. 196 A.a.O., 74.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
Reformberichts mindestens nicht deutlich hervor. Lässt man dagegen psychologisch-historisierende Erwägungen einmal beiseite und berücksichtigt die literarische Verknüpfung zwischen V.4bb und V.15–20, kann die Überführung der Asche nach Bet-El als Vorverweis auf die Zerstörung des Heiligtums gelesen werden, der dieses als einen Ort des illegitimen Jahwekultes charakterisiert (vgl. das gemeinsame Stichwort RPY in V.4b.15b). Es ginge dann weniger um den Verbleib der Überreste der unreinen Kultgeräte oder eine Verunreinigung des Heiligtums in Bet-El (vgl. V.16–18), sondern um die Disqualifikation der dort geübten Kultpraxis als „Fremdgötterverehrung“. Dieser Vorwurf deckt sich mit der Erwähnung der beiden Stierbilder – neben der Verehrung Ba‘als, Ascheras und des Himmelsheeres (sic!) – innerhalb der Reihe von Verstößen gegen das erste Gebot, mit denen in dem spätdtr Abschnitt 2Kön 17,15–17 der Untergang des Nordreichs Israel begründet wird, und der vermutlich spätnachexilischen Polemik gegen einen synkretistischen Kult in Bet-El / Samaria (vgl. 2Kön 17, 24–41).197 In der jüngeren Forschung wird V.4bb überwiegend als eine späte Glosse beurteilt, die den Textzusammenhang störe und sprachlich ungelenk an V.4ba angeschlossen sei.198 Die Schwierigkeiten, die der Versteil der Interpretation bereitet, kulminieren bisweilen in seiner Einschätzung als „an absurd addition“, die unter dem Einfluss von V.15–20 in den Text gelangt sei.199 Nun ist bereits dargelegt worden, dass sich die Notiz sowohl kompositionskritisch als auch sachlogisch durchaus in das Gefüge des Reformberichts einpasst, so dass von einer absurden Ergänzung mit guten Gründen nicht gesprochen werden sollte. Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass der Zug nach Bet-El an dieser Stelle unmotiviert sei bzw. eine Doppelung zu der Notiz über die Zerstörung des Heiligtums in V.15–20 vorliege. Ein zweimaliger Zug nach Bet-El sei historisch unwahrscheinlich und störe die topographische Ordnung des Berichts. Letzere Einschätzung beruht jedoch auf einer Fehlinterpretation der syntaktischen Fügung weqāṭal-x in V.4bb als einer aramaisierenden Narrativform.200 Vielmehr signalisiert die grammatische Konstruktion gerade eine Unterbrechung der 197
Vgl. mit anderer Akzentsetzung auch KÖHLMOOS, Bet-El, 202–208.213–226. Vgl. MONTGOMERY / GEHMAN, 529; GRAY, 732; HOLLENSTEIN, Erwägungen, 325f.; SPIECKERMANN, Juda, 83; LEVIN, Josia, 207; WÜRTHWEIN, 456; KÖHLMOOS, BetEl, 221. EYNIKEL, Reform, 345, rechnet den Versteil auf das Konto dtr Redaktionsarbeit im Zusammenhang mit der literarischen Verknüpfung eines ursprünglich selbständigen Reformberichts mit einer ebenfalls eigenständigen Bunddesschlusserzählung. BARRICK, King, 73–76, ist in seinem Urteil schwankend. Dagegen zählen HOFFMANN, Reform, 243f. (dtr), und HARDMEIER, König, 134–138 (vordtr), V.4bb jeweils zum ältesten Textbestand. 199 MONTGOMERY / GEHMAN, 529. 200 Siehe oben, S. 223–238. 198
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konsekutiven Ereignisfolge, die durch den Narrativ zum Ausdruck gebracht wird, und ordnet die Überführung der Asche der Kultgeräte dem Akt ihrer Verbrennung bei, ohne dass damit eine genaue Angabe über den Zeitpunkt dieses Sachverhalts getätigt würde. Der Text setzt somit nicht notwendig voraus, dass der König zweimal nach Bet-El gezogen wäre, sondern lässt die chronologische Verhältnisbestimmung der Maßnahmen in V.4bb und V.15–20 offen. Es ist sehr wohl denkbar – und vom Verfasser vermutlich auch intendiert, dass beide Sachverhalte auf einen einzigen Zug des Königs nach Bet-El zu beziehen sind. Diese Annahme wird zusätzlich durch die kompositorische Klammer, durch die beide Passagen miteinander verbunden sind, gestützt.201 Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass V.4bb nicht zum ursprünglichen Bestand des Reformberichts zu rechnen ist und sich seine geschickte kompositorische Einbindung redaktioneller Tätigkeit verdankt. Dafür ist zunächst weniger auf die ideologische Nähe des Stücks zu den polemischen Abschnitten in 2Kön 17 zu verweisen, als an die konzeptionellen Differenzen zu den übrigen Reformnotizen zu erinnern. Nur in V.4bb fungiert BetEl als Ort der Endlagerung der materiellen Überreste des zerstörten mobilen Kultinventars, im Rest des Reformberichts ist dies das Kidrontal, das wegen seiner Nutzung als Abfallhalde und aufgrund der dort gelegenen Nekropole als unrein galt (vgl. V.6.12). Nun könnte dieser Differenzpunkt auf das Konto des Erzählers in 2Kön 22f.* geschlagen werden, wie es bereits für die bisher festgestellten formalen und sachlichen Abweichungen in V.4 gegenüber den folgenden Reformnotizen erwogen worden ist. Er wäre dann für die kompositorische Verklammerung der Verse 4 und 15–20 verantwortlich und hätte auf diese Weise einen Rahmen um eine von ihm aufgenommene, ältere Überlieferung gelegt. Gegen diese an sich nahe liegende Vermutung ist jedoch einzuwenden, dass der Verfasser von V.4* die Verbrennung der Kultgeräte, die für Ba‘al, Aschera und das Himmelsheer angefertigt worden waren, ausdrücklich an den gestuften Abhängen des Kidrontals, mithin in der Nähe der Nekropole, lokalisiert und damit konzeptionell im Rahmen der übrigen Kultbeseitigungsnotizen verbleibt. Diese Beobachtung widerrät der Annahme, derselbe Verfasser habe das Kidrontal nur als Zwischenstation auf dem Weg nach Bet-El betrachtet. Des Weiteren fehlt in V.4b eine Bemerkung, dass die Überreste der Kultgeräte zu Staub zerkleinert worden sind, wie es in V.6 und V.12 der Fall ist. Stattdessen tritt die Überführung der Asche nach Bet-El an die Stelle, an der sonst vom Verstreuen der Asche (im Kidrontal) die Rede ist (kLV Hif.). Dies spricht nicht nur gegen die Vermutung, alle drei Stellen seien einer gemeinsamen literarischen Schicht zuzuweisen202, sondern unterstreicht 201 202
Vgl. HARDMEIER, König, 122 Anm. 64; PIETSCH, Tempus, 170f. Pace HOFFMANN, Reform, 220–223.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
die eigenständige theologische Konzeption, die sich in der Bet-El Polemik des Ergänzers in V.4bb ausspricht. Die ursprüngliche Einleitung des Reformberichts lehnte sich dagegen stärker an die vorgegebene Überlieferung an, besitzt jedoch selbst keinen Quellencharakter im Sinne einer literarkritisch eruierbaren Vorstufenrekonstruktion. Ob ihr ein älterer überlieferungsgeschichtlicher Kern zugrunde liegt, ist schwer zu entscheiden, die konzeptionelle und literarische Geschlossenheit des Stücks spricht jedoch eher dagegen. Der Vernichtung der Kultgeräte wird in Vers 5 die Absetzung verschiedener Gruppen des Kultpersonals beigeordnet. Die syntaktische Fügung weqāṭal-x unterbricht den Handlungsfortschritt und stellt der Zerstörung des illegitimen Kultinventars die Suspendierung der Kultfunktionäre an die Seite, die teilweise mit denselben Kultpraktiken in Verbindung gebracht werden (vgl. V.5b). Beide Maßnahmen stehen in einem sachlichen Entsprechungsverhältnis zueinander und bilden in semantischer Hinsicht eine Einheit. Dieser Sachverhalt wird durch die Wahl des koordinierenden Perfectum copulativum sprachlich zum Ausdruck gebracht. In V.4f. liegt somit ein erster Unterabschnitt des Reformberichts vor. Was die zeitliche Relation der beiden Sachverhalte betrifft, so bleibt deren Zuordnung insoweit unbestimmt, als die Absetzung der Kultbediensteten – anders als im Fall des sekundären Nachtrags in V.4bb203 – zeitlich nicht notwendig nach den Maßnahmen von V.4a.ba anzusetzen ist. Die Wurzel TBV bezeichnet die Beendigung einer Tätigkeit, im vorliegenden Zusammenhang das Ende der praktischen Kultausübung seitens der genannten Kultfunktionäre, der mJRMK und der mIRFQM.204 Dass dieses auf Veranlassung des Königs Josia geschieht, stimmt mit der Angabe überein, dass zumindest die mJRMK zuvor von offizieller Seite in ihr Amt eingesetzt worden waren (vgl. V.5ab), mithin als Vertreter der „offiziellen Religion“ und königliche Beamte gelten können. Weiter heißt es, dass die kemarîm an den TWMB in den Städten Judas und der Umgebung Jerusalems „geräuchert“ hätten. Der syntaktische Zusammenhang ist jedoch gestört. Der Narrativ der 3.Pers. m. Sg. von der Wurzel RFQ Pi. kann entweder den Hauptsatz aus V.5aa oder den Relativsatz in V.5ab fortführen. Im ersten Fall wäre der König das grammatische Subjekt, was jedoch aus inhaltlichen Gründen schwerlich das Gemeinte trifft.205 Gegen die Vermutung, die mJRMK 203 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 171. Dies liegt weniger in der grammatischen Konstruktion als in der Satzsemantik begründet: Die Überführung der Asche nach Bet-El setzt die Verbrennung der Kultgeräte sachlich voraus. 204 Das Partizip mJRFQM ist als zweites Akkusativobjekt neben mJRMK von TBV abhängig und könnte wie ersteres eine „Berufsgruppe“ bezeichnen (vgl. a.a.O., 182). 205 Vgl. a.a.O., 170. Dass hier eine Parenthese vorliege, wie Tagliacarne erwägt (vgl. a.a.O., 170 Anm. 348), ist eher unwahrscheinlich.
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aus V.5aa seien das Subjekt des Opfervollzugs, spricht bereits die Numerusinkongruenz zwischen Subjekt und Prädikat.206 Im anderen Fall würde V.5ag die Hintergrundinformation aus V.5ab weiterführen und ergänzen. Diese Option ist schon deshalb vorzuziehen, weil eine Aussage über die Opfertätigkeit der mJRMK im Narrativ nach der Mitteilung über die Beendigung ihres Dienstes schlecht passt. Als Subjekt kämen entweder die Könige von Juda in Frage – wogegen jedoch derselbe Einwand der Numerusinkongruenz zu erheben wäre, oder es ist mit einem unbestimmten Subjekt zu rechnen. Letzteres entspricht am ehesten der Intention des vorliegenden Textes. Der Satz in V.5ag besitzt finalen / konsekutiven Nebensinn und bezeichnet die Folge bzw. den Zweck der königlichen Einsetzung aus V.5ab: Die Könige von Juda haben die mJRMK eingesetzt, um an den TWMB in den Städten Judas und der Umgebung Jerusalems Opfer darzubringen.207 Die Wahl der 3.Pers. m. Sg. erklärt sich vielleicht vor dem Hintergrund der formelhaften Wendung, dass das Volk an den TWMB Opfer darbrachte, die im Zusammenhang mit den dtr Beurteilungen der Könige von Juda häufiger wiederkehrt.208 Dafür könnte nicht zuletzt die Beobachtung sprechen, dass V.5ag die Aussage über die Absetzung der mJRMK eng mit den Maßnahmen gegen die TWMB und ihr Kultpersonal in V.8a.13 verbindet. Das Verhalten Josias rückt damit in einen Gegensatz zu den Königen Judas vor ihm (vgl. V.25a), die den Kultbetrieb an den Heiligtümern in der Landschaft Juda und der Umgebung Jerusalems nicht unterbunden hatten. Was genau unter einer bāmah zu verstehen ist, ist bislang weder etymologisch noch archäologisch genau geklärt. Das Lexem HMB / TMB bezeichnet im Ugaritischen den Rücken bzw. die Seite / Flanke des menschlichen oder tierischen Torso. „It is the area to which a belt is fastened, and from which cuts of beef are taken. It is also the part of the animal that is ridden, i.e., the part of the body around which the legs of the rider hang.“ 209 Von dieser anatomischen Bedeutung ist vermutlich die topographische Verwendung des Begriffs im Ausdruck bmt ’rṣ abzuleiten (vgl. KTU 1.4 VII, 34).210 Beide Verwendungsweisen des Lexems finden sich ebenfalls im Akkadischen (vgl. bamtu / bamatu). Neben dem anatomischen und topographischen Sprachgebrauch wird der Begriff dort im übertragenen Sinn 206 Vgl. a.a.O., 169f. Das Problem wird in der Septuaginta durch die Lesung des Plurals behoben (vgl. LXXB.A kai\ e>cumi/wn). 207 Vgl. a.a.O., 170f. 208 Vgl. 1Kön 22,44; 2Kön 12,4; 14,4; 15,4.35 (jeweils mit Ptz. Pl. von RFQ Pi. + mYH konstruiert). 209 Vgl. DEL OLMO LETE / SANMARTÍN, Dictionary, 224; FRIED, High Places, 437f.; VAUGHAN, Meaning, 4–6. 210 In Am 4,13; Mi 1,3 u.ö. meint die Wendung bmtj ʼrṣ so viel wie „die Oberfläche der Erde“ und steht im Zusammenhang mit Jahwes Erscheinen als kriegerischer Held (vgl. ADAM, Held, 66–71).
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für die eine Hälfte eines Hauses, einer Geldsumme oder des Jahres verwendet.211 Ein spezifisch kultischer Sprachgebrauch der Wurzel lässt sich dagegen weder im Ugaritischen noch im Akkadischen nachweisen. Der einzige außerbiblische Beleg für HMB in der Bedeutung „Kultstätte, Heiligtum“ findet sich auf der berühmten Bauinschrift des moabitischen Königs Moši‘, die 1868 in der Nähe von Dībān gefunden wurde: HCRQB VMKL TAX 212 Der archäologische Befund erlaubt keine TMBH SYAW (vgl. KAI 181,3). Rückschlüsse auf die architektonische Struktur oder genaue Lage des Heiligtums, das Moši‘ für den moabitischen Nationalgott Kamoš in seiner Residenz errichtet hat. Das Lexem HMB scheint in der Moši‘-Inschrift wie in den alttestamentlichen Quellen bereits terminus technicus für eine Kultstätte zu sein, ohne dass sich dem Begriff selbst noch etwas über deren konkrete Gestalt entnehmen ließe.213 Dagegen geht die verbreitete Annahme, HMB bezeichne im Alten Testament eine kultisch genutzte, natürliche oder künstlich errichtete Erhöhung oder Anhöhe auf die griechische (to\ unou/xou (LXXB), was in der antiochenischen Texttradition zu Naca\n eu>nou/xou tou~ basile/wj verbessert wurde. 799 Die Bulle stammt aus dem Antikenhandel und gehört zur Sammlung Moussaieff; die Datierung erfolgt auf Grundlage der Paläographie (vgl. MCCARTER, Bulla, 149–152). 800 Vgl. a.a.O., 146f. 801 Vgl. HAE II/2, 322f. 802 Die Etymologie des Wortes ist unsicher, vermutlich ist es mit griechisch le/sxh („öffentliche Halle“) zu verbinden (vgl. Ges.18, 617f.). Das Nomen wird im Alten Testament hauptsächlich für Nebenräume des Jerusalemer Tempels verwendet (vgl. Z WICKEL, Tempel, 159f.) und dient in 1Sam 9,22 als Bezeichnung für einen Kultraum einer HMB. Die Septuaginta gibt den Begriff in 4Reg 23,11 mit to\ gazofula/kion wieder („das Schatzhaus“), vgl. Ez 40,17; Esr 10,6; Neh 10,37f.; 13,4f.8f.
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her zu bestimmen, ohne dass diese Örtlichkeit heute noch identifizierbar wäre.803 Aber zu welchen kultischen Zwecken haben die Pferde im Tempelbezirk überhaupt gedient? Sie waren der Sonne geweiht – in diesem Sinn ist die Wurzel nTN hier zu verstehen.804 Die Determination laššæmæš (vgl. VMVH, V.11b) deutet dabei eher auf den Himmelskörper als auf den Sonnengott Šamaš hin, obwohl beide nicht streng voneinander getrennt werden können.805 Das Pferd gilt in der mesopotamischen Kunst als Attributtier des Sonnengottes806, während es in der ägyptischen Religion keine nennenswerte Bedeutung erlangte.807 Die erste Annahme fußt vornehmlich auf einer Darstellung des Sonnengottes auf einem Pferd stehend auf einem neuassyrischen Felsrelief aus Maltaya (Maltai).808 Die vier Reliefs, die alle die gleiche Szenerie darstellen, sind an einer steil ansteigenden Felswand etwa 200 m über der Talsohle an der Karawanenstraße von Mosul nach Dohuk angebracht und datieren vermutlich aus der Zeit Sanheribs. 809 Der Erhaltungszustand der Reliefs, die vom Tal aus kaum zu erkennen sind, ist aufgrund des weichen Kalksteins und ihrer starken Beschädigung sehr schlecht. „Die Reliefs zeigen eine Versammlung von sieben Gottheiten, von denen sechs auf einem oder mehreren Tieren stehen; eine thront. Vor und hinter dieser Reihe steht, jeweils nach links oder rechts gewandt, der König in grüßender oder anbetender Haltung. Die Gottheiten sind, mit Ausnahme ihrer Attribute, alle gleich ausgestattet …“ 810 (vgl. Abb. 20). 803 Entweder markiert die Angabe eine bestimmte Stelle im Eingangsbereich zum Jerusalemer Tempelkomplex, oder sie dient zur Bezeichnung eines besonderen Tores, falls im Anschluss an die topographischen Angaben in Ez 40–42 für den vorexilischen Tempel mit mehreren Eingängen zu rechnen ist (vgl. ZWICKEL, Tempel, 158f.). Die gleiche Funktion besitzt die zweite lokale Umstandsangabe in V.11a, die vielleicht sekundär hinzugefügt wurde, als die Lage der Kammer Nathanmeleks nicht mehr bekannt war. 804 Dabei ist an einen wiederkehrenden Vorgang gedacht, wie bereits der Plural JKLM HDWHJ indiziert. 805 Der Konsonantentext erlaubt in V.11a keine sichere Entscheidung in der Frage der Determination der präpositionalen Fügung VMVL. Die masoretische Vokalisation wird aber durch den Gebrauch des Artikels in V.11b bestätigt. 806 Vgl. BLACK / GREEN, Gods, 103f. 807 Vgl. SCHROER, Bilder, 288. – Zur religiösen Bedeutung des Pferdes bei den Hethitern vgl. HAAS, Pferd. 808 Vgl. BACHMANN, Felsreliefs, 23–27. Dagegen bleibt die Verbindung von Pferdekopf und Sonnengott auf den babylonischen Kudurrureliefs sowie auf einem spätkassitischen Zylindersiegel fraglich, da Šamaš auf den Kudurrus regelhaft durch die Sonnenscheibe repräsentiert wird (vgl. SEIDL, Kudurru-Reliefs, 145). Die spätbronzezeitlichen Darstellungen der auf einem Pferd reitenden Göttin aus Syrien-Palästina und Ägypten gehören religionsgeschichtlich in einen anderen Zusammenhang (vgl. HAAS, Pferd, 81f.). 809 Die Datierung verdankt sich dem stilistischen Vergleich mit den Reliefs aus Bawian, die Sanherib zugewiesen werden können (vgl. BACHMANN, Felsreliefs, 27). 810 BÖRKER-KLÄHN, Bildstelen, 211.
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Die fünfte Gottheit von links ist männlich, steht auf einem Pferd und hält Stab und Ring (oder Leitseil) in der linken Hand, die rechte ist segnend erhoben.811 Der Gott kann aufgrund des Symbols der geflügelten Sonnenscheibe, die auf Relief II „inmitten der Kronenscheibe“ 812, auf Relief I dagegen frei, d.h. „nicht im Kreis liegend“813, dargestellt ist, mit dem Sonnengott Šamaš gleichgesetzt werden. Das Pferd als Attributtier des Sonnengottes ist darüber hinaus auf einem neuassyrischen Rollsiegel belegt, das den Gott in der Flügelsonne zeigt, der von zwei Stiermenschen auf einer Platte getragen wird (vgl. Abb. 21).814 Rechts und links auf der Flügelsonne ist je ein weiterer Kopf abgebildet815, neben denen sich ein achtstrahliger Stern und eine liegende Sichelmondscheibe befinden. Die Szenerie wird von einem Mann im Fischgewand (apkallu) und einem Verehrer flankiert. Ungewöhnlich an der Darstellung ist vor allem, dass der Gott in der geflügelten Scheibe mit seinem Unterkörper auf einem Pferd steht, mithin das Motiv des anthropomorphen Gottes in der geflügelten Scheibe mit der Darstellung der Gottheit auf ihrem Attributtier verschmolzen ist. Die Identifikation des abgebildeten Gottes mit dem Sonnengott beruht neben seiner Verbindung mit dem Pferd auf den Felsreliefs in Maltaya vor allem auf der exklusiven Gleichsetzung der anthropomorphisierten geflügelten Scheibe mit Šamaš, wie sie R. MayerOpificius vorgeschlagen hat.816
811 Der gleiche Gestus ist bei der davor stehenden Gottheit zu erkennen, deren Identifikation jedoch unsicher ist; die Insignien von Stab und Ring resp. Leitseil kehren noch bei der ersten und dritten Gottheit wieder, die in der rechten Hand zusätzlich ein Krummholz tragen. 812 BACHMANN, Felsreliefs, 25 (mit Taf. 30b). 813 A.a.O., 26 (mit Abb. 18b und Taf. 26). 814 Vgl. SCHROER, Bilder, 289. Ob es sich bei der Darstellung eines geflügelten Equiden auf einem Siegelabdruck aus Ninive, über dem eine geflügelte Scheibe abgebildet ist, um das Attributtier des Sonnengottes handelt, ist dagegen zweifelhaft. – Unsicher bleibt auch die Deutung einer Gruppe eisenzeitlicher Stempelsiegel aus Palästina, die mit Pferd- und Reitermotiven dekoriert sind und von Schroer als Amulette interpretiert wurden, die „ihre TrägerInnen der Schutz- und Siegesmacht des Schamasch vergewissert (hätten)“ (vgl. a.a.O., 293–297, Zitat: 297). Sie betrachtet die Stempelsiegel als zitatartige Ausschnitte einer ausführlicheren Bildkonstellation, die sich auf einem assyrischen Rollsiegel findet, auf dem ein Verehrer ein prächtig geschmücktes Pferd dem Gott in der Flügelsonne zuführt, der von zwei Stiermenschen getragen wird, die einen sakralen Baum flankieren (vgl. a.a.O., 295 mit Abb. 148). Es ist in Anbetracht der deutlichen Unterschiede in Stil und Motivik jedoch fraglich, ob die von Schroer angeführten Stempelsiegel untereinander eine kohärente Gruppe bilden, geschweige denn als ikonische Anspielung auf die Bildkomposition des Rollsiegels interpretiert werden können. 815 Zur Bedeutung dieser Gestalten vgl. SCHROER, a.a.O., 289 Anm. 154; ORNAN, System, 212. 816 Vgl. MAYER-OPIFICIUS, Sonne.
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Mayer-Opificius hebt einerseits für die stilistisch variablen Darstellungen der geflügelten Scheibe, die von verschiedenen Atlanten gestützt oder getragen wird817, ihre Bedeutung als Himmelssymbol hervor818, das vor allem als Ordnungs- und Lebenssymbol zu interpretieren sei. Auf der anderen Seite deutet sie die anthropomorphe Gestalt in bzw. vor der geflügelten Scheibe, die erstmals auf einem mittelsyrischen Rollsiegel aus dem 13. Jh. v. Chr. ikonographisch nachweisbar ist, als Erscheinung des Sonnengottes Šamaš.819 „Es bleibt festzuhalten, daß wir hier zum ersten Mal im Zusammenhang mit der Flügelsonnen-Darstellung eine Bedeutungsverschiebung von der Himmelsdarstellung mit Sonnenscheibe zur Erscheinung des Sonnengottes am Himmel fassen können.“820 Unter dieser Voraussetzung interpretiert sie alle späteren anthropomorphisierten Abbildungen der geflügelten Scheibe als Repräsentationen des Sonnengottes, vor allem die Darstellung des bewaffneten Gottes in der geflügelten Scheibe, die sich seit der Frühzeit der neuassyrischen Großkunst bis zu Assurnaṣirpal II. findet (Mitte des 9. Jh. v. Chr.).821 Der kriegerische Aspekt des Gottes spreche nicht 817 Vgl. a.a.O., 197f. Eine ikonographische Zuweisung bestimmter Mischwesen oder Genien, die die geflügelte Scheibe stützen, zum Sonnengott bleibt unsicher. Dies belegt für die Skorpionmenschen etwa ein mittanisches Rollsiegel aus Nuzi, dessen zentrale Figur der Wettergott ist (vgl. a.a.O., 192f.); selbst für die Stiermenschen, die häufig mit dem Sonnengott verbunden werden, gilt, dass „by Neo-Assyrian times it seems that his (sc. the bull-man) specific association with Šamaš has been weakened“ (BLACK / GREEN, Gods, 49). 818 Dies ist vermutlich die ursprüngliche Bedeutung des Flügelpaares in der ägyptischen Ikonographie gewesen (vgl. LAUBER, Ikonographie, 89). 819 Vgl. MAYER-OPIFICIUS, Sonne, 194f. LAUBER, Ikonographie, 91, hat auf ein altsyrisches Rollsiegel aufmerksam gemacht, das er als frühe Darstellung des anthropomorph in der Flügelsonne erscheinenden Sonnengottes interpretiert. „Am rechten Rand des Siegels … bildet die in einem Halbmond ruhende Flügelsonne den Körper der Gottheit, auf dem ihr frontal dargestellter menschengestaltiger Kopf sitzt. Der untere Teil der Gestalt besteht aus einem Vogelschwanz mit Krallen, die auf einem girlandenähnlichen Gebilde ruhen, dessen Enden … als die beiden Bergspitzen zu deuten sind, hinter denen die Sonne aufgeht“ (ebd.). Wie immer man die Bildelemente im Einzelnen beurteilt, eine anthropomorphe Darstellung des Gottes in der geflügelten Scheibe im engeren Sinne liegt hier nicht vor; eher handelt es sich bei der Gestalt um ein Mischwesen mit einem vogelgestaltigen Unterkörper, der an den Anzû-Vogel erinnert. Die Insignien von Ring und Stab unter jedem der beiden Flügel unterstreichen den Ordnungs- und Herrschaftsaspekt des Motivs der geflügelten Scheibe, sind aber nicht exklusive Attribute des Sonnengottes (s. oben, Anm. 811). 820 MAYER-OPIFICIUS, Sonne, 195. Eine nähere Begründung für diese Gleichsetzung gibt sie nicht. Der Hinweis auf ältere Darstellungen aus dem nordsyrisch-anatolischen Raum, die eine geflügelte Scheibe über dem Kopf oder der Kappe des Sonnengottes zeigen, ist nicht einschlägig, weil die geflügelte Scheibe in altsyrischer Zeit vorrangig als Himmelssymbol Verwendung fand, das mit verschiedenen Gottheiten assoziiert werden konnte (vgl. a.a.O., 192f.). 821 Vgl. a.a.O.,199f. (mit Abb. 22.24–26).
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gegen die Identifikation mit Šamaš, da dieser als Garant von Recht und kosmischer Ordnung den König im Kampf gegen seine Feinde unterstützt und ihm Pfeil und Bogen als Waffe und Herrschaftsinsignien überreicht.822 Die anthropomorphe Gestalt in der geflügelten Scheibe, die über dem Sakralbaum erscheint und von der Wasserströme ausgehen, die in Blüten enden können, interpretiert Mayer-Opificius ebenfalls als Epiphanie des Sonnengottes.823 Gegen diese Auffassung ist jedoch daran zu erinnern, dass die geflügelte Scheibe in ihrer nicht-anthropomorphen Darstellung zuerst als Himmelssymbol zu deuten ist, das auch in Verbindung mit anderen Gottheiten, etwa dem Wettergott, vorkommt.824 Als kosmisches Symbol, mit dem sich die Vorstellungen von Recht, Ordnung und Fruchtbarkeit verbanden, war es nicht exklusiv auf eine Gottheit beschränkt, und so ist es nicht überraschend, dass sich in der syrisch-palästinischen Ikonographie Beispiele für anthropomorphe Darstellungen des Mondgottes in der geflügelten Scheibe finden.825 Gerade in der Kombination der geflügelten Scheibe – sei es in anthropomorphisierter Form oder nicht – mit dem Sakralbaum, der ebenfalls als ein kosmisches Ordnungs- und Herrschaftssymbol interpretiert werden kann, das bisweilen sogar mit dem König austauschbar ist, könnte die kosmische Symbolik des Motivs im Vordergrund stehen, während die Identität des Gottes, den es repräsentiert, mehrdeutig bleibt und je nach Kontext neu bestimmt werden muss.826 Damit soll nicht bestritten werden, dass die geflügelte Scheibe in der vorderasiatischen Ikonographie oft den Sonnengott Šamaš repräsentiert 822
Die ältere Ansicht, nach der die Gottheit in der geflügelten Scheibe in der neuassyrischen Ikonographie mit dem Staatsgott Aššur zu identifizieren sei, der verschiedene ikonographische Traditionen an sich gezogen habe, wird von Mayer-Opificius zurückgewiesen, weil das Bild Aššurs keine kriegerischen Züge trage (vgl. a.a.O., 200) – diese Einschätzung ist jedoch kaum zutreffend (vgl. ORNAN, System, 212–214). Kriegerische Züge sind überdies kein exklusives Merkmal des Sonnengottes, wie beispielhaft die Abbildung des bewaffneten Gottes in der geflügelten Scheibe zusammen mit Wetterphänomenen (Regen oder Hagel?) auf einem glasierten Ziegel aus der Zeit Tukulti-Ninurtas II. (9. Jh. v. Chr.) illustrieren kann, die an eine Verbindung mit dem Wettergott denken lässt, wie sie seit altsyrischer Zeit bekannt ist. 823 Vgl. MAYER-OPIFICIUS, Sonne, 198f. 824 Das Motiv des Regens sprengt die solare Symbolik und bestätigt die Vermutung, dass die geflügelte Scheibe primär als kosmisches Ordnungsemblem zu interpretieren ist, das mit verschiedenen Gottheiten verbunden werden konnte. Seine Nähe zum Wettergott illustriert z.B. eine Stele aus Til Barsip, die den Wettergott mit Axt und Blitzbündel auf einem Stier stehend zeigt, über dem die geflügelte Scheibe schwebt (vgl. ORNAN, System, 223 mit Abb. 18). 825 Vgl. a.a.O., 217–227 (bes. 221f.). 826 Ornan denkt dabei jeweils an den obersten Gott des lokalen Pantheons (vgl. a.a.O., 227–231).
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und dass bestimmte Aspekte des kosmischen Ordnungsdenkens ursprünglich mit ihm verbunden waren, es ist jedoch damit zu rechnen, dass solare bzw. kosmische Motive und ikonographische Traditionen auf andere Gottheiten übertragen werden konnten, ohne dass diese deshalb als Sonnengottheiten verehrt wurden. Der gleiche Vorgang ist für die israelitische Religionsgeschichte anzunehmen: Jahwe hat solare Motive übernommen und sich angeeignet, ohne dass daraus auf seine Verehrung als Sonnengott oder auf eine alte Sonnentheologie in Jerusalem geschlossen werden könnte. Die Bedeutung, die der Übernahme solarer Symbolik gerade für das judäische Königtum zukam, spiegelt sich nicht zuletzt in der Ikonographie der lmlk-Krugstempel827, deren solare Motivik vermutlich aus Ägypten übernommen wurde, wo die geflügelte Sonnenscheibe ein fester Bestandteil der Königsdarstellung war, und hier wie dort als Herrschafts- und Ordnungssymbol firmiert, das sich in Jerusalem im davidischen Königtum verkörpert.828 Der Gott in der geflügelten Scheibe sollte daher nicht a priori mit dem Sonnengott identifiziert werden, selbst wenn dies für das eingangs diskutierte Siegel nicht auszuschließen ist. Die Pferde wurden also der Sonne bzw. dem solar konnotierten Jahwe geweiht, aber welche Funktion kam ihnen im Kult zu? Die parallele Erwähnung von (Prozessions-)Wagen, die ebenfalls der Sonne zugeordnet werden (V.11b), weckt Assoziationen an Wagenpferde, die bei Prozessionen vor den Götterwagen gespannt wurden, wie es im Alten Orient für verschiedene Gottheiten bezeugt ist.829 Allerdings ist im Text von Wagen im Plural die Rede und eine direkte Verbindung von Pferden und Wagen wird nicht hergestellt. Dies mag jedoch mit der unterschiedlichen Vernichtungsterminologie für beide Objekte zusammenhängen.830 Mehr ist dem Text 827 Vgl. dazu die grundlegende Studie von WELTEN, Königs-Stempel, und zu den neueren Forschungsergebnissen die Arbeiten von NA’MAN, Campaign, und KLETTER, Temptation. 828 In der mesopotamischen Kunst fehlt eine feste Assoziation der geflügelten Scheibe mit der Herrschaftsikonographie (vgl. MAYER-OPIFICIUS, Sonne, 190; ORNAN, System, 209f.), ihre Verknüpfung mit dem sakralen Baum, als Symbol der kosmischen und sozialen Ordnung, die im Königtum repräsentiert ist, findet sich aber auch in Mesopotamien (vgl. PODELLA, Lichtkleid, 134–140). 829 Vgl. COGAN, Imperialism, 86f. mit Anm. 124. Aus neuassyrischen Quellen kann für Šamaš ein Götterwagen nur indirekt aus den Namen seiner Begleiter rakib narkabti („Wagenfahrer“) und mukil appātǐ („Zügelhalter“) erschlossen werden; traditionell wird der Wagen des Sonnengottes in Mesopotamien jedoch von Maultieren gezogen. Die Stiftung vor allem weißer Pferde für die Tempel des Aššur, Nergal und Sîn ist aus verschiedenen Poenalklauseln neuassyrischer Rechts- und Wirtschaftsurkunden bekannt. 830 Die umfangreiche Liste bei SCHROER, Bilder, 288 Anm. 145, die eine feste Verbindung von Pferden und Wagen im Alten Testament belegen soll, ist insofern irreführend, als die meisten der dort aufgeführten Stellen militärische Institutionen vor Augen haben. In Jer 17,25 und 2Kön 5,9 wird jeweils der Repräsentationswagen des Königs bzw. eines
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nicht zu entnehmen. Dieses Vakuum hat H. Spieckermann mit dem Hinweis auf die hervorgehobene Rolle des Sonnengottes als Hauptgott der Divination (neben Adad) in Assyrien zu füllen versucht.831 Er nimmt dabei Bezug auf den Text eines tāmītu-Rituals, von dem inzwischen mehrere Kopien bekannt sind. Neben einer Abschrift aus Assur (KAR 218 = VAT 8953), deren Erhaltungszustand teilweise sehr schlecht ist und die der Bearbeitung durch Spieckermann zugrunde lag832, existieren eine neubabylonische und eine spätbabylonische Version des Textes, die nicht nur die Verbreitung des Formulars und damit die regelmäßige Wiederkehr der darin beschriebenen Vorgänge bestätigen, sondern auch eine verlässlichere Textgestalt bieten.833 Der Text wird hier in der Neubearbeitung und Übersetzung von W. G. Lambert präsentiert: „(1) Šamaš, lord of the judgement, Adad, lord of the inspection, (2) the white horse whose hair and bristles I am holding up (3) in my hand, in the presence of your great divinity, and am resting my (other) hand on the brow of a ram, (4) is it commanded that it be hitched up to the chariot (5) of the great lord Marduk, who resides in Esagil, (6) for the great lord Marduk, who resides in Esagil? (7) Is it […] appropriate and suitable and – (8) your great divinity knows – (9) is that horse [good] for the great lord Marduk, (10) who resides in Esagil, who gives […], (11) to the great lord Marduk, who resides in Esagil? (12) Is it good to Šamaš and Adad, your great divinity? (13) Šamaš and Adad, etc. (ki’am) (14) A tāmītu about the horse of a god. (15) You, horse creature of the holy mountains, (16) you are magnificent among all the Pleiades (ina kal zappi), (17) you are assigned in the sky like the rainbow (kima dmanzât). (18) You were born in the holy mountains, (19) you eat pure juniper, (20) you drink spring water of the mountains and hills. (21) You are given for the chariot of the great lord Marduk, (22) you are reckoned with (itti) the god for hitching up and unhitching (ina ṣamadi u paṭari). (23) Of so-and-so, owner of this woollen fringe, his governor, (24) speak in his favour, take his part. (25) Its ritual: you whisper the incantation three times (26) into the left ear of the horse through a tube of sweet reed, (27) you set offerings before it as to gods.“834
Das Formular ist insofern außergewöhnlich, als es einen dreiteiligen Aufbau besitzt, wobei nur der erste Abschnitt der Struktur eines tāmītu-Textes entspricht.835 Das Orakel ersucht die beiden Götter Šamaš und Adad um ihr Urteil, ob das weiße Pferd, das vermutlich ein hochgestellter königlicher hohen Beamten erwähnt; lediglich in 2Kön 2,11 könnte an einen Götterwagen gedacht sein. 831 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 245–252, und die von STARR, Queries, edierte Textsammlung. 832 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 246–249. 833 Vgl. LAMBERT, Questions, 80–83. 834 Es folgt das Kolophon: „Original of Babylon, written and collated to its original.“ 835 Vgl. zum Formschema der tāmītu-Orakel die Analyse bei LAMBERT, Questions, 14–20. Die letzten beiden Abschnitte des Textes (Z.15–27) sind vielleicht als Erweiterungen der abgekürzten Ritualanweisung in Z.13f. zu verstehen (vgl. a.a.O., 18–20).
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Beamter als Zugtier für den Prozessionswagen des Gottes Marduk stiften will836, geeignet und angenehm ist. Die Funktion des Pferdes ist klar benannt: Es soll den Götterwagen des babylonischen Götterkönigs Marduk ziehen. Šamaš tritt an dieser Stelle gemeinsam mit dem Wettergott Adad als Orakelgottheit in Erscheinung, deren Antwort über die Eignung und Annahme des Tieres entscheidet.837 Die Besonderheit des Textes liegt jedoch nicht in der Stiftung eines (weißen) Pferdes für den Prozessionswagen einer Gottheit, sondern in dem hymnischen Mittelteil (Z.15–24), der dem Pferd gemäß der abschließenden Ritualanweisung dreimal in das linke Ohr geflüstert werden soll (vgl. Z.25f.) und in dem sein mythischer Ursprung gepriesen wird (vgl. Z.15–20).838 Der Abschnitt, der einen positiven Orakelbescheid voraussetzt (vgl. Z.21f.), enthält die Vorstellung, dass das Tier interzessorische Funktion für seinen Stifter (vor Marduk?) übernimmt (vgl. Z.23f.). Die göttliche Verehrung des Tieres kommt schließlich in der Anweisung zum Ausdruck, Opfergaben vor es hinzustellen, wie man es vor den Göttern tut (Z.27).839 Von hier aus zieht Spieckermann eine Verbindung zu den Sonnenpferden im Jerusalemer Tempel und stellt diese in den Zusammenhang der neuassyrischen Orakelpraxis vor Šamaš: „Überall wo Assyrer in ihrem Großreich lebten, wird neben dem Gebet die Orakeleinholung bei Šamaš eine der kultischen Praktiken gewesen sein, die zu den konstitutiven Elementen der Frömmigkeit jedes Assyrers gehörte und die angemessen nur im Rahmen bestimmter kultischer Einrichtungen vollzogen werden konnte. Vielleicht haben die im RB (sc. Reformbericht) erwähnten Pferde eine interzessorische Aufgabe bei Šamaš wahrgenommen, wie sie in dem Tāmītu-Text KAR 218 dokumentiert ist.“ 840 Diese religionsgeschichtliche Ableitung der Jerusalemer Kulteinrichtung hat vielfache Zustimmung erfahren, und der Vers gilt selbst bei sehr kritischer Beurteilung als ein überlieferungsgeschichtliches Urgestein des Reformberichts.841 Dabei setzt Spieckermanns These wenigstens zweierlei voraus: zum einen geht er davon aus, dass das tāmītu-Formular nicht nur 836
„Der Stifter gehört zum Kreis der šakkanakkī …, die offensichtlich zu solchen Stiftungen verpflichtet waren“ (SPIECKERMANN, Juda, 249). LAMBERT, Questions, 81, deutet den Begriff šakkanakkum in Z.23 dagegen als Königstitel, rechnet also mit einer königlichen Stiftung des Tieres, was den im Reformbericht vorausgesetzten Verhältnissen näher stünde. Das Lexem šakkanakkum wird jedoch nicht exklusiv für den König gebraucht (vgl. AHw III, 1140). 837 Die Antwort ist vermutlich durch Extispizin ermittelt worden. 838 Vgl. zur astralen Symbolik des Hymnus LAMBERT, Questions, 81. 839 Vgl. zum göttlichen Status der Pferde im Aššur-Tempel in Assur S PIECKERMANN, Juda, 250 Anm. 68, und zur göttlichen Verehrung von Pferden im hethitischen Raum VAN DEN HOUT, Pferd, 488. 840 SPIECKERMANN, Juda, 251f. 841 Vgl. WÜRTHWEIN, 459.
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für wiederkehrende Stiftungen an Marduk, sondern auch für andere Gottheiten, namentlich Šamaš, Verwendung fand. Und zum anderen rechnet er für Juda mit der Anwesenheit assyrischstämmiger Personengruppen (Beamte, Militär usw.), die als Träger des Kultes fungierten. Beide Prämissen sind jedoch nicht gesichert. Die dauerhafte Präsenz assyrischer Verwaltungs- oder Militäreinheiten in Juda kann weder aus den literarischen Quellen, noch aus der archäologischen Hinterlassenschaft jener Epoche mit hinreichender Sicherheit erschlossen werden. Eine imperialistische Religionspolitik in den Vasallenstaaten ist seitens der Assyrer nicht nachweisbar.842 Es wäre jedoch denkbar, dass das judäische Königshaus (bzw. seine Beamtenschaft) assyrische Kultbräuche übernommen und im Jerusalemer Staatsheiligtum installiert hätte, so dass die Anwesenheit assyrischer Personengruppen in Jerusalem nicht unbedingt vorausgesetzt werden muss.843 Mehr Schwierigkeiten bereitet die Annahme, dass die Pferde, die die Könige von Juda der Sonne geweiht hatten, interzessorische Funktionen bei der Orakeleinholung vor Šamaš oder dem solarisierten Jahwe ausgeübt haben. Problematisch ist dabei weniger, dass es bislang in den assyrischen Quellen keine textlichen Belege für die Übereignung von Pferden an den Sonnengott gibt, da verschiedentlich die Existenz eines Götter- oder Prozessionswagens für Šamaš vorausgesetzt wird, als die Tatsache, dass auf Grundlage des eingangs zitierten tāmītu-Textes nicht auf eine divinatorische Funktion von Pferden bei der Orakeleinholung vor Šamaš (oder vor Adad) geschlossen werden kann. Spieckermanns Vorschlag beruht letztlich auf einer assoziativen Verknüpfung zweier getrennter religionsgeschichtlicher Phänomene: auf der einen Seite die hervorgehobene Rolle des Sonnengottes in der assyrischen Divinationspraxis der Sargonidenzeit und andererseits die Beobachtung, dass Pferden, die einer Gottheit als Zugtiere für den Prozessionswagen geweiht wurden, interzessorische Funktion zugeschrieben werden kann. Nirgends ist jedoch bislang die Beteiligung von Pferden an magischen Riten im assyrischen Orakelwesen belegt. Die Rolle, die dem weißen Pferd im tāmītu-Orakel KAR 218 zugewiesen wird, gleicht der Funktion der persönlichen Schutzgottheit, die den Stifter vor dem Götterkönig Marduk vertreten soll. Die Orakelanfrage betrifft die Eignung des gestifteten Pferdes als Zugtier für Marduks Wagen, von dessen Partizipation im Orakelwesen ist dagegen keine Rede. Es hat daher nach wie vor die größte Wahrscheinlichkeit für sich, unter den Pferden in V.11a Wagenpferde zu verstehen, die zu bestimmten Anläs842
Siehe unten, S. 477–481. Selbstverständlich ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sich in Zeiten der pax assyriaca auch Personen aus dem Zweistromland zeitweise in Jerusalem aufgehalten haben können, doch besaßen diese (v.a. Händler und Kaufleute) kaum genügend Einfluss, um ihre kultischen Traditionen im Jerusalemer Staatskult zu installieren. 843
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sen den Götterwagen gezogen haben. In welcher Form die Gottheit dabei auf dem Prozessionswagen repräsentiert wurde (in Gestalt eines Gottessymbols oder einer Standarte?), bleibt einstweilen ebenso ungeklärt, wie die Frage nach ihrer Identität, wobei eine solarisierte Form der Jahweverehrung, in der Jahwe durch solare Symbolik vergegenwärtigt worden wäre (vgl. das Motiv der Flügelsonne!), sehr wohl in Betracht käme. Eine solare Repräsentation Jahwes konnte einer Identifikation mit der Sonne / dem Sonnengott leicht Vorschub leisten, die später zu weit reichenden Eingriffen in den Kult Anlass boten, wie sie der Reformbericht schildert. 844 Letzte Sicherheit ist angesichts der schmalen Textbasis in diesen Fragen jedoch kaum zu gewinnen, so dass alle Erwägungen zum religionsgeschichtlichen Hintergrund der Notiz vorerst hypothetisch bleiben müssen. Dies gilt nicht zuletzt für den von Spieckermann postulierten assyrischen Einfluss. Damit ist bereits eine Vorentscheidung für das Verständnis der zweiten Vershälfte gefallen, in der berichtet wird, dass der König die Wagen der Sonne, gemeint sind hier Götter- oder Prozessionswagen, im Feuer verbrannt hat (V.11b).845 Die Interpretation, der hier gefolgt wird, geht davon aus, dass beide Kultrequisiten zusammengehören und sich ihre syntaktische Aufsprengung der unterschiedlichen Vernichtungsterminologie verdankt, die ihrerseits die verschiedene Beschaffenheit der Objekte unterstreicht.846 Spieckermann hat in diesem Zusammenhang auf neuassyrische Darstellungen von Götterwagen im Heerlager hingewiesen, auf denen jeweils eine Standarte mit einem Gottesemblem zu sehen ist, vor der kultische Handlungen durchgeführt werden (vgl. Abb. 22).847 Die Standarten repräsentieren die Götter, die den assyrischen König in den Krieg begleiten und siegreich vor ihm herziehen.848 Götterwagen fanden mithin nicht nur 844 Die Prädikation Jahwes als „die Sonne“ in Ps 84,12 ist im Alten Testament singulär und vermutlich perserzeitlicher Herkunft. 845 HARDMEIER, König, 136 Anm. 79, stellt V.12bb als ursprüngliche Fortsetzung zu V.11*, weil „sich das Pluralsuffix bei mRPY in V.12bb nur auf die nach V.11 verbrannten Kultobjekte beziehen kann“. Seine Argumentation ist jedoch nicht überzeugend, da das Bezugswort TWBKRM in V.11b feminin ist und die Pferde aus V.11a (mJOWO) nicht verbrannt werden. Umgekehrt bereitet V.12bb als Abschluss der mehrteiligen Handlungssequenz in V.12 keine Schwierigkeiten, weil sich das Suffix der 3.Pers. m. Pl. auf die zerstörten Altäre aus V.12a bezieht (CBXM ist maskulin, bildet aber den femininen Plural). 846 Die Verwendung der Wurzel pRS legt nahe, dass hier an hölzerne Wagen gedacht ist, wie sie aus Mesopotamien und Urartu bekannt sind (vgl. CALMEYER, Wagen, 54–61). Es handelt sich also nicht um Wagenmodelle aus Ton. 847 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 252–256. 848 Die Identität der Gottheiten kann ikonographisch nicht abschließend geklärt werden. Im sog. Gottes-Brief berichtet Sargon II. über seinen Feldzug gegen die Länder Zikirtu und Andia und erwähnt in diesem Zusammenhang „das Joch des Nergal und des Adad, deren Embleme vor mir hergehen“ (Z.14). Ob dieses Götterpaar alle assyrischen Könige bei ihren kriegerischen Unternehmungen begleitete oder ob die Gottheiten wech-
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im Rahmen von kultischen Prozessionen, sondern auch bei Feldzügen Verwendung; sie repräsentieren die Mobilität (und Pracht) der Götter. Ob ein solcher Verwendungszweck, der ebenso für Ägypten belegt ist849, auch in Juda vorausgesetzt werden kann, ist zwar nicht sicher, und von Standarten ist im Reformbericht nicht die Rede, aber die judäischen Könige waren den assyrischen Oberherren gegenüber nicht nur zu Tributzahlungen, sondern ebenso zur Heeresfolge verpflichtet und könnten den assyrischen Brauch übernommen haben.850 Ein positiver Nachweis hierfür lässt sich allerdings nicht erbringen. Wie dem auch sei, eine eigenständige kultische Funktion, losgelöst von ihrer Qualifikation als Götterwagen, die von Wagenpferden gezogen werden, kann den Wagen der Sonne in V.11b nicht zugeschrieben werden. Die Verwendung von Kultstandarten ist auf den assyrischen Reliefs zwar auf den Kontext von Feldzügen beschränkt, es ist aber durchaus möglich, dass sie in Juda auch im Rahmen von Kultfeiern als bildliche Repräsentation der Gottheit auf ihrem Wagen benutzt wurden.851 Ob die Wagen der Sonne gemeinsam mit den Pferden oder an einem anderen Ort im Tempelbezirk untergebracht waren, ist dem Wortlaut des Textes nicht zu entnehmen. Die Neigung zur möglichst genauen Lokalisierung der jeweiligen Kultrequisiten im Reformbericht spricht jedoch für erstere Annahme, womit die kulttypologische Zusammengehörigkeit der Pferde und Wagen nochmals bestätigt würde.
5. Dachaltäre und das Heer des Himmels (2Kön 23,12) 5. Dachaltäre und das Heer des Himmels (2Kön 23,12)
Mit Vers 12 ändert sich der Erzählstil des Reformberichts. War die Darstellung bislang von einer durchlaufenden Ereignisfolge bestimmt (Narrativkette), die teils durch beigeordnete Nebenhandlungen erweitert worden war (vgl. V.5.8b.10), so tritt ab V.12 die syntaktische Fügung we-x-qāṭal in den Vordergrund, mittels derer verschiedene Einzelmaßnahmen aneinanselten, ist nicht mehr sicher zu entscheiden (vgl. CALMEYER, Wagen, 75–77 mit Taf. 13,2–3). SPIECKERMANN, Juda, 253–256, denkt an Aššur, der ikonographische Traditionen von Nergal, Adad und Šamaš adaptiert habe. 849 Vgl. die Darstellung eines ägyptischen Standartenwagens auf einem Flachbild aus der Zeit Ramses II. aus Medīnet-Hābu bei GRESSMANN, Bilder, Nr. 548. 850 In älterer Zeit hatte die Lade Jahwes eine analoge Funktion als Kriegspalladium inne. Sollte die geflügelte (Sonnen-)Scheibe, die in der judäischen Königsikonographie des 8./7. Jh.s v. Chr. eine prominente Rolle spielte, als Symbolisierung des Königsgottes Jahwe figuriert haben? Das Motiv wäre international „lesbar“ und anschlussfähig gewesen, ohne dass lokale Identitäten hätten aufgegeben werden müssen. 851 Oder wäre für Jerusalem eher an einen „leeren Wagen“ zu denken, eine Sonderentwicklung des Götterwagens unter den Bedingungen einer anikonischen Repräsentation der Gottheit im Kult, wie ihn CALMEYER, Wagen, für Urartu nachgewiesen hat?
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dergereiht werden, ohne dass diese zu einer unumkehrbaren Handlungssequenz verknüpft werden. War die syntaktische Konstruktion in V.11b noch durch den unterschiedlichen Verbgebrauch bedingt, so wechselt mit V.12 die narrative Struktur des Textes von der Erzählung zur Aufzählung. Die wenigen Narrative strukturieren jeweils in sich mehrgliedrige Reformakte (vgl. V.12b.14.15b), verknüpfen diese jedoch nicht zu einem durchgängigen Erzählstrang. Durch die veränderte Wortstellung im Satz wird das vorangestellte Objekt betont. Unter dem Stichwort „Altäre“ (TWCBXM) werden in V.12 zwei Gruppen von Kultobjekten zusammengeordnet: die Altäre, die auf dem Dach des königlichen Palastes aufgestellt waren (V.12aa), und die Altäre, die König Manasse in den Vorhöfen des Jerusalemer Tempels errichtet hatte (V.12ab, vgl. 2Kön 21,5). Welcher Gottheit die genannten Kultrequisiten jeweils geweiht waren, bleibt ungesagt. Wenn sie in der Forschung meist mit Astralkulten in Verbindung gebracht werden, so geschieht dies vor allem wegen ihres Aufstellungsortes resp. der Kultbaunotiz im Bericht über die Regierung Manasses, in der es heißt, der König habe in den beiden Vorhöfen des Tempels Altäre für „das ganze Heer des Himmels“ errichten lassen. Die wörtliche Wiederaufnahme der Ortsangabe aus 2Kön 21,5b im Rückverweis auf Manasse als Urheber der desavouierten Kultpraxis in V.12ab legt in der Tat die Annahme nahe, dass hier ein intertextueller Lesezusammenhang intendiert ist.852 M.a.W., die Notiz in V.12 soll im Licht der res gestae Manasses gelesen und interpretiert werden. Der Vers setzt somit die literarische Großkomposition der Königsbücher voraus und muss in seiner vorliegenden Gestalt auf den Verfasser des Berichtes über die Regentschaft Josias in 2Kön 22–23* zurückgeführt werden.853 Strittig ist dagegen, ob diese Einschätzung für den gesamten Vers gilt oder ob die Zerstörung der Dachaltäre auf eine ältere, vordtr Überlieferung zurückgeht.854 Setzt man nicht a priori voraus, dass der Reformbericht auf einer älteren Textvorlage beruht, so besteht kein Anlass zu einer literarkritischen Dekomposition des Verses. Die gleich lautenden Objektangaben in V.12a werden jeweils durch eine bzw. zwei appositionelle Näherbestimmungen erläutert. Die erstgenannten Altäre werden durch zwei unverbundene RVA-Sätze in doppelter Weise charakterisiert. Zuerst wird ihr Aufstel852
Die Änderung der Verbalwurzel gegenüber der Vorlage in 2Kön 21,5 ( HNB) dürfte als Angleichung an den Sprachgebrauch in V.12aa zu erklären sein (HSY). 853 Zur Baugeschichte des Ersten Tempels, speziell zur Anlage eines inneren und äußeren Vorhofes vgl. ZWICKEL, Tempel, 157f. – Die Altarbaunotiz in 2Kön 21,5 gehört vermutlich zum Grundbestand des Kapitels (s. oben, S. 302f. mit Anm. 397). 854 Dafür werden neben literarischen vor allem religionsgeschichtliche Gründe geltend gemacht, vgl. SPIECKERMANN, Juda, 109f.; UEHLINGER, Kultreform, 79f.; HARDMEIER, König, 135f.
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lungsort angegeben: sie befinden sich „auf dem Dach“.855 Welches Dach gemeint ist, wird durch den appositionellen Ausdruck XCA TJLY mitgeteilt – die Altäre standen auf dem Dach des königlichen Palastes, genauer: dort, wo sich das Obergemach des Königs Ahas befand. Letztere Wendung ist häufiger als „ungrammatische Glosse“ beurteilt und gestrichen worden. 856 Der determinierte Ausdruck GGH-LY hätte ursprünglich das Dach des Tempels bezeichnet, obwohl dieser im näheren Kontext des Verses nicht genannt ist. Doch ist die Wendung weder „ungrammatisch“ noch syntaktisch entbehrlich, da andernfalls die Determination in der Luft hinge. 857 Vielmehr liegt eine appositionelle Verbindung vor, die den Standort der Altäre präzise beschreibt, wie dies für den Reformbericht insgesamt kennzeichnend ist. Wo das Obergemach des Ahas innerhalb des Palastkomplexes genauer zu lokalisieren ist, ist nicht bekannt.858 Der zweite RVA-Satz gibt an, wer die Altäre auf dem Dach des Königspalastes aufstellen ließ. Wie in V.5.11 werden auch in V.12a die Könige von Juda als Stifter der beseitigten Kulteinrichtungen identifiziert. 859 Diese Notiz wird von Spieckermann der dtr Redaktion zugeschrieben. Sie sei den vordtr Wendungen in V.5.11 nachgebildet, der Wechsel im Verbgebrauch erweise hingegen ihre dtr Herkunft.860 Es ist jedoch fraglich, ob ein Allerweltswort wie HSY geeignet ist, der Wendung ein typisch dtr Sprachprofil
855
Vorausgesetzt ist ein Flachdach, das über eine Leiter oder Treppe zugänglich war. Auf dem Dach konnte ein Obergemach (HJLY) errichtet werden, das sich über das gesamte Dachgeschoss oder einen Teil desselben erstreckte (vgl. RÖSEL, Haus, 139). 856 Vgl. bereits HÖLSCHER, Buch, 199. Meist wird vorausgesetzt, dass die Wendung XCA TJLY GGH-LY grammatisch als Constructusverbindung mit doppelter Determination aufzulösen sei, was mindestens für die masoretische Textform nicht zutrifft. Die Vermutung, König Ahas werde hier nur erwähnt, um die kultische Nutzung der Altäre zu diskriminieren (vgl. HOFFMANN, Reform, 249), mag für die griechische Textüberlieferung richtig sein, die dem König die Herstellung der Altäre zuschreibt (s. oben, S. 32 Anm. 55), im masoretischen Text dient das Obergemach des Ahas lediglich als Hinweis zur Lokalisierung der Kultrequisiten (vgl. 2Kön 20,11 par.). 857 TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 223f. Anm. 496, hat dagegen unter Hinweis auf Jos 2,6.8; Jdc 16,27; 1Sam 9,25; 2Sam 11,2; 16,22 eingewandt, der Artikel könne bei präpositionalen Fügungen mit LY vor GG unspezifisch verwendet werden. Die aufgeführten Belege vermögen diese Ansicht jedoch nicht zu stützen, da jeweils aus dem Kontext bekannt ist, welches Dach gemeint ist. 858 Die Vermutung, das Obergemach des Ahas sei mit dem Ort des Sonnenwunders in 2Kön 20,8–11 (vgl. Jes 38,7f.) gleichzusetzen, die auf einer Textvariante zu Jes 38,8 basiert (vgl. 1QJesa 38,8), bleibt spekulativ (vgl. a.a.O., 228 mit Anm. 508). – Keil, 402, dachte an ein Gebäude im Vorhof des Tempels, genauer an den Toreingang, „welchen Ahaz bei Verlegung des äußern Einganges in den Tempel (16,18) erbaut hatte“. 859 Im Leseablauf der Königsbücher wird damit die Herkunft der Altäre von Hiskia resp. den negativ bewerteten Regenten Ahas (vgl. LXX), Manasse und Amon indiziert. 860 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 110.
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zu verleihen.861 Vielmehr ist die veränderte Wortwahl den unterschiedlichen Objektgattungen geschuldet, die im Text genannt werden: Während es sich in den Versen 5 und 11 jeweils um belebte Objekte handelt, die von den Königen Judas eingesetzt bzw. geweiht wurden, ist in V.12a von unbelebten Kultrequisiten die Rede, die „gemacht“ wurden (HSY) – ein weiteres Indiz für die differenzierte sprachliche Gestaltung des Reformberichts, die von einer stereotypen dtr Kultsprache weit entfernt ist. Hinzu kommt, dass die Rückverknüpfungsformel in V.12ab, die Manasse als Stifter der Altäre ausweist, entgegen ihrem Quelltext in 2Kön 21,5 ebenfalls HSY verwendet, was sich am einfachsten als Angleichung an V.12aa erklärt. Darf aus dieser Beobachtung geschlossen werden, dass die Notiz über die Dachaltäre in V.12aa dem Erzähler (literarisch?) vorgegeben war?862 Die zweite Gruppe von Altären wird ebenfalls durch einen appositionellen Relativsatz näher bestimmt. Dieser enthält sowohl eine Angabe zur Lokalisierung der Altäre („in den beiden Vorhöfen des Tempelareals“), als auch zu deren Errichtung unter der Herrschaft Manasses. Die literarische Abhängigkeit dieses Versteils vom Bericht über die Regierung des Manasse in 2Kön 21,1–18* (vgl. V.5) bedarf keines weiteren Nachweises. 863 Im Lichte dieser intertextuellen Verknüpfung wird zugleich die Widmung der zerstörten Kultgegenstände erkennbar: Sie waren astralen Kultphänomenen geweiht. Über die Art der Kulthandlungen, die auf den Altären durchgeführt wurden, verlautet hingegen nichts. Daher ist auch keine genauere Bestimung der Altäre möglich. Ihre Lokalisierung in den Vorhöfen des Tempelbezirks, d.h. unter freiem Himmel, mag darauf hindeuten, dass der Kult im Angesicht der Gestirne, sei es tagsüber der Sonne oder der astralen Phänomene der Nacht bzw. des frühen Morgens, vollzogen worden ist. Sicherheit ist hierüber jedoch nicht mehr zu gewinnen. Der König ließ die Altäre beider Gruppen niederreißen. Das Verb zTN wird in der dtr Historiographie häufiger für die Zerstörung von Altären gebraucht (vgl. Dtn 7,5; 12,3; Jdc 2,2; 6,28.30–32; 2Kön 11,18, vgl. Ex 34,13 861
Wie bereits Spieckermann notiert hat, ist pauschales HDWHJ JKLM für die dtr Rückverknüpfungsformeln untypisch (vgl. a.a.O., 110 Anm. 172). Sein Hinweis auf den analogen Ausdruck LARSJ JKLM genügt nicht, um in V.12 eine typisch dtr Phraseologie zu konstatieren, denn die beiden Belege, die er für diesen Sprachgebrauch anführt sind textlich unsicher (vgl. 2Kön 17,8) oder späte, redaktionelle Bildung (vgl. 2Kön 23,19). 862 Oder formuliert der Erzähler in 2Kön 23,12 frei, während er in 2Kön 21,5 auf älterer Überlieferung fußt (HNB)? 863 Die gegenläufige Ansicht, die Notiz in V.12ab hätte als literarisches Vorbild für die Baunotiz in 2Kön 21,5 gedient, scheitert daran, dass die astrale Widmung der Altäre nicht aus dem Reformbericht hergeleitet werden kann. Umgekehrt rückt ihre Parallelisierung mit den Altären auf dem Dach des Königspalastes diese ebenfalls in den Umkreis der Astralkulte, wie dies für vergleichbare Installationen in Jerusalem anderweitig belegt ist (vgl. Zef 1,5; Jer 19,13).
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dtr)864, es begegnet aber bereits in den Versen 7 und 8b und beschreibt dort jeweils die Zerstörung steinerner Kultarchitektur (mJVDQH JTB, V.7 bzw. mJRYVH TWMB, V.8b). Dieser Sprachgebrauch deckt sich mit der sonstigen Verwendung der Verbalwurzel, die im profanen Bereich stets die Destruktion feststehender architektonischer Strukturen wie Mauern, Häuser oder Städte bezeichnet.865 Im Zusammenhang mit beweglichem Kultinventar ist zTN dagegen nur in 2Kön 10,27 (Maṣṣebe) belegt, doch ist der Text an dieser Stelle unsicher.866 Dieser Befund deutet darauf hin, dass es sich bei den zerstörten Altären um feststehende, steinerne Kultinstallationen handelte – dies passt zwar zu den Altarbauten in den beiden Vorhöfen (vgl. HNB in 2Kön 21,5), für die Altäre auf dem Dach ist eine derartige Konstruktion jedoch unsicher. Archäologisch konnten Kultinstallationen auf Haus- oder Palastdächern in Syrien / Palästina bislang nicht nachgewiesen werden, die Analyse muss daher auf literarische Zeugnisse zurückgreifen. Diese sind im nordsyrischpalästinischen Raum bisher ebenfalls rar. Im Alten Testament ist an zwei Stellen von Kulthandlungen auf den Dächern die Rede: In Zef 1,5 kritisiert der Prophet die Verehrung des Himmelsheeres auf den Dächern – gemeint sind vermutlich die Dächer der Privathäuser der Jerusalemer Oberschicht. Das Verb HWC Hišt. bezeichnet einen Gruß- oder Adorationsgestus gegenüber einer höhergestellten Person / Autorität, dessen Gestik selbst nicht mehr sicher erschließbar ist.867 Spricht manches für die Annahme, dass dieser Beleg auf kultische Praktiken der zweiten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. anspielt, also zeitlich in die Nähe der Regentschaft des Königs Josia zu rücken ist868, so ist dies für die zweite Erwähnung von Kulthandlungen auf den Dächern im Alten Testament nicht gesichert. In einer sekundären Erweiterung der jeremianischen Zeichenhandlung beim Scherbentor (vgl. Jer 19,1–13*) kündigt der prophetische Sprecher die Verunreinigung der (Privat-)Häuser Jerusalems und der königlichen Paläste an, auf deren Dächern dem Himmelsheer geräuchert (RFQ Pi.) und fremden Göttern Trankopfer gespendet wurden (kON Hif.). Der Wortlaut in V.13 stimmt zwar in der Widmung der Kulthandlungen an das Himmelsheer mit der Stelle im 864
Weitere Termini, die in den Königsbüchern für die Zerstörung von Altären verwendet werden, sind ORH (vgl. 1Kön 18,30; 19,10.14 vordtr?, vgl. Jdc 6,25!), YRQ (vgl. 1Kön 13,3.5) und RWO (vgl. 2Kön 18,22). Es fällt auf, dass diese Ausdrücke (wie zTN!) jeweils nur in einem abgegrenzten Teilbereich der Königsbücher Verwendung finden und keinen durchgängigen, stereotypen Sprachgebrauch repräsentieren. 865 Nur in Ps 52,7 (vgl. Ps 58,7) und in Hi 19,10 begegnet zTN im übertragenen Sinn vom Gericht Gottes am Menschen. 866 Vgl. COGAN / TADMOR, 116. 867 Vgl. zur Semantik und Pragmatik der Verbalwurzel die Untersuchung von W ILLIPLEIN, Ehrenbezeugung. 868 Siehe oben, S. 284f.
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Zefanjabuch überein, verrät aber eindeutig dtr Diktion.869 Es bleibt daher zweifelhaft, ob die Aussagen über den Kult auf den Dächern in Jer 19,13 überlieferungsgeschichtlich für die religiösen Verhältnisse im spätvorexilischen Jerusalem ausgewertet werden können.870 An keiner der beiden Stellen werden Dachaltäre erwähnt, obwohl wenigstens die Darbringung von Räucherwerk das Vorhandensein eines Räucheraltars oder -beckens vermuten lässt. Das Bild, das die alttestamentlichen Quellen von den kultischen Vorgängen auf den Dächern der Häuser entwerfen, steht mesopotamischen Schilderungen nahe, wie sie vor allem in den sog. Handerhebungsritualen überliefert sind. Eine sehr anschauliche Schilderung des idealtypischen Verlaufs eines solchen Rituals hat A. Zgoll gegeben: 871 „Über der Stadt Ninive bricht die Nacht herein, der Mond funkelt schon am Himmel. Ein Niniviter betritt gerade das Dach eines Hauses, begleitet von einem āšipu, einem Spezialisten für den rechten und wirksamen Kontakt mit den Göttern. Aus den überlieferten Sammlungen hat dieser ein Ritual für seinen Klienten ausgewählt. Handlungen und Worte werden nach festen, vorgegebenen Anweisungen vollzogen. Vor der Gottheit wird zunächst das Dach gefegt und reines Wasser versprengt. Sodann entzünden die beiden Männer Wacholderharz und angenehm duftend steigt der Rauch nach oben. Eine Spende von Bier folgt. Dann treten beide etwas zurück und der āšipu beginnt, ein Gebet an den am Himmel stehenden Mondgott Sîn zu sprechen, welches der Bürger von Ninive Wort für Wort wiederholt. Dieses Gebet wiederholen sie drei Mal … Nach der dreimaligen Rezitation des Gebetes werfen sich beide zu Boden und verlassen den Ort.“
Das Ritual wird meist auf dem Dach eines Hauses, „im Angesicht“ der Gottheit, durchgeführt, die in ihrer astralen Erscheinungsform für den Menschen sichtbar wird. Dabei verweist das Haus in den Bereich der persönlichen Frömmigkeit, der vom „offiziellen“ Kultus zu unterscheiden ist. Der Ort wird durch das Fegen und Besprengen mit Wasser rituell gereinigt und auf diese Weise für die Begegnung mit der Gottheit vorbereitet, d.h., es handelt sich nicht um einen fest abgegrenzten Raum, der für die Durchführung von Kulthandlungen ausgesondert war, sondern er bedarf je neu der rituellen Vorbereitung und Reinigung. In die gleiche Richtung weist die Beobachtung, dass die ŠU.ÍL.ĹA-Rituale keine permanenten Kultinstallationen auf den Dächern voraussetzen, so heißt es in einem Ritual an Ištar: „4 Ziegelsteine legst du Eck an Eck. Kleine Zweige der Euphratpappel häufst du auf, entzündest ein Feuer, Duftpflanzen, Röstmehl, Wachol-
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Siehe oben, S. 371f. Die Erwähnung von Kulthandlungen auf den Dächern in Jer 32,29 ist literarisch spät und hat ihrerseits Jer 19,13 zur Vorlage, was nicht zuletzt an der Widmung des Kultes für Ba‘al ersichtlich ist. 871 ZGOLL, Sinne, 25. 870
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derharz schüttest du auf.“872 Nach der Darbringung des Räucherwerkes folgt die Opferhandlung, die meist aus einem Trankopfer besteht (vgl. Jer 19,13). Nur gelegentlich finden sich vegetabile Opfer oder Schlachtopfer. Die mehrmalige Rezitation von Gebetstexten, die sich in Anrufung der Gottheit, Schilderung der Not und Lobversprechen des Beters unterteilen lassen, beschließt die rituelle Kommunikation zwischen Mensch und Gottheit.873 Der Brauch, auf dem Dach Räucherwerk zu entzünden, ist im GilgamešEpos auch für den Sonnengott Šamaš bezeugt. Bevor Gilgameš und Enkidu aufbrechen, um gegen Humbaba, den Wächter des Zedernwaldes, zu ziehen, bitten sie die weise Göttin Ninsun, die Mutter des Gilgameš, um Rat. Daraufhin wendet diese sich an den Sonnengott mit der Bitte, er möge Gilgameš bei seinem Vorhaben beschützen und ihm den Sieg verleihen. „Sie (sc. Ninsun) stürmte hin zur Treppe, sie stieg aufs Dach hinauf, sie stieg aufs Dach und stellte vor Schamasch ein Räucherbecken auf. Räuchergaben schüttete sie vor Schamasch hin, sie erhob (zum Gebet) ihre Arme.“ (Gilgameš Taf. 3, Z.43–46).874 Aus dem nordsyrischen Raum sind Kulthandlungen auf dem Dach durch zwei Texte aus Ugarit belegt. Im Keret-Epos opfert der Protagonist auf Geheiß seines Vaters El diesem und dem Gott Ba‘al auf dem Dach (des Palastes) Schlacht-, Trank- und Speiseopfer. Nachdem Keret seine Bitte um Nachkommenschaft vorgebracht hat, antwortet ihm El: „… Nimm ein Böcklein in deine Hand, ein Böcklein fürs Opfermahl in deine Rechte, ein Zicklein mit beiden Händen! All [dein?] Brot der Darbringung, nimm Fliegende, Schlachtopfervögel! Gieße in einen Silberpokal Wein, in eine Goldschale Honig! Steige auf die Spitze des Turmes, [ja, steige auf die Spitze des Turmes,]875 besteige die Zinnen der Mauer. Erhebe deine Hände zum Himmel, opfere dem Stier, deinem Vater El. Huldige durch dein Opfer Ba‘al, dem Sohn des Dagan durch dein Opfermahl. Und es steige herab,
872 A.a.O., 29. Das Verbrennen von Räucherwerk ist ein wiederkehrendes Element im Ritualablauf; dafür können Räucherbecken oder tragbare Räucheraltäre bzw. -ständer verwendet worden sein. 873 Zum Ablauf der ŠU.ÍL.ĹA-Rituale und ihren einzelnen Bestandteilen vgl. die Analyse bei ZGOLL, Sinne, 27–32; weitere Belege für Kulthandlungen auf dem Dach eines Privathauses oder eines Tempels aus Babylonien listet SCHRADER, Keilinschriften, 601, auf (vgl. auch CONRAD, Altargesetz, 114ff.). 874 Übersetzung nach MAUL, Gilgamesch-Epos, 67. Nach einer Notiz bei Strabo haben die Nabatäer auf den Dächern ihrer Häuser Räucherwerk für den Sonnengott verbrannt und ihm Trankopfer dargebracht (vgl. Strabo, Geographica 16,4,26). 875 Die Zeile könnte versehentlich doppelt geschrieben worden sein (vgl. TUAT III, 1221 Anm. 60)
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Keret, vom Dach!“ (KTU 1.14, II,13–27).876 Im Vergleich mit den bisher erörterten Belegen fallen vor allem das Fehlen von Räucherwerk bei der Nennung der Opfermaterie und die Abwesenheit eindeutig astraler Kultsymbolik im Text auf. Stattdessen wird die Darbringung tierischer und vegetabiler Opfer vorausgesetzt, wobei erstere ohne einen Altar (ugaritisch mdbḫ „Schlachtstätte“) nicht denkbar sind. – Am Ende des Ritualtextes KTU 1.41 werden Brand- und Schlachtopfer erwähnt, die der König am Neujahrsfest auf dem Dach (des Tempels Els?) durchführen soll. „At that time, the king [will offer sac]rifice to PRGL-ṢQRN on the roof, where there will be dwellings of branches, fo[u]r on one side, four on the other: a ram as a burnt-offer[ing]. A bu[ll] and a ram as a peace-offering, to be repeated seven times. According to what is in his heart the king will sp[eak].“ (KTU 1.41,50–53).877 Die ugaritischen Belege stellen sicher, dass Opferhandlungen auf Dächern in Syrien / Palästina bereits seit der Spätbronzezeit bekannt sind und nicht per se auf astrale Kultsymbolik verweisen müssen. Die überwiegend tierischen Opfer signalisieren überdies das Vorhandensein von Brand- bzw. Schlachtopferaltären auf den Dächern. Allerdings bleibt bei den ugaritischen Texten unklar, ob die Kulthandlungen im Bereich des Tempels zu lokalisieren sind oder im (königlichen) Privatkult. Ersteres darf für den Ritualtext KTU 1.41 als wahrscheinlich gelten.878 Im Keret-Epos fehlt eine eindeutige Lokalisierung des Opfermahls, es kommen aber wohl nur der Tempel Els oder der königliche Palast in Frage. Welche Schlussfolgerungen können aus der Durchsicht der einschlägigen religionsgeschichtlichen Parallelen für das Verständnis der Dachaltäre in V.12a gezogen werden? Sowohl das zeitgenössische Gerichtswort in Zef 1,4f.*, als auch die neubabylonischen ŠU.ÍL.ĹA-Rituale belegen Kulthandlungen auf den Dächern von Privathäusern in Verbindung mit Astralsymbolik und bestätigen indirekt die Assoziationen, die der Rückverweis auf die manassitische Religionspolitik in V.12ab weckt. Über den Ritualablauf oder die Kultarchitektur lassen sich jedoch keine näheren Angaben machen. Zwar entwerfen die mesopotamischen Quellen ein anschauliches Bild der kultischen Vorgänge, das vor allem den Schilderungen im Jeremiabuch nahe steht, doch bleibt ungewiss, ob letztere die religiösen Verhältnisse der späten Königszeit zuverlässig erinnern. Auch die Funktion der Altäre oszilliert im Licht der Quellen: Nach den babylonischen Handerhebungsgebeten und der Episode aus dem Gilgameš-Epos zu urteilen, 876 Übersetzung nach TUAT III, 1221f. In KTU 1.14 III,55–IV,9 wird die Ausführung des Auftrags in leicht gekürzter Form berichtet. 877 Text und Übersetzung nach PARDEE, Ritual, 65 (vgl. zur kultgeschichtlichen Einordnung des Textes a.a.O., 57). 878 Vgl. a.a.O., 106 Anm. 75.
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wäre am ehesten an Räucheraltäre oder -becken zu denken, die auf den Dächern aufgestellt wurden (vgl. Jer 19,13b). Es hätte sich mithin um bewegliche Kultobjekte gehandelt, nicht um permanente Kultinstallationen. In den Texten aus Ugarit tritt jedoch ein anderes Bild hervor, das Brand- und Schlachtopferstätten auf dem Dach voraussetzt. Allerdings sind die ugaritischen Texte von den alttestamentlichen Nachrichten zeitlich weiter entfernt, sie scheinen enger mit dem Tempelkult verbunden zu sein und weisen keine eindeutig astralen Bezüge auf. Auch die Widmung des Kultes bleibt mehrdeutig: Selbst wenn die Assoziation mit dem Himmelsheer das Richtige treffen sollte, ist damit noch nicht entschieden, ob der Kult ursprünglich lunaren bzw. astralen oder solaren Manifestationen der Gottheit(en) galt. Für letztere Möglichkeit könnte nicht nur auf den Zusammenhang mit V.11, sondern auch auf die prominente Stellung solarer Symbolik in der zeitgenössischen judäischen Herrschaftsideologie verwiesen werden.879 Dies käme zumal dann in Betracht, wenn die Erwähnung der Altäre auf dem Dach auf ältere Überlieferung zurückgehen sollte, wofür nicht zuletzt der eigentümlich schillernde Sprachgebrauch in V.12a spricht, der zwar Elemente dtr Kultgeschichtsschreibung enthält, darin jedoch nicht aufgeht, sondern ältere Vorstellungen erkennen lässt. Dies zeigt sich zum einen an der Polyvalenz der Kulthandlungen auf dem Dach des Königspalastes und zum anderen an dem Versuch ihrer nachträglichen literarischen Verknüpfung mit der manassitischen Religionspolitik. Dabei greift der Erzähler auf vorgegebene Terminologie und Darstellungsmuster zurück (vgl. V.12b) und verzahnt sie mit seiner historiographischen Gesamtkonzeption. Dieses Vorgehen erschwert hier, wie an anderen Stellen des Reformberichts, eine verlässliche literarkritische Unterscheidung zwischen Redaktion und Tradition. Dies zeigt sich beispielhaft am Gebrauch der Wurzel zTN: Spieckermann rechnet den Schluss von V.12a (kLMH zTN) gemeinsam mit der Objektangabe GGH-LY TWCBXMH-TAW (V.12aa*) zu seiner vordtr Quelle.880 Für den Rest des Verses nimmt er eine mehrstufige dtr Bearbeitung an. Umgekehrt weckt aber die Wurzel zTN in Verbindung mit der Zerstörung von Altären Assoziationen an eine geprägte dtr Phraseologie. 881 Hinzu kommt die Beobachtung, dass die Wurzel zTN regelhaft unbewegliche, steinerne Objekte bei sich führt, während die religionsgeschichtliche Analyse für die Dachaltäre eher den Gedanken an bewegliche, temporäre Kultinstallationen nahe legt. Dieser Befund spricht für die Annahme, dass die Erwähnung der Dachaltäre in 2Kön 23,12a auf älterer Überlieferung beruht, die jedoch 879
Die Lokalisierung der Altäre auf dem Dach des königlichen Palastes könnte diesen Aspekt noch unterstreichen (vgl. STOLZ, Religionsgeschichte Israels, 597). 880 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 109. 881 Siehe oben, S. 414f.
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nur auf überlieferungsgeschichtlichem Weg rekonstruiert werden kann. Die Formulierung in V.12a ist dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Erzähler selbst zurückzuführen. Diese Vermutung wird durch die explizite Erwähnung des handelnden Subjekts klLMH indirekt bestätigt, die im Reformbericht nur noch in V.13 und im einleitenden V.4a wiederkehrt, für die Gesamterzählung in 2Kön 22–23* jedoch charakteristisch ist. 882 Die Fortsetzung der mehrgliedrigen Zerstörungsnotiz lehnt sich eng an Vers 6 an, birgt jedoch einige philologische Probleme. Schwierigkeiten bereitet vor allem das Verständnis der Wendung mVM zRJW. Die finite Verbalform kann entweder von der Wurzel zWR („eilen, laufen“) oder von zZR („zerbrechen, zerdrücken“) abgeleitet werden. Im ersten Fall könnte die Form mit der masoretischen Vokalisation als 3.Pers. m. Sg. Narrativ Qal gelesen werden. Dann wäre primär von einer Dislokation des Subjekts die Rede; das Objekt („die Altäre“) würde erst in V.12bb wieder aufgenommen, wodurch ein gewisser Bruch im Handlungsverlauf entsteht. Alternativ kann die Form als Hif‘il punktiert werden (wajjariṣ): „und er brachte (sie) rasch (von dort) weg“. Das Objekt müsste bei dieser Interpretation aus V.12a ergänzt werden. Für eine Ableitung der Form von der Wurzel zWR spricht auch der präpositionale Ausdruck mVM, der den Ausgangspunkt der Bewegung markiert, die mit der Deponierung der Überreste der Altäre im Kidrontal ihr Ziel findet (V.12bb).883 Bedenken gegen diese Auffassung erheben sich jedoch aus zweierlei Gründen: Einerseits wirkt der Aspekt der Eile, der in der Semantik der Wurzel zWR anklingt, im Kontext des Reformberichts unmotiviert und anderseits leitet die Septuaginta die Verbalform mehrheitlich von der Wurzel zZR ab.884 Die Wurzel zZR hat mit personalem Objekt die Bedeutung „bedrücken, misshandeln“, mit unpersönlichem Objekt „zerbrechen, zerdrücken“.885 Leitet man die Verbalform von dieser Wurzel ab, denn stellt die Aussage das Bindeglied zwischen dem Niederreißen der Altäre in V.12a und dem Verstreuen ihres Staubes im Ki882 Vgl. 2Kön 22,3.9f.; 23,1–3.21 (vgl. 22,11f.20 red.). In den Versen 12 und 13 des Reformberichts werden jeweils einzelne Könige als Stifter der Kultrequisiten, die Josia beseitigen ließ, namentlich erwähnt, was vielleicht den Anlass zur Renominalisierung gegeben hat. 883 Die Unsicherheit bei der Auflösung der Verbalform und der Rekonstruktion des Handlungsverlaufs zeigt sich bereits in der antiochenischen Textform der Septuaginta, die dem mehrteiligen Ereignisverlauf in V.12b zwei weitere Glieder hinzufügt (s. oben, S. 32 Anm. 56). 884 Das Moment der gewaltsamen Zerstörung ist auch in der Variante der antiochenischen Textform enthalten, die V.12ba zu einer dreistufigen Ereignisfolge zerdehnt (kai\ kacei~len e>kei~cen … kai\ e>qh/negken … kai\ sune/triye). Dabei klingen im ersten Glied die beiden Aspekte des Niederreißens und der Dislokation des Objekts an, die in den folgenden Gliedern jeweils für sich wieder aufgenommen werden. 885 Vgl. RINGGREN, zZR, 663f.
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drontal dar (vgl. V.12bb). Die Frage, „wieso … das Einreißen von Altären RPY ergibt“, wird vom Text eindeutig beantwortet: weil der König ihre Überreste zu Staub zermalmen ließ.886 Das Objekt ist aus V.12a zu ergänzen, sofern man nicht annehmen will, das Suffix der 3.Pers. m. Pl. sei aufgrund von Haplographie ausgefallen oder es läge eine fehlerhafte Worttrennung vor, so dass mV mZRJW („und er zermalmte sie dort“) anstelle von 887 Wie immer man hier entscheidet, der Versteil mVM zRJW zu lesen wäre. schafft einen Übergang zum letzten Glied der Handlungsfolge in V.12b, und es liegt kein Grund vor, ihn einer späteren Bearbeitung zuzuschreiben.888 Dieses Urteil gilt in gleicher Weise für die abschließende Bemerkung, der König habe den Staub der zerstörten Altäre ins Kidrontal geworfen (V.12bb), die sich im sprachlichen Ausdruck eng an V.6 anschließt (vgl. kLV Hif., RPY + Suffix und die Ortsangabe nWRDQ LHN). Die Spannung, die Spieckermann zwischen dem Einreißen der Altäre und dem Verstreuen ihres Staubes notiert, verliert an Gewicht, wenn V.12ba als Überleitung verstanden und nicht als unverständliche Glosse gestrichen wird. 889 Der syntaktische Anschluss mittels der Fügung weqāṭal-x nötigt ebenfalls nicht zu der Annahme, hier liege eine spätere Interpolation vor.890 Die Zerstörung der Altäre (V.12ba) und das Verstreuen ihrer materiellen Überreste im Kidrontal (V.12bb) symbolisieren gemeinsam ihre vollständige Annihilation, weshalb letzterer Vorgang ersterem beigeordnet wird. Es ist dem Erzähler weniger um eine genaue Rekonstruktion des Handlungsverlaufs zu tun, als um die Symbolik vollständiger Vernichtung, derethalben er sich vorgegebener textlicher Elemente bedient.891 V.12 ist vermutlich im Ganzen auf den Verfasser des Reformberichts zurückzuführen, der jedoch in V.12a auf ältere Überlieferung zurückgegriffen zu haben scheint. Auch die Zerstörung der von Manasse errichteten Altäre in den beiden Vorhöfen des 886 SPIECKERMANN, Juda, 111. Er lässt V.12ba bei seiner Deutung allerdings unberücksichtigt, weil der Wortlaut korrupt sei und eine überzeugende Konjektur noch ausstehe. Eine Konjektur ist jedoch nicht nötig. 887 KÖNIG, Wörterbuch, 453f., dachte an einen Textausfall durch Haplographie. Meist wird jedoch eine fehlerhafte Worttrennung angenommen (vgl. BHS, z.St., und Ges.18, s.v. zWR1). 888 Vgl. bereits KEIL, 402f. Meine früheren Ausführungen, in denen ich eine Ableitung der Verbalform von der Wurzel zWR favorisiert hatte (vgl. PIETSCH, Tempus, 174), sind entsprechend zu korrigieren 889 Siehe oben, Anm. 886. 890 Dagegen beurteilt BARRICK, King, 76, den Versteil als eine Dublette zu V.4b und V.6b und weist ihn einer späteren Hand zu. Um eine Dublette im literarkritischen Sinne handelt es bei V.12bb jedoch genau genommen nicht. 891 Der nachahmende Stil in V.12b bei unterschiedlicher Konstruktion im Einzelnen könnte einen indirekten Hinweis auf die Übernahme einer älteren Textvorlage durch den Verfasser der Königsbücher in V.6f.* liefern.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
Jerusalemer Tempels kann historische Plausibilität beanspruchen, selbst wenn die Formulierung des Textes hier stärker dtr gefärbt ist. Dafür sprechen nicht nur die religionsgeschichtlichen Verhältnisse im späteisenzeitlichen Juda, sondern auch die literarische Analyse der res gestae Manasses – zumal wenn die bereits mehrfach geäußerte Vermutung zuträfe, dass eine erste Version der Königsbücher noch in spätvorexilischer Zeit anzusetzen ist.892
6. Die Heiligtümer auf dem Ölberg (2Kön 23,13f.) 6. Die Heiligtümer auf dem Ölberg (2Kön 23,13f.)
Vers 13 nennt eine weitere Gruppe von Heiligtümern, die der König kultisch unbrauchbar machen ließ, und zeigt eine zu V.12a syntaktisch parallele Struktur. Das Objekt ist betont vorangestellt und wird durch eine Abfolge von drei unkoordinierten Relativsätzen nach seiner Herkunft und Lokalisierung weiter bestimmt (V.13a). Der König macht die TWMB im Weichgebiet Jerusalems unrein (AMF Pi., vgl. V.8.10). Der Vers wirkt auf den ersten Blick wie eine Dublette zum Vorgehen Josias gegen die bāmôt in den Städten Judas (V.8a), doch wies bereits der redaktionelle Doppelausdruck mLVWRJ JBOMW HDWHJ JRYB in V.5a* darauf hin, dass beide Gebiete voneinander unterschieden wurden.893 Überdies widerrät die Widmung der Kultstätten in V.13, die ausdrücklich fremden Gottheiten geweiht waren, einer Gleichsetzung mit den landjudäischen Heiligtümern in V.8a, die nach Ausweis der Königsbücher als jahwistische Kulteinrichtungen zu gelten haben.894 Nur in V.13 werden im Reformbericht Kultstätten erwähnt, die explizit mit der Verehrung anderer Götter als Jahwe in Verbindung gebracht werden; bereits daran zeigt sich eine gewisse Sonderstellung des Verses. Der König geht gegen Heiligtümer für die Nationalgottheiten der Nachbarstaaten Judas vor, die in unmittelbarer Nähe zu Jerusalem errichtet worden waren: je eines für die phönikische Astarte (hier als Patronatsgöttin der Stadt Sidon tituliert), den moabitischen Nationalgott Kamoš und Milkom, den Hauptgott der Ammoniter. Der Plural TWMBH ist durch die Aufzählung der Gottheiten im dritten 895 RVA-Satz veranlasst und bedarf keiner Korrektur. Die Identität der Kultanlagen wird zunächst mittels zweier präzisierender Ortsangaben gesichert. Der erste appositionelle Relativsatz gibt einen eher allgemeinen Hinweis 892
Siehe unten, S. 466–471. Siehe oben, S. 270f. Geht die redaktionelle Nacharbeit in V.5a auf die gleiche Hand zurück, die in V.13 am Werk ist? 894 Siehe oben, S. 332. 895 Vgl. zu den text- und religionsgeschichtlichen Problemen P IETSCH, Von Königen und Königtümern, 42–48. 893
6. Die Heiligtümer auf dem Ölberg (2Kön 23,13f.)
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zu ihrer Lage: Sie befinden sich mLVWRJ JNP-LY, womit zunächst nur so viel gesagt ist, dass sie nicht mehr zum Stadtgebiet Jerusalems gehörten. Die Reformen greifen also mit V.13 über Jerusalem und den Tempelbezirk hinaus. Meist wird weiter angenommen, dass die Heiligtümer östlich von Jerusalem, auf dem Ölberg, oder besser: der Ölbergkette, zu lokalisieren seien. Dabei ist vorausgesetzt, dass die Ostseite Jerusalems mit dem Tempelareal als Schauseite der Stadt zu gelten hat. Dies ist in Anbetracht der wenigen Belege für die Wendung mLVWRJ JNP-LY im Alten Testament jedoch keineswegs sicher (vgl. 1Kön 11,7; 2Kön 23,13; Sach 14,4), zumal in Sach 14,4 die Lage des Ölbergs (mJTXH RH) östlich von Jerusalem durch den Zusatz mDQM eigens markiert wird und die Wendung -LY RVA RHB mLVWRJ JNP in 1Kön 11,7 vermutlich aus 2Kön 23,13 übernommen worden ist.896 Somit bliebe allein das Vorkommen im Reformbericht, um den Ausdruck als stehende Wendung in der Bedeutung „östlich (von)“ zu belegen. Die Fragwürdigkeit dieser Argumentation braucht nicht weiter dargelegt zu werden. Die gängige Deutung des Ausdrucks ist wohl unter dem Einfluss der folgenden Ortsangabe gewonnen worden, die den allgemeinen Hinweis in V.13aa präzisiert.897 Leider bleibt aber auch diese Mitteilung trotz ihrer sehr konkreten Angaben für den heutigen Leser einigermaßen rätselhaft: Die Heiligtümer sollen sich „südlich des Berges des Verderbers“ (TJCVMH-RHL nJMJM) befunden haben. Die Bezeichnung „Berg des Verderbers“, die den Zeitgenossen des Verfassers vermutlich vertraut war, entzieht sich einer landeskundlichen Identifizierung. 898 Häufig wird er in der Literatur mit dem Ölberg (Ǧebel eṭ-ṭūr) gleichgesetzt, der östlich von Jerusalem, gegenüber dem Tempelbezirk liegt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die masoretische Schreibweise als Kakographie eines ursprünglichen HCVMH-RH („Berg der Salbung“ = der Ölberg) zu erklären sei, wie der Ölberg in der rabbinischen Literatur bezeichnet werden kann. 899 Den Anlass zu dieser Änderung hätten die Kultanlagen für die fremden Götter gegeben, die Salomo hier hatte erbauen lassen. Gegen diese Interpretation sprechen jedoch mehrere Beobachtungen: 1. Die vorgeschlagene Konjektur zu HCVMH-RH hat keinen Rückhalt in der 896
Vgl. WÜRTHWEIN, 131; SPIECKERMANN, Juda, 194f. mit Anm. 89. Der Versteil fehlt in der ältesten griechischen Textform. Zwar bietet die Septuaginta in 1Kön 11,1–8 eine abweichende Textanordnung, die deutlich Spuren einer sekundären Systematisierung trägt. Die fehlende Ortsangabe aus V.7, die nur im Codex Alexandrinus und (als Zusatz gekennzeichnet!) in der Syrohexapla belegt ist, ist jedoch kaum als spätere Auslassung zu beurteilen ( pace NOTH, 241). 897 Vgl. zur syntaktischen Konstruktion TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 232f. 898 In der mittelalterlichen kirchlichen Tradition wurde der mons offensionis (Vulgata) mit dem Baṭn el-Haua, einem südlichen Ausläufer des Ǧebel eṭ-ṭūr gleichgesetzt (vgl. DALMAN, Jerusalem, 48f.). 899 Vgl. bRHSh II,4; bMidd II,4.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
antiken Textüberlieferung: Die Septuaginta transkribiert den Namen als Mosoac (LXXB) oder >Amessoac (LXXL) mit zahlreichen Varianten. Die Übersetzung der Vulgata (mons offensionis) setzt ebenfalls eine Ableitung von der Wurzel TCV voraus. Das Targum vollzieht zwar die Identifikation des Berges mit dem Ölberg, verwendet für diesen jedoch den gebräuchlichen Namen AJTJX RWF, wie er alttestamentlich in Sach 14,4 belegt ist (vgl. 2Sam 15,30). 2. Die salomonischen Kultbauten, die Josia zerstören ließ, werden im Text nicht auf dem „Berg des Verderbers“ lokalisiert, sondern südlich davon, so dass kein Anlass bestanden hätte, den ursprünglichen Namen des Berges wegen der „Erwähnung von abgöttischem Wesen in Verbindung mit (ihm)“ zu entstellen.900 3. Das Ptz. Hif. der Wurzel TCV bezeichnet häufig einen Agenten des göttlichen Straf- und Vernichtungshandelns, sei er irdischer oder himmlischer Herkunft. 901 Die Semantik der Wurzel TCV verweist nicht in den kultischen Bereich, sondern betont den Aspekt der lebensbedrohlichen Gefährdung der Existenz.902 Dabei signalisiert das innerlich-kausative Hif‘il „ein duratives oder vom Wesen des Subjekts her bedingtes … Handeln …, bei dem die in dem Veranlassen enthaltene Motivierung durch das Wesen des Subjekts von Anfang an gegeben ist …“903 Der Ausdruck TJCVMH-RH qualifiziert die Stätte demnach als einen Ort, von dem eine lebensbedrohliche Gefährdung für Israel ausgeht. Dieses Verständnis der Konstruktion bestätigt sich bei einem Blick auf die einzige Stelle, an der die Wendung im Alten Testament noch einmal begegnet. In Jer 51,25 wird Babel metaphorisch als TJCVMH RH bezeichnet, der als Werkzeug Jahwes den ganzen Erdkreis „vernichtet“, d.h. seiner Herrschaft unterworfen hat, und jetzt selbst zum Objekt des Vernichtungshandelns Gottes werden soll (vgl. V.20–26.27–33). Es ist geradezu das Wesen Babels, zu dem Jahwe es eingesetzt hat, die Völkerwelt zu verderben und die Königreiche zu zerschlagen. Zwar liegt in 2Kön 23,13 kein metaphorischer Sprachgebrauch vor, sondern eine geographische Angabe, aber die sonstige Verwendungsweise des Part. Hif. TJCVM könnte darauf hindeuten, dass der Berg seinen Namen nicht aufgrund seiner Nähe zu den Kulteinrichtungen für Astarte, Kamoš und Milkom erhalten hat, sondern dass er auf eine politisch-militärische Bedrohung bzw. ein Strafhandeln Jahwes gegen Jerusalem und seine Bewohner zurückgeht. Damit ist zwar 900
Vgl. DALMAN, Jerusalem, 41f. (Zitat: 41). In militärisch-politischem Zusammenhang begegnet das Lexem in Jes 54,16; Jer 51,25; Ez 21,36; 25,15; eine himmlische Gestalt figuriert in Ex 12,23; 2Sam 24,16 und Ez 9,1–6 als Werkzeug des göttlichen Gerichts (vgl. TJCVMH CWR in Jer 51,1) 902 Vgl. Prov 18,9 und 28,24, wo Trägheit und Diebstahl als Bruder bzw. Gefährte des Verderbers gelten, weil sie die Existenzgrundlage des Menschen in Frage stellen. 903 JENNI, Pi‘el, 259f. 901
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noch kein Hinweis auf die Identifikation des Berges und mit ihm der Lage der TWMB gewonnen – und sie wird vermutlich bis auf weiteres offen gelassen werden müssen, seine gängige Gleichsetzung mit dem Ölberg bedarf jedoch einer kritischen Prüfung.904 Bleiben die Angaben des Textes zur genaueren Lokalisierung der Kultstätten für den modernen Leser eigentümlich unscharf, wie dies bereits bei den Hinweisen zur Lage der Kultinstallationen im Stadttor zu beobachten war (vgl. V.8b), so ist der Rückverweise auf Salomo als Patron der Heiligtümer literarisch eindeutig. Die Verknüpfungsformel schlägt eine Brücke zu der Erzählung über Salomos Abfalls von Jahwe in 1Kön 11,1–8, die der Notiz in Vers 13 vermutlich vorgegeben war. Zwar ist der Wortlaut des Reformberichts aus sich selbst heraus verständlich, und zwischen beiden Texten bestehen neben einer Vielzahl von Gemeinsamkeiten nicht unerhebliche Unterschiede905, die Formulierung der Verknüpfungsformel, die weithin aus den sprachlichen Elementen des Ko-Textes gestaltet ist und diese unter kulttypologischen Gesichtspunkten neu strukturiert, spricht jedoch für eine literarische Abhängigkeit auf Seiten des Reformberichts.906 Salomo, der in V.13 wie in 1Kön 1,34 als „König Israels“ tituliert wird, was als Hinweis auf die gesamtisraelitische Perspektive der Salomoüberlieferung gewertet werden kann, hatte außerhalb Jerusalems Kultstätten für Astarte, Kamoš und Milkom gebaut (HNB + TWMB, vgl. 1Kön 11,7). Im KoText 1Kön 11,7* war lediglich von je einer HMB für Kamoš und Milkom die Rede gewesen.907 Aufgrund der Notiz über die Verehrung der Astarte (V.5, vgl. 1Kön 11,33) und der Mitteilung, Salomo habe für alle seine ausländischen Frauen Heiligtümer (TWMB) eingerichtet, an denen sie ihre Götter verehren konnten (vgl. V.8), hat der Verfasser die divergierenden An-
904
Ein alternativer Vorschlag sei hier wenigstens angedeutet: G. Dalman hatte erwogen, dass „der Punkt, von welchem aus der von Norden heranziehende Assyrer seine Hand gegen den Berg der Tochter Zion schwingt (Jes. 10,32)“, mit dem Rās el-Mešārif am nordwestlichen Ende der Ölbergkette zu identifizieren sei (vgl. D ERS., Jerusalem, 31f.). Sollte der Ort seinen biblischen Namen in Erinnerung an die assyrische Belagerung Jerusalems durch Sanherib erhalten haben? Anderenfalls könnte die Bezeichnung sich mythischer Vorstellungen verdanken, die sich jedoch bis auf weiteres unserer Kenntnis entziehen. 905 Hier sei nur auf das Motiv der ausländischen Frauen Salomos hingewiesen, das für den Bau der Kultstätten in 1Kön 11,1–8 eine tragende Rolle spielt, im Reformbericht dagegen unberücksichtigt bleibt. 906 Die umgekehrte Annahme einer literarischen Priorität der Notiz in 2Kön 23,13 besitzt weniger Wahrscheinlichkeit, da nur schwer erklärbar ist, weshalb die Aufzählung der fremden Götter in 1Kön 11,5.7 sekundär aufgelöst und verdoppelt worden sein sollte. 907 Im masoretischen Text wird der Name des Hauptgottes der Ammoniter zu molæk verunstaltet, was aber mit der Septuaginta in mKLM zu korrigieren ist (vgl. basilei au>twn LXXB, Melxom LXXL).
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
gaben seiner Vorlage systematisiert und die Reihe um Astarte erweitert.908 Ihm war nicht an der persönlichen Religiosität Salomos gelegen, sondern an der Entweihung der von ihm gestifteten Kultanlagen, deren negative Qualifikation er seiner Vorlage entnommen hat.909 Die knappe Bemerkung „der König machte (sie) unrein“ (V.13b) ahmt die syntaktische Struktur aus V.12a nach und übernimmt die Terminologie der früheren Kultbeseitigungsnotizen in V.8a und V.10.910 Der enge literarische Zusammenhang der Notiz mit der Erzählung über das Ende der Regierung Salomos in 1Kön 11 signalisiert bereits ihre dtr Herkunft. Diese Vermutung wird bestätigt, wenn man berücksichtigt, dass mit der Beteiligung Salomos am Fremdgötterkult für die dtr Historiographie dem gesamtisraelitischen Königtum der Davididen die Axt an die Wurzel gelegt ist: Salomos Abfall von Jahwe evoziert den Abfall der israelitischen Stämme vom Haus Davids (vgl. 1Kön 11,11–13*.26–39*). Wenn Josia den Ausgangspunkt für diese Entwicklung beseitigt und die Heiligtümer der fremden Götter kultisch unbrauchbar macht, dann erscheint zugleich die Erneuerung der gesamtisraelitischen Herrschaft der Davididen am Horizont. Genau an diesem Punkt erfolgt nun bezeichnenderweise der Übergriff der königlichen Reform auf das Gebiet Samarias (vgl. V.15–20), der mit der Zerstörung des Altars in Bet-El, dem Symbol der verfemten Religionspolitik Jerobeams I. (vgl. 1Kön 12f.*), anhebt. Die Notiz über die Verunreinigung der TWMB in Vers 13 dient also nicht nur in topographischer Hinsicht als Überleitung zu den Reformakten des Königs in Bet-El und den Städten Samarias, sondern verweist darüber hinaus auf die historiographische Gesamtkomposition der Königsbücher. Ist diese geschichtstheologische Konstruktion der Grundschicht des Reformberichts zuzuweisen? Diese Frage kann nur mit einem Seitenblick auf die literarhistorischen Verhältnisse in 1Kön 11,1–8 beantwortet werden, die hier jedoch nicht im Detail erörtert werden können. Hielt M. Noth den 908
Ein ähnliches Verfahren kann in der Septuagintaüberlieferung zu 1Kön 11,1–8 beobachtet werden. Dort wird Astarte den beiden männlichen Gottheiten jedoch nachgeordnet. Die nächste Parallele für die Reihenbildung im Reformbericht bietet 1Kön 11,33, wo den Göttern der Völker aber der Status als mJHLA zugebilligt wird (vgl. 1Kön 11,5a). 909 Genau genommen ist der Sprachgebrauch in Vers 13 nicht mit der Vorlage in 1Kön 11,5.7 kongruent. Lediglich die Qualifikation des Kamoš als BAWM zQV ist beiden Texten gemeinsam. Steht die Ersetzung der Bezeichnung der Astarte als mJNDZ JHLA (vgl. 1Kön 11,5) durch die pejorative Titulatur mJNDJZ zQV in der tendenziösen Linie des Reformberichts, so bleibt unklar, warum der Verfasser für Milkom nicht das Attribut zQV aus der Vorlage übernimmt (vgl. 1Kön 11,5), sondern stattdessen nWMY-JNB TBYWT wählt. Liegt hier ein Einfluss der späten Verbindung zwischen Milkom und dem molæk-Kult vor? 910 Allen drei Stellen ist gemeinsam, dass sie das Vorgehen des Königs gegen Kultstätten zum Inhalt haben und nicht Maßnahmen gegen einzelne Kultrequisiten oder eine bestimmte Gruppe des Kultpersonals.
6. Die Heiligtümer auf dem Ölberg (2Kön 23,13f.)
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Abschnitt 1Kön 11,1–13 im Wesentlichen noch für einen einheitlichen dtr Text911, so mehren sich seitdem die Stimmen, die einen weitaus komplexeren Wachstumsprozess annehmen.912 Die wichtigsten Textbeobachtungen hat Spieckermann zusammengestellt: Von vereinzelten Glossen abgesehen913 weist er den Rekurs auf das Verbot der Mischehen in V.2, der sich sprachlich eng an Jos 23,11f. anlehnt914, die Periodisierung der Regierung Salomos (V.4a), mit deren Hilfe der Abfall Salomos von Jahwe an das Ende seiner Herrschaft gerückt wird – gleichsam als Alterserscheinung, wie bereits David im Alter zum „Spielball“ höfischer Intrigen und Interessenkonflikte geworden war (vgl. 1Kön 1)915, und den Vorwurf, Salomo habe Astarte, die Göttin der Sidonier, und Milkom, den Hauptgott der Ammoniter, verehrt (vgl. V.5f.)916 einer späteren Bearbeitung des Textes zu (DtrN). Die Grundschicht des Abschnitts, die Spieckermann DtrH zuschreibt, enthielt nach seiner Analyse V.1a*.b.3.4b.7*.8, wobei er hinter V.1a* und V.3 ältere Nachrichten vermutete, zu denen vielleicht noch die Baunotiz in V.7* zu rechnen ist. Selbst wenn hier im Einzelnen manches strittig bleibt und unklar ist, mit wie vielen redaktionellen Erweiterungen gerechnet wer-
911
Vgl. NOTH, 244f., und zuletzt HOFFMANN, Reform, 48 mit Anm. 3. Vgl. WÜRTHWEIN, 131f.; SPIECKERMANN, Juda, 191–195; SÄRKKIÖ, Weisheit, 212–220. 913 Dazu zählt er die Heirat mit der Tochter des Pharao (V.1a*) und die Ortsangabe in V.7ab. 914 V.2b leitet mit dem Stichwort BHA zu V.1a* zurück, der seinerseits antithetisch auf 1Kön 3,3aa Bezug nimmt und programmatisch Salomos Liebe zu seinen ausländischen Frauen seiner Liebe zu Jahwe kontrastiert. Der Rückbezug auf Jos 23 wird insofern relativiert, als sich das Verbot der Mischehen dort auf Eheschließungen mit den Vorbewohnern des Landes Kanaan bezieht (V.12f., vgl. Ex 34,15f.; Dtn 7,1–4), zu denen die in 1Kön 11,1b aufgezählten Völkerschaften nicht gerechnet werden. Lediglich die Hethiter begegnen sowohl in V.1b als auch in der Liste der sieben Völker in Dtn 7,1. – Näher steht der Aufzählung in V.1b die Reihe der Völker in Esr 9,1f., die nicht nur Moabiter und Ammoniter, sondern selbst Ägypter unter den Völkern des Landes nennt, mit denen Israel sich nicht verheiraten soll. 915 V.4a klappt gegenüber der Feststellung in V.3b, Salomos Frauen hätten sein Herz verführt (HFN), deutlich nach und erläutert den Vorgang biographisch wie theologisch (mJRCA mJHLA, vgl. V.5). 916 Die Feststellung, Salomo selbst habe fremde Götter verehrt (V.5) übertrifft den Vorwurf in V.7f., der König habe Heiligtümer für seine ausländischen Frauen errichten lassen, damit diese dort ihren Göttern dienen konnten, und zieht die Linien im Lichte der nachexilischen Mischehenpolemik weiter aus. – V.6b nimmt mit ähnlichen Worten das Frömmigkeitsurteil aus V.4b auf und beschließt den Abschnitt V.1–6. Die Konstruktion ALM + HWHJ JRCA, die V.4a nachahmt, ist sonst nur noch in Verbindung mit der (literarisch späten) Kalebüberlieferung belegt (vgl. Num 14,24; 32,11f.; Dtn 1,36; Jos 14,9f. 14; Sir 46,6.10) und greift bereits auf das Thema des Landverlustes voraus. 912
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
den muss917, deutet der Befund auf ein mehrstufiges Wachstum des Abschnitts hin, wobei V.5f. und V.7f.* unterschiedlichen literarischen Produktionsphasen zugewiesen werden müssen. Während V.7f.* vermutlich zum ältesten literarischen Bestand des Textes gehören, lassen V.5f. sprachliche und konzeptionelle Gemeinsamkeiten mit V.4a einer- und V.9f. andererseits erkennen, die wie 1Kön 9,1–9 einer späteren Bearbeitungsstufe angehören und exilischer oder frühnachexilischer Herkunft sein dürften. 918 Wenn die Notiz in V.13 bereits auf die erweiterte Form der Salomoüberlieferung in 1Kön 11,1–8 zurückgreift, wie es hier vorausgesetzt wird, ergibt sich aufgrund der intertextuellen Bezüge zwingend, dass der Vers nachträglich in den Reformbericht eingefügt worden ist. Die Nachricht über die Verunreinigung der TWMB in der unmittelbaren Nachbarschaft Jerusalems wäre damit als eine rein literarische Bildung erwiesen, die ganz im Dienste der dtr Historiographie stünde. Dagegen gibt es keine hinreichenden Indizien, die für die Aussonderung eines älteren, vordtr Textanteils in V.13 sprechen würden, wie dies zuletzt Hardmeier vorgeschlagen hat.919 Ob es „diplomatische Vertretungen“ für die Götter benachbarter Nationen in der Umgebung Jerusalems gegeben hat, die aus der Frühzeit des israelitischen Königtums stammten und bis in die spätvorexilische Epoche Bestand hatten, kann hier offen bleiben. Eine Beantwortung dieser Frage müsste ihren Ausgangspunkt bei der vordtr Baunotiz in 1Kön 11,7* nehmen. Ihr Ende unter König Josia verdankt sich dagegen wohl schriftgelehrter Historiographie. Das Verständnis des folgenden Verses hängt wesentlich von der Auffassung über seine syntaktische Struktur ab. Betrachtet man die syntaktische Fügung weqāṭal-x in V.14aa als erzählerischen Neueinsatz, dann wird die Aussage meist auf die Zerstörung der Maṣṣeben und Ascheren in der Landschaft Juda bezogen, die laut 1Kön 14,23 seit den Tagen Rehabeams „auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum“ aufgestellt worden wa917
Während Spieckermann nur mit einer substantiellen Bearbeitung rechnet (DtrN), verteilt Särkkiö den Textbestand auf wenigstens drei Fortschreibungsstufen, wobei bemerkenswert ist, dass alle drei redaktionellen Erweiterungen darin konvergieren sollen, dass sie Salomo im Gefolge des Mischehenverbots die Übertretung des ersten Gebots vorwerfen. 918 Vgl. SÄRKKIÖ, Weisheit, 215f., der V.5f. jedoch einer zweiten nomistischen Bearbeitung zuordnet. 919 Es lassen sich keine literarkritischen Indizien namhaft machen, die eine Unterscheidung zwischen einer älteren Vorlage und ihrer dtr Überarbeitung in V.13 begründen könnten. Hardmeiers Analyse basiert auf dem Axiom, dass die dtr Bearbeitung einen älteren Annalentext im aufzählenden Stil narrativ überformt habe, so dass er aus der syntaktischen Fügung we-x-qāṭal in V.13 auf eine vordtr Textstufe schließt, von der er die Mehrzahl der relativischen Erweiterungen in V.13a als dtr Interpretamente abhebt (vgl. DERS., König, 124–129). Für letzteres Vorgehen gibt es jedoch keine literarkritische Begründung.
6. Die Heiligtümer auf dem Ölberg (2Kön 23,13f.)
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ren.920 Die Intention des Verses sei es, König Josia die Beseitigung aller illegitimen Kulteinrichtungen in Juda zuzuschreiben.921 Dieser Deutung stehen jedoch verschiedene Beobachtungen entgegen: Die Verknüpfung der Notiz mit dem Bericht über die religiösen Zustände zur Zeit Rehabeams beruht einzig auf der Erwähnung von Ascheren und Maṣṣeben im Plural an beiden Stellen, die im Alten Testament darüber hinaus noch in Ex 34,13 (dtr); Dtn 7,5; 12,3; 2Kön 17,10; 18,4 belegt ist922, folglich keinen exklusiven intertextuellen Bezug zu begründen vermag. Ein expliziter Rückverweis wie in den Versen 12 und 13 fehlt ebenso wie eine Angabe zur Lokalisierung der Kultobjekte. Letzteres fällt besonders auf, weil die Lage der kultischen Installationen im Reformbericht sonst stets genau bezeichnet wird! E. Eynikel hat zudem darauf hingewiesen, dass die kultpolitische Entwicklung unter Rehabeam in der historiographischen Konzeption der Königsbücher bereits durch die Reform Hiskias korrigiert worden sei (vgl. 2Kön 18,4).923 Schließlich ist der Unterschied der beiden syntaktischen Formationen weqāṭal-x und we-x-qāṭal zu beachten – nur letztere signalisiert einen erzählerischen Neueinsatz (vgl. V.11b.12a.13), erstere bezeichnet eine Begleithandlung oder Umstandsangabe zur Haupthandlung, hier zur Verunreinigung der Kultanlagen aus Vers 13! 924 Damit ist klar, dass sich die mehrteilige Handlungssequenz in V.14 nicht auf irgendwelche Kulteinrichtungen in der Landschaft Juda bezieht, sondern das Vorgehen des Königs gegen die von Salomo eingerichteten Heiligtümer südlich „des Berges des Verderbers“ näher erläutert. Unter dieser Voraussetzung erklären sich das Fehlen einer näheren Ortsbestimmung sowie die Determination der Kultobjekte in V.14a problemlos. Ist diese Interpretation des syntaktischen Gefüges zutreffend, dann ist es evident, dass V.14 die vorangehende Notiz über die TWMB Salomos voraussetzt und literarisch weiterführt, m.a.W., der Vers ist entweder derselben Hand zuzuweisen wie V.13 oder einer nochmals späteren Bearbeitung.925 Eine Entscheidung in dieser Frage ist schwierig. Sie hängt nicht zuletzt davon ab, wie man das inhaltliche Gefälle der beiden Verse zueinander bestimmt. V.13 nimmt den Sprachgebrauch der älteren Reformnotizen auf und beschreibt das Vorgehen des Königs gegen die fremden Kultstätten mit absolut gebrauchtem AMF Pi. (vgl. V.8a.10). Die Handlungssequenz in 920
Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 112. Vgl. WÜRTHWEIN, 460. 922 Vgl. noch Dtn 16,21f.; Mi 5,12f. 923 Vgl. EYNIKEL, Reform, 270. Manasse hatte die TWMB zwar wieder errichtet (HNB, vgl. 1Kön 14,23), doch war deren Beseitigung bereits in V.8a notiert worden. 924 Vgl. bereits HÖLSCHER, Buch, 199, und zuletzt KOCH, Gefüge, 89 mit Anm. 22. 925 SPIECKERMANN, Juda, 112, beurteilt V.14 als Dublette zu V.4a und V.6, doch ist dort von der Aschera im Jerusalemer Tempel die Rede, während hier an Kultrequisiten in den Heiligtümern der Astarte, des Kamoš und des Milkom gedacht ist. 921
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V.14 sucht diese eher abstrakte Ausdrucksweise durch eine Abfolge konkreter Einzelmaßnahmen zu veranschaulichen und in ihrem semantischen Gehalt zu interpretieren. Dabei zeigt sich zum einen eine gewisse Nähe zu den Vorgängen in Bet-El und den übrigen Städten Samarias (vgl. V.16–20) und zum anderen eine Konzeption, die Ascheren und Maṣṣeben, darin dtr Diktion folgend, zu den konstitutiven Kultrequisiten einer HMB zählt (vgl. 1Kön 14,23; 2Kön 18,4). Der Akt der Verunreinigung wird demnach als ein dreiteiliger Geschehenszusammenhang dargestellt: Der König zerbricht die Maṣṣeben (RBV Pi.) und haut die Ascheren um (TRK), d.h., er zerstört die Kultembleme, die die Präsenz der dort verehrten Gottheiten symbolisierten, und bedeckt ihren Ort mit menschlichen Gebeinen. Erst mit dem letzten Akt dieses Dramas werden die Kultstätten in den Zustand der Unreinheit versetzt, den V.13b konstatiert hatte. Dabei liegt die verbreitete Vorstellung zugrunde, dass die Kontamination des Heiligtums dadurch herbeigeführt wird, dass zwei Bereiche, die als unvereinbar gelten, miteinander in Kontakt gebracht werden: Der Bereich des Heiligen ist von der Welt der Toten zu trennen.926 Man kann V.14 somit als eine kultische relecture von V.13 verstehen, die diesem sekundär angefügt wurde, um den absoluten Gebrauch der Wurzel AMF in diesem Vers im Lichte der Reinheitskonzeption der folgenden Verse zu illustrieren (vgl. V.16–20). Allerdings lassen sich eine Reihe von Unterschieden zwischen der Notiz in V.14 und dem Bericht über Josias Vorgehen in den Städten Samarias namhaft machen927, so dass die Annahme einer literarischen Abhängigkeit nicht zwingend ist. Ebenso könnte an eine eigenständige Aufnahme älterer Reinheitskonzeptionen gedacht werden.928 Über das genaue Alter dieser Vorstellung in Israel ist kaum noch etwas Bestimmtes auszumachen. Sicher ist jedoch, dass das Verhältnis Jahwes zur Welt der Toten eine längere Entwicklung durchlebt hat.929 926
Vgl. Num 19,10–22; Ez 43,7–9 und zu den religionsgeschichtlichen Voraussetzungen ACHENBACH, Verunreinigung, 349–351. 927 In 2Kön 23,16.20a ist jeweils von der Verbrennung menschlicher Gebeine auf den Altären die Rede (in V.20a zuvor von der Tötung der einheimischen Priesterschaft), als deren Folge in V.16 die Verunreinigung des Altars festgestellt wird (die Wurzel AMF fehlt in V.20a); in V.14 spielt der Altar dagegen keine Rolle. Ob hier eine Verbindung zum Totenkult im Hintergrund steht, bleibt unklar (vgl. SCHMIDT, Dead, 198–220). 928 Achenbach, Verunreinigung, 347f., hat darauf hingewiesen, dass „der Ursprung der Vorstellung einer Kontamination … im Kontext des Schutzes der Heiligtümer vor Einwirkung lebensbedrohlicher Mächte (zu suchen sei)“, wie sie besonders eindrücklich in Kleinasien und Griechenland belegt ist (a.a.O., 348). Die gleiche Konzeption liegt vermutlich der alttestamentlichen Kultgesetzgebung zugrunde: Die Heiligkeit der kultischen Sphäre wird durch den Kontakt mit der Welt der Toten gestört und die rituelle Gemeinschaft mit dem Heiligen aufgehoben. 929 Siehe oben, S. 388 Anm. 739 (Lit.!).
7. Die Kultreform in den Städten Samarias (2Kön 23,15–20)
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7. Die Kultreform in den Städten Samarias (2Kön 23,15–20) 7. Die Kultreform in den Städten Samarias (2Kön 23,15–20)
Im letzten Abschnitt des Reformberichts überschreitet Josia die territorialen Grenzen Judas und geht gegen den Kult an den Heiligtümern im Gebiet der ehemals assyrischen Provinz Samerīna vor (vgl. V.15–20). Das Stück wird durch die doppelte Einleitung mit mGW in zwei Teile untergliedert: V.15–18 berichten von den Aktivitäten des Königs in Bet-El, V.19–20a weiten die Kampagne auf die „Städte Samarias“ aus. In V.20b folgt die knappe Bemerkung, dass der König nach Jerusalem zurückkehrte930, die zum abschließenden Bericht über die Passafeier in Jerusalem überleitet (vgl. V.21–23). Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass quer zu diesem zweigliedrigen Aufbau des Abschnitts ein Bruch in der Darstellungsart verläuft.931 Mit V.16 geht die Erzählung in einen breiteren narrativen Stil über, der sogar einen ausgeführten Dialogteil einschließt (vgl. V.17–18a). Der König wird in Vers 16 und 19 namentlich identifiziert, was sonst nur in den Rahmenversen 22,3 und 23,23 (jeweils mit Datumsangabe) sowie im vorderen und hinteren Königsrahmen vorkommt (22,1f.; 23, 28–30).932 Schließlich weisen V.16–20 starke intertextuelle Bezüge zu der Erzählung vom Gottesmann in Bet-El in 1Kön 13 auf, die das Vorgehen Josias in Bet-El und der Provinz Samerīna prophetisch legitimieren. Umgekehrt setzen V.16–18 die Dislokation des Königs nach Bet-El voraus und erweisen sich somit als Fortschreibung von V.15. Es herrscht daher weitgehend Einigkeit darüber, dass V.16–20 einer späteren Bearbeitung zuzuschreiben sind.933 Zwar lassen sich zwischen V.19–20a und V.16–18 durchaus Unterschiede in der formalen Gestaltung und in der Dichte der intertextuellen Vernetzung mit der Prophetenerzählung in 1Kön 13 beobachten, die die Frage nach der literarischen Einheitlichkeit der Verse aufwerfen, Diktion und Stil sprechen jedoch dafür, dass V.19f. von Anfang an 930 Eine Dislokation des Königs nach Bet-El wird nicht eigens erwähnt (vgl. aber V.4b), was dem Aufzählungsstil im hinteren Teil des Reformberichts korrespondiert. 931 Siehe oben, S. 209–211. 932 Der Eigenname ersetzt in V.16.19 jeweils die Königstitulatur (vgl. den Nachtrag in 2Kön 23,24,). 933 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 116–119; HARDMEIER, König, 118–120. Eine andere Einschätzung der literarischen und historischen Verhältnisse in diesem Abschnitt hat jüngst BARRICK, King, 27–60, vertreten, der im Anschluss an 2Chr 34,5 vermutet, dass V.16–18* einst als Fortsetzung von V.13f.* konzipiert (vgl. das gemeinsame Stichwort RH in V.13a und V.16a) und die Vorgänge ursprünglich in der Umgebung Jerusalems lokalisiert waren. Das Verständnis der topographischen Angabe in V.16a bereitet zwar einige Schwierigkeiten (s. unten, S. 438 mit Anm. 961), die chronistische relecture der josianischen Kultreform folgt jedoch eigenen Kompositionsprinzipien und erlaubt keine Streichung der Notiz in 2Kön 23,15. Vielmehr setzt die regionale Gliederung des Berichts in 2Chr 34,3–7 die politischen Verhältnisse der persischen Provinz Jehud voraus, zu deren Gebiet Bet-El gehörte (vgl. KOENEN, Bethel, 59–64).
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als Fortführung von V.(15)16–18 konzipiert waren.934 Damit steht zugleich fest, dass sich die verbreitete Annahme einer restaurativen Expansionspolitik Josias, in deren Verlauf er weite Teile der vormaligen assyrischen Provinz Samerīna seinem Herrschaftsbereich eingegliedert habe 935, jedenfalls nicht auf die Notiz über die Beseitigung der Lokalheiligtümer in den Städten Samarias in 2Kön 23,19f. stützen kann. Die gesamtisraelitische Perspektive der Reformtätigkeit Josias ist das Produkt schriftgelehrter Polemik, deren antisamaritanische Obertöne kaum zu überhören sind. 936 Der älteste Bestandteil der Bet-El-Episode ist somit in V.15 zu suchen. Bereits ein Blick auf die syntaktische Struktur des Verses legt die Vermutung nahe, dass der Text literarisch mehrschichtig ist. Dafür sprechen vor allem die asyndetische Konstruktion in V.15ab (HMBH) und die schwerfällige Wiederaufnahme der beiden Objekte in V.15ag, die darauf schließen lassen, dass das Stichwort HMB sekundär in den Text eingefügt worden ist, ursprünglich also nur von der Zerstörung des Altars in Bet-El die Rede war. Der Übergriff des Königs auf das Heiligtum in Bet-El wird durch die emphatische Partikel mG hervorgehoben: Ob damit in erster Linie die Überschreitung des judäischen Herrschaftsbereichs markiert werden soll, der in V.8a durch die Nennung von Geba‘ und Be’eršeba‘ territorial abgegrenzt worden war, oder der Rückbezug auf die Religionspolitik Jerobeams I. im Vordergrund steht (vgl. 1Kön 12f.*), ist kaum mehr zu entscheiden. Als Indiz für die Annahme einer redaktionellen Textfortschreibung ist die Verwendung der einleitenden Partikel zwar nicht hinreichend, ihre Einfügung spricht aber dafür, dass die Notiz über die Zerstörung des Altars in Bet-El literarisch den weiteren historiographischen Horizont der Königsbücher voraussetzt.937 Der Grundbestand des Verses wäre damit der dtr Erstfassung des Reformberichts in 2Kön 23* zuzuweisen. Ob der Erzähler hierbei auf älterer Überlieferung oder zeitgenössischer Erinnerung fußt, lässt sich nicht mehr mit hinreichender Sicherheit entscheiden.938 Damit ist über die Historizität des Berichteten jedoch noch kein Urteil gesprochen. Auf dem Hintergrund allgemeiner historischer Er934
Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 253f.; HARDMEIER, König, 118f. Vgl. NOTH, Geschichte Israels, 247f. (unter Einbeziehung von 2Chr 34,6f.), und jüngst KOENEN, Bethel, 57f. 936 In synchroner Perspektive muss der Kult an den TWMBH JTB in 2Kön 23,19f. mit der synkretistischen Kultpraxis der Bevölkerung der Provinz Samerīna gleichgesetzt werden (vgl. 2Kön 17,24–41). Ob die Ergänzung in V.19f. bereits apokalyptischen Strömungen nahe steht, wie es KÖHLMOOS, Bet-El, 220–225, angenommen hat, bleibt jedoch fraglich. 937 Zu einer Streichung der Partikel besteht kein Anlass (pace HARDMEIER, König, 119f. Anm. 60); ihre redaktionelle Wiederaufnahme in V.15ag setzt bereits ihr Vorkommen im Grundbestand des Verses voraus. 938 Hardmeier rechnet V.15aa* (ohne mG).ag* (nur zTN).b* (HRVA pRSW) zur vordtr Quelle, begründet dies jedoch allein mit stilistischen Beobachtungen (ebd.). 935
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wägungen erscheint ein Eingreifen Josias in den Kult von Bet-El keineswegs ausgeschlossen. Bet-El gehörte der Städteliste in Jos 18,21–28 zufolge zum Gebiet des Stammes Benjamin (vgl. Jos 18,22), das dem Herrschaftsgebiet Judas angegliedert war.939 Die Datierung der Liste ist zwar umstritten, doch ist ihre zeitliche Ansetzung in der späten Königszeit (7./6. Jh. v. Chr.) noch immer plausibel.940 Umgekehrt belegt die Liste der aus der Gola zurückgekehrten Personen in Esr 2 // Neh 7, ein Einwohnerverzeichnis der persischen Provinz Jehud, für die fortgeschrittene Perserzeit die Zugehörigkeit Bet-Els zu Juda.941 Da nicht erkennbar ist, dass die persische Reichsverwaltung den Grenzverlauf zwischen Samaria und Juda bei der Einrichtung der Provinz Jehud neu geordnet hat, ist damit zu rechnen, dass hier ältere Verhältnisse fortgeschrieben werden. Dann ist es jedoch nicht unwahrscheinlich, dass Bet-El, das in dem seit alters umkämpften Grenzgebiet zwischen Israel und Juda lag942, im Gefolge der Schwächung des neuassyrischen Einflusses in Palästina nach dem Tode Assurbanipals unter judäische Oberhoheit geriet.943 Dazu ist weder die Annahme einer kriegerischen Eroberung der Stadt nötig944, noch muss eine ausgreifende Restaurationspolitik Josias postuliert werden, bei der weite Gebiete des ehemaligen Nordreichs unter judäische Kontrolle geraten wären. 945 Viel939
Der Grenzbeschreibung in Jos 16,1–3 zufolge gehörte Bet-El hingegen zum Gebiet Ephraims (vgl. Jos 18,12f.; Jdc 1,22–26!). 940 Vgl. NA’AMAN, Kingdom, 23–33. 941 FINKELSTEIN, List, hat jedoch jüngst für eine hellenistische Datierung der Liste plädiert. 942 Vgl. 1Kön 15,16–22; 2Kön 14,8–14; Hos 5,8–14. 943 Dagegen ist kaum einzuwenden, dass die politische Oberhoheit über Palästina nach dem Rückzug der Assyrer aus den westlichen Provinzen des Großreichs an die Ägypter übergegangen sei und Josia keinen Spielraum für außenpolitische Vorstöße besessen habe, denn zum einen ist unklar, seit wann mit einer ägyptischen Kontrolle der palästinischen Landbrücke genau zu rechnen ist (s. oben, S. 57f.), und zum anderen scheint es fraglich, ob die Ägypter ein gesteigertes Interesse an den regionalen Verhältnissen im judäischen Bergland besaßen oder über den exakten Grenzverlauf im benjaminitischen Gebiet präzise unterrichtet waren. – Ob der Fund einiger judäischer Pfeilerfigurinen und beschrifteter Gewichtssteine bei den Ausgrabungen in Bet-El die Zugehörigkeit der Stadt zu Juda in der späten Königszeit hinreichend belegen kann, dürfte zweifelhaft sein (vgl. KOENEN, Bethel, 56 mit Anm. 109). Nach Ausweis des Keramikbefundes war Bet-El am Ende des 7. Jh.s v. Chr. eine eher unbedeutende Ortslage am Rande der assyrischen Provinz Samerīna. „It is … reasonable to assume that in Josiah’s time Bethel was already in decline.“ (FINKELSTEIN / SINGER-AVITZ, Bethel, 45). 944 Eine gewaltsame Zerstörung Bet-Els in der EZ IIB/C lässt sich archäologisch nicht nachweisen (vgl. FINKELSTEIN / SINGER-AVITZ, Bethel, 44) und ist in 2Kön 23,15* auch nicht vorausgesetzt. 945 Eine solche Expansionspolitik kann auch ein judäischer Siegelabdruck, der den Namen der Ortschaft Arubbot bezeugt und zu einer josiazeitlichen Siegelgruppe gehört, die vier weitere judäische Ortsnamen erwähnt, nicht schlüssig belegen (vgl. HAE II/2,
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mehr berichtet V.15* von einer gezielten Aktion gegen den Altar in BetEl, d.h. gegen den Kult im vormals königlichen Heiligtum (vgl. Am 7,13), die ganz auf der Linie der übrigen Kultbeseitigungsmaßnahmen liegt. Dass bereits der Grundbestand des Verses als dtr Erfüllungsvermerk zur Ankündigung des Gottesmannes in 1Kön 13,1–32* konzipiert, mithin ein rein literarisches Produkt gewesen sei, ist nicht nur angesichts der spätdtr Herkunft der Prophetenerzählung946, sondern vor allem wegen des unterschiedlichen Vokabulars und der andersartigen Gerichtskonzeption beider Texte eher unwahrscheinlich.947 Der ursprüngliche Wortlaut in V.15* ahmt syntaktisch die Struktur aus V.12a (we-x-qāṭal) nach und stimmt mit diesem auch hinsichtlich des Objekts (CBXM) und in der Zerstörungsterminologie überein (zTN). Die Hervorhebung der Schlussnotiz hat strukturierende Funktion: V.15a* schließt mittels der Leitworte CBXM und zTN an V.12 an und wird durch die emphatische Partikel mG innerhalb der Reihe herausgehoben, so dass die Beseitigung des Altars in Bet-El den betonten Abschluss des Reformberichts bildet. Schlägt man V.15* auf das Konto des dtr Erzählers, so liegt der Schluss nahe, dass die appositionellen Relativsätze in V.15ab der gleichen Hand zuzuschreiben sind. Dies umso mehr als sowohl die Rückverknüpfungsformel (vgl. V.12a) als auch die Qualifikation Jerobeams als AJFCH LARSJ-TA dem Standardrepertoire dtr Phraseologie zugerechnet werden können.948 Gegen diese Auffassung sperrt sich jedoch die Syntax in V.15ab, der zufolge der erste der beiden RVA-Sätze als Erläuterung zu HMBH aufzufassen ist. Der zweite Relativsatz nimmt das Subjekt des ersten wieder auf (FBN-nB mYBRJ) und qualifiziert es näher. Beide Sätze wären mithin der Bearbeitungsschicht in V.15 zuzuordnen. Diese Interpretation bestätigt sich angesichts des intertextuellen Rückbezugs auf 1Kön 12,31– 33, denn dass Jerobeam I. den Altar in Bet-El „gemacht“ habe (HSY), wird 421), weil die Lokalisierung des gleichnamigen Ortes in der Städteliste 1Kön 4,7–19 (vgl. V.10) nach wie vor unsicher ist (vgl. die Diskussion des Textes bei KAMLAH, Liste, 65f.). 946 Zur literarischen Kohärenz und zeitgeschichtlichen Einordnung der Erzählung in 1Kön 13 vgl. die Analyse des Textes bei BLUM, Lüge. 947 Dies gilt sowohl für das prophetische Gerichtswort in 1Kön 13,2 (Tötung der Priester, Verbrennen menschlicher Gebeine), als auch für das Beglaubigungszeichen in V.3 (YRQ, Hif.), von dessen Eintreffen die Erzählung direkt im Anschluss berichtet (vgl. V.5). Beides gehört textpragmatisch zusammen und lässt sich nicht verschiedenen literarischen Schichten zuweisen. Das Beglaubigungszeichen ergeht, um die Zuverlässigkeit des prophetischen Wortes zu sichern, das Ereignisse ankündigt, die erst Jahrhunderte später eintreffen sollen. In 2Kön 23,15* wird dagegen weder die Erfüllung der prophetischen Unheilsansage konstatiert (vgl. V.16–18!) noch des ihr vorausgehenden Beglaubigungszeichens, das längst eingetroffen war. 948 Vgl. die Belegsammlung bei TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 244 Anm. 547.
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erst in der spätdtr Erweiterung 1Kön 12,33a gesagt.949 Umgekehrt wird dem ersten König des Nordreichs in 1Kön 12,31a die Errichtung (HSY) eines TWMB TJB angelastet. Zwar ist die Deutung des Ausdrucks umstritten950 und eine Ortsangabe fehlt, doch legte spätestens die Einfügung der Erzählung vom Gottesmann in 1Kön 13 den Gedanken an das Heiligtum von 949 Die literarische Struktur der Verse 1Kön 12,31–33 ist komplex. Die dreimalige Erwähnung, dass Jerobeam auf den Altar in Bet-El stieg (vgl. V.32a.33a.b), und die Wiederholung der Mitteilung, dass er ein neues Wallfahrtsfest gestiftet habe (vgl. V.32a.33a), signalisieren Kohärenzstörungen im Textgefüge. Das Fest, das der König einsetzt, wird auf den 15. Tag des achten Monats datiert. Dies ist der Termin, an dem nach Lev 23,34 das Laubhüttenfest gefeiert werden soll; Jerobeam setzt dem Herbstfest also gezielt ein Erntefest am Staatsheiligtum in Bet-El entgegen, damit das Volk nicht nach Jerusalem ziehen soll, um dort seine Opfer darzubringen (vgl. 1Kön 12,26f.). Gemäß der dtn Festordnung war der Termin des Lesefestes im Herbst in vorexilischer Zeit noch flexibel (vgl. Dtn 16,13–15), so dass die gezielte Polemik gegen die Kultgründung Jerobeams in 1Kön 12,32a.33a sicher nachexilische Verhältnisse voraussetzt und später in den Zusammenhang eingefügt worden sein dürfte. Die Verse 32–33a betonen zudem nachdrücklich die Lokalisierung der Ereignisse in Bet-El (3x) und bereiten damit die anschließende Prophetenerzählung vor: Das Auftreten des Gottesmannes fällt mit der Inauguration des neuen Kultfestes durch Jerobeam I. in Bet-El zusammen. Vers 32 stellt darüber hinaus klar, dass der Kult dem Stierbild gewidmet war, das Jerobeam hatte anfertigen lassen (vgl. 1Kön 12,28–30), und dass die lokale Priesterschaft (TWMBH JNHK, vgl. 1Kön 13,2!), die Jerobeam eingesetzt hatte (vgl. V.31b), daran beteiligt war. Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass V.32–33a redaktionell eingefügt wurden, um die Kultpolitik Jerobeams en detail als Gegengründung zum Jerusalemer Tempelkult zu charakterisieren. Der Grundbestand des Textes, der von der Einrichtung des Staatskults an den beiden Heiligtümern in Dan und Bet-El berichtete, ist in V.31 und V.33b zu suchen. Nachdem Jerobeam die beiden Stierbilder angefertigt hatte (HSY, V.28), errichtete er jeweils ein „Wohnhaus“ (TWMBH TJB!) für die im Kultbild präsente Gottheit (HSY, V.31a) und setzte Priester ein, die nicht levitischer Abstammung waren (HSY, V.31b). Schließlich stiftete er ein neues Wallfahrtsfest (GC) für die Bevölkerung und bestieg selbst den Altar, um den Staatskult feierlich zu inaugurieren (HSY, V.33b). Der Text in 1Kön 12,26–33* besitzt also einen klar strukturierten Aufbau, der die Einrichtung des israelitischen Staatskults unter Jerobeam I. aus der polemisch eingefärbten Perspektive judäischer Historiographie beschreibt (vgl. Leitwort HSY). Unsicher bleibt, ob V.33bb von Anfang an auf die Prophetenerzählung in Kapitel 13 hinführen wollte, oder ob diese Verknüpfung erst sekundär hergestellt wurde (vgl. 1Kön 13,1b!). Sicher ist hingegen, dass das Wort des Gottesmannes im Endtext den Staatskult des Nordreichs ab ovo unter das Verdikt Jahwes stellt und ihm die sakrale Legitimation entzieht. Die kompositorische Geschlossenheit des Stückes spricht jedoch für die Annahme, dass V.31.33b ursprünglich den Abschluss der Erzählung über die Stiftung des Staatskults durch Jerobeam I. bildeten und erst später mit der Erzählung vom Gottesmann in 1Kön 13 verzahnt worden sind. 950 Vgl. die Diskussion bei PIETSCH, Von Königen und Königtümern, 44f. Vor dem Hintergrund der Kompositionsstruktur des Textes 1Kön 12,26–33 (s. vorige Anm.) und angesichts der Verbindung des Ausdrucks mit der Aufstellung von Götterbildern in 2Kön 17,29–31 ist unter einem TWMB TJB in Sonderheit ein Tempelgebäude als Wohnhaus der Gottheit zu verstehen, in dem das Kultbild aufgestellt wurde, und darin semantisch von einfachem HMB unterschieden.
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
Bet-El nahe. Unter dieser Voraussetzung ließe sich auch die ungewöhnliche Terminologie für die Zerstörung der HMB in Bet-El problemlos erklären: Das Tempelgebäude wurde zuerst niedergerissen (zTN, vgl. V.7) und anschließend in Brand gesteckt (pRS). Auf die Gestalt des Heiligtums in Bet-El zur Zeit Josias lassen sich aus diesen Angaben selbstverständlich keine Rückschlüsse ziehen; sie beruhen auf schriftgelehrter Kombinatorik und dürften in größerem zeitlichen Abstand zu den Ereignissen stehen. Schließlich ist die negative Bewertung Jerobeams im zweiten Relativsatz im Reformbericht ohne Parallele, was ebenfalls an eine spätere Hand denken lässt.951 Die Hinzufügung eines zweiten Objekts hat eine Veränderung im Satzbau in V.15a zur Folge gehabt. An die Stelle einer einfachen we-x-qāṭal Fügung ist jetzt eine Pendenskonstruktion getreten, bei der die beiden Objekte im Hauptsatz betont wieder aufgenommen werden. 952 Dabei wird erst durch die Wiederaufnahme in V.15ag klar, dass Altar und Heiligtum als zwei selbständige Objekte angesprochen sind, was wiederum dafür sprechen könnte, dass der Redaktor bei HMB an das Tempelhaus in Bet-El gedacht hat (vgl. 1Kön 12,31a).953 Die Fortsetzung in V.15b ist von der redaktionellen Erweiterung in V.15a abhängig, wie aus der Wiederaufnahme des Leitworts HMBH in V.15ba hervorgeht. Das Heiligtum (= das Tempelhaus) wurde zerstört und niedergebrannt. Die Verbindung der Wurzel pRS mit dem Objekt HMB ist im Alten Testament nur hier belegt.954 Für die Wahl des Verbs bieten sich verschiedene Erklärungsmöglichkeiten an: vielleicht war der Verfasser über die architektonische Gestalt einer HMB nicht mehr zutreffend informiert, oder der Wendung liegt ein metonymischer Gebrauch des Wortes zugrunde, so dass hier der Oberbegriff für die einzelnen, ihm zugehörenden Kultgegenstände verwendet würde.955 Plausibler erscheint dagegen der Hinweis, mit pRS solle der Aspekt der totalen Vernichtung der verfemten Kultstätte zum Ausdruck gebracht werden (vgl. V.6). Sollte die Vermutung das Richtige treffen, dass der Bearbeiter ein Tempelgebäude vor Augen hatte, würde hier nicht nur allgemeine Vernichtungsterminologie aufgegriffen, sondern 951
Es nötigt jedoch nichts dazu, die beiden Relativsätze in V.15ab verschiedenen dtr Bearbeitern zuzuweisen, wie dies HARDMEIER, König, 119f. Anm. 60, annimmt. 952 Die Betonung erfolgt zum einen mittels der Pendenskonstruktion und zum anderen durch die Wiederholung der emphatischen Partikel mG in V.15ag. 953 Der asyndetische Anschluss in V.15ab könnte dagegen den Eindruck einer Gleichsetzung von CBXM und HMBH erwecken. Eine nochmalige literarkritische Differenzierung legt sich aufgrund dieser Beobachtung jedoch nicht nahe (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 240f.). GLEIS, Bamah, 171, deutet HMBH als Apposition zum Ortsnamen Bet-El, der durch V.15ab im Sinne des örtlichen Heiligtums interpretiert werde. 954 Vgl. GLEIS, Bamah, 170–172. 955 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 245 Anm. 549.
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bewusst die vollständige Zerstörung des Heiligtums evoziert.956 In dieselbe Richtung weist die appositionelle Näherbestimmung RPYL QDH. Die Überreste des zerstörten Heiligtums werden zu Staub zermahlen, so dass es vollständig aufhört zu existieren – nicht einmal Ruinen bleiben übrig. Der asyndetische Anschluss signalisiert, dass V.15bb(g) die Haupthandlung, die totale Zerstörung der HMB (vgl. V.15ba), erläutern.957 Dies könnte darauf hindeuten, dass hier nochmals ein späterer Bearbeiter das Wort ergriffen hat, der die ungewöhnliche Verbindung von pRS und HMB für erklärungsbedürftig erachtete. Er interpretiert sie in zweierlei Richtung: einerseits habe der König die HMB zu Staub (RPY, vgl. V.12b!) zerrieben958 und andererseits habe er eine Aschera verbrannt, die sich im Heiligtumsbezirk (neben dem Altar?, vgl. Dtn 16,21) befand. Ob dieser Bearbeiter mit dem Ergänzer von V.4bb gleichzusetzen ist (vgl. das gemeinsame Stichwort RPY), bleibt ganz unsicher, wie überhaupt eine genauere redaktionsgeschichtliche Ortsbestimmung des Versteils nicht recht gelingen will. Die Verse 16–18 knüpfen in anekdotenhaftem Stil an die Notiz in V.15* an.959 Die weiteren Maßnahmen Josias in Bet-El laufen auf die Grabtradition in V.17f. zu und erweisen sich darin quasi als Fortschreibung von 1Kön 13,1–32 (vgl. die Leitworte RBQ V.16f. und mZY V.16.18).960 Gleichzeitig wird das Vorgehen Josias gegen den Altar in Bet-El im Rückgriff auf das ergangene Wort des Gottesmannes prophetisch legitimiert (vgl. V.16b.17b). Nachdem der König den Altar (und das Heiligtum?) zerstört hat, wendet er sich in eine andere Richtung und sein Auge fällt auf die Nekropole, die sich vor Ort befand, genauer am Berg(-hang). 961 Darauf be956
Darin unterscheidet sich das Vorgehen gegen die HMB in V.15 grundsätzlich von den früheren Maßnahmen gegen die landjudäischen Heiligtümer in V.8 (und V.13). 957 Die syntaktische Fügung pRSW in V.15bg indiziert eine Begleithandlung zur Haupthandlung und führt die explikative Funktion von V.15bb fort. HARDMEIER, König, 119f. Anm. 60, betrachtet V.15bg dagegen als ursprüngliche Fortsetzung von V.15a* und ordnet sie seiner vordtr Quelle zu. Diese Zuweisung kann sich jedoch weder auf die syntaktische Konstruktion weqāṭal-x noch auf die inclusio zwischen V.15* und V.6 stützen (HRVA), denn erstere ist kein literarkritisches Kriterium und letztere kann kompositionskritisch keiner bestimmten Wachstumsphase des Textes zugewiesen werden. 958 Das Objekt ist aus V.15ba zu ergänzen. Unter diesem Eindruck hat die griechische Textüberlieferung den Passus reformuliert und die Spannung zwischen den beiden Versteilen geglättet (s. oben, S. 33 Anm. 60). 959 Ob der Fortschreibung in V.16–18 bereits die erweiterte Gestalt von V.15 vorlag, muss offen bleiben. Zwar ist der Fokus in diesen Versen ganz auf den Altar in Bet-El gerichtet, dies dürfte jedoch dem Rekurs auf die Prophetenerzählung in 1Kön 13 geschuldet sein. 960 Vgl. BLUM, Lüge, 41f. 961 Die topographische Angabe RHB in V.16aa kann bislang nicht näher spezifiziert werden, da die Lage des Heiligtumsbezirks in Bet-El unbekannt ist. Ein Teil der griechischen Überlieferung ändert den Text in e>n th~| po/lei („in der Stadt“, vgl. 1Kön 13,29f.).
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fiehlt Josia seinem Gefolge, die Gebeine der Verstorbenen zu exhumieren, und lässt sie anschließend auf dem Altar verbrennen. Ob dies voraussetzt, dass der Altar noch intakt ist (vgl. V.15a!), ist nicht sicher; es könnte auch daran gedacht sein, dass der König die Knochen auf den Überresten des niedergerissenen Altars verbrannte. Der Vorgang selbst ist ungewöhnlich und seine Zielsetzung mehrdeutig. Zwar ist die Sorge vor Grabräubern und die Angst vor der Störung der Totenruhe (und damit des Totenkultes und der Versorgung des Totengeistes) im Alten Orient verbreitet962 und die Exhumierung menschlicher Gebeine als Akt der Totenschändung und Bestrafung von Feinden inschriftlich belegt963, die Knochen der Verstorbenen werden jedoch in der Regel nicht verbrannt. Andererseits genügt zur Profanierung einer heiligen Stätte bereits der Kontakt mit den Überresten Verstorbener (vgl. V.14b), ohne dass dazu das Verbrennen der Gebeine auf dem Altar nötig wäre.964 Dass beide Aspekte in V.16–18 anklingen, zeigt zum einen die abschließende Feststellung, dass Josia den Altar in Bet-El „gemäß des Wortes des Gottesmannes“ entweiht habe (AMF, V.16), und zum anderen das Ziel, auf das der ganze Abschnitt zuläuft, dass der König das Grab des Gottesmannes unangetastet lässt, so dass sein Ruheort nicht gestört wird (vgl. V.18). Der Akt des Verbrennens erklärt sich am leichtesten als Rückverweis auf das Wort des Gottesmannes gegen den Altar in Bet-El in 1Kön 13,2 („und man wird menschliche Gebeine auf dir verbrennen“). Vor diesem Hintergrund gewinnt die Handlung den Charakter eines Opfers, insofern zunächst von der 962
In der Grabinschrift 1B aus einem Felsengrab in der Nekropole von Silwān, östlich von Jerusalem, die in das 8./7. Jh. v. Chr. datiert, mahnt der Grabherr: „Dies ist [das Grab des …]jāhû, des Haushofmeisters. [Hi]er ist kein Silber und kein Gold, [n]ur [seine Gebeine] und die Gebeine seiner Dienerin mit ihm. Verflucht sei der Mensch, der dies öffnet.“ (Jer [7]:2, vgl. HAE I, 264f.). Ganz ähnlich lautet die Sarginschrift des TBNT aus Sidon vom Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. (= KAI Nr. 13): „Ich TBNT, Priester der ‘Aštart, König der Sidonier, Sohn des ’ŠMN‘ZR, des Priesters der ‘Aštart, des Königs der Sidonier, liege in diesem Sarg. Wer du auch seiest, jeder Mensch, der du auf diesen Sarg stößt, du sollst ja nicht öffnen über mir und mich nicht stören. Denn sie haben zu mir kein Silber gesammelt, sie haben zu mir kein Gold gesammelt noch irgendetwas […], nur ich liege in diesem Sarg. Öffne ja nicht über mir und störe mich nicht, denn diese Tat ist der ‘Aštart ein Greuel. Wenn du aber dennoch über mir öffnest und mich dennoch störst, (dann) soll dir keine Nachkommenschaft bei den Lebendigen unter der Sonne werden noch eine Ruhestätte bei den Totengeistern.“ (Übersetzung nach KAI II, 17). 963 Vgl. HALLO, Disturbing the Dead. Im Bericht Assurbanipals über seinen Feldzug gegen Elam heißt es: „Die Grabstätten ihrer früheren (und) späteren Könige, welche Aššur und Ištar, meine Herren, nicht gefürchtet, (und) welche die Könige, meine Väter, zur Ruhe gebracht hatten, verwüstete ich, zerstörte ich (und) ließ sie die Sonne sehen; ihre Gebeine schleppte ich nach Assyrien fort. Ihren Totengeistern legte ich Ruhelosigkeit auf. Totenspeisopfer (und) Ausgießen von Wasser versagte ich ihnen.“ (Rassam-Zylinder VI,70–76, Übersetzung nach STRECK, Assurbanipal, 55–57). 964 Vgl. BARRICK, King, 174–178 ( pace HARAN, Temples, 138).
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rituellen Tötung der Priesterschaft die Rede ist (CBX), die ihrerseits Opfer auf dem Altar dargebracht hatte (RFQ Pi.), und anschließend die Verbrennung menschlicher Gebeine auf dem Altar angekündigt wird. Beide Akte, die rituelle Schlachtung (von Tieren) und das Verbrennen (des vollständigen Tieres oder einzelner Teile), konstituieren den regulären Opfervollzug und pervertieren in der prophetischen Unheilsansage den Kultbetrieb in Bet-El.965 Hier liegt vermutlich der Anknüpfungspunkt für die Schilderung des königlichen Handelns in 2Kön 23,16. Das Resultat des Vorgangs wird mit der Wurzel AMF Pi. ausgedrückt: Der Altar ist unrein gemacht worden966, wie es der Gottesmann angekündigt hatte.967 Mit der prophetischen Legitimation des königlichen Eifers gegen den Kult in Bet-El schwenkt der Text hinüber zum Geschick des Gottesmannes, der sein Grab in Bet-El, fern der judäischen Heimat, gefunden hatte (vgl. 1Kön 13,11–32). Die Erzählstruktur der Verse 17–18 wird durch die Redeeinleitungen markiert (vgl. V.17a.b.18a), deren Abschluss die kurze Notiz von der Verschonung der Gebeine des Gottesmannes (und des Propheten) in V.18b bildet. Offenbar inmitten der Vorgänge, die in V.16a geschildert werden, fällt der Blick des Königs auf ein besonders herausgehobenes Grabmal968 und auf seine Nachfrage (V.17a) wird ihm von den umstehenden Einwohnern der Stadt mitgeteilt, dass es sich dabei um die Begräbnisstätte des Gottesmannes handle969, der – wie Josia – aus Juda gekommen sei und dessen Vorgehen gegen den Altar in Bet-El angekündigt 965 Die menschlichen Überreste, die auf dem Altar verbrannt werden sollen, werden in 1Kön 13,2 jedoch nicht ausdrücklich mit den Leichnamen der getöteten Priester identifiziert. HARAN, Temples, 138f. Anm. 8, nahm an, dass sich die Notiz über die rituelle Tötung der Priesterschaft und die Ankündigung des Verbrennens menschlicher Gebeine auf dem Altar gegenseitig interpretieren, so dass der Gedanke, Josia habe in Bet-El ein Menschenopfer vollzogen, ausgeschlossen sei. „Josiah sacrificed the priests of the high-places by means of burning human bones, the bones of the priests of the high-places, on those altars.“ (a.a.O., 139). Deshalb vermutete er, dass die Gräber, die Josia öffnen ließ, die sterblichen Überreste früherer Priestergenerationen enthalten hätten. 966 Zum konsekutiven Nebensinn des Narrativs WHAMFJW in V.16a vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 245. 967 Der längere Text der Septuaginta in V.16b verstärkt den Rückbezug auf 1Kön 13, 2f. und stellt einen stilistisch gefälligeren Übergang zu V.17f. her, so dass er kaum textgeschichtliche Priorität beanspruchen kann (vgl. a.a.O., 252f. Anm. 568). 968 nWJZ bezeichnet allgemein eine Markierung oder ein Malzeichen. In Jer 31,21 wird es in der Bedeutung einer Wegmarkierung benutzt, die am Wegesrand aufgestellt wurden (BZN). In Ez 39,15 begegnet es im Zusammenhang eines Leichenfeldes: Die Markierungen erleichtern den Bestattern das Auffinden der verstreuten Leichenteile. Nur in 2Kön 23,17 kann an einen Grabstein gedacht werden, der entweder wegen seiner Lage oder aufgrund seiner besonderen Gestaltung auffiel. 969 Die Konstruktion mJHLAH-VJA RBQH in V.17bb kann als identifizierender Nominalsatz mit elidierter Deixis verstanden werden („dies ist das Grab des Gottesmannes“, vgl. LXXL).
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
hatte.970 Was den Lesern bereits seit V.16b bekannt ist, erfährt jetzt auch die Hauptfigur. Die Reaktion des Königs erfolgt umgehend: Er befiehlt den Männern, die die übrigen Grabstätten zerstört und die menschlichen Überreste aus ihnen entfernt hatten (vgl. V.16ag.d), dass sie das Grab des Gottesmannes unangetastet lassen und seine Gebeine nicht entfernen sollen ( YNJ Hif.). Auf diese Weise wurden die Gebeine des Gottesmannes gemeinsam mit denen des Propheten aus Samaria971, wie der Erzähler im Rückgriff auf 1Kön 13,30f. zu berichten weiß, vor Entehrung und Störung der Totenruhe verschont.972 Insofern damit nicht in erster Linie ein Erfüllungsvermerk gegeben, sondern die Absicht hinter dem eigentümlichen Wunsch des alten Propheten entschlüsselt wird, neben dem Gottesmann aus Juda im selben Grab beigesetzt zu werden (vgl. 1Kön 13,31), kann hier mit Recht von einer „Fortsetzung“ der Prophetenerzählung gesprochen werden. 973 Umgekehrt wird Josias Reformeifer auf diese Weise von den prophetischen Traditionen Judas wie Israels legitimiert, wenn der alte Prophet aus Bet-El die Gültigkeit des Gotteswortes, das der Gottesmann aus Juda gegen den Altar in Bet-El gesprochen hatte, bestätigt und sogar auf alle Heiligtümer in den Städten Samarias ausweitet (vgl. 1Kön 13,32!).974 Genau hier setzen V.19f. ein, denen zwar die Lebendigkeit der Darstellung in den Versen 16–18 fehlt, die aber sprachlich und durch den gemeinsamen intertextuellen Bezug auf 1Kön 13 eng mit diesen verbunden sind.975 Der formelhafte Charakter der Erzählung in V.19–20a, die weithin in einem „semantischen Leerlauf“ verbleiben und deren einziger Informationsgewinn in der Ausweitung der Reformtätigkeit Josias auf das gesamte Gebiet der vormaligen assyrischen Provinz Samerīna besteht, zeigt sich 970 Die präpositionale Fügung LA-TJB CBXMH LY (V.17b) kann entweder mit dem Relativsatz verbunden oder im Einklang mit der masoretischen Texteinteilung als Fortsetzung des übergeordneten Satzes verstanden werden. Die Masoreten haben den Ausdruck LA-TJB CBXMH als Constructusverbindung interpretiert, doch wäre die doppelte Determination grammatisch ungewöhnlich, so dass es näher liegt, im Anschluss an LXX L TJBB LA- zu lesen (Haplographie des B). SPIECKERMANN, Juda, 117 Anm. 187, streicht LA-TJB als ungrammatische Glosse – damit ist der vorliegende Text jedoch nicht erklärt. 971 Der Ausdruck nWRMVM AB-RVA AJBNH ist der parallelen Wendung mJHLAH VJA HDWHJM AB-RVA in V.17b nachgebildet; in beiden Fällen bezeichnen HDWHJ bzw. nWRMV die Landschaft (vgl. 2Kön 23,19a). Eine Notwendigkeit, V.18bb aus dem Grundbestand des Textes auszuscheiden, besteht nicht ( pace SPIECKERMANN, Juda, 117 Anm. 187). 972 Die Wurzel FLM Pi. bezeichnet „das momentane Erreichen des Sicherheitszustandes“ (JENNI, Pi‘el, 107), der in der vorausgesetzten Erzählsituation dadurch erreicht wird, dass das Grab unversehrt gelassen wird. 973 Vgl. BLUM, Lüge, 41f. mit Anm. 60. 974 Über die Identität der beiden prophetischen Gestalten in 1Kön 13 ist viel spekuliert worden vgl. BARRICK, King, 217–221; AHUIS, Plädoyer, 94–97. 975 Vgl. HARDMEIER, König, 119.
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darin, dass der Abschnitt nahezu ausschließlich aus Versatzstücken bzw. Nachbildungen anderer Texte gestaltet ist: Der Neueinsatz in V.19a ahmt die syntaktische Struktur aus V.15* nach (we-x-qāṭal, vgl. V.12f.), einschließlich der emphatischen Partikel mG. Dadurch werden die Maßnahmen gegen die übrigen Kultorte des ehemaligen Nordreichs von den Vorgängen in Bet-El noch einmal abgehoben und der Handlungsprogress unterbrochen, so dass grammatisch offen bleibt, ob Josia von Bet-El aus direkt weiter gezogen ist oder ob hier Ereignisse aus verschiedenen Zeiträumen miteinander verknüpft werden.976 Die Wendung nWRMV JRYB RVA TWMB JTB-LK-TA ist wörtlich aus 1Kön 13,32b übernommen und nach dem Vorbild des älteren Reformberichts um einen zweiten, konjunktionslos angefügten Relativsatz erweitert worden, der verallgemeinernd die Könige Israels (LARSJ JKLM) als Gründer der genannten Kultstätten einführt (vgl. V.5.11f.). 977 Die Qualifikation der Heiligtümer als TWMBH JTB und ihrer Priesterschaft (TWMBH JNHK, V.20a) knüpft nicht nur an 1Kön 13,32 an, sondern greift zudem das bāmāh-Konzept aus V.15 wieder auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass dem Ergänzer von V.19f. bereits die erweiterte Form der Zerstörungsnotiz in V.15 vorlag, zumal die Errichtung der Heiligtümer mit Hilfe der elliptischen Infinitivkonstruktion OJYKHL in ähnlicher Weise theologisch disqualifiziert wird, wie dies bei Jerobeam der Fall ist (vgl. V.15ab). Schließlich wird Josias Vorgehen gegen die Heiligtümer in der Landschaft Samaria mit dem in der dtr Historiographie gebräuchlichen Lexem RWO Hif. umschrieben (vgl. 1Kön 15,14; 22,44 u.ö.; positiv: 2Kön 18,4), das semantisch durch den eigentümlich unbestimmten Verweis auf Josias Taten in Bet-El erläutert wird (vgl. V.19b). Die Fortsetzung in V.20a lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass mit der Fügung LA-TJBB HSY RVA mJSYMH-LK die vollständige Zerstörung der Heiligtümer gemeint ist, wie sie für Bet-El in V.15 beschrieben wird. Dagegen lehnt sich V.20a, der das Geschick der jeweiligen Priesterschaft an den Ortsheiligtümern schildert, eng an die Ankündigung aus 1Kön 13,2 an: Josia ließ die Priester auf den Altären, an denen sie zuvor Dienst getan hatten978, abschlachten (CBX) und anschließend ihre Gebeine 976 Die knappe Notiz über die Rückkehr des Königs nach Jerusalem in V.20b signalisiert jedoch, dass die Vorgänge in V.15–20 in synchroner Perspektive als ein zusammenhängender Ereignishorizont gelesen werden sollen. 977 Laut 1Kön 12,31a hatte Jerobeam I. nur das Tempelgebäude in Bet-El (und Dan?) gegründet (TWMB TJB!), und nach 2Kön 17,29 waren es die Bewohner der Städte Samarias selbst, die die Heiligtümer errichtet hatten. Die Referenz auf die unbestimmte Gruppe der LARSJ JKLM erklärt sich daher am einfachsten als Imitation des im Reformbericht vorgegebenen Sprachgebrauchs. 978 TWCBXMH-LY ist präpositionale Näherbestimmung zu CBX (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 270).
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7. Kapitel: Die Kultreform (2Kön 23,4–20)
auf ihnen verbrennen (pRS).979 Zwar hatte Josia auch in Bet-El Menschenknochen auf dem Altar verbrannt – und dies war sogar ausdrücklich als Erfüllungsnotiz gekennzeichnet worden (vgl. V.16b), doch handelte es sich in Bet-El um die Gebeine bereits vor längerer Zeit Verstorbener, die aus ihren Gräbern geholt wurden, während über das Geschick der Priesterschaft nichts weiter verlautet. Diese Beobachtung unterstreicht nochmals, dass in V.16–18 das ortsgebundene Motiv des Prophetengrabes im Vordergrund steht; anders dagegen in V.19f., die das Handeln Josias in den Städten Samarias summarisch rekapitulieren und vielleicht ihrerseits eine Leerstelle in der Bet-El-Episode füllen wollen, wie sie sich bei einer vergleichenden, schriftgelehrten Lektüre der beiden Ko-Texte ergibt. 980 Vers 20b notiert die Rückkehr des Königs nach Jerusalem; er schließt damit einerseits den Abschnitt V.15–20 ab und leitet gleichzeitig zum Bericht über die Passafeier über, die gemäß Vers 23 in Jerusalem lokalisiert ist.
979
Die Erzählstruktur in V.19–20a lässt darauf schließen, dass es sich bei den menschlichen Gebeinen, die auf den Altären verbrannt wurden, um die Leichname der hingerichteten Priester handelte (vgl. die nota accusativi in V.20a: mDA TWMZY-TA). 980 Mindestens hielt es der Bearbeiter für nötig zu betonen, dass Josia mit allen Heiligtümern in der Landschaft Samaria in gleicher Weise verfahren sei. Manches spricht mithin dafür, dass V.19f. erst sekundär in die Bet-El-Episode eingefügt wurden, um das Vorgehen Josias gegen Bet-El enger an die Weissagung in 1Kön 13,2 anzugleichen und die Vorgänge in Übereinstimmung mit 1Kön 13,32 auf alle Städte Samarias auszuweiten.
8. Kapitel
Passafeier und Nachtrag (2Kön 23,21–24) Der Bericht über die Passafeier und die nachgetragene Notiz über die Beseitigung diverser magischer Praktiken (V.24) beschließen den Reformbericht und markieren das Ende der res gestae Josias. Die Szenerie in den Versen 21–23 setzt die Rückkehr des Königs nach Jerusalem voraus (V.23) und schließt in mehrfacher Hinsicht an die Verpflichtungszeremonie in V.1–3 an. Dies gilt sowohl für die Personenkonstellation in V.21 (König / Volk) als auch für den Rekurs auf das TJRBH RPO, das zuletzt in 2Kön 23,2f.* erwähnt wurde. Der König wendet sich mit seinem autoritativen Aufruf zur Passafeier, der ihn als Kultherrn ausweist, an das seit V.1f.* in Jerusalem versammelte Volk, das der Selbstverpflichtung des Königs beigetreten war (vgl. V.3b!).1 Es ist die Autorität der Verpflichtungsurkunde, auf der die königliche Aufforderung letztlich beruht und die sich rahmend um den Reformbericht legt (vgl. V.2.21). Die Einleitung kLMH WZJW ist V.4 nachgebildet und signalisiert einen Neueinsatz, der gleichermaßen als Weiterführung und Abschluss der kultpolitischen Reformen zu lesen ist. Nachdem verschiedene, als illegitim erachtete Kultbräuche und -installationen aus dem „offiziellen“ Staatskult eliminiert worden sind, wird nun der Kultbetrieb gemäß der Selbstverpflichtung von König und Volk (vgl. V.21b mit V.2f.*) in einer torakonformen Gestalt wieder aufgenommen. Damit kommt die Wiederherstellung der religiösen Identität Israels zum Abschluss. Zu diesem Zweck scheint das Passafest in doppelter Hinsicht besonders geeignet: einerseits in seinem Charakter als Übergangsritus, der den Aspekt der Verschonung in sich schließt, und andererseits als Vergegenwärtigung der Konstituierung Israels als des von Jahwe erwählten Volkes.2 Der Passabericht ist insoweit Gegenstück und organische Fortführung der Kultbeseitigungsmaßnahmen in V.4–20*, als er die Reorganisation des Kultes mit der Restitution des Gottesvolkes als Folge seiner Selbstverpflichtung auf die Tora verbindet 1
Unklar bleibt dagegen, ob die Szenerie in V.21–23 ebenfalls im Heiligtumsbezirk zu lokalisieren ist; im Text findet sich keine weitere Ortsangabe. 2 Hier wird vorausgesetzt, dass dem Verfasser die bereits vorpriesterlich belegte Verknüpfung des Passaritus mit der Exodustradition bekannt war (vgl. Ex 12,21–23), vgl. zur religionsgeschichtlichen Entwicklung des Passafestes W ILLI-PLEIN, Opfer, 111–127; RÖSEL, Pesach.
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8. Kapitel: Passafeier und Nachtrag (2Kön 23,21–24)
und das krisenhafte Moment, das der Erzählung innewohnt, in eine erneuerte Kult- und Lebensgemeinschaft Israels mit seinem Gott überführt. Der Abschnitt fügt sich mithin ohne Schwierigkeiten in die narrative Gesamtkomposition des Berichts über die Regierung Josias ein, dessen organischen Abschluss er bildet.3 Die äußerste Knappheit der Darstellung, die jegliche Details über die Durchführung des Passa übergeht und selbst die Ausführung des Gebots lediglich en passant in der Kommentierung der Ereignisse durch den Erzähler erwähnt4, hat zu allerlei Spekulationen über Ritus und Intention der Passafeier unter Josia Anlass gegeben. Hier sind allerdings mehr offene Fragen als Antworten zu notieren.5 Man nimmt in der Regel an, dass der erste Teil der wörtlichen Rede des Königs in V.21ab.g den Beginn der Passagesetzgebung aus Dtn 16,1ab im Wortlaut zitiert, und ein Vergleich beider Passagen scheint diese Vermutung zunächst zu bestätigen: (2Kön 23,21) (Dtn 16,1)
mKJHLA HWHJL COP WSY kJHLA HWHJL COP TJSYW
Die geringfügigen Abweichungen können aus der jeweils vorausgesetzten Redesituation erklärt werden, sprechen also nicht gegen den Zitatcharakter. Mit dieser Beobachtung verbindet sich häufig die Schlussfolgerung, dass der Verweis auf die Verpflichtungsurkunde in V.21b (TJRBH RPO) deren Identität mit dem Deuteronomium (oder einer literarischen Vorstufe dieses 3 SPIECKERMANN, Juda, 131–136, hat V.21–23 als redaktionellen Einschub beurteilt und einer nomistischen Bearbeitung zugewiesen. Dafür beruft er sich vor allem auf die Formulierung der Aufforderung zur Passafeier in V.21ab.b, die den Zweck verfolge, Josia als gesetzestreuen König nach Dtn 16,1–8 zu porträtieren. Der Gedanke, dass Josia den offiziellen Kult an der (schriftlichen) Tora ausrichtet, unterscheidet den Abschnitt über das Passa jedoch nicht vom Rest der Erzählung, zumal signifikant nomistische Terminologie in diesen Versen fehlt. Der Rückbezug auf die Verpflichtungsurkunde erklärt sich textimmanent als Rückgriff auf 23,1–3*, und ob hier ein bewusster Rekurs auf die Passagesetzgebung des Deuteronomium vorliegt, bedarf einer genaueren Prüfung. Der enigmatische Charakter des Passaberichts sperrt sich zwar gegen eine historische Rekonstruktion des Ritualablaufs, daraus kann jedoch nicht auf den Nachtragscharakter des Stückes geschlossen werden, wie nicht zuletzt ein Blick auf den Parallelbericht in 2Chr 35,1–19 lehrt. Es gibt daher keine hinreichenden Indizien für eine literarkritische Ausscheidung von V.21–23 aus dem Grundstock des Reformberichts. 4 Im Text der antiochenischen Septuagintaüberlieferung folgt am Ende von V.21 eine kurze Ausführungsnotiz (s. oben, S. 34 Anm. 71). 5 Bereits die Chronik hat die knappen Bemerkungen ihrer Vorlage zu einer ausladenden Schilderung der Festordnung ausgestaltet und mit Elementen der nachexilischen Passafeier angereichert (vgl. die Analyse bei JAPHET, 1044–1054). Eine Rekonstruktion des josianischen Festritus unter Rückgriff auf die Darstellung der Chronik, wie dies noch ROST, Passa, 89–92, getan hatte, ist daher methodisch fragwürdig. „The story of Josiah’s Passover (sc. in 2Chr 35,1–19) is an elaboration of the note in II Kings 23:21 and the following comment in vv.22–23“ (JAPHET, 1040).
8. Kapitel: Passafeier und Nachtrag (2Kön 23,21–24)
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Werkes) bestätige, das der gesamten Reform als Norm zugrunde liege. Die Einzigartigkeit der Passafeier unter Josia, die in V.22f. betont herausgestellt wird, sei daher in Übereinstimmung mit der Zentralisationsforderung des dtn Gesetzes (vgl. Dtn 16,2.5f.) in ihrer zentralen Feier am Tempel in Jerusalem zu erblicken (vgl. V.23). Was ist gegen dieses in sich geschlossene Bild einzuwenden? Die Interpretation beruht vor allem auf der Identifikation des Zitats aus Dtn 16,1 in V.21. Dies schien auf den ersten Blick unstrittig zu sein, doch ist die Verbindung von HSY + HWHJL COP im Alten Testament häufiger belegt und kein sicheres Indiz für dtn / dtr Sprachgebrauch.6 Letzterer verbindet sich vorrangig mit dem Doppelausdruck mKJHLA HWHJ, der jedoch in der dtn / dtr Literatur verbreitet und nicht spezifisch für die Passagesetzgebung in Dtn 16,1–8 ist. Im Zusammenhang des Reformberichts weckt die Näherbestimmung „euer Gott“ überdies Assoziationen an die Selbstverpflichtung des Volkes aus V.1–3* und die identitätsbildenden Reformen des Jahwekultes in V.4–20*, ist also kompositorisch fest in die narratio des Reformberichts eingebunden. Es ist zwar möglich, dass der Erzähler in V.21a auf den Eingang der Passagesetzgebung in Dtn 16,1a anspielen will, angesichts des sprachstatistischen Befundes ist diese Annahme jedoch nicht zwingend, so dass der weiterführende Schluss, dass das Passa unter Josia – sei es als historisches Ereignis oder in der literarischen Fiktion – nach den Bestimmungen der dtn / dtr Passaordnung in Dtn 16,1–8 durchgeführt worden sei, hypothetisch bleibt.7 Der Rückgriff auf das TJRBH RPO sollte daher nicht im Stile eines klassischen „Schriftbeweises“ interpretiert werden, sondern als normativer Bezugspunkt, der die königliche Anordnung autorisiert. Die Einzigartigkeit der Passafeier unter Josia wird im Erzählverlauf allein durch den Rekurs auf die Verpflichtungsurkunde näher bestimmt. Eine weitere Spezifizierung fehlt: Ist an einzelne Ritualbestimmungen gedacht, die bei den Adressaten als bekannt vorausgesetzt werden? Der Erzähler erweckt jedoch nicht den Eindruck, als wäre er am Festritus eigens interessiert, anderenfalls hätte er ihn kaum vollständig übergangen. 8 Oder bedurf6 Vgl. die Auflistung der Belege bei TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 276 Anm. 617. Die Texte entstammen zwar überwiegend der nachexilischen Epoche, doch spielt dies für die Frage nach dem Zitatcharakter der Wendung in 2Kön 23,21 keine entscheidende Rolle. 7 Der knappe Bericht in V.21–23 enthält keinerlei Hinweise auf einzelne Elemente der Passaordnung des dtn Festkalenders; vor allem fehlt die Verbindung von Passa und Maṣṣot, die für die dtn Festordnung kennzeichnend ist. Die Annahme einer älteren Fassung der dtn Passabestimmungen, die noch keine Verbindung mit dem Maṣṣotfest kannte, lässt sich literarkritisch nicht plausibilisieren (vgl. RÜTERSWÖRDEN, 106–109, pace VEIJOLA, Festkalender, 176–179 und GESUNDHEIT, Intertextualität, 205–211). 8 Ganz anders im Bericht der Chronik, die den Ablauf des Festes detailliert schildert und dabei besonders auf die Funktion der Priester und Leviten im Ritualgeschehen ab-
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te der Akt selbst der Legitimation? Gewiss setzt der Verfasser den Passabrauch als bekannt voraus (vgl. V.22f.), dennoch unterscheidet sich „dieses Passa“ von dem herkömmlichen Brauchtum – es sperrt sich gegen die Erwartungshaltung der Adressaten.9 Dieser Gesichtspunkt wird vom Erzähler in V.22–23 noch unterstrichen: Seit der Richterzeit, d.h., seit Israel im Land Kanaan siedelt10, und in der gesamten Königszeit – soweit sie der Erzählung vor Augen steht11 – ist „dieses Passa“ für Jahwe nur im achtzehnten Jahr der Regierung des Königs Josia gefeiert worden. 12 Dieser Satz wird meist so verstanden, dass alles Gewicht auf der Ortsangabe „in Jerusalem“ am Schluss von V.23 liege13, so dass das Besondere an „diesem Passa(fest)“ sei, dass es sich um die erste gemeinsame Passafeier am Zentralheiligtum in Jerusalem gehandelt habe. Zweifellos setzt der Text eine gemeinsame Passafeier in Jerusalem voraus, der Ort ist jedoch im Erzählgefüge situativ verankert und nicht frei gewählt (vgl. V.1–3). Es fragt sich überdies, ob der Ortsangabe wirklich das Achtergewicht zukommt, das ihr in der Diskussion der Stelle häufig zugewiesen wird, oder ob der Akzent der Aussage nicht auf der vorangestellten Zeitangabe „im achtzehnten Jahr des Königs Josia“ ruht, die gemeinsam mit 2Kön 22,3 den Bericht über die res gestae des Königs rahmt und ihn beschließt. Alle diese Ereignisse geschahen im 18. Jahr der Regierung Josias, das damit einen Wendepunkt in der Religionsgeschichte Judas und Jerusalems markiert. 14 hebt. Die Festordnung wird in der Chronik nachdrücklich auf die mosaische Tora zurückgeführt (vgl. 2Chr 35,6.12). 9 Deutet sich dies bereits in der Einleitung der Szene an, wenn Josia „befiehlt“ ( HWZ), ein Passa zu feiern, was bei einem kalendarisch wiederkehrenden Festbrauch unnötig wäre? Anderenfalls wäre davon auszugehen, dass eine zyklische Passafeier zu dieser Zeit noch unbekannt war (s. unten, S. 448 mit Anm. 19). 10 Die Zeitangabe mJFPVH JMJM ist hier inklusiv zu verstehen, d.h., sie schließt die Epoche der Richter als ihren Anfangspunkt in sich ein (vgl. JENNI, Präposition min, 103), wie schon die Fortsetzung des Textes signalisiert. 11 Die Phrase HDWHJ JKLMW LARSJ JKLM JMJ LKW markiert die Epoche der Staatlichkeit Israels und Judas bis zur Gegenwart des Erzählers. Dieser kann sich sowohl innerhalb als auch jenseits dieser Zeitspanne befinden. 12 Die Partikel mA JK wird hier in restriktivem Sinn gebraucht „und führt die Ausnahme für diese Zeitspanne ein“ (TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 282). 13 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 133f. 14 Die Zeitangabe bereitet in der Regel chronologische Probleme: Unter der Voraussetzung, dass das Passa am 14. Tag des ersten Monats gefeiert wurde und der Jahresbeginn im Frühjahr anzusetzen ist, blieben für die Durchführung der umfänglichen Reformen gerade einmal zwei Wochen Zeit (ein Anachronismus, den S PIECKERMANN, Juda, 133f., bereitwillig auf das Konto des nomistischen Bearbeiters schlägt). Der Zeitpunkt, an dem in Juda der Wechsel des kalendarischen Jahresbeginns vom Herbst in das Frühjahr erfolgte, ist jedoch unsicher. BEGRICH, Chronologie, 66–90, hatte unter Hinweis auf den dtn Festkalender vermutet, dass die Kalenderreform bereits unter Hiskia stattgefunden habe. ALBANI, Feste, 143–149, setzt den kalendarischen Wechsel dagegen erst in der
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Mit Rücksicht auf die Passafeier stellt sich aber nicht nur die Frage, ob ihre Durchführung den Ritualanweisungen im Deuteronomium folgt, sondern ob überhaupt an eine im Jahreszyklus wiederkehrende Feier gedacht ist, wie sie die Verbindung von Passa und Maṣṣotfest in Dtn 16,1–8 voraussetzt.15 Dafür könnte immerhin sprechen, dass das Passa ursprünglich nicht termingebunden gefeiert wurde und dass in V.21–23 das Passa im Jahresverlauf nicht genauer verortet wird.16 Vielleicht deutet bereits die indeterminierte Wendung „ein Passa für Jahwe halten“ in V.21ab auf diesen Unterschied hin, denn während der Ausdruck HSY + COPH (TA) bei allen Vorkommen das kalendarisch fixierte, rituell festgelegte Passa bezeichnet17, wird die Konstruktion HSY + HWHJL COP nur in solchen Fällen verwendet, bei denen der Zeitpunkt oder ein anderer Aspekt der Ordnung der Feier strittig sind.18 Schließlich spricht die syntaktische Struktur in V.22f. Phase kurz vor oder in der Exilszeit an. Dann wäre am ehesten an eine Kalenderreform unter babylonischer Oberhoheit zu denken (ab 605 v. Chr.); für die Regierung Josias ist hingegen an einem Jahresbeginn im Herbst festzuhalten. Die kalendarischen Spekulationen werden jedoch hinfällig, sollte in 2Kön 23,21–23 gar kein fest terminiertes Passa vorausgesetzt sein. 15 Nach Dtn 16,1 soll das Passafest am Neumondtag des Monats Abib gefeiert werden. Dieses Datum unterliegt zwar kalendarisch gewissen Schwankungen, ist aber astronomisch präzise zu bestimmen (vgl. ALBANI, Feste, 116f.). Dtn 16,16 unterstreicht den jährlichen Rhythmus des Festzyklus. 16 In der älteren Passatradition in Ex 12,21–23 ist weder ein fester Termin für die Passafeier genannt noch gibt es einen Befehl zur jährlichen Wiederholung des Ritus. 17 Vgl. die Aufstellung der Belege bei TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 278f. Anm. 618. 18 Tagliacarne unterscheidet beide Konstruktionen in semantischer Hinsicht nicht, sondern will den präpositionalen Ausdruck HWHJL als semantische Näherbestimmung des indeterminierten Nomen COP verstehen, „so dass die Nominalgruppe semantisch determiniert wird und einer CsV entspricht“ (a.a.O., 279). Er verweist für seine Deutung auf Texte, in denen beide Fügungen nebeneinander vorkommen. Eine genauere Durchsicht der einschlägigen Stellen zeigt jedoch, dass zwischen beiden Gebrauchsweisen keine semantische Identität besteht. In Num 9,1–13 herrscht die determinierte Variante vor, die für die kalendarisch und rituell geregelte Passafeier am 14. Tag des ersten Monats verwendet wird (vgl. Num 9,2.4–6.13; vgl. V.3). Lediglich im Zusammenhang mit Personen, die aufgrund des Kontaktes mit Verstorbenen unrein sind oder wegen einer längeren Reise nicht zum festgesetzten Termin am Passafest teilnehmen können, aber trotzdem ein Passa für Jahwe halten wollen (HWHJL COP HSY), wird der indeterminierte Ausdruck verwendet (V.10). Für dieses Passa bedarf es einer eigenen Ordnung, die im Anschluss mitgeteilt wird (vgl. V.11f.). Der Nachtrag in V.14 fügt eine weitere Sonderbestimmung ein, die die Beteiligung des Schutzbürgers (RG) am Passafest regelt (vgl. Ex 12,43–49). – In 2Chr 30,1–20 fordert König Hiskia das Volk auf, ein Passa für Jahwe zu halten (vgl. V.1). Der Gebrauch der indeterminierten Variante erklärt sich hier aus dem Umstand, dass dieses Passa nicht zum vorgeschriebenen Termin am 14. Tag des ersten Monats gefeiert werden kann, sondern im zweiten Monat durchgeführt werden soll, um genügend Zeit für die Festvorbereitung zu haben (vgl. V.2f.) – die Determination in V.2 verdankt
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für diese Auffassung, insofern die Apodosis in V.23 die Ausnahme zu der generalisierenden Feststellung der Protasis formuliert, die den gesamten Zeitraum der Existenz Israels im Land bis in die Gegenwart des Erzählers einschließt, der mindestens auf die 31jährige Regentschaft Josias bereits zurückblickt (vgl. 2Kön 22,1; 23,29f.). M.a.W., das Passa, von dem hier die Rede ist, wurde einzig im achtzehnten Jahr des Königs gefeiert; von einer zyklischen Wiederkehr im Jahreslauf, wie es für die Festordnung des dtn Festkalenders vorausgesetzt ist, verlautet nichts. 19 Dennoch berührt sich der Bericht in V.21–23 mit den Vorschriften des Deuteronomium darin, dass „dieses Passa“ vom Volk in Jerusalem gefeiert wurde und nicht am jeweiligen Heimatort der einzelnen Familien (abgesehen von den Einwohnern Jerusalems).20 Der Anlass für die Feier könnte jedoch weniger im kultischen Kalender, als in der Neukonstituierung Israels mittels Verpflichtungsakt und Reform zu suchen sein. Als rite de passage schließt das Passa die Reinigung des Jahwekultes ab und vergewissert das Gottesvolk seiner identitätsstiftenden Erwählung durch Jahwe und der Wiederherstellung der Kult- und Lebensgemeinschaft mit seinem Gott. Konstitutiv für diese Auffassung ist die Verbindung des Passaritus mit der Exodusüberlieferung, wie sie für die späte Königszeit vorausgesetzt werden kann, nicht dagegen seine Feier als zentralisiertes Wallfahrtsfest, die ihm erst im Zuge seiner Verschmelzung mit dem Maṣṣotfest zugewachsen sein dürfte. Vor diesem Hintergrund scheint die Vermutung nicht völlig sich dem textimmanenten Rückverweis auf V.1. – Der Chronist übernimmt die indeterminierte Form in 2Chr 35,1 aus seiner Vorlage (vgl. 2Kön 23,21), wo er selbständig formuliert, gebraucht er jedoch die determinierte Form (vgl. V.16f.!), d.h., der Chronist setzt für Josia eine reguläre Passafeier am 14. Tag des ersten Monats voraus. 19 Vgl. jüngst WAGNER, Notiz. Wagners philologische und religionsgeschichtliche Argumente für seine Erneuerung einer älteren These J. Schreiners, das Passafest sei erstmals unter Josia in Israel / Juda gefeiert worden (vgl. DERS., Passa, 85f.), sind dagegen kaum zwingend: weder die fehlende Determination bei COP in V. 21 noch die syntaktische Konstruktion in V.22 nötigen zu dem Schluss, dass die Passafeier bis dato unbekannt gewesen sei. Das logische Subjekt der negierten Verbalform HSYN AL ist die zuvor zur Durchführung des Festes aufgeforderte Kultgemeinde (vgl. V.21), kein unbestimmtes „nichts“. Das Fehlen des Artikels ist bereits oben vor dem Hintergrund der übrigen Belege dieser Konstruktion erläutert worden, die sämtlich die Existenz der Passafeier voraussetzen. Darüber hinaus bliebe unter der Prämisse, der Erzähler habe auf die erstmalige Durchführung des Passa unter Josia abstellen wollen, schwer zu erklären, weshalb er sich in diesem Fall über Ritus und Sinn des Festes gänzlich ausschweigt. 20 Im Text bleibt allerdings offen, ob die Feier – wie dies im Deuteronomium vorgesehen und im Bericht der Chronik ausgeführt wird – am Jerusalemer Tempel abgehalten wurde. – Im Deuteronomium erhält das Passa den Charakter eines Opferfestes, der ihm von Haus aus nicht eignete. Der Ritus wird an das Heiligtum verlegt und von weiteren Opferhandlungen begleitet (Dtn 16,2, vgl. 2Chr 35,12). Weil die Schlachtung des Passalammes dem Bereich der familiären Profanschlachtung entzogen werden soll, muss das Passa mit dem Maṣṣotfest verbunden und am Zentralheiligtum angesiedelt werden.
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abwegig zu sein, dass der König im Zusammenhang mit seinem Reformwerk tatsächlich eine Passafeier in Jerusalem durchführen ließ, selbst wenn sich darüber nähere Einzelheiten dem ganz und gar literarisch geformten Bericht in V.21–23 nicht mehr entnehmen lassen. Seine Einzigartigkeit war in seinem Anlass als ein Akt der offiziellen Religion begründet21, nicht im zugrunde liegenden Ritual oder in einer schriftgelehrten Reflexion der dtn Passagesetzgebung. Der hier skizzierte Interpretationsvorschlag will nicht grundsätzlich bestreiten, dass im Text Verbindungen zu dtn / dtr Vorstellungen erkennbar sind, die Darstellung besitzt jedoch so viel Eigenständigkeit, dass sie bei unvoreingenommener Lektüre nicht notwendig als dtr Erfüllungsvermerk für die Toraobservanz des Königs gemäß Dtn 17, 18–20 verstanden werden muss. Der Nachtragscharakter von V.24 ist weithin anerkannt und die Gründe, die diese Vermutung stützen, sind bereits notiert worden.22 Die Beseitigung weiterer Kulteinrichtungen im Gebiet Judas und Jerusalems klappt nach dem Passabericht deutlich nach und lenkt den Blick zurück zum „Buchfund“ als Ausgangspunkt der Reformtätigkeit des Königs. Auf diese Weise entsteht eine doppelte Rahmung (vgl. V.21–23), die den Reformbericht abschließt und die innere Einheit der Gesamtkomposition unterstreicht. Es ist die Absicht des Ergänzers, die Totalität der Kultreform festzustellen und sie als Ausdruck der Toraobservanz des Königs zu kennzeichnen. Dabei nimmt er verschiedene Elemente der älteren Erzählkomposition auf, variiert sie und zieht den Geschehensbogen in einen Punkt zusammen. Vers 24a ahmt die syntaktische Struktur nach, die bereits aus V.15 und V.19 bekannt ist (vgl. V.12): Die Verwendung der emphatischen Partikel mG signalisiert den Neueinsatz und hebt die geschilderte Maßnahme in ihrem narrativen Zusammenhang hervor. Ob das Vorgehen des Königs gegen die verbliebenen Kultrequisiten chronologisch nach den Ereignissen im achtzehnten Jahr seiner Herrschaft eingeordnet werden soll, muss angesichts der syntaktischen Fügung we-x-qāṭal offen bleiben, da diese regelhaft eine Hintergrundinformation einführt, die der Haupthandlung zeitlich voraus liegen kann. Auf die einleitende Partikel folgt eine Reihe von fünf koordinierten Objekten (jeweils mit nota accusativi), die alle Bezüge zum semantischen Feld des Kultus aufweisen. Im Übrigen ist die Bedeutung und Semantik 21 Den offiziellen Charakter der Feier hat zuletzt HARDMEIER, König, 117, mit Recht herausgestellt. Er verknüpft die Passafeier mit der Verpflichtungsszene in V.1–3, die er als Bundeserneuerungszeremonie interpretiert, die unter Verlesung der Tora am Passafest vollzogen worden sei (vgl. a.a.O., 93 Anm. 25). Die Deutung der Verpflichtungszeremonie als Fest der Bundeserneuerung ist jedoch problematisch (s. oben, S. 162 Anm. 7) und von einer terminlichen Koinzidenz beider Akte ist in 2Kön 23 nicht die Rede. 22 Siehe oben, S. 39.
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der einzelnen Lexeme strittig und ihre Zusammenstellung im Alten Testament in dieser Form ohne Parallele. Die ersten beiden Objekte TWBAH-TA 23 und können dem Feld der mJNYDJH-TAW treten regelmäßig als Paar auf Nekromantie bzw. Ahnenverehrung zugeordnet werden. Dabei ist jedoch unsicher, ob es sich um Ritualgegenstände handelt, die im Totenkult Verwendung fanden, oder um Personengruppen (z.B. Totenbeschwörer oder Medien).24 Vermutlich bot die Erwähnung beider Gruppen in der Reihe der kultischen Missstände, die unter Manasse herrschten (vgl. 2Kön 21,6), den Anstoß für die „Nachlese“ des Bearbeiters in V.24, der ihnen noch drei weitere Objekte beigesellte, um jeden Zweifel an etwaigen Überresten torawidriger Kultpraxis in Juda und Jerusalem auszuschließen. Die genaue Bedeutung und Funktion der mJPRT ist ebenfalls ungeklärt; sicher ist nur, dass es sich um figürliche Objekte handelt. Sie scheinen mit dem Orakelwesen in Verbindung zu stehen, begegnen aber auch im Zusammenhang mit Heilungsritualen (vgl. 1Sam 19,13.16). 25 Die beiden letzten Begriffe unterscheiden sich von den übrigen vor allem darin, dass es sich bei ihnen um künstlich gebildete „Schmähworte für nichtjahwistische Kultobjekte“ handelt, denen kein eigenständiger religionsgeschichtlicher Bedeutungsgehalt zugewiesen werden kann.26 Der Terminus mJLWLG könnte auf 2Kön 21,11 (Manasse) und 21,21 (Ammon) zurückverweisen, wo er jeweils summarisch für die illegitime Religionspolitik der beiden Vorgänger Josias verwendet wird. Den Abschluss der Reihe bilden die mJZQV („Scheusale“, vgl. V.13).27 Das vorangestellte LK wirkt steigernd und betont die vollständige Beseitigung sämtlicher fremdreligiöser Bräuche und Kultrequisiten im Herrschaftsgebiet des Königs. Die Ortsangabe wird durch einen appositionellen Nebensatz angefügt (V.24ab), der vermutlich auf alle zuvor genannten Objekte zu beziehen ist.28 Die Einfügung einer lokalen Umstandsangabe folgt dem Schema des übrigen Reformberichts, doch bleibt die Angabe im Vergleich mit den sonstigen Lokalisierungen eigenartig unbestimmt, was sich aus der Absicht 23
Vgl. Lev 19,31; 20,6.27; Dtn 18,11; 1Sam 28,3.9; Jes 8,19; 19,3; 2Chr 33,6. Vgl. EBACH / RÜTERSWÖRDEN, Unterweltsbeschwörung; TROPPER, Nekromantie. 25 Vgl. ROUILLARD / TROPPER, TRPYM; LORETZ, Teraphim; WILLI-PLEIN, Anmerkungen. 26 SPIECKERMANN, Juda, 138 Anm. 238. – Für mJLWLG schlägt Ges.18, 217, die Bedeutung „Stein, Stele“ vor (vgl. akkadisch galālum „Kiesel, Quader“); das Lexem wird im Alten Testament ausschließlich in pejorativem Sinn gebraucht. In den Königsbüchern könnte bei allen Vorkommen des Begriffs die Konnotation „Kultbid, -stele“ anklingen (vgl. 1Kön 15,12; 21,26; 2Kön 17,12; 21,11.21). 27 mJZQV und mJLWLG werden auch in Dtn 29,16 gemeinsam erwähnt (vgl. Ez 20,7f. 31f.; 37,23); eine feste Paarbildung wie im Fall von BWA und nYDJ ist hier jedoch nicht festzustellen. 28 Vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 289. 24
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des Bearbeiters erklärt, dem König die Beseitigung aller (bisher nicht genannter) torawidriger Kulteinrichtungen im ganzen Land zuzuschreiben. Damit hängt es auch zusammen, dass an die Stelle einer Angabe über den Stifter der jeweiligen Kultobjekte die unpersönliche Formulierung „die gesehen wurden“ (HAR Nif.) getreten ist. Nicht das Gegenüber von Josia und seinen Vorgängern steht hier mehr im Fokus der Darstellung, sondern der Nachweis seiner vollständigen Toraobservanz, wie es der abschließende Finalsatz deutlich macht. Der Versteil endet wie V.19a mit der namentlichen Erwähnung des Königs, doch kann die Renominalisierung auch in Anlehnung an V.23a erfolgt sein. Die Verbalform ist sehr wahrscheinlich von der Wurzel RYB II „wegschaffen, vernichten“ abzuleiten.29 Diese Auffassung hat den Vorteil, dass sie der semantischen Polyvalenz der Begriffe BWA und nYDJ Rechnung trägt, bei denen personale und nicht-personale Konnotationen oszillieren. 30 Die Formel „du sollst das Böse aus deiner Mitte / aus Israel entfernen“ begegnet im dtn Gesetz mehrfach und könnte als Vorbild für die Formulierung in V.24a gedient haben, die im Reformbericht ohne Parallele ist.31 Die sprachliche Anlehnung an eine prominente Wendung aus dem Deuteronomium fügt sich überdies gut zum abschließenden Finalsatz, der den Zweck dieser (und sämtlicher) Kultbeseitigungsmaßnahmen im Reformbericht benennt: „um die Bestimmungen der Tora (HRWTH JRBD) aufzurichten, d.h. in Geltung zu setzen (mWQ Hif.)“. Die Wendung greift auf die Selbstverpflichtung von König und Volk in Vers 3 zurück, die mit nahezu denselben Worten wiederholt wird, nur dass in V.24 von HRWTH JRBD statt von TJRBH JRBD die Rede ist. Mit dem Stichwort HRWT kehrt zum einen ein Leitbegriff des „Fundberichts“ wieder (vgl. HRWTH RPO 2Kön 22,8), zum anderen erinnert der Ausdruck HRWTH JRBD an die gleich lautende Begrifflichkeit, mit der in den hinteren Rahmenstücken des Deuteronomium die mosaische Tora bezeichnet wird.32 Der Verfasser stellt somit eine doppelte Verknüpfung her, die einerseits die Identität des Toradokuments mit der Verpflichtungsurkunde aus 2Kön 23,1–3 hervorhebt und diese andererseits mit der verschrifteten Mosetora im Deuteronomium gleichsetzt.
29 Vgl. Ges.18, 165; das präpositionale Objekt muss aus der vorausgegangenen Ortsangabe ergänzt werden. 30 Die Wurzel RYB I wird dagegen im Alten Testament stets mit nicht-personalen Objekten konstruiert. Wollte man die Form von RYB I ableiten, müsste für BWA und nYDJ hier eine dingliche Bedeutung supponiert werden. RYB II ist im Doppelungsstamm in 1Kön 22,47 und 2Sam 4,11 jeweils mit personalem Objekt belegt. 31 Vgl. Dtn 13,6; 17,7.12; 19,19; 21,21; 22,21f.24; 24,7 (vgl. noch Jdc 20,13) – in allen diesen Fällen handelt es sich jedoch um Sanktionen gegen einen bestimmten Personenkreis, nicht um die Beseitigung von Kultrequisiten oder -installationen. 32 Vgl. Dtn 27,3.8.26; 28,58; 29,28; 31,12.24; 32,46 (vgl. auch Neh 8,9.13).
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8. Kapitel: Passafeier und Nachtrag (2Kön 23,21–24)
Dies wird durch die attributive Näherbestimmung RPOH-LY mJBTKH, die sich auf die HRWTH JRBD zurück bezieht (vgl. V.3!), noch unterstrichen, denn auf der einen Seite verweist die Determination im literarischen Nahkontext auf den TJRBH RPO aus V.21b zurück und auf der anderen Seite wird das Schriftstück durch den folgenden appositionellen Relativsatz mit dem Toradokument identifiziert, das der Priester Hilkia laut 2Kön 22,8 im Tempel in Jerusalem entdeckt hatte (vgl. 23,2!). Die Tora ist das innere Band der Ereignisse, die sie ausgelöst hat und auf deren Verwirklichung sie zulaufen. Der Dreischritt von „Buchfund“ – Selbstverpflichtung – Kultreform wird hier wie in einem Brennglas verdichtet, gewissermaßen ein Reformbericht in nuce, der am Ende zum Anfang zurückkehrt und auf diese Weise den Erzählbogen in Kapitel 23 zum Abschluss bringt.
9. Kapitel
Der hintere Königsrahmen (2Kön 23,25–30) Der Bericht über die Regierungszeit Josias endet mit einer nachgestellten Wertung, die auf die Geschichte des Königtums zurückblickt (V.25–27), dem üblichen Verweis auf die Annalen der Könige von Juda (V.28) und der Nachricht über den gewaltsamen Tod und das Begräbnis des Königs (V.29–30a).1 Während die beiden letzten Angaben dem üblichen Rahmenschema der Königsbücher entsprechen, ist eine erneute Königsbewertung im hinteren Rahmenteil singulär. Ist sie als Schlussakkord einer vorexilischen Erstfassung der Königsbücher ad maiorem gloriam Iosiae zu erklären, wie es F. M. Cross vorgeschlagen hat?2 Diese Frage kann nur auf der Basis einer zusammenhängenden Interpretation von V.25–27 beantwortet werden, denen sich die Analyse zunächst zuwenden muss. Mit V.25 wird die Ebene der narratio in 2Kön 22,3–23,24* verlassen und ein Erzählerkommentar angefügt. Die syndetische Konstruktion koordiniert die abschließende Bewertungsnotiz mit dem Bericht über die res gestae Josias und besitzt „resümierende Funktion“.3 Der Vers ist chiastisch aufgebaut, wodurch die Unvergleichlichkeitsaussage noch verstärkt wird: ʥʤʭʫ ʭʷʚʠʬ ʥʩʸʧʠʥ … [ʪʬʮ] ʥʩʰʴʬ ʤʩʤʚʠʬ ʥʤʮʫʥ
1
In V.30b schließt sich gemäß dem üblichen Rahmenschema der Königsbücher noch der Hinweis auf die Einsetzung des Thronfolgers an. Wie schon bei Josia selbst (vgl. 2Kön 21,24) erhebt der ʵʸʠʤʚʭʲ den Kronprinzen Joahas zum König. Vermutlich hatte es Streitigkeiten um die Thronfolge zwischen den Prinzen und ihren jeweiligen Anhängern gegeben (s. unten, S. 463f. mit Anm. 37). Diese Rivalitäten mögen im Hintergrund der Ereignisse stehen, die sich nach der Rückkehr der Ägypter aus Nordsyrien in Juda abspielten: Der neue König wird nach nur dreimonatiger Regierungszeit vom ägyptischen Pharao Necho II. abgesetzt und nach Ägypten verschleppt und durch seinen älteren Bruder Eljakim ersetzt, der bei der Thronfolge übergangen worden war. Mit diesem Akt unterstreicht der Pharao den ägyptischen Hegemonieanspruch über Juda (vgl. V.33f.). Dies wird vollends deutlich, wenn in V.34 berichtet wird, dass Eljakim die Nachfolge seines Vaters Josia im Königsamt antrat, m.a.W., die Regentschaft des Joahas galt in den Augen der Ägypter als Usurpation und wurde nicht als legitime Herrschaft anerkannt. 2 Vgl. CROSS, Themes, 287 Anm. 47. 3 T AGLIACARNE, Keiner war wie er, 298. Darüber hinaus schlägt V.25 einen Bogen zu der einleitenden Königsbeurteilung in 22,2 zurück und legt damit einen (weiteren) Rahmen um die Erzählung in 22,3–23,24.
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Das zweimalige WHMK rahmt die Aussage und betont die Sonderstellung des Königs. Die Wahl der Afformativkonjugation in beiden Vershälften markiert den Zeithorizont der Notiz. Der Vordersatz blickt auf die Könige vor Josia zurück: In der langen Reihe der königlichen Ahnen gab es keinen, der Josia vergleichbar gewesen wäre.4 Aber auch unter seinen Nachfolgern auf dem Thron Davids wurde niemand gefunden, der ihm gleich war. Mit dieser Bemerkung weist der Erzähler auf seinen Standort jenseits der Regierung Josias hin (vgl. 22,1). Ob er bereits auf den Untergang von Staat und Königtum zurückblickt, das Resümé also alle Nachfolger Josias im Königsamt einschließt, kann zwar aufgrund weiterer Indizien mit guten Gründen vermutet werden, ist dem Wortlaut selbst jedoch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, da sich die Zeitspanne, die durch die Afformativkonjugation in V.25b als abgeschlossen gekennzeichnet wird, narratologisch auf den Zeitraum zwischen der Herrschaft Josias und der Gegenwart des Erzählers / Sprechers erstreckt, die grundsätzlich noch in die Epoche der Staatlichkeit Judas fallen könnte. Worin besteht die Unvergleichlichkeit des Königs? Die Antwort auf diese Frage gibt der Relativsatz in V.25a, der die Tätigkeit des Königs beschreibt und durch seine Stellung als zentrales Aussageelement im Versgefüge ausgewiesen ist. Was Josias Vorgänger und Nachfolger im Königsamt nicht taten, das hatte Josia getan: Er war zu Jahwe zurückgekehrt ( BWV) „mit seinem ganzen Herzen und mit all’ seinem Verlangen und mit seiner ganzen Kraft gemäß der ganzen Tora des Mose“. Das Motiv der Rückkehr zu Jahwe interpretiert das im Vorwege geschilderte Verhalten des Königs und setzt voraus, dass dieser sich von Jahwe entfernt hatte oder genauer: sich in Entfernung zu Jahwe befand. Denn von Josia selbst wird nicht gesagt, dass er Jahwe verlassen hätte, vielmehr wird er sich unter dem Eindruck des Vortrags der Tora dessen bewusst, dass der bestehende Tempelkult den Vorgaben der Tora nicht entspricht und verpflichtet sich (und das Volk) daraufhin, die Kultpraxis an den Bestimmungen der Tora auszurichten, wie es im Reformwerk geschieht.5 Der Vorgang der Umkehr wird durch eine drei- bzw. vierfache Näherbestimmung präzisiert, die den Aspekt der Totalität des Geschehens betont (4x LK) und die Übereinstimmung der königlichen Reform mit den Grundsätzen der dtn / dtr Tora kon4 Die Formulierung in V.25 schließt selbst den Ahnherrn David in die Reihe ein, mit dem Josia in der einleitenden Königsbewertung noch verglichen worden war (vgl. 2Kön 22,2b!). 5 Der gleiche Gedanke wird in der Einleitung zum Huldaorakel ausgesprochen, wenn der König feststellt, dass die Väter, d.h. die früheren Generationen, der Weisung der Tora nicht gefolgt seien, so dass Jahwes Zorn gegen Juda und Jerusalem entbrannt ist (vgl. 22,13). Entsprechend schildert der zweite Teil des Huldaorakels ausführlich, wie sich der König vor Jahwe erniedrigt habe (vgl. V.19), nur dass der theologisch gefüllte Begriff der Umkehr hier fehlt.
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statiert. Die Reihung WDAM-LKBW WVPN-LKBW WBBL-LKB hat ihre nächste Parallele in Dtn 6,56, der (redaktionellen?) Fortführung des dtn Grundsatzes der Einheit Jahwes. Josia wird als vorbildlicher Schüler der mosaischen Tora porträtiert, was die abschließende Bestimmung HVM TRWT LKK noch einmal unterstreicht. Darüber hinaus wird mit der Wendung -LKB VPN-LKBW BL der Bogen zurück zur Verpflichtungszeremonie in 23,1–3 geschlagen (V.3a) und das TJRBH RPO mit dem HVM TRWT RPO des Deuteronomium identifiziert. Wie bereits dargelegt, gehört der Ausdruck HVM TRWT (RPO) im Deuteronomium und in den Königsbüchern zu einer spätdtr Bearbeitungsstufe 7, was für V.25 zu dem Schluss führt, dass der Vers nicht zum ältesten Bestand der Erzählung gehört. Dafür spricht weiterhin die singuläre Rahmung der Erzählung in Kap. 22f. durch die zweifache Königsbewertung (22,2; 23,25)8 und die mehrfach geäußerte Beobachtung, dass weder innerhalb von V.25 noch zwischen V.25 und V.26–27 eine literarkritische Schichtung wahrscheinlich gemacht werden kann. Vers 25b stellt vielmehr innerhalb der Unvergleichlichkeitsformel das unverzichtbare Gegenstück zu V.25aa dar9, und V.26f. sind über das Leitwort BWV fest mit V.25 verbun6 Die Abweichungen im Suffixgebrauch erklären sich aufgrund der unterschiedlichen Sprechperspektive in beiden Texten. 7 Siehe oben, S. 92–96. – In 2Kön 18,6 wird das vorbildliche Vertrauen Hiskias auf Jahwe (vgl. V.5) ebenfalls durch den (redaktionellen?) Hinweis auf die mosaische Tora erläutert. 8 Vgl. BLANCO WISSMANN, Er tat das Rechte, 164. Die strukturelle Übereinstimmung zwischen 2Kön 23,25–27 und den übrigen Königsbeurteilungen, die A URELIUS, Zukunft, 49, feststellen zu können glaubt, ist lediglich formaler Art, denn das Lob des Königs wird in V.26f. gerade nicht eingeschränkt, sondern ihm wird das Verhalten Jahwes gegenübergestellt. 9 Eine parallele syntaktische Konstruktion begegnet in den beiden Unvergleichlichkeitsaussagen bei Salomo (vgl. 1Kön 3,12) und Hiskia (vgl. 2Kön 18,5). Im letzteren Fall ist das zweite Glied der Aussage verkürzt und vielleicht als sekundäre Angleichung an die gängige Konstruktion zu erklären. Dafür sprechen zum einen der auffällige Numeruswechsel und der ungewöhnliche relativische Anschluss des Versteils und zum anderen die abweichende Reihenfolge der beiden Glieder ( pace ARNETH, Hiskiareform, 186–189, der eine kompositionskritische Lösung des Problems vorgeschlagen hat). Die eingliedrige Konstruktion entspräche zudem der Pragmatik des Textes, der Hiskias Auflehnung gegen die assyrische Oberhoheit als Ausdruck seines Vertrauens auf Jahwe interpretiert ( CFB, vgl. V.5 und 6x in der Rede des Rab-Šake in V.19–25!). Die politischen Voraussetzungen zu einem solchen Verhalten waren jedoch erst seit der Regierung seines Vaters Ahas gegeben, der die assyrische Oberhoheit über Juda anerkannte, so dass der Verweis auf die königlichen Ahnen in V.5b merkwürdig ins Leere geht. Erst Jojakim und später Zedekia haben wieder einen Versuch unternommen, nunmehr das politische Joch Babylons abzuschütteln – mit verheerenden Folgen (und bei einer konträren geschichtstheologischen Beurteilung), die dem Verfasser von 2Kön 18f.* anscheinend (noch) nicht vor Augen gestanden haben.
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den. Der Abschnitt erweist sich nicht zuletzt aufgrund seiner antithetischen Struktur als eine kompositorische Einheit, die redaktionell in einen vorgegebenen Erzählzusammenhang eingefügt wurde und zu keiner Zeit den Abschluss der Gesamterzählung der Königsbücher gebildet hat. Vers 26 nimmt mit dem Leitwort des Abschnitts BWV den Gedanken von V.25 auf und kontrastiert das Verhalten des Königs mit der Reaktion Jahwes (adversatives kA). Obwohl die vorbildliche Toraobservanz des Königs die Erwartung des (Über-)Lebens des Gottesvolkes evozieren könnte, konstatiert der Erzähler, dass Jahwe nicht von seinem brennenden Zorn „zurückgekehrt“ ist (BV-AL), d.h., das Gericht gegen Juda war nicht mehr aufzuhalten. Jahwe hat sich nicht mehr umstimmen lassen. 10 Die Wahl der Afformativkonjugation signalisiert, dass der Sprecher bereits auf den Untergang Jerusalems und des Tempels zurückblickt (vgl. V.27b). Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort liegt in der Vergangenheit, jedoch nicht in der Epoche nach Josia, wie es das Huldaorakel formuliert11, sondern in der Religionspolitik seines Großvaters Manasse, der Jahwe so sehr zum Zorn gereizt hatte (OYK Hif.), dass sein Vernichtungsbeschluss gegen Juda unwiderruflich war. Die gleiche Vorstellung begegnet in 2Kön 21,10–16*, in denen Juda und Jerusalem das gleiche Schicksal angekündigt wird, das Samaria getroffen hat.12 In der klassischen Form des prophetischen Gerichtswortes werden die Zerstörung der Stadt und die Wegführung der Bevölkerung mit dem Hinweis auf die kultischen Greuel Manasses begründet, dessen Religionspolitik das Volk „zur Sünde veranlasst hat“ (AFC Hif., vgl. V.11).13 Das Motiv kehrt im Zusammenhang mit Jojakims Aufstand gegen den babylonischen Oberherrn Nebukadnezar II. wieder (vgl. 2Kön 24,2–4), dessen Truppen im Jahre 597 v. Chr. Jerusalem das erste Mal einnahmen und einen Großteil der Oberschicht, einschließlich der königlichen Familie, deportierten. Vers 2b identifiziert das Geschehen ausdrücklich als Erfüllung der prophetischen Gerichtsansage aus 2Kön 21,10–16*, und in V.3f. kehren verschiedene Motive und Wendungen aus 2Kön 21,10–16* und 23,26f. wieder, die den 10 In Ex 32,12 und Jon 3,9 bewirkt Jahwes Umkehr von seinem glühenden Zorn ( BWV + pA nWRCM) jeweils die Rücknahme eines beschlossenes Vernichtungsurteils und korrespondiert dem göttlichen Erbarmen. 11 Siehe oben, S. 157–159. In beiden Texten spielt das Motiv des göttlichen Zorns eine zentrale Rolle; die sprachliche Gestaltung des Abschnitts und die hermeneutische Reflexion des Exilsgeschicks differieren jedoch derart, dass mit zwei verschiedenen Bearbeitungsstufen gerechnet werden muss. 12 Vgl. 2Kön 21,13a // 23,27a (und die Analogie zwischen Ahab und Manasse in 2Kön 21,3). Die prophetische Unheilsansage in V.10–16 ist vermutlich (mehrfach) redaktionell erweitert worden. Dies zeigt sich sowohl am Nachtragscharakter von V.16, als auch an dem nachgeschobenen Begründungssatz in V.15, der die Ursache für den Untergang im fortwährenden Ungehorsam des Volkes erblickt (vgl. Ps 106,6–43). 13 Vers 10 dient als Redeeinleitung, an die sich in V.11 der Schuldaufweis anschließt, bevor V.12aa mit nKL und der Boten- oder Zitationsformel zur Unheilsansage überleitet (vgl. V.12–14). Die nachklappende Begründung in V.15 sprengt das klassische Formschema des prophetischen Gerichtswortes (s. vorige Anm.).
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kompositorischen Zusammenhang der Stellen unterstreichen.14 Schließlich werden auch die Zerstörung Jerusalems und der Untergang des davididischen Königtums unter Rückgriff auf das Motiv des göttlichen Zorns mit der „Sünde Manasses“ in Verbindung gebracht. In 2Kön 24,20a fehlt zwar ein ausdrücklicher Rekurs auf Manasse, das Motiv des göttlichen Zorns gegen Juda und Jerusalem ist in den Königsbüchern jedoch ausschließlich in jenen Passagen belegt, die in der manassitischen Religionspolitik die Ursache für den Untergang Judas und Jerusalems ausmachen. Hinzu kommt, dass Zedekia bereits in der einleitenden Königsbeurteilung mit seinem Bruder Jojakim verglichen wurde (vgl. V.19) und dass V.20a die nachfolgende Mitteilung über den Aufstand Zedekias gegen die babylonische Großmacht (vgl. V.20b), wie zuvor bei Jojakim, unter das Verdikt des göttlichen Zorns stellt.15
Der kompositorische Zusammenhang der genannten Stellen, die sprachlich wie konzeptionell miteinander verknüpft sind, dürfte deutlich sein. Es ist aber mit guten Gründen vermutet worden, dass diese Konzeption von einer späteren Hand in die narratio der Königsbücher eingefügt worden ist.16 Dies wird für 2Kön 23,26f. schon durch den engen Anschluss an V.25 bestätigt. In Vers 27 schließt sich, in die Form der Gottesrede gekleidet, der Vernichtungsbeschluss Jahwes über Juda und Jerusalem an. Dabei ist der Zeitbezug in V.27a mehrdeutig: der Narrativ RMAJW kann auf einen Sachverhalt bezogen sein, der zeitlich nach V.26aa anzusetzen ist17, oder er führt V.26bb fort und schildert die unmittelbare Reaktion Jahwes auf die Vergehen Manasses. Im letzteren Fall setzt die Handlung dort ein, wo der rückwärts gerichtete Progress in V.26bb innegehalten hatte. Unklar ist, ob der Adressat der Gottesrede mit dem Adressaten der Drohung gleichzusetzen ist, wie dies für 21,10–16* angenommen werden kann, oder ob hier an ein Selbstgespräch Jahwes gedacht ist.18 Die betonte Voranstellung des Objekts hebt hervor, dass Juda das gleiche Geschick ereilen wird, das zuvor Israel getroffen hat: Jahwe wird es von seinem Angesicht wegschaffen (RWO Hif.). Die Formulierung lehnt sich eng an die dtr Reflexion über den Untergang des Nordreichs in 2Kön 17,18a (dort ebenfalls in Verbindung 14 Das Motiv des göttlichen Zorns (lies HWHJ pA-LY, vgl. BHS, z.St.) und die Vorstellung, dass Jahwe Juda von seinem Angesicht entfernt habe (vgl. V.3a), sind aus 2Kön 23,26f. entlehnt; die Wendung HVNM TAFCB (vgl. V.3b) und der Vorwurf, unschuldiges Blut vergossen zu haben (vgl. V.5), spielen auf 2Kön 21,11.16 an. Die Schuld für die Übergabe der Stadt und die Deportation eines Teils der Bevölkerung wird nicht Jojakim angelastet, sondern bei Manasse gesucht. 15 Die sprachlich-stilistischen Variationen zwischen 2Kön 24,20a und den Parallelstellen könnten als Reminiszenzen an die Reflexion über den Untergang des Nordreichs in 2Kön 17,20 zu erklären sein (vgl. TIMM, Nebukadnezar, 364–366). 16 Vgl. AURELIUS, Zukunft, 111–127; BLANCO WISSMANN, Er tat das Rechte, 161–173 ( pace RÜTERSWÖRDEN, Erwägungen, 196–199). 17 V.27aa würde in diesem Fall den übergeordneten Hauptsatz aus V.26aa fortsetzen (vgl. TAGLIACARNE, Keiner war wie er, 307f.). 18 Vgl. a.a.O., 306.
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mit dem Motiv des göttlichen Zorns) und 23a an und bildet auf diese Weise das Gericht über Juda auch sprachlich demjenigen über Israel nach. Wie die „Sünde Jerobeams“ Israel „sündigen ließ“, bis Jahwe nicht mehr (schonend) an ihm vorüberging (vgl. Am 7,8; 8,2), so besiegelt die „Sünde Manasses“ das Schicksal Judas. Vers 27b führt den Gedanken weiter, indem Jahwe nun ausdrücklich die Prärogative Judas (und der Davididen!)19 revoziert, die dessen Fortbestand in Krisenzeiten bislang gesichert hatten. Jerusalem, das Jahwe erwählt hatte, wird verworfen (OAM)20, ebenso der Tempel, in dem Jahwe Wohnung genommen hatte.21 Damit wird der Ort der Gegenwart Gottes bei seinem Volk zum Symbol der Gottverlassenheit; der Tempelkult, um dessen torakonforme Gestalt Josia sich verdient gemacht hatte, wird von Jahwe selbst seines Sinnes entleert. Diese Deutung der Ereignisse hat, wie die intertextuellen Verbindungen mit 2Kön 24,2–4 und 24,20 belegen, den Untergang Jerusalems bereits hinter sich und gehört einer späteren Bearbeitung der Königsbücher an, deren Geschichtshermeneutik von der des Huldaorakels unterschieden und die frühestens in der (späten) Exilszeit anzusetzen ist.22 Damit erweist sich die Königsbewertung des hinteren Rahmenteils in 2Kön 23,25–27 als in sich geschlossener Nachtrag, der die Josia-ManasseAntithetik des Reformberichts aufnimmt und zu einem geschichtstheologischen Antagonismus ausgestaltet, in dem Manasse die Schuld Judas verkörpert, die das Gericht unweigerlich nach sich zog, während in Josia das Ideal des Gottesvolkes für eine „Zukunft jenseits des Gerichts“ hervortritt. Mit dem Verweis auf die Annalen der Könige von Juda in V.28 setzt das klassische Schema des hinteren Königsrahmens ein, der ursprünglich unmittelbar auf den Passabericht in 2Kön 23,21–23 folgte und den Abschluss der Erzählung über die Herrschaft Josias in Kap. 22–23* bildet. Die Notiz weist keine signifikanten Varianten gegenüber der üblichen Formulierung auf und bedarf keiner detaillierten Erörterung. 23 19
Die Herrschaft des Hauses Davids wird angesichts der negativen Beurteilung einiger seiner Repräsentanten mehrfach mit dem Hinweis auf die göttliche Erwählung Jerusalems und seines Heiligtums legitimiert (vgl. 1Kön 11,13.32.36; 15,4; 2Kön 8,19). 20 OAM ist Antonym zu RCB (vgl. Jes 41,9!), so dass der scharfe Kontrast von Erwählung und Verwerfung an dieser Stelle besonders deutlich zum Ausdruck kommt. 21 Die Formulierung spielt vermutlich auf 1Kön 8,29 an, der einzigen Stelle in den Königsbüchern, an der die Namensformel wie hier mit einer Form der Wurzel HJH gebildet wird. Die Gegenwart des Namens symbolisiert die Präsenz seines Trägers und bringt dessen Besitz- und Herrschaftsanspruch zum Ausdruck. 22 Dafür sprechen vor allem die intertextuellen Verbindungen zu 2Kön 17,7–23 (vgl. AURELIUS, Zukunft, 71–95) und 21,1–16 sowie der redaktionelle Charakter der Reflexionstexte 2Kön 24,2–4* und 24,20a in ihrem literarischen Nahkontext. 23 Syntaktisch liegt V.28 eine erweiterte Pendenskonstruktion zugrunde, bei der das Subjekt betont vorangestellt ist. Die rhetorische Frage (vgl. V.28b) rechnet auf die Zustimmung der Adressaten, setzt also voraus, dass es sich bei dem genannten Dokument
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Der knappe Bericht über den gewaltsamen Tod des Königs in Megiddo und sein Begräbnis in Jerusalem, mit dem der Abschnitt endet, ist in mehrfacher Hinsicht enigmatisch und hat bereits in der Chronik zu einer umfangreichen Weiterarbeit Anlass gegeben (vgl. 2Chr 35,20–25). Dies hat seinen Grund vor allem in den rätselhaften Umständen, die zum Tod Josias geführt haben. Die syntaktische Konstruktion x-qāṭal am Beginn von Vers 29 signalisiert einen erzählerischen Neueinsatz, auf den in V.29b–30 acht Narrative folgen, die die Ereignisse bis zur Einsetzung des Thronfolgers Joahas in geraffter Form schildern. Die temporale Umstandsangabe WJMJB in V.29a wird nicht näher bestimmt24, kann aber mittels der Angaben der babylonischen Chronik auf das Jahr 609 v. Chr. datiert werden, dem 31. Jahr der Herrschaft Josias (vgl. 2Kön 22,1).25 Über die politische Großwetterlage jener Zeit sind wir aus den neubabylonischen Quellen recht gut unterrichtet. Nachdem eine Koalition aus babylonischen und medischen Truppenverbänden unter der Führung des Babyloniers Nabopolassar im Jahr 612 v. Chr. die assyrische Hauptstadt Ninive erobert hatte, war der assyrische Kronprinz Aššur-uballiṭ II. mit seinem Gefolge nach Haran in Nordsyrien geflohen und errichtete dort (mit ägyptischer Unterstützung!) einen assyrischen Reststaat. Zwei Jahre später um eine allseits bekannte Größe handelt (oder suggeriert dies zumindest). – Ob zwischen den beiden Wendungen WHJVAJ JRBD und HSY RVA-LK in V.28a semantische Kongruenz besteht, ist nicht völlig sicher. Vielleicht ist bei den WHJVAJ JRBD vor allem an königliche Erlasse oder Inschriften zu denken, und der Verwies auf seine übrigen Taten wäre dann auf militärische und administrative Vorgänge (wie das Reformwerk!) zu beziehen. Letztere werden in 1Kön 14,19 allerdings als mYBRJ JRBD bezeichnet. 24 Die Angabe schließt an die Quellennotiz HDWHJ JKLML mJMJH JRBD RPO aus V.28b an und lokalisiert die folgenden Ereignisse innerhalb des durch den Quellenvermerk abgesteckten Zeitraums. 25 Vgl. BM 21901, Z.26–35 (= GLASSNER, Chronicles, Nr. 22, vgl. WEIPPERT, Textbuch, 410–414). Gemäß den Angaben der Babylonischen Chronik erfolgte der gemeinsame Angriff der neuassyrisch-ägyptischen Koalition auf Haran im Monat Dumuzi (Juni / Juli). Dies würde für den Aufmarsch des ägyptischen Heeres entlang der levantinischen Küste auf das Frühjahr 609 v. Chr. hindeuten. – Dagegen haben HOOKER / HAYES, Year, vermutet, Josia sei bereits im Akzessionsjahr Nechos II. 610 v. Chr. von diesem hingerichtet worden. Sie schließen dies aus einer Reihe von Indizien, nach denen Necho bereits im Frühjahr 610 v. Chr. den ägyptischen Thron bestiegen und an der Spitze seines Heeres 610/9 v. Chr. an der Seite der Assyrer gekämpft habe. Erst nach der endgültigen Niederlage der assyrisch-ägyptischen Verbände im Herbst 609 v. Chr. sei der Pharao nach Ägypten zurückgekehrt und habe auf dem Rückweg Jojakim als neuen König in Jerusalem eingesetzt (vgl. 2Kön 23,34). Diese Rekonstruktion der historischen Ereignisse beruht in erster Linie auf der Voraussetzung, dass Necho nach dem Rückzug der Koalition aus Haran im Frühjahr 609 v. Chr. in Nordsyrien verblieb, so dass er Josia bereits im Jahr zuvor getötet haben muss. Allerdings geben uns die vorhandenen Quellen keinen Aufschluss darüber, ob der Pharao das ägyptische Heer während der gesamten, fast anderthalbjährigen Kampfeshandlungen persönlich angeführt hat.
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zog Nabopolassar mit medischer Unterstützung gegen Haran und nahm die Stadt ein.26 Im Jahr darauf (609 v. Chr.) unternahm Aššur-uballiṭ II. gemeinsam mit einem großen ägyptischen Heer einen letzten Rückeroberungsversuch, der jedoch scheiterte.27 Damit ist der Ereignishorizont abgesteckt, in dem Josia den Tod fand. Der ägyptische Pharao Necho II. (610– 595 v. Chr.), der ein Jahr zuvor den Thron über Ober- und Unterägypten bestiegen hatte, war auf dem Weg nach Nordsyrien (Karkemiš?, vgl. 2Chr 35,20), um dem assyrischen König gegen die Babylonier Waffenhilfe zu leisten28, als es zur Begegnung mit dem judäischen König kam. Über die genaueren Umstände dieser Begegnung herrscht jedoch nicht geringe Verwirrung: Hatte Josia die Absicht, den Pharao mit militärischen Mitteln an einer Waffenhilfe zugunsten der Assyrer zu hindern? Oder war Juda Mitglied einer antiägyptischen Koalition, die den Thronwechsel in Ägypten zu einer Loslösung aus der ägyptischen Oberhoheit nutzen wollte? Oder hatte Josia gar kein feindliches Ansinnen, als er Necho entgegen zog, sondern beabsichtigte, den Treueid gegenüber dem neuen Oberherrn zu erneuern? War er am Ende mit weiteren syro-palästinischen Kleinfürsten gar vom Pharao eigens dazu aufgefordert worden? Um es vorweg zu sagen: Wir wissen es nicht. Die Vermutung, Josia sei im Kampf mit den Ägyptern gefallen, geht vor allem auf den Bericht der Chronik zurück (vgl. 2Chr 35,22–24), der sich jedoch als interpretierende relecture der enigmatischen Schilderungen in 2Kön 23,29f. erweist und keinen selbstständigen Quellenwert besitzt.29 26
Die Babylonische Chronik berichtet, dass sich die neuassyrisch-ägyptischen Truppen beim Anmarsch des babylonischen Heeres über den Euphrat zurückgezogen und Nabopolassar die Stadt kampflos überlassen hätten (vgl. BM 21901, Z.61f.). 27 Die Einzelheiten der Auseinandersetzung bleiben einigermaßen im Dunkeln. Es hat jedoch den Anschein, als habe die neuassyrisch-ägyptische Koalition die dreimonatige Belagerung Harans bei Ankunft der babylonischen Hilfstruppen abgebrochen (vgl. BM 21901, Z.68–73). Dies ist die letzte Erwähnung des assyrischen Königs in der Babylonischen Chronik – über sein Ende schweigen die Quellen. Die Ägypter dagegen hielten ihre Stellung in Karkemiš, bis sie durch den babylonischen Kronprinzen Nebukadnezar im Jahr 605 v. Chr. endgültig aus Nordsyrien vertrieben wurden. 28 Die Präposition LY in der präpositionalen Fügung RWVA kLM-LY wird in der Regel durch die direktionale Präposition LA ersetzt (vgl. BHS, z.St.), weil HLY + LY (mit personalem Objekt) die Bedeutung „Krieg führen gegen jmd.“ besitzt (vgl. 1Kön 15,17; 20,22; 2Kön 12,18; 17,3 u.ö.). Da der Pharao gemäß der Babylonischen Chronik jedoch nicht gegen, sondern gemeinsam mit dem Assyrer gegen die Babylonier kämpfte, widerspricht der biblische Wortlaut den historischen Umständen. Oder sollte die Präposition LY in V.29a den Grund angeben, der den Pharao zu seinem Unternehmen bewogen hat („um … willen, zugunsten von“, vgl. HAL3, s.v. LY II.2)? Oder eignet der Präposition an dieser Stelle direktionale Bedeutung (vgl. HAL3, s.v. LY, II.6)? 29 Vgl. JAPHET, 1055–1058. Die chronistische Darstellung des Geschehens wird in 3.Esr 1,28f. und bei Josephus Antiquitates 10,70–77 vorausgesetzt. – Der Text des AradOstrakon Nr. 88, der verschiedentlich mit den Ereignissen um den Tod Josias und den
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Nach der Darstellung der Chronik hätte Josia entgegen der ausdrücklichen Weisung Gottes mit Necho gekämpft, weshalb er ins Verderben gestürzt sei (vgl. V.21). Dieses Szenario ist – im Wissen um die chronistische Geschichtstheologie (!) – in der Forschung wiederholt aufgegriffen und einer historischen Rekonstruktion der Ereignisse zugrunde gelegt worden. 30 Dem älteren Bericht in 2Kön 23,29f. ist jedoch keine eindeutig militärisch-kriegerische Konnotation zu entnehmen. Das liegt vor allem daran, dass die Wendung TARQL kLH semantisch nicht auf eine militärische Auseinandersetzung festgelegt ist, sondern allgemein eine Begegnung zwischen zwei Personen oder Personengruppen bezeichnet.31 Vergleichbares gilt für die Fügung WTA WTARK WDGMB WHTJMJW, die den genauen Zeitpunkt und die Umstände des Todes Josias offen lässt.32
Amtsantritt seines Sohnes Joahas in Verbindung gebracht worden ist, ist zu stark beschädigt, als dass eine historisch verlässliche Deutung möglich wäre (Arad [7]: 88, vgl. HAE I, 302–304, und zuletzt WEIPPERT, Textbuch, 363 [= Nr. 214]). 30 Einen detaillierten Rekonstruktionsversuch hat SPIECKERMANN, Juda, 144–149, unternommen. Er geht davon aus, dass Josia den judäischen Einflussbereich nach Westen bis an die Mittelmeerküste ausdehnen konnte und verweist dafür zum einen auf die judäische Festungsanlage in Me‰ad Ḫašavjāhû (7./6. Jh. v. Chr.) und zum anderen auf das Verbreitungsgebiet der lmlk-Krugstempel, für die er eine josianische Datierung annahm. Die jüngere Forschung hat jedoch gezeigt, dass die Festungsanlage in Meṣad Ḫašavjāhû nur für einen sehr kurzen Zeitraum an der Wende vom 7. zum 6. Jahrhundert v. Chr. genutzt worden ist und vermutlich ägyptischer Kontrolle unterstand (vgl. zuletzt WEIPPERT, Textbuch, 370f.). Als ein Relikt josianischer Expansionspolitik scheidet sie ebenso aus wie die lmlk-Krugstempel, die nach neueren Erkenntnissen aus der hiskianischen Zeit stammen (s. oben, . 406 mit Anm. 827 Lit.!). Damit entfallen jedoch wichtige historischpolitische Rahmenbedingungen für die Rekonstruktion des Konfliktes zwischen Josia und Necho. – Die Ereignisse selbst hatte Spieckermann folgendermaßen rekonstruiert: Josia sei, dem ägyptischen Heer vorauseilend, auf der via maris nach Norden gezogen, um die Ägypter am Ausgang des Wadi ‘āra in einen Hinterhalt zu locken. Das Vorhaben sei jedoch kläglich gescheitert, so dass der König den Tod fand, ohne dass es zu größeren Kampfeshandlungen gekommen wäre. Der ungewöhnliche Aufmarschweg des judäischen Truppenverbandes sei der Präsenz einer ägyptischen Garnison in Megiddo geschuldet gewesen, die einen unbemerkten Zug durch das samarische Bergland unmöglich gemacht hätte. Spieckermann schließt sich hier der These von MALAMAT, Armageddon, 283–286, an, der für das Fort in Megiddo Str. II (7. Jh. v. Chr.) ägyptische Herkunft angenommen hatte. Der Grabungsbefund erlaubt jedoch keine ethnische Zuschreibung des Gebäudes (s. oben, S. 58 Anm. 7). 31 Vgl. Gen 24,65; Ex 4,27; Jos 9,11; 2Sam 19,16; 1Kön 18,16 u.ö. (im feindlichen Sinn ist die Konstruktion in Gen 32,7; 1Sam 23,28; 1Kön 20,27 belegt). Die Chronik ersetzt die Wurzel kLH an dieser Stelle durch AZJ und verstärkt dadurch den feindseligen Charakter der Begegnung (vgl. 2Chr 35,20b). 32 Die präpositionale Infinitivkonstruktion drückt lediglich aus, dass der Tod Josias in einer nicht näher bezeichneten Weise mit der Begegnung zwischen dem König und dem ägyptischen Pharao in Megiddo zusammenhängt. Die Assonanz zwischen liqrā’tô und
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Über die politischen Ziele, die Josia zu einer militärischen Konfrontation mit dem Pharao bewogen haben könnten, kann wiederum nur spekuliert werden: Wollte er ein Erstarken der assyrischen Macht durch ägyptische Hilfe verhindern? Dies ist eher unwahrscheinlich, da der Rumpfstaat der Assyrer in Nordsyrien keine Bedrohung für Juda darstellte und die ägyptischen Interessen in der südlichen Levante einem erneuten Ausgreifen der Assyrer auf die syro-palästinische Landbrücke entgegenstanden. Überdies hatte die Analyse des Reformberichts ergeben, dass sich eine spezifisch antiassyrische Stoßrichtung der josianischen Religionspolitik (und ihrer Repräsentation in den Königsbüchern) nicht nachweisen lässt. Oder war das Vorgehen Josias direkt gegen Ägypten gerichtet? Es gibt verschiedene Hinweise darauf, dass Ägypten unter Psammetich I. gegen Ende des 7. Jh. v. Chr. seinen politischen Machtbereich auf die syro-palästinische Landbrücke bis nach Karkemiš ausdehnen konnte. Zwar lässt sich der Beginn der ägyptischen Kontrolle über die Region nicht mehr präzise bestimmen, gesichert ist jedoch, dass spätestens seit 616 v. Chr. ein assyrisch-ägyptisches Militärbündnis gegen Babylon bestand, und es ist zu vermuten, dass die Assyrer in diesem Zusammenhang Ägypten weitgehend die politische Oberhoheit über Palästina und Südsyrien überlassen hatten.33 In den gleichen Zeitraum gehört eine Stele Psammetichs I. aus dem Jahr 612 v. Chr., auf der der Pharao seinen Herrschaftsanspruch über die phönizischen Küstenstädte propagiert. Ein früherer Zeitpunkt für die Ausdehnung des ägyptischen Machtbereichs nach Palästina ist aus den Quellen nicht zu belegen.34 Die Ereignisse um die Thronfolge in Jerusalem machen kir’otô (’otô) ist kaum zufällig, sondern bezieht beide Vorgänge auf der phonetischen Ebene eng aufeinander. 33 Vgl. BM 21901, Z.1–15 (bes. Z.10f.). Die ägyptische Militärhilfe scheint sich aber auf Unternehmungen beschränkt zu haben, bei denen die babylonischen Truppen entlang des Euphrat bis in nordsyrisches Gebiet vorgestoßen waren, m.a.W., auf solche Fälle, in denen ureigene ägyptische Interessen berührt waren. 34 Diverse Kleinfunde aus Karkemiš aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts belegen zwar den ägyptischen Einfluss in Nordsyrien in der Zeit Psammetichs I. und Necho II., erlauben jedoch keine präzisere Datierung. Ähnliches gilt für die bronzenen Statuetten und Situlen ägyptischer Provenienz, die in Aškalon gefunden wurden und deren Datierung unsicher ist (vgl. SCHIPPER, Israel, 238f.). – Weder die textlich umstrittene Notiz bei Herodot, der berichtet, Psammetich I. habe Ašdod nach 29jähriger Belagerung eingenommen (s. oben, S. 57), noch ein ptolemäerzeitliches Ostrakon aus Karnak, das über administrative Regelungen in Ägypten informiert, denen eine historische Einleitung vorangestellt ist, die den Vorgang in das 28. Jahr Psammetichs I. datiert, als dieser sich „auf dem Weg nach Syrien“ in Daphne, im Ostdelta, aufhielt (vgl. die Bearbeitung des Textes durch J. F. Quack bei WEIPPERT, Textbuch, 399f.), sind geeignet, eine dauerhafte militärische Präsenz Ägyptens in Palästina bereits während der Regierung Assurbanipals zu belegen. In Anbetracht des literarischen Charakters des Ostrakons und der historiographischen Funktion des einleitenden Abschnitts fragt es sich, ob die Notiz überhaupt als his-
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jedoch deutlich, dass Necho II. wie selbstverständlich das Recht zur Einsetzung des neuen Herrschers beanspruchte (vgl. 2Kön 23,33–35). Dies könnte als Hinweis darauf zu lesen sein, dass Juda bereits vor 609 v. Chr. ägyptischer Vasall gewesen war und dass Josia versucht hatte, sich aus dieser Umklammerung zu befreien. Sollte die Eroberung Gazas durch Necho II., von der Herodot (Historien II,159) berichtet, in den Beginn seiner Regentschaft gefallen sein, könnte diese im Zusammenhang mit einer breiteren Aufstandsbewegung in Südpalästina stehen, die den Thronwechsel in Ägypten zum Anlass genommen hätte, um die ägyptische Oberhoheit abzustreifen, und der auch Juda angehört haben könnte. Dann wäre Josias Vorgehen gegen Necho vor diesem Hintergrund zu interpretieren. Da es aber, wie gesagt, unsicher bleibt, ob der Bericht in V.29 überhaupt eine militärische Auseinandersetzung voraussetzt, ist auch ein völlig anderes Szenario denkbar: Josia könnte dem Pharao entgegen gezogen sein, um dem neuen Herrscher Ägyptens seine Loyalität zu bekunden. 35 Sei es, dass die Niederlage Gazas die übrigen Koalitionäre zum Einlenken bewogen hatte, sei es, dass Josia sich aus politischem Kalkül an einem Aufstand gar nicht erst beteiligt hatte. Die Mitteilung über die Ermordung des Königs ließe sich unter diesen Voraussetzungen am einfachsten so erklären, dass er – zu Recht oder zu Unrecht – unter den Verdacht der politischen Agitation gegen Ägypten geraten war und vom Pharao hingerichtet wurde.36 Doch bleiben auch diese Überlegungen spekulativ, da bislang weder ein Vasallitätsverhältnis Judas gegenüber Ägypten zur Zeit Josias noch eine antiägyptische Koalition in Südpalästina beim Amtsantritt Nechos II. aus den Quellen zweifelsfrei belegt werden kann. Die Umstände des Todes Josias bleiben einstweilen ein Rätsel. Der Bericht über die Regierung des Königs schließt mit der Notiz über sein Begräbnis in Jerusalem (vgl. V.30a) und leitet mit der Einsetzung seines Sohnes Joahas zum König zu den wechselhaften Ereignissen um die torischer Beleg für einen Feldzug Psammetichs I. nach Syrien im Jahr 637 v. Chr. herangezogen werden kann. Die Bemerkung des neuassyrischen Königs Assurbanipal, dass Psammetich I. „das Joch meiner Herrschaft abgeworfen hat“, die auf die Vereinigung von Ober- und Unterägypten unter Psammetich im Jahr 656 v. Chr. und die bald danach erfolgte Einstellung der Tributzahlungen an Assyrien anspielt, bezeugt zwar die wieder gewonnene politische Souveränität Ägyptens, die von den Assyrern hingenommen werden musste, nicht jedoch eine politische Ohnmacht Assyriens, in deren Folge die westlichen Provinzen des Reiches quasi en passant an Ägypten gefallen wären. 35 Ob dies aus eigenem Antrieb geschah oder auf Geheiß des Pharao, kann dabei auf sich beruhen. Interessant ist immerhin, dass mit der gleichen Konstruktion wie in V.29 (TARQL kLH) der Zug des judäischen Königs Ahas zu Tiglatpileser III. nach Damaskus beschrieben wird, wo Ahas vermutlich einen Loyalitätseid vor dem neuassyrischen Oberherrn ablegen musste (vgl. 2Kön 16,10). 36 Vgl. NA’AMAN, Kingdom, 51–55.
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Thronfolge Josias in V.31–35 über (vgl. V.30b).37 Nach seiner Ermordung überführen die Diener des Königs den Leichnam des Königs auf seinem Wagen von Megiddo nach Jerusalem38, wo er „in seinem Grab“ (WTRBQB) beigesetzt wird. Letztere Formulierung ist deshalb besonders auffällig, weil eine genauere Lokalisierung der Grablage Josias unterbleibt. Diese „Leerstelle“ ist in den Begräbnisnotizen der Königsbücher singulär 39 und hat bereits in der Septuaginta Anlass zu einer sekundären Textauffüllung gegeben, die sich an die geläufige Formel DWD RJYB … RBQJW anlehnt (vgl. 1Kön 2,11; 11,43; 14,31 u.ö.).40 Wie ist dieser ungewöhnliche Textbefund zu erklären? Es gibt keinen plausiblen Grund, mit einem sekundären Textausfall oder einer bewussten Textkürzung an dieser Stelle zu rechnen, so dass die masoretische Textform als ursprünglich gelten kann. Die Mitteilung, dass die Davididen in der dynastischen Grablege in der Davidsstadt beigesetzt wurden, findet 37 Wie bei seinem Vater wirkte der zRAH-mY auch bei der Inthronisation des Joahas entscheidend mit (s. oben, S. 50–52). Dies deutet auf Streitigkeiten bei der Thronfolge hin, in deren Gefolge Eljakim, der ältere Bruder des Königs, übergangen worden war. Die Tatsache, dass Necho II. Joahas nach seiner Rückkehr aus Nordsyrien gefangen setzte und nach Ägypten bringen ließ und Eljakim an seiner Stelle zum König über Juda ernannte, spricht dafür, dass dieser eine proägyptische Politik betrieb, während die Kreise um Joahas eine eher antiägyptische, nationalistische Politik vertreten haben dürften (ohne dass deshalb gleich von einer probabylonischen Partei gesprochen werden sollte, wie sie später in den Konflikten um den Propheten Jeremia hervortritt). Der Konflikt zwischen Jojakim und dem zRAH-mY tönt vielleicht noch in der Einführung einer pro-Kopf-Abgabe an, die der König erheben ließ, um die (jährlichen?) Tributzahlungen an den ägyptischen Hof aufbringen zu können, und unter der der zRAH-mY besonders gelitten zu haben scheint (vgl. 2Kön 23,34f.). 38 Das Partizip TM ist hier wohl im Sinne von „tot“ zu verstehen (vgl. V.29bb); die Chronik hat es dagegen in der Bedeutung „sterbend“ aufgefasst (vgl. 2Chr 35,23f.). – Die Wurzel BKR kann das Fahren im königlichen (Prunk-)Wagen bezeichnen und legt nicht zwingend den Gedanken an eine militärische Konfrontation nahe (vgl. W EIPPERT, Pferd, 253). 39 In der Chronik begegnet stattdessen der Ausdruck WJTBA TWRBQ („die Gräber seiner Ahnen“), womit vermutlich die königliche Grablege in Jerusalem gemeint ist (vgl. 2Chr 21,1; 25,28; 27,9) – im Ganzen zeigt sich in der Chronik jedoch eine größere Vielfalt in der Gestaltung der Begräbnisnotizen. 40 Siehe oben, S. 36 Anm. 83. Die Lokalisierung des Josiagrabes in der Davidsstadt wiederholt dasselbe Muster, das sich bereits bei der Grablegung Hiskias findet, für die im masoretischen Text kein Äquivalent belegt ist (vgl. 4Reg 20,21 LXXL). Hiskia und Josia werden beide in der altehrwürdigen Königsgruft beigesetzt, zusammen mit ihren königlichen Ahnen. Dagegen wird Jojakim, wie seine Vorfahren Manasse und Amon, die Frevelkönige, im Garten Uzas begraben (vgl. 4Reg 24,6 LXXL). Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass hinter den Grablegungsnotizen des antiochenischen Septuagintatextes ein ausgefeiltes historiographisches System steht, so dass die Leerstelle im masoretischen Text von 2Kön 23,30a nicht ohne weiteres von den Varianten der griechischen Textüberlieferung her aufgefüllt werden kann.
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sich in sämtlichen Todes- und Begräbnisnotizen bis zu Hiskia, über dessen Grablegung nichts berichtet wird (vgl. 2Kön 20,21).41 Spätestens unter Manasse scheinen die Königsgrüfte an einen anderen Ort, in den Garten Uzas, vermutlich der Palast- bzw. Königsgarten, verlegt worden zu sein (vgl. 2Kön 21,18.26).42 Dort wird nicht nur Manasse, sondern – in einem gesonderten Grab (?) – auch dessen Sohn Amon zur letzten Ruhe getragen. Von daher wäre zu erwarten, dass Josia ebenfalls in diesem Grabkomplex bestattet worden ist. Der Text macht dazu keine näheren Angaben. Verschweigt er die Lage der Grabstätte des Königs mit Absicht, um ihn gegenüber seinen Vorgängern, allen voran dem Antipoden Manasse, abzusetzen? Dafür fehlen eindeutige Hinweise im hebräischen Text, und ein solches Vorgehen wäre im Rahmen der Königsbücher ohne Analogie: Gute wie schlechte Könige sind im Tode vereint.43 Oder war dem Verfasser die Lage des Josiagrabes nicht (mehr) bekannt? Diese Hypothese erscheint jedoch nicht zuletzt angesichts der lange anhaltenden Tradition der Totenklage um diesen König, wie sie noch im Bericht der Chronik vorausgesetzt wird (2Chr 35,25, vgl. Jer 22,10), wenig wahrscheinlich. Vielmehr erweckt die Wendung WTRBQB WHRBQJW den Eindruck, dass hier an ein bestimmtes Grab gedacht ist, dessen Lage bei den Adressaten als bekannt vorausgesetzt wird. Ob dieses Grab aber bei seinen direkten Vorfahren im Garten Uzas gelegen war oder an einer anderen Stätte, sagt der Text nicht. Exkurs 4: Einige Überlegungen zum Abschluss der Königsbücher Die Diskussion über die Entstehungsgeschichte der Königsbücher ist seit den einflussreichen Studien von Martin Noth unlöslich mit der Hypothese eines Deuteronomistischen (Groß-)Geschichtswerks verbunden, das die Bücher Deuteronomium bis Könige umfasste.44 Die jüngste Debatte über die Validität dieser Hypothese kann hier nicht aufgerollt
41 Die griechische Textüberlieferung ist an dieser Stelle uneinheitlich: Die antiochenische Textform bezeugt eine Begräbnisnotiz, die dem üblichen Formschema in den Königsbüchern folgt (s. vorige Anm.), der Codex Vaticanus und der Codex Alexandrinus bestätigen dagegen den masoretischen Text. 42 Diese Vermutung wird vielleicht indirekt dadurch gestützt, dass bis einschließlich Ahas alle judäischen Könige „bei ihren Vätern“ in der Davidsstadt begraben werden, während sich diese Wendung bei den späteren Begräbnisnotizen nicht mehr findet; stattdessen scheinen von nun an Einzelgräber vorausgesetzt zu sein (vgl. 2Kön 21,18.26; 23, 30). Lediglich bei Abija fehlt in 1Kön 15,8 im masoretischen Text der Zusatz „bei seinen Vätern“. Bei David (vgl. 1Kön 2,10) und Salomo (vgl. 1Kön 11,43) ist die Abweichung gegenüber der gewöhnlichen Formel durch den Erzählzusammenhang begründet. In 2Kön 9,28 (Ahasja) ist wohl an den Grabplatz des Königs in der Königsgruft gedacht. 43 Vgl. 1Kön 14,31 (Rehabeam); 2Kön 8,24 (Joram); 16,20 (Ahas). 44 Vgl. NOTH, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 3–110.
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werden.45 Im Verlauf der bisherigen Untersuchung ergaben sich jedoch mehrfach Hinweise, die eine (spät-)vorexilische Abfassung der ältesten Textgestalt in 2Kön 22–23 nahe legten, so dass hier wenigstens einige skizzenhafte Überlegungen zum weiteren literarischen Kontext des Berichts angefügt werden sollen. Dabei nötigt der Gegenstand der Untersuchung zu einer Beschränkung auf den Erzählzusammenhang der (Samuel- und) Königsbücher. Gemäß der hier vorgelegten Textanalyse haben sich diejenigen Abschnitte der res gestae Josias, die ausdrücklich die Zerstörung Jerusalems und des Tempels voraussetzen (vgl. 2Kön 22,11–20 und 23,25–27), als konzeptionell eigenständige, redaktionelle Fortschreibungen erwiesen, die das Reformwerk Josias unter veränderten Verstehensvoraussetzungen neu interpretieren. Die ältere Erzählung atmet dagegen noch ganz den Geist der späten Königszeit. Umgekehrt ließen sich keine gesicherten älteren, „vordtr“ Quellenstücke im Erzählgefüge isolieren46, so dass die Erstfassung der Erzählung als genuiner Bestandteil der übergreifenden Komposition der (Samuel- und) Königsbücher angesehen werden muss. Damit stellt sich die Frage nach dem Abschluss der Königsbücher in ihrer spätvorexilischen Gestalt, die im Gefolge der älteren Forschung von F. M. Cross mit dem Hinweis auf die Unvergleichlichkeitsaussage in 2Kön 23,25* beantwortet wurde.47 Die Erstedition der (Samuel- und) Königsbücher sei noch zu Lebzeiten Josias als Propagandaschrift für dessen (Religions-)Politik verfasst worden. Diese Lösung hat sich jedoch als unhaltbar erwiesen, da V.25–27 in toto einer späteren Bearbeitung zuzurechnen sind und die Rahmennotizen in 22,1–2 und 23,28–30 zweifelsfrei den Tod des Königs voraussetzen. Der Bericht entstammt also mit Sicherheit erst der nachjosianischen Zeit. Damit wäre man für die Abfassung der Königsbücher in die neubabylonische Epoche gewiesen, in die Regierungszeit der Könige Jojakim oder Zedekia.48 In der Forschung sind verschiedene Beobachtungen für die Annahme einer redaktionellen Grenze zwischen 2Kön 23,31–25,30 und dem Vorherigen angeführt worden, die sich vor allem auf sprachlich-stilistische Eigentümlichkeiten stützen.49 In einer gründlichen Studie hat zuletzt Aurelius die wichtigsten Argumente für eine (oder mehrere) vorexilische Vorstufe(n) der Königsbücher einer kritischen Prüfung unterzogen und ist dabei zu einem negativen Ergebnis gekommen. „Kein zureichender Grund hat sich gezeigt, die Erstfassung von 2 R 18–25 (oder 21–25 oder auch nur 23:25b/26–25:30) einem Späteren
45
Vgl. zur aktuellen Diskussion VEIJOLA, Deuteronomismusforschung, 15–41, FREDeuteronomistisches Geschichtswerk; RÖMER, Deuteronomistic History; SCHERER, Forschungen. 46 Zu einer abweichenden Einschätzung vgl. LOHFINK, Gattung (zu 2Kön 22,1–20* und 23,1–3.21–23*), und HARDMEIER, König, 133–143 (zu 2Kön 23,4–15*). 47 Vgl. CROSS, Themes, 286f.; zur Forschungslage vor den Überlieferungsgeschichtlichen Studien Noths vgl. NELSON, Redaction, 13–19; VANONI, Beobachtungen, 357 Anm. 6 (Lit.!). 48 In die gleiche Zeit deutet die literarische Verwandtschaft der Königsbücher mit den neubabylonischen Chroniken, die zuletzt Blanco Wißmann analysiert hat. Er befürwortet zwar eine exilische Datierung der Königsbücher (vgl. DERS., Er tat das Rechte), die kultur- und theologiegeschichtlichen Argumente, die er für seine These anführt, sind jedoch nicht zwingend. Dies gilt vor allem für die vermeintliche Alternative einer josianischen oder exilischen Abfassung der Königsbücher. 49 Vgl. WEIPPERT, Beurteilungen; VANONI, Beobachtungen; LEMAIRE, l’histoire; PROVAN, Hezekiah; EYNIKEL, Reform; H ALPERN / VANDERHOOFT, Editions.
VEL,
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als die der vorangehenden Darstellung zuzuschreiben.“50 Darin ist ihm insofern zuzustimmen, als sich eine hiskiazeitliche (oder vorhiskianische) Fassung der Königsbücher anhand bestimmter Variationen in den Königsbeurteilungen schwerlich nachweisen lässt. 51 Weit weniger schlüssig ist dagegen seine Beweisführung gegen eine redaktionelle Grenze in 2Kön 23*. Dies betrifft zunächst die Feststellung, „aufgrund der Königsbeurteilungen besteht somit kein Anlaß, eine Redaktionsgrenze am Ende von 2 R 23 zu vermuten“. 52 Zwar weist Aurelius mit Recht den häufig erhobenen Vorwurf zurück, die Beurteilungen der letzten vier Könige von Juda seien stereotyp formuliert und imitierten ältere Formschemata, und macht stattdessen auf die konsistente Verwendung des Motivs des Vergleichs des Königs mit seinen Vorfahren („Väter“) aufmerksam, das dem vertrauten Muster der übrigen Königsbeurteilungen folgt.53 Wenn er jedoch die pauschale Wendung HWHJ JNJYB YRH SYJW in 2Kön 23,32.37; 2Kön 24,9.19 durch den Hinweis auf eine vergleichbare Stereotypie bei den letzten Königen des Nordreichs erklären will (vgl. 2Kön 15,9.18.24.28) und das Fehlen einer Höhennotiz bei den letzten Königen Judas auf die Idee der Kultzentralisation unter Josia zurückführt, greift die Argumentation zu kurz. Die Wendung JNJYB YRH SYJW HWHJ begegnet bei einem judäischen König zuerst bei Joram (2Kön 8,18) und Ahasja (2Kön 8,27), die beide mit dem Hause Ahabs verwandt bzw. verschwägert waren und deren Verhalten ausdrücklich mit demjenigen der Nordreichskönige parallelisiert wird. Bei letzteren kehrt die Formel HWHJ JNJYB YRH SYJW stereotyp wieder, sie wird jedoch stets durch den Verweis auf die „Sünde Jerobeams“ kontextualisiert, d.h. mit konkreten kultisch-religiösen Vergehen assoziiert – dies ist auch in 2Kön 15 nicht anders. 54 Der nüchterne Gebrauch der Formel ohne jegliche kultisch-religiöse Näherbestimmung beschränkt sich in den Königsbüchern auf die Vorkommen in 2Kön 23–24.55 Die Höhennotiz begeg-
50
AURELIUS, Zukunft, 60, vgl. RÜTERSWÖRDEN, Erwägungen. Vgl. AURELIUS, Zukunft, 24–38. 52 A.a.O., 47. 53 Der Plural WJTBA, der in 2Kön 23,32 (Joahas) und 23,37 (Jojakim) an die Stelle des Singulars tritt, erklärt sich daher, dass die beiden Josiasöhne negativ beurteilt werden und deshalb nicht mit ihrem Vater (oder dem Ahnherrn David) verglichen werden können. „Ein König in Juda wird in der Regel mit seinem unmittelbaren Vorgänger verglichen, aber nicht wenn er anders beurteilt wird als dieser.“ (a.a.O., 46). Eine josiakritische Haltung, wie sie WEIPPERT, Beurteilungen, 333f., angenommen hatte, ist aus 2Kön 23,32.37 nicht zu ersehen. Bei Jojachin liegt die gewöhnliche Formulierung im Singular vor, während sein Nachfolger, der Josiasohn Zedekia, mit dessen Bruder Jojakim verglichen wird (s. oben, S. 53f.). 54 Lediglich bei Schallum, der nur einen Monat regierte, fehlt eine Königsbeurteilung (vgl. 2Kön 15,13–16). – Hosea, der letzte König von Israel, erhält nur eine eingeschränkt negative Beurteilung (vgl. 2Kön 17,2), die vielleicht darauf hindeutet, dass das Stierbild, das Jerobeam I. im Heiligtum von Bet-El aufstellen ließ (vgl. 1Kön 12,28–30) zu seiner Zeit bereits als Kriegsbeute (?) nach Assur verbracht worden war (vgl. Hos 10,5f.), so dass ihm die „Sünde Jerobeams“ nicht mehr zur Last gelegt werden konnte. 55 Bei Manasse und Amon wird die Fügung durch weitere Vorwürfe kultisch-religiöser Missstände illustriert, die sich im ersteren Fall zu einem umfänglichen Lasterkatalog ausgeweitet haben. – RÜTERSWÖRDEN, Erwägungen, 199, hat vorgeschlagen, die verkürzte Variante der Königsbeurteilungen in 2Kön 23,32.37; 24,9.19 als Rückverweis auf die Religionspolitik Manasses und Katalysator des bevorstehenden Untergangs Judas zu interpretieren. Sollten die letzten Könige Judas auf diese Weise als Epigonen Manasses 51
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net umgekehrt nur bei Königen, die eine positive Beurteilung erhalten; sie ist bei den vier letzten judäischen Herrschern also von vornherein nicht zu erwarten. Wenn die verkürzte Ausdrucksweise in 2Kön 23,32.37; 24,9.19 in Übereinstimmung mit der Erzähllogik der Königsbücher als Fernwirkung der josianischen Reform interpretiert wird, verschärft dies nur die Spannung, die zwischen den letzten vier Königsbeurteilungen und den übrigen besteht. „Nach der Reform des Josia bestand für den Bereich der Fremdkulte in Jerusalem eine tabula rasa. In diesem Bereich ist man nicht mehr aktiv geworden … Nach der Reform des Josia gibt es über königliche Fremdkulte nichts mehr detailliert zu berichten.“56 Gegen diese Deutung ist weniger die religionsgeschichtliche Realität anzuführen57, die für die Erzähllogik irrelevant sein kann, als vielmehr der Bruch in der ansonsten kohärenten Kriteriologie der Königsbeurteilungen zu vermerken, die bis 2Kön 23,30 stets das kultisch-religiöse Verhalten der Könige zum Maßstab ihrer Bewertung machen.58 Werden die vier letzten Könige des Südreichs jedoch negativ qualifiziert, ohne dass ihnen im Einzelnen der Vorwurf der Fremdgötterverehrung gemacht würde, spräche dies vielleicht stärker als jede stilistische Beobachtung für eine redaktionelle Grenze in 2Kön 23*.59 Aurelius behauptet dagegen, dass sich in 2Kön 23 keine erkennbare redaktionelle Grenze ausmachen lasse.60 Mit Recht weist er darauf hin, dass Vers 25 nicht den Abschluss eines vorexilischen Königebuches gebildet haben könne, sondern selbst redaktioneller Herkunft sei. Umgekehrt ist es unwahrscheinlich, dass eine ältere Version der (Samuel- und) Königsbücher mit 2Kön 23,23 geendet haben sollte, da sich der hintere Königsrahmen (vgl. V.28–30) nahtlos an die Erzählung anschließt. Am ehesten wäre eine Grenze nach 2Kön 23,30 zu ziehen, obwohl eindeutige literarkritische Indizien dafür fehlen. Das gewichtigste Argument für einen Neueinsatz bleibt daher der signifikante Wechsel in den Königsbeurteilungen ab 2Kön 23,32. Wenn Aurelius gegen den Abschluss einer älteren Darstellung mit 2Kön 23,30 einwendet, „das würde voraussetzen, daß diese
porträtiert worden sein, könnte dies mit der Geschichtshermeneutik des Huldaorakel konvergieren, das die Rückkehr des Volkes zu „vorjosianischen“ Kultpraktiken als Ursache des göttlichen Zorns ausgemacht hatte. Die Beschuldigung Manasses als des allein Verantwortlichen, um dessen Sünde willen, das Gericht über Juda und Jerusalem hereinbricht, wäre von dieser Konzeption noch einmal zu unterscheiden. 56 RÜTERSWÖRDEN, Erwägungen, 197. – Diese Aussage steht jedoch in einer gewissen Spannung zur konzeptionellen Verknüpfung der Notizen mit der Religionspolitik Manasses (s. vorige Anm.), es sei denn man supponiert, dass die letzten vier Königsbeurteilungen quasi im „semantischen Leerlauf“ verwendet würden, um mittels Stichwortverbindung die Untaten Manasses beim Publikum zu evozieren. Dieses Vorgehen wäre jedoch weder mit der sonstigen Verwendung der Formel in den Königsbüchern konsistent noch würde es zu den expliziten Erwähnungen Mansses als Verursacher der Katastrophe passen. 57 Vgl. nur die Schilderung der religiösen Verhältnisse am Jerusalemer Tempel in Ez 8,1–18, die kaum völlig unabhängig von staatlicher Religionspolitik zu erklären sein dürften. 58 Dabei konvergieren die beiden Momente der Kulteinheit und der Kultreinheit (vgl. FREVEL, Anmerkungen, 272f.; BLANCO WISSMANN, Er tat das Böse, 236–238). 59 Oder sollte die Bosheit der letzten judäischen Könige mehr im rechtlich-ethischen Bereich situiert sein (vgl. Jer 22,1–5.13–19)? In diesem Fall wäre der Bruch innerhalb der Königsbeurteilungen jedoch noch tiefer, als bisher angenommen. 60 Vgl. AURELIUS, Zukunft, 48–52.
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umfassende Autoren- und Redaktorenarbeit sofort nach dem unerwarteten Tod Josias in Angriff genommen und vor der Entthronung des Joahas binnen dreier Monate abgeschlossen worden wäre“61, so überspielt er den Unterschied zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit und postuliert, dass der Verfasser seine Darstellung bis in die eigene Gegenwart ausgezogen haben müsse.62 Dies ist jedoch mitnichten der Fall, und es ist sehr wohl denkbar, dass eine Geschichtserzählung aus neubabylonischer Zeit (Ende 7. / Anfang 6. Jh. v. Chr.) mit dem Bericht über die (idealisierte) Josiazeit endete. Dass diese Darstellung auf die Josiazeit als eine abgeschlossene Epoche zurückblickt, ist kein Argument gegen eine spätvorexilische Entstehung der Erstedition der (Samuel- und) Königsbücher, sobald man sich von der Vorstellung löst, es habe sich bei diesem Werk um eine zeitgenössische Propagandaschrift für die josianische Reformpolitik gehandelt. Dass die Darstellung auf die josianische Reform zuläuft und das Verhalten dieses Königs als mahnendes Beispiel der früheren Geschichte wie der Gegenwart des Verfassers vorhält, braucht damit nicht bestritten zu werden, ja dürfte vielmehr die Pragmatik der älteren Erzählung zutreffend beschreiben, in der die Geschichte des Königtums in Israel und Juda zwischen den beiden Polen David und Josia aufgespannt wird. Vergleicht man schließlich die Todes- und Begräbnisnotizen in 2Kön 23,31–25,30 mit dem sonstigen Sprachgebrauch in den Königsbüchern, so fällt auf, dass bei Jojakim, dem einzigen der letzten Könige Judas, der nicht deportiert wird und in der Fremde stirbt, eine Grablegungsnotiz fehlt (vgl. 2Kön 24,6).63 Die einzige Analogie zu diesem Vorgang findet sich bei Hiskia, wo eine nahezu identische Formulierung gebraucht wird (vgl. 2Kön 20,21). Eine intertextuelle Verknüpfung zwischen beiden Stellen ist jedoch kaum intendiert, zumal nicht auszumachen ist, welche Absicht sie verfolgen sollte. Näher läge schon die Annahme, die Notiz über die Grablegung des Königs sei in Anlehnung an Jer 22,18f. (vgl. Jer 36,30f.) ausgefallen – allerdings zeigt die Schilderung der Regierung Jojakims sonst keine Einflüsse der Königskritik aus Jer 22,13–19. Oder sollte die fehlende Grabtradition als Hinweis darauf zu lesen sein, dass der Verfasser – im Unterschied zur Angabe über Josia in 23,30 – über keine genaueren Kenntnisse der Lage der Grabstätte Jojakims mehr verfügte? Dies könnte für eine spätere Abfassung des Abschnitts sprechen, dessen Verfasser keine Lokaltradition über das Grab Jojakims bekannt war. Eine Auffüllung der Leerstelle durch die übliche Wendung DWD RJYB WJTBA-mY RBQJW verbot sich, seitdem die althergebrachte Grablege der Könige im 7. Jh. v. Chr. aufgegeben worden war. Um es deutlich zu sagen: Die alleinige Beweislast für eine redaktionelle Grenze in 2Kön 23 vermag die Sterbenotiz Jojakims nicht zu tragen, wie bereits ein Blick auf
61
A.a.O., 51. Ganz analog hatte bereits NOTH, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 12, argumentiert, als er die Abfassung des Deuteronomistischen Geschichtswerks in die Zeit kurz nach der Begnadigung Jojachins datierte (vgl. 2Kön 25,27–30). 63 Die Chronik löst das Problem, indem sie die erste Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar II. noch in die Regierungszeit Jojakims verlegt, der vom babylonischen König gefangen genommen und nach Babylon gebracht wird (vgl. 2Chr 36,6f.). Sein Sohn Jojachin erleidet anschließend das gleiche Schicksal wie zuvor Joahas und wird von Nebukadnezar durch seinen Bruder (!) Zedekia ersetzt (vgl. 2Chr 36,9f.). – Die antiochenische Texttradition enthält in 4Reg 24,6 eine Begräbnisnotiz für Jojakim, die derjenigen Manasses und Amons nachgebildet ist. WÜRTHWEIN, 469, erwägt daher für den masoretischen Text einen Textausfall durch Homoioteleuton; die Mehrzahl der griechischen Handschriften stützt jedoch die masoretische Lesart, und die Variante im antiochenischen Text ist sehr wahrscheinlich das Resultat gelehrter Nacharbeit (s. oben, S. 464 Anm. 40). 62
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2Kön 20,21 lehrt. Der Befund bleibt dennoch auffällig und harrt bislang einer überzeugenden Erklärung.
Es wird vorerst dabei bleiben müssen, dass eine literarkritisch signifikante, redaktionsgeschichtliche Grenze in 2Kön 23 schwierig zu bestimmen ist. Dennoch sprechen kompositionsgeschichtliche Indizien für die Annahme eines spätvorexilischen Erzählwerks über die Geschichte des Königtums in Israel und Juda, das auf die Erzählung über die Reformpolitik Josias in 2Kön 22–23* als Kulminationspunkt zulief.64 Es dürfte deutlich sein, dass unter diesen Voraussetzungen nicht zuletzt die literarische Komposition des Reformberichts selbst in den Rang einer bedeutsamen historischen Quelle für die Rückfrage nach den religionsgeschichtlichen Entwicklungen im spätvorexilischen Juda rückt. Wohl gemerkt, die literarische Gestaltung der Überlieferung ist als solche ernst zu nehmen und auf die in ihr erzählte Welt hin zu befragen, die nicht einfach mit dem Verlauf der Ereignisse gleichgesetzt werden darf. Eine pauschale Abwertung der biblischen Überlieferung als einer späten, ideologisch verzerrten Darstellung der historischen Gegebenheiten wird jedoch weder dem literarischen noch dem historischen Befund gerecht. Die Rückfrage nach den historischen Verhältnissen führt nur über die erinnerte Geschichte der erzählten Welt. Dass diese für die geschichtliche Rekonstruktion keineswegs die einzige Quelle darstellt, geschweige denn eine hermeneutische Richtlinienkompetenz besitzt, bedarf nach der vorausgegangenen Untersuchung keiner weiteren Begründung mehr.65
64 Hier ist jedoch daran zu erinnern, dass sich textübergreifende redaktionsgeschichtliche Modelle stets an der Interpretation der Einzeltexte zu bewähren haben und nicht umgekehrt der textliche Befund gewaltsam einem vorgegebenen Textentstehungsmodell angepasst werden darf. Dies bedeutet, dass die vorliegende Untersuchung nur einen Baustein für eine redaktionsgeschichtliche Theoriebildung über die Entstehung der Königsbücher bereitstellt, die durch weitere Einzeltextanalysen überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden muss. Dies betrifft vor allem die literarhistorische Einordnung der sicher exilischen oder nachexilischen Textanteile in den (Samuel- und) Königsbüchern, deren sekundärer Charakter jeweils am Einzeltext aufzuweisen wäre und nicht a priori vorausgesetzt werden kann. Hieran wird sich die Valenz des oben skizzierten Modells zu bewähren haben. Dass es dabei im Einzelfall zu divergierenden Beurteilungen einzelner Textphänomene kommen kann, steht außer Frage und schränkt den formulierten hermeneutischen Grundsatz in keiner Weise ein. 65 Vgl. zur Verhältnisbestimmung biblischer und außerbiblischer Quellen und zu den Kriterien ihrer Interpretation und Korrelation die Hinweise bei FREVEL, Anmerkungen, 267–276, und PIETSCH, Steine.
Ertrag
Die josianische Reform – Werk und Wirkung Gab es eine josianische Kultreform? Die Ausgangsfrage der vorliegenden Untersuchung kann bei aller methodisch gebotenen Vorsicht angesichts der begrenzten Datenmenge, die für eine historische Rekonstruktion zur Verfügung steht, mit guten Gründen bejaht werden. Dabei hat sich die methodische Prämisse bewährt, die historische Rückfrage nicht a priori unter das hermeneutische Primat der einen oder anderen Quellengruppe zu stellen. Stattdessen sollten alle zur Verfügung stehenden Quellen gesichtet und nach den Regeln der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin kritisch interpretiert werden, um aus den so gesammelten Daten ein möglichst konsistentes Gesamtbild der untersuchten Epoche zu gewinnen. Dieses methodische Verfahren verspricht am ehesten die anhaltende Kontroverse zwischen sog. „Minimalisten“ und „Maximalisten“ bei der Rekonstruktion der (Religions-)Geschichte Israels und Judas zu überwinden. Dies kann jedoch nur um den Preis einer kritischen Neubewertung der Quellen und der hermeneutischen Voraussetzungen ihrer Interpretation geschehen, wobei stärker als bisher zu berücksichtigen sein wird, dass angesichts der zur Verfügung stehenden Daten(-menge) mit „Leerstellen“ oder „Unschärfen“ im historischen Weichbild gerechnet werden muss.1 Die Anwendung dieses methodischen Grundsatzes hat zu einer neuen Gesamtsicht der religionspolitischen Reformen Josias geführt, die hier in ihren Grundzügen noch einmal rekapituliert werden soll, ohne die Befunde im Detail zu wiederholen. Anschließend soll der Blick auf die ideengeschichtlichen Voraussetzungen gerichtet werden, die dem Reformwerk sein Gepräge gegeben haben. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis der vorliegenden Arbeit angesichts der gegenwärtigen, höchst kontroversen Forschungsdiskussion betrifft die literarische Analyse und damit verbunden den historischen Quellenwert des biblischen Berichts über die Regierung 1 Diese Überlegungen schließen an Beobachtungen von BLUM, Notwendigkeit, an, die dieser im Blick auf die moderne Rekonstruktion der alttestamentlichen Literaturgeschichte zur Diskussion gestellt hat. Dabei ist es nicht darum zu tun, die Möglichkeit einer methodisch kontrollierten, historischen Rekonstruktion der literatur- und religionsgeschichtlichen Prozesse im alten Israel in Abrede zu stellen, vielmehr bedarf gerade eine kritische und historische Rekonstruktion der hermeneutischen Reflexion ihrer Grenzen, um nicht selbst a-historisch zu werden.
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Ertrag
des Königs Josia in 2Kön 22,1–23,30*. Entgegen mancher anders lautenden Einschätzungen hat sich der Abschnitt, von einzelnen Nachträgen und Ergänzungen abgesehen, als zusammenhängende Erzählung erwiesen, die von Anfang an für den literarischen Großtext der (Samuel- und) Königsbücher konzipiert worden ist. Dies geht untrüglich aus den dtr verfassten Rahmenteilen (vgl. 22,1–2; 23,28–30) sowie weiteren intertextuellen Querverbindungen in die Königsbücher hervor. Die Grunderzählung atmet noch ganz den Geist der späten Königszeit und bildete ursprünglich die Klimax und den Abschluss eines spätvorexilischen Geschichtswerks über die Geschichte des Königtums in Israel und Juda, in das vermutlich ältere Erzählüberlieferungen aufgenommen worden sind.2 Diese These stützt sich vor allem auf textimmanente Beobachtungen zur Erzählpragmatik des Berichts über die res gestae Josias.3 Trifft die vorgeschlagene literarhistorische Einordnung der Erzählung im Kern das Richtige, kommt dem Bericht über die Kultreform Josias in 2Kön 22–23* ungeachtet des historiographischen Interesses seines Verfassers eine erstrangige Bedeutung als historische Quelle für die Rekonstruktion der Religionsgeschichte Judas in der späten Königszeit zu. Damit ist nicht gesagt, dass die narrative Darstellung der Königsbücher die historischen Abläufe im Einzelnen detailgetreu wiedergibt, vielmehr ist die literarische Struktur der Erzählkomposition möglichst genau zu bestimmen und ihre narratologische Disposition in den Gesamtaufriss des Erzählwerks einzuzeichnen. So wird etwa der sog. „Fundbericht“ (vgl. 22,3– 10), dessen literarische Gestaltung mit Händen zu greifen ist, kaum als historische Keimzelle des Reformprozesses wahrscheinlich gemacht werden können. Zwar verbleibt die erzählte Welt im Rahmen dessen, was für die zeitgenössischen Adressaten historisch plausibel sein konnte, wie der Vergleich mit den altorientalischen Parallelen gezeigt hat, das Motiv wird vom Erzähler jedoch bewusst als literarisches Stilmittel eingesetzt, um die Autorität der königlichen Reform zu unterstreichen.4 Der konzeptionelle Zu2 Hier wäre vor allem an die ältere David- und Salomoüberlieferung zu denken, wie sie in unterschiedlicher Weise von DIETRICH, Königszeit, 229–273, und WILLI-PLEIN, Davidshausgeschichte, rekonstruiert worden ist. Dagegen rechnen die redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen von FISCHER, Hebron, und vor allem RUDNIG, Davids Thron, und ADAM, Saul, mit umfangreichen, bis in die hellenistische Zeit hinab reichenden Fortschreibungsprozessen im Bereich der Daviderzählungen (vgl. auch VAN SETERS, Saga). 3 Vgl. die redaktionelle Einfügung des Huldaorakels (2Kön 22,11–20) und des geschichtstheologischen Reflexionstextes 2Kön 23,25–27, die den älteren Textbestand im Lichte der Exilskatastrophe jeweils neu interpretieren. 4 Deshalb ist aber der Charakter der Funderzählung in V.3–10 noch nicht als „Legitimationslegende des Deuteronomiums“ zu bestimmen, wie öfters behauptet wird (vgl. WASCHKE, Einleitung, 4). Weder wird die schriftliche Sammlung der Tora in der Erzäh-
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sammenhang von Verpflichtungszeremonie, Neuordnung des Kultes und Passafeier kann dagegen eine historische Plausibilität für sich beanspruchen, die zumindest eine tentative Rekonstruktion der Ereignisse erlaubt. Dies ist jedoch besonders für die Verpflichtungsszene in 2Kön 23,1–3 und den Bericht über die gemeinsame Passafeier in Jerusalem in V.21–23 nachhaltig bestritten worden. Beide Abschnitte werden häufig als (spät)dtr Programmtexte beurteilt, die das Vorgehen Josias als Erfüllung der Forderungen der dtn / dtr Tora kennzeichnen. Ein detaillierter Textvergleich zeigt jedoch, dass zwischen der Bundeskonzeption des Deuteronomium und seiner Passaordnung (vgl. Dtn 16,1–8) und den einschlägigen Passagen des Reformberichts erhebliche Unterschiede bestehen, so dass sich eine literarische Abhängigkeit beider Textpartien vom Deuteronomium nicht nahe legt.5 Gibt es somit keinen zwingenden Grund, die Verse der Grunderzählung abzusprechen, so bleibt die Möglichkeit bestehen, dass die szenische Strukturierung der Ereignisse ganz auf das Konto des Erzählers zu schlagen ist. So wenig dies im Grundsatz ausgeschlossen werden kann (und so sehr der Verpflichtungsszene für die Erzählkomposition eine wichtige Scharnierfunktion zukommt!), eignet der Szenerie von öffentlichem Verpflichtungsakt, Reorganisation des staatlichen Kultes und gemeinsamer Passafeier doch eine rituelle Kohärenz, die ein hohes Maß an religionsgeschichtlicher Plausibilität besitzt.6 Es besteht daher keine Notwendigkeit, die Angaben des Textes grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, selbst wenn der chronologische Verlauf der Ereignisse im Einzelnen nicht mehr zu rekonstruieren ist. So ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sich die einzelnen Reformakte über einen längeren Zeitraum erstreckt haben und nicht sämtlich in das achtzehnte Regierungsjahr Josias fielen. Der Reformbericht im engeren Sinne (vgl. 2Kön 23,4–20*) ist aufgrund seiner sprachlichen Besonderheiten oft als eigenständige literarische Einheit behandelt worden. In jüngster Zeit hat etwa C. Hardmeier einen umfangreichen vordtr Katalog von Kultbeseitigungsmaßnahmen literarkritisch zu isolieren versucht, der dem Erzähler als Quelle gedient habe. 7 Die hier vorgelegte Analyse gelangt dagegen zu dem Ergebnis, dass der Bericht zwar ältere Überlieferungen verarbeitet hat, diese jedoch nicht mehr literarkritisch isoliert werden können. Umgekehrt hat der Reformbericht umlung mit dem Deuteronomium identifiziert, noch dient das Huldaorakel als Approbation der schriftlichen Tora. 5 Die Verpflichtungszeremonie weist jedoch Spuren einer spätdtr Bearbeitung auf, die den Akt der Selbstverpflichtung von König und Volk an die Torakonzeption des Deuteronomium annähert (s. oben, S. 189–197). 6 Mit der Verpflichtung auf die schriftliche Tora ist die Grundlage für die Reorganisation des Kultes gegeben, dessen Wiederherstellung mit der Feier des Passa abgeschlossen wird. 7 Vgl. HARDMEIER, König, 145 (Textrekonstruktion).
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fangreiche redaktionelle Erweiterungen erfahren, die vor allem seine intertextuelle Vernetzung nach vorne verstärken und den Reformen ein gesamtisraelitisches Gepräge geben.8 In seiner ältesten Fassung bestand der Bericht vermutlich aus V.4a.5*.6–8.10–12.15a* und war von Anfang an Bestandteil der Erzählkomposition in 2Kön 22f.*. Die Maßnahmen konzentrierten sich auf kultische Einrichtungen am Jerusalemer Tempel und im Bereich der Hauptstadt (vgl. V.8b.10), schlossen aber auch „offizielle“ Kulteinrichtungen in der Landschaft Juda und in Bet-El ein (vgl. V.8b.15*). Daraus ist zweierlei ersichtlich: Erstens umfasste die königliche Kultreform ausschließlich den Bereich der offiziellen, staatlich geförderten (und kontrollierten) Religion. Dies ist mit Blick auf das königliche Heiligtum am Residenzort evident, gilt jedoch ebenso für die Kulteinrichtungen in den befestigten Städten und Forts des judäischen Staatsgebiets (TWMB, vgl. V.8a), die nach der Darstellung der Königsbücher der staatlichen Aufsicht unterstanden, und für den Kult in Bet-El, das seit alters im Rang eines königlichen Heiligtums stand (vgl. Am 7,12f.). Die Ebene der Familienreligion, d.h. die Volksfrömmigkeit, war von den Reformen lediglich insofern betroffen, als eine strikte Unterscheidung zwischen beiden Bereichen religionsgeschichtlich wenig plausibel erscheint, sondern mit einer wechselseitigen Beeinflussung gerechnet werden muss. Letzteres kann wohl in besonderer Weise für den Kreis der königlichen Familie und der höfischen Beamten gelten, die mindestens in Teilen zum Trägerkreis der Reform gehört haben und für die eine enge Verbindung von persönlicher Frömmigkeit und öffentlicher Religionspraxis angenommen werden darf. Das Reformwerk Josias hat jedoch keinen religiösen Monismus hervorgebracht. Stattdessen hat es neben der offiziellen Religionspraxis eine Vielzahl divergierender religiöser Vorstellungen und kultischer Praktiken im Bereich der familiären Religion gegeben, und das Bild der gelebten Religion, wie es uns in den kulturgeschichtlichen Zeugnissen jener Epoche entgegentritt, spiegelt diese Vielfalt wider. Zweitens gehen die Bemühungen um Kultreinheit und Kulteinheit im Reformbericht Hand in Hand und können nicht auf unterschiedliche Bearbeitungsstufen verteilt werden. Sondern „der Konzentration des YHWHKultes auf Jerusalem inhäriert ein Moment der Reduktion des Polytheismus“, wie umgekehrt „die Kultreinheit zumindest in Teilen in der Konse-
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Neben vereinzelten redaktionellen Glossen können V.4b.9.13f.15*.16–20 als spätere Zusätze betrachtet werden, die aber sehr wahrscheinlich nicht von einer Hand stammen. Der historische Ort dieser Erweiterungen kann in den meisten Fällen nicht mehr sicher bestimmt werden.
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quenz der Kulteinheit (liegt)“.9 Eine wirkungsvolle Kontrolle der offiziellen Kultpraxis wird durch deren Zentralisation wesentlich erleichtert. Die praktische Durchführung der Kultzentralisation zur Zeit Josias wurde dabei durch zwei Faktoren begünstigt: zum einen lässt sich archäologisch ein starker Rückgang von Heiligtümern in Juda in der EZ IIB (8./7. Jh. v. Chr.) beobachten, so dass sich die Frage stellt, ob nicht im Gefolge des Palästinafeldzugs des assyrischen Königs Sanherib (701 v. Chr.) eine Zentralisierung des Kultes auf Jerusalem faktisch bereits vorgebildet war. Andererseits war Jerusalem seit dieser Zeit unumstritten das politische, administrative und religiöse Zentrum des judäischen Reststaates und ist dies bis zum Ende der judäischen Monarchie geblieben. Dies brachte im Verlauf des 7. Jh.s v. Chr. weitgreifende verwaltungstechnische Umstrukturierungen mit sich, die den Zentralismus des Staatswesens stärkten (z.B. die Reorganisation des Rechtswesens, vgl. Dtn 17,8–13) und in die sich die Kultzentralisation problemlos einfügt.10 Ob dieser Vorgang historisch in direktem Zusammenhang mit der Reorganisation des Jerusalemer Tempelkultes unter Josia und den Zentralisationsgesetzen des Deuteronomium stand, kann hier offen bleiben. Die Zentralisationsnotiz in 2Kön 23,8a ist zwar nicht als Erfüllungsnotiz der dtn Zentralisationsgesetze gestaltet, die Durchführung der Kultzentralisation könnte jedoch durch die monojahwistische Stoßrichtung der dtn Gotteskonzeption (vgl. Dtn 6,4) in Verbindung mit der Jerusalemer Kulttradition begünstigt worden sein. Eine exilische Situierung der Zentralisationsidee ist dagegen weniger plausibel. 11 Neben der Kultzentralisation steht die Reorganisation des Jerusalemer Tempelkults im Mittelpunkt der religionspolitischen Reformen Josias. Im Reformbericht scheint dies prima facie auf eine Beseitigung der Verehrung fremder Götter abzuzielen (vgl. Ex 20,3 // Dtn 5,7). Die traditions- und religionsgeschichtliche Analyse des Textes mahnt hier jedoch zur Vorsicht. Zwar zeigt sich vor allem hinsichtlich der astralen Kultpraktiken, die dem königlichen Verdikt verfallen (vgl. V.4f.*11f.*), der Einfluss der Gestirnsverehrung, der im 7. Jh. v. Chr. vor dem Hintergrund aramäisch-neuassyri9 FREVEL, Anmerkungen, 273. „Schon aus der Sicht eines ‚minimalist approach‘ wären im Ansatz die beiden Säulen genannt, die den Nukleus des Reformberichts bilden: Kultreinigung und Kultzentralisation.“ (WASCHKE, Einleitung, 9). 10 Siehe oben, S. 339–342. 11 Das Vorgehen gegen den Altar in Bet-El liegt religionspolitisch auf der Linie der Kultzentralisation, ohne dass beide Ereignisse historisch zusammengefallen sein müssen. Sollte die Notiz in Vers 15* historisch verlässliche Erinnerungen bewahren, wäre dies ein Beleg dafür, dass Bet-El in der späten Königszeit unter judäischen Einfluss geriet, wie dies später für die babylonische und persische Zeit vorausgesetzt ist. Daraus kann jedoch nicht auf eine restaurative Expansionspolitik Josias in das Gebiet der vormals assyrischen Provinz Samerīna geschlossen werden, ganz abgesehen davon, dass von einer kriegerischen Eroberung Bet-Els im Text nicht die Rede ist.
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scher Vorstellungen in der gesamten südlichen Levante zu beobachten ist. Es ist jedoch möglich, dass diese (und andere) Praktiken von den Kultteilnehmern als jahwistisch angesehen wurden, so dass hier streng genommen eine „religionsinterne Grenzziehung“ erfolgt, die literarisch als „Abgrenzung nach außen interpretiert wird“.12 Dies gilt wohl in gleicher Weise für den Ascherakult (vgl. V.6f.) und die funerären Riten im Ben-Hinnomtal (vgl. V.10). Damit liegt die Reform auf einer Linie, die auf das erste Gebot hinläuft, dies literarisch jedoch nicht notwendig voraussetzt.13 Der Einheit Jahwes korrespondiert der reine Jahwekult, der jede Mehrdeutigkeit oder Verwechslung des Gottes Israels ausschließt. Das religionsgeschichtliche Profil des Reformberichts hat in dieser Restriktion seine innere Einheit, nicht in einem antiassyrischen Milieu, das in der Forschung häufiger als einigendes Band der Reform betrachtet worden ist. Einflüsse assyrischer Religion und Kultpraxis auf den Jerusalemer Tempelkult sind zwar aufweisbar, ihnen stehen jedoch aramäische, phönizische und kanaanäische Traditionen zur Seite, die das Gesicht des spätvorexilischen Jahwekults mit bestimmten. Exkurs 5: Zur These einer imperialistischen Religionspolitik der Assyrer Vor allem unter dem Eindruck der extensiven Analyse der neuassyrischen Religion in ihrer Spätform und der These einer imperialistischen Religionspolitik der neuassyrischen Herrscher, wie sie H. Spieckermann formuliert hat, ist der religionsgeschichtliche Hintergrund der josianischen Reformbestrebungen in der jüngeren Forschung wiederholt mit einer antiassyrischen Stoßrichtung in Verbindung gebracht worden. Spieckermann hatte besonders auf die Bedeutung der Astrologie für die neuassyrische Religion in der Sargonidenzeit aufmerksam gemacht und von ihr her das verstärkte Auftreten astraler Symbolik im Jerusalemer Kult erklärt.14 Darin sind ihm andere gefolgt und haben versucht, die Astralisierung der judäischen Religion im Gefolge der politischen Vorherrschaft der Assyrer als einigendes Band der verfemten Kultpraktiken zu bestimmen.15 Der religionsgeschichtliche Vergleich und die kritische Sichtung der späteisenzeitlichen judäischen Glyptik haben hingegen ein differenziertes Bild ergeben: Auf der einen Seite können die Zunahme astraler Symbolik und die Übernahme divinatorischer Praktiken im Umkreis des Jerusalemer Tempels mit der überregional nachweisbaren Aufwertung astralreligiöser Kultsymbolik in der südlichen Levante in dieser Epoche in Zusammenhang gebracht werden. Dieses internationale Phänomen ist zweifellos durch die assyrische Vorherrschaft stark begünstigt worden, hat im syro-palästinischen Raum aber vor allem durch aramäische Vermittlung Eingang gefunden. Die Adaption divinatorischer Praktiken im politischen Alltagsgeschäft ist als Nachahmung neuassyrischer Vorbilder 12 WEIPPERT, Synkretismus, 22 (Hervorhebung vom Vf.), der dies mit Blick auf die Diastase von Jahwe und Ba‘al im Hoseabuch formuliert hat. 13 Die verbreitete Spätdatierung des ersten Gebots hat zuletzt FREVEL, Anmerkungen, 272f., mit dem Hinweis auf die josianischen Reformen in Frage gestellt. 14 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 227–306. 15 Hier sind vor allem die religionsgeschichtlichen Untersuchungen von KOCH, Aschera, und DERS., Molek, zu nennen.
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ebenfalls gut verständlich. Auf der anderen Seite ist der Befund der judäischen Glyptik, der gern als Indikator für die Astralisierung der judäischen Religion in der EZ IIC in Anspruch genommen wird16, bei einer kritischen Durchsicht des einschlägigen Materials, das derzeit zur Verfügung steht, eher dürftig und kaum dazu angetan, von einer astralen Überformung der judäischen Religion zu sprechen. Dies bestätigt die religionsgeschichtliche Analyse der übrigen Reformnotizen, die neben aramäischen (Torheiligtümer, vgl. V.8b) und phönizischen (funeräre Riten im TPT, vgl. V.10) Einflüssen syro-palästinische Traditionen erkennen lassen (Ascherakult, vgl. V.6f.), die das Bild der spätvorexilischen Religion in Jerusalem und Juda geprägt haben. Dieser Befund widerrät einer monistischen Erklärung der religiösen Verhältnisse am Jerusalemer Tempel in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. Mindestens genauso wichtig wie die religionsgeschichtliche Analyse des Reformberichts war die Annahme, die assyrischen Könige hätten von ihren Vasallen die unbedingte Anerkennung und kultische Verehrung der großen Götter Assyriens, allen voran des Hauptgottes Aššur, gefordert. Als Beleg für diese These führt Spieckermann zunächst einen Passus aus einer Memorialinschrift Tiglatpilesers III. an, der in drei fragmentarisch erhaltenen Versionen überliefert ist, die alle im unvollendet gebliebenen Palast des Königs in Nimrud gefunden wurden.17 In dieser Inschrift berichtet Tiglatpileser III. von seinem Feldzug gegen die philistäische Stadt Gaza im Jahr 734 v. Chr. Nachdem er die Stadt erobert hatte, stellte er dort als Zeichen der assyrischen Oberherrschaft eine Statue der großen Götter (ṣalam ilāni rabûti) und ein Selbstbildnis (ṣalam šarrūtia) aus Gold auf, wobei unklar bleibt, ob der Text von zwei Bildwerken oder nur von einer Königsstatue spricht, auf der der Herrscher in anbetender Haltung vor den Symbolen der großen Götter dargestellt war, wie dies für die neuassyrischen Königsstelen üblich ist. 18 Entscheidend ist aber der Nachsatz [a]na ilāni mātišunu amnuma („und ich rechnete [sie] zu den Göttern ihres Landes“), den Spieckermann so interpretiert, dass Tiglatpileser III. die assyrischen Reichsgötter an die Stelle der deportierten lokalen Götter(-bilder) gesetzt habe.19 Die aggressive, imperialistische Religionspolitik, die sich im Vorgehen des neuassyrischen Großkönigs ausspreche, ist nach Spieckermanns Einschätzung keine Ausnahme, sondern spiegele das „normale“ Prozedere wider. Während die neuassyrischen Inschriften zwar häufig von der Deportation oder Zerstörung einheimischer Götterbilder berichten, finden sich Angaben über die Einsetzung assyrischer Götter in die lokalen Panthea unterworfener Gebiete nur sehr selten. Dies habe seinen Grund darin, dass die Berichterstattung der Annalen und Königsinschriften „im Bereich des Regulären und Normalen“ recht selektiv verfahre. „So wenig nach einem ass. Sieg immer alle Elemente dieses Ablaufs (sc. der festen Regelungen im Gefolge von Feldzügen) genannt sind, so
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Vgl. UEHLINGER, Kultreform, 65–67. Text und Übersetzung bei SPIECKERMANN, Juda, 325–327, vgl. jetzt die synoptische Textrekonstruktion bei TADMOR, Inscriptions, 222–225, der auch W EIPPERT, Textbuch, 292, folgt. 18 TADMOR, Inscriptions, 177, denkt lediglich an die Aufstellung eines königlichen Standbildes: „It would seem that in the case of Gaza not two revered objects – a stele and a statue – but only one was involved: a golden (or gold-plated) statue of the king, with symbols of gods upon his breast.“ 19 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 329. Die fragliche Textzeile hat sich nur in der Summary Inscription Nr. 4 erhalten (Z.11', vgl. TADMOR, Inscriptions, 140). 17
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erscheinen doch regelmäßig einige von ihnen, ohne daß damit ausgeschlossen wäre, daß nicht genannte Maßnahmen auch tatsächlich nicht durchgeführt worden wären.“20 Zur Stützung seiner These verweist Spieckermann auf die Zinçirli-Stele Asarhaddons und einen Passus aus den Annalen Assurbanipals, in denen davon die Rede ist, dass diese Könige den unterworfenen Gebieten regelmäßig Abgaben (sattuki ginû) für Aššur und die großen Götter Assyriens auferlegten.21 Es ist jedoch höchst unsicher, ob damit die Einführung assyrischer Kulte in den eroberten Regionen gemeint ist, da sich in den einschlägigen Quellen keinerlei Belege für assyrische Kulteinrichtungen außerhalb des assyrischen Territoriums namhaft machen lassen. Der Aššurkult selbst war auf den Aššurtempel in der Hauptstadt Assur beschränkt, dessen Versorgung den einzelnen Provinzen des Reiches oblag.22 Entweder belegen die genannten Inschriften einen provinzähnlichen Status der betreffenden Regionen, oder ihnen werden besondere Abgaben für den Kult der Landesgötter auferlegt – ebenso wie für Privatpersonen die Leistung von gesonderten Abgaben für den Aššurtempel bekannt ist. Den Nachweis für die Einrichtung assyrischer Kulte in Klientelstaaten vermögen diese Belege ebenso wenig zu leisten wie der Hinweis auf die kultischen Verpflichtungen der Vasallen in den adê-Verträgen Asarhaddons, die Spieckermann beigezogen hat.23 Zwar geht die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber dem assyrischen König (und dem Kronprinzen) mit derjenigen zur Verehrung des Reichsgottes Aššur und der großen Götter Assyriens in den Texten Hand in Hand, daraus lässt sich jedoch nicht auf die Installation assyrischer Kulte bei den Vasallen schließen. Stattdessen setzen die Texte die Handlungseinheit von König und Gottheit voraus, wonach die Herrschaft des assyrischen Großkönigs den universalen Herrschaftsanspruch Aššurs vertritt und jedes Aufbegehren gegen die assyrische Oberhoheit eine Verletzung der Loyalitätspflicht gegenüber den Reichsgöttern darstellt.24 Anders gesagt: Die Verehrung Aššurs und der Götter Assyriens verwirklicht sich in der Anerkennung der politischen Oberhoheit Assyriens und der Loyalität gegenüber dem assyrischen König. Diese Auffassung wird dadurch gestützt, dass in den Königsinschriften als Verletzungen der vertraglichen Regelungen ausnahmslos politische Vergehen genannt werden (Aufkündigung der Vasallität, Einstellung von Tributleistungen, konspirative Bündnispolitik gegen Assyrien)25, deren Reglementierung wiederum in der Handlungseinheit von Großkönig und Reichsgott vollzogen wird.26 Es verbleibt der eingangs erwähnte Beleg aus der Zeit Tiglatpilesers III., der nicht zuletzt aufgrund des fragmentarischen Textzustands schwierig zu interpretieren ist. Die Aufstellung der Stele(n) im königlichen Palast von Gaza rät bereits zur Vorsicht. Sollte es sich bei dem Bild tatsächlich um eine Königsstatue nach dem üblichen Muster gehandelt haben, die stets sichtbares Symbol assyrischer Religion und politischer Oberhoheit waren, stellt sich die Frage, ob die Aussage „und ich rechnete (sie) zu den Göttern ihres
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SPIECKERMANN, Juda, 324. Vgl. a.a.O., 338–343. 22 Darin bestand ein wichtiger Unterschied zwischen den Provinzen des neuassyrischen Reiches und den Klientel- oder Vasallenstaaten, die keine regelmäßigen Abgaben zur Versorgung des Aššurtempels zu leisten hatten (vgl. HOLLOWAY, Aššur, 100–104). 23 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 332–338. 24 Vgl. COGAN, Imperialism, 42–49; HOLLOWAY, Aššur, 99 mit Anm. 78. 25 Vgl. die tabellarische Übersicht bei COGAN, Imperialism, 122–125. 26 Die „Waffe Aššurs“ repräsentierte den Gott bei Vertragsschlüssen oder Eidesleistungen, vermutlich in Form einer Standarte mit einem Götteremblem als Aufsatz, besaß jedoch keinen eigenständigen Kult (vgl. HOLLOWAY, Aššur, 160–177). 21
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Landes“ vielleicht im selben Sinn wie die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber den Göttern Assyriens in den adê-Vereinbarungen zu verstehen ist. 27 Wichtiger ist jedoch, dass S. W. Holloway der methodischen Prämisse Spieckermanns, aus den vereinzelten Nachrichten in den assyrischen Quellen eine konsistente, systematische Konzeption und religionspolitische Ideologie rekonstruieren zu können, mit guten Gründen widersprochen und dafür plädiert hat, mit einer stärker situativen Religionspolitik der neuassyrischen Könige zu rechnen.28 Die Quellen zeichnen das Bild einer variablen Haltung der Assyrer gegenüber der Religion der unterworfenen Gebiete: Neben Deportation oder Zerstörung von Götterbildern stehen Anerkennung und massive Förderung regionaler und lokaler Heiligtümer, wie im Fall des Tempels des Mondgottes von Haran oder bedeutender babylonischer Stadttempel.29 Die Religionspolitik der Assyrer war stets von übergreifenden politischen Interessen und Erwägungen bestimmt. Daraus folgt, dass einzelne Nachrichten über kultpolitische Maßnahmen nicht verallgemeinert werden dürfen, wo in den Quellen anderweitige Hinweise fehlen. M.a.W., aus dem Bericht Tiglatpilesers III. über seine Eroberung von Gaza kann nicht auf eine grundsätzliche imperialistische Religionspolitik Assyriens geschlossen werden, um diese dann zum hermeneutischen Schlüssel für das Verständnis der josianischen Reformpolitik zu erheben. Gegen die Annahme einer massiven Präsenz der Assyrer im Gebiet Judas spricht schließlich bereits der archäologische Befund.30 Die materielle Kultur der EZ IIC in Juda zeigt lediglich einen geringen assyrischen Einfluss, der sich im Wesentlichen auf den Bereich der Keramik, in der Mehrzahl lokale Imitationen assyrischer Vorbilder, der Glyptik und der Kleinkunst (vor allem Siegel) beschränkt. Der Befund kann am einfachsten mit dem Hinweis auf den engen kulturellen Kontakt zwischen Juda und den umliegenden assyrischen Provinzen erklärt werden, wie er vor allem in den vielfältigen Handelsbeziehungen zum Ausdruck kommt.31 Die Anwesenheit assyrischer Militär- oder Verwaltungseinheiten in Juda konnte dagegen bislang nicht nachgewiesen werden.32 Die Ergebnisse des religionsgeschichtlichen Vergleichs und die Analyse der materiellen Kultur des späteisenzeitlichen Juda konvergieren in der Einschätzung, dass sich der Einfluss assyrischer Kultur und Religion primär dem Kulturdruck seitens der assyrischen „Leitkultur“ jener Epoche verdankt und nicht auf eine imperialistische Großreichspolitik zurückge-
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Dass mit der Zerstörung oder Deportation der lokalen Götterbilder ein religiöses Vakuum in den unterworfenen Gebieten entstanden sei, das die Assyrer mit der Implementierung ihrer Götter gefüllt hätten, wie es SPIECKERMANN, Juda, 352, vermutet hat, ist nicht zuletzt angesichts der erhaltenen neuassyrischen Staatsverträge mit Klientelstaaten unwahrscheinlich, in denen neben den großen Göttern Assyriens stets die jeweiligen Landesgötter als Vertragsgaranten genannt werden (vgl. HOLLOWAY, Aššur, 191–193). 28 Vgl. HOLLOWAY, Aššur, 58f.63f.98f. 29 Vgl. a.a.O., 388–425. 30 Vgl. die Übersicht über die materielle Kultur des späteisenzeitlichen Juda bei STERN, Archaeology, 14–41, und die tabellarische Übersicht bei DUBOVSKÝ, Hezekiah, 276–279, sowie zuletzt BERLEJUNG, Assyrians. 31 Dazu passt der Umstand, dass bisher die Mehrzahl assyrischer oder assyrisch beeinflusster Keramik auf judäischem Gebiet in den liminalen Regionen der Schefela und im Becken von Be’eršeba‘ gefunden wurde. 32 In jüngster Zeit ist die Palastanlage in Ramat Rahel verschiedentlich als Sitz eines assyrischen Verwaltungsbeamten interpretiert worden. Dafür gibt es jedoch bislang keine gesicherten archäologischen Indizien (vgl. OEMING, Geheimnisse, 6f.).
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führt werden kann. Eine spürbare Präsenz der Großmacht im Klientelstaat Juda ist beim gegenwärtigen Stand der Forschung nicht nachweisbar. 33
Die Suche nach einem gemeinsamen Nenner der Reform, einem theologischen Programm, das die Unterscheidung zwischen legitimen und illegitimen Formen der Jahweverehrung ermöglicht, gestaltet sich vor dem gerade skizzierten Hintergrund als schwierig. Die Erzählung selbst gibt die Tora als Norm des Reformprozesses an, doch bleibt der Sprachgebrauch unscharf. Man hat versucht, ihn durch die Gleichsetzung des Toradokuments mit dem Deuteronomium näher zu bestimmen. Diese verbreitete Ansicht, die über die Untersuchungen W. M. L. de Wettes bis in die Zeit der Alten Kirche zurückreicht, bedarf jedoch einer Präzisierung. Dies betrifft zuerst die Unterscheidung der literarischen Stufen der Textentstehung und ihres Makrokontextes. Erst die relativ späte Erweiterung des hinteren Königsrahmens in 2Kön 23,25–27 setzt die schriftliche Tora, die als Grundlage der Selbstverpflichtung des Königs und des Volkes diente (TJRBH RPO, vgl. 23,2f.*), mit der mosaischen Tora gleich und unterstreicht dies mit Hilfe eines „Zitats“ aus Dtn 6,5. Josia wird damit als ein vorbildlicher Schüler der dtn Tora und als solcher als ideale Verkörperung des Königtums nach den Bestimmungen des dtn / dtr Königsgesetzes porträtiert (vgl. Dtn 17,18f.). Auf den älteren Stufen der Textproduktion ist diese Gleichsetzung weit weniger gesichert. Dies gilt bereits für die ebenfalls redaktionelle Einfügung des Huldaorakels (vgl. 2Kön 22,11–20). Die Ankündigung des göttlichen Strafgerichts wegen der Missachtung der Tora setzt konzeptionell die berît-Zeremonie in 23,1–3* voraus und ist öfter mit den Fluchkapiteln des Deuteronomium in Verbindung gebracht worden. Sprachlich lehnt sich die Unheilsansage des Huldaorakels jedoch sehr viel enger an die dtr redigierten Gerichtsworte des Jeremiabuches als an die dtn Fluchworte an. Der Rekurs auf die Generation der „Väter“ (vgl. 22,13) und der berît-Gedanke erlauben jedoch die Annahme einer geistesgeschichtlichen Nähe des Ergänzers zum (dtr?) Deuteronomium, zumal die deuterojeremianische Prophetie ihrerseits dtr Geist atmet. Die älteste Stufe der Erzählung in 2Kön 22–23 gibt sich zwar durch ihre Rahmung als Teiltext der (dtr) Erstedition der (Samuel- und) Königsbücher zu erkennen, die Identität des Toradokuments bleibt auf ihr allerdings unbestimmt. Im Vordergrund steht seine Charakterisierung als Tora, genauer als die gesammelte Tora des Jerusalemer Tempels. Die Schriftform der ursprünglich mündlich erteilten Tora hat primär textpragmatische Funktion 33 Die Kontrolle des Vasallenstaates erfolgte vermutlich mittels der benachbarten Grenzfestungen der assyrischen Provinzen sowie einzelne Informanten und Kollaborateure der Assyrer im Land (vgl. DUBOVSKÝ, Hezekiah, 189–220). Über die Einsetzung eines qepû-Beamten oder anderweitiger administrativer Funktionäre in Juda ist aus den Quellen dagegen bislang nichts bekannt.
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und erweist die Reorganisation des Tempelkultes unter Josia als in Übereinstimmung mit der seit alters geübten Toraerteilung. Die Schriftform der Tora erlaubt es darüber hinaus, dass sie zur Grundlage der anschließenden Verpflichtungszeremonie wird, sie wird zur „Bundesurkunde“ (TJRBH RPO, vgl. 2Kön 23,2), d.h., sie bildet die normative Grundlage der königlichen Kultreform und der künftigen, „offiziellen“ Religionspraxis, die vom Volk ausdrücklich anerkannt wird. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die berît-Konzeption der Verpflichtungsszene kein dtr Gepräge besitzt und nicht auf die Vorstellung des Horebbundes im Deuteronomium zurückgreift. Lediglich in einer sekundären Erweiterung zu Vers 3 wird der Wortlaut in spätdtr Stil ergänzt.34 Von einem dtr Programmtext kann weder in 23,1–3* noch im Passabericht (V.21–23) die Rede sein. Was bleibt, ist der Reformkatalog (vgl. 23,4–20). Hier sind häufig Parallelen zwischen einzelnen Reformnotizen und entsprechenden Passagen im dtn Gesetz notiert worden, die eine inhaltliche Nähe der königlichen Reformpolitik zum dtn Reformprogramm belegen sollen, bis dahin dass das Deuteronomium unter Josia gar als „Staatsgesetz“ gegolten habe. 35 Allerdings haben auch kritische Stimmen gegenüber einer solchen Art von „Gleichsetzungstheologie“ nicht gefehlt und eine kritische Durchsicht des Textes gibt ihnen weitgehend Recht.36 Dabei wiegt der Widerspruch zwischen den Bestimmungen für den Dienst der landjudäischen Leviten am Jerusalemer Heiligtum in Dtn 18,1–8 und dem Geschick der Priester, die an den Heiligtümern in der Landschaft Juda Dienst getan hatten (vgl. 2Kön 23,9), noch weniger schwer, da dieser Vers kaum zum Grundbestand des Reformberichts gehört, für dessen ursprüngliche Programmatik also wenig besagt. Ein genauer Textvergleich zeigt hingegen, dass die gemeinsamen Stichworte, die der Reformkatalog und das dtn Gesetzeskorpus miteinander teilen, keine literarische (oder überlieferungsgeschichtliche) Abhängigkeit zu begründen vermögen. Das Verbot des Feuerritus (vgl. 2Kön 23,10), der in Dtn 18,10f. in einen magischen Kontext gestellt wird, und die Ascherapolemik (vgl. 2Kön 23,6f. mit Dtn 16,21) könnten auf ein gemeinsames traditionsgeschichtliches Milieu hinweisen. Das Verbot der Qedeschen in Dtn 23,18 hat dagegen mit den „Häusern der Qedeschen“ in 2Kön 23,7 nicht mehr als das Stichwort mJVDQ gemein, und die Kritik an astralen Kultpraktiken hat erst auf einer spätdtr Stufe Eingang in das Deuteronomium gefunden (vgl. Dtn 4,19; 17,3) und unterscheidet sich grund34
Siehe oben, S. 473 Anm. 5. Vgl. die Übersicht bei PREUSS, Deuteronomium, 4. 36 Die methodischen Schwierigkeiten, die sich bei dem Versuch der Rekonstruktion eines josianischen „Ur-Deuteronomium“ mittels eines Vergleichs der dtn Tora mit dem Reformbericht in 2Kön 22–23 einstellen, hat jüngst O TTO, Deuteronomium, 6–14, zusammenfassend dargestellt. 35
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Ertrag
legend von den kultpolischen Einzelmaßnahmen im Reformbericht (vgl. 2Kön 23,4f.*11f.*). Die Idee der Kultzentralisation teilt das Deuteronomium zwar mit der josianischen Reformpolitik, ihre Umsetzung divergiert jedoch erheblich: Das Leitwort HMB fehlt im Deuteronomium ganz und von der Schließung von Jahweheiligtümern und der Reorganisation ihrer Priesterschaft ist dort ebenfalls keine Rede. M.a.W., die dtn Zentralisationsforderung, die in ihrer ältesten Form vermutlich auf eine Zentralisation des Brandopfers abzielte37, stellt weder literarhistorisch noch überlieferungsgeschichtlich die unmittelbare Vorlage für die Zentralisationsnotiz in 2Kön 23,8a dar. Als Fazit der traditionsgeschichtlichen Analyse bleibt festzuhalten, dass trotz einer gewissen Nähe der Reform zu dtn Vorstellungen das Reformwerk Josias kaum als politische Adaption des Deuteronomium oder seines kultpolitischen Programms beschrieben werden kann. Das Deuteronomium ist historisch – unabhängig von seiner literaturgeschichtlichen Einordnung – nicht als blueprint der josianischen Reform zu betrachten; sie ist jedoch in späterer Zeit als normative Auslegung der dtn Tora interpretiert und rezipiert worden. Dies ist insoweit zu Recht geschehen, als der dtn Grundsatz der Einheit Jahwes (vgl. Dtn 6,4) zu den Voraussetzungen der religionsinternen Reinterpretation des Jahweglaubens gehören dürfte, die zur Neuorganisation des Jerusalemer Kultbetriebs geführt hat.38 Als eine nach Innen gerichtete Selbstreflexion der Jahwereligion setzt sie einen Exklusionsprozess in Gang, der in eine Abgrenzung der toranormierten Jahweverehrung von illegitimen, als nichtjahwistisch qualifizierten Kultpraktiken mündet, die traditionsgeschichtlich auf das erste Gebot zuläuft und in einem monotheistischen Gotteskonzept ihren Abschluss findet. Den geistesgeschichtlichen Rückraum der Reform bildet jedoch nicht allein, vermutlich nicht einmal vorrangig die dtn Traditionslinie, sondern hier überschneiden und überlappen sich verschiedene Traditionsbereiche, die im Anschluss kurz skizziert werden, bevor die Darstellung mit einem Blick auf die Trägergruppen der Reform und ihre Nachwirkung enden soll.
37
Vgl. RÖMER, Centralization, 169–172; RÜTERSWÖRDEN, 78–81. Vgl. WEIPPERT, Synkretismus, 22f., der in der „Jahwe-allein-Theologie“ des Hoseabuches einen Vorläufer der josianischen Reformbewegung erblickt. Es ist in der Tat damit zu rechnen, dass es im alten Israel einen religionsinternen Differenzierungsprozess gegeben hat, der von einer Ablehnung der Gleichsetzung von Ba‘al und Jahwe im 9./8. Jh. v. Chr. über den Monojahwismus der späten Königszeit bis zur monotheistischen Gotteskonzeption in der babylonisch-persischen Epoche verlief. Dieser Prozess lief jedoch kaum gleichmäßig und zielgerichtet ab und kann sozialgeschichtlich nur unzureichend mit einer „Jahwe-allein-Bewegung“ in Verbindung gebracht werden, stattdessen ist eine sprunghafte Entwicklung unter Einbeziehung verschiedener Trägerkreise anzunehmen, die nur im Rückblick als ein kontinuierlicher Prozess wahrgenommen werden kann. 38
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Die Erzählung von der Entdeckung des Toradokuments gibt einen Hinweis auf einen weiteren Traditionskreis, der im Hintergrund der josianischen Kultreform steht. Die Jerusalemer Priesterschaft tritt in Person des Großpriesters Hilkia als eine der Trägergruppen des Reformprozesses auf (22,8–10, vgl. 23,4a), und bei der schriftlichen Tora, die der Priester dem königlichen Beamten Schafan übergibt, kann es sich nach dem Zusammenhang nur um die gesammelte Toraerteilung am Jerusalemer Tempel handeln, d.h. um spezifisch Jerusalemer Tradition.39 Damit gerät die Gedankenwelt der Jerusalemer Kulttradition in den Blick, die um die Königsmetapher kreist und von einer Symbolik des Zentrums geprägt ist. Der Kerubenthron im Allerheiligsten des Tempels symbolisiert die Präsenz des unsichtbar auf dem Zion thronenden Königsgottes Jahwe (vgl. Jes 6,1–4). Er garantiert die kosmische und soziale Ordnung, die im Tempelkult vergewissert wird und sich im davididischen Königtum verkörpert (vgl. Ps 72). Die mit dem Zion verbundenen Schutz- und Segensvorstellungen (vgl. Ps 46; 48) erfuhren nach der Verschonung Jerusalems während des Palästinafeldzugs Sanheribs vermutlich nochmals eine Aufwertung. Gemeinsam mit der faktischen Stellung Jerusalems als politischer, administrativer und ökonomischer Zentralmacht in Juda im 7. Jh. v. Chr. und der monojahwistischen Prägung der dtn Tradition begünstigte die traditionelle Zentrumssymbolik der Jerusalemer Kulttradition den religiösen Vorrang Jerusalems und seines Gottes über ganz Juda. Diese Vorstellung spiegelt sich in einer Grabinschrift aus Ḫirbet Bēt Layy vom Beginn des 7. Jh. v. Chr. wider. Der Text lautet nach der Rekonstruktion von A. Lemaire: „Jahwe (ist) der Gott der ganzen Erde (oder: des ganzen Landes), die Berge Judas (gehören) dem Gott Jerusalems.“40 Hier wird das judäische Bergland ausdrücklich dem Herrschaftsanspruch des Gottes Jerusalems unterstellt: Jahwe herrscht von Jerusalem aus über das ganze Land.41 Von hier aus ist der Schritt zu einer Zentralisation des Kultes in Jerusalem nicht mehr weit, ohne dass die Inschrift selbst bereits ein Beleg für diese Idee wäre. Aber noch in einer anderen Hinsicht könnte die Jerusalemer Kulttradition einflussreich für die königliche Reformpolitik gewesen sein, nämlich in der Frage nach der angemessenen Repräsentation Jahwes im Kult. Nach althergebrachter Vorstellung thronte Jahwe über den Keruben, umgeben von seinem himmlischen Hofstaat. Der leere Kerubenthron in der Cella des Jerusalemer Heiligtums symbolisierte (gemeinsam mit der Lade?) die Präsenz des unsichtbaren Königsgottes.42 Der sakrale Raum des Jerusalemer 39
Vgl. WILLI-PLEIN, Lehrbuch, 414f. Text und Übersetzung nach HAE I, 245f. 41 Siehe oben, S. 339f. 42 Vgl. die grundsätzlichen kulturhermeneutischen Überlegungen bei HARTENSTEIN, Angesicht, 26–52. 40
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Ertrag
Tempelbezirks ist jedoch durch eine elliptische Struktur gekennzeichnet, deren einen Brennpunkt das Allerheiligste bildet, dem der große Brandopferaltar im Vorhof des Tempels korrespondiert, als der Ort, an dem sich die geregelte Begegnung mit der Gottheit im Opferkult ereignet. Wenn das Ascherasymbol, das sich in unmittelbarer Nähe zum Brandopferaltar befand (vgl. Dtn 16,21; Jdc 6,25–32), ursprünglich die Präsenz des Heiligen (= Jahwes) am Altar markierte43, könnte dies im Zuge einer Aufwertung des Ascherabildes im Kult zu einer Konkurrenzsituation im Blick auf die symbolische Repräsentation Jahwes über den Keruben geführt haben. Diese würde noch dadurch verstärkt, dass Jahwes Präsenz im Allerheiligsten den Blicken entzogen war, während die Ascherasymbolik sichtbar vor Augen stand. Es konnte zu einer „Idolarisierung“ Jahwes kommen, in deren Folge dessen Präsenz im (Kult-)Bild an die Stelle seiner verborgenen Gegenwart im Heiligtum trat. Im Prozess der Selbstreflexion des Jahweglaubens, der der Kultreform Josias zugrunde lag, hat die Abwehr solcher Tendenzen zu einer Ausgrenzung der Ascherasymbolik (und anderer Symbolisierungen Jahwes?) aus dem Jahwekult geführt, die wiederum an das erste Gebot erinnert, in dem die Raumkonzeption des Jerusalemer Tempelbezirks anklingt, wenn es heißt: „Du sollst keine anderen Götter vor mir (JNP-LY) haben“ (Ex 20,3 // Dtn 5,7).44 Jahwe thront unsichtbar im Allerheiligsten; alle anderen bildlichen Repräsentationen seiner Gegenwart werden als nicht mit ihm identisch von der kultischen Verehrung ausgeschlossen. Die Problematik der bildlichen Repräsentation Jahwes hat ihre Wurzeln in der prophetischen Tradition, deren Einfluss auf die josianische Reformbewegung abschließend kurz skizziert werden soll. Die prophetische Kritik an den Kultbildern tritt erstmals im Hoseabuch in Auseinandersetzung mit dem Stierbild des Jahweheiligtums in Bet-El markant in Erscheinung (vgl. Hos 8,4–6; 10,5f.). Der Prophet kritisiert das selbstsichere Vertrauen des Volkes und seiner Eliten auf das Bild, mit dem sich die Erwartung von Schutz und heilvoller Gottesgegenwart verbindet. Doch das Bild garantiert nicht die Präsenz des Gottes Israels – er kann es verwerfen (Hos 8,5).45 Eine kultische Praxis, die im Bild ihre Selbstvergewisserung Gottes sucht, unterliegt einer Selbsttäuschung und führt in den Untergang. Hier zeigt sich ein Unterschied in der Sichtweise der (Kult-)Bilder, der bildtheoretisch als „die Frage nach dem Verhältnis von Ikone und Idol“ beschrieben werden kann.46 Wie die Metapher in der Sprache lebt das Bild von dem 43
Siehe oben, S. 328f. Der Brandopferaltar befand sich in der Sehachse des Allerheiligsten, d.h., der Opferkult vollzog sich „im / vor dem Angesicht Jahwes“ (JNP-LY). 45 Vgl. zu den philologischen Problemen in Hos 8,5 JEREMIAS, 107f. 46 HARTENSTEIN, Sehen, 27. 44
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Grundkontrast zwischen Partizipation und Differenz, anders gesagt: zwischen Präsenz und Distanz. Auf die Kultbilder angewandt bedeutet dies, sie bilden „einen Resonanzraum für die Imagination der Gottespräsenz“47, sie symbolisieren zugleich die Erscheinung und Verborgenheit der Gottheit. Das Bild repräsentiert die Gegenwart Gottes im Kult und verweist zugleich über sich hinaus auf die unsichtbare, transzendente Wirklichkeit der Götter. Diese „ikonische Differenz“ des Bildes, das zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem oszilliert, wird in „der Feier des Sichtbaren“ pervertiert.48 Das Begehren des Blickes, der sich im Sichtbaren erschöpft, hebt die Spannung von Partizipation und Differenz, von Identität und Nicht-Identität im Bild auf. Das Bild (Ikon) verliert seine Transparenz und wird opak (Idol). „Es (sc. das Idol) spiegelt das Begehren nach Unmittelbarkeit und macht dadurch das Bild selbst zum Spiegel.“ 49 Mit Blick auf die Kultbilder führt dies zu einer Identifikation des Bildes mit der Gottheit, deren heilvolle Präsenz mit der des Bildes gleichgesetzt wird. Der Gottesdienst wird zum „Bilderdienst“ (Idolatrie). Genau dies geschieht nach der Auffassung des prophetischen Sprechers im Staatskult des Nordreichs, und daran knüpft in spätvorexilischer Zeit die Grunderzählung vom Goldenen Kalb in Ex 32* an.50 Der Wunsch des Volkes nach einem „sichtbaren Gott“ ist motiviert durch die „Angst vor der Gottverlassenheit“: der Gotteskontakt ist abgebrochen, seit Mose in den Wolken, die den (Gottes-)Berg einhüllen, verschwunden ist, und das Begehren, sich der rettenden Präsenz Gottes zu vergewissern, führt zur Herstellung von mJHLA „Götter(bilder)n“. Die Wahl der Begrifflichkeit geschieht planvoll: Der Plural „schillert zwischen Gott und Göttern“51 und signalisiert einerseits die Uneindeutigkeit des Bildes und andererseits die Gefahr der vordergründigen Identifikation von Gott und Bild, die das Volk in seiner feierlichen Deklaration „dies ist dein Gott (Pl.!), der dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat“ vollzieht (vgl. V.4). „Das selbst gemachte Symbol wird im Vollzug des ‚Festes für JHWH‘ für die Teilnehmenden zur Vergegenwärtigung Gottes, der ‚Bilderdienst‘ ist für sie Gottesdienst.“52 Die in der Erzählung erkennbare Verschränkung der Verwechslung von Gott und Bild bzw. von Jahwe und anderen Göttern steht ihrerseits den binnenreligiösen Abgrenzungsprozessen, die der josianischen Reform ihr Gepräge gegeben haben, sehr nahe, und es ist zu vermuten, dass die Entfernung der Ascherasymbolik und die Beseitigung der Astralkulte, 47
HARTENSTEIN, Angesicht, 37. Vgl. HARTENSTEIN, Sehen, 29f. (Zitat: 30). 49 A.a.O., 30. 50 Vgl. a.a.O., 28–30. 51 A.a.O., 28. 52 A.a.O., 29. 48
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Ertrag
denen im Reformbericht eine hervorgehobene Stellung zukommt, in der Flucht dieser Traditionslinie stehen. Sonne, Mond und Sterne als Repräsentationen Jahwes und der ihm zugeordneten Mächte werden in diesem Prozess als „fremde Götter“ qualifiziert und die ihnen gewidmeten Kultpraktiken abrogiert. Sehr viel schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob die prophetische Kritik an kultischen Missständen in der späten Königszeit die Reformpolitik Josias mit getragen oder beeinflusst hat. Die biblische Erzählung in 2Kön 22–23 gibt darauf, abgesehen von der redaktionell eingefügten Gottesbefragung durch die Prophetin Hulda und einer späten Glossierung in 23,2a, die Priester und Propheten unter den Teilnehmern der Verpflichtungszeremonie erwähnt, keine eindeutigen Hinweise. Umgekehrt ist die literarkritische Analyse der einschlägigen prophetischen Texte höchst umstritten. So ist etwa die Rekonstruktion der sog. Frühzeitverkündigung des Propheten Jeremia (vgl. Jer 2–6* und 30f.*) nach wie vor ungelöst. 53 Verlässlicheren Grund gewinnt man vielleicht beim prophetischen Gerichtswort Zef 1,4–6*, in dem der Prophet, dessen Wirken gemäß der Überschrift in Zef 1,1 in die Regierungszeit Josias fällt, diverse kultische Praktiken unter den Bewohnern Judas und der Einwohnerschaft Jerusalems kritisiert, die auf ein vergleichbares religiöses Milieu verweisen, wie es der Reformbericht in 2Kön 23,4–15* voraussetzt. Wenn der Abschnitt nicht auf die dtr Redaktion des Zefanjabuches zurückgeht54, ergibt sich hier eine interessante Konvergenz zwischen der josianischen Reformpolitik und der zeitgenössischen prophetischen Verkündigung55, ohne dass sich beides genau aufeinander abbilden ließe.56 Die Schnittmenge beider Texte liegt in 53
Vgl. einerseits ALBERTZ, Frühzeitverkündigung; KOCH, Profeten, 25–39; SEYBOLD, Jeremia, 68–91; KEEL, Geschichte, 628–634, und andererseits LEVIN, Anfänge, und die knappen Bemerkungen von K. Schmid bei GERTZ, Grundinformation, 357f. 54 Vgl. IRSIGLER, 105f. 55 Vgl. a.a.O., 118–121. 56 In jüngster Zeit haben PERLITT, 104f., und WÖHRLE, Sammlungen, 201–203, die Vermutung geäußert, der Wortlaut in Zef 1,4f.* sei nahezu vollständig aus dem Sprachmaterial des Reformberichts in 2Kön 22–23 gebildet worden und besitze keinen eigenständigen Quellenwert für die religionsgeschichtlichen Verhältnisse im spätvorexilischen Jerusalem. Ihre These kann jedoch nicht überzeugen. Das liegt vor allem daran, dass die sprachlichen Berührungen zwischen beiden Texten primär statistisch erfasst werden, ohne die jeweilige Textsemantik und -pragmatik hinreichend zu berücksichtigen. Das Nebeneinander von Juda und Jerusalem (vgl. Zef 1,4a) ist den politischen Verhältnissen der späten Königszeit geschuldet und hat Vorläufer in der prophetischen Literatur des 8. und 7. Jahrhunderts v. Chr. Die Erwähnung Ba‘als – noch dazu in der singulären Verbindung „der Rest des Ba‘al“ – vermag so wenig eine literarische Abhängigkeit zwischen beiden Stücken zu begründen wie der Ausdruck HXH mWQM (vgl. Zef 1,4b), wie schon ein Blick in die Konkordanz lehrt. Dass einem Alltagswort wie nHK hier keine Beweislast aufgebürdet werden kann, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Als signifi-
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der Ablehnung astralreligiöser Praktiken, die im Zefanjabuch die Volksfrömmigkeit einschließt (vgl. V.5). Selbst wenn man die Gemeinsamkeiten in beiden Texten nicht überbewerten will, lassen sie doch eine gewisse Nähe prophetischer Kreise zur Reformbewegung erkennen, die das oben gewonnene Bild ergänzen können. Die josianische Kultreform kann somit als das Ergebnis eines religionsinternen Differenzierungsprozesses beschrieben werden, in dem deuteronomische, prophetische und priesterliche Traditionen zusammengeflossen sind und in Auseinandersetzung mit religiösen Strömungen der benachbarten Kulturen zu einer Reorganisation der „offiziellen Religion“ in Juda und Jerusalem geführt haben. Dieser Prozess erfolgte nicht zielgerichtet und ist nicht institutionell initiiert worden, sondern erstreckte sich vermutlich über einen längeren Zeitraum und erfuhr im Reformwerk des Königs Josia einen zwischenzeitlichen Kulminationspunkt, der weder das Ziel noch den Abschluss der Entwicklung markiert. Die herausgehobene Bedeutung, die der josianischen Reform für die Religionsgeschichte Israels (und die Literaturgeschichte des Alten Testaments) zukommt, besteht darin, dass sich hier Vorstellungen oppositioneller Strömungen mit der Jerusalemer Kulttradition verbunden und der „offiziellen Religion“ in Person des Königs Josia ein neues Gesicht gegeben haben, das in der späteren Überlieferung zur normativen Gestalt der Jahwereligion geworden ist. Damit ist noch einmal die Frage nach den Trägerkreisen der Reform gestellt, die im Lauf der Untersuchung bereits verschiedentlich angeklungen war. Die Erzählung in 2Kön 22–23 erwähnt drei Gruppen der judäischen Gesellschaft, die vorrangig mit der Durchführung des Reformvorhabens befasst waren: den König und seine hohen Beamten, die Priesterschaft und kante Gemeinsamkeiten bleiben allein die Erwähnung der mJRMK (vgl. Zef 1,4b) und die Verehrung des Himmelsheeres übrig (vgl. Zef 1,5a). Bei genauerer Prüfung fällt jedoch auf, dass der Vorwurf der Gestirnsverehrung in Zef 1 sprachlich völlig anders vorgetragen wird als im Reformbericht: dies betrifft nicht nur die verwendete Verbalform ( HWC Hišt.), sondern auch die Lokalisierung des Kultes „auf den Dächern (der Privathäuser)“, die ihre nächste Parallele in Jer 19,13 besitzt (in 2Kön 23,12 ist von Altären auf dem Dach des Königspalastes die Rede, deren Widmung ungenannt bleibt). Nicht viel anders verhält es sich mit dem „Namen der kemarîm“, den Jahwe ausrotten will (TRK Hif.), vgl. 2Kön 23,5a. Der Vorschlag, aufgrund der engen Verbindung des Textes zum Reformbericht in Zef 1,5b den Namen des ammonitischen Gottes Milkom anstelle der masoretischen Lesung malkām („ihr König“) zu vokalisieren (vgl. W ÖHRLE, Sammlungen, 202), überzeugt nach dem zuvor Gesagten nicht. Näher läge dann schon eine Assoziation an die Kultpraktiken im Ben-Hinnomtal (vgl. 2Kön 23,10), doch hat Zef 1,5b offensichtlich eine abweichende kultische Praxis vor Augen. Es bleibt festzuhalten, dass sich der Wortlaut in Zef 1,4f.* weder sprachlich noch religionsgeschichtlich als ein Exzerpt des Reformberichts in 2Kön 22f. erklären lässt, so dass bis auf weiteres davon ausgegangen werden kann, dass hier ein eigenständiges Zeugnis über die religiösen Verhältnisse im Jerusalem der späten Königszeit vorliegt.
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Ertrag
Vertreter der Prophetie. Die Gruppen werden jeweils durch herausgehobene Einzelgestalten repräsentiert: den Schreiber Schafan, den Großpriester Hilkia und die Jerusalemer Prophetin Hulda. Der Personenkreis der erzählten Welt dürfte, mit gewissen Einschränkungen im Fall Huldas 57, die historischen Konstellationen zutreffend abbilden. Die Beteiligung (zumindest von Teilen) der Jerusalemer Priesterschaft war bei einer so tief greifenden Neugestaltung der kultischen Ordnung wohl unerlässlich, selbst wenn der König als Patron des Staatskultes und Dienstherr der Priesterschaft gewisse Hoheitsrechte innegehabt haben wird und aus der Umwelt Israels verschiedene Beispiele für eine staatliche Kultpolitik bekannt sind, die zu massiven Konflikten mit den lokalen Priesterhierarchien führte. 58 Dem König selbst kommt jedoch die Rolle des Protagonisten im Handlungsverlauf zu. Diese Perspektive verdankt sich zwar primär der Pragmatik der Erzählung, die Josia durchgehend als den souverän handelnden Herrscher stilisiert und etwa die Beteiligung weiterer Personen an der Durchführung der einzelnen Kultbeseitigungsmaßnahmen übergeht, trifft aber historisch insofern das Richtige, als die Reorganisation der „offiziellen Religion“ und ihres Symbolsystems nur mit königlicher Autorisierung möglich war.59 Die biblische Erzählung macht jedoch zugleich deutlich, dass die Reform nicht allein aus der persönlichen Frömmigkeit des Königs erwachsen ist, sondern dass sie wenigstens zum Teil von der höfischen Beamtenschaft mitgetragen, vermutlich sogar begünstigt wurde, die in der Erzählung durch den 57 Das Huldaorakel war vermutlich kein genuiner Bestandteil der Erzählung (s. oben, S. 157–159). Genau genommen äußert sich Hulda weder zur aufgefundenen Torasammlung noch zum eigentlichen Reformwerk, sondern kommentiert im Rückblick das Scheitern des Reformprojektes. Hat sich im Namen der sonst unbekannten Prophetin eine historische Erinnerung an die Mitwirkung prophetischer Kreise am Reformprozess erhalten? Oder vertritt sie die Stimme der judäischen Unheilsprophetie des späten 7. und frühen 6. Jahrhunderts v. Chr.? 58 Die beiden bekanntesten Beispiele sind die Sonnentheologie Echnatons, die sich vor allem gegen den Amun-Kult und seine Priesterschaft richtete, und der Konflikt des letzten neubabylonischen Königs Nabonid mit der Mardukpriesterschaft in Babylon. In beiden Fällen waren die religionspolitischen Umbrüche nur von kurzer Dauer und endeten mit dem Tod des Herrschers – ein Gesichtspunkt, der für die Fernwirkung der josianischen Reformpolitik nicht außer Acht gelassen werden sollte! Unter ihren Nachfolgern wurden die althergebrachten Kulte wieder in ihre angestammten Rechte eingesetzt (vgl. NA’AMAN, King, 141–146.158–162). 59 Die dominierende Handlungsrolle des Königs ist zwar der gemeinorientalischen Königsideologie verpflichtet, die dem König die Aufsicht über den ordnungsgemäßen Kultvollzug überträgt, spiegelt aber zugleich die religionspolitischen Machtverhältnisse zutreffend wider. Beispiele für staatlich initiierte Kultreformen finden sich von Ägypten über Kleinasien bis ins Zweistromland. Sanherib beispielsweise unterzog die Marduktheologie nach seiner Eroberung Babylons einer tief greifenden interpretatio assyriaca und übertrug babylonische Kultbräuche und Mythologeme auf den Reichsgott Aššur (vgl. FRAHM, Einleitung, 282–288).
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leitenden Beamten Schafan repräsentiert wird. Mitglieder der Schafanidenfamilie begegnen einige Jahrzehnte später unter den höfischen Kreisen, die den Propheten Jeremia unterstützen, doch erlauben die Quellen keine präziseren Rückschlüsse auf die religionssoziologische Verortung der Gruppe.60 Ob man sie einer „Jahwe-allein-Bewegung“ zurechnen kann, in der verschiedene Traditionskreise konvergierten, ist angesichts des komplexen traditionsgeschichtlichen Befundes und der Schwierigkeit, eine fast eineinhalb Jahrhunderte währende Traditionsbildung unter einen gemeinsamen soziologischen Oberbegriff zu subsumieren, fraglich. Wenigstens sollte man sich dessen bewusst sein, dass diese Nomenklatur eine soziologische Kontinuität suggeriert, die historisch nicht nachweisbar ist. 61 Die josianische Reform war eine Reform „von oben“, selbst wenn sie vormals oppositionelle Traditionselemente integrierte und in den Rang einer religio sacra erhob. Ihre Trägerkreise entstammten vorrangig der politischen und religiösen Elite der Zeit. Aber wie tief reichten die Wurzeln dieser Reform? Bereits das Huldaorakel stellt die Frage nach der Nachhaltigkeit des Reformwerks: Das Unheil, das Volk und Stadt treffen wird, wird hier durch den Vorwurf des Vertragsbruchs seitens des Volkes begründet (vgl. 2Kön 22,16f.) – lediglich der König ist davon ausgenommen. Umgekehrt ist in der Forschung die Historizität der Reform häufig mit dem Hinweis auf das „Reformschweigen“ der Propheten in Frage gestellt worden. Vor allem bei den Propheten Jeremia und Ezechiel, die zur Zeit der letzten Könige Judas aufgetreten sind und die religiöse Missstände tadeln, die denen der Josiazeit sehr ähnlich sind, wäre ein Verweis auf die Reform Josias zu erwarten. Das Problem ist nach verschiedenen Richtungen zu betrachten: Die erste Schwierigkeit betrifft die literarische Analyse der Prophetenbücher selbst. Spiegelt die Kritik religiöser Bräuche in Jer 7,30–8,3 die Verhältnisse in Jerusalem an der Wende vom 7. zum 6. Jahrhundert v. Chr. wieder, oder werden hier und in vergleichbaren Passagen des Jeremiabuches überkommene Topoi der dtr Kultgeschichtsschreibung aufgenom-
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Die Schafaniden sind häufig mit dem Trägerkreis der dtn / dtr Literatur in Verbindung gebracht worden. Ihr hoher gesellschaftlicher Rang kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass Gedalja, ein Enkel Schafans, von den Babyloniern nach 586 v. Chr. mit der politischen Aufsicht über Juda betraut worden ist. Dies stimmt mit der probabylonischen Haltung überein, die den Schafaniden im Jeremiabuch zugeschrieben wird. Gerade die Ermordung Gedaljas macht jedoch deutlich, wie tiefgreifend die politischen (und religiösen) Konflikte innerhalb der Jerusalemer Eliten in den letzten Jahrzehnten des judäischen Königtums gewesen sein müssen. 61 Ein eigenes Problem ist die Frage, welche Rolle der zRAH-mY in diesem Prozess spielte, der sowohl Josia als auch dessen Sohn Joahas gegen Widerstände auf den Thron verhalf. Der Bericht in 2Kön 22–23 schweigt darüber.
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Ertrag
men und redaktionell in das Jeremiabuch eingeschrieben? 62 Brandmarkt Jeremia einen synkretistischen Kult, oder wendet er sich gegen einen Gottesdienst, der im Alltag das Recht bricht und keine Gerechtigkeit übt? 63 Liegt der Vorwurf in Jer 3,10, Juda habe sich nur vordergründig (RQVB) von ihrer Hurerei abgewendet und sei zu Jahwe zurückgekehrt, auf der gleichen Linie wie die Polemik des Huldaorakels?64 Und welcher Hand ist dieser Text zuzuweisen? Die Beantwortung der Frage, ob die Verkündigung Jeremias die Kultreformen Josias voraussetzt und wie er sich gegebenenfalls dazu verhalten hat, bedarf mithin einer differenzierten Analyse der literarischen Gestalt des Jeremiabuches, die hier nicht geleistet werden kann. Damit hängt eine weitere Schwierigkeit zusammen: Die josianische Reform blieb auf eine Reorganisation des Staatskultes, der „offiziellen Religion“ und ihres Symbolsystems, beschränkt. Der Bereich der Familienreligion oder der privaten Frömmigkeit bot hingegen ein weites Feld für unterschiedlichste religiöse Vorstellungen und Rituale, die neben der „offiziellen Religion“ weiter gepflegt wurden. Die Verehrung der Himmelskönigin etwa weist in den häuslichen, familiären Bereich (vgl. Jer 7,18; 44,15–19). Das Fortbestehen dieses Brauchtums ist also kein Indiz, das gegen die Historizität der Reform Josias in Anschlag zu bringen wäre. Hier bedarf es einer genaueren Unterscheidung der verschiedenen Ebenen der gelebten Religion.65
62 Vgl. die redaktionsgeschichtliche Analyse des Abschnitts bei T HIEL, Jeremia 1–25, 128–133. ULRICH, Insertions, hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Abschnitt Jer 7,30–8,3 in 4QJera von zweiter Hand am Rand nachgetragen worden ist und dies als einen Reflex redaktioneller Fortschreibung im Jeremiabuch interpretiert. Demnach repräsentierte 4QJera einen älteren Textbestand, der später nach einer anderen Handschrift korrigiert bzw. ergänzt worden wäre. 63 Darauf könnte der Antagonismus zwischen Jojakim und seinem Vater Josia in Jer 22,13–19 hindeuten (vgl. V.15f.); in die gleiche Richtung läuft die Interpretation der jeremianischen Tempelrede bei WILLI-PLEIN, Palast. 64 Der Vorwurf der Lüge oder Täuschung (RQV) in Verbindung mit dem Jahwekult verknüpft diesen Text mit der Tempelrede in Jer 7 (vgl. V.4.8 jer?), doch werden in Jer 3, 6–13 weniger soziale als kultische Vergehen Judas kritisiert. 65 Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die Verehrung der Himmelskönigin ein Vorbild im staatlich organisierten Kultbetrieb besessen hat (unter Einfluss der Ištar-Theologie?), wie überhaupt mit einer stärkeren Beeinflussung familiärer Religiosität durch die öffentliche Kultpraxis gerechnet werden sollte. Genau genommen spricht der Text in Jer 44,17–19 jedoch von einem Traditionsabbruch: Die Judäer hatten den Kult der Himmelskönigin aufgegeben und wollen ihn nun, nach der Katastrophe, wieder aufnehmen, weil sie der Ansicht sind, dass die Unterbrechung des Kultes den Zorn der Göttin hervorgerufen habe, und sie sich von der Wiederaufnahme des Kultes Hilfe in ihrer Not versprechen. Sollte der Kult der Himmelskönigin ein Opfer der josianischen Religionspolitik geworden sein? Davon ist allerdings in 2Kön 23 nicht ausdrücklich die Rede.
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Schließlich ist noch auf einen dritten Gesichtspunkt aufmerksam zu machen. Die Aufzählung der kultischen Missstände im Jerusalemer Tempel in Ez 8* illustriert auf andere Weise als das Huldaorakel oder das Jeremiabuch, dass es im spätvorexilischen Jerusalem miteinander konkurrierende religiöse Symbolsysteme gegeben hat, die in unterschiedlichen Trägerkreisen und Milieus nebeneinander existierten.66 Dies bedeutet mit Blick auf die „offizielle Religion“, dass ein Wechsel der politischen Machtkonstellationen, wie er in Jerusalem nach dem Tod Josias eintrat, mit einer Veränderung des religiösen Symbolsystems einhergehen konnte. Macht man sich klar, dass die Kultreform unter Josia von einem bestimmten Personenkreis getragen und politisch durchgesetzt wurde und dass es unter den politischen und religiösen Eliten Jerusalems rivalisierende Gruppen gab, die konkurrierende Interessen und Überzeugungen vertraten, kann es nicht überraschen, dass in der nachjosianischen Ära neue und überkommene religiöse Konzeptionen an Bedeutung gewannen und Einfluss auf die kultische Praxis am Jerusalemer Tempel nahmen. Dadurch wird weder die Historizität der josianischen Reform widerlegt, noch ist daraus zu schließen, dass sämtliche kultischen Neuregelungen Josias unter seinen Nachfolgern rückgängig gemacht worden wären. Die materielle Kultur und die alttestamentliche Überlieferung der Perserzeit lassen im Gegenteil erkennen, dass bestimmte kultische Praktiken, die im Reformbericht genannt werden, in Juda mit der späten Eisenzeit zu einem Ende kamen: dazu zählen die Ascherasymbolik im Jerusalemer Tempel, kultische Installationen im Bereich der Stadttore oder die Feuerriten im Ben-Hinnomtal (TPT); auch das Fehlen jeglicher Polemik gegen einen zeitgenössischen Kult in den TWMB kann als Reflex der Kultzentralisation interpretiert werden. Die josianische Reform ist zu Recht als ein „Achsenkreuz“ der altisraelitischen Literatur- und Religionsgeschichte bezeichnet worden 67, zu umfassender Wirkung gelangte sie jedoch erst als Programmtext der dtr Kultgeschichtsschreibung, als Ideal einer an der Tora orientierten Jahweverehrung, das zum Vorläufer und zur Projektionsfläche einer monotheistischen Gotteskonzeption geworden ist.
66 67
Vgl. SMITH, Memoirs, 114f. Siehe oben, S. 1 (mit Anm. 1).
Anhang
Abbildungen
Abb. 1 Knopfsiegel aus Faience (Tell en-Naṣbe, vgl. Keel, Jahwe-Visionen, 292 Abb. 215)
Abb. 2 Steinquader aus Bet-Zur (7. Jh. v. Chr., vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 359 Abb. 310)
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Anhang: Abbildungen
Abb. 3 Bulle aus Ḫorvat ‘Uza (7. Jh. v. Chr., vgl. Beck, Bulla, 461 Fig. 1)
Abb. 4 Bulle aus Jerusalem, Davidsstadt (7. Jh. v. Chr., vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 343 Abb. 297a)
Anhang: Abbildungen
Abb. 5 Skaraboid aus dem Antikenhandel (vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 371 Abb. 317c)
Abb. 6 Skarabäus aus Lachisch (7. Jh. v. Chr.?, vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 371 Abb. 319)
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496
Anhang: Abbildungen
Abb. 7 Hebräisches Namenssiegel (Bildseite) des Gemaljahû, (Sohn des) Adonje`i (Skaraboid aus dem Antikenhandel, vgl. WSS Nr. 122)
Abb. 8 Hebräisches Namenssiegel (Bildseite) des Ašjahû, (Sohn des) MŠMŠ (Skaraboid aus dem Antikenhandel, vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 351 Abb. 305c)
Anhang: Abbildungen
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Abb. 9 Hebräisches Namenssiegel (Bildseite) des Elišama‘, Sohn des Gedaljahû (Skaraboid aus dem Antikenhandel, vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 351 Abb. 306a)
Abb. 10 Hebräisches Namenssiegel (Bildseite) des Ṣapan, (Sohn des) Nerijahû (Skaraboid aus dem Antikenhandel, vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 371 Abb. 317a)
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Anhang: Abbildungen
Abb. 11 Sakaraboid aus Lachisch (7. Jh. v. Chr., vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 371 Abb. 317b)
Abb. 12a
Abb. 12b
Zwei sog. Pfeilerfigurinen aus Lachisch (Abb. 12a) und Be’eršeba‘ (Abb. 12b) (8./7. Jh. v. Chr., vgl. Keel / Uehlinger, Göttinnen, 373 Abb. 321a und c)
Anhang: Abbildungen
Abb. 13 Tell Arad, Str. XII (Rekonstruktion nach Herzog, Date, 173 Fig. 6.10)
Abb. 14 Tell Arad (Festung), Str. X (9./8. Jh. v. Chr., vgl. Herzog, Date, 165 Fig. 6.5)
499
500
Anhang: Abbildungen
Abb. 15 Tell es-Seba‘ / Be’eršeba‘, Str. II (8. Jh. v. Chr., vgl. Reuter, Kultzentralisation, 207 Abb. 7)
Abb. 16 Ḫorvat ‘Uza (7. Jh. v. Chr.), Torbereich mit angrenzenden Räumen (vgl. Barnett / Keel, Mond, 142 Abb. 90)
Anhang: Abbildungen
501
Abb. 17 Eisenzeitliche Toranlage in Dan (Tell el-Qāḍi, 9./8. Jh. v. Chr.) mit dem gepflasterten Platz vor dem Tor (1), dem Vortor mit der Kultanlage auf der rechten Seite (2) und dem Haupttor mit dem Podium (3) (vgl. Biran, Dan, 236 Fig. 194)
Abb. 18 Eisenzeitliche Toranlage in Betsaida (et-Tell, 9. Jh. v. Chr.) mit Kultstätte vor dem äußeren Toreingang (vgl. Barnett / Keel, Mond, 97 Abb. 2)
502
Anhang: Abbildungen
Abb. 19 Ḫorvat Radum (7. Jh. v. Chr., vgl. Barnett / Keel, Mond, 143 Abb. 92)
Abb. 20 Felsrelief aus Maltaya / Maltai (Umzeichnung, vgl. Gressmann, Bilder, Taf. 135, Nr. 335)
Anhang: Abbildungen
Abb. 21 Neuassyrisches Rollsiegel (vgl. Black / Green, Gods, 103 Fig. 82)
Abb. 22 Heerlager Sanheribs (Orthostatenrelief aus Ninive) (vgl. Gressmann, Bilder, Taf. 215, Nr. 538)
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Stellenregister Stellenregister
Altes Testament Genesis 20,7 25,22 31,43–54 32,27
114 120, 125 185 359f.
Exodus 12,21–23 13,1–16 20,3 20,26 24,4–8 24,7f. 32 32,12 32,20
447 380 484 356 175–177 177f. 485f. 456 307f.
Leviticus 2,1–10 2,12 6,7–11 9,7 18,21 18,24–30 20,2–6 20,2–4 20,2 20,5 24,5–9 27,2–25
359 357 359 114 373–375 373 373f. 373 374f., 397 383f. 359 68f.
Numeri 9,1–13 20,26 20,28 21,7 31,22f.
447 149 149 114 379
Deuteronomium 4,19 253, 288f.
5,2f. 5,7 6,4 6,5 6,17 6,20 7,2 9,7–21 9,20 9,21 12 12,2f. 12,31 13,5 16,1–8 16,1 16,2 16,16 16,18 16,21 17,3 17,14–20 18,1–8 18,6–8 18,9–15 18,10f. 19,1–13 20,3 21,1–9 21,18–21 22,13–21 25,5–10 26,16 28,58 28,69 28,61 29,11–14 29,11 29,13f. 29,20
176 484 344, 482 455 194f. 194 180 118f. 114f. 256, 308f. 334 315f. 366, 368, 371, 384 192 445, 447f. 444f., 447 448 447 167 305f., 310–312, 322f., 484 253, 289 174, 176 361 355f. 397 365f., 388 167 142 167 167 167 167 196f. 93 180 93 176 200 180 93f.
532
Stellenregister
30,10 31,9–11 31,9 31,26 32,32
94 174 93 94 257
Josua 1,8 8,34 15,9f. 15,25 15,29 15,37–41 16,1–3 18,21–28 23,5 24,25
94 94f. 251 251 251 49 433 433 94 180f.
Richter 2,10 3,7 3,22f. 6,25–32 20,23 20,26–28 20,33 21,2f.
148 312 114 312f., 329 147 143 251 143
1Samuel 1,9f. 2,28 8 8,4f. 9f. 9,6–10 9,6 9,22 18,1–5 18,3 20,8 20,12–17 23,18 30,26–30 31,11–13
242 356 172 168 265–270 116 122 401 201 188, 201 187f., 200f. 188 186 168 396
2Samuel 2,1–4 2,4 3,7–4,12 3,12f.
168 185 250 180
3,21 5,3 5,16 5,20 9,1–13 12,15–23 19,12 20,21 21,7 21,8 23,8
176, 180 169f., 176, 185f. 248f. 251 188 154 114, 168 114 188 249f. 249
1Könige 2,3 2,10f. 4,10 5,27–32 6,32 6,35 8,1–3 8,29 9,18 11,1–8 11,1 11,4 11,5 11,6 11,7 11,8 11,9f. 11,28 11,33 12,26–33 12,31–33 12,31f. 12,31 12,32 12,33 13,1–32 13,2 13,3 13,32f. 14,1–3 14,3 14,5 14,7–11 14,8 14,22f. 14,24 14,27
194f. 37f. 433f. 86f. 232f. 232f. 168, 170, 172 458 251 425–428 427 427 425f. 427 386, 423, 425f., 428 287 233 64 426 435 434–436 357f. 268f. 231 356 434 438f., 441f. 231f. 269, 357f., 441f. 116 122 116 128 192f. 316 326 232
Stellenregister 15,8 15,12f. 15,12 15,13 15,14 16,31f. 16,33 18,16–40 18,19 18,21 20,7f. 20,21 20,27 21,12 21,27–29 22,5–17 22,5f. 22,10 22,19–22 22,47
465 52f. 271, 325f. 252f., 256, 311, 322 55 244f. 313 245 252, 311 192f. 170, 172 233 233 233 143f., 154 120 122 354 301 53, 325f.
2Könige 1,17 2,6 2,11 3,10f. 3,11 5,7 5,9 8,10 8,16 8,17 8,26f. 9,28 10,18–27 10,26 10,27 11,12 11,14 11,17f. 11,18 11,18f. 12,3 12,5–17 12,10–17 12,10 12,12 12,21f. 13,6 14,5f.
150 151f. 407 122 115 110 406f. 233f. 53 49 53 465 245, 250f. 256 415 185 178f. 170, 177, 182f., 206 245f. 71f. 53, 72f. 53, 66–89 61 232 64, 232 50 317 53
14,6 14,7 14,10 14,14 14,21 15,35 16,2f. 16,3 16,10 17,2 17,8 17,9 17,10 17,15–17 17,16f. 17,17 17,29 17,30 17,31 17,32 18,4 18,5 18,6 18,36 19,4 19,18 19,25 20,16–19 20,21 21,2 21,3 21,4–9 21,4 21,5 21,6 21,7 21,10–16 21,19–22 22,1 22,2 22,3–10 22,3 22,4–7 22,8–10 22,8 22,9 22,10 22,11 22,12–20 22,12
533 95 230, 234f. 235 235 50 53 53f. 365f., 369, 382 463 53, 467 272 267 316 260 243, 301f., 313 365f., 368 268f. 387 368f., 371, 380–382, 384 358 53, 55, 225, 267, 322 55, 455 455 235f. 115 236 236f. 153 465, 469 54 243f., 246, 302, 313, 332 302f. 232 302f. 232, 365–367 252, 305, 311, 322f. 456f. 51f. 38, 48–52 52–55 40f., 56, 472f. 39f., 56–60 40, 60–89 89f. 77f., 90–106 40, 82f., 105–108 108 41, 109–111, 116 41f., 156f., 161–163, 480 111f.
534 22,13 22,14 22,15–20 22,16f. 22,18–20 23,1–3 23,1 23,2 23,3 23,4–20 23,4 23,5 23,6f. 23,6 23,7 23,8 23,9 23,10 23,11f. 23,11 23,12 23,13 23,14 23,15–20 23,15 23,16–20 23,16–18 23,17 23,19f. 23,21–24 23,21–23 23,23 23,24 23,25–30 23,25–27 23,25 23,26 23,27 23,28 23,29f. 23,30–35 23,30 23,31–35 23,32 23,37 24,2–4 24,6
Stellenregister 112–125 125f. 42, 127f., 154–159 129–137, 193 137–154 42f., 160–165, 473 165–170 171–178 178–205, 481 43f., 206–223, 473–476, 481f. 165, 228, 239–262, 303, 323f. 229, 262–304 305f., 328f. 229, 306–324 324–328 229, 330–355 347, 355–361 362–397 229f. 397–411 411–422 422–428 229, 428–430 431f. 210f., 432–437 43, 209–211, 333 437–440 439 440–442 207 44, 443–449, 473 39 39, 46, 190f., 449–452 44f. 44f., 117, 154, 158, 453– 458, 480 453–456 456f. 457f. 458f. 459–465 50f. 453, 463–465, 468–470 464 54, 467f. 54, 467f. 456f. 469
24,9 24,10–17 24,14 24,19 24,20 25,18 25,29
467f. 237 237 467f. 457 240 237f.
Jesaja 3,20 5,3 6,1–11 7,4 8,19 16,8 30,33 34,1–4 37,19 41,15 55,10f. 56,3–5 57,5 57,9 60,7
327 172 242 142 123f. 257 376f. 301 236 307 360 400 368 386 357
Jeremia 2,2f. 2,23–25 3,10 4,9 7,16 7,29–34 7,30–8,3 7,30–34 7,31f. 7,31 8,1–3 17,2f. 17,25 19,1–13 19,1 19,2 19,5 19,11 19,13 21,1f. 23,13f. 26,7f. 26,17–19 26,17
192 247 490 173 115 397 489f. 369–371 377 364, 370f., 387f. 289f., 370 316 406f. 371f., 377 169 371 368, 371 371f. 415f. 115f., 121–124 247 173 158 169
535
Stellenregister 29,1 31,21 31,40 32,7 32,26–35 32,29 32,30–35 32,32 32,34f. 32,35 34,4f. 34,8–22 34,18 36,22–24 37,3 37,6f. 38,7 44,17–19 51,25 51,46 52,24
173 439 257 126 372f. 244, 372, 416 372f. 173 372 372f. 151f. 186f., 201f., 205 187 111 122–124 129f. 401 490 424 142 240
Ezechiel 8,1 8,16 14,1 16,8 17,13 17,14 20,1 20,17–22 20,31 23,39 39,15
168 291f. 168 204f. 200 199 168 107 367 368 439
Hosea 8,4–6 10,1–8 10,4 10,5f. 10,5 10,8 11,10
484f. 285f. 180f. 272, 484f. 285f. 264 192
Amos 3,7 4,13 5,26 7,9
359f. 263 302, 386 264
Jona 3,9
456
Micha 1,3 6,6–8
263 367f.
Habakuk 3,17
257
Zefanja 1,4f. 1,5
244, 247f., 284f., 486f. 386, 415
Sacharja 11,13 14,4
83 423f.
Psalmen 27,4–6 52,7 83,6 84,12 105,10 106,37f.
242 415 181 410 199 368
Hiob 19,10 23,16 31,26f. 38,32
415 142 293 299
Proverbien 7,20 293 18,9 424 28,24 424 Esra 2 9,1f. 10
433 427 163
Nehemia 6,10–13 7 8,2f. 9,6 10,30
242 433 174 301 204
536
Stellenregister
1Chronik 3,8 11,11 12,6 14,7 26,18
248 249 249 248 399
2Chronik 1,6 15,12 15,16 17,3 23,16 25,8–10 26,16–21 28,2 28,10f 29,3–11 29,10
356 203f. 307 246 203 162 242f. 246f. 162 162f. 203
29,12–19 30,1 30,2 34,3–7 34,3 34,8 34,14 34,18 34,29 34,31 34,32f. 35,1–19 35,1 35,12 35,20 35,22–24 35,23f. 35,25 36,6f.
331f. 447 447f. 208 59 102 95, 103f. 105 166 195f. 198f., 203 444–446 448 448 461 460 464 465 469
Alter Orient Ägyptische Texte Buch vom Tempel
101
Dendera (Hathor-Tempel) Wandinschrift 100–102 Karnak Ostrakon LS 462.4
462f.
Totenbuch 64
101
Akkadische Texte Amarnabriefe (EA) 1,15 1,33 136,6–15
277 277 193
Asarhaddon ABL 33 ABL 386 ABL 476
203 202f. 74
K 2401 II,27–32 K 2401 II,35–III,12 K 4730 ND 4336 § 2 ND 4336 § 33 Zinçirli-Stele
188 188 188f. 176 187 478
Assurbanipal Annalen A II,114–120 Annalen A IV,97–109 Annalen A VI,70–76 Annalen A IX,68–74 Annalen B IV,51–70 K 3087 K 3405
187 478 438 188 187 276 276
Babylonische Chronik (BM 21901) 1–15 462 26–35 459 61f. 460 68–73 460 Enuma eliš V,1f.
288f., 300
537
Stellenregister Ekron Weihinschrift
319f.
Nērab (Grabinschriften) KAI 225 KAI 225,1–11 KAI 225,1f. KAI 226 KAI 226,1
277f. 277 277 277f. 277
Gezer Wirtschaftsurkunde
294, 297
Gilgamesch-Epos III,43–46
417
Gūzāna (Tell Ḫalaf) Orthostateninschrift
380
Mari ARM VIII 1,37–39
276
Saqqâra-Süd (Grabinschriften) TADAE IV 18,1 278f. TADAE IV 24,9 279
97–99
Sefire-Verträge KAI 222 KAI 222A 7–13 KAI 222A 7 KAI 222B 5f. KAI 222B 23
Nabonid Eḫulḫul-Zylinder II,46–III,35 Nabonid-Chronik III,9–11
343f.
Nabu-apla-iddina Sonnentafel aus Sippar III,11–IV,11
103
Salmanassar I. Bauinschrift aus Assur Sargon II. ABL 1227,7f. ABL 1227,8f. Gottes-Brief I,14 III,317–319 Taanakbriefe 1,20f.
184f. 176 180 188 188
Sheikh Fadl (Grabinschrift) IV 23.1 XI,9 279 62f.
277 278 410f. 299
Siegel und Bullen WSS 850
297
Tēmā (Steleninschrift) KAI 228A 10–12 KAI 228A 20–23
281 281
Xanthos Trilingue
282f.
311 Hebräische Texte
Tiglatpileser III. Memorialinschrift
477–479
Arad Arad (7):88
460f.
VAT 8953 (= KAR 218) 407–409 VAT 13471
275
Ḫirbet Bet Lay BLay (7):1
339f., 483
Waradsin Bauinschrift
61f., 99
Jerusalem Jer (7):2
438
280f. 279f.
Kuntillet ‘Aǧrūd KAgr (9):8,2 KAgr (9):9,4–9 KAgr (9):9,4–6 KAgr (9):10,1
317f. 318 317f. 227
Aramäische Texte Elefantine-Papyri TADAE I 4.7 TADAE II 2.7,15
538
Stellenregister
KAgr (9):10,2 Kom (8):3,2f.
317f. 319
Lachisch Lak (6):1.4
342
Meṣad Ḫasavjāhû MHas (7):1 MHas (7):6 Siegel und Bullen WSS 40 WSS 97 WSS 80 WSS 122 WSS 339 WSS 431
227 248
59 296 297f. 295 304 111
Elkunirša und Ašertu
311f.
KUB 59/60 60,8f.
276f. 276f.
119, 163
Moabitische Texte Moši‘-Inschrift KAI 181,3 KAI 181,4
153 230
Phönizische und (Neu-)Punische Texte
Hethitische Texte
Muršiliš II. Pestgebete
KAI 181,7 KAI 181,22–28
264, 267 153
Arslan Taş KAI 27,8–10 KAI 27,9f.
188 180
CIS I 198,4f.
393
Griechenland KAI 59,2
387
Ngaous Weihinschrift
385
Siegel und Bullen WSS 737
297
Sidon KAI 13
438
Ugaritische Texte Ba‘al-Zyklus KTU 1.2 I,21 KTU 1.2 I,38 KTU 1.4 VII,34
315 315 263
Keret-Epos KTU 1.14 II,13–27 KTU 1.41,50–53
417f. 418
Antike Autoren Diodor Historien XX,14,4–6 Herodot Historien II,157 II,159 III,96
362
57, 462 463 82f.
Plutarch De superstitione 12f.
362
Strabo Geographica 16,4,26
417
Sachregister Sachregister
Adorationsgestus 282 Älteste –, Amt 166–170 Ahnenkult 149f., 450 Altar –, Dach- 213, 412f., 415–419 –, Tempelvorhof 414 Arad –, Tempel 269, 334–337 Aschera 305–329 –, Epigraphik 316–319 –, Göttin 252f. –, Ikonographie 314f. –, Kultsymbol 10f., 266f., 309f., 317, 322f., 328f. –, und Ba‘al 311–313 Astralkulte –, judäische 7f., 13f., 253, 272f., 284f., 298–300, 304, 414, 475f. Ba‘al –, kult 243–252, 284, 287f. –, Ortsnamen 251 –, Personennamen 247–251 –, tempel (Samaria) 245 Bāmāh 263–270, 300, 331f., 347f. –, Architektur 267–270, 435f. –, Kultinventar 265–267, 429f. –, Lage 267f. Baum –, sakraler 232, 310f., 313–316, 405 Begräbnis –, Josias 463–465 –, notizen 469f. Ben-Hinnomtal 257, 377f., 387 Berg –, des Verderbers 423–425 Bestattungspraxis –, judäisch 149f., 388f., 395–397 –, phönizisch 385f. –, punisch 389–394
Bet-El 258–260, 432f. –, Altar 433f. –, Aschera 437 –, Heiligtum 268f., 434–436 –, Stierbild 285f. –, Theologie 435 Bilderverbot 288f., 484–486 Buchfund 97–104, 472f. Bund –, chronistisch 198f., 203f. –, deuteronomist. 176–178, 180, 188f. –, Gottes 187f. –, josianisch 174–205 –, am Sinai 175–178 Bundes–, buch 174–178 –, erneuerungsfest 162, 182 –, formel 177, 206 –, zeugen 183–189 Bußtheologie 141–144 Dach 413 Dea nutrix 314f. Dendera –, Hathor-Tempel 100–102 Diener –, des Königs 112 Divination 292, 299f., 303 Elephantine –, Papyri 279–281 Expansionspolitik –, josianisch 431–434, 461 Familienreligion 9f., 164, 490 Fürbitte –, prophetisch 121–124 Gebot –, erstes 118, 133f., 192f., 207, 482, 484
540
Sachregister
Gelübde 68f. Geschichtswerk –, deuteronomistisch 1f., 159, 465–470 Gesetzbuch 93 Gesetzestheologie –, deuteronomistisch 190–197 Glyptik (judäische) –, astral 13, 18, 295–298, 303f., 476f. Götter –, bild 305 –, wagen 406–411 Grablege –, königliche 465 Gründungsurkunden 97–99, 102
Königsvertrag 185 Kollektenkasten 74 Kult –, einheit 55, 332, 342f., 468, 474f. –, reinheit 55, 332, 342f., 468, 475f. –, zentralisation 5f., 12, 330–346 Kultstandarten –, Prozessionswagen 410f.
Habitativ 228 Handerhebungsritual 416f. Herrschaftsikonographie –, judäische 419 Himmelsheer 300–304 Himmelskönigin 321, 490 Hulda 42, 125f., 133 –, orakel 115f., 119–125
Malik 387 Maṣṣeben 266f., 328f. Mazzot 359–361 Megiddo –, Fort (Str. II) 58 Mischehenverbot 427 Molochkult 361f. Mondgott –, aramäischer 277 –, Ikonographie 296–298 –, Kult 292f. –, von Haran 294f. –, von Tēmā 281–283 Monojahwismus 344 Monotheismus 1, 491
Jahwe –, von Samaria 317 Jahwe-allein-Bewegung 19, 482, 489 Jerusalem –, Neustadt 126 Joasch-Inschrift 74f. Josuator –, in Jerusalem 353f. Katastrophenformel 144–146 Kidrontal 256–259, 261 Kinderopfer –, alttestamentl. 362f., 366–375, 383f. –, neuassyrisch 380–383 –, punisch 362f., 384f., 389–394 Kleider –, wechsel 237f. –, zerreißen 41, 110f. Königinmutter –, Amt 49f. Königsbeurteilungen –, deuteronomist. 52f., 72f., 332, 466– 468 Königsrahmen –, hinterer 38f. –, vorderer 37f., 44f., 71f.
Landtheologie –, deuteronomistisch 374f. Lethe-Trank 278 Lunarisierung –, Jahwes 293–296
Necho II. 48, 459–464 Nekropole –, Silwān 257f. Nerab –, Grabstelen 277–279 Nergal 387 Ölberg 213, 257, 423–425 Passa –, chronistisch 445f. –, deuteronomisch 444f., 448 –, josianisch 44, 443–449 –, termin 447f. Perfekt –, copulativum 84, 225f. Personennamen –, judäisch 297 Pfeilerfigurinen 320f.
Sachregister Pferde –, für die Sonne 398f., 402f., 407–409 Priester –, aramäisch 277–283 –, bāmôt 357f., 360 –, Götzen 270f., 287 –, „Hohe“ 77f., 81f. –, Landjudas 355f. –, Mesopotamien 274f. –, Versorgung 66f., 69, 355f., 359 Priestertum –, erblich 283 Prophetengesetz –, deuteronomisch 366f. Prophetenschweigen –, deuteronomistisches 125 Prostitution –, kultische 324f. Psammetich I. 57f., 462f. Qedeschen 324–326 Quellen –, Primär 3, 11f., 14–16, 19–21, 471f. Reform –, begriff 21f. –, deuteronomische 8f., 481f. –, hiskianische 162f., 322 –, Kalender 446f. –, Trägerkreise 106 Reformschweigen –, prophetisch 489f. Religion –, Staats 206f., 221, 272, 332, 340f., 449, 474, 487, 490f. Religionspolitik –, josianische 17, 480–487, 487–489 –, neuassyrische 4, 58f., 476–480 Schätzung –, priesterliche 68f. Schafaniden 59f., 111f., 488f. Scheibe –, geflügelte 282, 404–406, 411 Schəma Israel 482 Schreiber 60 Schwellenhüter 78, 240 Selbstminderung –, rituelle 41, 110f., 116, 146–148 Sefarwiter 380f.
541
Silber –, einschmelzen 82f., 107f. Skorpionmensch 404 Solarisierung –, Jahwes 291f., 397f., 405f. Sonnengott, –, im Alten Orient 291f. –, von Jerusalem 397 Speisetischszene 278 Ständelisten –, jeremianisch 172f. Steinhauer 86f. Stiermensch 404 Sünde –, Jerobeams 53–55 –, Manasses 456–458 tāmītu-Ritual 407–409 Tell es-Seba‘ –, Hörneraltar 337f. Tempel (von Jerusalem) –, Ascherasymbolik 322f. –, Hauptraum 241 –, Kultinventar 255f. –, Restauration 40f., 61–63, 74 –, Versorgung 73f. –, Weberei 326–328 –, Zutritt 241–243 Tempussystem –, aramäisch 227f. –, hebräisch 223f., 231 Terafim 450 Tierkreiszeichen 299–301 Tod –, Josias 459–463 Tofæt –, Jerusalem 362f., 375–378, 387–389, 395–397 –, punisch 389–394 Tora –, archiv 92 –, chronistische 95 –, mosaische 92–96, 451f., 455 –, schriftliche 90–96, 164f., 480f. –, Verlesung 174f. Torheiligtümer 348–351 –, Betsaida 349f. –, Dan 348f. –, Ḫorvat Radum 351 –, Ḫorvat ‘Uza 350f.
542 Toten –, befragung 123f. –, schändung 438f. Theodizee –, deuteronomistisch 9 Umkehr –, zu Jahwe 454f. –, Jahwes 456 Unvergleichlichkeitsformel 453–455 „Ur“-Deuteronomium 91, 96 Vasallenverträge –, babylonische 199 –, neuassyrische 184, 478 Vasallität (Judas) –, unter Ägypten 57f., 462f. Verbrennung –, kultisch 266
Sachregister Vernichtungssymbolik 307–309, 421, 436f. Verstockung 142 Verunreinigung –, durch Tote 430 Volk –, des Landes 50–52, 464, 489 Wiederaufnahme –, Literarkritik 137 Zentralgericht –, Jerusalem 341 Zentralisationsgesetz –, deuteronomisch 334 Zionstheologie 339f., 483f. Zweiggöttin 314f.