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German Pages 484 [486] Year 2020
Jonathan Riley-Smith Die Kreuzzüge
Jonathan Riley-Smith
Die Kreuzzüge Aus dem Englischen von Tobias Gabel und Hannes Möhring
Für Dominie, Hamish, Tristram, Sebastian und Torquil und zum Gedenken an Prosper Die englische Originalausgabe ist in dritter, vollständig überarbeiteter Ausgabe 2014 bei Bloomsbury Academic unter dem Titel The Crusades: A History erschienen. © Jonathan Riley-Smith, 1987, 2005, 2014
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / www.dnb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Sonderausgabe 2020 wbg Theiss ist ein Imprint der wbg. © der deutschen Ausgabe 2015 by wbg (Wissenschaft liche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht.
Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Einbandabbildung: Der türkische Angriff auf Rhodos aus Guillaume Caoursins Chronik der Belagerung von Rhodos (1483), Lat 6067, © Bridgeman Images / Bibliothèque nationale, Paris Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M. Karten: Peter Palm, Berlin Abbildungen im Buch: 41: © wikimedia / user (Ergo); 74: © akg-images / De Agostini Picture Lib. / G. Dagli Orti; 124: © akg-images / A.F.Kersting; 173: © The British Library; 356: © akg-images / Bildarchiv Monheim / Schütze / Rodemann; 361: © David Broad; 419: © Archives Générales Missionnaires d’Afrique, Roma (A.G.M.Afr Roma) Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4105-1 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-4138-9 eBook (epub): 978-3-8062-4139-6
Inhalt Inhalt
Vorwort zur dritten Auflage
11
Karten
14
Die Kreuzzüge und die Geschichtsschreibung Traditionalismus Materialismus Ein „Goldenes Zeitalter“ – und dann eine Flaute Frühe Anzeichen für ein Revival: Die Geschichte des lateinischen Ostens Alternativen zum Traditionalismus Der Materialismus auf dem Prüfstand Unterschiedliche Sichtweisen: Die Experten und die interessierte Öffentlichkeit
33 34 37 39 40 42 44 45
1. Kreuzzüge als Heilige Kriege und Bußwallfahrten Kreuzzüge als Heilige Kriege Kreuzzüge als Bußwallfahrten
47 48 54
2. Die Geburt der Kreuzzugsbewegung: Der Aufruf zum Ersten Kreuzzug Papst Urban II. Ein Befreiungskrieg Die Pilgerfahrt der büßenden Krieger Jerusalem Kreuzfahrer als Büßer Die Reaktion Pogrome und Judenfeindschaft
56 58 60 65 67 70 75 83
3. Der Verlauf des Ersten Kreuzzuges Die Situation in der islamischen Welt Die erste Welle
86 86 87
6
Inhalt
Die zweite Welle: Der Marsch nach Konstantinopel Die zweite Welle: Von Konstantinopel nach Antiochia Die zweite Welle: Die Belagerung von Antiochia und ihre Folgen Die zweite Welle: Die Befreiung Jerusalems Die Ergebnisse der zweiten Welle Die dritte Welle Die Fortentwicklung der Kreuzzugsidee
4. Die heiligen Stätten und die Patriarchate von Jerusalem und Antiochia Die Ausgestaltung der heiligen Stätten Die Gründung der lateinischen Kirche im Heiligen Land Die lateinische Kirche nach 1111 und ihre Beziehungen zu den Einheimischen Der kulturelle Beitrag der lateinischen Kirche in Syrien und Palästina Die Ritterorden
89 93 100 106 109 109 112
115 118 128 133 140 146
5. Besiedlung, Regierung und Verteidigung des lateinischen Ostens (1097–1187) Land und Stadt Die rechtliche Stellung der Einheimischen Die Verwaltung Das Königreich Jerusalem und die Kreuzfahrerherrschaften Von Balduin I. zu Balduin V. Die Verteidigung der Herrschaften Die Schlacht von Hattin und der Verlust Jerusalems
150 150 153 156 162 167 177 185
6. Die Kreuzzugsbewegung wächst heran (1102–1187) Kreuzfahrer oder Pilger? Die ersten Kreuzzüge des 12. Jahrhunderts Der Zweite Kreuzzug Sinkende Kampfmoral Traditionen entstehen
189 189 193 198 210 214
7. Die Kreuzzugsbewegung wird erwachsen (1187–1229) Der Dritte Kreuzzug Der Kreuzzug von 1197 Papst Innozenz III.
216 217 227 229
Inhalt
Der Vierte Kreuzzug Die Kreuzzüge in das Baltikum Der Kreuzzug gegen Markward von Annweiler Der Albigenserkreuzzug Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel Der Kinderkreuzzug Die Propagierung des Fünften Kreuzzuges Der Verlauf des Fünften Kreuzzuges Der Kreuzzug Friedrichs II.
7 230 244 246 247 254 257 258 263 268
8. Die Kreuzzugsbewegung in voller Reife (1229 – ca. 1291) Steuern und Abgaben Der Kreuzzug der Barone (1239–1241) Der erste Kreuzzug Ludwigs IX. des Heiligen von Frankreich Kreuzzüge gegen Preußen und Litauen Die ersten Kreuzzüge gegen die Mongolen Erneute Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel Ketzerkreuzzüge Politische Kreuzzüge Reaktionen auf die verschiedenen Ausformungen des Kreuzzugsgedankens Der zweite Kreuzzug Ludwigs IX. des Heiligen von Frankreich Papst Gregor X. Die gescheiterten Vorbereitungen für einen weiteren großen Kreuzzug nach 1272 / 76
271 275 276 280 287 290 291 292 293
9. Der lateinische Osten (1192 – ca. 1291) Das Königreich Kleinarmenien Zypern Griechenland Die Italiener Die Ayyubiden Was die Siedler von der muslimischen Politik wussten Antiochia-Tripolis Verfassungskonflikte im Königreich Jerusalem Die Mamluken Die asiatischen Handelsrouten verschieben sich Die Eroberungen des Sultans Baibars Die Zerschlagung der lateinischen Herrschaften in Palästina und Syrien
309 309 310 312 320 323 324 325 327 337 338 340
298 301 306 307
341
8
Inhalt
10. Die Vielfalt der Kreuzzugsidee (ca. 1291–1523) Kreuzzugstheorien im 14. Jahrhundert Das Ende des Templerordens Der Deutsche Orden in Preußen und Livland Die Johanniter auf Rhodos Charakteristika der Ordensstaaten Zypern Griechenland Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel (1302–1354) Kreuzzüge in Italien (1302–1378) Kreuzzüge in den Nahen Osten nach dem Fall von Akkon Kreuzzüge in den Nahen Osten (1323–1360) und das Aufkommen von Kreuzzugsligen Peter I. von Zypern Wachsende Besorgnis über die Osmanen Kreuzzüge in der Folge des Großen Abendländischen Schismas von 1378 Die Kreuzzüge gegen Mahdia und Nikopolis Kreuzzüge gegen die Osmanen (1397–1413) Die Hussitenkreuzzüge Der Kreuzzug gegen Varna Reaktionen auf den Verlust Konstantinopels, die Modernisierung des Kreuzzugsgedankens und die Wiederkehr der Bauernheere Die Eroberung von Granada und die Invasion Nordafrikas Kreuzzugspläne (1484–1522)
346 347 349 353 358 362 363 365 367 368 371
11. Der langsame Tod der Kreuzzugsbewegung (1523 –1892) Die Reformation Alte und neue Ritterorden Kreuzzüge in Nordafrika Kriegsschauplätze im Osten Die Hospitaliter des heiligen Johannes und die Insel Malta Para-Kreuzzüge und Pseudo-Kreuzzüge im Zeitalter des Imperialismus Die letzten Kreuzfahrer Der moderne islamische Gegenkreuzzug Gedächtnisschwund
394 394 397 398 401 406
374 377 378 380 380 382 384 385 386 389 390
411 415 420 425
Inhalt
9
Anhang
427
Kommentierte Bibliografie zu Forschungsliteratur und Quellen Nachschlagewerke Überblickswerke Einzelthemen der Forschung Die Kreuzzüge in den Nahen Osten Kreuzzüge an anderen Kriegsschauplätzen Die lateinischen Herrschaften in der Levante Die Ritterorden Übersetzte Quellen zu den Kreuzzügen
429 429 430 431 437 440 441 445 448
Zeittafel
452
Abkürzungen im Register
459
Namen- und Ortsregister
460
Ecce quam bonum et quam iucundum habitare fratres in unum! Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! (Ps 133,1)
Vorwort zur dritten Auflage Vorwort zur dritten Auflage
Ich habe mich bemüht, eine so umfassende Geschichte der Kreuzzüge vorzulegen, wie das in einem einzigen Band eben möglich ist. Dabei habe ich mich auch an den schulischen und universitären Lehrgepflogenheiten orientiert, die meist die ersten beiden Jahrhunderte der Kreuzzugsbewegung samt deren Ausrichtung nach Osten in den Vordergrund stellen. In den neun Jahren, die seit der zweiten Auflage meines Buches ins Land gegangen sind, haben auf die Kreuzzüge spezialisierte Historiker von dem Erscheinen einer ganzen Reihe maßgeblicher Neuveröffentlichungen und Forschungsvorhaben profitieren können: von einer hervorragenden Einführung in die Geschichte der Kreuzzugsgeschichtsschreibung; von umfassenden und sorgfältig gearbeiteten Nachschlagewerken zur Geschichte der Kreuzzüge und der Ritterorden; von stimulierenden Studien zum ideengeschichtlichen Hintergrund der Kreuzzüge sowie zum Familiengedenken der Kreuzfahrer; von einer Infragestellung der modernen Tendenz, dem Ersten Kreuzzug so etwas wie Empathie entgegenzubringen; von detaillierten Darstellungen des Ersten und Zweiten Kreuzzuges sowie des Kreuzzuges der Barone; von einer brillanten Untersuchung zum Kinderkreuzzug von 1212; von ganz neuen Sichtweisen auf die baltischen Kreuzzüge; von revisionistischen Forschungen zum 15. Jahrhundert; von Fortschritten in unserem Verständnis des lateinischen Ostens und der Ritterorden; und, nicht zuletzt, von dem Vorschlag, dass der Kreuzzugsgedanke sich – in der einen oder anderen Form – bis in das 19. Jahrhundert gehalten habe. Das ist nur eine kleine Blütenlese der neuesten Forschung, und man fragt sich wohl zu Recht, ob diese Publikationsflut jemals versiegen wird. Manch ein Experte ist der Ansicht, dass das Forschungsfeld „Geschichte der Kreuzzüge“ wohl bald wegen „Überdüngung“ durch ständig neues Material geschlossen werden müsste. Allein, in der Geschichtswissenschaft pflegen sich Perioden großen Forschungseifers und Jahrzehnte des scheinbaren Stillstands abzuwechseln; in den letzteren Phasen werden das Material und die Durchbrüche, die in den ersteren erzielt worden sind, gleichsam verdaut und aufgearbeitet. Dennoch gibt es Grund zu der Annahme, dass die Erforschung der Kreuzzüge von einer solchen Stabilisierung noch ein ganzes Stück entfernt ist. Das 16., 17. und 18. Jahrhundert harren, was das Phänomen der Kreuzzüge anbelangt, noch immer zum ganz überwiegenden Teil ihrer Erforschung. Auch über die Kreuzzüge im Baltikum und auf der Iberischen Halbinsel ist noch so vieles gänzlich unbekannt. Zudem hat bislang nicht ein einziger Historiker (ungeachtet aller Beteuerungen in dieser Richtung) eine im eigentlichen Sinne wirtschaftsgeschichtliche Studie der Kreuzzüge vorgelegt; bei der Berücksichtigung ihrer kunst- und literaturgeschichtlichen Kontexte sieht es ähnlich mager aus. Wie alle anderen Menschen, so sind auch Historiker von gewissen Denkströmungen in ihrer Umwelt beeinflusst und geprägt. So scheinen es, neben anderen Faktoren, die
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Vorwort zur dritten Auflage
Debatten rund um atomare Aufrüstung und die Gründung des Staates Israel gewesen zu sein, die in den 1950er- und 1960er-Jahren die „revisionistische Ära“ in der Kreuzzugsgeschichtsschreibung einläuteten. Zwei Sachverhalte, die uns heute vergleichbar auf den Nägeln brennen, mögen sich dereinst als ganz ähnlich einflussreich herausstellen. Der erste gewinnt in dem gleichen Maße an Bedeutung, in dem sich islamistische Dschihadisten einer Anti-Kreuzzugs-Rhetorik bedienen. Diese Extremisten gebrauchen die Begriffe „Kreuzzug“, „Kreuzfahrer“, ja „Kreuzfahrertum“, um Institutionen, Gemeinschaften und Vorstellungen zu bezeichnen, die diese Verwendung – aus Sicht der westlichen Geschichtswissenschaft – nicht auf den ersten Blick als angebracht erscheinen lassen. Dennoch: Der stetige Gebrauch dieser Wörter in ihrem neuen Kontext sowie die Bedrohung für die (westliche) Allgemeinheit, die sie heraufbeschwören, haben das Thema „Kreuzzüge“ für jene Allgemeinheit eine ganz neue Relevanz gewinnen lassen. Der zweite Sachverhalt betrifft das Aufkommen einer neuen Art ethischer Kriegführung im Namen der Menschenrechte. Zum ersten Mal in einer Geschichte von 2000 Jahren ist das Kriterium des rechtfertigenden Kriegsgrundes, demzufolge eine Kriegserklärung nur auf ein von der einen Kriegspartei erlittenes Unrecht hin erfolgen durfte, neu definiert worden. Diese Revolution in der früheren Bellum-Iustum-Theorie ist unter anderem von den Vereinten Nationen und dem Papsttum getragen worden, doch bleibt sie kontrovers und könnte auch in der Kreuzzugsforschung zu lebhaften Debatten führen. Kreuzzüge sind auf vielen Kriegsschauplätzen geführt worden, und es ist kein Zufall, dass manche der betroffenen Gebiete im Laufe der Jahrhunderte unter mehrfach wechselnder Herrschaft gestanden haben. Aus demselben Grund haben viele Orte und Gegenden über die Jahrhunderte hinweg verschiedene Namen getragen. Ausgehend von der Vermutung, dass meine Leserinnen und Leser wohl einige dieser geschichtsträchtigen Orte gern einmal besuchen würden, habe ich deshalb – soweit es mir möglich war – die heute allgemein gebräuchlichen Namen dieser Orte verwendet, doch habe ich diese Praxis der besseren Lesbarkeit halber modifiziert, wo der heutige offizielle Name nicht der im Deutschen meistgebrauchte ist (also Danzig statt Gdańsk, Fes statt Fès, Marienburg statt Malbork). In jedem Fall habe ich jedoch alternative Namen bei der ersten Nennung in Klammern eingefügt; diese sind zudem auch im Register aufgeführt. Auch bei den arabischen Personennamen habe ich mich an der bestmöglichen Lesbarkeit und Verständlichkeit für ein interessiertes, aber nicht spezialisiertes Publikum orientiert; meine arabistischen Kollegen mögen es mir verzeihen. Die langen Zitate im Text stammen aus den folgenden Werken: Die auf den Seiten 55, 70–72, 146–147, 190, 193, 199–200, 202, 210, 213–214, 216, 230, 248, 256–26 sind dem Buch von Louise und Jonathan Riley-Smith, The Crusades: Idea and Reality, 1095–1274 (1981) entnommen; das Langzitat auf S. 42 stammt aus Ronnie Ellenblums Buch Crusader Castles and Modern Histories (2007); das auf Seite 139 aus Usamah ibn Munqidh, An Arab-Syrian Gentleman and Warrior in the Period of the Crusades, übers. v. Philip K. Hitti (1929); das auf S. 139–140 von Rabbi Jacob ben R. Nathaniel ha Cohen, „Account“, übers. v. Elkan N. Adler, in Jewish Travellers (1930); das auf S. 272 aus Christoph Maiers Buch Crusade Propaganda and Ideology (2000); das auf S. 283 aus Joinville and
Vorwort zur dritten Auflage
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Villehardouin. Chronicles of the Crusades, übers. v. Caroline Smith (2008); das auf S. 388 aus Pius II., „Commentaries“, in Memoirs of a Renaissance Pope, übers. v. Florence A. Gragg (gekürzte Ausgabe 1960); die Zitate auf den Seiten 414–415 entnehme ich dem Buch von Elizabeth Siberry, The New Crusaders: Images of the Crusades in the 19th and Early 20th Centuries (2000); das auf S. 422 stammt aus Emmanuel Sivan, „Modern Arab Historiography of the Crusades“, Asian and African Studies 8 (1972); das Zitat auf S. 424 schließlich verdanke ich Bruce Lawrence und James Howarth, Messages to the World: The Statements of Osama bin Laden (2005). Mein Sohn Tobias hat wieder einmal etwas Platz auf seiner Festplatte bereitgestellt, um eine Sicherungskopie meines Manuskripts zu verwahren. Michael Brett, Denys Pringle und Edna Stern möchte ich für ihre Hilfe bei den Illustrationen und verschiedenen Detailfragen danken. Die Zusammenarbeit mit Rhodri Mogford von der Bloomsbury Press war mir eine wahre Freude; einen hilfsbereiteren und tatsächlich auch hilfreicheren Verleger habe ich in meiner mittlerweile doch sehr langen Karriere noch nicht gehabt. Auch für die Geduld und die stete Ermunterung, die mir Giles Herman (ebenfalls Bloomsbury) und Kim Storry von Fakenham Prepress Solutions haben zuteil werden lassen, bin ich von Herzen dankbar. J. S. C. R.-S., im Februar 2013
14
Karten Karten
1. Die Schauplätze der Kreuzzüge
Nordsee
Ostsee
PREUSSEN POMMERN POLEN
ATLANTIC OCEAN Atlantischer Ozean BÖHMEN MÄHREN ÖSTERREICH
UNGARN
Lombardei Languedoc PORTUGAL
´ ARAGON
BOSNIEN
KIRCHENSTAAT
KASTILIEN
Rom KGR. NEAPEL GRANADA GRANADA Kanarische Inseln Tunis
Algier
Tunis
MAROKKO TUNESIEN
1094 unter muslimischer Herrschaft 1094 unter christlicher Herrschaft 1094 noch nicht christianisiert Weiteste Ausbreitung des Islam in der Zeit von 1095 bis 1798 Weiteste Ausbreitung des Christentums in der Zeit von 1095 bis 1798 Grenze zwischen Christentum und Islam im Jahr 1798
KGR. SIZILIEN Malta
Karten
FINNLAND
ESTLAND LIVLAND
LITAUEN RUSSLAND
Ukraine
Kaspisches Meer SIEBENBÜRGEN
Schwarzes Meer
BULGARIEN Konstantinopel EPIRUS
LATEINISCHES KAISERREICH
KGR. THESSALONIKI
Smyrna Smyrna AYDIN
GFT. EDESSA KILIKIEN/ CILICIAN KLEINARMENIEN ARMENIA
Antalya MENTESCHE
Andravida FSM. ACHAIA
Antiochia GFT. TRIPOLIS
Rhodes Rhodos KGR. ZYPERN Kreta
Mittelmeer
Aleppo
FSM. ANTIOCHIA
Damaskus
Akkon KGR. JERUSALEM Damietta Damiette Alexandria Kairo ÄGYPTEN
Jerusalem
15
Karten
Bremen
Verden .. Osnabruck Minden Hildesheim Dartmouth .. Antwerpen Munster Paderborn Madgeburg Liegnitz Köln Tournai Aachen Compiegne Lüttich Wesseli Bouillon Frankfurt Gelnhausen Cambrai Prag Gisors .. Mainz Soissons Paris Trier Tachau Worms Wurzburg Reims Speyer Metz Chartres Nürnberg Verdun Regensburg Troyes Le Mans Hagenau Etampes Clairvaux Angers Blois Wien Vezelay ´ Tours Sancerre Wieselburg Bourges Pannonhalma Cîteaux Poitiers Razes Cluny Limoges St Leonard-de-Noblat Clermont Lyon Rhône London
Rhe in
16
Le Puy Toulouse
Nîmes Aigues-Mortes
Perpignan
Valence Avignon Saint-Gilles Marseille
Mailand
Neutra
Venedig Genua Bologna
Zadar
Pisa
Hyeres
Barcelona
Spalato
Rom Bari Neapel Brindisi Amalfi Tarent Valona Otranto Cagliari Trapani
Messina Palermo
Tunis
Mahdia
Mittelmeer Tripolis
Karten
2. Europa und der Nahe Osten (1094 –1291)
Tana
Kaffa Cembalo
Schwarzes Meer
Belgrad
Trapezunt Nisˇ
Niksar Köse Dagi ˇ (Merziton)
Sofia Plovdiv
Adrianopel Konstantinopel
Thessaloniki Gallipoli
.. Uskudar Nikomedia Nicäa Doryläum
Smyrna
˛ Alasehir Eskihisar Ephesos
Athen
Antalya
Çankiri Ankara
Malatya Komana Göksun Amorium Maras˛ Akcehir Edessa Konya Adana Misisi Gaziantep Karaman Tarsus Aleppo Sal Antiochia eph Silifke Alanya Kayseri
Nikosia Rhodos Heraklion Zypern Kreta
Damaskus Akkon
Jerusalem Damiette Alexandria Kairo
17
Karten
SULTANAT DER RUMSELDSCHUKEN Sis
BYZANTINISCHES REICH ARMENIER
Entep
Adana Tarsus Korykos
. Tilbesar , us n a m A ‘Azaz Harim Ravanda Yenisehir Aleppo Atarib g gb
Misis Ayas Alexandretta ˘ Bagras Antiochia
Silifke
Blutfeld Quseir Hab
Tell Danith Kefer Lata al-Bara Latakia Ma’arrat Qal’at al-Mudiq Kyrenia an-Numan Kafartab Dschabla Bellapais Seidschar Agridi Masyaf Hama Famagusta Baniyas (Syrien) Nikosia Maraclea Ba‘rin Tartus Margat Larnaka Chirokitra Rafniye Arwad Safita Limassol Homs GFT. TRIPOLIS Krak des Chevaliers Tripolis Enfeh Batrun Dschubail Ba‘albek Beirut
FSM. ANTIOCHIA Dschisr al-Schugur
Or
on
tes
Paphos
Sidon
Mittelmeer
KGR. JERUSALEM
Damiette Alexandria al-Mansura
Gaza Darum
Tinnis
Bilbeis
FATIMIDENREICH Kairo
Sinai muslimische Territorien Grenzen von 1144
Golf vo
christliche Territorien
n Ak
aba
Nil
18
Damaskus
Karten
3. Palästina, Syrien, Kilikien, Zypern und Ägypten GFT. EDESSA Samosata Birtha
Edessa Sürüc
Detail Mardsch Uyun Beaufort Baniyas Litani Hunin (Jordan)
Tyrus
Euphra
t
Tibnin
Iskandaruna Achzib
Montfort
ABBASIDENREICH
Haifa Berg Karmel ‘Atlit
Zippori Nazareth ‘Afula
Caesarea
Dschisr Banat-Yakub
Safed
Akkon
Tiberias Hattin
Tell Aschtara
Berg Tabor Belvoir
‘Ain Dschalut Bet Sche‘an
Jordan
Caco Arsul
See Genezareth
Sebaste Nablus
Jaffa Lydda Ramla Ramallah Beit Nuba Kubeiba Latrun Jerusalem Aschdod Bethanien Askalon
Jericho
Blanche Garde Bethlehem Bet Guvrin Hebron
Totes Meer
Karak
19
20
Karten
4. Jerusalem im 12. Jahrhundert
St.-AnnenKirche
Marienkloster im Kidrontal
St. Lazarus von Bethanien Gethsem
Tempelberg (Felsendom)
ane
Heiliges Grab Heilige Maria der Lateiner (Abtei) Hospital des Heiligen Johannes
St. Maria Major Davidsturm (Zitadelle)
Hauptquartier der Templer (al-Aqsa-Moschee) St. Maria der Deutschen (Marienhospital)
St. Maria auf dem Berg Zion (Abendmahlssaal) 0
100
200 Meter
300
Karten
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5. Der französische Südwesten und die Iberische Halbinsel Albi Saint-Gilles Toulouse
Béziers
Muret Carcassonne
Santiago de Compostela
Foix Perpignan Girona Montserrat Saragossa
Porto
Fraga Lérida Mequinenza
Monreal del Campo
Segovia
Barcelona Tarragona Tortosa
Madrid Huete
Teruel
Menorca
Toledo
Mahón Mallorca Santarem Lissabon
Valencia
Malagón Salvatierra l
tie Alarcos Calatravade Mon o
Badajoz
p
Cam
Córdoba
Granada
Benameji
o
Zahara
Setenil Álora Ronda
Guadix Alhama Almería
Málaga
Grenze zwischen christlichem und muslimischem Einflussbereich (1094) Vormarsch der reconquistadores bis 1180
Sa
Jerez de la Frontera
Mittelmeer
Baza
Sevilla
lad
Silves / Alvor
Ferral Los Navas de Tolosa Tolosa Vilches ~ Banos Úbeda Baeza , Jaen
Si Se erra gu d ra e
Alcácer do Sal
Tarifa
Atlantischer Ozean
Gibraltar Algeciras
Zeitweilige christliche Eroberungen in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts Vormarsch der reconquistadores bis zum Ende des 13. Jahrhunderts 1500 unter muslimischer Herrschaft
22
Karten
6. Die Schifffahrtswege im Mittelmeer
UNGARN
Venedig Genua
Pisa Ancona
Ragusa
Rom
Amalfi
Bari
Cagliari
KGR. SIZILIEN
Messina Ionische Inseln Syrakus Mahdia
Malta
Methoni Koroni
Mittelmeer
Meeresströmungen Winde Seewege
Karten
Schwarzes Meer
BULGARIEN Sinope
Trapezunt
Konstantinopel
A
N
CÄ
CH
NI
IE
EN
RM
I A IN RE LE ER K S / I EN KA KI I L KI
Konya
SULTANAT DER RUMSELDSCHUKEN
Ägäisches Meer
Antalya
KIL
IKIE
N
EI /KL
Myra
N ME
IEN
R N A Ayas
St. Simeon Aleppo Antiochia FSM. ANTIOCHIA
Rhodos
SYRIEN KGR. ZYPERN
Famagusta
Kreta
GFT. TRIPOLIS Tripolis
Limassol
Damaskus Tyrus Akkon KGR. JERUSALEM Jerusalem
Alexandria
23
24
Karten
7. Griechenland, Thrakien und das westliche Kleinasien
BULGARIEN Durazzo Serres Thessaloniki
Valona DESPOTAT EPIRUS
Thasos
KGR. THESSALONIKI Lemnos
Korfu
isch
Ion
Preveza (in Epirus)
Arta
Golf von Arta
Skyros
seln
e In
Lefkada
Kefalonia
Lepanto HZM. ATHEN Euböa Go Theben lf Golf von Patras
Zakynthos
von
Ko rint Patras h Athen Andréville Korinth Kyllini FSM. Nafplio ACHAIA
Ionisches Meer
Pylos Methoni
Mistra
Kykladen
Koroni Passava Monemvasia Mani
Lateinisch-christliche Territorien Griechisch-christliche Territorien Muslimische Territorien
Kreta
Candia
Karten
Adrianopel Corlu , LATEINISCHES KAISERREICH
Kefken
Silivri
Konstantinopel Marmarameer
Samothrake
Gallipoli
Usküdar .. Kadikoy Nikomedia Kibotos Nicäa
Askania-See
Lapseki
Tenedos Golf von Edremit
KAISERREICH NICÄA
Lesbos
Mytilene Foça Smyrna
Chios Ägäisches Meer Tinos
SULTANAT DER RUMSELDSCHUKEN Mugla ˘
Naxos Do
Kos
Bodrum
de ka ne
Rhodos
s
Rhodos
25
Karten
London
Ypern Lille
Paris
Tachau
Cambrai Reims
Prag Nürnberg Rhe in
26
Konstanz
Wien
Poitiers
Buda
Vienne
Donau
Lyon
Rhône Mailand
,
Mohacs
Venedig Toulouse
Avignon
Peterwardein
Genua Bologna
Marseille
Pisa Ragusa Barcelona
Rom Durazzo Neapel Brindisi Otranto
Messina Palermo Algier Tunis
Mahdia
Mittelmeer Dscherba Tripolis
Karten
8. Europa und der Nahe Osten (1292 –1798)
Tana
Kaffa Soldaia Temeswar
Cembalo
Orschowa
Schwarzes Meer Belgrad
Nikopolis
Varna
Trapezunt
Nessebar Sozopol Mariza Adrianopel Plovdiv Konstantinopel
Nisˇ Sofia AMSELFELD Thessaloniki
Gallipoli
.. Uskudar Nikomedia Nicäa Bursa Doryläum
Smyrna
Lepanto
Sal
Athen
Antalya
eph
Aleppo
Alanya
Nikosia
Rhodos Candia Zypern
Damaskus
Kreta
Jerusalem Damiette Alexandria Kairo
27
28
Karten
9. Der Ostseeraum
NOWGOROD
NORWEGEN
FINNLAND
SCHWEDEN Reval
Nowgorod
ESTLAND
Ösel
Pskow LIVLAND
Riga Uexküll
Du
rb
e
DÄNEMARK
Ostsee
REPUBLIK PSKOW
DEUTSCHORDENSSTAAT
Düna
Memel Frisches Haff
Königsberg
Rügen
Danzig
Lübeck Demmin Bremen Artlenburg
Stettin POMMERN
Brandenburg Magdeburg Elbe
RÖMISCHDEUTSCHES REICH
PREUSSEN
Marienburg KULMER LAND Tannenberg
LITAUEN
Thorn
Oder
POLEN Liegnitz Breslau Krakau
1095 heidnisch, bis zum Ende des 14. Jahrhunderts allmählich christianisiert Grenzen von 1390
Karten
29
10. Italien
Mailand Piacenza
Treviso Verona Venedig
Mantua Ferrara
KGR. ITALIEN (HRR) Genua „REICHSITALIEN“
Bologna Faenza Cesena Pisa ROMAGNA Florenz
Ancona MARKEN
TOSKANA
HZM. SPOLETO
Viterbo KIRCHENSTAAT
Ostia
Adriatisches Meer
Tagliacozzo Rom Ferentino
Lucera Monte Foggia Cassino San Germano Benevento Amalfi
APULIEN (normannisch)
Bari Brindisi Tarent Otranto
Tyrrhenisches Meer KALABRIEN
Bagnara Palermo Kap Orlando Messina Trapani Ionisches Meer Grenzen von 1095 Grenze des römischdeutschen Reiches
SIZILIEN (normannisch)
30
Karten
11. Nordafrika
Atlantischer Ozean
Asilah Melilla Larache Ksar-el-Kebir Tlemcen Salé Fez
La Gomera Kanarische Inseln
Karten
Rom
Barcelona
Neapel
MEDITERRANEAN SEA Cherchell
Tenes
Collo
Medea
‘Annaba Bejaia Constantine
Oran Miliana Mersel-Kebir
Bizerta
Algier
Biskra
Tunis
La Goletta Hammamet
Mahdia
Malta Valletta
Kuriat-Inseln Golf von Gabès Dscherba Tripolis
Grenzen des Almohadenreiches im Jahr 1220
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Die Kreuzzüge und die Geschichtsschreibung Die Kreuzzüge und die Geschichtsschreibung
Noch für die Historiker der frühen 1950er-Jahre gab es eigentlich nur eine Art von „echten“ Kreuzzügen: solche nämlich, die von Westeuropa aus zur Eroberung oder Verteidigung Jerusalems unternommen wurden. Kriegszüge an anderen Schauplätzen – auf der Iberischen Halbinsel etwa oder im Baltikum – oder solche, die sich gegen innere Feinde der Kirche richteten (gegen Häretiker beispielsweise), wurden mitunter zwar schon damals als Kreuzzüge bezeichnet – etwas ungenau, wie man dachte –, aber da sie in eine andere Kategorie zu gehören schienen, dachte man über sie nicht weiter nach. Die Ära der Kreuzzüge endete, so die verbreitete Lehrmeinung, mit dem Verlust der letzten Brückenköpfe in Palästina und Syrien an muslimische Angreifer im Jahr 1291. Wenigstens etwas Interesse brachte man darüber hinaus noch den vermeintlichen „letzten Zuckungen“ der Kreuzzugsbewegung im Spätmittelalter entgegen. Der religiösen Motivation der Kreuzzüge schenkte man hingegen nur wenig Beachtung. Zwar gestanden manche Historiker durchaus ein, dass jene möglicherweise eine Rolle gespielt haben könnte – allein, sie fanden es geradezu moralisch verwerflich, diese Möglichkeit ernstzunehmen, und verfolgten lieber jenen Ansatz, demzufolge die Herrschaften und Ansiedlungen westlicher Kreuzfahrer in Palästina, Syrien und Zypern die erste Phase des europäischen Kolonialismus dargestellt habe. Schließlich hätten – so diese Sichtweise – selbst die Päpste womöglich politische Ziele verfolgt, als sie zum Kreuzzug aufriefen; die frisch rekrutierten Kämpfer hingegen hätten ganz gewiss das Streben nach materieller Bereicherung unter dem Deckmäntelchen eines frommen Strebens verborgen. Die Kreuzzüge seien ein Sicherheitsventil gewesen, durch welches überzählige Einwohner aus einem ernstlich übervölkerten Europa entweichen konnten, und dieser Sichtweise entsprechend waren die Ritterorden weniger religiöse Institutionen als vielmehr große Finanzhäuser, die in ganz Europa riesige Landgüter verwalteten, um aus den Gewinnen ihre militärischen Operationen im Osten zu finanzieren. Dieses große Geschichtsbild war zwar in sich stimmig – und es erfreute sich großer Zustimmung in der interessierten Öffentlichkeit –, aber es ging von äußerst fragwürdigen Grundannahmen aus. Die erste dieser Grundannahmen – dass nämlich die einzig wahren Kreuzzüge jene gewesen seien, die zwischen 1097 und 1291 im Nahen Osten stattfanden – konnte schon damals auf eine lange Geschichte zurückblicken; sie ist als die Grundlage für eine traditionalistische Interpretation der Kreuzzüge anzusehen. Die zweite Grundannahme – dass es bei den Kreuzzügen im Grunde nur um Landnahme, Siedlungsexpansion und Profit gegangen sei – war erst vergleichsweise spät, in den 1920er- und 1930er-Jahren nämlich, allgemein akzeptiert worden; man bezeichnet dar-
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auf fußende Ansätze der Forschung heute als die materialistische Interpretation der Kreuzzüge. Das Bild, das in dem vorliegenden Buch von der Kreuzzugsbewegung gezeichnet wird, ist zugleich weniger verführerisch und von höherer Komplexität als jene älteren Deutungsansätze, und es entspricht auch nicht dem populären Bild der Kreuzzüge in der öffentlichen Wahrnehmung; dennoch glaube ich, dass es der Realität näherkommt.
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Eine Definition der Kreuzzüge, die jene auf einen einzigen Schauplatz – den Nahen Osten – und einen klar umrissenen Zeitraum – von 1097 bis 1291 nämlich – beschränken wollte, hat schon der englische Historiker Thomas Fuller vorgeschlagen (in seiner Historie of the Holy Warre von 1639). Indem er das „echte Kreuzfahrertum“ in eine ferne Vergangenheit verlegte, handelte Fuller jedoch willkürlich und inkonsistent. Schwerlich konnte er den Krieg zwischen Christen und Türken ignorieren, der zum Zeitpunkt der Niederschrift seines Buches auf dem Mittelmeer tobte. Er wusste genau, dass die Malteser mit ihrem Insel-Ordensstaat aktiv daran beteiligt waren; tatsächlich sollten sie kurz darauf – binnen sechs Jahren nach der Veröffentlichung seines Buches – einer Kreuzzugsliga beitreten, die zur Verteidigung der Insel Kreta begründet worden war. Fuller wollte nicht ganz ausschließen, dass es auch in Zukunft wieder zu Kreuzzügen kommen könnte, und er stellte sich sogar ganz konkret einen erneuten Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems vor – ein aussichtsloses Unterfangen, wie er selbst sogleich einräumte. Es überrascht nicht, dass Fullers zurückhaltende Definition seinerzeit nur auf geringe Zustimmung stieß. So gelangte Louis Maimbourg zu der Einsicht (und zwar in seiner Histoire des Croisades von 1675), der Kriegsschauplatz habe sich nur gezwungenermaßen, faute de mieux, auf europäischen Boden verlagert, und selbst der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz schlug in seinem ambitionierten Projet d’expédition d’Égypte von 1672 vor, in einem Heiligen Krieg Ägypten zu erobern, obwohl die staatliche französische Armee daran beteiligt sein sollte. Der eigentliche „Traditionalismus“ in der Kreuzzugsforschung geht jedoch auf die Köpfe der Aufk lärung im 18. Jahrhundert zurück, die denselben Ansatz verfolgten wie vor ihnen Fuller. Die Franzosen Denis Diderot (der in seiner 1751–1772 erschienenen Encyclopédie unter anderem auch auf die Feldzüge gegen Häretiker und im Baltikum zu sprechen kam) und Voltaire (in seinem Essai sur les mœurs et l’esprit des nations von 1756); die Schotten David Hume (in seiner History of England von 1762) und William Robertson (der 1769 mit seiner Betonung der kulturellen Überlegenheit der Muslime in The Progress of Society in Europe einen zusätzlichen Gesichtspunkt zur Diskussion stellte) sowie der Engländer Edward Gibbon (in seinem monumentalen Werk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, 1776–1789) wollten den Kreuzzugsbegriff allesamt nur auf den Nahen Osten und das hohe Mittelalter angewandt sehen. Und damit repräsentierten sie den allgemeinen Konsens ihrer Zeit: Wenn man solche Malteser-Propagan-
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disten wie etwa René de Vertot (in seiner Histoire des chevaliers hospitaliers von 1726) einmal beiseite lässt, kann gar kein Zweifel daran bestehen, dass in den gebildeten Kreisen des 18. Jahrhunderts die Kreuzzugsbewegung als tot galt, als ein Phänomen längst vergangener Zeiten. Und obwohl manche Autoren des 18. Jahrhunderts den Kreuzzügen zugestanden, dass sie Europa wohl doch auch einigen Nutzen gebracht hatten, blieb die Kreuzzugsbewegung als Ganze ein bevorzugtes Beispiel für Aberglauben und Torheiten der vormodernen Epoche. Man kann es gar nicht genug betonen: All diese Historiker und Philosophen der Aufklärung wandten eine vollkommen willkürliche Definition des Begriffs „Kreuzzug“ an – eine Definition, die es ihnen erlaubte, einerseits die Kreuzzugsbewegung als Ausgeburt mittelalterlicher Dummheit zu brandmarken, über neuere und ganz ähnliche Entwicklungen jedoch den Mantel des Schweigens zu breiten. Diderot etwa konnte es letztlich nicht vermeiden, in seiner Encyclopédie die Insel Malta als einen „Knotenpunkt des Krieges gegen die Feinde des Christentums“ zu bezeichnen; aber in dem langen Artikel über die Geschichte des Malteserordens gibt es dennoch kaum einen Verweis auf irgendwelche Kampfhandlungen nach 1291 (obwohl selbst der Organisationsstruktur und Verfassung des Ordens einiger Platz eingeräumt wird). Dem Beispiel der Aufk lärer folgte bald jedoch auch ein seriöser Historiker namens Friedrich Wilken, zu dessen Vorzügen seine Kenntnisse des Arabischen und des Persischen gehörten. Seine große Geschichte der Kreuzzüge erschien in sieben Bänden zwischen 1807 und 1832 und galt in Gelehrtenkreisen schnell als ein Musterbeispiel quellensatter und objektiver historischer Forschung. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde die Sicht der Aufk lärung auf die Kreuzzüge von keinem Geringeren als Sir Walter Scott popularisiert, dessen Bücher späterhin einen weitaus größeren Einfluss gewinnen sollten, als sie es eigentlich verdient hatten. In gleich vier von Scotts Romanen geht es um Kreuzzüge und Kreuzfahrer. Count Robert of Paris (1831) spielt in Konstantinopel zur Zeit des Ersten Kreuzzuges. Die anderen drei Romane waren in der Zeit des Dritten Kreuzzuges angesiedelt. Während sich Ivanhoe (1819) und The Betrothed (1825) um die Geschehnisse an der Heimatfront drehten, ist in The Talisman (1825) Palästina der Schauplatz der Handlung, in deren Mittelpunkt die Freundschaft zwischen einem schottischen Ritter und dem Sultan Saladin steht, der in einer verblüffenden Anzahl von Maskeraden auftritt (darunter die eines kunstfertigen Arztes, der edlerweise den englischen König Richard Löwenherz von einem Leiden kuriert). Scotts Romane stellten die Kreuzfahrer als tapfere und glanzvolle Helden dar – aber auch als Prahlhansel, Geizkrägen, Kindsköpfe und Bauerntölpel. Nur wenige von Scotts Romanrittern werden tatsächlich von religiösen und ritterlichen Idealen angetrieben; die meisten hatten das Kreuz aus Stolz, Gier oder blindem Ehrgeiz genommen. Die schlimmsten unter ihnen sind die Brüder der Ritterorden, die zwar einerseits als mutig und diszipliniert dargestellt werden, andererseits aber arrogant, durch Privilegien korrumpiert, wollüstig und liederlich daherkommen. Ein weiteres Motiv, die Überlegenheit der islamischen Kultur nämlich, auf die Scott in den anderen Romanen nur flüchtig eingeht, zieht sich wie ein roter Faden durch The Talisman. In seiner Einleitung zu den späteren Auflagen schreibt Scott:
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Die Kreuzzüge und die Geschichtsschreibung Der kriegerische Charakter Richards I. [von England], wild und weitherzig, ein Musterbild an Ritterlichkeit mit all seinen extravaganten Tugenden wie mit seinen nicht weniger absurden Fehlern, war insofern dem Charakter Saladins entgegengesetzt, als der christliche und englische Monarch die ganze Heft igkeit und Grausamkeit eines orientalischen Sultans, Saladin hingegen die tiefsinnige Staatsklugheit und Umsicht eines europäischen Herrschers an den Tag legte.
Es fiel Scott, der von William Robertsons Betonung der Überlegenheit der islamischen Kultur beeinflusst war, nicht schwer, die Kreuzfahrer als rückständig und unaufgeklärt zu zeichnen, die mit plumper Hau-drauf-Taktik gegen die zivilisierten und gebildeten Muslime anstürmten. Aber seine Darstellung war anachronistisch, denn sie siedelte die Kreuzfahrer in dem einen Kontext an (nämlich dem des Hochmittelalters) und ihre Gegner in einem gänzlich anderen: dem des 19. Jahrhunderts. Wenn man ihm seine pseudoorientalischen Gewänder herunterriss, so war Scotts Saladin ganz offenkundig ein moderner, liberaler, europäischer Gentleman, neben dem die Europäer des Mittelalters schlicht nicht bestehen konnten. The Talisman war Scotts zweitbeliebtester Kreuzfahrerroman nach Ivanhoe. Er wurde immer wieder in Bühnenfassungen aufgeführt und in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt. The Talisman inspirierte Maler in Großbritannien, Frankreich und Italien zu großformatigen Gemälden, und insbesondere das Bild Saladins in diesem Roman hatte großen Einfluss auf Generationen von Schriftstellern und Staatsmännern. Als der britische Premierminister William Ewart Gladstone im Jahr 1876 seiner Empörung über Gräueltaten in Bulgarien Ausdruck verleihen wollte, die man den Türken anlastete, so stellte er sie „jenen ritterlichen Saladins des alten Syrien“ gegenüber. Die Ruine von Saladins Grabmal in Damaskus befand sich bald auf den Besichtigungsplänen europäischer Bildungsreisender – 1862 besuchte sie etwa Albert Eduard, der Prince of Wales –, doch erst die übertriebene Ehrung beim Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. im Jahr 1898 rief Saladin der ganzen Levante wieder ins Bewusstsein. Scotts kritisch-romantische Herangehensweise an die Kreuzzugsmaterie und die Beschränkung des Begriffs Kreuzzüge auf den Nahen Osten und das hohe Mittelalter bestimmen bis heute einen Großteil der populären Literatur über dieses Thema, in Europa wie in Amerika. Das allgemein bewunderte Standardwerk zum Thema in der angelsächsischen Welt, Sir Steven Runcimans A History of the Crusades (1951–1954), in dem die Kreuzfahrer als kühn und voller Schwung, aber eben oft mals auch als kindisch, rüpelhaft und wenig reflektiert dargestellt werden, entspricht wohl beinahe dem, was Scott – bei größerer Fachkenntnis – auch geschrieben hätte. Ein weiteres Beispiel für Scotts bleibenden Einfluss im Bereich der unterhaltenden Darstellungen des Phänomens Kreuzzüge war zuletzt wohl Königreich der Himmel (The Kingdom of Heaven), ein Film des Regisseurs Ridley Scott aus dem Jahr 2005, in dem ein brutaler, habsüchtiger und feiger christlicher Klerus den blanken Hass gegen die Muslime predigt. Beschränktheit und Fanatismus dieser Priester spiegeln sich denn auch in Ridley Scotts Behandlung der Kreuzfahrer, Tempelritter und der meisten Führungspersönlichkeiten aus den christlichen Ansiedlungen rund um Jerusalem wider, die als eine Art Gründerzeit-Amerika dargestellt wer-
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den, als eine „Neue Welt“ für unternehmungslustige Einwanderer aus einem verarmten und unterdrückten Europa. Inmitten von Bigotterie und Fanatismus hat sich dort eine eingeschworene Gemeinschaft von Freidenkern zusammengefunden, um dem friedlichen Zusammenleben der Religionen einen Raum in der Welt zu schaffen und zu bewahren. Dabei arbeiten sie mit Saladin zusammen, der ihr Ziel von Frieden und Toleranz teilt, aber religiöse Eiferer im Lager der Christen setzen alles daran, diesen Prozess einer Verständigung mit dem Islam zu sabotieren.
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Die Vorstellung, dass die Kreuzfahrer aus ihrer Unternehmung etwa Profit hatten schlagen wollen, war den Denkern des 18. Jahrhunderts eigentlich fremd. Tatsächlich war es eines ihrer Lieblingsargumente, dass die Kreuzzugsbewegung wegen der hohen Kosten, die sie verursachte, das Abendland verarmt zurückgelassen und in seiner wirtschaft lichen Entwicklung gehemmt habe. Für Diderot war es ganz klar, welche Konsequenzen „jene schrecklichen Kriege“ über Europa gebracht hatten: „die Entvölkerung seiner Länder, die Bereicherung seiner Klöster, die Verarmung seines Adels, den Verfall der kirchlichen Sitten, die Verachtung des Ackerbaus, Mangel an Geld und eine Unzahl weiterer Übel.“ Edward Gibbon gelangte zu dem Schluss, dass die Kreuzzüge die Reife Europas eher gehindert als befördert haben. Die Lebenszeit und Arbeitskraft von Millionen, die im Osten begraben wurden, hätte wohl bei der Erschließung ihrer eigenen Heimatländer einen besseren Dienst geleistet: Der so angesammelte Überschuss an Gewerbefleiß und Wohlstand wäre in Seefahrt und Handel geflossen, und die Lateiner wären durch einen reinherzigen und freundschaft lichen Austausch mit den Völkern des Orients bereichert und belehrt worden.
Gewiss: Scotts Kreuzfahrer waren Jünger des Mammon gewesen, doch es war ein anderer Autor, der (wenn auch unbeabsichtigterweise) einen sogar noch größeren Einfluss auf die Entwicklung des modernen Bilds von den „materialistischen Kreuzzügen“ haben sollte; ein Autor, dessen eigene Ansichten diesem Bild gar nicht unähnlicher hätten sein können: Als Joseph François Michaud seine monumentale, in sechs Bänden zwischen 1812 und 1822 erschienene Histoire des croisades schrieb, war er von der Absicht getrieben, die glorreiche religiöse und monarchische Vergangenheit Frankreichs wieder zum Leben zu erwecken und so die Gräuel der Aufk lärung und der Französischen Revolution vergessen zu machen. Wie die Vertreter der Aufk lärung gebrauchte Michaud den Kreuzzugsbegriff ausschließlich für Kriegszüge in den Nahen Osten. Er scheint zwar die Existenz anderer Kreuzzugsschauplätze nicht geleugnet zu haben – so verwarf er den Albigenserkreuzzug einfach aus dem Grund, dass dieser mit seiner Erzählung nichts zu tun hatte –, aber andererseits wusste Michaud auch, dass die Kreuzzugsbewegung noch lange nach 1291 lebendig geblieben war (obwohl er die Ansicht vertrat, dass dies spätestens im 17. Jahrhundert vor allem in den Köpfen einiger Autoren der Fall war und nicht in der Realität).
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Michaud war überzeugt davon, dass die Kreuzzüge sämtlichen beteiligten Ländern Europas Reichtümer eingebracht hatten und dass Frankreich von allen diesen Ländern am meisten profitiert hatte. In seinen Augen waren die Kreuzzüge Äußerungen einer überlegenen katholischen Zivilisation, deren Mission es war, den Islam zu bekämpfen. Das französische Original seiner Histoire erschien bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in neunzehn Auflagen; daneben erschienen Übersetzungen ins Englische, Deutsche, Italienische und Russische. Die patriotischen Elemente in Michauds Darstellung gefielen vor allem den europäischen Architekten großer Reiche. Auf Michauds Rhetorik werde ich später noch eingehen, vorweg sei nur gesagt, dass seine Ideen zur Begründung aller möglichen Arten von europäischen Kolonialunternehmungen missbraucht wurden. In dem Maße jedoch, wie im Verlauf des 20. Jahrhunderts der Imperialismus selbst in Ungnade fiel, war der Weg frei für beißende Kritik wie die von Norman Daniels Islam and the West: The Making of an Image (1960). Daniel zufolge gründeten die zeitgenössischen Vorurteile, die der kolonialistische Westen mit Blick auf die angebliche Unterlegenheit der muslimischen Welt hegte, in verdrehten Vorstellungen, die zur Zeit der Kreuzzüge entstanden waren. Der Imperialismus mochte Schnee von gestern sein; die proto-imperialistische Lesart der Kreuzzüge blieb aktuell. Ihres religiösen Kontextes enthoben, wurden sie spätestens in den 1920er- und 1930er-Jahren als Ereignisse der Sozial- und Wirtschaft sgeschichte interpretiert – und zwar von marxistischen wie von liberalen Wirtschaftshistorikern, die der Ansicht waren, die Kreuzzugsbewegung stelle einen Wendepunkt in der Geschichte des europäischen Wirtschaftslebens dar. Von ihren imperialistischen Vorläufern hatten sie die Überzeugung geerbt, die Kreuzzüge seien eine frühe Erscheinungsform des Kolonialismus gewesen; sie selbst konnten sich nicht vorstellen, dass für ein historisches Geschehen von dieser Größenordnung andere Kräfte als die des Marktes hätten verantwortlich sein können. Die neo-imperialistische Sicht der Kreuzzüge als eines proto-kolonialistischen Phänomens wurde mit der Zeit die Meinung der breiten Mehrheit und das, obwohl die wirklichen Kreuzzugsexperten unter den Historikern an ihrer Formulierung nicht den geringsten Anteil gehabt hatten. Es gibt bis heute keine umfassende Studie zu den wirtschaft lichen Auswirkungen der Kreuzzüge, und auch die Wirtschaftsgeschichte der Kreuzzugsbewegung selbst muss erst noch geschrieben werden. Norman Housley hat darauf hingewiesen, dass bislang noch nicht einmal eine überzeugende Analyse zur Rolle der italienischen Handelsstädte innerhalb der Kreuzzugsbewegung vorgelegt worden ist. Selbstverständlich lässt sich die Geschichte der Kreuzzüge und der in ihrem Zusammenhang gegründeten Herrschaften (vor allem auf der Iberischen Halbinsel und im Baltikum) nicht völlig von der Diskussion über die Ursprünge des Kolonialismus trennen. Zweifellos gab es einen engen Zusammenhang zwischen Kreuzzugsideen und der Begründung der spanischen und portugiesischen Weltreiche. Die Tatsache bleibt jedoch bestehen, dass bis dato noch kein überzeugender (und das heißt: auf handfeste Beweise gestützter) Nachweis für die Behauptung vorgelegt worden ist, die Teilnehmer an den Kreuzzügen in den Orient hätten vorrangig aus Profitstreben gehandelt. Es scheint, dass
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diese Ansicht sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg unter Kreuzzugshistorikern verbreitet hat, wobei israelische Historiker wie vor allem Joshua Prawer die Vorhut bildeten. Für sie stand die Darstellung der Kreuzfahrer als Proto-Kolonialisten im Einklang mit der zionistischen Interpretation der Geschichte des Gelobten Landes seit dem Beginn der jüdischen Diaspora.
Ein „Goldenes Zeitalter“ – und dann eine Flaute Ein „Goldenes Zeitalter“ – und dann eine Flaute
Das romantische Interesse am Phänomen der Kreuzzüge und seine Verquickung mit den imperialistischen Regungen des 19. Jahrhunderts führte schließlich in Frankreich, aber auch in Deutschland und der Schweiz, zum Auft reten einer ganzen Generation von brillanten und produktiven Historikern auf dem Gebiet der Kreuzzüge in den Nahen Osten, deren Vertreter vor allem durch ihren Ehrgeiz und ihre Leistungen im Aufspüren und in der Edition von Quellen berühmt geworden sind. Niemand könnte heute auf die Werke von Louis und René de Mas Latrie, Emmanuel Rey, Paul Riant, Melchior de Vogüé, Henri Delaborde, Charles Kohler, Joseph Delaville le Roulx, Reinhold Röhricht, Hans Prutz oder Heinrich Hagenmeyer verzichten; dasselbe gilt für die von der Société de l’Orient Latin herausgegebenen Schriften. Die große Ära der Gelehrsamkeit, während der diese Männer Herausragendes geleistet haben, dauerte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, obwohl auch noch die baugeschichtlichen und archäologischen Arbeiten von Camille Enlart und Paul Deschamps aus den 1920er- und 1930er-Jahren dazuzuzählen sind (beide profitierten von dem Umstand, dass Frankreich mittlerweile das Protektorat über Syrien und den Libanon übernommen hatte). Es folgte eine Zeit des Stillstands, die nur ab und an von revisionistischen Werken wie etwa den Studien von Carl Erdmann über Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (1935) oder von Claude Cahen über das lateinische Fürstentum Antiochia (La Syrie du nord à l’époque des croisades et la principauté franque d’Antioche, 1940) unterbrochen wurde. Eine solche Jahrzehnte währende Ruhephase bot natürlich genau das richtige Umfeld für das Erscheinen von mehrbändigen Überblicksdarstellungen wie René Groussets Histoire des croisades et du royaume franc de Jérusalem (1934–1936) und das bereits erwähnte Werk Steven Runcimans sowie die Planungsphase der von der University of Wisconsin unter der Leitung von Kenneth Setton herausgegebenen History of the Crusades (1958– 1989). Diese war größtenteils von amerikanischen Historikern verfasst, denen der „michaudistische“ Ton von Groussets Darstellung missfiel und die sich stattdessen an der deutschen Forschungstradition orientieren wollten. Es dauerte allerdings so viele Jahre – Jahrzehnte! –, die „Wisconsin History“ fertigzustellen, dass viele der ursprünglichen Beiträger über der Abfassung ihrer Kapitel verstarben und am Ende doch mindestens ein Grousset-Schüler in die Reihen der Autoren aufgenommen werden musste.
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Frühe Anzeichen für ein Revival: Die Geschichte des lateinischen Ostens Frühe Anzeichen für ein Revival: Die Geschichte des lateinischen Ostens
Die Zeit der Stagnation endete in den 1950er-Jahren. Die europäischen Weltreiche befanden sich in Auflösung. Als Reaktion auf die Protokolle der Nürnberger Prozesse sowie die Debatten über die atomare Aufrüstung gab es ein wiedererwachendes Interesse an der Theorie des „gerechten Krieges“. Unter der Fülle von Forschungsbeiträgen, die nun in einer kurzen Zeit entstanden, befanden sich viele, die sich erneut mit Struktur und Gesellschaft der lateinischen Herrschaften im Orient befassten. Noch wichtiger allerdings war es – denn dies betraf alle anderen Zweige der Kreuzzugsforschung –, dass der vorherrschende Konsens über die Kreuzzüge infrage gestellt wurde. Das erste Anzeichen dafür, dass ein Umschwung in der Luft lag, hatte es schon gegeben, als im Jahr 1940 der französische Historiker und Arabist Claude Cahen die erste detaillierte Studie über das Fürstentum Antiochia veröffentlichte. Einige Jahre später machten sich Jean Richard in Frankreich und Joshua Prawer in Israel daran, die Geschichte des Lateinischen Königreichs Jerusalem neu zu schreiben, indem sie ein kohärentes Modell seiner Verfassungsentwicklung entwarfen. Dieser Ansatz ist mittlerweile zwar in Teilen überholt und durch komplexere, etwas weniger bruchlose Sichtweisen ersetzt worden – durch die Grundlagenstudien von Hans Eberhard Mayer und Steven Tibble etwa –, aber man macht sich heutigentags dennoch kaum ein Bild davon, wie aufregend die Forschungen von Richard und Prawer zur Gesetzgebung, Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft der Kreuzfahrerherrschaften damals waren. Zugleich spiegelten einige Unterschiede zwischen Richard und Prawer, was ihre Interpretation der gesellschaft lichen Grundlagen des lateinischen Ostens anging, im Grunde nur die Geschichte des Imperialismus in den vorangegangenen anderthalb Jahrhunderten wider. In der letzten Zeit ist Joshua Prawer gern als ein Vorkämpfer des Antikolonialismus dargestellt worden; dabei lässt sich vieles von dem, was zur Stützung dieser These herangezogen wird, auch ganz anders interpretieren. Als noch recht junger Mann hatte Prawer sich im britischen Mandatsgebiet Palästina niedergelassen, wo er die Vorstellungswelt des britischen Imperialismus im gleichen Atemzug aufsog, in dem er gegen sie die Stimme erhob. Jean Richard andererseits war Schüler von René Grousset gewesen und stand am Ende der Reihe französischer Historiker, die von Michaud herstammten. Prawer und Richard waren unterschiedlicher Ansicht, was das Verhältnis zwischen Eroberern und Einheimischen, zwischen Herrschenden und Beherrschten in den Kreuzfahrerherrschaften der Levante betraf. Prawer ging, im Anschluss an den englischen Historiker R. C. (Otto) Smail, davon aus, dass die Siedler ihr Leben getrennt von den einheimischen Anwohnern geführt hätten. Prawer und Smail gingen heftig mit der Meinung ins Gericht, in der Levante hätte sich so etwas wie eine „fränkisch-syrische Gesellschaft“ entwickelt, in der europäische Besatzer und Einheimische sich vermischt und somit eine ganz neue, einzigartige Kultur hervorgebracht hätten. Diese Meinung war hundert Jahre zuvor von Emmanuel Rey vertreten worden, und Richard vertrat sie noch
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Französischer Imperialismus in den Diensten des Denkmalschutzes: Der Krak des Chevaliers kurz nach seiner Wiederherstellung. Diese schönste und am besten erhaltene aller Kreuzfahrerburgen wurde in den 1930er-Jahren von der französischen Protektoratsregierung in Syrien restauriert. Im Zuge der Arbeiten wurden die Dorfbewohner, die sich in den Mauern der Burg niedergelassen hatten, umgesiedelt. Die Burg war von den Johannitern nach einem Erdbeben im Jahr 1170 vollkommen neu errichtet worden und wurde von ihnen im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts umgebaut und stark erweitert. Im Jahr 1271 war sie an den Mamlukensultan Baibars gefallen und seitdem – baulich nahezu unverändert – in muslimischer Hand geblieben.
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immer. In Smails Augen bildeten die europäischen Siedler eine Herrschaftselite, die von ihren Untertanen nicht zuletzt durch ihre Sprache und Religion getrennt blieb; dabei habe die Ausübung von Macht die „letztgültige Legitimierung der fränkischen Herrschaft“ dargestellt. Prawer ging sogar noch weiter und benutzte das Wort „Apartheid“, um die Trennung der Siedler, die zumeist in Städten lebten, von der einheimischen Landbevölkerung zu beschreiben. Richards Herangehensweise spiegelte, darauf hat Smail hingewiesen, die Zielvorgabe einer kulturellen Integration wider, wie sie (nach französischen „Spielregeln“) beim Streben Frankreichs nach einem Weltreich eine gewichtige Rolle gespielt hatte. Die von Prawer und Smail selbst vertretene These einer Trennung von Siedlern und Einheimischen wiederum wirkte wie ein Echo auf die größere Distanz, die britische Kolonialbeamte in der Regel zu den von ihnen verwalteten indigenen Bevölkerungen einhielten. Die neuere Forschung tendiert dazu, Richard recht zu geben. Neue archäologische Funde und Neubewertungen der Quellenbefunde deuten auf das Bestehen einer „fränkisch-syrischen“ Mischgesellschaft hin. Aber man sollte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Kernfrage nach der Existenz eines Proto-Kolonialismus – die Prawer und anderen Historikern ja so wichtig gewesen war – heutzutage kaum je gestellt wird. Sie ist mittlerweile in Israel zu einer Akzeptanz der im Gefolge der Kreuzzüge stattgefundenen Siedlungsbewegung geworden, die in jener ein positives Element der eigenen (israelischen) Vergangenheit erblickt. Ronnie Ellenblum hat diese Entwicklung folgendermaßen nachgezeichnet: … von einer „jüdischen“ Lesart der Geschichte (der Kreuzzüge), welche die Massaker an den jüdischen Gemeinden des Rheinlands im Jahr 1096 in den Mittelpunkt stellte, hin zu einer zionistischen Interpretation der Kreuzzüge als – freilich unter umgekehrten Vorzeichen stattfindende – Vorläufer der späteren zionistischen Bewegung, und schließlich hin zu einer Betrachtungsweise, die in den Kreuzzügen einen Teil der Geschichte meines eigenen Landes und darum, zu einem gewissen Anteil, auch einen Teil meiner eigenen Geschichte sieht.
Alternativen zum Traditionalismus Alternativen zum Traditionalismus
Eine Alternative zur traditionalistischen Interpretation der Kreuzzüge – derzufolge, wie gesagt, allein die Feldzüge zur Rückeroberung oder Verteidigung Jerusalems als „echte“ Kreuzzüge gelten sollten – ist schon in den 1930er-Jahren von Carl Erdmann vorgeschlagen worden. Erdmann war der Ansicht, der Begriff Kreuzzug sei auf jede Art von Kriegführung anzuwenden, die im Namen Gottes zu Zwecken der Buße unternommen worden war. Seine Ideen trafen jedoch erst auf eine gewisse Resonanz, als sein Buch Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens von 1935 auch ins Englische übersetzt worden war (The Origin of the Idea of the Crusade, 1977). Erdmann gilt heute als der erste Vertreter einer generalistischen Interpretation der Kreuzzüge. Ein weiterer Ansatz, der heute als der popularistische bezeichnet wird, wurde von Paul Alphandéry und Alphonse Dupront in ihrem Buch La Chrétienté et l’idée de croisade (1954–1959) entwickelt. Darin legen die
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beiden französischen Mediävisten nahe, dass die Essenz der Kreuzzugsbewegung gerade in prophetischen, endzeitlich motivierten Bewegungen unter der Bauernschaft und den städtischen Unterschichten gelegen habe. Die freimütigste Herausforderung des traditionellen Standpunkts jedoch hatte zwar in den frühen 1950er-Jahren bereits in der Luft gelegen, offen ausgesprochen wurde sie jedoch erst in der 1977 erschienenen Studie What Were the Crusades? von Jonathan Riley-Smith. Die Anhänger der damals formulierten Idee nennt man heute Pluralisten. Sie vertreten die Ansicht, dass „echte“ Kreuzzüge nicht nur im östlichen Mittelmeerraum, sondern an vielen anderen Fronten stattgefunden haben. Es interessiert sie dabei weniger, welche Ziele ein bestimmter Kriegszug verfolgte; vielmehr fragen sie danach – in den Worten Giles Constables – „wie ein Kreuzzug angestoßen und organisiert wurde“. Zu diesem Zweck haben die pluralistischen Kreuzzugshistoriker ein Modell entwickelt, mit dessen Hilfe sich ein „echter Kreuzzug“ einwandfrei identifizieren lässt. Die dabei berücksichtigten Kriterien sind rechtlicher Natur, betreffen also den juristischen Status eines Feldzuges. Insbesondere zählt dazu eine Proklamation, durch die der Papst im Namen Christi zum Kreuzzug aufruft, einschließlich eines expliziten Verweises auf die Befreiung Jerusalems oder des Heiligen Landes, selbst wenn der betreffende Kreuzzug ganz woanders stattfand, und außerdem ein besonderes Gelübde, welches die Teilnehmer des Feldzuges ablegten, um in den Genuss bestimmter weltlicher und geistlicher Privilegien zu gelangen, namentlich des Ablasses. Die pluralistische Sicht der Kreuzzüge entstand in den letzten Jahren einer Ära, die Interpretationsmodelle besonders liebte. Aber wie alle Modelle, so zerbricht auch dieses, sobald man sich vom Allgemeinen dem Besonderen zuwendet. Einige führende Historiker haben in der Zwischenzeit die anderen Definitionsansätze einer Neubewertung unterzogen, und der wissenschaft liche Nachwuchs hat sowieso eher geringes Interesse an einer Debatte, die ihren Höhepunkt vor etwa zwanzig Jahren erreicht und mittlerweile deutlich an Schwung verloren hat. Dennoch haben die Pluralisten eine nachhaltige Horizonterweiterung in der Kreuzzugsforschung bewirkt, sowohl im Raum als auch in der Zeit. Die Verfasser der meisten Überblicksdarstellungen hatten zuvor den Kreuzzügen nach 1291 nur geringen Raum eingeräumt, jenen nach 1464 gar keinen. Heutzutage ist es eigentlich schon fast die Norm, die See- und Landkampagnen gegen die Osmanen im 16., 17. und 18. Jahrhundert als eine Art von Kreuzzügen zu bewerten und außerdem den Beitrag der Kreuzzugsbewegung zur Errichtung überseeischer Großreiche (insbesondere im Falle Portugals) ganz neu zu bewerten. Aus Sicht der pluralistischen Interpretation steht der Kriegsschauplatz im Nahen Osten nun neben der Iberischen Halbinsel, dem inneren Westeuropa, dem Ostseeraum, dem Balkan und Nordafrika. Einzelstudien zu historischen Entwicklungen in jenen Gebieten ist damit ein entscheidender Impuls gegeben worden, zu dem auch Kreuzzugshistoriker beitragen konnten. Auch können nun sinnvolle vergleichende Studien beispielsweise zwischen der Iberischen Halbinsel und der Levante oder zwischen den Ordensstaaten Preußen und Rhodos angestellt werden. Ein weiteres Resultat des beschriebenen Perspektivenwechsels ist es, dass die Muslime im Gesamtbild nun etwas weniger prominent hervor- und hinter anderen damaligen Feindbildern zurücktreten – und das just zu einem Zeitpunkt, an dem die breite Öffentlichkeit,
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unter dem Eindruck dschihadistischer Propaganda, ihre Vorstellung von der Kreuzzugsbewegung als etwas wesentlich Anti-Islamischem bekräftigt gesehen hatte.
Der Materialismus auf dem Prüfstand Der Materialismus auf dem Prüfstand
Während die Debatte um die Definition des Kreuzzugsbegriffs sich abkühlte, trat eine andere Fragestellung in den Vordergrund. Ein Schwachpunkt der materialistischen Ansicht, die Teilnehmer der Kreuzzüge in das Heilige Land seien ganz allgemein vom Profitstreben getrieben worden, war der folgende: Es gab für diese These nur sehr wenige Belege. Es war also ganz natürlich, dass einige Historiker ihr Augenmerk auf die anderen Motive richteten, von denen die Kreuzfahrer womöglich zu ihrem Aufbruch ins Ungewisse veranlasst wurden. In den Worten Norman Housleys ging es dabei um „die ganze Bandbreite an Zielen, Hoff nungen, Überzeugungen und Ängsten, durch welche Menschen überhaupt erst dazu bewegt wurden, das Kreuz zu nehmen, und die sie dann später, wenn sie auf einem Kreuzzug waren, bei der Stange hielten“. Die Herangehensweise der Historiker, die sich den Kreuzzügen auf diese Weise näherten, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Denkform der Kulturanthropologie, dem sogenannten Kulturrelativismus. Dieser besagt, dass ein Forscher seine eigenen ethnozentrischen oder vielleicht auch politischen Vorurteile erst einmal beiseitelegen und stattdessen den Gegenstand seiner Studien unter Berücksichtigung von dessen eigenem kulturellen Umfeld untersuchen sollte. Daraus folgt, dass man all das, was etwa die Menschen der Vergangenheit über sich selbst und andere geschrieben haben, mit Blick auf die damalige Lebenswelt durchaus ernst nehmen sollte; nur dann kann man die auslösenden Momente identifizieren, die sie schließlich zum Handeln bewegten – selbst jene schwer greifbaren Faktoren, aus denen sich „der mentale Raum zusammensetzt, in dem … jene Menschen nun einmal lebten“, wie Marcus Bull es formuliert hat. Das schließt zum Beispiel das kollektive Gedächtnis und die Gedenkkultur ein, dazu „all jene Überzeugungen und Instinkte, die sich bis dato vielleicht noch nicht explizit geäußert hatten, die aber in einer veränderten Situation eine entscheidende Bedeutung annehmen konnten“, so Bull. Wenn wir uns Männern und Frauen gegenüber sehen, die vor Hunderten von Jahren lebten und sich – dem Anschein nach oft mals völlig spontan – ganz und gar auf ein waghalsiges und selbstzweckhaftes Unternehmen eingelassen hatten, dann führt einer der Hauptzugangswege zur Vorstellungswelt dieser Leute über das kollektive Bewusstsein eng verbundener sozialer Gruppen (zumindest, solange diese nicht allzu straff organisiert waren oder unter einer allzu starken Kontrolle standen). Aus diesem Grund haben sich Kreuzzugshistoriker der Erforschung von Familien zugewandt. Dieser Versuch, die Motivation der Kreuzfahrer zu erhellen (dem ich die zugegebenermaßen etwas holprige Bezeichnung sensible Einfühlung geben möchte), ist ein Echo auf Entwicklungen in anderen Bereichen der Geschichtswissenschaft. Hier wie dort wird dem religiösen Glauben mittlerweile größere Bedeutung beigemessen als früher. Ähnliches gilt für andere Disziplinen wie etwa die Literaturwissenschaften, die Ethnosozio-
Unterschiedliche Sichtweisen: Die Experten und die interessierte Öffentlichkeit
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logie und die Psychologie. Einen Vorgeschmack dieser Entwicklung hatte bereits die Fokussierung auf mentalités gegeben, wie sie in der jüngeren Geschichtsschreibung des Mittelalters hervorgetreten ist. Gegen diese Entwicklung könnte man nun einwenden, die Historiker begäben sich da auf gefährliches Terrain – weitaus gefährlicher, als das von den Antrhopologen bearbeitete. Schließlich befassen diese sich mit zwar fremden, aber doch immerhin noch lebendigen Kulturen. Eine weitere potenzielle Schwäche stellt die Gefahr dar, bei der Anwendung psychologischer Erklärungsansätze oder solcher aus dem literaturwissenschaft lichen Bereich, unbesehen auch die von den Autoren dieser Disziplinen zugrundegelegten Modelle zu übernehmen. Auch kann das skrupulöse Festhalten an einem geradezu grenzenlosen Quellenkorpus am Ende dazu führen, dass man – wenn man nicht sorgsam geplant hat – Forschungsvorhaben verfolgt, die überambitioniert und unkritisch sind. Andererseits hat es natürlich auch echte Fortschritte in der Forschung gegeben. Obwohl es nicht ganz fair ist, den folgenden Vergleich anzustellen (denn die Kreuzfahrer kommen in Georges Dubys berühmter Studie über das Mâconnais, La Société aux XI e et XII e siècles dans la région mâconnaise von 1971 nur am Rande vor): Es lässt sich ein aufschlussreicher, kontrastiver Vergleich anstellen zwischen Dubys materialistischem Blick auf die Kreuzfahrer, bei dem handfeste Beweise der Theorie und (wenn auch begründete) Vermutungen geopfert werden, einerseits; und Marcus Bulls Studie über die Hintergründe der Reaktionen auf die Predigten zum Ersten Kreuzzug in Westfrankreich andererseits. In dieser letztgenannten Studie, Knightly Piety and the Lay Response to the First Crusade (1993), gelingt Bull nämlich eine wesentlich stärker am historischen Beweismaterial orientierte und nuancierte Darstellung der Verhältnisse zwischen Landbesitz, Familieninteressen, althergebrachten Loyalitäten und religiösen Überzeugungen.
Unterschiedliche Sichtweisen: Die Experten und die interessierte Öffentlichkeit Unterschiedliche Sichtweisen: Die Experten und die interessierte Öffentlichkeit
Die intensive Forschungsaktivität, die sich im Verlauf der letzten fünfzig Jahre auf nahezu jedem Spezialgebiet der Kreuzzugsgeschichte entfaltet hat, ist nicht zuletzt das Ergebnis eines überaus starken Wachstums der Zahl der daran beteiligten Forscher. So gab es, um nur ein Thema beispielhaft herauszugreifen, im Jahr 1960 wahrscheinlich kaum mehr als zwanzig Experten auf dem Gebiet der Ritterorden. Zu einem unlängst veröffentlichten Dictionnaire européen des ordres militaires au Moyen Âge hingegen haben sage und schreibe 238 Autoren beigetragen! (Eine beachtliche Zahl, selbst wenn nicht alle tatsächlich Experten für die Geschichte der Ritterorden waren.) Zugleich hat sich aber auch eine Kluft aufgetan zwischen den forschenden Spezialisten und einer interessierten Öffentlichkeit, deren traditionelle Sicht der Kreuzzüge in der letzten Zeit vom Aufstieg des Dschihadismus sunnitischer Prägung bestärkt worden sein dürfte. Wenn nun also die Historiker die hergebrachte Meinung verwerfen, das Phänomen der Kreuzzüge sei allein unter Berücksichtigung der Ereignisse in der Levante während des Hoch-
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mittelalters zu beschreiben, und sich stattdessen der Vorstellungswelt und den Absichten der Kreuzfahrer zu stellen beginnen, so machen sie bald die Erfahrung, dass ihre eigenen Vorstellungen von der Wirklichkeit der Kreuzzüge mit denen fast aller anderen ihrer Mitmenschen im Widerstreit stehen. Das entwertet jene neuen Ansätze jedoch keineswegs, und so ist es eine Absicht des vorliegenden Buches, seine Leserinnen und Leser mit ihnen bekannt zu machen.
1. Kreuzzüge als Heilige Kriege und Bußwallfahrten 1. Kreuzzüge als Heilige Kriege und Bußwallfahrten
Die Kreuzzüge waren bewaffnete Pilgerfahrten zu Zwecken der Buße. Sie wurden nicht ausschließlich in der Levante geführt, sondern mit gleichem Eifer entlang der baltischen Ostseeküste, in Nordafrika, auf der Iberischen Halbinsel, in Polen, Ungarn, auf dem Balkan und sogar in Westeuropa. Sie wurden nicht allein gegen Muslime ausgerufen,
Buße und Ablass Wenn Menschen sündigen, dann laden sie Schuld auf sich – sie verschulden sich bei Gott. Diese Schulden müssen irgendwie zurückgezahlt werden, entweder durch Leiden in dieser Welt oder durch Bestrafung in der nächsten. Schon vor der Zeit der Kreuzzüge hatte es im Christentum die Auffassung gegeben, diese Schuldenlast könne dadurch reduziert werden, dass ein Sünder oder eine Sünderin mit der rechten Geisteshaltung einen aufrichtigen Akt der Buße unternahm. Das war eine Form der selbst auferlegten Bestrafung, die etwa in dem Beschluss, zu fasten, zu pilgern oder sich selbst Schmerzen zuzufügen, bestehen konnte. Diese Buße konnte man freiwillig auf sich nehmen; sie konnte der Sünderin oder dem Sünder aber auch von dem Priester, dem sie die Verfehlungen gebeichtet hatten, auferlegt werden. In der Zeit der Kreuzzüge begannen die meisten Christen zu glauben, dass kein Akt der Buße Gott jemals Genugtuung bereiten konnte, weil selbst die reuigsten Sünder niemals „angemessene“ Rückzahlungen an ihren Schöpfer leisten konnten. Der Ablass, der in seiner endgültigen Form um 1200 entstanden ist, stellte einen seelsorgerlichen Versuch zur Lösung dieses Dilemmas dar. Indem sie sich auf die „Macht zu binden und zu lösen“ berief, die Jesus seinen Aposteln verliehen hatte (vgl. Mt 16,19; 18,18), erklärte die Kirche Folgendes: Wenn eine sündige Person ihre Sünden gebeichtet hatte, dann würde die Verrichtung von bestimmten, klar definierten Akten der Buße vor Gott als ausreichende Sühne Gnade fi nden. Der Wert der jeweiligen Bußtat bemaß sich durch einen anteiligen Erlass der nach Eintreten ihres Todes für die sündige Person vorgesehenen Strafzeit im Fegefeuer (jenem Ort im Jenseits, an dem sie von ihren verbliebenen Sünden gereinigt würde). Diese Reduktion war der Ablass. Als vollen Ablass bezeichnete man das Versprechen einer gänzlichen Tilgung und Vergebung sämtlicher bis zum Zeitpunkt seiner Zuerkennung begangenen Sünden.
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sondern auch gegen die heidnischen Wenden, Balten und Litauer, gegen schamanistische Mongolen, orthodoxe Russen und Griechen, häretische Katharer und Hussiten – und gegen jene Katholiken, welche die Kirche als ihre Feinde betrachtete. Die Kreuzzugsbewegung schuf „heilige Ligen“ – militärische Allianzen gegen den Islam, denen die Kreuzzugsprivilegien der Kreuzfahrerschaft Auftrieb verliehen – und Ritterorden, deren Mitglieder in zwei Fällen sogar aus eigenen Ordensstaaten heraus ihre Kriegszüge unternahmen. Die Kreuzzugsbewegung passte sich mit der Zeit an die Umstände und sich wandelnden Sitten an, aber bestimmte Eigenschaften bewahrte sie durch alle Umbrüche hindurch: „Das Kreuz zu nehmen“ – sich an einem Kreuzzug zu beteiligen –, das hieß eine heilige Handlung auszuführen (denn schließlich wurden diese Kriege im Namen Gottes geführt); aber zugleich handelte es sich auch um einen Akt der Buße, denn die Teilnehmer betrachteten sich selbst als Büßer. Der Krieg war vom Papst autorisiert, dem Stellvertreter Christi auf Erden. Die meisten Kreuzfahrer waren Männer (oder Frauen), die dem Laienstand angehörten und sich durch ein besonderes Gelübde zum Kreuzzug verpflichteten. Als Lohn erhielten sie Ablässe – verbriefte Garantien dafür, dass die von ihnen unternommenen Bußanstrengungen in Gottes Augen als völlig zufriedenstellend angesehen würden und sie somit die Vergebung aller Sünden erreichten, die sie bislang auf sich geladen hatten. Wenn ihre Gelübde erfüllt waren oder der Kriegszug als beendet galt, kehrten sie in ihr früheres Leben zurück. Es gab allerdings auch noch eine andere Art von Kreuzfahrern; das waren die Brüder (und, seltener, Schwestern) der Ritterorden wie etwa der Templer, Johanniter oder des Deutschen Ordens. Diese Ritter hatten in ihrem Orden die Profess abgelegt und sich somit auf Dauer zur Verteidigung der Christenheit und des Christentums verpflichtet. Alle diese Gelübde – ob spezifisch und befristet oder permanent – wurden nach außen hin durch Kreuze symbolisiert, die auf der Alltagskleidung oder der Ordenstracht aufgenäht waren.
Kreuzzüge als Heilige Kriege Kreuzzüge als Heilige Kriege
Im frühen 13. Jahrhundert hielt der berühmte Prediger Jakob von Vitry eine Predigt vor Rittern des Templerordens. Wahrscheinlich tat er dies in der Hafenstadt Akkon an der Küste Palästinas, denn dort war er Bischof, und dort hatten die Templer ihr Hauptquartier in einer mächtigen Klosterfestung direkt am Meer. Zu Beginn seiner Predigt wies Jakob darauf hin, dass die Templer und ihre christlichen Waffenbrüder, wenn sie auch nicht mit jenen ersten „Soldaten Gottes“ – d. h. den Aposteln und Märtyrern der ersten christlichen Jahrhunderte – zu vergleichen seien oder mit jenen Seelen, die während der letzten Prüfung vor dem Jüngsten Gericht standhaft bleiben würden, sie aber immerhin die bedeutende Pflicht hätten, das Christentum gegen eine große Bedrohung durch den Satan und seine Schergen zu verteidigen: gegen Götzendiener, Heiden, Ketzer und jene Pazifisten, die versuchten, die Mission der Kreuzfahrer zu untergraben. Jakob rechtfertigte die Gewaltausübung im Namen des Christentums mit theologischen Argumen-
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ten, die er fast ausschließlich dem Decretum Gratiani entnahm, dem damaligen Standardwerk des Kirchenrechts. Das alles war seinen Zuhörern wohl zu hoch, schließlich waren die meisten Templer ungebildete Gesellen. Wenn sie überhaupt mitbekommen haben, dass der Bischof ein intellektuell anspruchsvolles Plädoyer für die Anwendung von Gewalt entwickelte, dann vermutlich nur in Ansätzen. Sie dürften erleichtert gewesen sein, als Jakob, einer alten Angewohnheit folgend, endlich zu ein paar saftigen Anekdoten überging. Eine dieser Geschichten handelte von einem Templer, „damals, als die Tempelritter arm und überaus eifrig im Glauben waren“ – ein typischer Seitenhieb in Richtung seiner Zuhörer. Die Predigt schließt mit der Ermahnung an die Ritter, dem Streben nach eigenem Ruhm zu entsagen und auf niemanden zu vertrauen als auf Gott allein. Aus heutiger Sicht ist Jakobs Predigt alles andere als gut geschrieben. Der plötzliche Bruch zwischen den biblischen Anspielungen und Kirchenväterzitaten in den ersten drei Vierteln des Textes und den abschließenden Anekdoten veranschaulicht den tiefen Graben, der sich zu allen Zeiten zwischen den hochgeistigen Abstraktionen der Theologen und den Motiven einfacher Männer und Frauen aufgetan hat. Weder Predigern noch Päpsten ist es jemals geglückt, die von ihnen entworfene Theologie der Gewalt den einfachen Gläubigen in einer Sprache darzustellen, die diese auch verstehen konnten; nie ist es ihnen in befriedigendem Maße gelungen, Brücken über diese Kluft zu schlagen. Das ist ein Grund dafür, dass der Klerus, wie er noch feststellen sollte, die durch flammende Predigten angefachten Leidenschaften danach nur schwer im Zaum halten konnte. Man sollte jedoch von vornherein betonen, dass die Kreuzzugsbewegung wuchs und gedieh vor dem Hintergrund von Ideen über Gewalt, die den meisten Gebildeten völlig plausibel erschienen. Innerhalb des Korpus der heiligen Schriften des Christentums – göttlich inspirierter Offenbarung nach Ansicht der Gläubigen – finden sich widersprüchliche Aussagen zur Frage der körperlichen Gewaltausübung, von angedrohter, unabsichtlicher oder willentlicher Tötung oder Körperverletzung. Auf dem Berg Sinai empfängt Moses das Gebot Gottes: „Du sollst nicht töten!“, aber was bei den Theologen des 4. Jahrhunderts fast noch größeren Eindruck hinterließ, war die Tatsache, dass dieses Gebot unmittelbar im Anschluss, im Verlauf der weiteren Ereignisse auf und um den Sinai, schon wieder abgewandelt und eingeschränkt wurde. In dem auf die Wiedergabe der Zehn Gebote folgenden und diese gewissermaßen kommentierenden Bundesbuch fordert Jahwe für eine ganze Reihe von Vergehen die Todesstrafe und verspricht außerdem, diejenigen Völker zu „vertilgen“ (Ex 23,23), die den Israeliten den Zugang zum Land der Verheißung versperren würden. Als Moses mit den Gesetzestafeln vom Sinai hinunterstieg und seine Getreuen mit der Anbetung eines goldenen Kalbs beschäft igt fand, genehmigte er, wie berichtet wird, die Tötung der Schuldigen. Gleichermaßen wäre es ein Fehler, dem Neuen Testament einen umfassenden und unzweideutigen Gewaltverzicht zu unterstellen. Es stimmt schon: Jesus verlangte von seinen Jüngern, ihre Feinde zu lieben wie ihre Freunde (Mt 5,44); er predigte Sanft mut, Güte und Gewaltverzicht (Mt 26,52). Andererseits scheint er, ganz wie sein Vorläufer
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Johannes der Täufer, der Ansicht gewesen zu sein, dass es ganz ohne Soldaten auch nicht geht – so etwa, wenn er den Glauben eines römischen Zenturios, des „Hauptmanns von Kafarnaum“ nämlich, lobt, ohne dabei dessen Berufswahl infrage zu stellen (Mt 8,10), oder wenn er beim Letzten Abendmahl, Lukas zufolge, den Aposteln sagt: Wer aber nichts hat, verkaufe sein Kleid und kaufe ein Schwert. Denn ich sage euch: Es muss noch das auch vollendet werden an mir, was geschrieben steht: „Er ist unter die Übeltäter gerechnet.“ […] Sie sprachen aber: „Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter.“ Er aber sprach zu ihnen: „Es ist genug.“ (Lk 22,36–38)
Auch später am Abend führten die Jünger Schwerter mit sich; vermutlich waren es die zuvor erwähnten. Mit einem dieser Schwerter muss es dann wohl passiert sein: „Einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab“ (Lk 22,50). Zwar wird dieser hitzige Jünger – der Parallelstelle bei Matthäus zufolge handelte es sich um Petrus – umgehend von Jesus gerügt. Aber, so fragten die gelehrten Theologen und Kriegstheoretiker späterer Jahrhunderte, wenn Christus prinzipiell gegen jegliche Form von Gewaltanwendung gewesen wäre, wie konnte es dann sein, dass der herausragende Jünger Petrus an der Seite des Messias ein Schwert bei sich führte, selbst wenn dies im Interesse der Schrifterfüllung geschah? Andere Schriften des Neuen Testaments, insbesondere jene, die vom Werdegang des Apostels Paulus berichten, sanktionieren in deutlichen Worten die Ausübung von Gewalt durch den Staat: Denn sie [die „Obrigkeit“, wie Luther formuliert] ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst: Sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses tut.“ (Röm 13,4)
Die Moraltheologie der Gewaltanwendung entstand aus dem Versuch heraus, die offenkundigen Widersprüche der Heiligen Schrift miteinander zu versöhnen. Der Pazifismus hatte in der frühen Kirche eine gewisse, vielleicht sogar eine bedeutende Rolle gespielt, obwohl das Ausmaß mittlerweile infrage gestellt worden ist. In den folgenden Jahrhunderten überlebte er als Meinung einer Minderheit innerhalb des Christentums, aber immerhin sollten sich die Kreuzzugsprediger später genötigt sehen, auf seine radikalen Einwände zu reagieren. Doch für die Theologen des 4. Jahrhunderts stellten sich ganz andere Probleme: Sie mussten ihre Position zur Frage der Gewaltausübung dringend klären, schließlich wurden ihre Glaubensgenossen immer zahlreicher, gelangten in höhere militärische Ränge des römischen Heeres, auf Justizposten, auf denen man nicht selten über schwere Strafen zu entscheiden hatte, und letztlich sogar auf den Kaiserthron selbst. Es half diesen Theoretikern wenig, den Alten Bund vom Neuen zu unterscheiden – nicht nur, weil die Aussagen des Neuen Testaments in dieser Frage selbst reichlich widersprüchlich waren, sondern auch, weil es, wenn Gott in einem Zeitalter die Gewaltausübung erlaubt und in einem anderen verboten hatte, keinerlei Gewähr dafür gab, dass er sie nicht, wenn die Umstände hienieden es erforderten, zu gegebener Zeit auch wieder genehmigen würde. In einem christlichen Kontext wurde die in der Gesetzgebung der Römischen Repu-
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blik wurzelnde Überzeugung, jegliche Gewaltausübung – ob als Krieg, bewaff neter Aufstand oder innerstaatliche Sanktion – müsse gewisse Kriterien erfüllen, um legitim zu sein, zuerst von Augustinus (354–430) entwickelt, dem größten unter den frühen christlichen Theoretikern. Gewalt dürfe, so Augustinus, nicht leichtfertig angewandt werden, nicht zur Selbsterhöhung, sondern nur aus juristisch einwandfreien Gründen, die ihm zufolge immer nur in der Reaktion auf eine Aggression bestehen durften. Jegliche Gewaltausübung musste zudem durch eine entsprechend legitimierte Autorität offiziell genehmigt werden. Und sie musste gerecht sein. Augustinus definierte dasjenige Vergehen, durch welches eine gewaltsame Reaktion ihren gerechten Grund erhielt, als unerträgliches Unrecht, das üblicherweise die Form von Angriff oder Unterdrückung habe. Er unterschied zwei Formen legitimer Autorität und folgte Paulus, wenn er sämtliche Herrscher (selbst die heidnischen) als Stellvertreter Gottes auf Erden bezeichnete – wobei er allerdings den christlichen römischen Kaisern eine herausragende Stellung einräumte, schließlich hatten diese sich selbst und die weltliche Macht des von ihnen beherrschten Reiches ganz und gar in den Dienst der Kirche gestellt und sich deren Verteidigung zur Aufgabe gemacht. Aber Augustinus glaubte auch, dass Gott höchstpersönlich den Befehl zur Gewaltausübung geben könne; diese sei dann „zweifellos gerecht“. Auf Gottes Wort hin hatte Abraham sich bereitgemacht, seinen Sohn Isaak zu opfern, und Moses hatte Kriegszüge befehligt. Wenn Gott die Anwendung von Gewalt befahl, so tat er dies nicht aus Grausamkeit, sondern als gerechte Strafe. Augustinus war darauf gefasst, dass auch im Zeitalter des Neuen Bundes direkte Befehle Gottes an seine Geschöpfe ergehen konnten; in zwei seiner späteren Schriften spricht er von der Möglichkeit, dass dies noch zu seinen eigenen Lebzeiten geschehen könne. Am positivsten äußert sich Augustinus, wenn er über die „rechte Absicht“ schreibt, die er von all jenen verlangt, die Gewalt entweder anordnen oder selbst ausüben wollen. Ihre Motivation müsse in Liebe gründen, dann werde sich die Gewaltanwendung auf das notewendige Maß beschränken. Daraus folgte, dass die Verantwortlichen, die über die Anwendung von Gewalt zu entscheiden hatten, diese derart einzuschränken hatten, dass Unschuldige so wenig wie möglich betroffen sein würden und dass keinesfalls stärkere Gewalt ausgeübt wurde, als zum Erreichen der angestrebten Ziele vernünftigerweise nötig war. Augustinus’ Erörterung der „rechten Absicht“ legte das Fundament für die spätere Lehre von der Verhältnismäßigkeit des gerechten Krieges. Augustinus’ Ansichten zu diesem Thema sind über ein umfangreiches Lebenswerk verteilt, das über mehrere Jahrzehnte hinweg und zuweilen widersprüchlich ist. Erst im 11. Jahrhundert, als die Päpste sich an Gelehrte wandten, um Gewaltausübung im Namen der Kirche zu rechtfertigen, wurden die entsprechenden Passagen aus den augustinischen Schriften zu einem zweckdienlichen Kompendium kompiliert – wobei die Widersprüche geglättet wurden. Zwei Prämissen, die für Augustinus’ Verhältnis zur Gewaltfrage grundlegend waren, standen im Vordergrund. Das war zunächst sein Insistieren auf Gott oder Christus als oberste Autorität in dieser Welt. Die zweite Prämisse bildete seine Überzeugung, dass Gewalt an sich sittlich neutral sei. Es war die Absicht der Gewalttäter, die ihr erst ihre moralische Dimension verlieh: in vielen Fällen eine verwerfliche, aber in
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etlichen auch eine segensreiche, und das führte Augustinus dazu, eine Theorie der gerechtfertigten Verfolgung zu entwickeln, die das Christentum bis ins 19. Jahrhundert heimgesucht hat. Die augustinische Denktradition erscheint uns heute so fremd, weil sie von einem anderen Denksystem verdrängt wurde – und das ist noch nicht so lange her, wie wir vielleicht glauben würden. Die moderne Lehre vom gerechten Krieg setzt voraus, dass Gewalt zweifellos von Übel ist, dass aber Chaos und Anarchie womöglich die größeren Übel wären. Gewaltanwendung kann so zur Notwendigkeit werden: wenn nämlich ein Staat oder eine andere Gemeinschaft sich einer Situation gegenübersieht, in der Gewaltanwendung – als einziges Mittel zum Schutz oder zur Wiederherstellung der allgemeinen Ordnung – das kleinere Übel darstellt. Unter diesen speziellen Umständen kann die Anwendung von Gewalt vor Gott bestehen, und diejenigen, die sie ausüben, laden keine Schuld auf sich. Die Ursprünge dieser Denkweise finden sich im Mittelalter, in einer Zeit, in der es Theologen und Kirchenrechtler immer schwerer fiel, auf die Rechtshilfeersuchen verschiedener Konfliktparteien einzugehen, deren jeweilige Auseinandersetzungen sich mit keinem der traditionellen Legitimierungsmodelle deckten. Dennoch konnte die neue Theorie sich erst durchsetzen, als eine ausreichend große Mehrheit die augustinischen Prämissen aufgegeben hatte. Entscheidend für das Verblassen der alten Gewissheiten über die Gewaltausübung im Namen Christi waren Berichte von spanischen Gräueltaten gegen die Ureinwohner der Neuen Welt, die im Europa der 1530er-Jahre kursierten, sowie die kritische Reaktion darauf seitens des spanischen Dominikaners Francisco de Vitoria. In den Augen Vitorias und seiner Anhänger – namentlich Francisco Suarez’ und Felipe Ayalas – konnte die letztgültige Rechtfertigung von Gewalt nicht der Verweis auf irgendeinen göttlichen Plan erbringen, sondern einzig und allein auf das „Gemeinwohl“ (bonum commune), ein aristotelisches Konzept, das sich in einzelnen Zügen schon in den Schriften des Theologen Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert findet. Für Vitoria, Suarez und Ayala war die Verteidigung des Gemeinwohls – die das gute Recht einer jeden Gemeinschaft war – die einzige legitime Rechtfertigung für die Ausübung von Gewalt. Die Debatten über die Bellum-Iustum-Theorie verlagerten sich bald von der geist lichen in die weltliche Sphäre, von der Moraltheologie hin zum Völkerrecht. Diese Entwicklung im Verlauf nur weniger Jahrzehnte war das Verdienst der protestantischen Rechtsgelehrten Alberico Gentili und Hugo Grotius. Gott wurde aus der Gleichung gestrichen, und der gerechte Krieg verlor den Glanz göttlicher Billigung, aber dennoch unternahm vorerst niemand jenen zweiten Schritt, der zur umfassenden Herausbildung der modernen Lehre vom gerechten Krieg noch fehlte: die Übernahme der pazifistischen Überzeugung, dass Gewalt zwar etwas wesenhaft Schlechtes, unter gewissen Umständen aber dennoch – als das geringere Übel – zu befürworten sei. Auf diesem Gebiet ist noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten, aber es scheint durchaus möglich, dass dieser überaus bedeutsame gedankliche Schwenk auf eine umfassende Friedensbewegung zurückgeht, die sich nach den Napoleonischen Kriegen in Europa und Amerika ausbreitete, um sich dann in den 1830er-Jahren in einen radikalpazifistischen und einen gemäßigten Flügel aufzuspalten.
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In jedem Fall lässt sich das Konzept des „Heiligen Krieges“, wie er in der Geschichte des Christentums immer wieder aufgefasst wurde, als eine Form des bewaffneten Konflikts definieren, der – direkt oder indirekt – im Auftrag Gottes (oder Christi) geführt wird, um, wie man glaubt, göttliche Absichten zu verwirklichen. Die Kreuzzüge waren zwar besonders theatralische Umsetzungen dieses Konzepts; aber auch sie mussten den üblichen Bedingungen des gerechten Grundes, der legitimen Autorität und der rechten Absicht genügen. Jakob von Vitry fasste in seiner Predigt den gerechten Grund der Kreuzzüge als ein Abwehren (ungerechtfertigter) Gewalt oder Schädigung sowie ein Zur-Rechenschaft-Ziehen der daran beteiligten Missetäter. Mit anderen Worten: Die Kreuzzüge mussten – wie alle christlichen Kriege – Verteidigungskriege sein. Sie durften niemals Angriffskriege zur Bekehrung von Heiden sein, denn dies war nach dem Kirchenrecht verboten. Das wiederum scheint allerdings den Teilnehmern an solchen Kriegen nicht immer ganz klar gewesen zu sein; außerdem segelten Päpste und Prediger bisweilen hart am Wind, wenn es darum ging, Teilnehmer für Kriegs- und Missionierungszüge im Baltikum zu gewinnen, wo das Christentum sich als durchaus kämpferische Macht präsentierte. Selbst Feldzüge gegen Ketzer wurden mitunter als Defensivkriege gerechtfertigt, denn sie hatten es ja vorgezogen, gegen Christi Einsetzung der Kirche als Hüterin der von ihnen einst akzeptierten Wahrheiten zu rebellieren. Der gerechte Grund war für die Rechtfertigung eines Kreuzzuges deshalb besonders wichtig, weil ein solcher Krieg nicht von Kämpfern, die ihren Lehnspflichten nachkamen, oder von sonstigen Wehrpflichtigen geführt wurde (wenn auch in den Kreuzfahrerheeren Wehrpflichtige keine Seltenheit waren), sondern von Freiwilligen. Was Kreuzfahrer überhaupt erst zu Kreuzfahrern machte, waren, wie wir gesehen haben, die Gelübde, die sie ablegten, und ein Gelübde musste laut Kirchenrecht eine freiwillig vollzogene Handlung sein. Wenn also ein Papst zum Kreuzzug aufrief, dann konnte er lediglich an das Gewissen aller Christenmenschen appellieren, sich dem Heerzug aus freien Stücken anzuschließen. Zwar mochte er ihnen ewige Höllenqualen androhen, wenn sie seinem Aufruf nicht folgten; aber er durfte sie nicht zum Ablegen des Kreuzzugsgelübdes zwingen oder sie für ihre Renitenz bestrafen – und es hat tatsächlich Fälle gegeben, in denen alle Rekrutierungsversuche vergebens waren. Ein überzeugender Grund für den Kreuzzug war also unabdingbar. Feldzüge in die Levante, nach Nordafrika oder auf die Iberische Halbinsel konnten als Antwort auf bestehende muslimische Aggressionen begründet werden oder als berechtigte Versuche, christliche Territorien zurückzuerobern, die in der Vergangenheit unrechtmäßigerweise in Besitz genommen worden waren. Die Notwendigkeit, Jerusalem zurückzuerobern und zu halten, erwies sich als ein zugkräft iger Anreiz – schließlich befanden sich in Jerusalem die zwei heiligsten Stätten des Christentums: der Kalvarienberg, auf dem Jesus gekreuzigt, und das Heilige Grab, in dem er vor seiner Auferstehung bestattet worden war. Das Ziel Jerusalem ließ sich sogar zur Begründung von Kreuzzügen auf der Iberischen Halbinsel heranziehen, denn die Spanier redeten sich ein, der schnellste Weg ins Heilige Land führe über Spanien und Nordafrika. Die Kampagnen im Baltikum wurden als Reaktionen auf die Bedrohung christlicher Siedlungen durch die heidnischen Balten und Litauer
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dargestellt – oft mals auf recht fadenscheiniger Grundlage. Kriege gegen Häretiker und politische Gegner des Papsttums hingegen rief man aus zur Verteidigung der Einheit des Christentums oder zur Sicherung der Kirche gegen umtriebige Feinde in ihrem Inneren. Petrus Venerabilis, der bedeutende Abt des Klosters Cluny im 12. Jahrhundert, war der Ansicht, die Anwendung von Gewalt gegen Mitchristen sei sogar noch berechtigter als gegen Ungläubige.
Kreuzzüge als Bußwallfahrten Kreuzzüge als Bußwallfahrten
Eine weitere Eigenschaft der Kreuzzüge machte sie nahezu einmalig: Kreuzzüge waren Akte der Buße. Wie wir noch sehen werden, hatte die Vorstellung, man könne „zur Vergebung der Sünden“ einen Krieg führen, wohl etwas ganz und gar Unerhörtes, als sie in den frühen 1080er-Jahren erstmals in den Äußerungen Papst Gregors VII. und seiner Anhänger auftauchte. Dennoch wurde sie rasch zu einem bestimmenden Merkmal der Kreuzzugsbewegung, das sie in den Augen potenzieller Teilnehmer so ansprechend machte. Die erwähnte Ansprache Jakobs von Vitry vor den Templern ist eine von mehreren erhaltenen Musterpredigten des 13. Jahrhunderts, die zur weiteren Verbreitung immer wieder abgeändert wurden. Diese Neu- und Umformulierungen lassen erkennen, welche Kernpunkte in den Augen eines erfahrenen Predigers einer besonderen Akzentuierung bedurften. Und über weite Abschnitte hinweg kreisen sie allesamt um das Thema Buße. Man übertreibt wohl nicht, wenn man den Verfassern der betreffenden Predigten eine gewisse schwelgerische Kennerschaft auf diesem Gebiet unterstellt. In ihren Augen stellte der Kreuzzug die höchste Form der Wallfahrt dar – und zwar gerade, weil er seinen Teilnehmern eine solch harte Buße auferlegte. Die Mühen und Qualen, die er mit sich brachte, wurden in diesen Predigten immer wieder ausgemalt, bis die Pilgerfahrt in eine fremde und gefährliche Weltgegend zum Ausdruck der Liebe wurde, die in den durch wahre Buße reingewaschenen Herzen der Kreuzfahrer brannte. Es war diese Vorstellung von Kreuzzügen als kollektiven Akten der Buße, die sie in der Wahrnehmung der Zeitgenossen von anderen Heiligen Kriegen unterschied. Während auch die meisten anderen Heiligen Kriege, die im Namen Christi geführt wurden, den Waffendienst frommer Freiwilliger voraussetzten, die auf einen göttlichen Marschbefehl hin ins Feld zogen, so hing bei einem Kreuzzug alles von der Bereitschaft des angehenden Kreuzfahrers ab, in der Schlacht Buße zu tun und sich damit eine nach Maßgabe der zu vergeltenden Sündenlast angemessene Strafe selbst aufzuerlegen. Es ist keineswegs eine Übertreibung, wenn wir den Kreuzzug aus der Sicht des daran teilnehmenden Individuums nur sekundär als Kriegsdienst für Gott oder zum Nutzen der Kirche oder des Christentums auffassen, primär jedoch als eine Unternehmung, die dem frommen Individuum selbst nutzen sollte – schließlich handelte es sich um einen Akt der Selbstheiligung. Auf lange Sicht lag die Kraft dieses Konzepts in der Art und Weise, wie es auf die Bedürfnisse der Gläubigen einging. Die Vergebung der Sünden wurde Mitgliedern einer Gesellschaft in Aussicht gestellt, in der es begüterte Laien mit ihrer umfassenden Verant-
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wortung für Verwandte, Klienten und andere abhängige Personen kaum vermeiden konnten, ein beträchtliches Sündenmaß anzuhäufen. Über Jahrhunderte hinweg war die europäische Kultur geprägt von Ängsten um die Sündhaft igkeit, und folglich erschien das Anerbieten der Kreuzzugsbewegung, ihnen einen vollkommenen Neubeginn zu gewähren, vielen Menschen verlockend. Die christliche – oder doch zumindest die katholische – Sicht auf die Kreuzzüge blieb über wenigstens sechs Jahrhunderte hinweg positiv, wahrscheinlich sogar noch länger. Vom 12. bis zum 17. Jahrhundert war es die allgemeine Lehrmeinung der katholischen Bischöfe, dass es die moralische Pflicht eines jeden geeigneten Mannes war, das Kreuz zu nehmen. Diese Sichtweise wurde durch die Unterstützung einer ganzen Reihe von Männern und Frauen bekräftigt, die gemeinhin als Heilige gelten. Zu ihnen zählen Bernhard von Clairvaux, Dominikus, Ludwig IX. von Frankreich, Thomas von Aquin, Birgitta von Schweden, Katharina von Siena, Johannes Capistranus – und wahrscheinlich sogar Franz von Assisi. Von Urban II. im Jahr 1095 bis Innozenz XI. im Jahr 1684 schrieb Papst um Papst entweder selbst Briefe, in denen die Gläubigen zum Kreuzzug aufgerufen wurden, oder gab solchen Schreiben seinen Segen. Darin wurden allen Kreuzfahrern für den Fall ihrer Teilnahme geistliche Privilegien versprochen; falls sie sich nicht entschließen konnten, wurde ihnen mit dem göttlichen Gericht gedroht. Außerdem schuf das Papsttum einen neuen Typus von geistlicher Institution, indem es die Ritterorden genehmigte und privilegierte. Mindestens sechs allgemeine Konzilien befassten sich in ihren Entscheidungen mit der Frage der Kreuzzüge, und zwei von ihnen – das Vierte Laterankonzil (1215) und das Zweite Konzil von Lyon (1274) – verabschiedeten die Konstitutionen Ad liberandam und Pro zelo fidei, die zu den wichtigsten Zeugnissen der Kreuzzugsbewegung zählen. Einige Leser der ersten Auflage dieses Buches zeigten sich schockiert von einem Zitat, das ich in einem Bericht des Predigers Humbert von Romans aus den frühen 1270er-Jahren gefunden hatte. Humbert wollte die Ansicht widerlegen, die Kreuzzüge schadeten der Christenheit, weil sie zum Tod so vieler anständiger Männer führten: Der Zweck des Christentums ist es nicht, die Erde zu bevölkern, sondern den Himmel. Warum soll man sich betrüben, wenn die Anzahl der Christen auf der Welt abnimmt, da doch ihre Tode für Gott erlitten werden? Durch einen solchen Tod bahnen sich Männer ihren Weg in den Himmel, die dort auf andere Weise kaum je anlangen könnten.
Humbert sprach nur aus, was die überwiegende Mehrheit seiner Zeitgenossen glaubte. Wir haben zu akzeptieren, dass damals viele Männer und Frauen bereit waren, ihren Reichtum, ihre Gesundheit und sogar ihr Leben zu opfern für eine Sache, die sie für gerecht und heilsbringend hielten. Ihr jeweiliges Handeln war der individuelle Ausdruck einer Frömmigkeit, die uns fremd geworden sein mag, den damaligen Menschen jedoch ganz vertraut war.
2. Die Geburt der Kreuzzugsbewegung: Der Aufruf zum Ersten Kreuzzug Die Geburt der Kreuzzugsbewegung: Der Aufruf zum Ersten Kreuzzug
In der ersten Märzwoche 1095 trat eine Gesandtschaft des byzantinischen Kaisers Alexios I. vor einer Synode im oberitalienischen Piacenza auf, bei der Papst Urban II. höchstpersönlich den Vorsitz führte. Die Byzantiner waren gekommen, um Unterstützung gegen die seldschukischen Türken zu erbitten, deren rasanter Vormarsch durch Kleinasien sie gefährlich nahe vor die Tore von Konstantinopel geführt hatte. Dieses Hilfegesuch brachte eine Folge von Ereignissen ins Rollen, die zum Ersten Kreuzzug führten. Dreieinhalb Jahrhunderte zuvor hatten die Christen Nordafrika, Palästina, Syrien und einen großen Teil Spaniens an muslimische Angreifer verloren. Die Frontlinie zwischen Christentum und Islam hatte sich in der Folge stabilisiert – solange jedenfalls, bis die byzantinisch-griechischen Kaiser, die von Konstantinopel aus die Reste des oströmischen Reiches regierten, in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts ihrerseits zum Angriff übergegangen waren. Es war ihnen gelungen, die antiken Städte Tarsus und Antiochia (Antakya) zurückzuerobern und die Grenze des Byzantinischen Reiches bis nach Nordsyrien hinein zu verschieben. In der ganzen islamischen Welt waren diese Ereignisse als ein Schock wahrgenommen worden, der nach einer Antwort verlangte: Im Jahr 963 trafen in Mossul 600 Kriegsfreiwillige aus der 2000 Kilometer entfernten Region von Chorasan ein; diesen folgten drei Jahre später 20 000 weitere Kämpfer. Ungefähr zeitgleich mit den christlichen Erfolgen auf dem Schlachtfeld hatten sich innerislamische Wandlungsprozesse ereignet, die zu einer Umgestaltung der ganzen Westhälfte des islamischen Kulturraums führen sollten. Die Autorität der sunnitischen Abbasidenkalifen von Bagdad war geschwunden, und sie selbst waren unter die Kontrolle schiitischer Fürsten geraten, welche von den Sunniten als Häretiker betrachtet wurden. Im Jahr 969 war Ägypten fast ohne Gegenwehr von den Mitgliedern einer anderen schiitischen Dynastie erobert worden, nämlich den Fatimiden, die dort ihrerseits ein (Gegen-) Kalifat errichten konnten. Die Fatimiden hatten versucht, den Abbasiden die Kontrolle über Palästina und Syrien zu entreißen, aber in den 1060er- und 1070er-Jahren mussten sie sich der neu herandrängenden Macht der türkischen Seldschuken beugen, die (unter Ausnutzung einer siebzehnjährigen Periode innerer Unruhen in Ägypten) die Fatimiden aus dem größten Teil ihrer syrischen Besitzungen verdrängten und ihnen lediglich einen unsicheren Anspruch auf Teile Palästinas ließen. Es waren die Türken, die zur gleichen Zeit das muslimische Kriegsglück an der Grenze zur byzantinisch-christlichen Welt zurückgewannen. Weit im Osten an den Rändern der großen Steppe östlich des Aralsees, bei den nomadischen Turkmenenstämmen, die im 10. Jahrhundert zum Islam konvertiert waren, lebte
Die Geburt der Kreuzzugsbewegung: Der Aufruf zum Ersten Kreuzzug
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Sunniten und Schiiten Sunnitische Muslime glauben, dass die religiöse Autorität des Islam im Wesentlichen auf einem grundlegenden Pfeiler ruht: einem Konsens aller Muslime hinsichtlich des heiligen Gesetzes, der Schariʿa, wie es einerseits im Koran enthalten ist, andererseits aber auch in der Sunna, dem Brauch des Propheten, der in Überlieferungen von dessen Worten und Taten tradiert wird. Die Durchsetzung dieses Rechtskanons (im Gegensatz zu seiner Interpretation) war die Aufgabe des sunnitischen Abbasidenkalifen von Bagdad bzw. derer, die in seinem Namen die Regierung führten. Die schiitischen Muslime hingegen glauben, dass die oberste religiöse Autorität nach dem Tod des Propheten auf dessen Vetter und Schwiegersohn Ali, den vierten Kalifen, übergegangen ist, der sie an seine Nachfahren in direkter Linie vererbte. Die meisten heutigen Schiiten vertreten die Auffassung, diese Reihe von Imamen sei bereits im Jahr 874 mit der übernatürlichen Entrückung („Verborgenheit“) des zwölften Imams an ihr Ende gelangt und die oberste religiöse Autorität werde seither in seinem Namen von Rechtsgelehrten ausgeübt. Andererseits nahmen auch die Fatimidenkalifen von Kairo für sich in Anspruch, von Ali abzustammen. Als Alis Nachfolger bemächtigten sie sich der höchsten Entscheidungsgewalt nicht nur in Sachen der Schariʿa, sondern auch hinsichtlich der verborgenen Bedeutungen von Mohammeds Offenbarung. Ihre Nachfolge haben drei verschiedene Sekten angetreten: die Drusen, für die der fatimidische Kalif al-Hakim (gest. 1021) der Verborgene Imam ist; die Nizariten (zur Zeit der Kreuzzüge als „Assassinen“ berüchtigt), deren Genealogie von Imamen mit dem ermordeten Fatimidenprinzen Nizar (gest. 1096) beginnt; und die Tayyibiten, welche die Linie eines minderjährigen Sohnes des ebenfalls ermordeten Fatimidenkalifen al-Amir (gest. 1130) anerkennen, der sich nach ihrer Überzeugung noch heute an einem unbekannten Ort auf dieser Erde aufhält.
eine große Gruppe unter einem Anführer namens Seldschuk. Nachdem Seldschuk und seine Leute als Söldner in das von Muslimen besiedelte Gebiet gekommen waren, hatten sie bis zum Jahr 1037 die Region von Chorasan unter ihre Kontrolle gebracht; ihr Sieg in der Schlacht von Dandanqan 1040 öffnete ihnen das Tor zu Iran. Neun Jahre später, 1049, drang Seldschuks Enkel Tughrul mit kaum lenkbaren turkmenischen Nomaden sowie „reguläreren“ Truppen nach Armenien vor. Im Jahr 1055 zog Tughrul in Bagdad ein und hatte bis 1059 das Gebiet des heutigen Irak bis in die Grenzgebiete Syriens und des Byzantinischen Reiches hinein unter seine Kontrolle gebracht. Im Namen des Abbasidenkalifen in Bagdad errichtete Tughrul ein Sultanat, dessen Herrschaftsbereich Iran, den Irak und Syrien umfasste. Mit ihrem Übertritt zum Islam hatten die seldschukischen Türken die strenge und aggressive Variante dieser Religion angenommen, wie sie wohl in Grenzgebieten häufig zu finden war. Ihren Vormarsch nach Westen rechtfertigten sie als
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eine Kampagne gegen die Verderbtheit des Islam, die sich für sie etwa darin ausdrückte, dass das orthodoxe sunnitische Kalifat nun schon seit über einem Jahrhundert unter der Herrschaft schiitischer Machthaber gestanden hatte. Ihr nächstes Ziel nach dem Fall Bagdads war das in ihren Augen häretische Kalifat in Ägypten. Die ersten Aktionen der Seldschuken gegen christliche Territorien erfolgten zufällig und ohne Plan. Seit den späten 1050er-Jahren stießen Trupps plündernder Nomaden bis tief in das byzantinisch kontrollierte Armenien vor; ab den späten 1060er-Jahren tauchten sie auch in Kilikien und im inneren Anatolien auf. Bei ihren Beutezügen jenseits der Grenze verließen sie auch den Einflussbereich von Tughruls Neffen und Nachfolger Alp Arslan, der sich deshalb zum Eingreifen gezwungen sah. Dies wiederum provozierte eine militärische Antwort der Byzantiner. Im Jahr 1071 unternahm Alp Arslan einen Feldzug, der – obwohl es in seinem Verlauf auch zur Eroberung einiger christlicher Städte zwecks Grenzkonsolidierung kam – vor allem die (muslimische) Stadt Aleppo gefügig machen sollte. Aleppo fiel auch tatsächlich an Alp Arslan, doch dann hörte dieser, der byzantinische Kaiser Romanos IV. Diogenes plane eine Offensive. Alp Arslan stellte sich den Byzantinern entgegen, fügte ihnen in der Schlacht von Manzikert eine vernichtende Niederlage zu und nahm ihren Kaiser gefangen. Die militärische Stärke der Byzantiner war schon lange im Niedergang begriffen gewesen, doch erst die Schlacht von Manzikert öff nete den turkmenischen Nomaden das Tor zum Byzantinischen Reich – beschleunigt wurde diese Entwicklung durch das unüberlegte Handeln einiger byzantinischer Generäle, die sich um den Kaiserthron stritten. Sie heuerten türkische Söldner an und ermöglichten es diesen so, im Inneren des Reiches Fuß zu fassen. Schnell entglitt das Kleinasien der byzantinischen Kontrolle. Dies war die Situation, in der sich der byzantinische Kaiser 1095 entschloss, den Westen um Hilfe zu bitten.
Papst Urban II. Papst Urban II.
Das Papsttum hatte schon seit einiger Zeit mit großer Sorge auf die Gebietsverluste an den östlichen Grenzen der Christenheit geschaut. Die Nachricht vom Einfall der Türken hatte Papst Gregor VII. im Jahr 1074 vorschlagen lassen, persönlich als Anführer einer Streitmacht von nicht weniger als 50 000 Freiwilligen die Glaubensbrüder im Osten zu „befreien“. Gregor führte aus, dass es ihm mit diesem Heer womöglich sogar gelingen mochte, bis zum Heiligen Grab in Jerusalem vorzustoßen. Papst Urban II. wiederum hatte seit Beginn seines Pontifi kats in engem Kontakt mit dem byzantinischen Kaiser Alexios gestanden, um die Beziehungen zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche zu verbessern, und Alexios seinerseits korrespondierte auch mit anderen westlichen Großen in der Hoff nung auf Unterstützung für sein bedrängtes Reich. Deshalb ist es höchst unwahrscheinlich, dass das Verhalten des Papstes nach der Synode von Piacenza ganz spontan war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Urbans weiteres Vorgehen von langer Hand geplant gewesen war.
Papst Urban II.
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In der Rückschau scheint Urbans Handlungsweise die Folge seiner Herkunft und seines Werdegangs zu sein. Er war um 1035 in eine nordfranzösische Adelsfamilie geboren worden; sein Vater war vermutlich ein Vasall des Grafen der Champagne. Nach seiner Zeit an der renommierten Kathedralschule von Reims wurde er dort Kanoniker und Erzdiakon, um dann bald nach 1067 in die berühmte Abtei von Cluny in Burgund einzutreten. Möglich, dass ihn das Streben nach einem strengeren religiösen Leben zu diesem Schritt motivierte – eine ganz ähnliche Absicht hatte sein Lehrer, der heilige Bruno von Köln, als er den Kartäuserorden gründete. 1074 hatten ihm dieselben Talente, die ihn schon so jung zum Erzdiakon hatten werden lassen, das Amt des Großpriors von Cluny eingetragen, des Stellvertreters des Abtes also. Das Kloster Cluny stand zu jener Zeit im Mittelpunkt der Kirchenpolitik, und immer wieder wurden Mönche aus Cluny in den Dienst Papst Gregors VII. nach Rom gerufen, so auch der spätere Papst Urban. Er wurde zum Kardinalbischof von Ostia ernannt, der den Vorsitz im Kardinalskollegium führte. Sein Amtsvorgänger war ebenfalls ein früherer Großprior von Cluny gewesen. 1080 zog er nach Rom und geriet sogleich mitten in den Investiturstreit zwischen Kirche und Kaisertum, insbesondere im Winter 1084 / 1085, als er in Deutschland unterwegs war, um dort die schwindende Unterstützung für Papst Gregor zumindest zu stabilisieren. Sein Name war einer von dreien auf der Liste möglicher Nachfolger, die Gregor selbst zusammenstellte, und nach dem kurzen Pontifi kat Viktors III. wurde er am 12. März 1088 tatsächlich selbst zum Papst gewählt. Seine Zeit als Domherr in Reims, dann als einfacher Mönch und Prior in Cluny hatte ihn mit einigen führenden Köpfen der Reformbewegung in Kontakt gebracht und hatte ihn mit einigen für Cluny charakteristischen Ansichten hinsichtlich der Rolle des weltlichen Rittertums im Dienst der Kirche in Berührung gebracht. Seine Karriereposten in Italien und als päpstlicher Legat in Deutschland hatten ihm die Bekanntschaft sowohl mit den neuesten Reformideen als auch mit ihrer Anwendung auf die Kirchenpolitik eingebracht. Aber vor allem anderen war er durch seine adlige Abstammung dazu geschaffen, sich in die Mentalität der abendländischen Ritterschaft einzufühlen. Nachdem er sich etwa einen Monat lang in Piacenza aufgehalten hatte, begann er eine gemütliche Rundreise durch Oberitalien und zog schließlich nach Frankreich weiter. Am 15. August 1095 hielt er sich in Le Puy auf. Der dortige Bischof, Adhémar von Monteil, sollte beim Ersten Kreuzzug eine entscheidende Rolle spielen. Von Le Puy aus berief Urban die Bischöfe Frankreichs zu einem Konzil ein, das im folgenden November in Clermont abgehalten werden sollte. Sodann reiste er südwärts nach Saint-Gilles, in das Territorium Raimunds IV., des Grafen von Toulouse und eines der späteren Kreuzzugsführer, und dann entlang der Rhone nach Norden, bis er um den 18. Oktober in Cluny ankam. Einer der Gründe für diese Reise war die Weihe des Altars in der großen neuen Kirche gewesen, die dort gebaut worden war. Am 15. oder 16. November erreichte er Clermont und eröffnete am 18. des Monats das Konzil. Am 27. November rief er vor einer Menschenmenge, die zum größten Teil aus Klerikern bestand, zum Kreuzzug auf. Nach seiner Abreise aus Cluny zog er noch durch Zentralfrankreich sowie durch den Westen und den Süden des Landes, wobei er sorgsam darauf achtete, vom französischen König
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unmittelbar kontrollierte Territorien zu meiden, denn dessen Exkommunikation wegen Ehebruchs war auf dem Konzil von Clermont bestätigt worden. Für einen Mann von über sechzig Jahren war all das eine erstaunliche Leistung. Urban legte etwa 3200 Kilometer zurück, zog in verschlafene Städtchen ein, deren Bewohner schon seit Menschengedenken keinen König oder eine vergleichbare internationale Berühmtheit gesehen hatten: mit der Tiara gekrönt und in Begleitung einer Menge von Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen, deren Gefolge sehr zahlreich gewesen sein dürfte und deren Tross sich vermutlich meilenweit über die Landstraßen hinzog. Urban plante seine Besuche so, dass sie mit großen örtlichen Patronatsfesten zusammenfielen: In Saint-Gilles traf er zum Fest des heiligen Ägidius ein (der auf Französisch „Saint Gilles“ heißt); in Le Puy, wo sich das bedeutendste Marienheiligtum der damaligen Zeit befand, war er zu Mariä Himmelfahrt; in Poitiers feierte er das Fest des heiligen Hilarius. Mit allem nur möglichen liturgischen Aufwand weihte er die Kathedralen und Klosterbasiliken, die zu jener Zeit überall im Land von dem kühnen Bauprogramm des französischen Klerus kündeten. Auch predigte er weiterhin den Kreuzzug, und uns liegen Erwähnungen von Predigten vor, die er zu Weihnachten 1095 in Limoges, im Februar 1096 in Angers und Le Mans und im Juli in Nîmes hielt. Urban übernahm außerdem den Vorsitz bei feierlichen Zeremonien, in denen Ritter das Kreuz nahmen: möglicherweise in Le Mans; ganz bestimmt im März 1096 in Tours. Im August überquerte Urban die Alpen und kehrte nach Italien zurück. Zu diesem Zeitpunkt war der Kreuzzug bereits in vollem Gang. Es gibt viele Berichte von der Botschaft, die Urban in Clermont und auf seiner Rundreise durch Frankreich unter die Leute bringen wollte. Die meisten davon sind unglaubwürdig, wurden sie doch erst verfasst, nachdem der Kreuzzug Jerusalem bereits befreit hatte – und somit zu einer Zeit, als wohl keiner der Schreibenden gegen eine gewisse Euphorie immun war, welche die jüngere Vergangenheit in einem durchaus rosigen Licht erscheinen ließ. Dennoch verbleiben noch genügend brauchbare Zeugnisse, nicht zuletzt in Urbans eigenen Briefen, die uns zumindest eine grobe Rekonstruktion seines Aufrufs ermöglichen. In Clermont und auf seiner ganzen Predigtreise betonte Urban, dass er im Namen Gottes spreche. Er schrieb von den Kreuzfahrern als von göttlich inspirierten Bevollmächtigten Gottes, die sich aus Liebe zu Gott in seinen Dienst begeben würden. Den Teilnehmern sagte er, sie stünden in der Nachfolge Christi, und es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass er sie als „Ritter Christi“ bezeichnete. Urban bediente sich dabei natürlich der mahnenden Worte, die bereits die Reformer gebraucht hatten, wenn sie sich auf ihre bewaffneten Unterstützer bezogen; aber die Kreuzfahrer nahmen seine Ausführungen wörtlich und waren bald davon überzeugt, dass sie für Gott in den Kampf zogen.
Ein Befreiungskrieg Ein Befreiungskrieg
Urban rief zu einem Befreiungskrieg auf, der von Freiwilligen als Akt der Buße geführt werden sollte. Ein Teil dieser Botschaft spiegelte eine Gedankenwelt wider, in der fortschrittliche Kirchenmänner schon lange heimisch waren. In Frankreich, wo die Zentral-
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gewalt des Königs gerade in die Brüche gegangen war, besaß sie eine besondere Relevanz. Die eigentliche Autorität wurde nicht mehr vom König ausgeübt, und sie ging in vielen Fällen auch nicht mehr vom Hochadel aus, sondern hatte sich aufgesplittert – in einem noch immer rätselhaft anmutenden Prozess, der aber womöglich etwas mit der Tatsache zu tun hatte, dass im 10. Jahrhundert eine ganz und gar auf Krieg getrimmte Gesellschaft gar nicht mehr anders konnte, als sich selbst zu zerfleischen. So waren viele französische Provinzen in kleinere Einheiten zerbrochen, die von Burgen aus regiert wurden, deren Herren und ihre Ritter die umliegenden Gegenden derart terrorisierten, dass sie zur einzigen Erscheinungsform von Autorität wurden, mit der viele Menschen jemals in Berührung gekommen waren: gewalttätig, willkürlich und fordernd. Die daraus resultierende Anarchie erzeugte ihrerseits nicht selten unkontrollierbare Gewalt. Die Kirche hatte auf die Situation reagiert, indem sie sich an die Spitze einer pazifistischen Initiative gesetzt hatte, der sogenannten „Gottesfriedensbewegung“. Diese verlieh einer weitverbreiteten Besorgnis Ausdruck, indem sie große Versammlungen aller freien Männer einberief, die sich um Unmengen von Reliquien aus den Kirchen der Gegend herum scharten. Diese Versammlungen verfügten die Unantastbarkeit des Klerus und der Armen gegenüber jedweder Form von Gewalt und Ausbeutung und verboten darüber hinaus jegliche Gewaltausübung zu bestimmten Zeiten des Jahres und an bestimmten Wochentagen. Man versuchte zunächst, die Burgherren und Ritter zur Einwilligung in diese Friedensartikel zu überreden – auch mit drohenden Worten. Es stellte sich jedoch heraus, dass sich jene nur mit Gewalt überzeugen ließen, und so erwuchsen aus der Gottesfriedensbewegung ihrerseits Militäraktionen gegen Friedensbrecher, geführt im Namen einzelner Kleriker, die – wenn sie Bischöfe oder Äbte waren – durchaus über eigene Kontingente von Rittern verfügten. In Frankreich war die Gottesfriedensbewegung bis in die 1090er-Jahre abgeebbt. Zuvor hatte sie sich allerdings noch nach den deutschen Territorien des Heiligen Römischen Reiches hin ausgebreitet, das zu zersplittern drohte. Die Tatsache, dass die Gottesfriedensbewegung in Frankreich aus Anlass des Ersten Kreuzzuges wiederbelebt wurde, lässt erahnen, wie groß die Angst Urbans und anderer Würdenträger gewesen sein muss, in der Heimat könnte die Anarchie ausbrechen, wenn der Hochadel erst einmal zum Kreuzzug in den Orient aufgebrochen war. Jedenfalls war aus der Gottesfriedensbewegung die Überzeugung erwachsen, dieselbe Gewalt, die den Zusammenbruch der gesellschaft lichen Ordnung herbeigeführt hatte, könne auch zu gottgefälligen Zwecken eingesetzt werden, wenn sich nur die Laienschaft dazu bewegen ließe, ihre Kräfte zu bündeln und in den Dienst der Kirche zu stellen. In ganz Europa wandten sich Kirchenmänner mit der Bitte um militärische Unterstützung an Laien, während sich insbesondere die Hausgeistlichen des Adels bemühten, die christliche Lehre so zu formulieren, dass ihre Brotherren und deren Gefolge sie auch verstehen würden: Sie griffen auf heroische und martialische Geschichten des Alten Testaments und christlicher Heiligenlegenden zurück, um ihr Publikum zu fesseln. Ihre Mühen wurden insofern belohnt, als die Gesellschaft des späten 11. Jahrhunderts zwar noch immer eine gewalttätige war, aber dennoch nicht annähernd so gewalttätig wie noch einige Zeit zuvor. Auch gab es Anzeichen wach-
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sender und vor allem öffentlich bekundeter Frömmigkeit unter den bewaff neten Schichten. Obwohl die Kirche mit ihren Aufrufen zum bewaffneten Beistand vor 1095 nicht gerade erfolgreich gewesen war, wirkte ihr Flehen schließlich doch noch auf die Bestrebungen der Laienschaft ein und erzielte den gewünschten Erfolg: Die allgemein positive Reaktion auf Urbans Aufruf kam einem plötzlichen Handschlag der beiden Seiten gleich, nachdem die Kirche den Laien schon so lange ihre Hand entgegengestreckt hatte. Sicher ist es kein Zufall, dass der Papst, der dieses Übereinkommen ins Werk gesetzt hatte, selbst dem Adel, also jener Gesellschaftsschicht entstammte, die von der Kirche am heftigsten umworben worden war. Die beteiligten Kirchenmänner waren inspiriert von einer Reformbewegung, die schon die vorangegangenen fünfzig Jahre dominiert hatte: ein halbes Jahrhundert, das unter die bemerkenswertesten Abschnitte in der Geschichte des Christentums zählt. Die Reformer wollten die Kirche von korrupten Praktiken befreien, die sie auf einen allzu großen Einfluss der Laien auf innerkirchliche Angelegenheiten zurückführten. Ihnen schwebte eine schlichtere, authentischere Institution vor, die der frühen Kirche ähnelte, wie sie ihnen aus der Apostelgeschichte bekannt war. Und da die meisten dieser Reformer Mönche waren, die parallel zu – und tatsächlich schon vor – der allgemeineren Kirchenreformbewegung auf eine Reform des Mönchtums gedrungen hatten, sahen sie diese frühe Kirche aus einer klar mönchisch geprägten Perspektive. Ohne zu übertreiben, könnte man ihre Absichten auf den folgenden Nenner bringen: Sie wollten das christliche Abendland in ein einziges großes Kloster verwandeln und träumten von einem Klerus, der – zölibatär und unbefleckt von den Wertmaßstäben dieser Welt – die Seelsorge einer Laienschaft auf sich nahm, die so weit wie möglich ihre Lebensführung und ihren Kultus ganz den klösterlichen Idealen angepasst hatte. Es ist bemerkenswert, wie viel Energie für die Umsetzung dieses Traums aufgewandt wurde. Ebenso bemerkenswert war der Elan, mit dem die Reformer überall im Land den Bau von Pfarrkirchen vorantrieben und so auch eine ganz handfeste, physisch greifbare Umgestaltung der kirchlichen Lebenswelt erreichten. Jede dieser neu errichteten Kirchen sollte im Grunde eine große Klosterkapelle für eine Kongregation von Laien darstellen. Und bemerkenswert war schließlich auch ihre Geisteskraft, die unter den Reformern zu einer Blüte der Gelehrsamkeit führte, insbesondere auf den Gebieten der Grammatik, des Geschichtsstudiums und des Kirchenrechts, denn unter Rückgriff darauf suchten sie ihre Reformkampagne zu legitimieren. Doch am allererstaunlichsten war die Art und Weise, mit der sich das Papsttum von diesen neuen Lehren gefangen nehmen ließ – aber nicht zufällig waren so viele Päpste jener Zeit, bevor sie auf den Stuhl Petri gelangten, selbst Mönche gewesen. Während des Großteils seiner zweitausendjährigen Geschichte ist das Papsttum nicht gerade ein Vorkämpfer von Reformen gewesen. Wohl haben Päpste bisweilen Reformer unterstützt, oder sie haben sich an die Spitze einer Reformbewegung gesetzt, die bereits in Gang gekommen war, um diese unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch nur ein einziges Mal, im späten 11. Jahrhundert, kann die Rede davon sein, dass die Päpste die eigentlichen Anführer einer radikalen Parteiung innerhalb der Kirche gewesen sind – eine beflügelnde, aber auch eine gefährlich exponierte Position.
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Wenn Urban nun zur „Befreiung“ aufrief, so bediente er sich eines Begriffs, der durch seine Verwendung seitens der Reformer in den vorangegangenen fünfzig Jahren eine bestimmte Färbung erhalten hatte: die eines übertriebenen Freiheitsverständnisses, das in großen exempten (das heißt von Abgaben befreiten) Klöstern wie etwa Cluny auf der Hand gelegen haben mochte – schließlich genossen diese Klöster Freiheiten, die ihnen vom Heiligen Stuhl gewährt worden waren und die sie der Autorität von Bischöfen und Königen enthoben. Dieser „Befreiungsdruck“ hatte im Westen bereits zu Gewaltausbrüchen geführt. Seit über 40 Jahren schon hatten die Päpste die Anwendung von Gewalt gegen jene, die sich den neuen Ideen widersetzten, gebilligt. Dies war besonders augenfällig geworden, als um 1080 eine Gruppe deutscher Adliger Papst Gregor VII. in eine bewaffnete Auseinandersetzung mit ihrem König, dem designierten römisch-deutschen Kaiser Heinrich IV., hineingezogen hatte. Dieser Krieg hatte in der Folge auch auf Italien übergegriffen, Gregor war aus Rom vertrieben worden, und ein Gegenpapst – Clemens III. – war auf den Stuhl Petri gekommen. Infolgedessen hatte Urban sein Pontifi kat im Exil antreten müssen. Der wachsende Erfolg, mit dem er sich nach und nach wieder eine breite Unterstützung erwarb, gipfelte schließlich 1094 in seiner Rückkehr nach Rom sowie in der Synode von Piacenza selbst, an der eine große Anzahl von Bischöfen sowie eine beträchtliche Menge von Vertretern weltlicher Mächte teilnahmen. Da der Aufruf zur Befreiung schon innerhalb der lateinischen Kirche zur Anwendung „befreiender“ Gewalt geführt hatte, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis diese sich auch auf Gebiete ausdehnte, in denen Christen sehr viel stärker zu leiden hatten als ihre Brüder im Westen. Urban gebrauchte den Begriff „Befreiung“ (liberatio) hinsichtlich der Invasion Siziliens durch den normannischen Grafen Roger und ebenso mit Blick auf die Rückeroberung Spaniens und Portugals. Dort hatten christliche Heere schon im 8. Jahrhundert begonnen, an muslimische Besatzer gefallene Territorien zurückzuerobern. Die Einnahme von Toledo im Jahr 1085 war eine Sensation. Zugleich war eines ganz klar – und der oben erwähnte Vorschlag Gregors VII. aus dem Jahr 1074, ein Heer nach Jerusalem zu entsenden, hat es bereits deutlich gezeigt: Wann immer die Kirchenreformer, denen ja ständige Verweise auf die Stadt Jerusalem aus dem Psalmengesang ihres klösterlichen Chorgebets nur zu vertraut waren, an den (christlichen) Osten dachten, wanderten ihre Gedanken beinahe zwangsläufig in Richtung der Heiligen Stadt. So gesehen, bedurfte der Erste Kreuzzug fast gar keines konkreten Kriegsgrundes; die Eigendynamik der Reformbewegung hätte ihn vermutlich früher oder später sowieso herbeigeführt. Papst Urban rief 1095 zu einem Kriegszug mit zwei unterschiedlichen Befreiungszielen auf. Das erste war die Befreiung der Ostkirchen (und insbesondere des Patriarchats von Jerusalem) von muslimischer Herrschaft. Dabei ging es um die Befreiung von Menschen, getauften Gliedern der Kirche. Offenbar hat Urban damals ein allzu entsetzliches Szenario vom Leben unter muslimischer Herrschaft entworfen; auch hat er wohl die Gefahr übertrieben, die von den Türken zum damaligen Zeitpunkt für Konstantinopel ausging (wenn diese den Byzantinern selbst auch deutlich genug vor Augen gestanden haben muss). Das zweite Ziel war die Befreiung des Heiligen Grabes in Jerusa-
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lem, eines bestimmten Ortes also, der die Kreuzfahrer wesentlich stärker motivierte als der Gedanke der Befreiung ihrer Brüder und Schwestern. Klar ist, dass Urban die Befreiung der Christen im Osten an diejenige der ganzen Kirche gekoppelt hat. In dieser Hinsicht war er wie seine Amtsvorgänger, die ebenfalls die Befreiung bestimmter Gruppen von Gläubigen in den Zusammenhang einer umfassenderen Erneuerung der Kirche als Ganzer gestellt hatten. Es gab allerdings auch noch einen weiteren Faktor, der es Urban unmöglich machte, den Kreuzzug als ein isoliertes Phänomen zu betrachten: Die Ostgrenze der Christenheit war nicht die einzige, die in den Jahrzehnten zuvor gebröckelt hatte, denn dies gilt auch für die südwestliche Grenze zum islamischen Machtbereich auf der Iberischen Halbinsel. Nach dem Zusammenbruch des Umayyadenkalifats von Córdoba im Jahr 1031 war das maurische Spanien in eine Vielzahl konkurrierender Kleinkönigreiche zerfallen. Als im späten 11. Jahrhundert der christliche Druck auf sie zuzunehmen begann, bemühten sich ihre „Mini-Emire“ um die Unterstützung des nordafrikanischen Almoravidenherrschers Ibn Taschfi n. Die Almoraviden, die von ihrer Hauptstadt Marrakesch aus ein mächtiges Reich beherrschten, waren eine militante sunnitische Bewegung unter den Berberstämmen Nordafrikas und galten als ganz besonders eifrig, puritanisch und intolerant. Sie setzten nach Spanien über, eroberten es und besiegten 1086 die Christen bei Zallaqa (nahe dem heutigen Sagrajas in der Extremadura). Anschließend fuhren Wagenladungen voller Köpfe, die christlichen Kämpfern abgeschlagen worden waren, durch ganz Spanien und Nordafrika, um den Muslimen zu zeigen, dass die Ungläubigen keinen Grund zur Beunruhigung darstellten. Als Reaktion zogen 1087 französische Stoßtrupps (denen auch etliche spätere Kreuzfahrer angehörten) gegen almoravidische Stützpunkte; diese Kampagne führte jedoch zu keinem nennenswerten Ergebnis. Es überrascht also nicht, dass auch Urban ein aufmerksames Auge auf die Iberische Halbinsel geworfen hatte. Fast von Beginn seines Pontifi kats an hatte er einen Feldzug zur Rückeroberung von Tarragona nicht nur enthusiastisch unterstützt: Es spricht auch einiges dafür, dass er ihn selbst initiiert hat. Tarragona war damals eine Geisterstadt im Niemandsland, an der Mittelmeerküste knapp achtzig Kilometer südwestlich von Barcelona entfernt gelegen. Der Graf von Barcelona, den man ermutigt hatte, Tarragona einzunehmen, überschrieb es schließlich dem Papst als „ein Land des heiligen Petrus“. Urban ernannte einen Erzbischof von Tarragona, betrieb die Besiedlung, spornte die Würdenträger der Region an, die Stadt wieder aufzubauen – „in Buße und zur Vergebung der Sünden“ – und schlug vor, dass jene, die eine Pilgerreise nach Jerusalem beabsichtigten, ihre Mühen und ihr Geld doch lieber für die Wiederherstellung Tarragonas einbringen sollten, was ihnen, wie der Papst versicherte, den gleichen Nutzen für ihr Seelenheil bringen werde. Als Urban später zu Ohren kam, dass auch Katalanen für die Befreiung Jerusalems das Kreuz genommen hatten, befahl er ihnen, zu Hause zu bleiben, wo sie, wie er ihnen versprach, ihre Kreuzzugsgelübde würden ebenso gut erfüllen können, „denn es zeugt nicht von Tugend, Christen an dem einen Ort vor den Muslimen zu erretten, nur um sie der Tyrannei und Unterdrückung durch die Muslime an einem anderen Orte auszuliefern“. Und obgleich diese Bemühungen geradezu grandios scheiterten – immerhin
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wurden Urbans Zeilen von mindestens zweien der vier Grafen, an die sie gerichtet waren, geflissentlich ignoriert –, ließ der Papst nicht davon ab, seinen geplanten Kriegszug in das Heilige Land mit der spanischen Reconquista gleichzusetzen. Die meisten Historiker interpretieren Urbans Worte nicht als erstes Abweichen des Kreuzzugsdankens auf einen anderen als den nahöstlichen Kriegsschauplatz; aber zumindest hatte er, der Begründer der Kreuzzugsbewegung, mit ihnen die Grundlagen für die späteren Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel geschaffen – aus der Motivation heraus, einer Initiative zum Erfolg zu verhelfen, die dem Aufruf zum Kreuzzug zeitlich vorausgegangen war. Früher konnte man häufiger die Meinung hören, die Eroberung Jerusalems sei als Intention des Ersten Kreuzzuges nur zweitrangig gewesen – vielleicht ein langfristiges Ziel. Viel eher habe Urban mit seinem Aufruf zum Kreuzzug in den Osten den griechischen Christen gegen die Türken beistehen wollen, um die Beziehungen des Heiligen Stuhls zum Patriarchat von Konstantinopel zu verbessern. Die Hinweise darauf, dass Jerusalem von Anfang an eine überragende Rolle gespielt hat, sind jedoch überwältigend: in den Berichten von Urbans Predigtreise, in den Entscheidungen des Konzils von Clermont und in den Urkunden von Kreuzfahrern, die sich auf den Weg machten. Außerdem wissen wir heute, dass zu einer Zeit, in der das christliche Interesse an der Stadt Jerusalem – oder besser gesagt an dem leeren Grab Christi in ihren Mauern – geradezu fanatische Züge angenommen hatte, der byzantinische Kaiser Alexios diesen Fanatismus noch angefacht hatte, indem er west liche Adlige mit der Aussicht auf die Befreiung Jerusalems lockte.
Die Pilgerfahrt der büßenden Krieger Die Pilgerfahrt der büßenden Krieger
Urbans Aufruf an potenzielle Kreuzfahrer, durch ihren Waffendienst Buße zu tun, hatte seine Wurzeln im Investiturstreit zwischen Kaiser- und Papsttum. Die Päpste hatten ihrem Abscheu davor, von der Kontrolle durch Laien abhängig zu sein, deutlichen Ausdruck verliehen, indem sie beherzte Schritte unternahmen, sich von dem Schutz der römisch-deutschen Kaiser loszusagen – obwohl sie dies den Begehrlichkeiten des römischen Stadtadels aussetzte, der schon zu früheren Zeiten bewiesen hatte, dass er seinen Bischof durchaus als Mittel zum Zweck gebrauchen würde, wenn man ihn nicht in seine Schranken wies. Angesichts schwelender Konflikte in der Christenheit und der Bedrohung durch den römischen Adel in der eigenen Stadt hatten sich die Päpste in Italien selbst nach Verbündeten umgesehen und sich in ganz Europa um weltliche Unterstützung bemüht. Auch hatten sie Gelehrte gebeten, eine Rechtfertigung christlicher Gewaltanwendung zu liefern. Besondere Bedeutung kam in diesem Zusammenhang einer Gruppe brillanter Köpfe um die Markgräfin Mathilde von Tuszien zu – heutzutage würde man vielleicht von einer „Ideenfabrik“ sprechen. Mathilde gehörte zu den glühendsten Unterstützern der radikalen Reformbewegung, und die von ihr versammelte Gelehrtenschar befasste sich insbesondere mit der Wiederbelebung und Weiterentwicklung der bereits vorgestellten augustinischen Theorie der gerechtfertigten Gewaltanwendung – Augustinus war noch immer der einflussreichste Theoretiker christlicher Gewalt. Bischof
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Anselm II. von Lucca stellte eine Sammlung von Augustinus’ Äußerungen zu diesem Thema zusammen. Johannes von Mantua entwickelte ein starkes Argument für die weltliche Autorität der Päpste aus jener Bibelstelle, in der Petrus im Garten Gethsemane ein Schwert zieht, dem „Knecht des Hohenpriesters“ ein Ohr abschlägt und daraufhin von Jesus zurechtgewiesen wird. Johannes von Mantua argumentierte, dass zwar Petrus in seiner Eigenschaft als Priester nicht berechtigt gewesen sei, selbst das Schwert zu führen, dass er und seine Nachfolger, die Päpste, jedoch darüber Gewalt hätten; schließlich habe Christus seinen Jünger lediglich angewiesen, das Schwert in die Scheide zu stecken, und nicht etwa, es wegzuwerfen. Bonizo von Sutri griff die Vorstellung vom Martyrium in der Schlacht auf, der sich das Papsttum schon seit dem 9. Jahrhundert hin und wieder bedient hatte. Damals hatten gleich zwei Päpste festgestellt, dass Kämpfer, die im Kampf gegen Ungläubige fielen – die richtige Geisteshaltung vorausgesetzt –, das ewige Leben erlangen würden. Einer dieser Päpste hatte das Versprechen noch erweitert, indem er den Toten die Absolution verhieß. Dieser Präzedenzfall scheint auch den Kirchenrechtler Ivo von Chartres, der zur Zeit des Ersten Kreuzzuges schrieb, davon überzeugt zu haben, dass der Tod im Kampf gegen die Feinde des Glaubens belohnt werden könne. In der Zwischenzeit war der Ehrentitel „Märtyrer“ aber schon von Papst Leo IX. auf all jene ausgedehnt worden, die bei der Verteidigung der Gerechtigkeit getötet wurden, indem er von dem „Martyrium“ der Kämpfer sprach, die bei der Niederlage der päpstlichen Truppen gegen die Normannen in der Schlacht von Civitate 1053 gefallen waren. Der Kreuzzug jedoch sollte als ein Unternehmen dargestellt werden, das über den bloßen Waffendienst im Namen Gottes noch weit hinausging. Vielmehr sollte er als ein Akt der Buße gepredigt werden und dies – darauf hat der konservative Gegner der Kirchenreform Sigebert von Gembloux hingewiesen – bedeutete eine Abkehr von der bis dahin gültigen christlichen Lehre von der Gewaltanwendung. Noch bis in das 12. Jahrhundert hinein gingen die Meinungen darüber, ob der bewaffnete Kampf für einen Christen ein Verdienst darstelle, weit auseinander: von Zweifeln darüber, ob sich die Sünde auf dem Schlachtfeld denn überhaupt vermeiden lasse, bis hin zu der Überzeugung, selbstlose Gewalt könne ein Kennzeichen der Tugend sein. Die Vorstellung vom Kriegszug als Bußakt war revolutionär, denn sie stellte die Kampfhandlung auf dieselbe Ebene wie das Gebet, die tätige Barmherzigkeit oder das Fasten. Man dachte früher, das erste Anzeichen für diese Geisteshaltung im Umfeld der Kurie sei ein „Ablass“ gewesen, den Papst Alexander II. den christlichen Belagerern der muslimischen Festung Barbastro in Spanien 1063 /10 64 gewährt hat. Mittlerweile ist jedoch darauf hingewiesen worden, dass aus Alexanders Schreiben überhaupt nicht hervorgeht, dass seine Adressaten Kriegsteilnehmer gewesen wären – in Wirklichkeit war es vermutlich an Pilger gerichtet –, und so ist es wahrscheinlicher, dass es Gregor VII. war, der als erster Papst unmissverständlich festgestellt hat, die Teilnahme an einem gerechten Krieg könne als Akt der Nächstenliebe und sogar als Bußhandlung gelten. Sigebert von Gembloux jedenfalls scheint diese Idee für Gregors eigenen Einfall gehalten zu haben. Gregor verband eine enge spirituelle Beziehung mit Mathilde von Tuszien, und zwischen ihren Kreisen wurden Gedanken ausgetauscht. Das Konzept eines als Akt der
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Buße geführten Krieges entstand im Verlauf dieses Austauschs. Ein Reformgegner warf Gregor daraufhin vor, er habe „Laien … zum Blutvergießen aufgestachelt, Männer, die doch eine Erlösung von ihren Sünden anstreben.“ Sigebert von Gembloux berichtet, Papst Gregor habe das besagte Konzept erstmals angewandt, als er „Mathilde befahl, zur Vergebung ihrer Sünden gegen den Kaiser Heinrich zu kämpfen“. Die Wendung „Vergebung der Sünden“ erinnert wohl nicht von ungefähr an die Definition der Taufe nach dem Nizänischen Glaubensbekenntnis – ein Echo, das der gesamten Aussage in den Ohren eines zeitgenössischen Publikums enormen Nachdruck verliehen haben muss. Der Gedankengang Gregors scheint auch in einer Lebensbeschreibung des Anselm von Lucca auf, in der einer von Anselms Geistlichen davon erzählt, wie er im Jahr 1085 einen Segen Anselms an Mathildes Heer überbrachte: „Uns war aufgetragen, den Männern die Gefahren der kommenden Schlacht einzuschärfen, die zur Vergebung all ihrer Sünden geschlagen werden würde.“ Anselm rechtfertigte also einen (Buß-)Krieg mit dem Argument, die Teilnahme am Kampf für eine gerechte Sache sei, da gefährlich, eine Bußleistung. All dies begründete eine ganz neue Kategorie von Kriegführung. Die Kreuzzüge sollten nicht ihre einzigen frühen Beispiele bleiben, wohl aber die bedeutendsten. Ein Angriff der Pisaner auf die nordafrikanische Stadt Mahdia im Jahr 1087 erfolgte, wie es hieß, „zur Vergebung der Sünden“. Und in der allgemeinen Euphorie, die auf die Befreiung Jerusalems folgte, appellierte Papst Paschalis II. an den gerade aus dem Heiligen Land heimgekehrten Grafen Robert von Flandern, er solle doch gleich noch einen weiteren Bußkrieg gegen die Gegner der Kirchenreform führen. In dem Jahrzehnt vor Beginn des Ersten Kreuzzuges muss sich die Vorstellung, dass man als Akt der Buße in den Krieg ziehen konnte, in den Familien und Netzwerken der Unterstützer des Papsttums herumgesprochen und von papsttreuen Klöstern in den umliegenden Gegenden verbreitet haben. Wie so vieles von dem radikalen Gedankengut, das im Zuge des Investiturstreites in Umlauf geriet, hätte sich auch die Vorstellung vom „Bußkrieg“ auf theologischer Grundlage nur schwerlich rechtfertigen lassen. Keinesfalls wäre es leicht gewesen – ganz gleich, wie unangenehm die Teilnahme an solch einem Bußkrieg im Einzelfall auch gewesen sein mag –, das Zufügen von Schmerz und Leid bis hin zum Verlust vieler Menschenleben, das ja auf den Seelenzustand des Tötenden keinen geringen Einfluss hatte, allein deshalb als Buße zu verteidigen, weil der Büßer sich dabei selbst der Gefahr aussetzte, getötet zu werden. Es sollte eine Leistung Papst Urbans II. sein, dieser Vorstellung zu einem etwas plausibleren argumentativen Rahmen zu verhelfen, indem er sie nämlich mit der charismatischsten aller traditionellen Bußleistungen verknüpfte: der Wallfahrt nach Jerusalem.
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Sechsundachtzig Jahre zuvor, im Jahr 1009, war auf Anweisung des Fatimidenkalifen al-Hakim die Grabeskirche in Jerusalem verwüstet worden. Die als Jesu Grab verehrte Grotte war beinahe dem Erdboden gleichgemacht worden, so dass lediglich der Boden
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und der untere Teil der Wände verschont geblieben waren. Als die Nachricht von der Zerstörung des Heiligen Grabes Westeuropa erreichte, brach eine Welle der Gewalt gegen etliche der vor erst relativ kurzer Zeit entstandenen jüdischen Gemeinden Frankreichs los. Manche scheinen bei diesem Blutbad ganz beträchtliche Einbußen erlitten zu haben. Auch in der Frühphase des Ersten Kreuzzuges sollte es zum ungezügelten Ausbruch eines gewalttätigen Antijudaismus kommen, wiederum im Zusammenhang mit der Sorge um das Heilige Grab. Vorerst jedoch unterbrachen die Zerstörung der Grabeskirche und die Verfolgung der Christen von Palästina einen stetigen Pilgerstrom, der zuletzt schon eher einer Flutwelle geglichen hatte. Diese Intensivierung des Wallfahrtsbetriebes spiegelte wahrscheinlich die weitverbreitete Befürchtung wider, mit der Jahrtausendwende sei auch die Endzeit nahe; immerhin sollten sich die letzten Ereignisse auf dieser Erde ja allesamt in Jerusalem ereignen: das Auft reten des Antichrist; die Wiederkehr des Messias; das Bersten der ersten Gräber und die Auferstehung der Heiligen aus Knochen und Staub. Schon seit Jahrhunderten waren christliche Pilger nach Jerusalem gereist, hatten sich selbst im Westen Zentren eines Jerusalemkultes gebildet – aber erst im 11. Jahrhundert erreichte die fromme Fixierung auf die heiligen Stätten ihren beinahe fieberhaften Höhepunkt. Dieser Enthusiasmus wurde durch die Ankunft von Reliquien aus Jerusalem noch weiter genährt, die in vielen Kirchen West- und Mitteleuropas aufbewahrt wurden. Besonders namhafte Sammlungen gab es im Lateranpalast in Rom und in der Abtei von Moissac im Languedoc. Im Laufe des 11. Jahrhunderts wurden überall Kirchen dem Heiligen Grab oder dem Wahren Kreuz geweiht; manche wurden auch nach dem Vorbild des Schreins entworfen, der das Heilige Grab umfasste. Einige wurden dem Heiligen Grab sogar zum Geschenk gemacht. Der beschriebene Enthusiasmus war das Nebenprodukt einer fast schon morbiden Beschäft igung mit der Sündhaftigkeit. Männer und Frauen jener Zeit lebten in der schmerzlichen Überzeugung, dass ihre Gesellschaftsordnung zur Sünde hinstrebte: nicht allein, weil diese Gesellschaft eine gewalttätige war und ihrer ganzen Struktur nach von einer kriegerischen Schicht geprägt wurde, sondern auch, weil die Kirche – beeinflusst von den Moralvorstellungen der Klöster und allzeit bedacht auf die Verbreitung des Evangeliums – von den Gläubigen geradezu Unmögliches forderte, was die Einhaltung sittlicher Normen anging. Für die meisten Menschen stellte die Teilnahme an der Heiligen Messe und an Wallfahrten eine natürliche Möglichkeit dar, ihre religiösen Gefühle und ihre „Sündenängste“ öffentlich auszudrücken bzw. auszuleben – das war im Frömmigkeitsverständnis der damaligen Zeit von großer Bedeutung. Aus diesem Grund gab es einen permanenten Reiseverkehr zwischen den diversen regionalen Kultzentren, der durch die immer enger werdenden Beziehungen der Laienschaft zu den örtlichen religiösen Gemeinschaften – die nicht selten als Hüter eines bestimmten Heiligtums amtierten – noch verstärkt wurde. Viele Pilger zog es jedoch weiter in die Ferne. Was sie dazu bewog, für eine gewisse Zeit ein oft überaus beschwerliches Wanderleben auf sich zu nehmen, war dabei nicht allein die Aussicht auf seelische Erbauung und die Vergebung ihrer Sünden, sondern es waren die Reliquien, die in den großen Heiligtümern aufbewahrt wurden,
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und die Wunder, die sie namens ihrer jeweiligen Heiligen bewirkten. Das galt für den Schrein der heiligen Fides in der französischen Abtei Conques nicht minder als für den des heiligen Benedikt von Nursia in der Abtei von Fleury oder jenen des heiligen Cuthbert von Lindisfarne in der Kathedrale von Durham. Diese Wundertaten reichten von eigentümlichen, manchmal launischen oder sogar rächenden Handlungen zum Schutz des Fürbittenden bis hin zu wundersamen Heilungen. Andererseits war es, obwohl sich auch in der Nähe der größten Wallfahrtsorte Santiago de Compostela, Rom und Jerusalem bisweilen Wunder ereigneten, eher unüblich, nach Rom oder Jerusalem zu pilgern und dort um wunderbaren Beistand zu bitten; dies tat man vielmehr aus Frömmigkeit und um Vergebung zu erlangen. Wer nach Jerusalem pilgerte, gehörte grob gesagt einer von drei Gruppen an: Die erste und wohl zahlreichste war von ihren Beichtvätern auf Pilgerfahrt geschickt worden, um eine Bußleistung zu erbringen. Die Angehörigen der zweiten Gruppe – und diese lässt sich mitunter nur schwer von der ersten unterscheiden, denn auch auf ihren Reisen gab es ein Element der Buße – befanden sich auf einer sogenannten peregrinatio religiosa, einer religiösen Wanderfahrt also, das heißt, sie hatten sie freiwillig und möglicherweise unter Ablegung eines Gelübdes als Akt der Frömmigkeit unternommen; kein Beichtvater hatte ihnen diese Buße auferlegt. In die dritte Gruppe fielen jene Pilger, die nach Jerusalem zogen, um dort den Rest ihres Lebens zu verbringen. Die besondere Lage der Stadt in der Geografie der Vorsehung machte sie zu demjenigen Ort, an dem man als frommer Christ am liebsten begraben sein wollte. Nach dem Tiefpunkt des Jerusalemer Wallfahrtswesens, der im 11. Jahrhundert auf die Zerstörung der Grabeskirche durch den Kalifen al-Hakim folgte, war es nur eine Frage der Zeit, bis der Pilgerstrom wieder anschwellen würde. Bereits Mitte der 1020erJahre gibt es eine Fülle von Zeugnissen über Pilger auf der Reise. Das Jahr 1033 galt gemeinhin als das Jahr, in dem sich die Auferstehung Christi zum tausendsten Male jährte; entsprechend strömten während der gesamten 1030er-Jahre – zu einer Zeit, in der auch die Heiligtümer der Stadt auf Veranlassung des byzantinischen Kaisers zumindest teilweise wiederhergestellt wurden – Scharen von Pilgern aus vielen Teilen Westeuropas nach Jerusalem. Die nächste große Welle scheint in den 1050er-Jahren in Richtung Osten gerollt zu sein. Dann kam die große Wallfahrt von 1064, die aus Frankreich und den deutschen Ländern aufbrach und auf der Überzeugung beruhte, Ostern werde 1065 auf dasselbe Datum wie 33 n. Chr. fallen. Bis in die 1070er-Jahre muss die Reise durch Kleinasien, das sich mittlerweile weitgehend in türkischer Hand befand, sehr viel schwieriger geworden sein; dennoch gibt es keine Hinweise auf ein Nachlassen des Pilgerverkehrs. Ganz bestimmt nahm dieser in den 1080er- und frühen 1090er-Jahren sogar noch zu. Der Aufbruch des Ersten Kreuzzuges in Richtung Jerusalem im Jahr 1096 war, so gesehen, nur die letzte in einer langen Reihe von Pilgerwellen, die siebzig Jahre lang mit schöner Regelmäßigkeit über Jerusalem hereingebrochen waren. Das Ziel Jerusalem machte den Kreuzzug zum Feldzug und zur Pilgerfahrt zugleich. Während Papst Urban bei seiner Ausrufung einerseits das typische Vokabular des Pilgerwesens gebraucht hatte (iter, via, labor – Weg, Straße, Mühsal), benutzte er andererseits
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auch die militärische Bezeichnung „Jerusalem-Expedition“ (Jherosolimitana expeditio). Ein Kreuzfahrer sah in seiner Reise nicht nur „die Wallfahrt nach Jerusalem“, sondern auch „solch eine … großartige … Expedition des Gottesvolkes, das sich seinen Weg nach Jerusalem erstreitet, um dort für Gott gegen die Heiden und die Muslime zu kämpfen“. Zwei andere Kreuzfahrer, ein Brüderpaar, nahmen das Kreuz … einerseits um der Gnade der Wallfahrt willen, andererseits jedoch, um mit Gottes Beistand die Entweihung [Jerusalems] durch die Heiden zu tilgen und jenes maßlose Wüten zu beenden, durch welches schon unzählige Christen gedemütigt, in Bande geschlagen und in barbarischer Raserei getötet worden sind.
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Die Tatsache, dass der Erste Kreuzzug zugleich eine Wallfahrt nach Jerusalem war, bestätigte und legitimierte das Konzept des Bußkrieges. Das Konzil von Clermont verfügte, dass jeder, der sich dem Kreuzfahrerheer „aus religiöser Hingabe allein [anschließt], nicht um der Ehre oder des Geldes willen … diese Fahrt zum Ausgleich für sämtliche Bußpflichten“ einsetzen könne. Und Papst Urban selbst versprach den Kreuzfahrern: Wenn unter euch Männern einige sind, die nicht [nach Jerusalem] ziehen, um weltlichen Gewinn zu erringen, sondern allein um der Errettung ihrer Seelen und der Befreiung der Kirche willen, so gewähren wir, durch unsere eigene Macht und mit der Autorität aller Erzbischöfe und Bischöfe über die Gallier, durch die Gnade des allmächtigen Gottes und die Gebete der heiligen katholischen Kirche, ihnen allen den Erlass jeglicher Buße, die ihnen für jene Sünden auferlegt worden ist, die sie wahrhaft ig und vollständig bekannt haben.
Manchen Historikern haben die vermeintlichen Widersprüche in Urbans Erklärung Kopfzerbrechen bereitet. Erließ er seinen Kämpfern lediglich jene Bußleistungen, die ihnen im Beichtstuhl auferlegt worden waren? Oder gingen die Kreuzfahrer selbst davon aus, dass er ihnen die drohenden Konsequenzen ihrer bisherigen Sünden erlassen hatte – ob nun in dieser Welt oder der nächsten? Wenn wir allerdings Urbans Aussagen im Kontext der zeitgenössischen Bußtheologie betrachten, dann lösen sich diese Widersprüche wie von selbst auf, weil all die unterschiedlichen Begriffe, die der Papst gebrauchte, auf ein und dasselbe hinauslaufen. Sein sogenannter „Kreuzzugsablass“ war in Wirklichkeit überhaupt kein Ablass: Es war eine verbindliche päpstliche Erklärung darüber, dass die Buße, die jene Kreuzfahrer auf sich laden würden, so schwer sein werde, dass sie als „voll befriedigend“ gelten konnte in dem Sinne, dass Gott daraus nicht nur die „Schulden“ ihrer bestehenden und noch nicht „verbüßten“ Sündenlast zurückgezahlt werden konnten, sondern noch dazu alle Überreste von Schuld, die aus früheren Bußbemühungen verblieben waren, weil diese nicht ausgereicht hatten, das Sühnebedürfnis zu befriedigen. Urban gewährte also kein spirituelles Privileg, wie dies der spätere, voll entwickelte Ab-
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lass sein sollte (denn dieser besagte ja im Grunde, dass Gott eine verdienstvolle Tat selbst dann als „befriedigend“ ansehen werde, wenn sie es nicht war). Vielmehr rief er einen Krieg aus, dessen Teilnehmer sich selbst eine angemessene Strafe auferlegen würden, je nach Maßgabe ihres Einsatzes. De facto schuf Urban mit seiner Erklärung eine neue Art von Pilgerfahrt, die aus freien Stücken und aus religiöser Hingabe heraus unternommen werden sollte und insofern mit der peregrinatio religiosa zu vergleichen ist. Andererseits glich sie jedoch auch der klassischen Bußwallfahrt, denn ihr Vollzug stellte einen Akt der Buße im klassischen Sinne dar und war noch dazu vom Papst mit dem Beichtstuhl verknüpft worden. Der Chronist des Klosters Montecassino, höchstwahrscheinlich ein Würdenträger des päpstlichen Hofes, der Urbans Denkweise gut kannte, glaubte, dass jener den Kreuzzug in Bewegung gesetzt hatte, um „den Fürsten die Buße zu ermöglichen“, da jene „für ihre zahllosen Vergehen in der Heimat keine Buße tun konnten und sich als Laien genierten, ohne Waffen gemeinsam auf Pilgerfahrt zu gehen“. Der Adel hatte, wie er weiter ausführt, „auf das Wort und Ratschlag des Papstes Urban hin geschworen, sich auf den Weg in das Heilige Land zu machen, um das Grab unseres Herrn den Muslimen zu entreißen, in Buße und zur Vergebung ihrer Sünden“. Aus der Sicht des Chronisten war der Aufruf zum Kreuzzug also, mit anderen Worten, ein geschickter seelsorgerischer Schachzug, der Waffenträgern die Chance eröffnete, zum eigenen Seelenheil durch das Eingehen einer harten Bußverpflichtung selbst beizutragen, ohne dabei ihren kriegerischen Beruf aufzugeben oder die Erniedrigung einer „ganz normalen“ Wallfahrt in das Heilige Land auf sich nehmen zu müssen – ohne Waffen, ohne Ausrüstung, ohne Pferde. Ein ähnlicher Kommentar zum Ersten Kreuzzug als einer Art „militärischer Fördermaßnahme“ für Ritter und Adlige, die zu ihrem eigenen Wohl und dem der Kirche in den Kampf ziehen sollten, findet sich in einer vielzitierten Passage des zeitgenössischen Geschichtsschreibers Guibert von Nogent: Gott hat in unserer Zeit heilige Kriege entstehen lassen, damit der Ritterstand und jene, die ihm nachfolgen, … einen neuen Weg zum Heil fi nden mögen. Und so sind sie nicht, wie es früher der Brauch war, gezwungen, ihre weltlichen Geschäfte ganz aufzugeben und Mönche oder Priester zu werden, sondern können ihren Anteil an Gottes Gnade erlangen, indem sie ihrem eigentlichen Gewerbe nachgehen, mit den Freiheiten und in den Kleidern, die sie gewohnt sind.
Es kann überhaupt kein Zweifel darüber bestehen, dass die Kreuzfahrer ihr Tun als Buße und den Kreuzzug als Beitrag zu ihrem künft igen Seelenheil verstanden. Aus vielen ihrer Urkunden spricht eine pessimistisch gestimmte Frömmigkeit, wie sie für die Epoche typisch ist, und die sich in einer tiefen Abscheu vor der Sünde und deren Folgen äußert. Als Reaktion auf Urbans Betonung der nötigen Sorge um die Sünde sowie des aus dieser erwachsenden Reuebedarfs baten die Kreuzfahrer offen um Vergebung. Sie schlossen sich dem Kreuzzug an, um – wie es ein Urkundentext ausdrückt – „die Vergebung zu erlangen, die allein Gott mir für meine Vergehen gewähren kann“. Ein anderes Dokument kleidet einen ganz ähnlichen Gedanken in etwas ausführlichere Worte:
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Die Geburt der Kreuzzugsbewegung: Der Aufruf zum Ersten Kreuzzug In Anbetracht meiner vielen Sünden und der Liebe, Milde und Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus, der da als Reicher arm wurde um unseretwillen, habe ich mich entschlossen, ihm zumindest etwas zurückzuzahlen für all das, was er mir so freigiebig geschenkt hat, obwohl ich doch unwürdig bin. Und darum habe ich den Entschluss gefasst, nach Jerusalem zu ziehen, wo Gott als Mensch zu den Menschen gesprochen hat, und ihn dort anzubeten, wohin seine Füße getreten sind.
Am 22. Mai 1096 kam der provenzalische Adlige Fulko von Châteaurenard in die Abtei Lérins, wo der Abt ihm die Insignien eines Pilgers überreichte und ihm „die Fahrt nach Jerusalem als Buße auferlegte“. Und als Milon von Montlhéry aus der Champagne im Heiligen Land unterwegs war, hieß es, er tue „Buße für seine Schuld“. Als Folge dieser Entwicklung konnte die Teilnahme an einem Kreuzzug als Alternative zum Eintritt in den Klerikerstand oder die anderweitige Aufnahme in eine religiöse Gemeinschaft gelten. In ihren Beschreibungen des weiteren Kreuzzuges nach der Einnahme von Jerusalem stellten Zeitzeugen das marschierende Kreuzfahrerheer als eine Art Kloster auf Wanderschaft dar, dessen Tages- und Nachtrhythmus durch das Stundengebet vorgegeben war und dessen Angehörige auf Verzicht und Bruderschaft eingeschworen waren: „Ganz wie in der Urkirche teilten sie beinahe ihren gesamten Besitz miteinander.“ Ein anderer Kommentator schrieb über dieses zeitweilige religiöse Exil, es habe, „was die Kargheit betrifft, nicht dem Leben eines Kriegers, sondern demjenigen eines Mönchs geglichen“. Gewiss: In der damaligen Zeit war das Klosterleben der Maßstab, an dem alle anderen Lebensformen gemessen wurden. Daher könnte es verlockend erscheinen, die zitierte „Verklosterung“ des Kriegsalltags als den nachträglichen Versuch einer rationalen Erklärung für den allem Anschein nach wundersamen Erfolg des Ersten Kreuzzuges zu deuten – wären da nicht die mindestens drei Fälle, in denen Männer, die ein religiöses Leben führen wollten, ihre Meinung änderten, nachdem sie Kreuzzugspredigten gehört hatten, und die sich darum den Kreuzfahrerheeren anschlossen, ganz so, als ob diese Art von Militärdienst einem religiösen Beruf gleichkäme. Das beweist, dass Vergleiche von Kreuzzug und Klosterleben schon vor dem Abmarsch der Kreuzfahrerheere angestellt wurden. Die Kreuzfahrer sahen sich selbst als Pilger, und während sie sich auf dem Kreuzzug befanden, verrichteten sie bezeichnenderweise fromme und liturgische Übungen. Derartige Pilgerkrieger waren ein absolutes Novum, denn bisher war es Pilgern, die ja zuallererst Büßer waren, untersagt gewesen, Waffen zu tragen. Aber schließlich war der Kreuzzug ja auch ansonsten eine reichlich sonderbare Art von Wallfahrt. Papst Urban bemühte sich sogar, die Beteiligung am Kreuzzug auf Bewaff nete zu beschränken, und verbot darum Mönchen die Teilnahme: Wir haben auf die Gemüter der Ritter eingewirkt [schreibt er], auf dass sie an dieser Expedition teilnehmen. … Wir wünschen nicht, dass jene, die der Welt entsagt und sich ganz dem geistlichen Kampf verschworen haben, zu den Waffen greifen oder sich an dieser Reise beteiligen, ja mehr noch: Wir verbieten es ihnen.
Urban war bestrebt, die Anzahl der am Kreuzzug teilnehmenden Priester auf ein notwendiges Minimum zu beschränken. Er hielt außerdem fest, dass Alte, Schwache und
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Frauen für die Teilnahme ungeeignet seien, obwohl Frauen offenbar ihre Ehemänner oder Brüder begleiten durften, wenn eine entsprechende Genehmigung der kirchlichen Obrigkeit vorlag. Urbans Aussagen über „untaugliche“ Laien konnten jedoch keine Verbote sein; sie waren lediglich Empfehlungen. Pilgerfahrten waren fromme Unternehmungen für reuige Sünder, in welchem Zustand sich diese ansonsten auch befinden mochten – etliche Heiligtümer zogen wegen der ihnen zugeschriebenen Heilkräfte ja gerade die Kranken und Schwachen an –, und es wäre unmöglich gewesen, die Teilnahme an einer Pilgerfahrt auf kräft ige junge Männer zu beschränken. Das ist ein Grund dafür, dass letztlich doch so viele „Untaugliche“ am Kreuzzug teilnahmen. Die Einführung eines Kreuzzugsgelübdes stellte eine weitere überaus bedeutsame Neuerung dar. Der genaue Wortlaut des dabei geleisteten Versprechens ist uns nicht überliefert, aber es muss wohl die Verpflichtung zur Pilgerfahrt nach Jerusalem mit der Erklärung verbunden haben, die Heilige Stadt gewaltsam zu befreien. Zuvor hatte für Pilger im Allgemeinen keine Verpflichtung bestanden, einen Eid zu leisten – und wir dürfen wohl davon ausgehen, dass die meisten dies auch nicht taten. Die irrige Vorstellung, das Kreuzzugsgelübde sei aus irgendeinem Pilgergelübde entstanden, beruht vermutlich auf der Tatsache, dass in den erhaltenen Pontifi kalien und Manualen seit dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts Handlungen, die zuvor getrennt gewesen waren, verschmolzen wurden, so dass das Kreuz des Kreuzfahrers, das Abzeichen des Gelübdes und die Symbole der Pilgerschaft zugleich verliehen wurden. Deren Lektüre führte zu der Auffassung, der Ritus zur Aufnahme des Kreuzes müsse sich aus der Zeremonie der Segnung der Pilgerinsignien entwickelt haben; nachweislich handelte es sich dabei jedoch in der frühesten Zeit der Kreuzzugsbewegung nicht um eine, sondern um zwei verschiedene Handlungen: zuerst die Kreuznahme und, getrennt davon, dann erst die Verleihung von Pilgertasche und Pilgerstab, die durchaus einige Zeit später erfolgen konnte. Die Verwendung von Kreuzen war ein Geniestreich. Den Berichten von Urbans Predigt in Clermont zufolge hatte der Papst die Annahme und das Tragen des Kreuzes in überaus deutlicher Weise mit den Jesusworten aus Mt 16,24 (vgl. Lk 14,27) verbunden: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“ Die Redeweise des Papstes in diesen Berichten deutet darauf hin, dass er sich dessen bewusst war, etwas Neues zu tun und dass er die Kreuze als Unterscheidungsmerkmal betrachtete. Die Kreuzfahrer stachen wohl aus der Masse hervor – ganz gewiss aus der Masse der Bevölkerung, vielleicht sogar unter den übrigen Pilgern, die zuvor nicht in besonderer Weise mit dem Kreuzessymbol assoziiert gewesen waren. Man vergisst leicht, wie auff ällig selbst die Kreuze aus einfachem Stoff gewesen sein müssen. Eine Mitte des 12. Jahrhunderts entstandene Skulptur aus dem Priorat von Belval in Lothringen zeigt einen Mann – vermutlich Hugo von Vaudémont –, der auf seiner Brust ein etwa 15 Zentimeter langes und breites Kreuz aus fünf Zentimeter breiten Stoffstreifen trägt. Ein Kreuzfahrer war verpflichtet, sein Kreuz jederzeit zu tragen und durfte es nicht abnehmen, bis er sein Gelübde erfüllt hatte. Den Zeitgenossen war es wichtig, dass die Kreuzfahrer auf diese Weise kenntlich
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gemacht wurden. So glaubten die Anführer der ersten Kreuzfahrerkontingente, dass in ganz Westeuropa ein Potenzial an weiteren Kreuzfahreren schlummere, welches sich erst ausschöpfen ließe, wenn die Kirche alle Bummler als solche erkennbar machen würde. Mit einiger Regelmäßigkeit versuchte man auch auszuloten, wie groß die Zahl von Kriegsscheuen tatsächlich war. Natürlich war es wesentlich einfacher, gegen „falsche“ Kreuzfahrer zu wettern, als diese zur Erfüllung ihres Gelübdes zu zwingen, aber der solcherart aufgebaute Druck und das öffentliche Interesse, das sie erregten, unterstreichen, für wie wichtig die Selbstverpflichtung zum Kreuzzug im Allgemeinen galt. Papst Urban predigte den Kreuzzug als einen verdienstvollen Akt der Nächstenliebe, für den Laien ganz besonders geeignet waren – ja er ging sogar so weit, den Kreuzzug als einen regelrechten „Kreuzweg“ aufzufassen. Bis dato hatte der Antritt dieses Weges in der Nachfolge Jesu eine Abkehr von den irdischen Dingen vorausgesetzt, den Rückzug in ein Kloster. Jedoch war das Ablegen der ewigen Gelübde für viele Menschen keine praktikable Option, denn sie konnten ihre Familien nicht einfach in den Unsicherheiten dieser Welt zurücklassen. Nun aber gab es für diese Gruppe von Laien eine Handlungsoption, die dem Eintritt in ein Kloster beinahe gleichkam. Der Papst hatte einen Schritt auf dem Weg gewagt, der die Kirche schließlich zur Anerkennung des Laienstandes als einer Berufung an sich führen sollte.
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Zusätzlich zu seinen eigenen Predigten in Sachen Kreuzzug sandte Urban II. Briefe oder Gesandtschaften nach Flandern, Genua, Bologna, Pisa und Mailand. Der geplante Kreuzzug war Gegenstand von Konzilien im November 1095 in Clermont, im Juli 1096 in Nîmes, im Oktober 1098 in Bari und im April 1099 in Rom. In Clermont – und vermutlich auch in Nîmes – ermutigte Urban die anwesenden Bischöfe, ihrerseits den Kreuzzug zu predigen. Einige leisteten dieser Aufforderung wohl Folge; der prominenteste unter ihnen dürfte Hugo von Die gewesen sein, Erzbischof von Lyon und glühender Anhänger der Kirchenreform. Die Quellen deuten jedoch auch darauf hin, dass viele Bischöfe Urbans Ansinnen geflissentlich ignorierten. Das Konzil von Clermont hatte sich zwar auf einen Bestand kirchenrechtlicher Regelungen zum Kreuzzug geeinigt, aber nur ein einziger Kanon (Konzilsbeschluss) ist in der Form überliefert, in der er auch verabschiedet wurde; er befasst sich mit der Vergebung der Sünden. Sehr wenige Abschriften der Konzilsbeschlüsse enthalten ihn, und diese Manuskripte umfassen meist nur diejenigen
왗 Ein Teilnehmer des Zweiten Kreuzzuges. Diese Skulptur, die ursprünglich aus dem Kreuzgang des Klosters Belval bei Portieux in Lothringen stammt und sich heute im Musée des BeauxArts von Nancy befindet, stellt vermutlich den Grafen Hugo I. von Vaudémont mit seiner Frau Aigeline von Burgund dar. Hugo trägt den Stab und die Tasche eines Pilgers. Das Kreuz auf seiner Brust kennzeichnet ihn als Kreuzfahrer.
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Punkte, für die sich die Bischöfe, in deren Auft rag sie angefertigt wurden, auch interessierten. Doch selbst das ist relativ: Eine Abschrift der Beschlüsse von Clermont, die aus dem Besitz des Bischofs Lambert von Arras stammt, spiegelt womöglich noch nicht einmal dessen Interesse wider, denn Lambert hat uns seine Eindrücke von dem Konzil in einem eigenen Bericht hinterlassen, und in diesem wird der bevorstehende Kreuzzug mit keinem Wort erwähnt. Der wichtigste Punkt für Lambert von Arras war, dass der Papst den Status seines Bistums bestätigt hatte. Unter den Mönchen war der Enthusiasmus für den Kreuzzug in der Regel größer; etliche Klöster wurden zu regelrechten Rekrutierungszentren. Und dann waren da noch jene, die Urbans Plan auf eigene Faust unterstützten, wie etwa der Wanderprediger Peter der Eremit aus Amiens. Die Kunde vom Aufruf des Papstes scheint sich größtenteils von Mund zu Mund verbreitet zu haben – so schnell, wie ein Zeitzeuge berichtet, dass alles Predigen überflüssig wurde –; und es ist klar, dass sie sich innerhalb des Adels von einem Familienmitglied zum anderen herumsprach. Häufungen von Teilnehmern am Ersten Kreuzzug finden sich etwa in schwertadligen Familien im Limousin, in Flandern, Lothringen, in der Provence, der Île-de-France, der Normandie und in Burgund. Als herausragende Beispiele sind die Grafen von Burgund und die Herren von Montlhéry in der Île-de-France zu nennen. Von den fünf Söhnen des Grafen Wilhelm des Großen von Burgund schlossen sich drei dem Kreuzzug an; ein vierter sollte – als Papst Calixt II. – den Kreuzzug von 1120 predigen. Auch ein Enkel und eine Enkelin Wilhelms wurden Kreuzfahrer. Drei Angehörige des Hauses Montlhéry nahmen das Kreuz, ebenso eine Vielzahl von Angehörigen verwandter Familien: aus Chaumont-en-Vexin kamen vier Kreuzfahrer; aus Saint-Valery drei; aus den Herrscherfamilien von Broyes, Bourcq und Le Puiset jeweils zwei; aus Courtenay und Pont-Echanfray jeweils einer. Alles in allem brachten die zwei Generationen dieses Clans, die zur Zeit des Ersten Kreuzzuges im wehrfähigen Alter waren, 23 eng verwandte Kreuzfahrer und Siedler hervor, von denen sechs im lateinischen Osten eine bedeutende Rolle spielten. Wir haben uns eine Kette des Enthusiasmus vorzustellen, die sich quer durch Nordfrankreich zog. Es lassen sich einige Aspekte identifizieren, mit deren Hilfe sich vielleicht etwas besser erklären lässt, warum manche Familien mit besonderem Einsatz auf Urbans Ruf zu den Waffen reagierten. Dazu zählen etwa Familientraditionen, einmal im Leben die Pilgerfahrt nach Jerusalem zu unternehmen; eine besondere Verbundenheit zum Reformkloster Cluny und zum Reformpapsttum; auch die Verehrung bestimmter Heiliger. Die weiblichen Familienangehörigen scheinen den Enthusiasmus überdies auch in die Familien ihrer Ehemänner hineingetragen zu haben. Von vier Schwestern aus dem Haus der Grafen von Burgund waren drei mit Teilnehmern des Ersten Kreuzzuges verheiratet; und die Vierte war die Mutter eines Kreuzfahrers. Und obgleich es in der Familie der Herren von Le Puiset vermutlich eigene Traditionen gab, die sie zum Kreuzzug disponierten, war ihre Matriarchin doch eine von vier Montlhéry-Schwestern, die allesamt mit Kreuzfahrern verheiratet oder aber deren Mütter waren. Das Gleiche gilt für ihre beiden Töchter. Das Echo, das Papst Urbans Aufruf zum Kreuzzug hervorrief, war laut genug, um sich in den Äußerungen einiger Zeitgenossen niederzuschlagen – aber wie stark es genau war,
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lässt sich heute nur schwer beurteilen. Wenn wir einmal von der dritten Welle des Kreuzzuges absehen – dem sogenannten „Kreuzzug von 1101“, dessen Teilnehmerzahl sich teilweise der Nachricht von der Befreiung Jerusalems verdankt –, so lassen sich die folgenden, sehr vorsichtigen Schätzungen rechtfertigen: Im Juni 1097 versammelten sich etwa 5000 Ritter der zweiten Welle bei Nicäa, dem heutigen Iznik. Diese Zahl sollte man mit dem Faktor vier multiplizieren, um zu einer realistischen Zahl für das gesamte Ritterheer inklusive Tross (Pferdeknechte, Schildknappen usw.) zu gelangen. Dazu kommen dann noch einige Truppen zu Fuß, so dass eine Zahl von 25 000 Mann angemessen erscheint. Allerdings hatte sich dem Kreuzzug auch eine große Anzahl Armer angeschlossen; sie eingerechnet, könnte die Gesamtzahl durchaus im Bereich von 40 000 Mann gelegen haben. Zudem stießen bis zum Fall Jerusalems – und darüber hinaus – ständig noch verspätete Kreuzfahrer hinzu, obwohl die Gesamtstärke des Kreuzfahrerheeres während der Belagerung der Heiligen Stadt wohl bis auf 15 000 gefallen war. Bei diesen Nachzüglern sollten wir von etwa 5000 Mann ausgehen. Das Heer der ersten Welle dürfte beinahe so groß gewesen sein wie das der zweiten; 30 000 Mann scheint realistisch. Insgesamt gelangen wir so zu der Zahl von 75 000 Mann, von denen etwa 7000 Ritter gewesen sein dürften. Zuletzt sollten wir aber auch die beträchtliche Anzahl all jener nicht vergessen, die zwar das Kreuzzugsgelübde ablegten, dann aber doch nicht aufbrachen; es dürften bis zu 50 Prozent der tatsächlichen Kreuzfahrer, mithin etwa 38 000 Mann, gewesen sein. Am Ende steht also die Zahl von 113 000 Kreuzzugswilligen, davon zehn Prozent Ritter. Gewiss: All das sind Schätzungen. Jedoch gelangen selbst noch vorsichtigere Schätzungen zu Gesamtwerten, die in Anbetracht der damaligen Bevölkerungszahlen überaus stattlich sind und somit erneut die Frage aufwerfen, warum das Kreuzzugsprojekt Urbans II. einen derartigen Zulauf hatte. Darauf gibt es mehrere Antworten. So hatte die Bevölkerungsdichte Europas – nach beständigem Wachstum – im 11. Jahrhundert einen Punkt erreicht, an dem die überkommenen Erbschafts- und Heiratsbräuche an ihre Grenzen stießen. In den Jahren vor 1096 hatte zudem eine anhaltende Dürre in Frankreich zu schweren Missernten, Hungersnöten und Mutterkornbrand geführt, der Wahnvorstellungen und Tod zur Folge haben konnte. Durch verunreinigten Roggen gelangte der Mutterkornpilz in Mehl und Brot und konnte so seine verheerende Wirkung entfalten. Auch stand das Zeitalter ganz im Zeichen einer Kolonisierung und Besiedlung von Gebieten an den Rändern oder sogar – durch das Urbarmachen unwegsamer Wälder – inmitten des alten Europa. Aus diesem Grund erschien es einigen Kommentatoren der Zeit – und seither auch vielen Historikern – plausibel, den Kreuzzug als eine koloniale Unternehmung zu betrachten. Dieser Sichtweise zufolge lockte die Kreuzfahrer die Aussicht auf neue Siedlungsgebiete in einer Gegend, die in der Bibel ja als „Land, darin Milch und Honig fließt“ gepriesen wurde und in einem Erdteil lag – dem Orient –, dessen Reichtum legendär war. All das habe Bauern, unverheiratete Söhne ohne eigenen Landbesitz und Mitglieder von Familien, die durch das System der Erbteilung mit immer kleineren Parzellen auskommen mussten, bewogen, in ein neues Leben aufzubrechen. Andererseits gingen die meisten zeitgenössischen Kommenta-
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toren – und eine Minderheit heutiger Historiker – davon aus, dass die Hauptmotivation zum Kreuzzug in einem echten Idealismus bestanden habe. In allen Heeren des Ersten Kreuzzuges waren die Armen sehr zahlreich. Gut möglich, dass viele von ihnen die Chance auf ein ganz neues Leben ergreifen wollten – aber wir wissen leider nur wenig über sie, von ihren Beweggründen und Träumen ganz zu schweigen. Unter ihnen muss es eine sehr hohe Sterblichkeit gegeben haben, und es fällt schwer, sich vorzustellen, dass die Überlebenden nach dem Ende des Kreuzzuges die Mittel oder auch nur die Kraft gehabt hätten, in ihre Heimat zurückzukehren. Einige blieben bereits im nördlichen Syrien, als die restlichen Heere weiter gen Süden marschierten. Andere werden wohl in Palästina geblieben sein, während jene Kreuzfahrer, die es sich leisten konnten, wieder nach Hause aufbrachen. Nur wenig deutet darauf hin, dass die Teilnehmer des Ersten Kreuzzuges in dem Bewusstsein loszogen, an einem Siedlungsunternehmen beteiligt zu sein. Einige herausragende Persönlichkeiten wie Bohemund von Tarent oder Balduin von Boulogne hegten Herrschaftsambitionen, aber abgesehen davon ist die Quellenlage diesbezüglich äußerst dünn. Selbst das Haus Montlhéry, das ja eine bemerkenswerte Reihe von Kreuzfahrern stellte, scheint dem Kreuzzug vor allem aus spirituellen Erwägungen zugeneigt zu haben. Man sollte klar sehen, dass der Kreuzzug zwar einen Prozess in Gang brachte, in dessen weiterem Verlauf westeuropäische Eroberer sich in etlichen Küstengebieten der Levante ansiedelten, dies aber nicht von vornherein geplant war. Der Papst und die Anführer des Kreuzfahrerheeres nahmen an, dass ihre Truppen sich nach der Ankunft in Konstantinopel mit einer wesentlich größeren Streitmacht unter dem Oberbefehl des byzantinischen Kaisers zusammenschließen würden, in dessen Reich Jerusalem ja einst gelegen hatte, und dass der Feldzug von diesem Moment an die Wiedererrichtung der byzantinischen Herrschaft in der Levante zum Ziel haben würde. Erst als die Kreuzfahrer feststellen mussten, dass der Kaiser keinerlei Interesse daran hatte, an ihrer Spitze in den Kampf zu ziehen, und auch nur ein eher kleines Truppenkontingent zu ihrer Unterstützung bereitstellen mochte, beschlossen sie, „auf eigene Rechnung“ loszuschlagen. Das schloss freilich eine Ansiedlung in Syrien oder Palästina nicht aus, aber die allermeisten Kreuzfahrer kehrten nach dem Ende des Feldzuges wieder in ihre Heimat zurück. Eine weitere gängige Erklärung für die Beweggründe der frühen Kreuzzüge sieht in diesen nur wenig mehr als großangelegte Raubzüge, wie sie die westeuropäischen Ritter schließlich schon von ihren Vorstößen nach Spanien und anderswo kannten. Die in Clermont versammelten Bischöfe waren durchaus besorgt gewesen, Männer könnten sich dem Kreuzzug „um des Geldes willen“ anschließen, und zweifellos zog das Unternehmen gewalttätige Naturen an. Es gab ja – abgesehen vielleicht von der Entscheidung eines großen Lehnsherrn darüber, wen er in seinem Gefolge mitnahm – keinen Musterungsvorgang, in dem etwa die Eignung potenzieller Teilnehmer geprüft worden wäre. Eine solche Überprüfung hätte es auch überhaupt nicht geben können, allein schon deshalb, weil die Kreuzzüge ja, wie bereits betont, als Pilgerfahrten galten und als solche allen Interessenten offen stehen mussten, selbst Psychopathen. Es ist durchaus möglich, dass die Begierden
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derjenigen Kreuzfahrer, die zur Gewalttätigkeit neigten, durch Desorientierung, Ängste und Stress noch verstärkt wurden, während sie plündernd ihren Weg nach Osten nahmen. Die barbarischen Gewaltexzesse gegen Juden in Frankreich und Deutschland, mit denen einige Kreuzfahrerheere ihren Marsch begannen, waren begleitet von Raub und Erpressung; auch auf dem Zug der Kreuzfahrer über den Balkan kam es immer wieder zu derartigen Ausbrüchen. Zugleich war diese Art der Versorgung für das Kreuzfahrerheer überlebensnotwendig, denn ein anderes Verfahren zur Proviantbeschaff ung gab es nicht. Solange sie durch christliche Territorien zogen, waren die Kreuzfahrer auf die Mildtätigkeit der jeweiligen Herrscher angewiesen. Sobald sie jedoch in dem verwüsteten Niemandsland angekommen waren, in das sich Kleinasien zu verwandeln begann, befanden sie sich fernab von jedem Treff punkt mit europäischen Versorgungsschiffen, bis sie Antiochia erreichten – und selbst dort waren die Verpflegungsmöglichkeiten sehr begrenzt. Von allen, großen wie kleinen Heerführern erwarteten schließlich ihre Gefolgsleute, dass sie sie zumindest mit dem Lebensnotwendigen versorgten. Dieser Umstand allein könnte schon erklären, dass die Kreuzfahrer nahmen, was sie bekommen konnten. Außerdem gibt es kaum Hinweise darauf, dass Kreuzfahrer als reiche Männer in ihre Heimat zurückkehrten. Das überrascht kaum, wenn man bedenkt, was allein die Rückreise aus der Levante gekostet haben muss – ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, Reichtümer – in Naturalien! – über weite Strecken sicher zu transportieren. Tatsächlich gibt es Berichte darüber, dass beim großen Auszug der Kreuzfahrer aus Palästina im Jahr 1099 viele Teilnehmer schon in Nordsyrien vollkommen mittellos waren. Eine dritte beliebte Erklärung für die große Anziehungskraft der Kreuzzugsbewegung ist die folgende: Das stetige Bevölkerungswachstum habe Familien mit Grundbesitz gezwungen, Maßnahmen gegen eine Zersplitterung ihrer Güter bei der Erbteilung zu ergreifen: entweder durch die Einführung der Primogenitur, durch die der erstgeborene Sohn sämtlichen Besitz erbte, oder durch eine primitive Form der Geburtenkontrolle, bei der nur ein männlicher Nachkomme pro Generation heiraten durfte. Den anderen jungen Männern sei nahegelegt worden, das Weite zu suchen. Für solch einen überzähligen Sohn sei der Aufbruch zum Kreuzzug ein probates Mittel gewesen, die Bürde, die er für seine Familie darstellte, leichter zu machen. Aus den Quellen ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Die Kreuzfahrer waren ja keine Wehrpflichtigen oder Lehnsleute, die ihren Vasallendienst hätten ableisten müssen. Die meisten unter ihnen waren Freiwillige, die sich, sofern sie nicht im Gefolge eines reichen Adligen reisten oder dessen Unterstützung gewinnen konnten, irgendwie finanzieren mussten. Informationen über die zu bewältigende Entfernung Palästinas waren allgemein verfügbar, da zahlreiche Westeuropäer als Pilger dorthin gereist waren und eine beträchtliche Zahl von Rittern als Söldner im byzantinischen Heer Dienst getan hatten. Die große Entfernung und die damit zusammenhängenden Kosten dürften die Ärmsten unter den Kreuzfahrern nicht abgeschreckt haben: Diese erwarteten vermutlich nicht viel und dachten womöglich sogar, dass sich ihre Lage nur verbessern könne. Für Ritter allerdings sah die Sache anders aus. Von ihnen wurde erwartet, dass sie für Aus-
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rüstung, Pferde, Lasttiere und Diener sorgen würden, um ihre Funktion im Heer effizient ausüben zu können. Ein Ritter aus dem Rheinland, der gut fünfzig Jahre später aufgefordert wurde, in Italien für die Sache des römisch-deutschen Kaisers zu streiten, musste für einen solchen Feldzug zwei ganze Jahreseinkommen aufwenden. Wir können lediglich schätzen, mit welchem Faktor man sein Einkommen multiplizieren müsste, um die Ausgaben eines französischen Ritters für seine Teilnahme an einem Kreuzzug in den Orient errechnen zu können, aber ein Faktor von fünf oder sechs wäre wohl angemessen. Dies lässt die traditionelle Vorstellung vom landlosen Ritter, der sorglos gen Jerusalem zieht, ziemlich lächerlich erscheinen. Es überrascht deshalb nicht, dass sich in den Kopialbüchern von Klöstern und Kathedralen – Sammlungen von Abschriften älterer Urkunden – Beispiele für die Bemühungen finden lassen, mit denen die Kreuzfahrer und ihre Familien an das für ihre Reise benötigte Geld kommen wollten. Das gestaltete sich jedoch schwierig, denn die Bodenpreise waren nach mehreren Dürrejahren unter Druck. Die erwähnte Reihe von Missernten wurde zwar 1096 durch ein hervorragendes Erntejahr unterbrochen – nach einem niederschlagsreichen Frühjahr, das wie Gottes wohlwollende Bestätigung des geplanten Kreuzzuges wirken mochte –, doch offensichtlich für die meisten Kreuzfahrer, die ihren Besitz schon hatten verkaufen oder verpfänden müssen, zu spät. Der Ernst ihrer Lage wurde dadurch verschärft, dass das Angebot an verfügbarem Land so groß, die Anzahl der potenziellen Käufer, die derart hohe Beträge an Geld so schnell hätten aufbringen können, jedoch so klein war, dass als Folge der Wert von Grundbesitz in Frankreich, wie es heißt, gefallen war. Eine mögliche Maßnahme, die insbesondere den Baronen und wohlhabenderen Rittern gefallen zu haben scheint, war es, religiösen Gemeinschaften gegenüber strittige Ansprüche und unzulässigerweise ausgeübte Rechte im Austausch gegen Bares aufzugeben. Der Kreuzfahrer profitierte von diesem Handel gleich doppelt, denn er konnte sich nun mit einem sauberen Gewissen auf den Weg machen – Pilger verließen die Heimat ungern im Streit – und hatte noch dazu einen Beitrag zu seinen Reisekosten erhalten. Einige adlige Herren hatten sich außerordentlich roh verhalten. Die Besitzer der Burg von Mézenc etwa hatten schon seit einiger Zeit mit den Mönchen der Abtei Saint-Chaff re-du-Monastier (heute Le Monastier-sur-Gazeille) im Streit gelegen. Nun, da sie „auf der Straße nach Jerusalem aufbrechen wollten, um gegen die Barbaren zu kämpfen“, unterstrichen sie ihre Forderungen, indem sie „die Armen in unseren Dörfern [ausplünderten] und ihnen alles nahmen, was sie hatten, ja selbst, wie man sagt, die letzten Brotkrumen“. Es scheint, dass die Kirchenmänner die entsprechenden Vereinbarungen bereitwillig eingingen, um die vorangegangenen, mühseligen Streitigkeiten nun endlich beizulegen. Allerdings sind die entsprechenden Urkunden der beteiligten Adligen oft in einer kriecherischen Sprache formuliert – vielleicht verlangten das die Mönche und Domherren als Gegenleistung für ihr Geld. So ließ es der Burgvogt Nivelo von Fréteval zu, dass der Schreiber einer von ihm in Auftrag gegebenem Abtretungsurkunde ihn – unter Rückgriff auf ein Zitat Papst Gregors I. – folgendermaßen charakterisierte: „von edelster Abstammung, die bei nicht wenigen Leuten ein ganz und gar unedles Gemüt hervorzubringen pflegt“. Und Nivelos nun aufzugebende Ansprüche werden im Urkundentext bezeichnet als „jenes gewalt-
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same Handeln, das gewissen schlimmen Gepflogenheiten entspringt und das mir [also Nivelo] nicht durch ein altes Anrecht, sondern allein von meinem Vater vererbt wurde, einem wenig bedeutsamen Mann, der als Erster die Armen auf diese Weise belästigt hat“. Wie erwähnt, kam es jedoch auch vor, dass Grundbesitz verpfändet oder verkauft werden musste, um die Teilnahme am Kreuzzug zu finanzieren. Solche Transaktionen konnten einen beträchtlichen Umfang erreichen: Bisweilen wechselten ganze Herrschaften den Besitzer. Bei den meisten Verpfändungen handelte es sich um sogenannte vifgages, das heißt, der jeweilige Gläubiger erhielt keinen Zins, sondern besetzte die entsprechenden Ländereien und zog die auf ihnen erwirtschafteten Einkünfte solange ein, bis das Darlehen zurückgezahlt war. Das System der vifgages sollte den Wucher vermeiden – technisch gesehen, handelte es sich ja noch nicht um Zinszahlungen auf geliehenes Geld, sondern um den Erwerb eines temporären Nutzungsrechts –, und in der Praxis war es wohl auch zweckmäßig. Ein großer Nachteil für die Kreuzfahrer und ihre Familien bestand jedoch darin, dass sie die Kontrolle über ihren Grundbesitz solange einbüßten, bis das von ihnen erhaltene Darlehen restlos zurückgezahlt war. Man braucht wohl nicht zu betonen, dass die Überschreibung von Land an eine religiöse Einrichtung nur der allerletzte Ausweg sein konnte; schließlich bestand in diesem Fall die Gefahr, dass das betreffende Stück Boden – sollte es vollends an die Kirche fallen – für immer dem freien Markt entzogen sein würde. Andererseits waren Kirchengemeinden und Orden oftmals die einzigen, die entweder über die nötige Liquidität verfügten oder durch den Verkauf von Wertgegenständen aus ihren Schatzkammern zu Bargeld kommen konnten. Dennoch wurden 16 Prozent der erhaltenen Verpfändungen und 13 Prozent der erhaltenen Verkäufe von Grundbesitz nicht mit kirchlichen Institutionen als Schuldner oder Käufer vereinbart, sondern mit Laien, Männern wie Frauen. Diese Zahlen mögen wenig eindrucksvoll erscheinen; man sollte allerdings bedenken, dass die erhaltenen Unterlagen fast ausschließlich kirchlicher Herkunft sind und darum ein Geschäftsabschluss, dessen beide Parteien dem Laienstand angehörten, dort selten verzeichnet wurde. Jedenfalls lassen diese Quellen eine beachtliche Aktivität in der nichtkirchlichen Wirtschaftswelt erkennen, bei der es darum ging, Geld für den Kreuzzug zu beschaffen. Insgesamt zehn Prozent der Verpfändungen und neun Prozent der Verkäufe wurden von engen Verwandten der Kreuzfahrer abgeschlossen, und es ist bemerkenswert, dass sich unter diesen auch Frauen befanden, Schwestern etwa, die auf das Vermögen ihres Ehemannes zurückgreifen konnten, wenn ihre Brüder oder sonstigen männlichen Verwandten knapp bei Kasse waren. Wenn nun ein Kreuzfahrer Grundbesitz verkaufte, betraf dies seine ganze Familie. Schließlich ging es hier um eine Veräußerung aus der Erbmasse, an der auch andere Familienmitglieder ein tatsächliches oder potenzielles Interesse hatten. Es konnte also vorkommen, dass sie Schwierigkeiten machten und sich gegen eine bereits getroffene Vereinbarung zur Wehr setzten, doch geschah dies eher selten. Scheinbar großzügige Gesten von Verwandten konnten durchaus darauf abzielen, den Zerfall eines Familienerbes zu verhindern. Das galt insbesondere, wenn es sich bei den Wohltätern um Onkel mütterlicherseits handelte, die oft ein Interesse daran hatten, die Kinder ihrer Schwestern zu beschützen – im Gegensatz zu Onkeln väterlicherseits, die für ihre Neffen und
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Nichten potenzielle Konkurrenten darstellten. Es ist frappierend, dass unter den erhaltenen Übereinkünften mit Kirchenmännern mindestens 43 Prozent der Veräußerungen gegen Geld entweder solche Vermögenswerte betrafen, deren Wert zweifelhaft bleiben musste, da die Besitzverhältnisse umstritten oder klärungsbedürftig waren, oder weil sie bereits verpfändet waren. Das lässt vermuten, dass viele Familien sich von vernünft igen Grundsätzen leiten ließen, wenn es um die Veräußerung ihres Besitzes ging. In den Formulierungen vieler Quellentexte hören wir womöglich Echos von Familienzusammenkünften, die einberufen worden waren, um zu beraten, ob und wie der fragliche Besitz nicht doch noch irgendwie würde gerettet werden können, und falls nicht, welche Teile des Familieneigentums am besten zur Verpfändung oder zum Verkauf gebracht werden sollten. In einem erhaltenen Dokument aus der Bretagne erhalten wir Einblick in eine solche Sitzung. Darin teilt der angehende Kreuzfahrer Thibaut von Ploasme seinem Bruder Wilhelm mit, dass er, Thibaut, seinen Erbteil werde verkaufen müssen, sofern man ihn nicht finanziell unterstütze. Wilhelm wollte verhindern, dass der Anteil seines Bruders am Familienbesitz verloren ging, und also beschaffte er das benötigte Geld von den Mönchen der Abtei Saint-Nicholas in Angers, indem er ihnen seinen Teil einer Mühle verkaufte, die bereits verpfändet worden war. Einen Kreuzzug zu unternehmen, brachte also eher Verlust als Gewinn – obwohl natürlich das große Prestige, dessen sich viele Rückkehrer erfreuten, dazu beigetragen haben könnte, ihre Schuldenlast zu verringern. Trotz aller Gefahren und Entbehrungen bot ein Kreuzzug aber auch die Gelegenheit, die Gunst eines einflussreichen Gönners zu erlangen. Womöglich war es einem Ex-Kreuzfahrer durch eine solche Beziehung auch möglich, für seine Söhne und Töchter eine „gute Partie“ zu arrangieren – in einer Zeit, in der von einer einzigen Heirat das Schicksal einer ganzen Familie abhängen konnte. Dennoch: Der Verkauf von Besitztümern auf die vage Hoff nung hin, nach über 3000 Kilometern Marsch in Richtung Osten dort eine neue Existenz aufbauen zu können oder doch wenigstens sein gesellschaft liches Ansehen in der Heimat zu steigern, wäre einem törichten Spiel gleichgekommen – zumal ja der Einsatz ganz einfach hätte reduziert werden können, hätte man nur mit dem Verkauf bis zum Ende der Dürreperiode und bis zur Normalisierung des übersättigten Bodenmarktes abgewartet. In einem solchen Klima ist es wenig überraschend, dass die einzige Strategie, die uns in den Quellen begegnet, genau die bereits geschilderte ist: Sobald ein Familienangehöriger das Kreuz genommen hatte, arbeiteten die Verwandten bei der Schadensbegrenzung zusammen. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass ein Engagement in der Kreuzzugsbewegung die betroffenen Familien von irgendwelchen Belastungen befreite, ganz im Gegenteil: Der Quellenbefund deutet überwiegend darauf hin, dass diese Familien zusätzliche Belastungen auf sich nahmen, um Familienmitglieder bei der Erfüllung ihrer Gelübde zu unterstützen. Es scheint daher plausibel, wenn wir annehmen, dass der Einsatz vieler Kreuzfahrer – und ihrer Familien – idealistisch motiviert war. Die Zeit der Kreuzzüge war auch ein Zeitalter ostentativer und extravaganter Großzügigkeit, wovon insbesondere die Ordensgemeinschaften profitierten. Und wenn es wahr ist, dass der geradezu atemberaubende Aufschwung des Klosterwesens mindestens genauso sehr – wenn nicht sogar vor allem –
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von jenen abhing, die selbst nicht in ein Kloster eintraten, sondern eines stifteten oder finanziell unterstützten, wie von jenen, die Mönche wurden –, wenn all das gilt, dann gilt es auch für die Kreuzzugsbewegung. Hinter zahlreichen Kreuzfahrern stand eine große Gruppe von Männern und Frauen, die – indem sie den Verkauf von Grundeigentum bewilligten, um ihren Verwandten den Aufbruch gen Osten zu ermöglichen – Opfer brachten, deren Ausmaß noch deutlicher wird, wenn man bedenkt, dass, ausweislich der Quellen, auf eine große Anzahl von Schenkungen an religiöse Einrichtungen keine andere Gegenleistung erfolgte als Fürbitte und Gebet. Man darf nicht vergessen, dass die Beliebtheit der Kreuzzugsbewegung in ihrer Zeit durchaus überschätzt werden kann. Obwohl diese Bewegung auf die grundsätzliche Zustimmung zahlreicher Menschen in vielen verschiedenen Teilen Westeuropas zählen konnte – und das schließt ein breites Spektrum von Wahrnehmungen verstandes- wie gefühlsmäßiger Art mit ein –, so repräsentierte diese Bewegung doch zugleich ein Wagnis, das so unbequem, gefährlich und kostspielig war, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich darauf lieber nicht einlassen wollte. Wir haben also, anders gesprochen, nicht etwa für alle Teile der westeuropäischen Gesellschaft jener Zeit die Motive für den Aufbruch zum Kreuzzug aufzudecken. Und selbst im Falle der Waffenträger, über die wir die verlässlichsten Angaben besitzen, stellt die Zahl von rund 12 000 Kreuznehmern (von denen etwa die Hälfte letztlich doch nicht aufbrach) nur einen Bruchteil aller Kämpfer in ganz Europa dar. In England allein gab es rund 5000 Ritter, in Frankreich und den französischsprachigen Gebieten des römisch-deutschen Reiches mindestens 50 000. Gegenstand unserer Betrachtung ist also nicht die kollektive Reaktion einer ganzen Gesellschaftsschicht, sondern lediglich die eines Bruchteils, einer Minderheit, deren Handlungsweise durch den Aufruf des Papstes und die Unterstützung ihrer Verwandten bedingt war.
Pogrome und Judenfeindschaft Pogrome und Judenfeindschaft
Der Kreuzzug begann mit einem Alptraum. Kurz nach dem Konzil von Clermont kam es in Teilen Frankreichs zu Ausbrüchen antijüdischer Gewalt. Diese breiteten sich nach Deutschland und Mitteleuropa aus, und zwar im Gefolge der ersten Welle von Kreuzfahrern, die in den Osten aufbrachen. Am 3. Mai 1096 brach ein Sturm der Gewalt über die jüdische Gemeinde von Speyer herein, wo sich eine süddeutsche Streitmacht unter dem Kommando des Grafen Emicho von Flonheim versammelt hatte. Emicho war der unbarmherzigste Judenhasser unter den beteiligten Anführern. Von Speyer zog er mit seinen Männern nach Worms, wo das Massaker unter der jüdischen Bevölkerung am 18. Mai begann, und dann nach Mainz, wo sich sein Heer mit weiteren deutschen sowie französischen, englischen, flandrischen und lothringischen Truppen vereinigte. Zwischen dem 25. und dem 29. Mai wurde die jüdische Gemeinde von Mainz, eine der größten in ganz Europa, dezimiert. Anschließend zogen einige der Kreuzfahrer nordwärts in Richtung Köln, von wo sich die dortigen Juden bereits auf die umliegenden Dörfer zerstreut hatten. Den ganzen nächsten Monat hindurch wurden sie gejagt und ermordet.
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Eine weitere Rotte von Kreuzfahrern scheint in Richtung Südwesten gezogen zu sein, nach Trier und Metz, wo sich die Massaker fortsetzten. Möglicherweise zwang das Kreuzfahrerheer Peters des Eremiten beinahe die gesamte jüdische Gemeinde von Regensburg, die christliche Taufe anzunehmen. Die jüdischen Gemeinden von Prag und im böhmischen Wesseli wurden von einem anderen Kreuzfahrerheer heimgesucht; vermutlich war es dasjenige des Predigers Folkmar. In den Köpfen weltlicher Ritter und anderer Kreuzfahrer konnte der Aufruf Urbans II. eine Interpretation nach sich ziehen, die der Kirche zwar nicht gefiel, gegen die sie aber wenig unternehmen konnte. Die Gesellschaft Westeuropas zu jener Zeit setzte sich aus vielen enggeknüpften und ineinandergreifenden Kreisen zusammen. Das waren zunächst Familien, die das Bewusstsein verband, dass ihre Mitglieder blutsverwandt und somit „Freunde“ waren, was eine allseitige Verpflichtung einschloss, sich für die Interessen aller Familienmitglieder einzusetzen. Hinzu kamen die Netzwerke von Vasallen und Klienten, die sich um adlige Herren gruppierten und ihren Mitgliedern ganz ähnliche Verpflichtungen auferlegten, wie die Familien es taten. All diese Beziehungsnetze verpflichteten die in ihnen verbundenen Männer zur Teilnahme an der „Blutfehde“ genannten Praxis, für die Interessen ihrer Angehörigen, Lehnsherren oder Mitklienten auch mit Waffengewalt einzutreten. Es ist bezeichnend, dass der erste Aufruf zum Kreuzzug in einer intimen, geradezu familiären Sprache verfasst war: Die Kreuzfahrer sollten ihren unterdrückten „Brüdern“, den orientalischen Christen, zu Hilfe eilen, denn sie waren ja verpflichtet, diese zu lieben. Auch für Jesus Christus, ihren „Vater“ und „Herrn“, sollten sie in den Kampf ziehen, der gedemütigt und seines „Erbes“ oder seines „väterlichen Erbteils“ beraubt worden war. Man könnte das alles als Aufruf zu einer Blutfehde lesen: Ich spreche zu Vätern und Söhnen und Brüdern und Neffen. Wenn ein Fremder einen eurer Verwandten umbrächte – würdet Ihr da nicht euer eigen Fleisch und Blut rächen? Um wie viel dringlicher müsstet ihr dann euren Gott rächen, euren Vater, euren Bruder, den ihr vor euren Augen gedemütigt seht, aus seinem Eigentum vertrieben, ans Kreuz geschlagen; den ihr voller Verzweiflung um Hilfe rufen hört?
Es scheint den Kreuzfahrern unmöglich gewesen zu sein, zwischen Muslimen und Juden zu unterscheiden. Wenn sie schon, wie sie es selbst sahen, aufgerufen waren, die Kränkung von Christi „Ehre“ zu rächen, die der Verlust seines „väterlichen Erbteils“ an die Muslime in ihren Augen bedeutete – warum, fragten sie, sollten sie dann nicht auch die tiefste Demütigung seiner Person rächen, die Kreuzigung? Schließlich war diese doch ungleich schlimmer gewesen, und einer zur damaligen Zeit kursierenden Legende zufolge soll Christus noch vom Kreuz herab alle Gläubigen aufgerufen haben, seinen Tod zu rächen. In den Augen gebildeter Theologen jedoch konnten derart weit zurückliegende Ereignisse – die Kreuzigung, traditionell im Jahr 33 angesiedelt, und die muslimische Besetzung Jerusalems im Jahr 638 – keine Grundlage für einen Rachefeldzug sein. Es war vielmehr eine gegenwärtige Kränkung – die Tatsache, dass die Muslime die Heilige Stadt noch immer besetzt hielten –, die allein den Kreuzzug rechtfertigen konnte, und nicht irgendeine schwammige Empfindung von einst erlittener Schmach. Da der Akzent der
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Kreuzzugspredigten jedoch nun einmal darauf gelegen hatte, den bewaff neten Kampf als Ausdruck der Gottes- und Bruderliebe zu feiern, war es unmöglich, die aus dieser Darstellung erwachsenen Emotionen zu kontrollieren. Susanna Throop hat allerdings darauf hingewiesen, dass der Rachegedanke in den Quellen zum Ersten Kreuzzug eine vergleichsweise unbedeutende Rolle spielt. Erst mit den Kreuzzügen des späteren 12. Jahrhunderts werden die Rufe nach Vergeltung lauter. Manche zeitgenössischen Kommentatoren führten die Pogrome auf pure Habgier zurück, und tatsächlich war es ja so, dass die Kreuzfahrer die jüdischen Gemeinden erpressten und ausplünderten. Die hebräischen Quellen stellen die Sache jedoch etwas anders dar: Für sie ist es mehr die Gier der örtlichen Bischöfe, ihrer Schergen und der Einwohner von Speyer, Worms oder Mainz, als die der Kreuzfahrer, denen es eher um die gewaltsame Bekehrung der Juden zum Christentum zu gehen scheint. An allen betroffenen Orten wurden Juden nämlich vor die Wahl gestellt: Taufe oder Tod. Synagogen, Thorarollen und jüdische Friedhöfe wurden geschändet. Die Juden fürchteten, dass die Kreuzfahrer das Judentum ausrotten wollten, wo sie es fanden, obwohl die Zwangsbekehrung Ungläubiger laut Kirchenrecht verboten war und die deutschen Bischöfe versuchten – mit wechselndem Erfolg –, die entsprechenden Ausschreitungen zu unterbinden. Es fällt nicht leicht, das Motiv der Rache mit demjenigen der Bekehrung in Einklang zu bringen: Das eine ist ein Akt der Vergeltung; bei dem anderen handelte es sich – zumindest in den Augen der „Bekehrer“ – um die Erweisung einer Wohltat. Zu heft igen Übergriffen kam es außerdem häufiger in der Vorbereitungs- als in der Durchführungsphase von Kreuzzügen. Ein stark emotionalisierter Antijudaismus findet sich offenbar in einem europäischen Kontext, aber nicht oder nicht so sehr in einem westasiatischen; unter den Kreuzfahrern in Palästina herrschte, jedenfalls nach 1110, eine vergleichsweise stark ausgeprägte Toleranz. Zwangstaufen von Juden mögen der Überzeugung Ausdruck verliehen haben, dass die Bekehrung aller Juden das Jüngste Gericht einläuten würde, doch lassen sich die erwähnten Widersprüche noch überzeugender damit erklären, dass jeglicher Heilige Krieg die Tendenz hat, sich nach innen zu wenden. Seine Krieger gelangen zu der Überzeugung, ihr Vorhaben könne niemals gelingen, wenn nicht zuerst ihre eigene Gesellschaft von Verblendung und Frevel gereinigt werde. Der christliche Kreuzzug mündete – wie der islamische Dschihad – nur allzu leicht in einem Streben nach absoluter religiöser Konformität im eigenen Land. Während die Kirche antijüdische Ausschreitungen nicht tolerieren konnte – aus der Überzeugung heraus, die Juden seien in dienender Stellung als Zeugen der Heilsgeschichte Teil des göttlichen Plans –, blieben die Juden dennoch eine fremde Gruppe, und es mag durchaus sein, dass ihnen die Taufe letztlich aufgezwungen wurde, um eine religiös homogene, christliche Gesellschaft hervorzubringen.
3. Der Verlauf des Ersten Kreuzzuges Der Verlauf des Ersten Kreuzzuges
Verbände von Bewaff neten, die von vielen Unbewaffneten – Männern und Frauen – begleitet wurden, verließen Europa von 1096 bis 1101 in drei großen Wellen. Dazwischen gab es einen stetigen Strom kleinerer Reise- und Kampfgemeinschaften, so dass die Angehörigen der zweiten Welle ständig von neuen Teilnehmern eingeholt wurden und Kreuzfahrer sogar noch nach Palästina gelangten, als die siegreichen Eroberer von Jerusalem sich schon wieder zur Heimreise rüsteten. Außerdem gab es einen Gegenstrom von Deserteuren, die heimwärts zogen. Bereits im Winter 1096 trafen darum die ersten Desillusionierten, Kranken und Verzagten wieder in Westeuropa ein.
Die Situation in der islamischen Welt Die Situation in der islamischen Welt
Auch wenn die Kreuzfahrer das nicht wussten: Sie marschierten auf ein weit geöffnetes Tor zu. Schon im 10. Jahrhundert hatte sich ein weltweiter Klimawandel bemerkbar gemacht, der sich im 11. Jahrhundert verstärkte. Die klimatischen Veränderungen während dieser sogenannten „mittelalterlichen Warmzeit“ hatten in Westeuropa im Allgemeinen positive Auswirkungen – einmal abgesehen von der extremen Dürrezeit unmittelbar vor Beginn des Ersten Kreuzzuges, die sie vermutlich ebenfalls herbeigeführt hatten. Im Nahen und Mittleren Osten jedoch hatte die Warmzeit verheerende Folgen: So wurden die Wanderzyklen nomadischer Völker empfindlich gestört, und es kam zu wirtschaftlicher und politischer Instabilität. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass Palästina und Syrien zu jener Zeit den Schauplatz für eine heftige Auseinandersetzung zwischen zwei konkurrierenden Strömungen des Islam abgaben: dem erstarkenden Sunnitentum auf der einen Seite, vertreten durch das Sultanat der seldschukischen Türken, die im Namen des Abbasidenkalifats von Bagdad in den Kampf zogen, und den schiitischen Fatimiden auf der anderen Seite, deren Kalifat von Kairo aus schon ein Jahrhundert lang mit missionarischem Eifer die schiitische Lehre verfochten hatte. Im Jahr 1071 war Jerusalem an die Seldschuken gefallen, doch am 26. August 1098 – das Kreuzfahrerheer stand gerade im Norden Syriens – eroberten die Fatimiden die Heilige Stadt zurück. Bis zu diesem Zeitpunkt war die islamische Welt bereits durch eine Reihe von Unglücksfällen geschwächt worden: So war 1092 mit dem Wesir Nizam al-Mulk eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der seldschukischen Geschichte ermordet worden, war dieser doch der Mann gewesen, der dreißig Jahre lang die Macht der Seldschuken gesichert hatte. Nur einen Monat später war der Seldschukensultan Malikschah unter dubiosen Umständen gestorben. Ihm folgten ins Grab nicht nur seine Ehefrau, sein Enkel sowie weitere hohe seldschukische Würdenträger, sondern sogar der Abbasidenkalif al-Muqtadi selbst.
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Durch diese Schicksalsschläge zerbrach das Seldschukenreich in eine Vielzahl konkurrierender Kleinstaaten, in denen verschiedene Thronprätendenten und Angehörige der Herrscherfamilie um die Macht kämpften. Dann starben im Jahr 1094 auch noch der Fatimidenkalif al-Mustansir, der 58 Jahre lang regiert und den Seldschuken zähen Widerstand geleistet hatte, und sein Wesir, Badr al-Dschamali.
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Die erste Welle von Kreuzfahrern brach bereits im Frühjahr 1096 auf – sehr früh also und tatsächlich zu früh. Ihr berühmtester Anführer war ein Volksprediger namens Peter der Eremit, der sogar schon vor dem Konzil von Clermont begonnen hatte, in Zentralfrankreich Truppen um sich zu scharen. Aus diesem Grund hat der eine oder andere Historiker eine Geschichte wieder aufgegriffen, die ein oder zwei von Peters Zeitgenossen geglaubt haben und die von dem Prediger selbst nach Kräften verbreitet wurde: dass nämlich Peter der Eremit selbst der geistige Vater des Kreuzzuges gewesen sei. Er versammelte ein ansehnliches Gefolge um sich, bevor er im April 1096 in das Rheinland zog. Ihnen voraus marschierte – wahrscheinlich auf Peters Anweisung hin – eine große Abteilung von Fußtruppen, die von acht Rittern unter dem Kommando eines gewissen Walter ohne Habe angeführt wurden, der als „Habenichts“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist, obwohl dieser Beiname (Sans-Avoir) eigentlich nur die Herkunftsbezeichnung der Herren von Poissy in der Île-de-France war. Dieser Voraustrupp betrat am 21. Mai ungarischen Boden und marschierte sodann vergleichsweise geordnet bis nach Konstantinopel. Allerdings kam es in Belgrad zu einem schwerwiegenden Ausbruch von Gewalt, und zwar – wie sollte es anders sein – bei der Proviantbeschaff ung. Das Ausbleiben weiterer Übergriffe ist bemerkenswert, vor allem wenn man bedenkt, dass die frühe Ankunft Walters und seiner Männer die byzantinische Obrigkeit vollkommen überraschte. In Konstantinopel erhielten Walters Truppen Verstärkung durch Gruppen italienischer Pilger sowie am 1. August durch Peter den Eremiten, der mit seinen Anhängern am 20. April in Köln losmarschiert war und dessen Überquerung des Balkans sich wesentlich schwieriger gestaltet hatte als jene seiner Vorhut, woran die Disziplinlosigkeit seiner Männer entscheidenden Anteil gehabt hatte. Ungarn hatte Peters Heer zwar noch friedlich durchzogen, doch in Zemun – heute ein Stadtbezirk von Belgrad, damals die letzte Stadt im Königreich Ungarn – war unter Peters Anhängern ein Tumult ausgebrochen, die Zitadelle der Stadt war gestürmt und zahlreiche Ungarn waren getötet worden. Wie man sich vorstellen kann, waren die Kreuzfahrer bestrebt, sich der Bestrafung durch die Ungarn zu entziehen, setzten daher, so schnell sie konnten, über den Grenzfluss Save auf byzantinisches Territorium über, und ließen sich auch von den sie in Empfang nehmenden byzantinischen Truppen nicht in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken. Als sie die menschenleere Stadt Belgrad erreichten – deren Bewohner hatten vorsorglich das Weite gesucht –, waren die Kreuzfahrer in übler Stimmung: Belgrad wurde vermutlich geplündert. Der byzantinische Statthalter von Niš wurde zwar vom Anmarsch der Fremden
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völlig überrascht, versuchte jedoch mit ihnen zu kooperieren und erlaubte den Kreuzfahrern daher, im Austausch gegen Geiseln Proviant zu erwerben. Als das Kreuzfahrerheer gerade im Abzug begriffen war, setzten einige Deutsche unter ihnen mehrere vor der Stadt befindliche Mühlen in Brand. Der Statthalter befahl seinen Truppen, den Abziehenden nachzusetzen und deren Nachhut anzugreifen. Obwohl Peter der Eremit seinen Männern befahl, sich ruhig zu verhalten, setzten sich viele von ihnen gegen die Angreifer zur Wehr, wurden aufgerieben und versprengt. Die Kreuzfahrer verloren viele Männer und Frauen und alles Geld. Glücklicherweise empfingen die Griechen sie friedlich, als sie Sofia erreichten. Von nun an wurden sie mit Verpflegung versehen und auf ihrem Marsch unterstützt, so dass sie ohne weitere Vorkommnisse vor Konstantinopel eintrafen. Walter ohne Habe und Peter der Eremit wurden von dem byzantinischen Kaiser Alexios freundlich aufgenommen. Man riet ihnen, auf die Ankunft der anderen Kreuzfahrergruppen zu warten, von deren Versammlung in Europa man schon gehört hatte. Doch Peters ungeduldige Leute fingen lieber an, die umliegenden Gegenden zu plündern, was die Griechen zu der Einsicht gelangen ließ, dass sie besser heute als morgen weiterziehen sollten. Am 6. August wurden sie auf Fährbooten über den Bosporus gesetzt. Danach marschierten sie nach Kibotos, einem günstig gelegenen Treff punkt, an dem sie auf die restlichen Kreuzfahrer warten konnten. Dann jedoch kam es zum Streit zwischen den Deutschen und Italienern einerseits, die gemeinsam einen italienischen Adligen namens Rainald zu ihrem Anführer wählten, und den Franzosen andererseits. Von Kibotos aus unternahmen die Franzosen Raubzüge bis nach Nicäa, das unter seldschukischer Herrschaft stand. Das wollten Rainalds Anhänger nicht auf sich sitzen lassen und errichteten einen Stützpunkt noch jenseits von Nicäa. Am 29. September jedoch sahen sie sich von türkischen Truppen umzingelt. Acht Tage später mussten die Kreuzfahrer sich ergeben. Wer von ihnen sich bereit erklärte, zum Islam zu konvertieren, wurde weiter in den Osten geschickt; die anderen wurden getötet. Als die Nachricht von diesem Debakel das Hauptquartier erreichte, hielt sich Peter der Eremit gerade in Konstantinopel auf, und die französischen Kreuzfahrer rückten – gegen den Rat von Walter ohne Habe, der zur Vorsicht gemahnt hatte – am 21. Oktober in das Landesinnere vor. Dabei gerieten sie in einen türkischen Hinterhalt und wurden vollkommen aufgerieben. Walter und Peter hatten wenigstens Kleinasien erreicht. Drei andere Kreuzfahrerheere, die sich ungefähr zur selben Zeit auf den Weg machten, kamen nicht weiter als bis nach Ungarn. Die sächsisch-böhmische Streitmacht unter dem Kommando Folkmars wurde bei Neutra vernichtend geschlagen. Ein weiterer Trupp marodierender Kreuzfahrer, den ein Priester aus dem Rheinland namens Gottschalk anführte, musste sich den Ungarn bei Pannonhalma ergeben. Das große Heer von Kreuzfahrern aus dem Rheinland, Schwaben, Frankreich, England und Lothringen, das unter Emicho von Flonheim die Juden im Rheinland heimgesucht hatte, wurde bei Wieselburg an der Grenze zu Ungarn aufgehalten. Nachdem sie sechs Wochen mit dem Bau einer Brücke über den vor der Stadt gelegenen Fluss verbracht hatten, endete ihr Sturmangriff in panischer Flucht. Oft wird fälschlicherweise behauptet, diese Heere des sogenannten Volkskreuzzuges hätten sich überwiegend aus Bauern zusammengesetzt – im Gegensatz zu jenen, die 1096
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erst später aufbrachen. Das war jedenfalls eine Erklärung von Zeitgenossen für die Judenmassaker, die Übergriffe auf dem Balkan und ihr Scheitern in Kleinasien. Wir dürfen uns jedoch nicht mit der einfachen Begründung zufrieden geben, die Teilnehmer dieses Kreuzzuges seien eben kaum mehr als Horden von Bauern gewesen, disziplinlos und beutegierig. Denn wenn es in den betroffenen Heeren wohl auch mehr Nicht-Kämpfer gegeben hat als in den späteren Kreuzfahrerheeren, so waren doch auch etliche erfahrene Ritter mit von der Partie. Walter ohne Habe war ein solcher, ebenso die Hauptleute aus dem Heer Peters des Eremiten. Einer von ihnen, der Ritter und Chronist Fulcher von Chartres, sollte seine Tage als Grundherr in der Grafschaft Edessa beschließen, der ersten lateinischen Herrschaft im Nahen Osten. Emicho von Flonheim war ein bedeutender Vertreter des oberdeutschen Adels; das Gleiche gilt von dem Grafen Hartmann von Dillingen-Kyburg, der sich Emicho in Mainz angeschlossen hatte. Mit ihnen zogen vermutlich mindestens vier weitere deutsche Grafen. Das Heer aus französischen, englischen, flandrischen und lothringischen Kreuzfahrern, das ebenfalls in Mainz zu den Truppen Emichos gestoßen war, war offenbar groß, gut ausgerüstet und wurde von einer illustren Gruppe französischer Ritter angeführt: Clarembald von Vandeuil; Thomas von Marle, Herr von Coucy; der Vicomte Wilhelm von Melun, genannt „der Zimmermann“; schließlich Drogo von Nesle. Womöglich sollte diese Gruppe mit ihren Kämpfern auch eine Art französische Vorhut bilden, denn nach der Zerschlagung von Emichos Heer schlossen sie sich Hugo von Vermandois an, einem Bruder des französischen Königs, und setzten ihre Fahrt in den Osten mit ihm fort. Einer der Gründe für die Katastrophen, unter denen diese erste Welle von Kreuzfahrern schließlich zusammenbrach, bestand darin, dass sie schon vor dem vom Papst auf den 15. August 1096 festgelegten Abmarschdatum aufgebrochen waren. Das heißt, sie waren losmarschiert, während sich Westeuropa noch mitten in einer Quasi-Hungersnot befand und vor der wundersam reichen Ernte dieses Jahres. Aus diesem Grund litten die Kreuzfahrer von Anfang an unter einer unzureichenden Lebensmittelversorgung. Auf dem Balkan mussten sie plündern, wo sie nichts kaufen konnten. Und selbst dort, wo sie etwas kaufen konnten, blieb die Proviantfrage doch immer ein Thema, und immer wieder waren es Streitereien über die Verpflegung, die zu Unordnung und Tumult führten. Außerdem war die byzantinische Obrigkeit unvorbereitet. Niemand hatte sich darum gekümmert, den Kreuzfahrern einheimische Begleiter und Wegweiser zur Seite zu stellen; auch mangelte es an Vorräten. Und nicht zuletzt hatte das Scheitern der Unternehmungen von Folkmar, Gottschalk und vor allem Emicho von Flonheim dafür gesorgt, dass Peter der Eremit und Walter ohne Habe nicht über ausreichende Truppen verfügten.
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Ab dem Abreisedatum, das Urban II. festgelegt hatte, begann Mitte August 1096 die zweite Welle von Kreuzfahrern, Westeuropa in Richtung Palästina zu verlassen. Zuerst reisten sie in einzelnen kleinen Gesellschaften, die sich nach Herkunftsregionen zusam-
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menschlossen und häufig von Mitgliedern des Hochadels angeführt wurden. Hugo von Vermandois verließ Frankreich Mitte August und marschierte mit seinen Männern über Rom nach Bari, wo sie sich zur Überfahrt nach Durazzo (heute Durrës in Albanien) einschifften. Ein Sturm zerstreute jedoch ihre Schiffe, so dass Hugo sich gezwungen sah, in einiger Entfernung von Durazzo an Land zu gehen. Einmal an Land, wurde er kurzzeitig gefangen gesetzt und anschließend nach Konstantinopel eskortiert. Etwa zur gleichen Zeit brach Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen, mit seinem Bruder Balduin von Boulogne und einer Truppe lothringischer Adliger auf. Gottfried ist mit Abstand der berühmteste Teilnehmer des Ersten Kreuzzuges – aber er bleibt auch der rätselhafteste. Geboren wurde er um 1060 als zweiter Sohn des Grafen Eustachius II. von Boulogne und der Ida von Lothringen. Sein älterer Bruder, Eustachius III., der – allerdings unabhängig von Gottfried – ebenfalls am Kreuzzug teilnahm, hatte kurz nach 1070 die Grafschaft Boulogne sowie die weitläufigen Besitzungen der Familie in England geerbt. Sechs Jahre darauf erbte seinerseits Gottfried das Herzogtum Niederlothringen, die Markgrafschaft Antwerpen, die Grafschaft Verdun und die Herrschaften von Bouillon und Stenay, und zwar von einem kinderlos verstorbenen Onkel mütterlicherseits. Doch der römisch-deutsche König Heinrich IV. schob die Bestätigung von Gottfrieds Herzogswürde auf, so dass dieser Niederlothringen erst im Jahr 1087 tatsächlich in Besitz nehmen konnte. Zugleich musste er einen zehn Jahre andauernden Kleinkrieg gegen seine Tante führen, die Respekt einflößende Mathilde von Tuszien, die überhaupt nicht einsah, dass sie den Anspruch auf den Besitz ihres verstorbenen Mannes (des besagten Onkels mütterlicherseits) aufgeben sollte. Dabei wurde sie vom Bischof von Verdun und dem Grafen von Namur unterstützt. Erst nachdem diese Streitigkeiten in seinem Sinne entschieden waren, konnte Gottfried seine Herrschaftsrechte in vollem Umfang ausüben. Nichts deutet darauf hin, dass Gottfried übermäßig fromm gewesen wäre, und aus den Pfandvereinbarungen, die er aufsetzen ließ, geht deutlich hervor, dass er 1096 nicht mit der Absicht loszog, sich in Palästina dauerhaft niederzulassen. In Fragen der Kirchenpolitik stand Gottfried zudem ganz auf der Seite des deutschen Königs und gegen das Reformpapsttum. Sein Großvater und sein Onkel mütterlicherseits hatten im Investiturstreit die Partei Heinrichs IV. ergriffen, während jene, die Gottfried sein Erbe streitig machten – Mathilde von Tuszien und der Bischof von Verdun – Parteigänger Papst Gregors VII. gewesen waren. Gottfried selbst hatte für Heinrich IV. gekämpft und wahrscheinlich an der Eroberung Roms im Jahr 1084 teilgenommen, als deren Folge Gregor hatte aus der Stadt fliehen müssen. Die Persönlichkeit von Gottfrieds jüngerem Bruder Balduin steht uns deutlicher vor Augen. Geboren zwischen 1061 und 1070, war er für ein Leben als Kleriker bestimmt worden und hatte früh Benefizien – gut dotierte kirchliche Posten ohne rechte Amtspflichten – in Reims, Cambrai und Lüttich innegehabt. Doch in dem vom Geist der Reform geprägten intellektuellen Klima der Zeit war eine solche Ämterhäufung überhaupt nicht gern gesehen. Möglicherweise wurde Balduin sogar gezwungen, einige seiner Pfründen aufzugeben. Das würde immerhin erklären, warum er auf Reformer und Reformideen späterhin so schlecht zu sprechen war. Jedenfalls schied er vor 1086 aus
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dem Dienst der Kirche aus – zu spät, um ein Stück vom Familienerbe zu erhalten, das zu jenem Zeitpunkt bereits unter seinen Brüdern aufgeteilt worden war. Womöglich war es daher Geldmangel, der ihn um 1090 die Ehe mit Godehild von Tosny eingehen ließ, einer Tochter aus einflussreichem anglo-normannischem Hause, die auf dem Kreuzzug sterben sollte. Balduin war intelligent, berechnend und rücksichtslos. Er war kein angenehmer Zeitgenosse, aber seine starke Persönlichkeit und sein reger Geist sollten den Kreuzfahrern und ersten Siedlern im Heiligen Land von großem Vorteil sein. Nachdem sie mit ihrem Gefolge durch Süddeutschland gezogen waren, erreichten die Brüder im September die ungarische Grenze. Hier warteten sie erst einmal die Genehmigung ihrer weiteren Marschroute durch den ungarischen König ab; schließlich hatte dieser zuvor schon drei Kreuzfahrerheere zerschlagen. Balduin ließ sich überreden, als Geisel für das gute Benehmen der Kreuzfahrer zu bürgen, und Gottfried erließ die strikte Anweisung, jegliches Plündern zu unterlassen. Ende November erreichte er byzantinisches Gebiet. Auf ein Gerücht hin, Hugo von Vermandois werde vom byzantinischen Kaiser gefangen gehalten, erlaubte Gottfried seinen Leuten, die Gegend um Silivri zu plündern – bis er sich davon überzeugt hatte, dass Hugo in Freiheit war. Am 23. Dezember erreichte er Konstantinopel und ließ außerhalb der Stadt – nahe der Spitze des Goldenen Horns mit seinem großen Hafen – ein Lager aufschlagen. Zwei Wochen nach Hugo von Vermandois setzte auch Bohemund von Tarent über die Adria, begleitet von einer kleinen Schar normannischer Kämpfer aus Süditalien. Bohemund, der älteste Sohn des Herzogs von Apulien Robert Guiskard, war zu diesem Zeitpunkt etwa vierzig Jahre alt. Bereits 1081 hatte er bei der Invasion des byzantinischen Albanien durch seinen Vater eine führende Rolle gespielt. Bei seinem Tod hatte Robert dem Sohn die eroberten Gebiete an der östlichen Adriaküste vermacht. Da die Normannen zu jener Zeit jedoch auf dem besten Weg waren, diese wieder zu verlieren, war Bohemund effektiv enterbt worden, denn sein jüngerer Halbbruder Roger Borsa hatte Apulien als Erbteil erhalten. Und obwohl Bohemund sich bis in die späten 1080er-Jahre eine stattliche Herrschaft in Süditalien erkämpft hatte, konnte doch wenig Zweifel daran bestehen, dass er sich nur mit einem Fürstentum zufriedengeben würde, das er sich womöglich von den Griechen zurückerobern wollte, die ihm sein rechtmäßiges albanisches Erbe abgenommen hatten. Ein Bohemund gegenüber feindselig eingestellter Zeitgenosse meinte sogar, dies sei sein einziger Grund gewesen, überhaupt das Kreuz zu nehmen. Wenn wir hingegen einem Bewunderer Bohemunds Glauben schenken, „erstrebte [dieser] zu allen Zeiten das Unmögliche“. Die Griechen jedenfalls, die den Verdacht hegten, Bohemund habe von seinem Vater auch gewisse Absichten zum Schaden des Byzantinischen Reiches geerbt, erkannten zweifellos dessen großes militärisches Talent. Tatsächlich sollte sich Bohemund im weiteren Verlauf als einer der fähigsten Heerführer erweisen, welche die Kreuzzugsbewegung hervorgebracht hat. Er war intelligent und fromm, und er war womöglich der einzige unter den Anführern der Kreuzfahrer, der die Ziele und Motivation des Reformpapsttums tatsächlich verstand. Zwar war die byzantinische Obrigkeit auf Bohemunds Ankunft vorbereitet, doch die Einheimischen, die schließlich erst vor relativ kurzer Zeit eine normannische Invasion
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über sich hatten ergehen lassen, weigerten sich, ihm Proviant zu verkaufen. Infolgedessen sahen Bohemunds Männer sich gezwungen, auf eigene Faust zu furagieren, bis ihnen endlich der byzantinische Hof eine Versorgungszusage machte. Da hatten sie allerdings schon Thessaloniki passiert. Auf dem Weg zerstörten sie außerdem eine Kleinstadt, die sie von Ketzern besetzt glaubten, und gerieten auch einmal mit byzantinischen Truppen aneinander, die sie zu größerer Eile antreiben wollten. Bohemund musste selbst noch in Thrakien viel Zeit und Kraft darauf verwenden, seine Leute vom Plündern abzuhalten; nachdem er in Richtung Konstantinopel vorausgeeilt war – das er am 10. April 1097 erreichte –, erlaubte sein Neffe Tankred, später einer der fähigsten unter den frühen Herrschern der Kreuzfahrerstaaten, seinen Männern, sich in der Umgebung zu verproviantieren. Dicht hinter Bohemunds Trupp folgte Graf Raimund von Toulouse, der als Mittfünfziger nach damaligen Maßstäben als älterer Mann galt. Raimund hatte dreißig lange Jahre geduldig damit verbracht, die Ländereien seiner Vorfahren zurückzuholen, die in fremde Hände geraten waren. Zum Zeitpunkt seines Aufbruchs in den Osten herrschte er über dreizehn Grafschaften im Süden Frankreichs. Die Verwandtschaftsverhältnisse in seiner Familie waren außerordentlich kompliziert – Ergebnis diverser Ehen seiner Mutter Almodis de la Marche, die nacheinander mit Hugo V. von Lusignan, Pons von Toulouse und Raimund Berengar I. von Barcelona verheiratet war. Sie gebar Hugo von Lusignan zwei Söhne, von denen der Kreuzfahrer Hugo VI. der ältere war. Pons von Toulouse gebar sie eine Tochter und drei Söhne – von diesen war Raimund der mittlere – und Raimund Berengar von Barcelona zwei Söhne. Den Kontakt zu ihren Kindern aus erster bzw. zweiter Ehe brach sie nie ab: So reiste sie 1066 /10 67 nach Toulouse, um an der Hochzeit ihrer Tochter teilzunehmen. Ein Jahrhundert später hatte sie den Ruf einer Ausreißerin erlangt, aber es mag genauso gut sein, dass ihre Ehemänner einfach nicht mit ihrer Persönlichkeit zurechtkamen: Sie scheint sehr herrisch und arrogant gewesen zu sein. Von Papst Viktor II. wurde sie exkommuniziert, weil sie Raimund Berengar ermutigt hatte, das Anrecht seiner Großmutter auf die nunmehr von ihm selbst beanspruchte Grafschaft anzufechten. Am Ende wurde Almodis von einem ihrer Stiefsöhne ermordet. Eines hatten ihre Sprößlinge, mochten sie auch drei unterschiedliche Väter haben, alle gemein: Sie waren in der Mehrzahl engagierte Anhänger des Reformpapsttums und der Kreuzzugsbewegung. Hugo VI. von Lusignan und Raimund von Toulouse waren fideles beati Petri, offizielle Unterstützer des Papsttums, und sowohl Hugo und Raimund als wahrscheinlich auch ihr Halbbruder Berengar Raimund II. nahmen das Kreuz, ebenso die Ehemänner ihrer Nichten Philippa von Toulouse und Ermessens von Melgueil. Raimund von Toulouse war zudem durch Heirat mit den Königshäusern der Iberischen Halbinsel verwandt, und es ist möglich, wenn auch nicht sicher, dass er in der Reconquista gekämpft hatte. Obwohl wir nicht sicher sagen können, ob er wirklich wusste, welche Ziele die Kirchenreform im Einzelnen verfolgte, betrachtete Papst Urban II. ihn doch als einen Verbündeten und hatte ihn sogar schon zum Anführer des Kreuzzuges erkoren, bevor dieser überhaupt in Clermont ausgerufen wurde. Der Papst stattete Raimund vor dem Zusammentreten des Konzils einen Besuch ab und muss bei
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dieser Gelegenheit sein Vorhaben mit ihm besprochen haben, denn es war schon ein theaterreifer Auft ritt, als die Abgesandten des Grafen nur einen Tag nach Urbans Kreuzzugspredigt in Clermont eintrafen, um die Zusage ihres Herren zu dem päpstlichen Vorhaben zu verkünden. Gerüchten zufolge hatte Raimund gelobt, niemals nach Hause zurückzukehren. Ob dies zutraf, ist nebensächlich: Dieser ältere Mann hatte beschlossen, die Besitzungen, deren Erwerb und Absicherung ihn so viel Lebenszeit gekostet hatte, einfach in der Obhut seines ältesten Sohnes zurückzulassen, um mit seiner Frau eine gefährliche Reise in den Osten anzutreten. Zwar hatte er sich umsichtiger auf die kommenden Feuerproben vorbereitet als die meisten anderen Kreuzfahrer, und in der Folge erging es seinen Männern besser als den Begleitern der anderen Ritter; aber immerhin war er ein kranker Mann – wenig überraschend, wenn man sein Alter bedenkt. Er teilte sich das Kommando über das womöglich größte Einzelkontingent mit Bischof Adhémar von Monteil, der schon seit den 1080er-Jahren die Sache der Kirchenreform in Südfrankreich mit Verve vertreten hatte. Adhémar war von Papst Urban zum päpstlichen Legaten für den Kreuzzug ernannt worden und sollte die Ratsversammlungen der führenden Kreuzfahrer bis zu seinem frühen Tod dominieren. Raimund und Adhémar marschierten also mit ihren Männern durch Oberitalien, um das Nordende der Adria herum und durch Dalmatien, wo ihnen die Feindseligkeit der einheimischen Bevölkerung entgegenschlug. Eskortiert von byzantinischen Truppen, die durchaus bereit waren, hart durchzugreifen, wenn etwa einige Kreuzfahrer Anstalten machten, von der vorgesehenen Route abzuweichen, erreichten sie Anfang April Thessaloniki. Raimund kam am 21. April 1097 in Konstantinopel an. Als sechs Tage später auch seine Truppen zu ihm stießen, waren sie in einem üblen Zustand: Offenbar hatte es eine Auseinandersetzung mit der byzantinischen Eskorte gegeben, die sie wohl vom Plündern abhalten wollte. Herzog Robert von der Normandie und die Grafen Robert von Flandern und Stephan von Blois verließen Frankreich im Herbst 1096. Sie zogen über Rom und Montecassino nach Bari. Robert von Flandern überquerte die Adria nach nur kurzer Rast und erreichte Konstantinopel fast zeitgleich mit Bohemund. Robert von der Normandie und Stephan von Blois überwinterten in Süditalien und stießen Mitte Mai nach einem friedlichen Marsch vor Konstantinopel zu den anderen. Die Byzantiner hatten eingesehen, dass der erwähnte ruppige Umgang ihrer Eskorten mit den Kreuzfahrerheeren kontraproduktiv gewesen war, und übten sich nun in Zurückhaltung.
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Es scheint, dass die meisten Anführer des Kreuzzuges von den Griechen eine vollwertige Beteiligung an dem geplanten Feldzug erwarteten. Im Frühjahr 1097 besprach Kaiser Alexios mit Gottfried von Bouillon, Robert von Flandern, Bohemund und vielleicht auch Hugo von Vermandois die folgende Möglichkeit: Er, Alexios, könne selbst das Kreuzzugsgelübde ablegen und den Oberbefehl übernehmen. Das mag bloßes Taktieren des byzantinischen Kaisers gewesen sein, denn als Raimund von Toulouse eintraf und er-
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klärte, er werde sich dem byzantinischen Kaiser nur dann unterordnen, wenn dieser auch wirklich das Kommando übernehme, entschuldigte sich Alexios mit der Erklärung, er werde dringend in Konstantinopel gebraucht. Zwar sollte es später, bei der Belagerung von Nicäa, durchaus zu einer Zusammenarbeit von Griechen und Lateinern kommen; auch gab es eine Beteiligung griechischer Truppen bis zum Erreichen Antiochias, die insofern von Vorteil war, als der byzantinische Befehlshaber – ein hellenisierter Türke und erfahrener Feldherr namens Tatikios – den Kreuzfahrern einheimische Führer zur Seite stellte; aber dennoch blieben, nachdem Tatikios im Januar 1098 von seinem Posten abberufen worden war, nur einige wenige byzantinische Offiziere und Geistliche zur Unterstützung der Kreuzfahrer zurück. Dafür unternahm es im Kielwasser des Kreuzfahrerheeres eine byzantinische Streitmacht, den Machtbereich ihres Kaisers wieder über die kleinasiatische Küste bis nach Antalya auszudehnen. Bis zum Juni 1098 war Alexios allerdings mit seinem Heer aus Griechen und frisch eingetroffenen Kreuzfahrern gerade einmal bis Akşehir vorgedrungen und hatte also weniger als die Hälfte des Weges von Konstantinopel nach Antiochia zurückgelegt. Falschmeldungen über die Lage in Antiochia sowie Gerüchte über die Massierung eines mächtigen türkischen Heeres in Anatolien veranlassten den Kaiser jedoch, sich selbst aus Akşehir noch zurückzuziehen und die Kreuzfahrer ihrem Schicksal zu überlassen. Bis zum Sommer 1098 hatte sich die griechische Unterstützung für den Kreuzzug also als im besten Falle halbherzig erwiesen. Was Kaiser Alexios betraf, waren ihm andere Angelegenheiten viel wichtiger. So war seine eigene Position in Konstantinopel gefährdet – erst zwei Jahre zuvor war ein Attentat auf ihn vereitelt worden, zu dem sich einige führende Männer am Kaiserhof verschworen hatten –, und die Unterstützung, die nun bei ihm eingetroffen war, unterschied sich ganz gehörig von dem, was er sich vorgestellt hatte. Die Kreuzfahrer hatten ihm bereits auf ihrem Marsch über den Balkan und bis vor die Tore von Konstantinopel genug Ärger bereitet, weshalb er ihnen in der Folge zutiefst misstraute. Das galt insbesondere für Bohemund von Tarent; ihn und die anderen Anführer des Kreuzfahrerheeres versuchte Alexios daher möglichst weitgehend zu kontrollieren. Es scheint, dass er im Herbst 1096, Hugo von Vermandois war gerade als Geisel bei ihm „zu Gast“, auf eine geeignete Strategie verfiel: Er wollte die Anführer der Kreuzfahrer voneinander isolieren, um sich jedem von ihnen einzeln widmen zu können – Alexios’ Tochter Anna schrieb, dass ihr Vater einen Angriff auf Konstantinopel befürchtete, wenn sie sich zusammenschlössen – und verlangte von jedem der Anführer zwei Eide auf ihr friedliches Verhalten den Byzantinern gegenüber. Im Gegenzug zahlte er den Kreuzfahrern große Geldsummen, was jedoch nicht überbewertet werden sollte, da jene ja verpflichtet waren, sich auf den Märkten des Byzantinischen Reiches gegen Bezahlung mit Proviant einzudecken. Die Kreuzfahrer waren natürlich heilfroh, überhaupt etwas zu bekommen, und befanden sich in benachteiligter Verhandlungsposition, zumal es für sie nur eine einzige Alternative gab, sollten sie nicht auf die Forderungen des Kaisers eingehen, nämlich die Rückreise in ihre Heimat. Der erste der erwähnten Eide enthielt das Versprechen, dem Byzantinischen Reich all jene von den Muslimen eroberten Gebiete zu überlassen, die sich einst unter byzantini-
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scher Kontrolle befunden hatten. Dies verschaffte Alexios einen stichhaltigen Anspruch auf weite Teile der zur Eroberung in Frage kommenden Gegenden, hatten die Kreuzfahrer doch offenkundig nicht die Absicht, in Gebiete vorzudringen, die noch niemals in christlicher Hand gewesen waren. Der zweite war ein Huldigungs- und Gefolgschaftseid, der einigen westlichen Abhängigkeitsverträgen ähnelte, deren Annahme nicht durch die Gewährung eines Lehens vergolten wurde. Diese Treueverpflichtung gewährte Alexios ein – freilich begrenztes – Maß an Einfluss und Kontrolle. Die Reaktionen der Kreuzfahrer auf die in diesen Eiden formulierten Forderungen des Kaisers waren verschieden. Der normannische Herzog Robert, Robert von Flandern, Stephan von Blois und – so weit wir wissen – Hugo von Vermandois erhoben keine oder keine gravierenden Einwände. Gottfried von Bouillon und Raimund von Toulouse jedoch protestierten und im Gegensatz zu Bohemund von Tarent auch dessen Stellvertreter und Neffe Tankred – und enthüllten so vielleicht, was Bohemund wirklich dachte. Man hat vermutet, es sei kein Zufall gewesen, dass die Spaltung der Kreuzzugsführung, die sich in Konstantinopel abzeichnete, für den Rest des Feldzuges anhielt und dass es später die Verweigerer des Eides waren, die sich in Palästina ansiedelten; allerdings war es zu dem betreffenden Zeitpunkt alles andere als klar, wer von den Kreuzfahrern sich einmal in der Levante niederlassen würde, und daher ist es sinnvoller, die individuelle Lage der einzelnen Anführer der Reihe nach zu betrachten. Hugo von Vermandois war, als ihm die Eide abverlangt wurden, mehr oder weniger ein Gefangener des Kaisers Alexios. Außerdem war er praktisch auf sich allein gestellt. Was Gottfried von Bouillon anbelangt, so wurde bereits darauf hingewiesen, dass er 1096 mit dem festen Vorsatz aufgebrochen war, eines Tages nach Europa zurückzukehren – jedenfalls, sofern ihm der Osten nicht etwas Besseres bieten konnte. Daher ist es unwahrscheinlich, dass er sich durch die Eide in seinen zukünft igen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sah. Vielmehr war er misstrauisch geworden: Konnte es nicht vielleicht sein, dass man Hugo von Vermandois das Einverständnis abgepresst hatte – womöglich unter Folter? Daher war Gottfried nicht gewillt, irgendwelche weiteren Schritte zu unternehmen, solange er sich nicht mit den anderen Heerführern – deren Ankunft täglich erwartet wurde – beraten hatte. Kaiser Alexios setzte ihn unter Druck, indem er die Versorgung Gottfrieds und seiner Männer einstellte. Gottfried erwiderte diesen Angriff auf das Wohlergehen seiner Truppe, indem er seinem Bruder Balduin erlaubte, mit seinen Männern die Vorstädte von Konstantinopel zu plündern. Daraufhin stellten die Griechen die Versorgung wieder her. Es folgten drei Monate relativer Ruhe, bis Alexios, der Nachricht von der bevorstehenden Ankunft weiterer westlicher Kontingente erhalten hatte, die Lebensmittelversorgung der Kreuzfahrer wiederum unterbrach. Und wieder antworteten diese mit Gewalt, dem einzigen Mittel, das ihnen zur Verfügung stand. Dies gipfelte in einem großangelegten Angriff am Gründonnerstag, der von den Griechen jedoch zurückgeschlagen wurde. Gottfried von Bouillon muss in dieser verzweifelten Lage klar geworden sein, dass Gewalt ihm und seinen Leuten nicht die nötige Verproviantierung einbringen würde, und so legten er und seine vornehmsten Gefolgsleute die von Alexios eingeforderten Eide ab.
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Unverzüglich wurden Gottfrieds Truppen auf die andere Seite des Bosporus gebracht, wo sie keinen weiteren Schaden anrichten konnten. Als Bohemund von Tarent in Konstantinopel ankam, hatte Alexios also bereits Hugo von Vermandois und Gottfried von Bouillon dazu gebracht, ihm die geforderten Eide zu leisten. Bohemund konnte daher nicht rundweg ablehnen, es seinen Waffenbrüdern gleichzutun, obwohl es seinem Neffen Tankred gelang, sich durch Konstantinopel zu stehlen, ohne der Forderung des Kaisers nachzukommen. Bohemund war in einer verzwickten Lage, und sein Gefolge war vergleichsweise klein. Wenn die überlieferte Behauptung der Wahrheit entspricht, er habe sich erfolglos um den Posten des megas domestikos, des Oberbefehlshabers der byzantinischen Armee, beworben, dann war dies, von seiner Warte aus betrachtet, ein verständlicher Schachzug, hätte er doch auf diese Weise eine angemessene militärische Unterstützung des Kreuzzuges durch die Griechen sicherstellen können. Raimund von Toulouse hatte möglicherweise geschworen, nie wieder in seine Heimat zurückzukehren. Daher ist es gut möglich, dass er auf ein eigenes Fürstentum im Osten gehofft hat. Allerdings war ihm eher der Huldigungs- und Gefolgschaftseid ein Dorn im Auge, nicht so sehr das Versprechen, den Byzantinern Gebiete zurückzuerstatten. Anscheinend war Raimund der Ansicht, ein solcher Eid auf den byzantinischen Kaiser wäre mit seinem Kreuzzugsgelübde, auf seiner Reise Gott allein zu dienen, nicht zu vereinbaren. Das irritierte seine Gefährten stark, und sie bemühten sich, ihn umzustimmen – aber vergebens: Raimund weigerte sich. Schließlich ging er doch einen Kompromiss ein, indem er einen eingeschränkten Eid schwor und versprach, dass er des Kaisers Leben und Ehre achten und schützen werde; ähnliche Schwurformeln sind aus seiner südfranzösischen Heimat überliefert. Von der Reaktion Roberts von Flandern wissen wir nichts, aber zu der Zeit, als Herzog Robert von der Normandie und Stephan von Blois in Konstantinopel eintrafen, hatten die geschilderten Präzedenzfälle zur Folge, dass die Neuankömmlinge sich diesen eigentlich nur anschließen konnten, ob sie nun wollten oder nicht. Vom April 1097 an wurden die westlichen Truppenkontingente nach und nach über den Bosporus gesetzt; Anfang Juni schlossen sie sich vor Nicäa, der ersten bedeutenden Stadt Kleinasiens in türkischer Hand, zu einem großen Kreuzfahrerheer zusammen. Die Ereignisse von Konstantinopel ließen die Anführer des Kreuzzuges frustriert und desillusioniert zurück. Nach einem langen und kräftezehrenden Marsch waren sie dort angekommen, ohne Vorräte und in Unsicherheit über die zukünftige Rolle der Griechen. Alexios zögerte, die Bürde des Oberbefehls auf sich zu nehmen. Eigentlich ging es ihm wohl ausschließlich um die Restitution ehemals byzantinischer Territorien – was, wie man fairerweise sagen muss, von Anfang an seine erklärte Priorität gewesen war –, und er wirkte entschlossen, jedes ihm zur Verfügung stehende Mittel einzusetzen – von freigebigen Geschenken bis zur Verweigerung der Proviantierung –, um die einzelnen Heerführer zum Treueschwur zu zwingen, bevor ihre Mitstreiter eintrafen. Und obwohl Alexios ihnen allen große Geldgeschenke machte, sollten diese doch nur zum Provianterwerb auf byzantinischen Märkten eingesetzt werden. Kein Wunder, dass von jener Zeit
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an die meisten Kreuzfahrer der kaiserlich-byzantinischen Regierung misstrauisch bis feindselig gegenüberstanden. Obwohl die meisten seiner Einwohner noch immer dem christlichen Glauben anhingen, war Nicäa doch schon seit einiger Zeit die Hauptresidenz von Kilidsch Arslan, dem Sultan der Rumseldschuken und mächtigsten türkischen Herrscher von ganz Anatolien. Die Einnahme der Stadt war absolut unerlässlich, wollten die Kreuzfahrer entlang der alten römischen Militärstraße nach Osten weitermarschieren. Nicäa war von den Griechen umfassend befestigt worden und beherbergte nun eine stattliche türkische Garnison. Doch Kilidsch Arslan selbst war mit dem Großteil seiner Truppen auf einem Feldzug unterwegs, um seinem Hauptrivalen, einem Emir namens Danischmend Ghazi, die Gegend um Malatya in Ostanatolien streitig zu machen. Noch bevor die ersten seldschukischen Truppen zur Verteidigung ihrer Hauptstadt zurückeilen konnten, gelang es dem Kreuzfahrerheer, Nicäa einzuschließen. Am 21. Mai versuchte Kilidsch Arslan vergeblich, mit dem Hauptteil seiner Streitmacht die Linien der Kreuzfahrer zu durchbrechen. Der Seldschukensultan zog sich zurück und überließ die Stadt, seine Ehefrau, seine Familie und einen Großteil seines Vermögens dem Schicksal. Erst als griechische Schiffe auf dem Askania-See (heute Iznik Gölü), an dessen Ostufer Nicäa lag, zu Wasser gelassen worden waren, war die Stadt eingeschlossen. Der Befehlshaber der seldschukischen Garnison nahm Verhandlungen mit den Byzantinern auf, und am 19. Juni – dem Tag, der eigentlich für einen Generalangriff der Belagerer vorgesehen gewesen war – sahen die Kreuzfahrer die Banner des byzantinischen Kaisers auf den Türmen der Stadt. Alexios hatte jedwede Peinlichkeit vermieden, indem er dafür sorgte, dass Nicäa sich direkt ihm ergab; dennoch nutzte er die Gelegenheit, auch von jenen Anführern der Kreuzfahrer die von ihm verlangten Eide zu erhalten, die sich – wie etwa Tankred – bislang vor diesem Schwur gedrückt hatten. Die Kreuzfahrer müssen zu jenem Zeitpunkt bereits die überaus mutige Entscheidung getroffen haben, auf eigene Faust weiter in das Landesinnere vorzustoßen, ohne nennenswerte militärische oder logistische Unterstützung, bis sie Syrien erreichten. Zwischen dem 26. und dem 28. Juni machten sie sich in zwei großen Marschverbänden auf den Weg durch Kleinasien. Die erste Abteilung stand unter dem Befehl Bohemunds von Tarent und setzte sich aus den italienischen und französischen Normannen, einigen Griechen sowie den Gefolgsleuten Roberts von Flandern und Stephans von Blois zusammen. Die zweite Abteilung wurde von Raimund von Toulouse befehligt; zu ihr gehörten die Kreuzfahrer aus Südfrankreich und Lothringen sowie die Männer Hugos von Vermandois. Unterwegs müssen die beiden Gruppen den Kontakt verloren haben – die Gründe sind heute genauso unklar wie damals, als noch ein Jahrzehnt später in Syrien darüber diskutiert wurde. Im Morgengrauen des 1. Juli 1097 überfielen die Truppen Kilidsch Arslans das Kreuzfahrerheer, das sie gemeinsam mit Einheiten anderer türkischer Heerführer im Schutz der Nacht umzingelt hatten. Durch die doppelte Wucht von Angriff und Überraschungseffekt wurden die Kreuzritter gegen die Masse der sie begleitenden, bewaffneten wie unbewaffneten Pilger zurückgeworfen. Dieser wirre Haufen entsetzter Männer konnte zwar nicht zu einem geordneten Gegenangriff ansetzen, aber er konnte sich recht effektiv ver-
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teidigen. So kam es, dass die Schlacht für einige Stunden unentschieden blieb, bis die zweite Marschabteilung des Kreuzfahrerheeres eintraf – wegen der großen Eile in einzelnen Trupps, die nach Kräften versuchten, Bohemunds Männern Hilfe zu bringen, und denen es schließlich auch gelang, die nun ihrerseits überraschten Türken in die Flucht zu schlagen. Danach rasteten die Kreuzfahrer zwei Tage lang. Dann nahmen sie ihren Marsch wieder auf und rückten über Akşehir und Konya durch eine Gegend vor, die bereits durch frühere türkische Einfälle verwüstet worden war, von der auf byzantinischer Seite verfolgten Strategie der verbrannten Erde ganz zu schweigen. Auf ihrem Marsch von 105 Tagen (inklusive 15 Rasttagen) brachten sie es im Mittel auf etwa acht Meilen am Tag – kein schlechter Schnitt, wenn man bedenkt, wie viele Unbewaff nete mit ihnen unterwegs waren. Bei Herakleia Kybistra (heute Ereğli in der Provinz Konya) schlugen sie etwa am 10. September eine feindliche Streitmacht, die ihnen den Weg versperrte, in die Flucht. Tankred und Balduin von Boulogne setzten sich mit ihren Truppen ab, um auf dem Marsch durch Kilikien zu plündern, wobei sie sich einer Reihe armenischer Kleinfürstentümer bedienten, deren Herrscher sich hier, weitab von ihrem angestammten Heimatland, aus dem Chaos der vergangenen Jahrzehnte heraus eine Existenz aufgebaut hatten. Tankred und Balduin arbeiteten zwar nicht zusammen, aber ihr von Streitereien geprägter Vormarsch wurde von der armenischen Bevölkerung begrüßt. Im Nu nahmen sie Tarsus, Adana, Misis (das heutige Yakapınar) und Alexandretta (Iskenderun) ein und stießen dann wieder zum Hauptheer. Unmittelbar darauf brach Balduin jedoch mit einer kleinen Streitmacht wieder auf und zog – geleitet von einem armenischen Berater, der sich ihm angeschlossen hatte – entlang der Kette armenischer Fürstentümer in Richtung Osten. Mit der Unterstützung ortsansässiger Armenier nahm er zwei Festungen ein, Ravanda und Tilbeşar, und wurde daraufhin von Thoros, dem Fürsten von Edessa (Urfa) eingeladen, sein Adoptivsohn und Mitregent zu werden. Thoros hatte sich nämlich erst vor Kurzem als Herrscher von Edessa etabliert; seine Machtposition war alles andere als gesichert. Am 6. Februar 1098 erreichte Balduin Edessa, doch einen Monat später brach in der Stadt – womöglich mit Balduins heimlichem Einverständnis – ein Aufstand der Armenier los. Am 9. März wurde Thoros von einer wütenden Menschenmenge getötet, als er gerade fliehen wollte; tags darauf übernahm Balduin von Boulogne die Regierungsgeschäfte. So errichtete er die erste lateinische Herrschaft im Osten, die sich auf Edessa, die Festungen Ravanda und Tilbeşar sowie – einige Monate später – auf Birtha (Birecik), Sürüc und Samosata (Samsat) erstreckte. Diese Gegend war wohlhabend, und ab dem Herbst des Jahres 1098 bezogen die Kreuzfahrer in Antiochia von hier große Mengen an Geld und Pferden. Balduin überließ seinem Bruder Gottfried von Bouillon die Burg und die Ländereien von Tilbeşar. Noch in den späteren Phasen des Kreuzzuges war Gottfrieds auf diese Weise gewonnener (relativer) Reichtum offenkundig. Es war nämlich dieses Vermögen, das es Gottfried gestattete, die Zahl seiner Gefolgsleute zu erhöhen – vor allem auf Kosten Raimunds von Toulouse –, und dieser Umstand wiederum könnte zu seiner Wahl als Herrscher von Jerusalem entscheidend beigetragen haben. Wie wir noch sehen werden, trug Balduin in
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Edessa noch auf andere Weise zur Unterstützung des Kreuzzuges bei, und das in einem entscheidenden Moment. Vorderhand erscheint jedoch Folgendes bemerkenswert: Obwohl sich die Griechen erst später bitter darüber beklagten, dass die Kreuzfahrer ihre Eide brächen, indem sie sich weigerten, Antiochia an das Byzantinische Reich zurückzugeben, gab es auch in diesem Fall keinerlei Anstalten, Tarsus, Adana, Misis, Alexandretta, Ravanda, Tilbeşar oder Edessa zurückzugeben – die früher alle einmal unter byzantinischer Herrschaft gestanden hatten –, ja es wurde noch nicht einmal die byzantinische Lehnshoheit anerkannt. Allerdings waren die Griechen ja auch weit, weit entfernt. Die einzige Abteilung der Griechen auf diesem Kreuzzug marschierte noch immer im Hauptheer mit. Als die Kreuzfahrer die Stadt Komana in Kappadokien erreichten und sie einem der Ritter aus ihrem Heer überließen, scheinen sie sich noch an ihre Eide erinnert zu haben: Der bei dieser Gelegenheit geleistete Schwur verpflichtete den Ritter, über Komana „in Treue zu Gott und dem Heiligen Grab und den Herren [des Kreuzzuges] und dem [byzantinischen] Kaiser“ zu herrschen – aber Komana war weit entfernt von Edessa, und die offenkundige Weigerung Tankreds und Balduins, eine byzantinische Oberhoheit auch nur in Betracht zu ziehen, war ein Fingerzeig auf die Zukunft. Den Anführern des Hauptheeres muss indessen klar gewesen sein, dass ein Marsch durch die „Kilikische Pforte“, den wichtigsten Pass durch das Taurusgebirge, und insbesondere durch die „Syrische Pforte“, den Belen-Pass über das Amanusgebirge nördlich von Antiochia, kaum möglich sein würde, wenn diese beiden Engstellen adäquat verteidigt wurden. Sie marschierten deshalb lieber die zusätzlichen 280 Kilometer in nördlicher Richtung nach Kayseri (dem antiken Caesarea) und dann, nach Südosten gewendet, über Komana und Koksen (Göksun) nach Maraş (Kahramanmaraş), wodurch sie das Amanusgebirge zum größten Teil umgingen. So gelangten sie schließlich auf die offene Ebene nördlich von Antiochia, das sie am 21. Oktober erreichten. Noch nagten sie nicht am Hungertuch; außerdem brachte eine genuesische Flotte, die Europa am 15. Juli verlassen hatte, frische Vorräte, als sie am 17. November im Antiochener Hafen von St. Simeon (dem heutigen Samandağ) anlegte – eine logistisch-planerische Glanzleistung! Dennoch: Während des strapaziösen Marsches durch die Einöden Kleinasiens waren die Pferde und Lasttiere in der Sommerhitze gestorben wie die Fliegen. Das war vor allem für die Ritter ein großer Nachteil, die ihre Streitrösser benötigten, um ihre Aufgaben zu erfüllen und ihren Status aufrechtzuerhalten, und überdies Lasttiere, um ihr Gepäck zu transportieren. Nun mussten sie selbst mit anpacken und Lastsäcke voller Waffen und Rüstungsteile schleppen, was auf den engen Gebirgspfaden durch das Anti-Taurusgebirge zu Szenen voller Panik führte. Als die Kreuzfahrer in Antiochia ankamen, waren nur noch 1000 Pferde am Leben – das bedeutet, dass bereits zu diesem Zeitpunkt vier von fünf Rittern ohne Reittier dastanden. Bis zum Sommer darauf reduzierte sich die Pferdezahl noch einmal drastisch; nunmehr waren bloß 100 bis 200 Tiere übrig. Die meisten Ritter – selbst jene, die zu Hause mächtige Herren gewesen – waren nun gezwungen, zu Fuß zu kämpfen oder aber auf Esel und Maultiere auszuweichen. Selbst Gottfried von Bouillon und Robert von Flandern mussten sich vor der Schlacht von Antiochia im Juni 1098 Pferde geradezu erbetteln.
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Die zweite Welle: Die Belagerung von Antiochia und ihre Folgen Die zweite Welle: Die Belagerung von Antiochia und ihre Folgen
Eine Streitmacht von vielleicht 30 000 Männern und Frauen begann nun eine Belagerung, die bis zum 3. Juni 1098 dauern sollte. Zwischen dem Berg Silpius und dem Fluss Orontes gelegen, konnte Antiochia, dessen Zitadelle auf dem Berggipfel gut 300 Meter über der Stadt gelegen war, niemals vollständig eingeschlossen werden. Die Kreuzfahrer errichteten Lager und Kastelle jenseits des Flusses sowie vor den Nord- und Südtoren der Stadt. Jedoch können diese nur spärlich besetzt gewesen sein, da ein Großteil des Kreuzfahrerheeres mit der Nahrungsbeschaff ung beschäftigt gewesen sein dürfte. Nachdem sie ohne jeglichen Versorgungsplan in Asien einmarschiert waren – zweifellos wäre es auch unmöglich gewesen, einen solchen aufzustellen –, waren sie nun ganz auf das angewiesen, was sie selbst an Lebensmitteln auftreiben konnten, so dass nach kurzer Zeit die nähere Umgebung Antiochias ausgeplündert war. Infolgedessen sahen sich die Kreuzfahrer gezwungen, sich ihre Vorräte in immer weiterer Entfernung zu suchen, wobei sie bisweilen bis zu 80 Kilometer zurücklegten und Proviantsammelstellen in großer Entfernung von Antiochia anlegten: nordwärts in Richtung Kilikien; im Nordosten gen Edessa; in öst licher Richtung nach Yenişehir und Harim; im Süden bis nach Latakia (dem antiken Laodicea). Wer sich mit den Quellentexten zur Belagerung von Antiochia auseinandersetzt, gewinnt weniger den Eindruck eines Kriegsgeschehens als den einer ständigen Nahrungssuche. Durch Nahrungsmangel und Krankheiten kam es bald zu Hungersnöten, Epidemien und zahlreichen Toten. Anscheinend waren viele Kreuzfahrer chronisch krank. Auch die Verarmung nahm zu: Viele edle Herren, die in der Heimat großes Ansehen genossen hatten, mussten sich nun, da sie sich allein nicht mehr finanzieren konnten, in die Dienste der großen Fürsten begeben. Diese Anführer wiederum gerieten unter großen Druck, denn sie mussten nun für einen ständig schwankenden Kreis von Abhängigen sorgen, der mit den Nahrungsvorräten wuchs und auch wieder schrumpfte. Bereits im Januar 1098 drohte Bohemund von Tarent, seine Teilnahme an der Belagerung zu beenden, da er sie sich nicht länger leisten könne. Im folgenden Sommer befanden sich auch Gottfried von Bouillon und Robert von Flandern zeitweilig in Not. Unter diesen aufreibenden Umständen überrascht es nicht, dass Heimweh und Zukunftsängste im Kreuzfahrerlager um sich griffen und zu Panikausbrüchen und Fahnenflucht führten. Die Belagerung von Antiochia dauerte siebeneinhalb Monate. Vor allem während des Winters litten die Kreuzfahrer ganz erbärmlich. Ende Dezember 1097 und Anfang Februar 1098 gelang es ihnen, Angriffe muslimischer Entsatztruppen abzuwehren – im zweiten Fall verbunden mit einem Ausfall der Garnison von Antiochia. Im Mai 1098 jedoch verließ eine dritte, sehr große Streitmacht, die um Kontingente aus dem Irak und aus Iran verstärkt worden war, unter dem Kommando ihres Anführers Kerboga die Stadt Mossul. Dieses Heer verbrachte unterwegs drei fruchtlose Wochen mit einer Belagerung von Edessa – das war der zweite Fall, in dem Balduins Initiative für das Überleben des Kreuzzuges von erheblicher Bedeutung war. Anschließend zogen Kerbogas Männer wei-
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ter, sammelten unterwegs noch weitere Truppen aus Aleppo ein und erreichten am 5. Juni das Gebiet von Antiochia. Zu dieser Zeit hatte sich die Lage für die Kreuzfahrer entscheidend verändert. Bohemund, dessen Ambition, Antiochia selbst zu besitzen, sich bereits deutlich äußerte, war in Verhandlungen mit einem Hauptmann der Antiochener Garnison eingetreten, vermutlich einem fahnenflüchtigen Armenier, der versprochen hatte, die Stadt an Bohemund auszuliefern. Dieser überzeugte alle seine Mitstreiter, mit Ausnahme Raimunds von Toulouse, ihm die Stadt zu versprechen, sofern seine Truppen sie als erste betreten würden und der Kaiser nie persönlich käme, um sie für sich zu beanspruchen. Sodann enthüllte er das Komplott zur Einnahme der Stadt, und sie versprachen ihm ihre Unterstützung. Kurz vor Sonnenuntergang am 2. Juni unternahmen die Kreuzfahrer ein sorgfältig vorbereitetes Ablenkungsmanöver, nur um nach Einbruch der Dunkelheit wieder in ihre Stellungen zurückzukehren. Im Morgengrauen des 3. Juni erklommen sechzig Ritter aus Bohemunds Gefolge die Stadtmauern auf halber Höhe des Berges Silpius beim „Turm der Zwei Schwestern“ und stürmten sodann den Hang hinunter, um das St.-Georgs-Tor der Stadt zu öff nen. Darauf hatten ihre Waffenbrüder nur gewartet und strömten in die Stadt. Bis zum Abend war Antiochia in der Hand der Kreuzfahrer, wiewohl die Zitadelle weiter Widerstand leistete. Der muslimische Stadtkommandant, der die Flucht ergriffen hatte, fiel unterwegs von seinem Pferd und wurde von einer Gruppe armenischer Bauern enthauptet. Die Kreuzfahrer waren nun im Besitz einer Stadt, die gerade eine lange Belagerung überstanden hatte. Beinahe unverzüglich sahen sie sich jedoch selbst belagert, denn Kerbogas Heer näherte sich und schlug sein Lager jenseits des Flusses auf. Kerboga stand in Kontakt mit der Besatzung der Zitadelle, die am 9. Juni einen Ausfall unternahm. Ein Ausfallversuch der Kreuzfahrer scheiterte am 10. Juni, und in der Nacht erreichte ihre Kampfmoral den Tiefpunkt. Die Zahl der gelungenen und versuchten Desertionen stieg derart rapide an, dass die Anführer des Kreuzfahrerheeres eine Massenflucht befürchteten und die Stadttore verriegeln ließen. Diejenigen, die entkommen konnten, schlossen sich Stephan von Blois an, der zwar erst kurz zuvor zum Oberkommandierenden des Kreuzfahrerheeres gewählt worden war, sich jedoch kurz vor der Eroberung von Antiochia nach Alexandretta zurückgezogen hatte, vermutlich wegen gesundheitlicher Probleme. Nun ergriff ihn die Panik – und er selbst ergriff die Flucht. Nachdem er das kaiserlich-byzantinische Hauptquartier in Akşehir erreicht hatte, überzeugten Stephan und seine Begleiter Kaiser Alexios von der Aussichtslosigkeit der Lage in Antiochia, woraufhin Alexios, der einen türkischen Gegenangriff in Anatolien fürchtete, mit seinen Truppen wieder nach Norden aufbrach, zurück in das sichere Konstantinopel. Innerhalb der Mauern von Antiochia jedoch begann die Truppenmoral sich langsam zu heben. Zwei „Seher“ waren an die Anführer des Kreuzzuges herangetreten. Einer der beiden behauptete, Christus sei ihm in der Nacht des 10. Juni erschienen und habe ihm versichert, dass die Kreuzfahrer letztlich siegen würden – vorausgesetzt, sie täten Buße für ihre Sünden. Dem anderen Mann hatte mittels mehrerer Visionen der heilige Andreas das Versteck der Heiligen Lanze gezeigt, mit deren Spitze Jesu Seite durchbohrt worden war, als dieser am Kreuz hing. Am 14. Juni wurde die besagte Reliquie auf dem
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Grund eines Grabens „entdeckt“, der in der neu geweihten Kathedrale von Antiochia gegraben worden war. Die Anführer des Kreuzzuges, unter ihnen der päpstliche Legat, waren zwar skeptisch – aber die einfacheren Kreuzritter schöpften neuen Mut. Um die Krise zu überwinden, in der sie sich befanden, suchten die Heerführer schließlich den Kampf. Pro forma wurde eine letzte Gesandtschaft zu Kerboga geschickt, um mit diesem zu verhandeln; dann stürmten am 28. Juni die Kreuzfahrer unter Bohemunds Kommando aus der Stadt. Sie hatten sich in vier Abteilungen aufgeteilt, die jeweils aus Truppen zu Pferde und zu Fuß bestanden, wenn auch die Anzahl der Ritter wegen des Pferdemangels nur sehr klein gewesen sein kann. Nacheinander führten drei der Abteilungen ein kompliziertes Manöver aus, durch welches sie aus der Kolonne in eine Linienformation umschwenkten, so dass sie schließlich Seite an Seite vorrückten, wobei die Infanterie voranging und die wenigen beteiligten Ritter deckte, während die Flanken des Kreuzfahrerheeres auf der einen Seite durch den Orontes, auf der anderen aber durch höher gelegenes Terrain gedeckt waren. Die vierte Abteilung, die von Bohemund selbst angeführt wurde, ging in Reservestellung. Die Kreuzfahrer griffen gestaffelt an, vermutlich in Schrittgeschwindigkeit, und Kerbogas Truppen flohen, woraufhin sich auch die Zitadelle von Antiochia Bohemund ergab. Dieser außergewöhnliche Sieg ist niemals ganz erklärt worden. Es könnte allerdings sein, dass Kerboga – der die Kreuzfahrer niemals hätte aus einem einzigen Tor herauskommen, über eine Brücke marschieren und sich formieren lassen dürfen, bevor er sie schließlich stellte – seine Männer nicht davon abhalten konnte, sich nach und nach ungeordnet in den Nahkampf ziehen zu lassen. Die Kreuzfahrer selbst erklärten ihren Sieg mit dem Auft reten einer himmlischen Armee von Engeln, Heiligen und den Seelen bereits zuvor getöteter Kameraden, die auf ihrer Seite in den Kampf eingegriffen habe. Tatsächlich war die Schlacht von Antiochia der Wendepunkt des gesamten Kreuzzuges, auch wenn das zum damaligen Zeitpunkt noch nicht klar sein konnte. Vernünftigerweise beschlossen die Kreuzfahrer nun, das Abklingen der Sommerhitze abzuwarten und erst am 1. November weiterzumarschieren. Zuvor brach jedoch eine Epidemie in der Stadt aus – vermutlich Typhus –, der auch Adhémar von Monteil, der Bischof von Le Puy, erlag. Die anderen Anführer wurden von der Seuche auf ihre jeweiligen Proviantsammelstellen zerstreut. Als sie im September wieder nach Antiochia zurückkehrten, gab es erste Anzeichen von Uneinigkeit in zwei bestimmten Fragen; im November wurde der Streit um diese beiden Punkte akut. Der erste betraf den rechtmäßigen Besitz der Stadt Antiochia, den Bohemund für sich beanspruchte. Raimund von Toulouse, der noch immer Teile der Stadt hielt, darunter den Palast des Statthalters und eine befestigte Brücke, die über den Orontes zum Hafen führte, verwies auf die Eide, die man dem byzantinischen Kaiser geleistet habe. Nun mag es sein, dass er Antiochia für sich haben wollte und in einer offiziellen kaiserlichen Schenkung die einzige Möglichkeit sah, zu diesem Ziel zu gelangen. Niemand konnte jedoch ernsthaft bestreiten, dass diese Eide geleistet worden waren und man dem Kaiser Gefolgschaft gelobt hatte. Nicht zuletzt hatten die Anführer des Kreuzzuges ja vor der Einnahme der Stadt vereinbart, dass Antiochia an Alexios fallen sollte, sofern der Kaiser
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persönlich in die Stadt kommen und sie in Besitz nehmen würde. Zu diesem Zweck brach nach der Schlacht von Antiochia eine prominent besetzte Gesandtschaft nach Konstantinopel auf, um Alexios nach Antiochia einzuladen, wo er die zurückeroberte Stadt in Empfang nehmen und die Führung des Kreuzzuges übernehmen sollte. Angeführt wurde diese Gesandtschaft von Hugo von Vermandois und Graf Balduin II. von Hennegau. Die Antwort des Kaisers erreichte die Kreuzfahrer erst im April des folgenden Jahres, als sie bereits ein gutes Stück weiter nach Süden vorgerückt waren. Alexios versprach, im Juni zu ihnen zu stoßen und bat sie, bis zu seinem Eintreffen auf ihn zu warten. Der Kaiser verlangte die unverzügliche Übergabe Antiochias, und seine Boten beschwerten sich bitterlich über Bohemunds eidbrecherische Aneignung der Stadt. Bohemunds Anhänger hingegen argumentierten folgendermaßen: Der byzantinische Kaiser habe den Kreuzfahrern stets gleichgültig, ja sogar feindselig gegenübergestanden. Er sei ihnen kein guter Schutzherr gewesen, und das trotz ihrer Eide, die ja ohnehin unter Zwang geleistet worden seien. Außerdem hätten die Abberufung des Tatikios, der die Kreuzfahrer, ihrer Ansicht nach, einfach im Stich gelassen hatte, und der Rückzug von Alexios’ Heer aus Akşehir, gerade als sich das Kreuzfahrerheer in höchster Not befunden habe, gezeigt, dass die Griechen keinerlei Interesse daran hatten, ihre Seite der Vereinbarung einzuhalten. Auch die große Verzögerung, mit der Alexios auf die Nachricht der Kreuzfahrergesandtschaft geantwortet hatte, lasse erkennen, dass das Byzantinische Reich militärisch unvorbereitet sei. Diese Argumentation mag weit hergeholt erscheinen, doch waren die Kreuzfahrer tatsächlich von den Griechen im Stich gelassen worden und benötigten dringend Unterstützung. Ihnen war bewusst – ja sie waren sogar regelrecht besessen von der Tatsache –, dass in Europa eine große Anzahl von Kreuzfahrern zwar das Kreuzzugsgelübde abgelegt hatten, jedoch nie losgereist waren. Die Existenz dieses Menschenpotenzials ließ sie nicht ruhen, und schließlich exkommunizierten die Bischöfe, die den Kreuzzug begleiteten, all jene, die ihre Kreuzzugsgelübde nicht eingelöst hatten, und legten ihren Amtsbrüdern in Europa nahe, dasselbe zu tun. Zugleich stießen aber tatsächlich einige neue Teilnehmer zum Kreuzfahrerheer. Die meisten dieser Neuankömmlinge reisten auf dem Landweg nach Syrien, und die Kreuzfahrer erwarteten, dass ihnen auf dieser Route noch viele weitere folgen würden – wie es ja dann im Rahmen des Kreuzzuges von 1101 tatsächlich geschah. Antiochia, das die Passstraßen von Kleinasien nach Syrien kontrollierte und die nördliche Küstenstraße gegen muslimische Überfälle aus dem Hinterland verteidigte, musste in vertrauenswürdige Hände gegeben werden. Kaiser Alexios hatte sich ja gerade als nicht vertrauenswürdig erwiesen; vielmehr schien es den Kreuzfahrern, als habe er sie auf geradezu zynische Weise für seine eigenen Zwecke ausgenutzt. In diesem Zusammenhang darf man außerdem nicht vergessen, dass Bohemund zwar in Antiochia zurückblieb und sein Kreuzzugsgelübde in Jerusalem erst fünf Monate nach dessen Eroberung einlöste, dass er jedoch für dieses Säumnis in Europa niemals kritisiert wurde – ganz im Gegenteil: Sein Besuch in Frankreich im Jahr 1106 verlief geradezu triumphal. Der zweite Streitpunkt war das Datum, an dem der Marsch nach Jerusalem fortgesetzt werden sollte. Um auf eine Entscheidung in dieser Sache zu drängen, zwangen die ein-
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Adlige Hofhaltung auf Kreuzzügen Dieser Gegenstand hat bislang noch nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die er verdient. Die schematische Darstellung eines jeden Kreuzzuges würde Kreise der Abhängigkeit zeigen, in deren Mitte sich die großen Herren befänden. Jeder von ihnen hatte eine Hofhaltung (maisnie), die sich aus den Rittern des jeweiligen Hauses, Geistlichen und Dienern zusammensetzte. Diese Gruppe war vergleichsweise klein. In einer Urkunde des Grafen Ludwig von Blois, einer führenden Persönlichkeit des Vierten Kreuzzuges, sind fünf Ritter genannt, von denen zwei in Begleitung ihrer eigenen Sergeanten reisten, dazu zwei Geistliche, deren einer als Kanzler des Grafen fungierte. Wir wissen zwar nicht, ob einige von Ludwigs Rittern gerade nicht anwesend waren, als das Dokument aufgesetzt wurde, und auch von seiner Dienerschaft ist keine Rede; aber der Eindruck von seiner maisnie deckt sich in etwa mit jener, die Odo von Burgund, Graf von Nevers und Herr von Bourbon, sechzig Jahre später in Palästina bei sich hatte: vier Ritter und drei Geistliche, dazu sieben Knappen, neun Sergeanten, zweiunddreißig Diener, fünf Armbrustschützen und vier Turkopolen (einheimische leichte Kavalleristen). Das Ansehen eines hochadligen Herrn hing jedoch von einem weiter gefassten Kreis von Personen ab, die sich ihm aus einer Vielzahl von Gründen angeschlossen haben konnten. Eng mit ihm verbunden, aber doch außerhalb des inneren Kreises der maisnie waren seine Blutsverwandten und Vasallen (von denen viele eigene Haushalte hatten). Noch ein Stückchen weiter entfernt, aber immer noch Bestandteil des Gefolges konnten unabhängige Kreuzfahrer sein, die sich irgendjemandem anschlossen, solange er sie nur zu versorgen vermochte, und deren Loyalitäten durchaus wechselhaft waren, wenn sie aus irgendeinem Grund unzufrieden wurden.
facheren Kreuzfahrer die Fürsten, einer Belagerung der gut 100 Kilometer südlich von Antiochia gelegenen Stadt Maʿarat an-Numan zuzustimmen. Diese fiel am 11. / 12. Dezember 1098, aber die Anführer konnten sich selbst im Januar 1099 noch immer nicht zu einer Entscheidung durchringen. Ein Hauptgrund für die Lähmung des Kreuzzuges bestand darin, dass er keine wirkliche Führung hatte. Bei gleich vier verschiedenen Gelegenheiten versuchten die Kreuzfahrer, einen Oberbefehlshaber für ihr Heer zu bestimmen: Alexios hatte das Ansinnen bereits im Frühjahr 1097 abgelehnt. Die Gesandtschaft, die im Juli 1098 Antiochia verließ, bot ihm trotzdem nochmals den Oberbefehl an. Im Frühjahr 1098 wurde Stephan von Blois zum Anführer des Kreuzfahrerheeres bestimmt, doch er desertierte bald darauf. Im Januar 1099 erbot sich Raimund von Toulouse auf Drängen seiner Gefolgsleute, die endlich weiterziehen wollten, die anderen Anführer gegen große Geldsummen in seinen Dienst zu nehmen, doch die meisten von ihnen lehnten es ab, ihm zu dienen. Keiner der hochrangigen Kreuzfahrer war stark genug, die anderen zu dominieren. Es heißt im-
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mer, diese Männer hätten „Heere“ angeführt, aber nichts könnte falscher sein: Jeden von ihnen begleitete ein Gefolge, seine Hofhaltung, zu dem Verwandte und Abhängige gehörten, und jeder von ihnen begann, unter dem wachsenden Druck der Versorgungsengpässe für eine immer größer werdende Gruppe von Menschen Sorge zu tragen. Aber große Teile der eigentlichen Truppen, d. h. die kleineren Herren, von denen viele eigene kleine Verbände befehligten, und die Ritter waren unabhängig, und ihre Gefolgschaftsbindungen veränderten sich ständig, je nachdem, was die Umstände erforderten, welche Belohnung ihnen die großen Herren bieten konnten und welchen Umfang ihr eigenes kleines Gefolge gerade hatte. Der Kreuzzug war geprägt von permanenten Verschiebungen von Gefolgschaft und Loyalität, indem wie in einem Kaleidoskop die Anführer kleinerer Trupps mitsamt ihren Leuten von einem Dienstherrn zum anderen wechselten. Keiner der Großen verfügte über ein hinreichend stabiles Gefolge, um auf der Grundlage einer unangefochtenen Machtbasis die übrigen Heerführer zu dominieren. Dies hatte den Effekt, dass der Kreuzzug vor allem von Komitees und Ratsversammlungen gelenkt wurde. Jeder der Fürsten beriet sich mit seinen Vertrauten, auch gab es Vollversammlungen aller Angehörigen des Kreuzfahrerheeres, aber am einflussreichsten war die Ratsversammlung der Fürsten. Diese erwies sich als ein vergleichsweise effi zientes Gremium, jedenfalls solange der päpstliche Legat Adhémar von Monteil, Bischof von Le Puy, noch am Leben war, denn er verfügte über die Persönlichkeit und die Autorität, den Rat zu dominieren und zu lenken. Sein Tod am 1. August 1098 beraubte den Kreuzzug seines einzigen objektiven und autoritativen Anführers, und die Komitees wurden handlungsunfähig. Die Lähmung äußerte sich auch in nachlassender Disziplin. Eine bald um sich greifende Rechtlosigkeit bekamen insbesondere die Armen zu spüren, die unter den anarchischen Zuständen litten und befürchteten, bei einer noch längeren Verzögerung des Weitermarsches zu verhungern. Mitte November 1098 drohten sie gar, angesichts des ihnen nur mehr schwer erträglichen Zauderns der Kreuzzugsführung, ihren eigenen Anführer zu wählen. Sie zwangen Raimund von Toulouse und Robert von Flandern, sie nach Maʿarat an-Numan zu führen, und als Raimunds Anhänger um den 5. Januar 1099 herum erfuhren, dass die Besprechungen der Anführer äußerst schleppend verliefen, begannen sie, die Stadtmauer von Maʿarat einzureißen und Raimund somit seines Stützpunktes zu berauben. Dieser hatte keine andere Wahl, als den Marsch in Richtung Jerusalem am 13. Januar wieder aufzunehmen. Auch die einfachen Kreuzfahrer, die sich noch immer in Antiochia befanden, erhoben nun ihre Stimme, und so mussten sich Gottfried von Bouillon, Robert von Flandern und Bohemund ebenfalls dem öffentlichen Druck beugen. Am 2. Februar beriefen sie eine allgemeine Versammlung ein, die sich für einen Aufmarsch sämtlicher Truppen zum 1. März in Latakia aussprach. Von dort sollte dann der weitere Vormarsch erfolgen.
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Die zweite Welle: Die Befreiung Jerusalems Die zweite Welle: Die Befreiung Jerusalems
Syrien war genauso unorganisiert und nicht auf den Kreuzzug vorbereitet wie zuvor Kleinasien. Folglich trafen die Kreuzfahrer bei ihrem Vormarsch auf wenig Widerstand. Die türkischen Herrscher von Aleppo und Damaskus waren miteinander verfeindet. Die arabischen Dynastien, die in Schaizar und Tripolis residierten, standen den Türken sogar noch feindseliger gegenüber als den Christen. Die Ägypter, die erst kurz zuvor die Kontrolle über Jerusalem zurückerlangt hatten, verlegten sich angesichts der aufziehenden Bedrohung auf diplomatisches Taktieren: Schon zu Beginn des Jahres 1098 verbrachte eine ägyptische Gesandtschaft mehrere Wochen im christlichen Heerlager von Antiochia und kehrte anschließend mit christlichen Abgesandten nach Kairo zurück, die dort ein Jahr lang festgehalten wurden. Im Frühjahr 1099 wurden diese Männer wieder freigelassen und begleiteten eine erneute ägyptische Mission zum Kreuzfahrerheer, das mittlerweile die 25 Kilometer von Tripolis entfernte Stadt ʿArqa belagerte. Raimund von Toulouse war dorthin über Kafartab, wo er Robert von der Normandie und Tankred getroffen hatte, und Rafaniya marschiert. Noch im Verlauf des Monats März stießen die anderen Anführer des Kreuzzuges zu ihm, mit Ausnahme Bohemunds, der zum Schutz von Antiochia zurückgeblieben war. Die Belagerung von ʿArqa nahm keinen guten Verlauf. Verständlicherweise frustrierte das die Kreuzfahrer, aber fast noch schwerer wog der Tod von Peter Bartholomäus, der die Heilige Lanze aufgefunden hatte. Peters Visionen waren mit der Zeit allerdings so exzentrisch geworden, dass er einen großen Teil des Heeres gegen sich aufgebracht hatte. Um seine Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen, erbot er sich, ein Gottesurteil in Form einer Feuerprobe auf sich zu nehmen, die er jedoch nicht überlebte. Das entscheidende Ereignis, das die Kreuzfahrer dazu brachte, die Belagerung von ʿArqa aufzuheben, war der Abbruch ihrer Unterhandlungen mit den Ägyptern. In Anbetracht der Tatsache, dass sich ihnen, falls sie ihren Vormarsch auf Jerusalem weiter verzögerten, bei der dortigen Belagerung vermutlich ein weiteres, äußerst kampfstarkes Entsatzheer in den Weg stellen würde und dass außerdem die bei ihrer Ankunft herrschende Erntezeit die allzeit schwierige Vorratsbeschaffung würde erleichtern können, brachen sie am 13. Mai in Richtung Süden auf. Bisher – und seit der Belagerung von Nicäa waren ja bereits zwei Jahre vergangen – hatte das Kreuzfahrerheer sich nur langsam fortbewegt. Große Sorgfalt hatten sie darauf verwendet, einige der großen Festungen einzunehmen, die andernfalls womöglich die Kommunikation über Antiochia und Kleinasien nach Konstantinopel gefährdet hätten. Nun jedoch ließen sie alle Vorsicht fahren und entschlossen sich zu der waghalsigeren Strategie, die am Weg liegenden feindlichen Festungen zu umgehen und sich auf Jerusalem zu stürzen. Die Gangart ihres Vormarsches änderte sich also vom Schneckentempo zum Galopp: Nur sechs Tage nach ihrem Aufbruch in ʿArqa überquerten sie den Hundefluss (Nahr al-Kalb) nördlich von Beirut, marschierten über die Küstenstadt Tyrus nach Süden, schwenkten nördlich von Jaffa in das Landesinnere und erreichten am 3. Juni die Stadt Ramla. Am 7. Juni 1099 standen sie vor Jerusalem. Tags zuvor war Bethlehem an
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Tankred gefallen, der sich unter Missachtung seines Gefolgschaftseides von Raimund von Toulouse losgesagt hatte, um sich und das ganze süditalienische Normannenheer in den Dienst Gottfrieds von Bouillon zu stellen. Jerusalem war, wie zuvor schon Antiochia, viel zu groß, als dass man es von allen Seiten hätte einschließen können. Doch während Antiochia einer Belagerung von siebeneinhalb Monaten standgehalten hatte und nur durch Verrat in die Hände der Kreuzfahrer gefallen war, sollte Jerusalem bereits nach fünf Wochen im Sturm erobert werden. Die Angreifer konzentrierten anfangs ihre geballte Kraft auf die westliche Stadtmauer, verteilten sich dann jedoch auf die nördlichen Befestigungsanlagen, wo Herzog Robert von der Normandie, Robert von Flandern, Gottfried von Bouillon und Tankred Stellung bezogen, sowie auf den Berg Zion im Süden der Stadt, wo sich Raimund von Toulouse positionierte, der sich wegen der Treulosigkeit Tankreds erbittert mit Gottfried von Bouillon und wohl noch anderen Männern aus dessen Gefolge zerstritten hatte. Zu Beginn schien die Belagerung nicht recht zu gelingen, und das trotz der Ankunft englischer und genuesischer Schiffe in Jaffa sowie einer Expedition in das nordwärts gelegene Samaria, die Holz und anderes Material für den Bau zweier Belagerungstürme, eines Rammbocks sowie mehrerer Katapulte geliefert hatte. Zwischenzeitlich traf die Nachricht vom Anmarsch eines ägyptischen Heeres ein, auf das jedermann – nicht zuletzt die Garnison von Jerusalem – gewartet hatte. Auf Anweisung „von ganz oben“ – wieder einmal hatte ein Seher seine Finger im Spiel – zog eine große Bußprozession der Kreuzfahrer außerhalb der Stadtmauern Jerusalems von Heiligtum zu Heiligtum und versammelte sich schließlich auf dem Ölberg, um Predigten zu hören. Den 14. Juni verbrachte man damit, den Verteidigungsgraben vor der südlichen Stadtmauer zuzuschütten, und gegen Abend konnte der Belagerungsturm Raimunds von Toulouse an sie herangeschoben werden. Am 15. Juni jedoch gelang es den Männern Gottfrieds von Bouillon als Ersten, die Lücke zwischen ihrem Belagerungsturm und der Jerusalemer Stadtmauer zu überbrücken. Sie hatten zuvor ihre Angriffsstellung in Richtung Osten verlegt, um ebenes Terrain zu gewinnen, und waren schließlich ein wenig östlich des heutigen Herodestores erfolgreich. Zwei Ritter aus Tournai überwanden als Erste die Mauer; ihnen folgten Lothringer. Schnell wurde das Rinnsal zu einem reißenden Strom, und Wellen von Kreuzfahrern ergossen sich über die Mauern und durch eine Bresche, die bald von dem Rammbock geschlagen war, in die Stadt hinein. Einige stürmten in Richtung Tempelbezirk, andere noch weiter, um am südwestlichen Stadtrand die Muslime, die sich noch tapfer gegen Raimunds Truppen verteidigten, in die Flucht zu schlagen. Jerusalem war zwar keine dichtbesiedelte Stadt gewesen, hatte in der jüngeren Vergangenheit jedoch eine Vielzahl von Flüchtlingen aus dem Umland aufgenommen. Nun wurde es geplündert. Die zeitgenössische muslimische Darstellung der Geschehnisse lässt zwar vermuten, dass es dabei nicht ganz so viele Tote gegeben hat, wie immer wieder angenommen worden ist; die Berichte christlicher Augenzeugen schwelgen geradezu in der Schilderung eines blutigen Massakers. Am 22. Juli wurde Gottfried von Bouillon zum Herrscher von Jerusalem gewählt. Seine erste Aufgabe bestand darin, die Verteidigung der Stadt gegen einen ägyptischen
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Hugo von Amboise Hugo wurde um das Jahr 1080 als Erbe eines der drei Türme von Amboise geboren. Als Jugendlicher war er in einen Streit verwickelt, der sich aus seiner Überzeugung entwickelt hatte, sein Lehnsherr Graf Fulko IV. von Anjou wolle mit Unterstützung seines Onkels und Vormunds eine Cousine, Corba von Thorigné, als Miterbin einsetzen und sie sodann einem Mann namens Aimerich von Courron zur Frau geben. Der Graf beeilte sich, den Zwist beizulegen, und Hugo und Aimerich nahmen beide das Kreuz. Dies geschah im März 1096 anlässlich einer Zeremonie in der Abtei von Marmoutier, die Papst Urban II. persönlich vornahm. Um Geld zu erlösen, verpfändete Hugo seine Herrschaft an den Ehemann einer Tante väterlicherseits; auch ein Onkel mütterlicherseits unterstützte ihn mit Bargeld. Aimerich starb während der Belagerung von Nicäa, aber Hugo erwarb sich während des Kreuzzuges den Ruf eines beharrlichen Kämpfers: Er gehörte zu den auserwählten, als besonders verlässlich eingeschätzten Männern, die in der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 1098 zur Bewachung der Stadttore von Antiochia eingesetzt wurden, als sich Panik im Kreuzfahrerheer breitmachte und die verzweifelten Deserteure, die nirgendwo lieber sein wollten als auf der Straße in die Heimat, sogar durch die Latrinenlöcher in der Stadtmauer krochen. Als er, nach der Eroberung Jerusalems, zu Ostern 1100 wieder in seine Heimat zurückkehrte, stellte er fest, dass Graf Fulko seine Cousine Corba gegen eine stattliche Summe an einen älteren Mann namens Achard von Saintes verheiratet hatte, ohne die Verwandten der Braut davon in Kenntnis zu setzen. Hugo war ein kranker Mann, aber dies bedeutete eine erneute Bedrohung seines Herrschaftsanspruchs. Achard floh mit seiner jungen Ehefrau nach Tours, wo er jedoch von Männern aus Hugos Gefolge aufgespürt und Corba kurzerhand von diesen entführt wurde. Achard starb bald darauf, und Hugo kam durch seine Heirat mit einer Schwester des Grafen Fulko V. von Anjou endlich in den Besitz der gesamten Herrschaft Amboise. Nachdem er Amboise seinem ältesten Sohn überschrieben hatte, segelte Hugo mit dem Grafen Fulko, der in Jerusalem die Thronfolgerin Melisendis heiraten sollte, im Jahr 1129 erneut gen Osten. Nur zwei Monate nach seiner Rückkehr nach Palästina starb Hugo von Amboise und wurde auf dem Ölberg begraben.
Rückeroberungsversuch zu organisieren. Es war nicht ganz leicht, die anderen Anführer des Kreuzfahrerheeres davon zu überzeugen, sich und ihre Truppen gänzlich zu seiner Verfügung zu stellen, doch am Abend des 11. August war das gesamte christliche Heer bei Aschdod versammelt, wo die Herden erbeutet werden konnten, die die Ägypter zur Verpflegung ihrer Truppen herangebracht hatten. In der Morgendämmerung des folgenden Tages überraschten die Kreuzfahrer die Ägypter in deren Heerlager unmittelbar nördlich von Askalon (dem heutigen Aschkelon). Ein Angriff der europäischen Ritter,
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die sich in der Zwischenzeit anscheinend Ersatz für ihre verendeten Pferde beschafft hatten, schlug sie in die Flucht.
Die Ergebnisse der zweiten Welle Die Ergebnisse der zweiten Welle
In der Wahrnehmung der westeuropäischen Öffentlichkeit stellte die zweite Welle des Ersten Kreuzzuges wohl das wichtigste militärische Geschehen des gesamten Hochmittelalters dar. Der Kreuzzug und die Eroberung Jerusalems wurden in Epen besungen, im kollektiven Gedächtnis der beteiligten Familien ausgeschmückt, in Fresken und auf Wandteppichen dargestellt, von Bildhauern in Stein gemeißelt. So wurden diese Ereignisse schnell zur Legende und die Beteiligten als Helden verehrt. Die ruhmreichen Taten Hugos von Amboise lebten im Andenken seiner Nachkommen weiter. Die Familie Arnolds II. von Ardres behauptete ein Jahrhundert später vollkommen zurecht, ihr Vorfahr sei damals auch dabei gewesen – nur habe er eben den Dichter des Epos La Chanson d’Antioche nicht bestochen, weshalb sein Name in der darin enthaltenen Liste von Rittern fehle. Tatsächlich eignete dem Kreuzzug in mehrfacher Hinsicht etwas Heroisches: Der Feldzug war geprägt von großen Belagerungen – Nicäa, Antiochia, Maʿarat an-Numan, ʿArqa, Jerusalem –, und insbesondere vor Jerusalem, wo der Einsatz von Belagerungsmaschinen eine schnelle Eroberung der Stadt ermöglichen sollte, wurde jede Art militärtechnischen Fortschritts genutzt, die zur damaligen Zeit zur Verfügung stand. Doch auch unterwegs schlugen die Kreuzfahrer Schlachten – und trugen den Sieg davon: bei Doryläum, bei Herakleia Kybistra. Noch beeindruckender waren jedoch ihre Siege über die Entsatzheere – vor Nicäa und Antiochia sowie nach der Einnahme von Jerusalem –, denn es war die vorherrschende Meinung unter den Strategen der Zeit, dass einem Heer nichts Gefährlicheres widerfahren konnte, als im Rücken angegriffen zu werden, während es eine Stadt belagerte. Obendrein waren all diese Schlachten von einem Heer geschlagen worden, das unter ständigen Nachschubsorgen litt und sich seinen Proviant in der Umgegend zusammensuchen musste; das seine Pferde größtenteils eingebüßt hatte und zu Fuß kämpfen musste, dem es an einer entschlossenen Führung fehlte, das bisweilen im Chaos versank und das schwere Verluste erlitten hatte. Nach neuesten Schätzungen der Forschung ließen über 37 Prozent der Bewaffneten des Ersten Kreuzzuges unterwegs ihr Leben – unter den ärmsten Teilnehmern des Feldzuges dürfte die Sterblichkeit noch weitaus höher gelegen haben.
Die dritte Welle Die dritte Welle
Nach dem großen Triumph der Einnahme Jerusalems beschlossen die meisten der Kreuzfahrer, in ihre Heimat zurückzukehren. Ab dem Winter 1099 / 1100 begannen sie nach und nach wieder in Westeuropa einzutreffen. In ihrem Gepäck fanden sich nicht Reichtümer, sondern Reliquien, die sie an die Kirchen ihrer Heimatgegenden verteilten. Außerdem
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führten sie Palmwedel mit sich, welche die Einlösung ihrer Kreuzzugsgelübde symbolisierten. Doch bereits im Frühjahr des Jahres 1099 – also noch bevor der Erste Kreuzzug Jerusalem erreicht hatte – hatte Papst Urban dem Erzbischof von Mailand aufgetragen, in der Lombardei erneut den Kreuzzug zu predigen. Der erneute Aufruf zum Kreuzzug stieß auf ein begeistertes Echo, und während noch die Nachricht vom Fall Jerusalems – die Urban II., der am 29. Juli 1099 starb, nicht mehr zu Ohren kam – Westeuropa durcheilte, wurden schon neue Kreuzfahrerheere aufgestellt. Urbans Nachfolger, Papst Paschalis II., drohte – wie es schon Urban selbst getan hatte – all jene zu exkommunizieren, die ihre Kreuzzugsgelübde noch nicht erfüllt hatten, und seine Worte wurden von den Bischöfen wiederholt. Paschalis drohte außerdem, Deserteure zu exkommunizieren. Hugo von Vermandois und Stephan von Blois gehörten zu denen, die beschlossen, zur Tilgung dieser Schmach abermals in das Heilige Land zu ziehen. Schließlich hatten all jene, die vom Kreuzzug desertiert waren, Schande nicht allein über sich selbst, sondern auch über ihre Familien gebracht. Milon I. von Montlhéry und sein Sohn Guido II. Troussel etwa desertierten im Jahr 1098. Es kann kein Zufall gewesen sein, dass Milon, als er sich mit dem Kreuzzug von 1101 erneut auf den Weg nach Palästina machte, von seinem Bruder Guido von Rochefort, dem anderen Senior der Familie, begleitet wurde. Viele Männer und Frauen in Frankreich, Italien und Deutschland, die sich zuvor noch nicht dazu hatten durchringen können, das Kreuz zu nehmen, strömten nun zu den Fahnen. Päpstliche Legaten wurden nach Frankreich gesandt, wo sie im September 1100 in Valence eine Synode abhielten. Anschließend zogen sie nach Limoges, wo Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien und viele seiner Vasallen das Kreuz nahmen, und weiter nach Poitiers, wo sie bei einer Synode, die für den fünften Jahrestag der Eröffnung des Konzils von Clermont am 18. November einberufen wurde, den Kreuzzug predigten. Die Heere der dritten Welle waren vermutlich in etwa so groß wie jene, die sich im Jahr 1096 auf den Weg gemacht hatten. Allerdings war diesmal das päpstliche Truppenkontingent, das von dem Lyoner Erzbischof und obersten Legaten des Papstes Hugo von Die befehligt wurde, größer. Die nun beteiligten weltlichen Fürsten waren von gleichem oder höherem Rang als ihre Vorgänger: die bereits erwähnten Wilhelm von Aquitanien, Stephan von Blois und Hugo von Vermandois; dazu Wilhelm von Nevers, Odo von Burgund, Stephan von Burgund und Welf IV. von Bayern. Unter der Hochglanzoberfläche edlen Rittertums und unbeschwerter Abenteuerlust – dieser Eindruck verdankte sich womöglich der überschwänglichen Persönlichkeit Wilhelms von Aquitanien – zeichnete sich neben einem ernsthaften religiösen Streben aber auch die Bereitschaft ab, aus den Fehlern des vorangegangenen Unternehmens zu lernen. Dies betraf zum Beispiel leicht zu transportierende Wertgegenstände, die den Kreuzfahrern den Ruf einbrachten, einem ausschweifenden Luxusleben zu frönen. Tatsächlich führten sie neben Bargeld auch Juwelen mit sich, um diese unterwegs gegen Geld oder Verpflegung eintauschen zu können. Als Erste brachen die Lombarden auf, die Mailand am 13. September 1100 verließen. Sowohl ihre Überwinterung in einem Feldlager in Bulgarien als auch der anschließende zweimonatige Aufenthalt vor den Mauern Konstantinopels im Frühjahr 1101 wurde im-
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mer wieder von Unordnung und Aufruhr unterbrochen. Wie schon zuvor versuchte Kaiser Alexios, die Kreuzfahrer zu einer schnellen Überquerung des Bosporus zu zwingen, indem er ihnen die Erlaubnis zum Provianterwerb verweigerte. Und wie ihre Vorgänger, so reagierten auch die Kreuzfahrer dieses Zuges mit Gewalt: Sie griffen den kaiserlichen Blachernen-Palast an. Dies brachte ihre Anführer jedoch in eine derart peinliche Lage, dass sie der Überfahrt ihrer Streitmacht nach Asien zustimmten. Bei Nikomedia (dem heutigen Izmit) stieß das erste, kleinere von zwei deutschen Heeren zu ihnen sowie Kämpfer aus Burgund und Nordfrankreich unter dem Kommando Stephans von Blois und auch Raimunds von Toulouse, der bereits im Sommer zuvor mit seinem Gefolge in Konstantinopel eingetroffen war und sich nach einigem Zögern bereiterklärt hatte, den anderen Fürsten als Berater zu dienen. Dabei war er nicht erfolgreich: Gegen seinen Rat sowie gegen den der Griechen und Stephans von Blois beschlossen die neuen Kreuzfahrer, nicht auf ihre noch auf dem Weg befindlichen Kameraden zu warten, sondern nach Niksar zu marschieren, wo Bohemund, der im Jahr zuvor von den Danischmendiden in Ostanatolien gefangen genommen worden war, noch immer im Kerker saß. Es ist sogar möglich, dass die Lombarden, befeuert von wilden Gerüchten, wie sie nach den Erfolgen des vorigen Feldzuges in Europa kursierten, als einzige der Kreuzfahrer an weitere Eroberungen dachten, statt dem Heiligen Land Hilfe zu bringen, und in den Irak ziehen wollten, um Bagdad zu belagern. Im Juni marschierten sie von Izmit nach Ankara, dann in nordöstlicher Richtung nach Çankiri (Gangra); anschließend schwenkten sie wieder nach Osten um. Anfang August befanden sie sich irgendwo in der Gegend von Merzifon, wo sie auf ein Koalitionsheer türkischer Fürsten trafen, die ihre Differenzen angesichts des gemeinsamen Feindes ruhen ließen. Nach mehreren Kampftagen gerieten die Kreuzfahrer in Panik und flohen. Im Juni 1101 erreichte ein Heer unter Wilhelm von Nevers Konstantinopel, überquerte den Bosporus und machte sich am 24. des Monats auf den Weg, die Lombarden einzuholen. Damit hatten Wilhelms Männer die Truppen des Herzogs von Aquitanien überholt, die vor ihnen in Konstantinopel angekommen waren. Bei Ankara gab der Graf von Nevers die Verfolgung der lombardischen Streitmacht auf und bog stattdessen mit seinen Leuten nach Süden in Richtung Konya ab. Mitte August kamen sie dort an, nicht ohne unterwegs eine dreitägige Schlacht geschlagen zu haben. Es gelang Wilhelm nicht, Konya einzunehmen, also marschierte er weiter nach Herakleia Kybistra, fand die Stadt jedoch verlassen, ihre Brunnen zugeschüttet. Nach mehreren dursterfüllten Tagen wurden die Kreuzfahrer in die Flucht geschlagen. Inzwischen hatte das Heer Wilhelms von Aquitanien, das Mitte März in Frankreich aufgebrochen war und – nach einem wilden Marsch über den Balkan in Begleitung der Truppen Herzog Welfs von Bayern – Anfang Juni Konstantinopel erreicht. Gemeinsam lagerten diese Kreuzfahrerkontingente fünf Wochen lang in der Nähe der Stadt, erwarben Proviant von den Griechen und holten deren Rat ein, obwohl einige der Deutschen klugerweise auf dem direkten Seeweg nach Palästina weiterreisten. Mitte Juli brachen Welf und Wilhelm dann mit ihren Truppen in östlicher Richtung auf und folgten der Route, auf der bereits die Kreuzfahrer der zweiten Welle nach Jerusalem gezogen waren.
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Diese Gegend war jedoch sowohl von den Türken als auch von den durchziehenden Kreuzfahrern geplündert und verwüstet worden, und so mangelte es ihnen bald – trotz sorgfältiger Planung – an der nötigen Verpflegung. In der Nähe von Herakleia Kybistra geriet ihr Heer in einen Hinterhalt und wurde beinahe vollkommen vernichtet. Wilhelm von Aquitanien und Welf von Bayern gelang die Flucht, wie sie – anlässlich ihrer ähnlich desaströsen Niederlagen – auch Wilhelm von Nevers, Stephan von Burgund, Stephan von Blois und Raimund von Toulouse gelungen war. Hugo von Vermandois erlag in Tarsus seinen schweren Verwundungen. Einige der Überlebenden schlossen sich in Syrien Raimund von Toulouse an und nahmen mit ihm die Stadt Tartus (Tortosa in Syrien) ein, die Raimunds Grundstein für eine weitere Kreuzfahrerherrschaft sein sollte. Anschließend zogen die meisten von ihnen weiter nach Jerusalem, um ihre Gelübde zu erfüllen. Einige, deren Abreise von ungünstigen Winden verzögert worden war, schlossen sich Truppen der nach der Eroberung Jerusalems im Orient Gebliebenen an und stellten sich mit diesen gegen eine erneute ägyptische Invasion. Glücklos bis zuletzt, wurden sie am 17. Mai 1102 vernichtend geschlagen, wobei auch Stephan von Blois den Tod fand.
Die Fortentwicklung der Kreuzzugsidee Die Fortentwicklung der Kreuzzugsidee
Der Ereignisverlauf von 1097 bis 1099 legte mehr oder minder verbindlich fest, dass es sich bei einem Kreuzzug um eine Pilgerfahrt handelte, auf der Ritter zugleich ihre kriegerische Aufgabe erfüllen konnten. Durch seinen aufwendigen liturgischen Rahmen, seine Bußprozessionen und Fastenzeiten – erstaunlicherweise sollten die so schon hungernden Kreuzfahrer vor jeder wichtigen Schlacht fasten! – erschien der Kreuzzug den gebildeten Zeitgenossen, die ja zumeist Mönche waren, als eine Art wanderndes Kloster. Die teilnehmenden Laien hatten Gelübde abgelegt, die – wenn sie auch für einen klar umrissenen Zeitraum galten – Ähnlichkeiten mit den ewigen Gelübden der Mönche aufwiesen. Zudem erlegten die Sachzwänge des Kreuzzuges ihnen ein Leben in Armut auf sowie – theoretisch – ein Leben in Keuschheit. Die Kreuzfahrer waren, wie auch die Mönche, „Exilanten“ der normalen Welt. Sie hatten das Kreuz genommen, um Christus nachzufolgen, sie hatten um Gottesliebe ihre Frauen, Kinder und ihre Heimat verlassen und sich aus Liebe zu ihren Brüdern selbst in Lebensgefahr gebracht. Sie waren „Nachfolger Christi“. Wie die Mönche in ihren Klöstern nahmen auch sie an regelmäßigen gemeinsamen Gebeten und anderen frommen Ritualen teil, und während die Mönche eine „innere Reise“ nach Jerusalem unternahmen, reisten sie persönlich dorthin. Da es ein Ziel der Reformbewegung gewesen war, die gesamte Kirche nach den Maßstäben des Klosterlebens umzugestalten, scheint dieser Plan zumindest hier, auf dem Kreuzzug, bei den Laien, aufgegangen zu sein. Tatsächlich gab es einen bemerkenswert raschen Transfer von Begriffen und Bildern, die traditionell mit dem Klosterleben verknüpft gewesen waren und nun auf den Kreuzzug bezogen wurden: die Ritterschaft Christi, der Kreuzweg, der Weg in das himmlische Jerusalem, der geist-
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liche Kampf. Die „klösterliche“ Interpretation des Kreuzzuges sollte sich auf Dauer nicht halten, aber sie verschaffte der Kirche doch einen Ausgangspunkt, um auf die Fragen eingehen zu können, die mit dieser revolutionär neuen Art von Kriegführung zwangsläufig verknüpft waren. Eines der Probleme, die durch den Kreuzzug offenkundig geworden waren, war das der Kontrolle. Es wurde den Priestern in ihren Gemeinden aufgetragen, die Rekrutierung zu organisieren: Niemand sollte das Kreuz nehmen, ohne zuvor den Rat seines Pfarrers eingeholt zu haben. Doch das Gemeindesystem jener Zeit war für derlei Aufgaben nicht gewappnet – noch nicht. In der Theorie waren es die Bischöfe, durch deren Autorität die Erfüllung der Kreuzzugsgelübde überwacht und durchgesetzt werden sollte. Allerdings lässt sich unmöglich rekonstruieren, wie viele der Kreuzfahrer, die ihre Gelübde anlässlich der dritten Welle des Ersten Kreuzzuges einlösten, dies tatsächlich aus Angst vor einer möglichen Exkommunikation taten, und wie viele dies taten, weil ihnen Berichte von der Eroberung Jerusalems zu Ohren gekommen waren, die sie entweder begeisterten oder ihnen – ob ihrer bisherigen Untätigkeit – ein schlechtes Gewissen bereiteten. Die päpstlichen Legaten und anderen Kleriker, die das Kreuzfahrerheer begleiteten, hätten – wiederum in der Theorie – ebenfalls eine gewisse Kontrolle über die Teilnehmer des Kreuzzuges ausüben sollen. Aber der Klerus ließ zumeist die nötige theologische Qualität vermissen, und außerdem dürften die Hauskapläne des hohen Adels wohl kaum geneigt gewesen sein, ihren Herren die Leviten zu lesen. Die geistlichen Teilnehmer des Kreuzzuges verhinderten weder die mörderischen Judenpogrome im Frühjahr und Sommer des Jahres 1096 noch die Errichtung eines säkularen Staates in Palästina drei Jahre darauf. Zudem lässt sich unter den Laien ein gewisser Eigensinn feststellen: Es ist offenkundig, dass sie die Aussicht auf die Inbesitznahme einer Reliquie antrieb – des Heiligen Grabes nämlich –, nicht die Liebe für ihre Glaubensbrüder im Heiligen Land. Der Papst konnte die Teilnehmer des Kreuzzuges nicht davon überzeugen, dass auch jene, die vor der Erfüllung ihrer Gelübde das Leben ließen, die Vergebung ihrer Sünden erlangen würden. Eine beträchtliche Anzahl von Personen scheint das Kreuz im Jahr 1100 (auch) deshalb genommen zu haben, weil nahe Verwandte von ihnen auf dem vorigen Feldzug gestorben waren, bevor sie Jerusalem erreichen konnten. Wie wir aus den diesbezüglichen Versicherungen Thomas’ von Aquin ablesen können, war die beschriebene Problematik den Gläubigen noch Mitte des 13. Jahrhunderts ein Anlass zur Sorge. Die traumatischen Erfahrungen der Kreuzfahrer während der zweiten Welle des Kreuzzuges waren ganz entscheidend für die weitere Entwicklung der Überzeugung, diesem Vorhaben hafte wirklich etwas Göttliches an. Nach der Durchquerung Kleinasiens scheint die Überzeugung um sich gegriffen zu haben, all ihr Tun und Lassen sei der wohlwollenden, wenn auch gestrengen Kontrolle Gottes unterstellt. Zu jenem Zeitpunkt begannen auch Seher und Propheten im Kreuzfahrerheer, Erscheinungen zu haben – von Christus selbst oder von Engeln, Heiligen und den Geistern der Verstorbenen. Auch wurden nun die im Kampf getöteten Kreuzfahrer zunehmend als Märtyrer betrachtet. Diese Tendenzen wurden noch verstärkt durch die Auffindung von Reliquien und die Ver-
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ehrung von Schauplätzen der Heilsgeschichte, wie sie jedem Christen aus Erzählungen bekannt waren. Hinzu kamen zufällige Störungen am Nachthimmel – Polarlicht, Kometen und Meteoriten –, die größtenteils ein Vorspiel bildeten zu der Periode intensiver Sonnenaktivität, die als das „mittelalterliche Maximum“ bezeichnet wird und um 1120 begann. Die Kreuzfahrer waren nicht dumm. Sie wussten, wie stark benachteiligt sie gewesen waren – und doch hatten sie am Ende gesiegt. In ihren Augen konnte es dafür keine andere Erklärung geben, als dass Gott für sie eingegriffen hatte. Die Niederlagen der dritten Welle im Jahr 1101 bestärkten diese Vorstellung sogar noch, denn sie ließen die überwundenen Gegner von 1097–1099 stärker erscheinen, als jene es tatsächlich gewesen waren. Das schreckliche Ende Wilhelms von Aquitanien und seiner Leute ließ sich unter Verweis auf deren ausschweifenden Lebensstil, Stolz und allgemeine Sündhaft igkeit erklären und wurde somit ebenfalls zum Gottesurteil. Die Vorstellung, der Kreuzzug habe sich im göttlichen Auftrag und unter göttlicher Leitung ereignet, tritt überall in den Briefen und Augenzeugenberichten der Kreuzfahrer lebhaft zutage. Allerdings wird sie dort auf eher unbeholfene und bisweilen untheologische Weise formuliert. Eine zweite Generation von Kommentatoren griff diese Anregung auf, wobei sich insbesondere drei französische Benediktiner hervortaten: Guibert von Nogent, Balderich von Bourgueil und Robert der Mönch. Der letztgenannte schrieb seine Geschichte des Kreuzzuges zehn Jahre nach den Geschehnissen und stellte diese als Teil der Heilsgeschichte dar: Für Robert war der Kreuzzug – nach der Schöpfung und der Erlösung der Menschheit am Kreuz – das dritte deutliche Zeichen göttlichen Eingreifens in der Welt. Alle drei Geschichtsschreiber bemühten sich zudem, den Elementen ihrer Erzählung einen klaren theologischen Rahmen zu geben, und zeigten darum etwa die Verbindung von Märtyrertum und christlicher Nächstenliebe auf. In ihren Schriften wurde der Vorstellung vom Kreuzzug als einem Krieg im Namen Christi, die ja zuvor von den Kreuzfahrern selbst formuliert worden war, ein eigener theologischer Ausdruck verliehen. Und doch blieb vieles ungestalt und vage. Die Kreuzzugsidee benötigte eine lange Zeit, fast ein ganzes Jahrhundert, um zur Reife zu gelangen, und so blieben in diesem frühen Stadium viele Fragen offen: Was unterschied einen Kreuzzug von anderen Heiligen Kriegen oder auch einer bewaffneten Pilgerfahrt? Unter welchen Voraussetzungen und an welchen Schauplätzen konnten Kreuzzüge geführt werden? War nur der Papst berechtigt, einen Kreuzzug auszurufen? Inwiefern unterstanden die Kreuzfahrer auf ihrem Feldzug kirchlicher Kontrolle? Wie hatte man sich die Vergebung der Sünden im Einzelnen vorzustellen und auf wen traf sie zu? Wie war ein Kreuzzug, der immer sehr viel Geld kostete, zu finanzieren? Die Beantwortung dieser Fragen sollte das gesamte 12. Jahrhundert hindurch die europäischen Christen beschäftigen.
4. Die heiligen Stätten und die Patriarchate von Jerusalem und Antiochia Die heiligen Stätten und die Patriarchate von Jerusalem und Antiochia
Die erste Herrschaft der Kreuzfahrer in der Levante war mit der Grafschaft Edessa gegründet worden, die, zu beiden Seiten des Euphrat gelegen, als ein lateinischer Vorposten in einem über Jahrhunderte hinweg bestehenden Grenzland zwischen der muslimischen und der griechischen Welt gelten kann. Die Stadt Edessa selbst lag etwa 250 Kilometer nordöstlich von Antiochia und etwa 70 Kilometer östlich des Euphrat. Die Gegend war fruchtbar, aber strategisch auch sehr exponiert, weshalb sich die europäische Herrschaft auf wenige isolierte Festungen beschränkte. Die Bevölkerung war größtenteils christlich – monophysitisch bzw. jakobitisch oder aber armenisch –, und die vergleichsweise reichen Grafen von Edessa kamen in der Regel gut mit ihren Untertanen aus, weil ihr Status unklar genug war, um sie wie ihre Vorgänger erscheinen zu lassen: Kriegsherren, die in einer losen Verbindung zum Byzantinischen Reich standen. Außerdem bezogen die lateinischen Grafen ihre Autorität aus dem Umstand, dass sie enge Beziehungen zum einheimischen armenischen Adel pflegten. Zwischen Edessa und dem Mittelmeer lag das Fürstentum Antiochia, dessen Herrschaft über Kilikien zwar nur sporadisch zum Tragen kam, das jedoch die syrische Küste bis nach Baniyas (südlich von Latakia) dominierte. Im Landesinneren reichte die Macht der Fürsten von Antiochia bis nach Maraş und Azaz im Nordosten sowie Atharib und Maʿarat an-Numan im Südosten. Östlich davon verlief die Grenze zum Fürstentum Aleppo, das stets in muslimischer Hand blieb. Der Großteil dieses Territoriums war im Widerspruch zu den Interessen der Griechen wie der Muslime erobert worden, und die frühen Jahre des Fürstentums waren geprägt vom Streit um Kilikien im Norden und Latakia im Süden, die beide auch von den Byzantinern beansprucht wurden. Im Jahr 1100 war die Sache der Siedler kurzzeitig bedroht, als Bohemund von dem türkischen Herrscher Danischmend Ghazi gefangen genommen wurde, doch dann übernahm Bohemunds Neffe Tankred die Regentschaft und erwies sich als fähiger und kämpferischer Ersatz für seinen Onkel. Bohemund wurde 1103 wieder freigelassen, musste sich jedoch unmittelbar mit erneuten byzantinischen Vorstößen auseinandersetzen, während derer die Griechen die ehemals byzantinischen, vor Jahrhunderten von den Muslimen eroberten Städte Tarsus, Adana, Misis und Latakia zurückeroberten. Zur selben Zeit rückten aus östlicher Richtung die Muslime auf das Fürstentum vor. Bohemund reiste nach Europa, wo er, wie wir noch sehen werden, zu einem erneuten Kreuzzug aufrief, der offen gegen die byzantinischen Griechen gerichtet sein sollte. Im Oktober 1107 fiel sein Kreuzfahrerheer in das Byzantinische Reich ein, doch nach einem Jahr fast völliger Untätigkeit sah er sich gezwungen, zu kapitulieren und den Vertrag von Devol zu schließen, in dem
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er bestätigte, dass er Antiochia und die dazugehörigen, in dem Vertrag klar bezeichneten Gebiete als Vasall des byzantinischen Kaisers regiere. Schon wesentlich früher war jeglicher Vorstoß der Siedler des Fürstentums Antiochia in Richtung Süden von den Unternehmungen Raimunds von Toulouse verhindert worden, der gerade dabei war, die Grafschaft Tripolis zu gründen. Raimund war vermutlich schon seit seiner ersten Ankunft in der Levante auf der Suche nach einem eigenen Territorium gewesen. Nachdem er weder in Antiochia noch später in Jerusalem zum Zug gekommen war, scheint es möglich, dass er danach im südlichen Palästina, um Askalon oder Arsuf herum, ein Fürstentum errichten wollte. Auf seinem Weg in den Süden hatte er 1102 gemeinsam mit anderen Überlebenden der dritten Welle des Ersten Kreuzzuges die Stadt Tartus belagert. Streng genommen, hatte er damit einen Eid gebrochen, zu dem ihn Tankred gezwungen hatte. Raimund hatte Tankred nämlich, als er sich nach dem kleinasiatischen Debakel kurzzeitig in dessen Gefangenschaft befunden hatte, versprechen müssen, keinerlei Eroberungen zwischen Antiochia und Akkon zu machen. Vermutlich betrachtete Raimund seinen Schwur als hinfällig, weil er unter Zwang geleistet worden war. Jedenfalls wurde Tartus bald erobert, und so errichtete Raimund, der sich noch immer als auf dem Kreuzzug befindlich betrachtete, ein Heerlager in der Nähe des bedeutenden Hafens Tripolis, nachdem Aktionen gegen Husn al-Akrad (später bekannt als die Kreuzfahrerfestung Krak des Chevaliers) und Homs erfolglos geblieben waren. Dieser Stützpunkt auf einer Anhöhe etwa fünf Kilometer außerhalb von Tripolis sollte zu dessen Belagerung dienen. Nach und nach baute Raimund sein Lager zu der Kreuzfahrerburg Montpèlerin aus. Tripolis sollte erst im Jahr 1109 fallen, lange nach Raimunds Tod, doch 1104 gelang ihm, gemeinsam mit genuesischen Truppen, immerhin die Einnahme von Dschubail (Byblos), rund 30 Kilometer südlich von Tripolis gelegen. Und so gelangen wir zum Lateinischen Königreich Jerusalem. Die genauen Umstände der Wahl Gottfrieds von Bouillon zum Herrscher von Jerusalem am 22. Juli 1099 liegen im Dunkeln. Die offizielle Entscheidung für Gottfried scheint – nach einer öffentlichen Debatte vor dem versammelten Heer – von den Anführern des Kreuzzuges getroffen worden zu sein. Zuvor war man jedoch auf inoffiziellem Wege auch schon an Robert von der Normandie und Raimund von Toulouse herangetreten, wobei Robert möglicherweise der Favorit gewesen war. Wir wissen fast nichts über Roberts Situation, weil niemand aus seinem Gefolge einen Bericht über den Kreuzzug geschrieben hat. Es dürfte jedoch bezeichnend sein, dass die ersten beiden römisch-katholischen Bischöfe, die in Palästina ernannt wurden und eine bedeutende Rolle in kirchlichen wie militärischen Angelegenheiten spielen sollten, zuvor Roberts Hauskapläne gewesen waren. Bevor der Kreuzzug Jerusalem auch nur erreicht hatte, wurde Robert von Rouen zum Bischof von Lydda (dem heutigen Lod) geweiht und gewann so die Kontrolle über den strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt Ramla. Arnulf von Chocques, der Kanzler des Herzogs, wurde nach der Eroberung der Stadt zum Patriarchen von Jerusalem gewählt. Es hieß später, Robert von der Normandie habe die ihm angebotene Regentschaft „aus Angst vor der damit verbundenen Anstrengung“ abgelehnt, wodurch er „seinen Adel mit einem unauslöschlichen Makel“ befleckt und die Strafe Gottes heraufbeschworen habe. Rai-
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mund von Toulouse lehnte ebenfalls ab, aber dabei muss es sich um eine reine Formsache gehandelt haben, denn es erwies sich als schwierig genug, Raimund zur Übergabe des Davidsturms, d. h. der Zitadelle von Jerusalem, an den römisch-katholischen Bischof von al-Bara, einen seiner eigenen Gefolgsleute, zu überreden, der die Zitadelle sofort an Gottfried übergab. Raimund war alt und krank, Gottfried von Bouillon dagegen – dank der Unternehmungen seines Bruders Balduin – verhältnismäßig reich. Gottfried scheint niemals den Titel „Beschützer des Heiligen Grabes“ (advocatus sancti sepulcri) verwendet zu haben, den man ihm oft zuschreibt. Stattdessen nannte er sich „Fürst“ oder „Herzog“. Als der größte Teil der Kreuzfahrer im August 1099 Palästina verließ, herrschte Gottfried über Jerusalem und einen Landgürtel, der sich von Ramla bis nach Jaffa an der Mittelmeerküste erstreckte. Bis zum Jahreswechsel wurden drei weitere Territorien an führende Kreuzfahrer vergeben, die mit Gottfried im Heiligen Land geblieben waren. Waldemar Carpenel, ein reicher Ritter aus der Nähe von Lyon, der sein ganzes restliches Leben der Verteidigung Jerusalems widmen wollte, hielt die südöstliche Grenze, darunter die Städte Hebron und Jericho. Nördlich von Jerusalem wurde das Gebiet um Nablus möglicherweise dem brabantischen Grafen Werner von Grez überlassen, der mit Gottfried von Bouillon verwandt und wahrscheinlich auch verschwägert war und in seinem Gefolge eine herausragende Position einnahm. Noch weiter im Norden hielt Tankred die Orte Bet Scheʿan und Tiberias; die letztgenannte Stadt war Anfang September 1099 von Gottfried von Bouillon besetzt worden, der sie Tankred zuerst als Vogtei, später als Lehen überließ. So weit hatten sich Gottfrieds Eroberungen erstreckt, als er am 18. Juli 1100 starb. Zusätzlich hatte er allerdings die Häfen von Askalon, Arsuf, Caesarea und Akkon zu Tributzahlungen verpflichtet und plante zum Zeitpunkt seines Todes einen Angriff auf Haifa und Akkon, den er mit der Unterstützung einer gerade eingetroffenen venezianischen Flotte zu unternehmen gedachte. Sein Bruder Balduin sowie Bohemund von Tarent waren die beiden naheliegenden Kandidaten für Gottfrieds Nachfolge. Beide hatten sich auf dem Kreuzzug als fähige Anführer hervorgetan und zudem weitläufige Territorien unter ihre Kontrolle gebracht. Von den anderen potenziellen Bewerbern befand sich Raimund von Toulouse gerade in Konstantinopel, während Gottfrieds älterer Bruder Eustachius III. von Boulogne bereits nach Europa zurückgekehrt war. Tankred unterstützte seinen Onkel Bohemund. Desgleichen tat der Erzbischof Daibert von Pisa, der von Papst Urban zum päpstlichen Legaten ernannt worden war, die Levante mit einer Pisaner Flotte im August 1099 erreicht hatte und nun zum Patriarchen von Jerusalem aufstieg. Aus der Sicht der Kirchenreformer, zu denen auch Daibert gehörte, war Bohemund einem Mann wie Balduin, dessen Familie im Investiturstreit den Kaiser unterstützt hatte, ohne Frage vorzuziehen, zumal er der Reform wenig begeistert gegenüberstand, wie die Ereignisse noch zeigen sollten. Zu den Unterstützern Balduins gehörten etwa diejenigen Angehörigen von Gottfrieds Gefolge, die in Palästina bereits Vertrauensstellungen innehatten. Die Unterstützer beider Kandidaten appellierten schrift lich an ihren jeweiligen Favoriten, die Regentschaft doch zu übernehmen. Dann trafen die Lothringer eine Vorsichtsmaßnahme und besetzten in Daiberts Abwesenheit Jerusalem, denn der Patriarch befand sich gemeinsam mit Tank-
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red bei der Belagerung von Haifa, das um den 20. August an die Kreuzfahrer fiel. Eine Nachricht von Daibert an Bohemund wurde von Anhängern Raimunds von Toulouse abgefangen, die sich noch in Latakia aufhielten, aber Bohemund verschwand im August sowieso von der Bühne, als er den Türken in die Hände fiel. Es war Balduin, der das Fürstentum Antiochia rettete, indem er schnell mit seinen Leuten aus Edessa zu Hilfe kam. Auch verstärkte er die armenische Garnison von Malatya, was jeglichen Vormarsch der Danischmendiden blockierte. Bevor er am 2. Oktober gen Süden aufbrach, sorgte er dafür, dass seinem Vetter Balduin von Bourcq die Grafschaft Edessa übertragen wurde. Am 9. November traf Balduin von Boulogne in Jerusalem ein, nahm vier Tage später den Königstitel an und wurde am Weihnachtstag 1100 in der Geburtskirche zu Bethlehem gekrönt.
Die Ausgestaltung der heiligen Stätten Die Ausgestaltung der heiligen Stätten
Obwohl die Kreuzfahrer für die Rückeroberung Jerusalems und seiner Heiligtümer kämpften, hatten sie doch ursprünglich angenommen, dass diese an das Byzantinische Reich zurückgegeben würden. Die ersten westeuropäischen Siedler, wenig zahlreich und isoliert, waren daher nicht auf die Aufgabe vorbereitet, die sich ihnen stellte. Wohl wussten sie, dass die Daseinsberechtigung ihrer Herrschaft darin bestand, die heiligen Stätten des Christentums zu bewahren und zu schützen – allein, sie fanden diese meist verlassen und nicht selten in einem beklagenswerten Zustand vor. Die einzigen Kirchen und sonstigen Heiligtümer in Jerusalem und Umgebung, die offenbar von griechisch-orthodoxen Priestern betreut wurden, waren die Anlage rund um das Heilige Grab, die Geburtskirche in Bethlehem, die Himmelfahrtskapelle auf dem Ölberg, das Kreuzkloster sowie möglicherweise die Kirche des heiligen Johannes des Täufers in ʿAin Kerem. Außerdem gab es bereits eine Klostergemeinschaft von italienischen Benediktinern der Cassinensischen Kongregation in der Abtei der heiligen Maria der Lateiner unmittelbar südlich des Heiligen Grabes. Gottfried von Bouillon stattete das Heilige Grab mit zwanzig Säkularkanonikern aus; dazu kamen – ebenfalls weltgeistliche – Kollegien unbekannter Größe am Tempelberg (im Felsendom) und auf dem Berg Zion. All diese Einrichtungen wurden später, gemeinsam mit der Gemeinschaft am Ölberg, in Stifte von AugustinerChorherren überführt. Die Ansiedlung von Kanonikern am Heiligen Grab, auf dem Tempelberg und dem Berg Zion muss es leichter gemacht haben, eine Verwendung für die vielen Kleriker zu finden, die mit dem Kreuzzug nach Jerusalem gekommen waren, und im Jahr 1103 hatten Mönche der Abtei der heiligen Maria der Lateiner und weltgeistliche Chorherren vom Heiligen Grab bereits begonnen, Ableger ihrer jeweiligen Häuser bei der Burg Montpèlerin kurz vor Tripolis einzurichten. Dennoch war der Bedarf an Klerikern für die genannten und andere Einrichtungen groß, und es kann den neuen Machthabern und Kirchenoberen nicht leicht gefallen sein, ihm gerecht zu werden. Es überrascht nicht, dass 21 von den 89 bekannten Teilnehmern des Ersten Kreuzzuges, die sich auf Dauer in der Levante niederließen, Männer der Kirche waren. Von
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den zehn Bischöfen, die mit dem Kreuzfahrerheer gezogen waren, blieb jedoch nur ein einziger in Palästina, und der zog sich aus dem tätigen Leben zurück und lebte dort zehn Jahre lang als Einsiedler. Die meisten der restlichen Kleriker taugten – wie schon erwähnt – nicht viel. Was damit gemeint ist, sollen zwei der wichtigsten frühen Ernennungen illustrieren. Arnulf von Chocques, der erste lateinische Patriarch von Jerusalem, war vor seiner Reise nach Palästina ein recht bekannter Gelehrter und der Lehrer von Cäcilia, der Schwester Roberts von der Normandie, gewesen. Noch in der Normandie hatte ihm Robert den ersten neu zu besetzenden Bischofssitz versprochen. Arnulf war ein allseits bewunderter Prediger, aber er hatte auch einen Ruf als Frauenheld und wurde als Patriarch bald durch Daibert von Pisa ersetzt. Der erste Priester an der Kirche der heiligen Maria im Kidrontal, die erst später zu einer Abtei erweitert wurde, war ein skandalumwitterter Mann namens Balduin, der in Europa Abt, auf dem Kreuzzug jedoch Hauskaplan Gottfrieds von Bouillon gewesen war. Balduin trug ein Kreuz auf die Stirn gebrannt und gab vor, ein Engel habe ihn mit diesem Brandmal gezeichnet. Seine Teilnahme am Kreuzzug finanzierte er durch die Opfergaben der Gläubigen. Es muss jedem außer ihnen selbst klar gewesen sein, dass diese frühen geistlichen Kolonisten dringend Hilfe brauchten. Von den vor 1131 in und um Jerusalem sesshaft gewordenen Siedlern, deren Identität sich feststellen lässt, waren mehr als 51 Prozent Kleriker. An ihren Beinamen lässt sich ablesen, dass die meisten von ihnen direkt aus Frankreich gekommen waren. Einige hochrangige Männer der Kirche hatte der Papst geschickt. Daibert von Pisa ist ja bereits erwähnt worden. Erzbischof Gibelin von Arles, der 1107 als päpstlicher Legat in das Heilige Land kam, wurde später ebenfalls Patriarch von Jerusalem. Bei anderen ist es nicht auszuschließen, dass die Herrscher selbst sie nach Palästina gerufen hatten. Gilduin von Le Puiset, ein Cousin König Balduins II. von Jerusalem, war Mönch des Klosters Cluny und Prior des Cluniazenserklosters Lurcy-le-Bourg gewesen, bevor er während einer Krisenzeit in Richtung Osten aufbrach, um dann 1120 Abt des Marienklosters im Kidrontal zu werden; wahrscheinlich hatte ihn der König eingeladen. Stephan von Chartres, Abt des Klosters Saint-Jean-en-Vallée in Chartres und ebenfalls ein Cousin König Balduins, kam 1128 als Pilger nach Jerusalem und wurde sofort zum Patriarchen ernannt. Höchste Priorität genossen der Wiederaufbau oder die Renovierung der berühmten Heiligtümer. Eine Eigenart Jerusalems war die sorgfältige Lokalisierung der in der Bibel berichteten Ereignisse. Dazu gehörte die Kreuzigung auf dem Hügel Golgotha genauso wie die Auferstehung aus dem Heiligen Grab; der Schauplatz des letzten Abendmahles galt zugleich auch als der Ort, an dem der Heilige Geist beim Pfingstereignis auf die versammelten Jünger herabgekommen war. Dazu kamen das gelehrte Gespräch des jungen Jesus mit den Schriftgelehrten im Tempel sowie die dortige Austreibung der Händler; seine Todesängste in der Nacht am Ölberg, kurz bevor er ganz in der Nähe, in Gethsemane, verhaftet wurde, sowie die Aufnahme der heiligen Jungfrau Maria in den Himmel aus einem Grab im Kidrontal – ein weiteres Auferstehungsheiligtum. Auch das Haus der Eltern Mariens, der heiligen Joachim und Anna, war ein Ort der Anbetung und lag noch dazu ganz in der Nähe des Teiches von Bethesda, an dessen Ufer Jesus einen Gelähmten
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geheilt hatte. Unter den genannten Schauplätzen wurden viele schon seit langem mit bestimmten Orten in Jerusalem identifiziert. Wenn auch etliche dieser Zuschreibungen reine Erfindung waren – die Johanniter etwa behaupteten, ihr Hauptquartier gehe auf ein Spital zurück, das die Makkabäer gegründet hätten, das später Zacharias, der Vater Johannes’ des Täufers, geleitet habe, und in dem Christus selbst ein- und ausgegangen sei –, so kam der Lokalisierung des Heilsgeschehens überragende Bedeutung zu: Nur so nämlich – an einem klar benennbaren Schauplatz, der spirituelle Kraft ausstrahlte und sich der besonderen Aufmerksamkeit der Heiligen erfreute – konnten die Gebete der Pilger ihre volle Wirkung entfalten. Bei Ankunft der Kreuzfahrer befand sich der größte Teil der heiligen Stätten in einem schlechten Zustand. Manche waren nur noch Ruinen, andere bedurften umfassender Instandsetzungs- oder doch Renovierungsarbeiten. Das Bauprogramm der Kreuzfahrer begann vergleichsweise schleppend, erreichte jedoch in den 1140er-Jahren unter dem Patronat der Königin Melisendis eine wahre Blütezeit. Die Verantwortlichen äußerten sich nicht öffentlich über ihre Absichten – jedenfalls ist keine Beschreibung ihrer Absichten erhalten –, aber es wird auch so deutlich, dass sie sich vor allem von zwei Beweggründen leiten ließen: dem Respekt vor der Heiligkeit der ihnen anvertrauten Reliquienschreine sowie den Bedürfnissen der Pilger, deren Ehrerbietung wiederum den Ruf der Heiligkeit mehrte. Es kamen nun mehr Pilger nach Jerusalem als jemals zuvor. Sie wollten, dass ihre Gebete von den Geistlichen der jeweiligen Wallfahrtsstätte ergänzt würden; noch dazu erwarteten sie sich eine freundliche Umgebung zur Unterstützung der Verrichtung ihrer Pilgerpflichten. Das sollte nun nicht unbedingt bedeuten, dass diese Umgebung von ehrfürchtiger Stille erfüllt sein musste. Das 12. Jahrhundert war eine zutiefst theatralische Epoche, und jedes Mittel war recht, öffentliche Emotionen zu schüren – durch dramatische Inszenierungen in Liturgie, Ritual und jeweiliger Situation. Eine Wallfahrtskirche, die am Ende eines langen und mühseligen Weges stand, wurde so gewissermaßen zu einer Bühne, auf der die Heiligkeit der Ereignisse oder Personen, deren Andenken sie dienen sollte, gleichsam reproduziert wurde als öffentliche Vorführungen religiöser Inbrunst. In Jerusalem konnte man regelmäßig solchen liturgischen Spektakeln beiwohnen, etwa der Vesperprozession in der Grabeskirche, die an jedem Samstag von Ostern bis zum Advent stattfand. Das theatralischste unter den „Schauspielen“ in jener Kirche fand jedoch nur einmal im Jahr statt: Das Wunder des Heiligen Feuers, bei dem sich eine der sieben Lampen in der Grabeskapelle von selbst entzündete. Die Grabeskapelle ist ein kleines, freistehendes Gebäude, in dem sich das eigentliche Heilige Grab befindet; überbaut ist sie mit einer Rotunde aus dem 11. Jahrhundert. Das Wunder ereignete sich am Karsamstag während der Liturgie des Heiligen Feuers, für das der Rest der Christenheit auf das Schlagen eines Feuersteines angewiesen war. Diesem Wunder, das als solches über Jahrhunderte von Christen und Muslimen gleichermaßen verehrt wurde, ging am Karfreitag das Löschen aller Lampen in der Grabeskapelle voraus, die daraufhin verschlossen und erst nach Eintreten des Wunders wieder geöff net wurde – wobei sie über kleine Fenster verfügte, durch welche das Flackern des Kerzenscheins sichtbar wurde, sobald einer der Dochte sich entzündet hatte. Die Liturgie in der von Menschen überfüll-
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ten Grabeskirche begann um neun Uhr morgens. Obwohl der Zeitpunkt der Entzündung des Heiligen Feuers schwankte und es auch an anderen heiligen Orten aufflammen konnte – etwa im Felsendom oder der Kirche des heiligen Johannes des Täufers –, kam es doch meist am Nachmittag in die Grabeskapelle. Gegen drei Uhr nachmittags, nach den vorgeschriebenen Lesungen, die wechselweise in griechischer und lateinischer Sprache gesungen wurden, und den angeschlossenen Psalmen und Gebeten begann ein griechisch-orthodoxer Vorsänger, der an einer Stelle unter der Rotunde stand, die dreifache Anrufung Kyrie eleison – Herr, erbarme dich! – mit seiner Antwort anzustimmen, was die Ankunft des Heiligen Feuers erwarten ließ. Zur selben Zeit näherte sich der Patriarch der Grabeskapelle. Ihm vorangetragen wurde die Reliquie des Wahren Kreuzes, er selbst hielt eine Kerze. Sobald das Wunder sich ereignet hatte, betrat der Patriarch die Kapelle und entzündete seine Kerze an jener Lampe, auf die sich das Heilige Feuer herabgesenkt hatte. Anschließend gab er das Licht an die Anwesenden weiter und zog mit dem Heiligen Feuer in einer feierlichen Prozession durch die Straßen Jerusalems zum Tempelberg. Lange schon hatte es im Westen die Tradition gegeben, steinerne Nachbildungen des Heiligen Grabes als Kulisse für liturgische Darstellungen von Jesu Einzug nach Jerusalem (am Palmsonntag) sowie seinem Leiden, Sterben und seiner Auferstehung (an den Ostertagen) zu verwenden. Die Absicht, welche den Männern und Frauen im Hochmittelalter dabei am Herzen lag, war nicht realistische Nachahmung, sondern symbolische Darstellung. Ihre Wirklichkeit glich jener der Ikonen, deren Zweck seit jeher darin besteht, den Zugang zu einer unveränderlichen Wahrheit zu eröff nen, die gewissermaßen hinter ihnen liegt. Ganz ähnlich hatten die neuen Herren von Jerusalem niemals die Absicht, die sinnlich-physische Realität jener Szenen an ihren jeweiligen Schauplätzen zu reproduzieren. Vielmehr wollten sie – sofern dies überhaupt möglich war – einen Eindruck von ihnen vermitteln, wobei die alltägliche Lebenswelt durch die Beimischung anderer, „höherwertiger“ Komponenten ergänzt wurde. An einigen Stätten waren ihre Ziele schon in einer angemessenen Weise umgesetzt worden; ohnehin waren die betreffenden Gebäude in ihrem vertrauten Zustand derart bekannt, dass drastische bauliche Veränderungen nur kontraproduktiv gewesen wären. Zwar verwandelten sie den Felsendom in eine Kirche, ließen ihn und die Geburtskirche in Bethlehem jedoch architektonisch mehr oder minder unangetastet: Lediglich die Ausstattung der Innenräume wurde neu gestaltet. Bemerkenswert sind insbesondere die Mosaiken, Fresken und Skulpturen in der Geburtskirche, die in der Forschung als eines der umfänglichsten und komplexesten Bildprogramme des Mittelmeerraums gewürdigt worden sind. Das Grab Jesu war bereits im 4. Jahrhundert von den Baumeistern des Kaisers Konstantin vom Rest der Felsenwand, in die es gegraben war, abgetrennt und von einem kleinen Schrein, einer sogenannten Ädikula, umschlossen worden. Die im 12. Jahrhundert bestehende Ädikula war jedoch vermutlich ein byzantinischer Neubau aus den 1030erJahren, den die Verwüstungen unter dem Kalifen al-Hakim nötig gemacht hatten. Die Griechen hatten eine künstliche Höhle geschaffen, und auch die Ädikula behielt den Charakter einer – wenn auch üppig verzierten – Grabkammer. Es gab einen Durchbruch zu einem östlich anschließenden Raum, sodass die Pilger zu einer Tür hinein- und zur
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anderen wieder hinauskonnten. Die Kreuzfahrer sorgten nun lediglich dafür, dass dieses kleine Gebäude mit Mosaiken ausgeschmückt, mit Silberornamenten verziert und mit einer Kuppel versehen wurde. Aber schließlich war es ja auch erst rund sechzig Jahre alt, als sie Jerusalem erreichten. Hinsichtlich der ebenfalls im Inneren der Grabeskirche befindlichen Golgotha-Kapelle gingen sie ähnlich vor. Diese befindet sich auf einem Felsplateau, zu dem Konstantins Ingenieure den vormaligen Kreuzeshügel reduziert hatten. Der eigentliche Schauplatz der Kreuzigung – die Spitze des Hügels – blieb, wie ja auch der Fels, in welchen das Grab geschlagen war, sichtbar; nur wurde er mit einer Fassung aus Marmor umgeben. Im Gegensatz zur Ädikula war jedoch – aus nachvollziehbaren Gründen – niemals versucht worden, die Szenerie einer tatsächlichen Felskuppe unter offenem Himmel nachzustellen, womöglich gar an der Bruchkante eines aufgelassenen Steinbruchs! In ihrem Inneren war die Golgotha-Kapelle ganz Düsternis und Schwermut, die aus Sicht der Pilger, die aus der sonnendurchfluteten Helle des Tages eintraten, noch verstärkt wurde: Hier konnte man kaum die Umrisse der Mosaiken erahnen, die im Kerzenschein matt schimmerten. So konnte die gesamte Aufmerksamkeit auf die Felsenspitze des Kreuzeshügels gelenkt werden, die von einem Altar umschlossen war und immerhin ein sicht- und greifbares Zeugnis des Heilsgeschehens bereithielt: das Loch im Boden, in welches das Kreuz gerammt worden war. Wo sie das für notwendig hielten, begannen die lateinischen Siedler jedoch, durchaus umfangreiche Bauarbeiten, und diese gewähren uns nicht selten Einblicke in ihre Mentalität. So verhält es sich beispielsweise mit dem Abendmahlssaal auf dem Berg Zion, jenem „Obergemach“, in dem der Überlieferung zufolge nicht nur das letzte Abendmahl, sondern auch die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten stattgefunden hatte, und das seit Jahrhunderten als Schauplatz dieser Ereignisse angesehen wurde. Die entsprechenden Evangelienpassagen stellen deutlich fest, dass sich der gesuchte Raum in einem zweigeschossigen Haus befand, aber die Kirche des Entschlafens (der Maria), zu deren Gebäudekomplex auch der Abendmahlssaal gehörte, war 1099 wenig mehr als eine Ruine. In diesem Fall mussten die lateinischen Siedler also Wiederaufbauarbeit leisten. Heute ist auch von ihrer Kirche nur wenig erhalten, darunter der Abendmahlssaal selbst, bei dem es sich um eine gotische Kapelle aus dem 12. Jahrhundert handelt. Die mittelalterlichen Zeitgenossen wären von der Realität einer kleinen, dämmrigen, alles in allem wenig eindrucksvollen Kammer aus dem 1. Jahrhundert wohl eher enttäuscht gewesen, und so wurde der Raum von den Lateinern vermutlich mindestens zwei Mal neu gestaltet, bevor sie ihm seine endgültige Gestalt verliehen. Das viergeteilte Rippengewölbe, das auf dünnen Säulen ruht, entspricht offenkundig der damaligen Vorstellung einer Räumlichkeit, die des letzten Abendmahles würdig war. Einer der Pilger schrieb mit Bezug auf die Größe einer früheren Gestalt des Raums, jener sei tatsächlich groß genug für ein Mahl des Heilands mit seinen Aposteln. Der große Anklang, den die endgültige Gestaltung des Abendmahlssaales in der christlichen Welt fand, lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass seine Form zum Vorbild für die Refektorien (Speisesäle) westeuropäischer Augustinerstifte wurde.
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Es war den Erbauern ein Anliegen, durch einen gen Himmel gerichteten ständigen Strom von Gebeten die Bitten der Pilger zu verstärken. Aus diesem Grund findet man in Palästina viele Beispiele der gängigen christlichen Praxis, einen Hochaltar oder Chorraum direkt über einer Krypta zu platzieren, in welcher eine Heilige oder ein Heiliger begraben oder die auf andere Weise geheiligt war. Dem entspricht etwa die Jerusalemer St.-Annen-Kirche, die als leicht unregelmäßiger romanischer Bau so errichtet wurde, dass der Altarraum genau über der Krypta lag, in welcher der Überlieferung zufolge die Gottesmutter Maria geboren worden war. Ein besonders ambitioniertes Beispiel derselben Praxis fand sich in Bethanien vor den Toren der Stadt, das gleich mehreren Evangelienberichten als Schauplatz diente: Es galt als der Ort, an dem Jesus seinen triumphalen Einzug nach Jerusalem am Palmsonntag begonnen hatte, und es war das Dorf der Schwestern Martha und Maria (die mit Maria Magdalena identifiziert wurde). Hier hatte das Haus Simons des Aussätzigen gestanden, wo Maria Magdalena Jesus mit kostbarem Öl gesalbt hatte. Außerdem war es das Dorf, in dem Jesus den Bruder der beiden Schwestern, Lazarus, von den Toten erweckt hatte. Bethanien wurde in den Jerusalemer liturgischen Jahreskreis aufgenommen: Am Palmsonntag sowie an anderen Festtagen des Kirchenjahres fanden Prozessionen zwischen Jerusalem und seinem Vorort statt. In Bethanien gab es bereits eine Kirche aus dem 6. Jahrhundert, von der man glaubte, sie sei über dem Haus Simons des Aussätzigen errichtet worden. Westlich der Kirche, jenseits einer Freifläche, befand sich das Höhlengrab, aus welchem der Überlieferung zufolge Lazarus auferstanden war. Im Jahr 1138 fiel diese Kultstätte an das frisch gegründete Benediktinerinnenkloster St. Lazarus von Bethanien. Die Königin Melisendis hatte es gegründet und ihre Schwester Ioveta (oder Jutta) zur Äbtissin bestimmt. Die Nonnen versahen das unterirdische Grab mit einem großen, von einem Tonnengewölbe getragenen Vorraum; auf dem felsigen Boden darüber ließen sie eine dreischiffige Basilika errichten. Diese Kirche wurde 1187 von den Truppen Saladins zerstört, weshalb sich von ihrer Innenausstattung kaum etwas erhalten hat. Zweifellos bedeutsam ist jedoch die Tatsache, dass sich der Chorraum der Klosterkirche unmittelbar über dem Lazarusgrab befunden hat, wodurch die Gebete der Benediktinerinnen von der Heiligkeit des Ortes beflügelt wurden, diese aber zugleich noch verstärkten. Das bedeutendste Heiligtum von allen war jedoch die Grabeskirche im Herzen von Jerusalem. Geweiht wurde sie am 15. Juli 1149, dem fünfzigsten Jahrestag der Eroberung Jerusalems durch den Ersten Kreuzzug, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertiggestellt war. Als die Kreuzfahrer Jerusalem eroberten, hatte es an der Stelle des Heiligen Grabes noch keine einheitlich zusammenhängende Kirche gegeben, sondern nur eine Vielzahl einzelner kleiner Schreine, die um einen offenen Platz herum angeordnet waren. Zu ihnen gehörten das eigentliche Grab, der nahegelegene Kreuzeshügel sowie – in etwas größerer Entfernung – die Ruinen der Basilika, die Kaiser Konstantin an jener Stelle hatte errichten lassen, an der seine Mutter Helena im Jahr 320 das Wahre Kreuz aufgefunden hatte. Das Bauprogramm der projektierten Grabeskirche, an deren Errichtung Steinmetzen, Bildhauer, Mosaikenleger und Maler aus Europa und Asien Anteil hatten, war von bestechender Originalität. Ein Pilger würde natürlich detaillierte Kennt-
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Die Grabeskirche in Jerusalem. Die neu gestaltete Kirche, welche die Schauplätze der Kreuzigung und Auferstehung Jesu unter einem Dach vereinte, wurde am 15. Juli 1149 geweiht, dem fünfzigsten Jahrestag der Eroberung Jerusalems durch das Heer des Ersten Kreuzzuges. Pilger betraten das Bauwerk damals über den Treppenaufgang rechts im Bild, der direkt zur GolgothaKapelle führte. Durch das Doppeltor in der Bildmitte traten sie wieder auf den Vorplatz. Die rechte Hälfte dieses Ausgangstores wurde nach der Einnahme Jerusalems durch muslimische Truppen im Jahr 1187 zugemauert.
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nisse von der Erzählung gehabt haben, in deren Verlauf Jesus aus der Stadt heraus nach Golgotha gebracht wurde, wo – wie manche glaubten – viele Jahrhunderte zuvor auch der Stammvater Adam begraben worden war. Jesus wurde an dem Hügel festgehalten, während sein Kreuz bereitet wurde. Dann wurde er gekreuzigt. Nachdem Jesus gestorben war, wurde sein Leichnam eilig mit duftenden Gewürzen und Öl gesalbt und ganz in der Nähe in ein unbenutztes Grab gebettet. Dieses Grab lag an einem Garten, in dem Maria Magdalena, nachdem sie am Ostermorgen das leere Grab entdeckt hatte, einen Mann angesprochen und ihn gefragt hatte, wohin Jesu Leichnam gebracht worden sei. Sie hielt diesen Mann für einen Gärtner, aber in Wahrheit war es der auferstandene Christus. Beinahe drei Jahrhunderte später hatte Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, das Kreuz, an das Jesus geschlagen worden war, aus einer nahe gelegenen Grube zutage fördern lassen. Die lateinischen Siedler beschlossen zunächst, den Innenhof zu überdachen, in dem sich die erwähnten Einzelschreine befanden. Zum ersten Mal sollten die Schauplätze von Jesu Tod und Auferstehung unter einem Dach, in einem einzigen, riesigen und üppig verzierten Gebäude vereint werden. Die neue Kirche sollte die bekannten Elemente der großen europäischen Wegkirchen beibehalten, deren ganzer Aufbau darauf hinzielte, den Gläubigen zum Allerheiligsten zu geleiten; so war etwa ein Wandelgang um den Chorraum herum vorgesehen. Zusätzlich sollte die Grabeskirche jedoch eine Anzahl zusätzlicher – und zugehöriger – Weihestätten beherbergen. Jede einzelne – die Adamskapelle, die Kapelle der heiligen Helena und die Kreuzauffindungskapelle, der Ort, an dem Jesus gefangen gehalten und derjenige, an dem sein Leichnam gesalbt wurde – hätte in Westeuropa ein bedeutendes Pilgerziel dargestellt – um wie viel anziehender waren sie in ihrer Häufung! Die Bauarbeiten mussten mitten in der Stadt auf dicht bebautem Gelände durchgeführt werden: Eine Vielzahl früherer Sakralbauten aus römischer und byzantinischer Zeit stand im Weg. Die heiligen Stätten im Inneren der Anlage konnten jedoch nicht verschoben werden, denn sie waren ja eindeutig identifiziert worden. Alle Entscheidungen darüber, wie der Grundriss der neuen Grabeskirche auszusehen hatte, welche Anteile des Bestehenden bewahrt und welche abgerissen werden sollten, scheinen bereits zu Beginn der Bauarbeiten getroffen worden zu sein. Die byzantinische Rotunde rund um das eigentliche Grab wurde beibehalten, wobei allerdings ihre östliche Apsis abgebrochen wurde, um die Verbindung zu einer neuen gotischen Kirche zu ermöglichen. Die Ädikula und die Golgotha-Kapelle wurden beibehalten, aber ausgeschmückt. Das „Gefängnis Christi“ aus byzantinischer Zeit wurde ebenfalls beibehalten, und dies führte – womöglich aus Gründen der Ästhetik – zur Schonung einer byzantinischen Arkade sowie einer römischen Mauer aus der Zeit Konstantins. Zugleich beschloss man jedoch, drei kleinere Schreine an der Ostseite des vormaligen Innenhofes abzureißen und sie durch drei strahlenförmig an den Chorumgang anschließende Kapellen zu ersetzen. Die Kirche vom Heiligen Grab stellt die beste Veranschaulichung der kreuzfahrerischen Frömmigkeitsvorstellungen dar. Nachdem die Entscheidung gefallen war, den Innenhof zu überdachen und ein einziges Gebäude zu errichten, das all die unterschied-
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lichen Elemente vereinte, die man auf Grundlage der Evangelienberichte aufgespürt hatte, entstand ein in sich geschlossenes „Bühnenbild“, in welchem die Gläubigen frei umhergehen konnten. Die Vorteile lagen auf der Hand: Die Pilger würden nicht mehr abgelenkt werden, wenn sie auf dem Weg von einem Schrein zum nächsten den offenen Innenhof überquerten. In einem geschlossenen Raum war es einfacher, zur Besinnung zu kommen, während sich jene äußeren Einflüsse, die zu einer förderlichen Atmosphäre beitragen sollten – der Geruch von Weihrauch, der Klang von Glocken oder Gesängen –, problemlos regulieren ließen. Es ist bezeichnend, dass die europäischen Baumeister der Grabeskirche den Altarraum, aus welchem die feierlichen Fürbitten des Chorgebets zum Himmel aufsteigen sollten, genau in der Mitte der Kirche platzierten: östlich des Grabes, nördlich des Kreuzigungsortes, südlich des Gefängnisses, westlich der Grotte des Wahren Kreuzes. Bei der Ankunft sahen sich die Pilger einem großen Doppeltor gegenüber. Normalerweise betraten sie die Kirche jedoch nicht auf diesem Weg, sondern stiegen stattdessen eine außen am Gebäude befindliche Treppe zur Golgotha-Kapelle empor. Nachdem sie dort gebetet und des Todes Jesu am Kreuz gedacht hatten, stiegen sie, an der Adamskapelle vorbei, in die Hauptkirche hinab. Auf dem Weg passierten sie auch einen Riss im Grundgestein, von dem es hieß, er habe sich im Augenblick des Kreuzestodes aufgetan, wovon getrocknete Blutspritzer auf dem Gestein noch immer zeugten. Von der Felsspalte aus konnten die Pilger direkt in die Ädikula des Heiligen Grabes hinübergehen, die nur etwa dreißig Meter entfernt lag. Doch selbst auf diesem kurzen Wegstück passierten sie noch einen weiteren Gedächtnisort: Unter einer Kuppel, die ihr byzantinisches Gegenstück über der Rotunde harmonisch ergänzte, befindet sich die Stelle, an der Jesu Leichnam nach der Kreuzabnahme und vor der Bestattung gesalbt worden sein soll. Nach dem Besuch des Heiligen Grabes konnten die Pilger die restliche Kirchenanlage erkunden, von der man glaubte, sie befinde sich auf dem Gelände des Gartens, in dem die Auferstehung sich ereignet hatte (auf diesen Umstand verweisen womöglich die Laubwerkkapitelle der baumartigen Säulen). Sie konnten zum Beispiel das Gefängnis Jesu besuchen oder einen Rundgang durchschreiten, von dem mehrere Seitenkapellen abgingen; zwei von ihnen enthielten Reliquien des Wahren Kreuzes. Oder sie stiegen über eine Treppe in jene Grotte hinab, in der das Wahre Kreuz aufgefunden worden war – oder, im Gegenteil, nach oben auf die Emporen, durch welche der Kirchenneubau mit der bestehenden Rotunde verbunden war. Und wohin sie auch gingen: Inschriften, Skulpturen, Mosaiken und Fresken erinnerten sie an die Geschehnisse, die sich an der entsprechenden Stelle zugetragen hatten, die sie verehrten. Für die meisten Pilger sagten die gemalten oder als Mosaiken ausgefertigten Abbildungen wohl mehr aus als die Inschriften, und es scheint, dass die dargestellten Szenen recht eindeutig und einfach zu verstehen waren. Leider sind die meisten dieser Abbildungen im Laufe der Zeit zerstört worden, und wir verfügen über so wenige fragmentarische Beschreibungen, dass nur einige wenige zu identifizieren sind. Wiederum scheinen die Lateiner jene älteren Werke bewahrt zu haben, die sie bewunderten oder für nützlich erachteten. Eine große byzantinische Darstellung der Auferstehung wurde sogar
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von der Rotunde in die neue östliche Apsis über dem Hochalter versetzt. Überhaupt ergänzten sie lieber, als dass sie ersetzten. Über einer der Doppeltüren am Eingang der Grabeskirche befand sich ein Mosaiktympanon, das den Auferstandenen bei seiner Begegnung mit Maria Magdalena in dem Garten nahe dem Grab zeigte. Die Bedeutsamkeit der Tatsache, dass die erste Zeugin der Auferstehung ausgerechnet eine reuige Sünderin war, wird jenen Pilgern, die sich auf einer Bußwallfahrt befanden, nicht entgangen sein. Unter dieser Darstellung befand sich über dem einen Türsturz ein Skulpturenfries, der Szenen von der Erweckung des Lazarus bis zum letzten Abendmahl zeigte. Womöglich sollte diese Bilderfolge ursprünglich über dem anderen Türsturz fortgesetzt werden, wobei dann wohl der Verlauf der Passionsgeschichte zur Abbildung gekommen wäre; allein, der Doppelfries wurde niemals vollendet, und so ziert nun eine steinerne Weinranke mit Menschen und Vögeln den frei gebliebenen Platz. Über dem Eingang zum Heiligen Grab selbst befanden sich Mosaiken, die Christus in seiner Grabkammer zeigten, dazu die Heilige Jungfrau Maria sowie die „Drei Marien“ mit ihren Salbgefäßen, die vor dem leeren Grab auf den Engel treffen, der gerade den Stein vom Eingang weggerollt hat. Die Lateiner ließen auch das Ensemble traditioneller Malerei in der Golgotha-Kapelle unangetastet, darunter eine byzantinische Kreuzigung über dem Altar, aber sie fügten den bestehenden Darstellungen von Propheten und Königen des Alten Testaments einige hinzu und ergänzten auch die Überbleibsel eines Mosaiks, das die Himmelfahrt Jesu darstellte. An der Stelle, an der die heilige Helena angeblich das Wahre Kreuz aufgefunden hatte, entstand ein Fresko der Kreuzigung. Wie geschrieben worden ist, müssen wir uns „die Grabeskirche mit all dem Glanz und der dezenten Fülle ausgeschmückt vorstellen, wie sie uns aus dem Markusdom von Venedig geläufig ist“. Obwohl zur Umsetzung dieser Baumaßnahmen griechische und einheimische Handwerker herangezogen wurden, trugen die Kirchen- und Klosterbauten in allen lateinischen Siedlungsgebieten der Levante, was ihre Gestaltung anging, erkennbar westliche Züge. In ganz Europa wurden erstklassige Bildhauer angeworben, die sich bestimmten Aufträgen widmen sollten. So war es etwa bei den Kapitellen und dem Portal der Kathedrale von Nazareth. Oder aber die in Europa angeworbenen Spezialisten richteten mehr oder minder dauerhafte Werkstätten im Heiligen Land ein, wo ihre Handwerkskunst mit den Einflüssen anderer westlicher Einwanderer in Berührung kam – so geschehen in der Jerusalemer „Tempelwerkstatt“, die von circa 1170 bis 1187 aktiv war und sich um einen harten Kern provenzalischer Handwerker herum gruppierte. Und der Glanz der Kirchen spiegelte sich in ihrer inneren Ausstattung wider. Noch heute ist eine Reihe prachtvoller liturgischer Handschriften aus jener Epoche erhalten. Eine davon, ein Exemplar von allererstem Rang, wurde für die Königin Melisendis persönlich angefertigt, doch auch die anderen bezeugen, dass im Skriptorium des Heiligen Grabes wahre Meister ihres Fachs beschäftigt waren. Die Kosten für die Wiederherstellung der heiligen Stätten müssen enorm gewesen sein, und sie konkurrierten ja sogar noch mit allen möglichen Bauvorhaben überall in den Siedlungsgebieten. Derartige Summen hätte das Königreich Jerusalem niemals allein aufbringen können, das ja ständig militärisch bedroht war; selbst die Zölle und Abgaben,
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die von den Pilgern erhoben wurden, oder die Opfergaben, welche die Pilger freiwillig darbrachten, reichten dafür schwerlich aus. Daher ist zu vermuten, dass beträchtliche Hilfsgelder aus Europa die Kassen der Kreuzfahrer füllten, auch wenn darüber keinerlei Aufzeichnungen erhalten sind. Aber das Ergebnis rechtfertigte fraglos die Spesen. Der Eindruck, den man vom katholischen Jerusalem des 12. Jahrhunderts gewinnt, ist der eines kultischen Zentrums, das intelligent verwaltet wurde. Heiligtümer, die sich unter europäischen Pilgern schon einer gewissen Bekanntheit erfreuten, wurden nicht angetastet, es sei denn, um sie weiter zu verschönern. Einige der berühmtesten Stätten waren durch die neue Grabeskirche miteinander und mit angrenzenden Heiligtümern in Beziehung gesetzt worden. Der entstandene Kirchenbau stellte einen Komplex dar, der sämtliche Vorzüge eines großen Wallfahrtsortes in sich vereinigte, darunter nicht zuletzt die Sicherheit, die von regelmäßig verrichtetem Fürbittgebet ausging. Der Abendmahlssaal und Bethanien schließlich wurden auf schlaue Weise für den Pilgerverkehr erschlossen. Das Bauprogramm in Jerusalem führt deutlich vor Augen, wie feinfühlig die Siedler auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Wallfahrer eingingen, die zwei Mal im Jahr in Jerusalem eintrafen und deren Pilgerschaft die alleinige Daseinsberechtigung des Königreichs Jerusalem darstellte.
Die Gründung der lateinischen Kirche im Heiligen Land Die Gründung der lateinischen Kirche im Heiligen Land
Der Aufbau der lateinischen Kirche in Palästina und Syrien erfolgte in den zwei Jahrzehnten nach der Eroberung. Die Kreuzfahrer waren in eine Gegend gekommen, in der zahlreiche Glaubensgemeinschaften zusammenlebten. Im Norden war die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung christlichen Glaubens. Zumeist handelte es sich um armenische oder jakobitische Monophysiten. Allerdings gab es auch nennenswerte griechischorthodoxe Gemeinden, vor allem in der Gegend um Antiochia. Und im Süden? Wenn man eine unbekannte Anzahl von Übertritten zum Katholizismus einmal außer Acht lässt, bei der ab den 1180er-Jahren sich ganze unierte Glaubensgemeinschaften der römischen Kirche anschlossen, nämlich die Maroniten und ein Teil der Armenier konvertierten, bestand auch im Süden der Levante die Bevölkerung aus mehreren christlichen Gruppen: griechisch-orthodoxen Christen arabischer Muttersprache, verschiedenen monophysitischen Gemeinschaften – insbesondere Jakobiten, Armeniern und Kopten – und Nestorianern. Es gab hier außerdem mehr Muslime als im Norden: diverse sunnitische und schiitische Gruppen, darunter die Drusen. Dennoch ist in der Forschung die Vermutung geäußert worden, Muslime hätten zu jener Zeit selbst im Süden Palästinas (noch) nicht die Mehrheit der Bevölkerung gebildet. Daneben gab es Juden verschiedener Schulen, Samaritaner und einige Zoroastrier. Letzten Endes mussten sich die Siedler mit allen Gruppen arrangieren, die nunmehr unter ihrer Herrschaft standen, aber anfangs waren sie wild entschlossen, alle Ungläubigen – seien es nun Juden oder Muslime – aus jenen Orten und Gebieten zu vertreiben, die von besonderer religiöser oder militärischer Bedeutung waren. Diese Politik ist bereits
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im Winter 1097 / 1098 zu beobachten: In Tilbeşar, Ravanda und Artah wurden die Muslime massakriert oder vertrieben, während die einheimischen Christen bleiben durften. Bei ihrer Eroberung von Antiochia im Juni darauf verfolgten die Kreuzfahrer dieselbe Strategie – obwohl es hieß, bei dem Angriff in der Morgendämmerung sei es allzu schwer gefallen, christliche und muslimische Einwohner der Stadt auseinanderzuhalten. Ähnlich gingen sie im Juli 1099 bei der Eroberung Jerusalems vor: Die überlebenden Muslime und Juden wurden aus der Stadt vertrieben und durften nicht zurückkehren – es sei denn als Pilger. De facto lebten im späteren 12. Jahrhundert dann aber doch wieder einige Juden und Muslime in der Stadt. Die in Jerusalem ansässigen Christen durften bleiben, aber die nach der Vertreibung der jüdischen und muslimischen Einwohner vergleichsweise kleine Einwohnerzahl bewog die neuen Machthaber zu drastischen bevölkerungspolitischen Maßnahmen wie etwa der Umsiedlung christlicher Dorfbewohner aus Gebieten östlich des Jordans. Wahrscheinlich setzte man darauf, dass nachströmende Siedler aus Westeuropa den Platz der vertriebenen Muslime und Juden einnehmen würden. Bei den frühesten Eroberungen war es oft so, dass mit der Besiedlung die Errichtung eines römisch-katholischen Bistums einherging, von dessen frisch ernanntem Bischof auch erwartet wurde, dass er – nach dem Vorbild gewisser europäischer Grenzbistümer – ein gewisses Maß an militärischem Engagement und Kommandoverantwortung übernahm. Beispiele hierfür waren al-Bara in Syrien, das von Raimund von Toulouse im Herbst 1098 eingenommen wurde; Ramla in Palästina, das der Kreuzzug im Juni 1099 erreichte; und Caesarea, das im Mai 1101 an die Kreuzfahrer fiel. Zugleich waren die Eroberer darauf bedacht, die amtierenden orthodoxen Bischöfe nicht von ihren Posten zu entfernen; vielmehr erkannten sie deren Legitimität und Autorität an. So wurde der orthodoxe Patriarch von Antiochia, Johannes IV., der sich während der Belagerung in der Stadt befunden und entsprechend gelitten hatte, nach der Neuweihe seiner Kathedrale wieder in Amt und Würden eingesetzt und mit allen Ehren behandelt. Aber ein Beschluss des Konzils von Clermont, der mit Blick auf Spanien verfügt hatte, befreite Kirchen sollten zu den Territorien ihrer Eroberer gehören, wurde nun herangezogen, um die Ernennung lateinischer Bischöfe zu rechtfertigen, wo es entweder keine orthodoxen Bistümer gab oder zumindest eine Sedisvakanz bestand. Der römisch-katholische Patriarch von Jerusalem, inthronisiert gerade einmal vierzehn Tage nach der Befreiung der Stadt, war in dem Wissen gewählt worden, dass der Patriarchenthron vakant war, denn der orthodoxe Patriarch Simeon, der den Kreuzzug einen Teil des Weges begleitet hatte, war kurz zuvor auf Zypern gestorben. Sobald klar wurde, dass die erhoffte Einwanderung westeuropäischer Kolonisten niemals ein Ausmaß annehmen würde, das die Errichtung eines rein christlichen Staates ermöglicht hätte, ließen sich auch die ethnischen Säuberungen nicht unbegrenzt fortsetzen. Die Einnahme von Sidon im Jahr 1110 stand für eine neue Politik und die Einsicht, dass die Anwesenheit von Nichtchristen in den größeren Städten unumgänglich war. Andererseits begann zu jener Zeit die Akzeptanz der amtierenden orthodoxen Bischöfe zu schwinden. Am Weihnachtstag 1099 weihte Daibert von Pisa, nunmehr Patriarch von Jerusalem, römisch-katholische Erzbischöfe von Tarsus, Misis und Edessa sowie einen
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Bischof von Artah. Die betreffenden Kirchenmänner hatten ihre weltlichen Herren, Bohemund von Antiochia und Balduin von Edessa, nach Jerusalem begleitet. Die Städte, als deren Bischöfe sie vorgesehen waren, beherbergten große Gemeinden einheimischer Christen, und es ist wenig wahrscheinlich, dass die dortigen orthodoxen Bischofssitze allesamt unbesetzt waren. Die genannten Städte lagen außerdem im Verfügungsbereich des Patriarchen von Antiochia, und darum mag es sein, dass der Jerusalemer Patriarch Daibert die Bischofsweihen erst vornahm, nachdem sein orthodoxer Amtsbruder Johannes sich geweigert hatte, dies zu tun. Daibert hätte sich hierbei auf seinen Status als päpstlicher Legat berufen können. Den Bischofsweihen folgten sechs Monate später die Vertreibung des orthodoxen Patriarchen Johannes aus Antiochia und seine Ablösung durch einen katholischen Nachfolger. Johannes’ Lage wurde unerträglich – oder ihm unerträglich gemacht –, und so zog er sich bald in das Kloster Oxia zurück. Die Lateiner betrachteten dies als Abdankung. Man hat den Kurswechsel im Verhältnis zu den amtierenden orthodoxen Bischöfen einer angeblichen Griechenfeindlichkeit Daiberts angelastet, doch der tatsächliche Hintergrund waren wohl die byzantinischen Einfälle nach Kilikien sowie das offenkundige Bestreben der Byzantiner, die Kontrolle über Antiochia zu erlangen. Tarsus und Misis beherrschten die Straßen nach Kilikien. Artah bewachte die Straße, die von Antiochia nach Osten führte. Edessa hatte seine strategische Bedeutung bereits im Sommer 1098 unter Beweis gestellt. In der fernen Normandie erzählte man sich, die lateinischen Siedler befürchteten einen Verrat des Patriarchen Johannes, der Antiochia dem byzantinischen Kaiser habe überlassen wollen, nachdem Bohemund in türkische Gefangenschaft geraten war. Die Einsetzung einer ganzen Reihe römisch-katholischer statt griechisch-orthodoxer Bischöfe war die Reaktion auf den militärischen und politischen Druck seitens des Byzantinischen Reiches, und es ist gewiss kein Zufall, dass im Syrien des frühen 12. Jahrhunderts in kürzerer Zeit mehr katholische Bistümer errichtet wurden als in Palästina, wo es noch um 1120 neben dem Patriarchen nicht mehr als vier römisch-katholische Bischöfe gab. Die meisten dieser frühen Ernennungen betrafen wenig geeignete Männer. Auch ansonsten dürften die Standards innerhalb der Siedlerkirche nicht dem entsprochen haben, was sich der Papst gewünscht hätte. Der oberste Abgesandte Urbans II., Adhémar von Le Puy, war schon 1098 gestorben, und die ersten lateinischen Herrscher von Jerusalem hatten im Investiturstreit die Partei des Kaisers ergriffen. Das musste allerdings nicht ausschließen, dass sie auch gewisse Sympathien für die Ideen der Reformbewegung hegten, denn viele Kaisertreue waren ja durchaus Anhänger der Kirchenreform, die sich von den Getreuen des Papstes nur hinsichtlich der Mittel unterschieden, mit welchen die Reform ihrer Ansicht nach ins Werk gesetzt werden sollte. Doch zeigten weder Gottfried von Bouillon noch Balduin I. die geringste Zuneigung für das Reformprogramm. Balduin, der zum Geistlichen ausgebildet worden war und sich deshalb der zur Diskussion stehenden Probleme bewusst gewesen sein dürfte, stand den Reformern sogar mit deutlicher Ablehnung gegenüber. Vor diesem Hintergrund sollte auch Balduins Konflikt mit Daibert von Pisa betrachtet werden. Papst Urban hatte Daibert nach dem Tod Adhémars von Le Puy zu dessen Nach-
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folger als oberster päpstlicher Legat in der Levante bestimmt. In dieser Funktion saß Daibert nach seiner Ankunft in Jerusalem kurz vor Weihnachten 1099 einem Konzil vor, welches die Bestätigung des designierten Patriarchen Arnulf von Chocques verweigerte. Stattdessen wurde Daibert selbst zum Patriarchen gewählt und leitete in der Folge eine Zeremonie, bei der Gottfried und Bohemund offiziell in ihre Herrscherämter eingesetzt wurden. Es mag sein, dass allen dreien dabei eine Belehnung durch den Papst vorschwebte, dessen Legat Daibert ja noch immer war; oder die Errichtung von Vasallenstaaten des Heiligen Grabes, ähnlich etwa dem Kirchenstaat in Europa; oder es ging Gottfried und Bohemund lediglich um die Bestätigung ihrer Herrschaftsansprüche durch einen Vertreter des Heiligen Stuhls, einer geistlichen und weltlichen Macht, deren Befugnis zu einer solchen Legitimation allgemein anerkannt war. Doch was immer ihre Absichten gewesen sein mögen: Die künftigen Herrscher von Jerusalem und Antiochia galten zu keiner Zeit als Vasallen des Papstes oder des Patriarchen. Was die finanzielle Ausstattung seiner Kirche anging, entschloss sich Daibert zu einer radikalen Lösung. Ihm schwebte für sein Patriarchat ein Kirchengut vor, wie es der Heilige Stuhl in Italien mit dem Patrimonium Petri besaß; nur sollte eben Jerusalem dessen Zentrum bilden. Um die zwanzig Kanoniker zu versorgen, die bereits am Heiligen Grab eingesetzt waren, strich man den dort tätigen orthodoxen Geistlichen ihre Pfründen. Allerdings zögerte Gottfried von Bouillon, der selbst sehr knapp bei Kasse war, der Kirche von Jerusalem all die Besitztümer und Anrechte zurückzuerstatten, die sie früher angeblich einmal besessen hatte. Daibert überredete ihn schließlich, die kirchlichen Ansprüche zugleich mit der Einsetzung des neuen Patriarchen zu bestätigen – wenn auch Gottfrieds Liste in dieser Sache kürzer gewesen sein mag als Daiberts –, und vier Wochen später gestand er der Kirche den Anteil von einem Viertel an der Stadt Jaffa zu. In gewissen Jerusalemer Kirchenkreisen war man der Überzeugung, Daibert habe zu Ostern 1100 Gottfried überredet, ihm die gesamte Stadt Jerusalem einschließlich der Zitadelle sowie die restlichen drei Viertel Jaffas zu überlassen, wobei Gottfrieds Geldmangel insofern berücksichtigt worden sei, als er bis zur Erweiterung der Siedlungsgebiete die Regierungsgeschäfte führen sollte. Auch erzählte man sich, Gottfried habe versprochen, dass, sollte er bei seinem Tod ohne Erben sein, sowohl Jerusalem als auch Jaffa unmittelbar an den Patriarchen fallen würden, und habe dieses Versprechen im Juli 1100 auf seinem Totenbett bekräftigt. Es hieß, nur das entschlossene Eingreifen seines Gefolges habe Daibert leer ausgehen und Gottfrieds Bruder Balduin den Besitz von dessen Domäne gesichert. Dreißig Jahre später sollte die Kirche von Jerusalem ihre Ansprüche auf Jerusalem und Jaffa kurzzeitig wieder aufnehmen, doch wurde daraus nicht mehr als ein Herrschaftsrecht des Patriarchen über die unmittelbare Umgebung der Grabeskirche im Nordwesten von Jerusalem. Gottfrieds Tod und der gescheiterte Versuch, Bohemund als seinen Nachfolger durchzusetzen, schwächten Daiberts Position nachhaltig. Zu allem Überfluss hatte Papst Paschalis einen neuen Legaten ernannt, Moritz von Porto, der im September 1100 in Latakia landete und Balduin auf dessen Reise nach Jerusalem zur Übernahme des Königtums traf. Am Weihnachtstag 1100 wurde Balduin von Daibert zum König von Jerusalem gekrönt. Ganz offenkundig hatte er nicht die Absicht, der Kirche irgendwelche Zuge-
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ständnisse zu machen. Als der neue Legat im folgenden Frühjahr in Palästina eintraf, ging der König in die Offensive. Er beschuldigte Daibert diverser Vergehen – darunter ein angebliches Mordkomplott gegen ihn, Balduin, nach Gottfrieds Tod – und bewirkte letztlich die Suspendierung Daiberts vom Amt des Patriarchen. Dann verlangte Balduin, nachdem er Daibert den Rückkauf seiner Gunst gestattet hatte, zusätzliches Geld, um davon seine Ritter bezahlen zu können. Zu jener Zeit war das Königreich Jerusalem äußerst gefährdet, denn nahe der südlichen Grenze wurde eine große ägyptische Streitmacht zusammengezogen. Widerstrebend zahlte Daibert, doch die Summe erschien dem König zu klein. Als Balduin daraufhin dem Patriarchen erbost eine Szene machte und mehr Geld verlangte, erwiderte Daibert dies, indem er auf die Freiheit der Kirche zu sprechen kam und Balduin fragte, ob er diese tatsächlich zu seiner Zinsknechtin und Leibeigenen machen wolle, wo doch Christus selbst sie aus der muslimischen Sklaverei befreit hatte. Daibert drohte Balduin auch mit einer möglichen Exkommunikation durch den Papst. Ein Kompromiss, dessen Aushandlung Moritz von Porto ermöglicht hatte, scheiterte an Daiberts halbherziger Erfüllung der ihm auferlegten Bedingungen. Balduin schlug daraufhin erbarmungslos zurück, indem er Daibert beschuldigte, Geld veruntreut zu haben, das Graf Roger von Sizilien in das Heilige Land geschickt hatte, und den Patriarchen zwang, ins Exil nach Antiochia zu gehen. Zwar konnte Daibert im Jahr 1102 kurzzeitig wieder in Amt und Würden zurückkehren – dies war die Gegenleistung, die Tankred für die militärische Unterstützung des Königs durch Antiochia verlangt hatte –; jedoch wurde er erneut angeklagt und von einem Konzil unter dem Vorsitz eines weiteren päpstlichen Legaten namens Robert von Paris abgesetzt. Daibert legte beim Papst Berufung ein und begleitete Bohemund 1104 auf dessen Reise in den Westen. Sein Nachfolger als Patriarch, Ehremar von Thérouanne, wurde vor die päpstliche Kurie geladen, um sich für seine Wahl zu verantworten, doch weder er noch Balduin sandten Boten nach Rom, und so wurde die Sache wegen Nichterscheinens der beklagten Seite automatisch zu Daiberts Gunsten entschieden. Dieser allerdings starb auf dem Rückweg nach Palästina in Messina. Nun reiste Ehremar nach Italien, um sich zu verteidigen, doch folgte ihm mit geringem Abstand Arnulf von Chocques, welcher Schriftstücke mit sich führte, in denen ausgerechnet jene Männer, deren Empfehlungsschreiben Ehremar zu seiner Entlastung bei sich trug, seine Absetzung forderten. Der Papst war empört und ernannte einen neuen Legaten, Gibelin von Arles, der den Streitfall verhandeln sollte. Im Jahr 1008 erklärte Gibelin Ehremars Wahl für ungültig, da Daiberts Absetzung auf Druck König Balduins erfolgt sei. Anstelle Ehremars wurde nun Gibelin von Arles selbst zum Patriarchen von Jerusalem gewählt. Daibert, der auf eine glanzvolle Karriere als Kirchenreformer in Italien zurückblicken konnte, hatte in Balduin seinen Meister gefunden. Sein Ruf unter den Historikern ist nicht der beste, beruht allerdings zum größten Teil auf den verunglimpfenden Darstellungen seiner Gegner. Bei seiner Ankunft im Heiligen Land muss er jedenfalls entsetzt gewesen sein, eine neu gegründete Kirche vorzufinden, die nicht nur unterfi nanziert, sondern noch dazu mit inkompetenten Klerikern gestraft war. Außerdem erfüllten manche Bistümer eine Doppelfunktion als militärische Vorposten an der Grenze zum
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Feindesland – eine Situation, die an die schlechte alte Zeit Westeuropas erinnerte. Es muss Daibert zutiefst getroffen haben, dass in Jerusalem nicht ein Anhänger des Reformpapsttums herrschte, wie Bohemund einer war, sondern ein Mann, der dem Erzfeind der Päpste, dem römisch-deutschen Kaiser Heinrich IV., wesentlich näher stand. Daiberts eigene Versuche, die Lage zu verbessern, waren von Balduin zunichtegemacht worden, und obwohl Papst Paschalis zu seinen Gunsten entschieden hatte, konnte der Patriarch sich noch nicht einmal auf die uneingeschränkte Unterstützung der beiden päpstlichen Legaten verlassen, die in dieser Streitfrage nach Palästina entsandt worden waren. Das Hauptproblem bestand natürlich darin, dass weder die Legaten noch der Papst selbst es sich leisten konnten, Maßnahmen zuzustimen, die womöglich die Herrschaft der Kreuzfahrer geschwächt hätten, deren Lage ohnehin prekär war. Paschalis ging also so weit, Balduins Thronbesteigung zu bestätigen, und er sollte sogar noch weiter gehen. Das Erzbistum Tyrus bildete mit seinen Suffraganbistümern, darunter Akkon, Sidon und Beirut, eine Provinz des Patriarchats von Antiochia. Balduin wollte natürlich verhindern, dass die Kirche im nördlichen Teil seines Königreichs einem Patriarchen unterstellt wurde, der sich seiner unmittelbaren Kontrolle entziehen konnte. Darum legte er, gemeinsam mit dem Jerusalemer Patriarchen Gibelin, in Rom Beschwerde gegen diese Aufteilung ein. Im Jahr 1111 entschied Papst Paschalis, dass sich die Grenze zwischen den beiden Patriarchaten von Antiochia und Jerusalem künftig mit der politischen Grenze zwischen dem Königreich Jerusalem und den nördlichen Herrschaften decken sollte. Dadurch wurde ein großer Teil des altehrwürdigen Patriarchats von Antiochia von diesem abgetrennt und dem Patriarchat von Jerusalem zugeschlagen. Dafür verlor das Erzbistum Tyrus seine drei abhängigen Bistümer im Norden – Tripolis, Dschubail und Tartus –, welche unmittelbar dem Patriarchat von Antiochia unterstellt wurden. Der Patriarch von Antiochia protestierte gegen diese Regelung, und Paschalis war bereit, seine Meinung zu ändern, doch durch eine Entscheidung von Papst Honorius II. im Jahr 1128 wurde der Anspruch des Jerusalemer Patriarchen auf die genannten Gebiete letztgültig bestätigt. Diese unsaubere Entscheidung, die unbefriedigend war und umstritten noch mindestens bis zur Jahrhundertmitte blieb, verdeutlicht, wie sehr Paschalis II. gewillt war, auf die Forderungen des Königs von Jerusalem einzugehen. Es ist dies keineswegs das einzige Beispiel für Paschalis’ Bereitschaft, den Wünschen weltlicher Machthaber zu entsprechen. Zugleich illustriert der Fall jedoch auch die Notwendigkeit einer starken Obrigkeit in den neuen Herrschaften, welcher andere Gedanken in der Regel untergeordnet wurden.
Die lateinische Kirche nach 1111 und ihre Beziehungen zu den Einheimischen Die lateinische Kirche nach 1111 und ihre Beziehungen zu den Einheimischen
Eine Eigenart der lateinischen Kirche in Palästina und Syrien war es, dass ihre Mitgliederzahl vergleichsweise niedrig war. Kurz nach dem Ersten Kreuzzug können sich im gesamten Nahen Osten nicht mehr als 2000 bis 4000 Westeuropäer aufgehalten haben,
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und wenn diese Zahl späterhin auch auf ein Vielfaches anstieg, so dass schließlich bis zu 150 000 von ihnen in Palästina gelebt haben mögen, blieben die Siedler doch immer eine kleine Minderheit. Von den Einheimischen traten einige, vielleicht sogar eine beträchtliche Zahl, zum römisch-katholischen Glauben über – darauf weist schon das Erscheinen einheimischer Namen in den Zeugenlisten der erhaltenen Urkunden hin, denn qua Gesetz kam vor Gericht allein dem Zeugnis eines Katholiken volle Gültigkeit zu. Allerdings ist es unmöglich, aus diesem Befund auf die Gesamtzahl der Übertritte zu schließen; es bestand unter den Konvertiten nämlich die Tendenz, sich selbst und der ganzen Familie die Namen lateinischer Heiliger zu geben und auf diese Weise in der Masse zu verschwinden. So ist zum Beispiel die Familie Arrabi 1122 erstmalig belegt; ein gewisser Muisse Arrabi war damals Ritter in Jaffa. Muisse hatte einen Sohn namens Georg, dessen vier Kinder Heinrich, Peter, Johannes und Maria hießen. Hätten diese nicht ihren charakteristischen Nachnamen beibehalten, ihre Abstammung wäre uns unbekannt geblieben. Ein Bürger von Akkon mit Namen Saliba machte im Jahr 1264 sein Testament, das ihn als Katholiken – oder vielleicht Maroniten – ausweist, denn er vermachte mehreren lateinischen Kirchen eine gewisse Geldsumme. Seine Schwester hieß Nayme. Sein Bruder Stephan, der bereits vor ihm gestorben war, war mit einer Frau namens Settedar verheiratet gewesen. Saliba hatte zwei Töchter, Katharina und Haternie (Hodierna), vier Nichten, Vista, Caolfe, Bonaventura und Isabellona, sowie sechs Neffen, Leonhard, Thomasinus, Georg, Dominik, Nikolaus und Leonardinus. Die rechtliche Minderstellung der Nichtkatholiken stellte offensichtlich einen starken Anreiz zur Konversion dar. Im 13. Jahrhundert kam es außerdem zu Bekehrungsaktivitäten und diplomatischem Druck durch Missionare und Gesandtschaften aus dem Westen. Die Franziskaner und Dominikaner waren im Heiligen Land aktiv; das dominikanische studium in Akkon war eine Schule für Missionare. Die bei Weitem wichtigste Unter werfung unter Rom war diejenige der maronitischen Kirche, einer monotheletischen Glaubensgemeinschaft mit eigenem Patriarchen und eigenen Bischöfen. Ihr gehörten die meisten einheimischen Christen in der Grafschaft Tripolis an. Ungefähr 1181 gingen die Maroniten eine vollständige religiöse Union mit Rom ein; dreißig Jahre darauf wurden die Beziehungen genau geregelt. Die maronitische Kirche wurde so zur ersten mit der römisch-katholischen Kirche unierten Ostkirche, die noch heute über ihre eigenen Riten, ihr eigenes Kirchenrecht und ihre eigene Hierarchie verfügt und keinem katholischen Bischof, sondern dem Papst direkt unterstellt ist. Obwohl es innerhalb der maronitischen Gemeinde auch kritische, gegen eine Union gerichtete Stimmen gab, blieben die Maroniten auch nach der Vertreibung der Westeuropäer aus dem Libanon dem Heiligen Stuhl eng verbunden. Die anderen Fälle, in denen es zu einer Union kam, verliefen weniger eindrucksvoll. 1198 trat ein bedeutender Teil der armenischen Kirche, die Kirche von Kilikien, in eine offizielle Union mit der römischen Kirche ein. Die Initiative hierzu ging von dem armenischen Herrscher dieser Gegend aus, der als Dank für sein Entgegenkommen von Abgesandten des römisch-deutschen Kaisers zum König erklärt wurde. Allerdings war die Union ohne die Zustimmung der meisten armenischen Bischöfe zustande gekommen, die ja außerhalb von Kilikien residierten; sie wurde von den
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meisten Armeniern missverstanden, beunruhigte jene, die sie recht verstanden, und führte, da die vom Heiligen Stuhl verlangten Reformen nicht umgesetzt wurden, zu keinerlei nennenswerten Resultaten. Die armenische Kirche verblieb somit in einem Zustand zumindest halber Unabhängigkeit von Rom. Die Bekenntnisse zum katholischen Glauben, die 1237 von dem jakobitischen Patriarchen und Erzbischof von Jerusalem sowie einem Erzbischof der nestorianischen Kirche den Dominikanern gegenüber abgelegt wurden, hatten sogar noch geringere Auswirkungen, da die beiden Geistlichen sie nur für ihre eigene Person geäußert hatten. Überdies brachte die Missionsarbeit der Dominikaner und Franziskaner bald die Tatsache ans Licht, dass die Mitglieder der jakobitischen und nestorianischen Gemeinden, obwohl sie formal als Ketzer angesehen wurden, wenig gebildete, aber fromme Leute waren, die von den theologischen Streitfragen, die zur Abspaltung ihrer Kirchen geführt hatten, in der Regel keine Ahnung hatten und sich darum auch nicht allzu sehr bekümmerten. Diese Entdeckung kam jedoch zu spät, als dass sie an der Realität der Kirchenspaltung noch irgendetwas hätte ändern können. Selbst wenn wir Konvertiten und mit Rom unierte Christen in unsere Überlegungen aufnehmen, sehen wir uns noch immer einer ziemlich kleinen Anzahl katholischer Christen im Heiligen Land gegenüber. Diese Tatsache wird noch unterstrichen durch die wenig zahlreichen lateinischen Pfarrkirchen, von denen es üblicherweise eine pro Ansiedlung gab, sowie durch die verbreitete Praxis, in den größeren Städten die Kathedrale zugleich als die einzige Pfarrkirche zu benutzen. Selbst in Jerusalem war die einzige lateinische Kirche, die kirchenrechtlich den Status einer Pfarrkirche beanspruchen konnte, die Grabeskirche. Jaffa besaß nach 1168 zwei Gemeinden, und Akkon sowie Antiochia hatten im 13. Jahrhundert sogar mehrere, doch waren dies Ausnahmen. Mit der Zeit bildete sich eine vollständige katholische Hierarchie aus, doch ruhte diese auf einer sehr schmalen Basis, und ihre Verantwortlichkeiten wurden durch ein System von Exemptionen weiter eingeschränkt. So waren die größeren Klöster und Ordensniederlassungen von der Gerichtsbarkeit der Bischöfe befreit; dasselbe galt im 13. Jahrhundert für einige Kirchen in den Quartieren der italienischen Kaufleute. Die römisch-katholischen Bischöfe behielten natürlich ihre formale Autorität über die Angehörigen anderer christlicher Konfessionen, obwohl in dieser Frage unterschieden wurde zwischen den griechisch-orthodoxen Christen, die – zumindest bis in das späte 12. Jahrhundert – als gesund bzw. rechtgläubig galten, und den Anhängern anderer Gruppen, die als Häretiker betrachtet wurden. Die orthodoxen Christen verfügten über ihre eigenen Kirchen und Klöster. Es gibt keine überzeugenden Beweise dafür, dass sie jemals aus den großen Wallfahrtsorten vertrieben worden wären, obwohl ihre Geistlichen dort häufig ihrer Pfründen beraubt wurden und danach wohl auf die Mildtätigkeit der Gläubigen angewiesen waren. Dennoch waren sie in der Grabeskirche anwesend – auch, als 1101 die Selbstentzündung des Osterfeuers in der Ädikula nicht funktionieren wollte. (Dieser Umstand wurde fälschlicherweise auf die Abwesenheit der orthodoxen Priester zurückgeführt.) Während der Periode der katholischen Besetzung scheint die orthodoxe Liturgie täglich in der Grabeskirche an einem großen Altar unmittelbar vor dem Heiligen Grab – also an besonders hervorgehobener Stelle – gefeiert worden zu sein
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und auch an einem Altar in der Marienkirche im Kidrontal. Es ist bemerkenswert, dass bei der Restaurierung der Geburtskirche zu Bethlehem, die auf Kosten des byzantinischen Kaisers Manuel I. von griechischen Mosaiklegern durchgeführt wurde, die zwischen Katholiken und Orthodoxen umstrittene filioque-Formel des Glaubensbekenntnisses – bei diesem Streit ging es um den Ursprung des Heiligen Geistes aus dem Vater „und dem Sohn“ – in den Inschriften der Wände, die ansonsten das gesamte Glaubensbekenntnis enthielten, ausgelassen war – ganz, wie es dem orthodoxen Brauch entsprach. Orthodoxe Titularpatriarchen von Jerusalem und Antiochia lebten im Exil, wenngleich während einer kurzen Periode von 1165 bis 1170 der orthodoxe Patriarch Athanasios nach Antiochia zurückkehren durfte, doch scheinen viele orthodoxe Bischöfe im Amt geblieben zu sein; auch wurden wohl manche Bischofssitze nach Jahrhunderten der Sedisvakanz wieder besetzt. Zumindest im Patriarchat von Antiochia wurde ihre Anwesenheit jedoch offiziell nicht anerkannt, und die katholischen Bischöfe, die sich in jeder Hinsicht als die legitimen Nachfolger der Apostel in den betroffenen Bistümern betrachteten, ernannten Vikare zu Hirten ihrer orthodoxen Schäfchen. Im Patriarchat von Jerusalem scheinen orthodoxe Prälaten von den Katholiken als Koadjutoren (Amtsgehilfen) betrachtet worden zu sein; wir wissen in diesem Zusammenhang von einzelnen orthodoxen Bischöfen in Gaza und wahrscheinlich auch in Sidon und Lydda. Der einzige orthodoxe Würdenträger, der von den Lateinern als vollgültiger Diözesanbischof anerkannt wurde, war der Erzbischof von Sinai weit im Süden und somit außerhalb ihrer direkten Kontrolle. Unter den übrigen Christen waren die Jakobiten und Armenier am zahlreichsten. In der Praxis ließ man sie in Frieden. Im Norden, wo die meisten von ihnen lebten und wo auch der jakobitische Patriarch und der armenische Katholikos residierten, machten ihnen die allermeisten lateinischen Bischöfe keine Schwierigkeiten, obgleich in mindestens einem Bistum der mit der Aufsicht über die griechisch-orthodoxen Christen betraute Vikar auch sie zu überwachen hatte. Im Süden betrachtete man sie als dem römischkatholischen Patriarchen von Jerusalem unterstehend, und ihre Jerusalemer Erzbischöfe galten als seine Suff ragane, obwohl es sich hierbei lediglich um eine rechtliche Formalität gehandelt haben dürfte. Sowohl die Jakobiten als auch die Armenier besaßen Kathedralen in Jerusalem, dazu eigene Kapellen in der Nachbarschaft der Grabeskirche. Wie die Armee einer heutigen Bananenrepublik verfügte die lateinische Kirche in Syrien und Palästina im Verhältnis zu den verfügbaren Truppen über viel zu viele Generäle. Sie war stark klösterlich geprägt, denn die Pflege zahlreicher heiliger Stätten war den verschiedenen Ordensgemeinschaften übertragen worden. Dieser Umstand trug – gemeinsam mit der Tatsache, dass die Zahl der Laien vergleichsweise klein war – dazu bei, dass die Bischöfe kaum etwas zu tun hatten: Es gab in ihren Bistümern einfach nicht genug Katholiken. Jedoch gibt es auch Gegenbeispiele: Im Winter 1216 /12 17 beschrieb Jakob von Vitry, der als Bischof von Akkon für das nach Anzahl der Gläubigen größte römisch-katholische Bistum des Heiligen Landes Sorge trug, seinen Tagesverlauf: morgens zunächst eine Messe; anschließend bis Mittag Beichtabnahme; dann, nach einer Mahlzeit – Jakob gibt an, er habe seit seiner Ankunft in Palästina den Appetit verloren – Krankenbesuche bis zur None oder Vesper, also bis drei oder vier Uhr am Nachmittag,
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danach eine Gerichtssitzung, die einen Großteil der verbleibenden Zeit in Anspruch nimmt. Der Bischof klagt, dass er, mit Ausnahme der Schrift lesungen in der Morgenandacht oder der Messe, überhaupt nicht mehr zum Lesen komme, da er die Abendstunden der Andacht und dem Gebet widmen müsse. Allerdings war die Amtsbelastung des Bischofs von Akkon, einer Stadt, deren lateinische Bevölkerung – und Klerikerzahl – durch Flüchtlinge aus dem Landesinneren angeschwollen war, die jede Menge Rechtsstreitigkeiten mit sich brachten, wohl auch außergewöhnlich hoch. Zu der Zeit, zu der Jakob von Vitry schrieb, hatte die Situation geradezu groteske Züge angenommen. In dem Maß, in dem die Christen Territorien an die Muslime zu verlieren begannen, strömten exilierte Bischöfe mit ihren Domkapiteln in die Küstenstädte und insbesondere nach Akkon. Dort blieben sie dann meist auch, entweder, weil ihre Sitze nicht zurückerobert wurden – wie etwa Hebron und Sebaste (Samaria) –, oder weil sie aufgrund ihrer exponierten Lage nicht ungefährdet bzw. dauerhaft wieder eingenommen werden konnten – wie im Fall von Nazareth, Lydda, Tiberias und Jerusalem selbst. Einige Bistümer wurden aufgegeben, zwei wurden anderen Diözesen zugeschlagen, aber einige bestanden auch einfach weiter – meist, weil sie über Landbesitz entlang der Küste oder sogar in Westeuropa verfügten. Die Kathedralkirchen vom Heiligen Grab, in Sebaste, Nazareth und Bethlehem waren – genau wie die Abteien der heiligen Maria der Lateiner und der heiligen Maria vom Kidrontal sowie das Priorat auf dem Berg Zion und die Ritterorden – durch Stiftungen zu Besitzungen in der ganzen Christenheit gekommen, aus denen ihnen unverändert Einkünfte zuflossen. Aus dieser Quelle ließen sich zumindest einige der Kanoniker und Ordensleute finanzieren. In den neuen Statuten, die 1251 für das Domkapitel von Nazareth aufgestellt wurden, ist die folgende Regelung getroffen worden: Sollten die Einkünfte des Erzbischofs von Nazareth aus seinen Besitzungen in Galiläa für ihn und die Pfründen des Kapitels nicht ausreichen, so sollte allein der Prior mit dem Erzbischof in Syrien verbleiben. Die anderen Chorherren sollen entweder so versorgt werden, wie es nach Rang und Würde angemessen erscheint, oder aber Palästina verlassen und in der Verwaltung jener Klöster und Kirchen tätig werden, welche der Kathedrale von Nazareth in Europa gehören.
Selbst ohne ihre Kathedralen und Einkünfte aus Gemeindeabgaben waren solche Kapitel also finanziell unabhängig – ein wenig so wie heute noch die Colleges der Universitäten Oxford und Cambridge. Allein aus diesem Grund war ihr Fortbestand gesichert. Das führte zu der kuriosen Situation, dass die Mauern Akkons im 13. Jahrhundert – abgesehen vom städtischen Klerus, den Brüdern der Ritterorden und Mönchen – auch das Domkapitel der Grabeskirche beherbergten, dazu die Gemeinschaften aus Jerusalem exilierter Klöster wie jenes auf dem Berg Zion und das der heiligen Maria vom Kidrontal sowie Titularbischöfe von Diözesen in partibus infidelium („im Lande der Ungläubigen“, deren Gebiete nicht mehr christlicher Kontrolle unterstanden) mitsamt ihren Domkapiteln. Ein Überschuss an unterbeschäftigten Bischöfen war nur eine von mehreren sonderbaren Eigenarten der Kirche des Heiligen Landes. Da sie eine religiöse Minderheit in einer potenziell feindlichen Bevölkerung bildete, musste sie sich – nach den brutalen
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Vertreibungen des ersten Jahrzehnts – früher oder später mit der öffentlichen Ausübung auch anderer Religionen arrangieren, und so gelangte man schließlich zu einem System teilweiser Toleranz. Grundlage hierfür war eine Anpassung an das islamische Recht. Der andalusische Pilger Ibn Dschubair erwähnt in seinem Reisebericht Moscheen in Tyrus. In dem Dorf Dschammail bei Nablus versammelten sich lange Zeit die der hanbalitischen Ausrichtung zuzurechnenden muslimischen Bauern aus der Umgebung, um die im Namen des Abbasidenkalifen gehaltene Freitagspredigt (khutba) zu hören. Einige von ihnen wanderten 1156 aus. Sie verließen ihre Heimat wegen drückend hoher Steuerlasten und wohl auch, weil ihr Freitagsgebet bedroht war: Ihr christlicher Grundherr scheint der Meinung gewesen zu sein, sie hätten an diesem Tag zu arbeiten. Es handelte sich also tatsächlich um einen Fall von religiöser Diskriminierung, der allerdings auf das Verhalten eines einzigen Landbesitzers zurückzuführen ist – und auch auf die Anziehungskraft eines muslimischen Lehrers. Nicht zuletzt führt das Vorkommnis auch vor Augen, dass die freie Religionsausübung bis zu dem fraglichen Zeitpunkt wohl gesichert war. Muslimische Besucher zeigten sich beeindruckt davon, dass die islamischen Heiligtümer in so gutem Zustand waren und weiterhin florierten. In einer Passage über die Gegend von Nablus bemerkt Sultan Saladins Katib (Sekretär) Imad ad-Din al-Isfahani, die „Franken“ hätten „nicht ein einziges Gesetz, nicht einen einzigen frommen Brauch [der ortsansässigen Muslime] verändert“. Ähnlich äußert sich der Geograf Yaqut, wenn er mit Blick auf eine Moschee in Bethlehem schreibt: „Die Franken veränderten nichts, als sie das Land in Besitz nahmen.“ Und der bereits zitierte Ibn Dschubair bemerkt zu dem Schrein von ʿAin al-Baqar (der Ochsenquelle) in Akkon: „Auch in den Händen der Christen wird sein ehrwürdiges Wesen bewahrt, und Gott hat es gefallen, ihn als einen Gebetsort für die Muslime zu bewahren.“ In den 1130er-Jahren errichteten die Samaritaner eine neue Synagoge in Nablus, und um 1240 äußert sich ein jüdischer Reisender voller Bewunderung über die prachtvollen Synagogen von Meron nahe der Stadt Safed (Tzefat) in Galiläa. Die westliche Mauer des Tempelbergs – die „Klagemauer“ – und die Grabmale der Könige Israels auf dem Berg Zion wurden von jüdischen Pilgern besucht, obwohl die letzteren versiegelt worden waren. Daneben gab es noch eine ganze Reihe von Stätten, die Juden wie Muslimen gleichermaßen heilig waren. Dazu gehörten etwa das Grab des Propheten Jonas in Kar Kanna und das des Hanona ben Horkenos in Safed. Nichtchristen, die sich offiziell nicht in Jerusalem ansiedeln durften, besuchten die Stadt doch immerhin als Pilger. Im Tempelbezirk suchten Muslime den Felsendom auf, der nun eine Stiftskirche der Augustiner war, und die al-Aqsa-Moschee, mittlerweile das Hauptquartier des Templerordens. Als im Jahr 1119 die Nachricht bekannt wurde, in Hebron hätten die dort vor Kurzem angesiedelten Augustiner-Chorherren die Gräber der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob entdeckt, kam dies einer Sensation gleich. Auch Juden und Muslime konnten Zugang zu der heiligen Stätte erlangen, wenn sie dem Wächter ein Trinkgeld zusteckten, nachdem die christlichen Pilger sich auf den Heimweg gemacht hatten. Eine ähnliche Regelung scheint es in Sebaste gegeben zu haben, wo der ortsansässige Klerus von den Spenden muslimischer Pilger zu profitieren wusste, die am Grab Johannes’ des Täufers in der Krypta der dortigen Kathedrale beten wollten.
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Es war im Nahen Osten durchaus nicht unüblich, dass mehrere Konfessionen oder Religionen sich ein Heiligtum teilten. Im Königreich Jerusalem ist beispielsweise für die Gegend von Tiberias die gemeinsame Nutzung einer Kirche durch römisch-katholische und syrische Christen belegt – eine Tatsache, die ein gewisses Maß an Assimilation oder gar Synkretismus nahelegt. In der Heilig-Kreuz-Kathedrale von Akkon, die am Platz einer früheren Moschee errichtet worden war, gab es einen abgetrennten Bereich, in dem Muslime ihr Gebet verrichten konnten, und in ʿAin al-Baqar an der Stadtmauer von Akkon gab es eine „Moscheekirche“, welche die Kapelle (maschhad) des ProphetenSchwiegersohnes Ali mit einer nach Osten gerichteten Apsis im westlichen Baustil kombinierte. Dieser Bau wurde von Muslimen – vermutlich Schiiten –, Christen und Juden gleichermaßen genutzt, da an dieser Stelle – wie sie glaubten – Gott zu Adams Nutzen die Tiere des Feldes erschaffen hatte. „Muslime und Ungläubige versammeln sich dort; der eine wendet sich seinem Gebetsplatz zu und der andere seinem.“ Der in Mossul geborene Reisende Ali al-Harawi schrieb die ungemeine Popularität des Ortes der Tatsache zu, dass der Geist Alis hier erschienen sei und den Franken einen gehörigen Schrecken eingejagt habe. In Jerusalem erlaubten es die Templer den muslimischen Pilgern ebenfalls, in einer ihrer Kirchen nahe der al-Aqsa-Moschee zu beten. Der Bericht des durch seine episodenhaften Erinnerungen berühmten Usama ibn Munqidh über seine Eindrücke an diesem Ort wird immer wieder zitiert: Wann immer ich in Jerusalem war, suchte ich die al-Aqsa-Moschee auf, neben der eine weitere kleine Moschee stand, welche die Franken in eine Kirche verwandelt hatten. … Die Templer, die meine Freunde waren, verließen dann diese angrenzende kleine Moschee, damit ich darin in Ruhe mein Gebet verrichten konnte. Eines Tages kam ich also in diese Moschee und betete. … Gerade richtete ich mich beim Gebet wieder auf, da stürzte einer der Franken auf mich zu, ergriff mich und drehte mein Gesicht dem Osten zu. „So musst du beten!“, sagte er zu mir. Einige Templer … eilten hinzu, ergriffen den Mann und zogen ihn von mir weg. Ich setzte mein Gebet fort, [woraufhin der Franke sich wieder einmischte]. … Die Templer … warfen ihn hinaus. Sie baten mich um Verzeihung und sagten: „Er ist ein Fremder, der erst vor Kurzem aus dem Land der Franken hierher gekommen ist, und er hat noch niemals zuvor jemanden in eine andere Richtung als nach Osten beten sehen.
Weniger bekannt ist ein ganz ähnlicher Vorfall, den der jüdische Reisende Jakob ben Nathanael mitteilt und der sich am Grab des Rav Kahana in der Nähe von Tiberias ereignete, dem heilende Kräfte nachgesagt wurden und das christliche wie jüdische Pilger gleichermaßen anzog. Als aber ein Ritter aus der Provence hinzukam und sah, dass die Unbeschnittenen [das heißt die Christen] viele Kerzen auf dem Grab entzündeten, fragte er: „Wer ist dieser Mann?“ Sie antworteten ihm und sprachen: „Ein rechtschaffener Jude ist’s; er heilt die Kranken und hilft den Unfruchtbaren.“ Er aber antwortete: „Warum erweist ihr einem Juden eine solche Ehre?“ und nahm einen Stein und warf ihn auf den Boden. Und als er gerade seine Hand erhoben hatte, einen weiteren Stein zu werfen, da stürzte er von seinem Pferd zu Boden und war tot. Sofort versammelten sich die Hauptleute und Mönche [nach einer anderen Übersetzung: die Priester und Bischöfe] und sagten, jener sei nicht um des
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Die heiligen Stätten und die Patriarchate von Jerusalem und Antiochia
Juden willen bestraft worden, sondern weil er die Ehre eines Lehrers Jesu verletzt habe, und dass Jesus ihm deshalb gezürnt und ihn getötet habe. Das alles sprachen sie vor dem versammelten Landvolk.
Das ist natürlich ein miraculum, eine Wundererzählung. Aber der Bericht von dem ängstlichen Bestreben der Priester, mögliche Ausschreitungen im Keim zu ersticken, indem sie dem Tod des vom Schlag getroffenen Ritters einen christlichen Dreh verpassten, zeigt deutlich, dass dieses Grab zum Zentrum eines synkretistischen, christlichjüdischen Kultes geworden war. Gemeinsam genutzte Heiligtümer waren also ein Kennzeichen der Volksreligion in Palästina und Syrien und wurden vom lateinischen Klerus in der Regel toleriert. Manche dieser heiligen Stätten lagen in der tiefsten Provinz, aber andere befanden sich auch in den Städten oder zumindest in deren Nähe. Eine wohlüberlegte und nicht selten demonstrative Toleranz des lateinischen Christentums gegenüber anderen Religionen war im 12. Jahrhundert nicht sonderlich bemerkenswert. Beachtlich ist jedoch, dass sie auch im 13. Jahrhundert aufrechterhalten wurde, trotz eines Drangs zu größerer Uniformität innerhalb der Kirche, der während des Pontifi kats von Innozenz III. einsetzte und sich zunächst auf Süditalien und dann Griechenland bezog. Im Gegensatz zu ihren Amtsbrüdern auf Zypern widersetzten sich die katholischen Würdenträger in Palästina und Syrien dem päpstlichen Druck, einen weniger toleranten Kurs einzuschlagen. Vermutlich wollten die Bischöfe die einheimische Bevölkerung nicht gegen sich aufbringen. Alles in allem bleibt also, trotz mancher Konversionen und Kirchenunionen, das Bild der lateinischen Kirche in der Levante geprägt von außergewöhnlicher Passivität.
Der kulturelle Beitrag der lateinischen Kirche in Syrien und Palästina Der kulturelle Beitrag der lateinischen Kirche in Syrien und Palästina
Das lateinische Patriarchat von Jerusalem war eines der am wenigsten zu Reformen bereiten in der Christenheit des 12. Jahrhunderts. Zweifellos hatte dies seine – bereits erwähnten – Gründe: einerseits in der mangelnden Bildung bzw. Eignung der zu Beginn dort eingesetzten Kirchenmänner; andererseits in der Tatsache, dass die frühen welt lichen Herrscher der Kirchenreform ablehnend gegenüberstanden. Das Bild, das sich auf Grundlage der Forschung zeichnen lässt – vor allem der grundlegenden Arbeiten Hans Eberhard Mayers –, weist gewisse Parallelen zu den rückständigeren Gegenden Europas auf. In Palästina gab es noch bis Mitte des 12. Jahrhunderts Kirchen im Besitz von Laien. Erst durch die Synode von Nablus 1120 konnten der König und die anderen weltlichen Herren dazu bewegt werden, ihre Kontrolle der Zehntabgabe aufzugeben. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts behielten die Könige von Jerusalem die Kontrolle über die Bischofswahlen. Wie ihre europäischen Ebenbilder konnten auch sie diese Wahlen durch den Besitz von Ehrenkanonikaten beeinflussen. Daneben bestand die zweifelhafte Praxis des doppelten Wahlvorschlags, bei dem der Wahlausschuss dem
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König heimlich zwei Namen vorlegte; nach außen wurde der Schein einer freien Wahl durch das Domkapitel gewahrt. Der doppelte Wahlvorschlag verschwand mit der Zeit, nachdem in den 1190er-Jahren ein päpstliches Dekret diese Verfahrensweise auf das Schärfste verurteilt hatte. Auch die Versetzung europäischer Bischöfe auf Posten in der Levante – die allein der Papst anordnen konnte – sorgte im 13. Jahrhundert dafür, dass die Einmischung der weltlichen Obrigkeit nachließ. Aber zu dieser Zeit waren die Könige von Jerusalem meist abwesend und oft machtlos. Was bleibt, ist das Paradox einer altmodischen, reformfeindlichen Kirche, die aus einer der ehrgeizigsten Initiativen des Reformpapsttums hervorgegangen war. Wenn sie auch prachtvolle Kirchenbauten ihr Eigen nannte und weitläufige Besitzungen in fernen Ländern sie reich machte, blieb die lateinische Kirche in Syrien und Palästina doch von geringer Qualität und provinziell. Gewiss: 1103 gab es an der Grabeskirche einen magister scholarum, und bis zum späten 12. Jahrhundert hatte Antiochia in dieser Hinsicht mit Jerusalem gleichgezogen. Spätestens 1218 wurde in Akkon Theologie gelehrt, Mitte des 13. Jahrhunderts Kirchen- und vermutlich auch Zivilrecht in Tripolis. In den 1120er-Jahren hatte sich Nazareth zu einem kulturellen Zentrum von einiger Bedeutung entwickelt, so dass hier mit Rorgo Fretellus und Gerhard von Nazareth zwei Literaten von zumindest regionalem Rang tätig sein konnten. Die Bibliothek von Nazareth, deren Katalog uns überliefert ist, brauchte den Vergleich mit Bibliotheken europäischer Klöster und Domschulen keineswegs zu scheuen. In der Forschung ist man mittlerweile der Ansicht, dass der lateinische Osten einen besseren Kanal der Übermittlung arabischer Bildung und Gelehrsamkeit darstellte, als man früher annahm. Europäer reisten in das Fürstentum Antiochia, um dort arabische Handschriften zu sammeln und zu übersetzen. Aus dem Akkon des 13. Jahrhunderts ist mindestens ein Kommentator einer medizinischen Abhandlung in arabischer Sprache bekannt. Dennoch orientierten sich die Siedler, was Wissenschaft und Kultur anbelangt, ganz nach Europa. Aufstrebende junge Gelehrte wie etwa Wilhelm von Tyrus setzten ihre Studien in Europa fort; auch im 13. Jahrhundert war das noch die Regel. Der Literatur nach zu urteilen, mit der sie sich beschäft igten, waren die Interessen der weltlichen Adligen im Heiligen Land von denen ihrer Zeitgenossen in Europa kaum zu unterscheiden. Die Chanson des Chétifs, in Auftrag gegeben durch Raimund von Poitiers, einen Fürsten von Antiochia, und niedergeschrieben von einem Geistlichen, den Raimund dafür mit einem dortigen Kanonikat entlohnte, entspricht mit ihrer legendenhaften Geschichte von Kreuzfahrern, die in muslimische Gefangenschaft geraten, ganz klar dem westlichen Muster dieser Gattung. Es wäre jedoch falsch, einer so isolierten, rückständigen und von der weltlichen Macht abhängigen Institution, wie es die lateinische Kirche von Syrien und Palästina im 12. Jahrhundert war, jeglichen Beitrag zur Kirche insgesamt abzusprechen. Abgesehen von den Ordensbrüdern des Heiligen Grabes und jenen aus Bethlehem, schenkte das Lateinische Königreich der Christenheit auch die Karmeliter. Dazu kamen zwei bedeutende neue religiöse Lebensformen: die der Hospitaliter und die der militärisch ausgerichteten Ordensritter, die in der Folge miteinander verschmolzen.
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Erzbischof Wilhelm von Tyrus (um 1130 –1184 / 1186) Wilhelm wurde um 1130 in Jerusalem in eine Bürgerfamilie europäischer Herkunft geboren. Von etwa 1146 an verbrachte er fast zwanzig Jahre in Europa, studierte in Paris und Orléans die freien Künste sowie Theologie und in Bologna Zivil- bzw. Römisches Recht. Bei seiner Rückkehr nach Palästina erhielt er 1165 eine Pfründe der Kathedrale von Akkon. Die Protektion König Amalrichs I. von Jerusalem führte dazu, dass er 1167 zum Erzdiakon von Tyrus ernannt und 1168 im Auft rag des Königs nach Konstantinopel gesandt wurde. Nach Westen weitergereist, hielt er sich 1169 an der päpstlichen Kurie auf, wo er anscheinend in Streitigkeiten mit seinem Erzbischof verwickelt war. 1170 ernannte Amalrich ihn zum Erzieher seines Sohnes, des zukünftigen Balduin IV. Nach Amalrichs Tod 1174 avancierte Wilhelm zum Kanzler des Königreichs Jerusalem. Im Jahr darauf wurde er zum Erzbischof von Tyrus berufen. Seine beiden Ämter als Kanzler und Erzbischof hielt er wenigstens bis 1184, obwohl er sich von Oktober 1178 bis Juli 1180 im Westen aufhielt, um in Rom am Dritten Laterankonzil teilzunehmen. Er starb vor dem 21. Oktober 1186; seine Biografen glauben, dass der 29. September 1184 das wahrscheinlichste Datum ist. Es ist nicht auszuschließen, dass Wilhelm am Ende seines Lebens in Misskredit geraten war, weil er zu enge Verbindungen zu Graf Raimund III. von Tripolis und dessen Anhängern gepflegt hatte. Wilhelms Chronica (auch bekannt als Historia rerum in partibus transmarinis gestarum, „Geschichte von den Geschehnissen in den überseeischen Gebieten“), die Amalrich 1167 bei ihm in Auftrag gegeben hatte, war bei seinem Tod noch nicht vollendet, aber zu Recht berühmt und wurde bald in mehrere Sprachen übersetzt. Wilhelm hatte selbst im Zentrum der von ihm beschriebenen Geschehnisse gestanden und überdies Zugriff auf das königliche Archiv gehabt. Außerdem erweist er sich in seiner Chronik als glänzender Stilist und erscheint dabei derart untadelig in seinem Urteil, dass viele Historiker sich beinahe rückhaltlos auf ihn verlassen haben. Bei näherer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass Wilhelms Darstellung durchaus parteiisch ist und deshalb mit Vorsicht behandelt werden sollte.
Bereits seit dem Ersten Kreuzzug hatte Palästina von frommem Eifer getriebene Europäer in Scharen angezogen, die ihre Tage als Einsiedler zu beschließen wünschten – etwa in Höhlen in der Nähe Jerusalems, in Galiläa oder im Amanusgebirge nördlich von Antiochia, wo sich einige von ihnen zu besonders asketisch lebenden Gemeinschaften zusammenschlossen. Oder sie ließen sich – in Nachahmung des Propheten Elija – auf dem Berg Karmel nieder, einem Höhenzug, der bei Haifa auf die Mittelmeerküste stößt. Im frühen 13. Jahrhundert entwarf der Patriarch Albert von Jerusalem eine Reihe von Vorschriften für eine Gruppe von Einsiedlern auf dem Karmel, die später von Papst Honorius III. bestätigt und so zur ursprünglichen Ordensregel des Karmeliterordens
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wurde. Dieser sollte sich bald in einen Bettelorden verwandeln und in späteren Jahrhunderten einige der berühmtesten Heiligen der Kirchengeschichte hervorbringen. Die religiöse Lebensform der Hospitaliter ist vor allem mit dem Orden vom Hospital des heiligen Johannes zu Jerusalem verbunden, der kurz nach dem Ersten Kreuzzug in Jerusalem gegründet wurde, als die Verwalter eines Pilgerhospitals, das von der Abtei der heiligen Maria der Lateiner unterhalten wurde, sich von ihrem Stammhaus lossagten. Beflügelt durch den allgemeinen Enthusiasmus für Pilgerreisen in das Heilige Land fanden sich viele Stifter für ihre Unternehmung, und so besaß das Hospital bald Besitztümer überall in der lateinischen Christenheit. Im Jahr 1113 wurde das Hospital vom Papst als unabhängige Einrichtung anerkannt. Der Auftrag der Hospitaliter war es, für die „heiligen Armen“ – mittellose Pilger also – zu sorgen: sie zu pflegen, wenn sie krank wurden; sie zu begraben, wenn sie starben. Das stand ganz im Einklang mit den anderen Reformprogrammen des 11. Jahrhunderts, die zur Gründung wohltätiger und seelsorgerischer Stiftungen aufgerufen hatten. Ein solcher Einsatz, der sich auf das Jesuswort berufen konnte: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40), war zwar prinzipiell nichts Neues; aber die Hospitaliter gingen sehr viel weiter als ihre Vorgänger, indem sie ihre Bereitschaft zur Selbstaufgabe in eine der damaligen Zeit angemessene Sprache übersetzten. Jeder von ihnen gelobte, ein „Diener und Sklave“ seiner „Herren“, der Kranken, zu sein. Diener waren bedingt unfrei und Sklaven bedingungslos unfrei; beide waren, je auf ihre Weise, im Besitz ihrer Herren. Die Herrschaft der Armen und Kranken über die Hospitaliterbrüder und -schwestern hatte man sich also als ein Besitzverhältnis vorzustellen: Die Hospitaliter selbst verstanden die Patienten als Besitzer ihrer Pfleger. Selbst nachdem der Orden einen militärischen Zweig bekommen hatte, waren die Brüder Ritter verpflichtet, ihre Schlachtrösser nach dem Kampf zum Transport der Verwundeten zur Verfügung zu stellen. Damit sollten sie zeigen, dass „Aneignung nicht Eigentum bedeutet und dass sie selbst mit allem, was sie haben, den Kranken gehören“. Die lückenlose Geschichte von Hospitälern, wie wir sie heute in Westeuropa kennen, begann erst im 11. Jahrhundert, und das größte unter den frühen Hospitälern war jenes, das die Hospitaliter von St. Johannes in Jerusalem und später in Akkon unterhielten. Allen Bedürft igen stand es offen, ganz gleich an welcher Krankheit sie litten – Lepra ausgeschlossen – und welcher Nationalität oder welchen Geschlechtes sie waren. Dieses heilige Haus [des Hospitals] nimmt, in dem Wissen, dass der Herr, der alle zum Heil ruft, niemandes Schaden will, Männer des heidnischen Glaubens [das heißt Muslime] und Juden gnädig auf … denn der Herr betete für die, die ihn verfolgten, und sprach: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ In diesem gesegneten Hause wird jenes Himmelswort mit Macht erfüllt: „Liebet eure Feinde; tut denen wohl, die euch hassen“ und, anderen Ortes, „liebet eure Freunde in Gott; eure Feinde aber liebet um Gottes Willen“.
Die Aufnahme muslimischer und jüdischer Pilger könnte erklären, warum in den Statuten des Hospitals empfohlen wird, den Kranken Zuckerwasser zu geben, wenn sie keinen Wein wünschten, und Hühnerfleisch, wenn sie kein Schweinefleisch vertrugen, und warum eine zweite Küche erwähnt wird, eine coquina privata, in der dieses Hühner-
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fleisch gekocht werden sollte. Es scheint, dass die Hospitaliterbrüder, die ihr Hospital ansonsten nach den Richtlinien des römisch-katholischen Glaubens führten, die Speisegebote ihrer nichtchristlichen Patienten respektierten. Das Hospital konnte bis zu 1000 Patienten aufnehmen, in Krisenzeiten auch die doppelte Anzahl. Auf Notsituationen verstanden sich die Brüder sehr schnell einzustellen; dann gaben sie ihre eigenen Betten auf, um Kranke oder Verletzte darin unterzubringen. Nach der Schlacht von Montgisard im Jahr 1177 nahm das Hospital äußerst kurzfristig 750 Verwundete auf – und das, obwohl sich bereits 900 Patienten im Haus befanden! Das Johanniterhospital bildete den Mittelpunkt eines weitverzweigten wohltätigen Unternehmens, denn der Hospitaliterorden unterhielt zudem ein deutsches Hospital in Jerusalem, eine Krankenstation in den Hügeln von Judäa sowie ein mobiles Feldlazarett, dessen Wundärzte die christlichen Heere in die Schlacht begleiteten. Die Hospitaliter verfügten über einen – natürlich noch einigermaßen primitiven – Krankentransportdienst sowie über ein großes Almosenhaus, das die Jerusalemer Armen versorgte, insbesondere stillende Mütter und ihre Kinder: „in liebender Erinnerung daran, dass zwar die Tiere mit einem Schutz gegen die Unbilden des Wetters erschaffen wurden – Säugetiere mit Fell, Vögel mit Federn, Fische mit Schuppen, Schildkröten mit Panzern –; der Mensch allein jedoch nackt und hilflos geboren wird“. Die Hospitaliter führten auch ein großes Waisenhaus, in dem elternlose Kinder, die man die Kinder des heiligen Johannes nannte, gepflegt und aufgezogen wurden. Wie jedes moderne Krankenhaus war das Johanniterhospital von Jerusalem in Krankenstationen unterteilt. Es gab eigene Frauenstationen, auf denen sich weibliche Helferinnen um die Kranken kümmerten, darunter eine der Geburtshilfe. Jeder Kranke hatte ein Einzelbett, wie es in der damaligen Zeit sonst nur edlen Herren zustand, und auf der Geburtsstation wurden die Neugeborenen in kleine Krippen gelegt, damit sie von ihren Müttern nicht gestört würden. Die Betten verfügten über Matratzen, die mit Federn gepolstert waren, und Bettzeug, das alle zwei Wochen gewechselt wurde. Die Kranken erhielten einen Umhang und Sandalen für den Gang zu den Latrinen. Der Speiseplan ließ keine Wünsche offen. Zu einer Zeit, in der nur sehr wenige Menschen Weißbrot oder Fleisch zu essen bekamen, erhielten die Patienten große Weißbrotlaibe und an drei Tagen in der Woche ein Fleischgericht. Die Palette der in den Quellen erwähnten Lebensmittel ist erstaunlich; besonderer Wert scheint auf Eiweiß und Gemüse gelegt worden zu sein. Das Personal bestand aus einer gemischten Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern. Erstere besorgten die Hausverwaltung, die Patientenaufnahme und das Personalwesen, erledigten das Alltagsgeschäft auf den Krankenstationen und sorgten für Bettzeug und Kleidung. Neben ihrer Verantwortung für das Waisenhaus arbeiteten die Ordensschwestern in der Küche des Hospitals und führten möglicherweise eine Art Aufsicht auf den Frauenstationen. Die meiste Arbeit wurde jedoch von Laienmitarbeitern geleistet. Zu ihnen gehörten auch vier oder fünf Ärzte und drei oder vier Wundärzte bzw. Chirurgen. Die Ärzte, die anscheinend eine universitäre Ausbildung genossen hatten, wurden unter Eid verpflichtet, bei der Diagnose und Behandlung zum Wohle der Patienten alles in ihrer Macht Stehende zu tun. Zu den Therapeutika zählten Pflanzensäfte,
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Die Nahrungsversorgung des Hospitals von Jerusalem Alles Fleisch musste von Tieren stammen, die zum Zeitpunkt der Schlachtung höchstens ein Jahr alt waren. Neben Weißbrot mit Schweine-, Hammel- oder Hühnerfleisch – in der Fastenzeit gab es frischen oder eingesalzenen Fisch – wurden den Patienten Tauben, Rebhühner, Lammfleisch, Eier, Fisch, Granatäpfel, Maisküchlein, Kichererbsen, Birnen, Pflaumen, Maronen, Mandeln, Trauben, getrocknete Feigen, Salat, Chicorée, Rettich, Portulak, Petersilie und Wurzelpetersilie, Gurken, Zitronen, Kürbisse und Melonen serviert. Mittwochs und samstags bekamen die Kranken einen Salat zu ihrem Abendessen, und es finden sich in den Quellen Verweise auf „normale Portionen“ von Früchten, die es wohl jeden Tag gab, und auf eine Extraration Früchte am (fleischfreien) Freitag. Die Richtlinien des Hospitals verbannten jedoch auch einige Lebensmittel vom Speiseplan. Dazu gehörten Bohnen, Linsen, Meeresfüchte, Muränen und das Fleisch von Zuchtsäuen.
Latwergen und andere Arzneien. Einer der Ärzte trug eine besondere Verantwortung für schwerkranke Patienten, die intensiver Pflege bedurften. Die restlichen Stationen wurden auf die übrigen Ärzte verteilt, so dass ein jeder einzig und allein für die Patienten in seinem Zuständigkeitsbereich zu sorgen hatte. Die grundlegende Krankenpflege wurde von Dienstpersonal beiderlei Geschlechts erledigt. Jeder Krankenstation waren neun bis zwölf Pflegerinnen und Pfleger zugeteilt. In den Sommermonaten, wenn Fiebererkrankungen und Infektionen durch verseuchtes Trinkwasser sich ausbreiteten und die Belegzahlen merklich anstiegen, wurde kurzfristig weiteres Personal eingestellt. Es gab auch einige Bader und Aderlasser, weiteres männliches und weibliches Personal wie Köche und Ammen sowie zahlreiche Europäer, die entweder als Pilger nach Jerusalem oder eigens in das Hospital gekommen waren, um dort ein frommes Werk zu tun, und die nun niedere Arbeiten verschiedenster Art verrichteten, etwa in der Küche. Ammen wurden für jene Kinder auf der Geburtsstation zur Verfügung gestellt, deren Mütter sie – aus krankheits- oder armutsbedingter körperlicher Schwäche – nicht stillen konnten. Die Anzahl der im direkten Kontakt zu den Kranken Tätigen dürfte deutlich über 600 gelegen haben: Es kam im Verhältnis eine Pflegekraft auf zwei Kranke. Man muss sich nur die logistischen Erfordernisse einer solchen Einrichtung vorstellen, deren hoher Pflegestandard einen immensen Arbeitsaufwand voraussetzte und die weit mehr Patienten aufnahm, als sich ein modernes Krankenhaus leisten könnte. Diese Patienten schliefen dann vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben in einem eigenen Bett; ganz bestimmt jedoch hatten sie noch nie zuvor derart regelmäßig so gut gegessen oder sich derart intensiver geistlicher Sorge versehen. Es wird in der Forschung noch immer darüber diskutiert, inwiefern das Johanniterhospital von der damaligen byzantinischen und arabischen Medizin beeinflusst war. Der bislang vielleicht vernünft igste Vorschlag besagt, dass es zwar als eine westliche Einrichtung gegründet worden sei und
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viele westliche Eigenheiten beibehalten habe; dass jedoch mit der Zeit auch östliche Einflüsse wirksam wurden.
Die Ritterorden Die Ritterorden
Die Kosten für den Unterhalt des Hospitals müssen immens gewesen sein. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass die Hospitaliter innerhalb weniger Jahrzehnte nach der Gründung ihrer Gemeinschaft eine weitere Rolle übernommen hatten: die eines militärischen Ritterordens. Diese Form des religiösen Lebens, bei der die Brüder (und zuweilen Schwestern) ihre Profess als Ordensleute ablegten und fortan sämtlichen damit laut Kirchenrecht verbundenen Pflichten und Einschränkungen unterlagen – nur dass einige von ihnen darüber hinaus noch Waffendienst leisten durften und sollten –, hatten die Ritter des Templerordens eingeführt. Deren Ursprünge reichten bis in die Jahre 1119 / 1120 zurück, als ein Ritter aus der Champagne namens Hugo von Payens zusammen mit acht Gefährten eine regulierte Gemeinschaft von Laienbrüdern ins Leben rief, um die noch immer sehr unsicheren Pilgerwege, die durch Palästina nach Jerusalem führten, durch ihren Einsatz ein wenig sicherer zu machen. Bald gewannen die Templer zwei mächtige Unterstützer: König Balduin II. überließ ihnen einen Teil seines Palastes im Jerusalemer Tempelbezirk zur Nutzung, und Bernhard, der einflussreiche Abt des Zisterzienserklosters Clairvaux, überredete bei der Synode von Troyes im Jahr 1129 einen päpstlichen Legaten sowie zwei Erzbischöfe und zehn Bischöfe, den Templerorden anzuerkennen und ihm eine Ordensregel zu geben. Durch die Gründung des Templerordens wurde aus der Kriegführung der Kreuzfahrer als zeitlich begrenztem Akt der Frömmigkeit die Kriegführung als fromme Lebensform. Während die Kreuzfahrer in der Regel Laien waren, die ihre Alltagsfertigkeiten für eine Weile in den Dienst einer heiligen Sache stellten, waren die Templer Ordensleute und als solche in einem ebenso permanenten Krieg wie ihre Brüder in den anderen Orden im Gebet. Sie waren, wie sie und ihre Apologeten zugaben, Angehörige einer neuen Art von Orden der Kirche; allerdings bestanden sie darauf, dass dessen Gründung in der Heiligen Schrift bereits angekündigt und daher gerechtfertigt sei. Indem sie das Kreuz zu ihrem Kennzeichen machten, eigneten sie sich die Bezeichnung der Mönche – und dann der Kreuzfahrer – an, nämlich „Ritter Christi“. Bernhard von Clairvaux benutzte zu ihrer Charakterisierung die bereits aus dem Ersten Kreuzzug bekannte Gegenüberstellung des alten, gewalttätig-sündigen und des neuen Ritters, der seine Seele durch den Einsatz für die gerechte Sache rettet. O, dies ist ein wahrhaft heiliges und sicheres Rittertum und gänzlich frei von jener doppelten Gefahr, in die eine gewisse Art von Männern oft gerät, wenn sie für eine andere als allein die Sache Christi kämpfen. Denn wie oft geratet ihr, die ihr als weltliche Ritter in den Kampf zieht, in eine schreckliche Lage: dass ihr zwar den Körper des Feindes tötet, dabei aber auch eure eigene Seele – oder dass ihr zufällig von diesem getötet werdet, so dass euer Leib und eure Seele gleichzeitig sterben.
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Von Liebe angetrieben, so Bernhard, stürben die Templer als Märtyrer: Wie ehrenvoll kehren die Sieger aus der Schlacht zurück! Wie selig sterben die Märtyrer im Kampf! Freue dich, starker Kämpfer, wenn du im Herrn lebst und siegst – aber frohlocke und jauchze umso mehr, wenn du im Tode mit ihm vereint wirst. In der Tat bringt das Leben reiche Frucht, und ehrenvoll ist der Sieg; doch nach dem heiligen Gesetz ist der Tod noch besser als diese beiden. Denn wenn die schon selig sind, die in dem Herrn sterben, um wie viel seliger müssen jene sein, die für den Herrn sterben?
Die Gründung eines geistlichen Ordens, dessen Mitglieder die altbekannten Gelübde ablegten, das Stundengebet hielten und dann in die Schlacht zogen, um ihre Feinde zu töten, war ebenso beispiellos, wie es vierzig Jahre zuvor das Konzept eines „Bußkrieges“ gewesen war. Einigen Zeitgenossen war die bloße Vorstellung eines Kriegerordens zuwider, trotz der Fürsprache Bernhards von Clairvaux und des Papsttums. Es überrascht allerdings, dass nicht mehr Kleriker sich gegen einen solchen Orden aussprachen, insbesondere da die Gründung des Templerordens gewissermaßen das Argument entkräftete – mit dem sich der konservative Klerus wohl gerade erst abgefunden hatte –, Kreuzzüge seien gerade für Laien ein besonders geeignetes Unternehmen. Tatsächlich sollten Bernhard von Clairvaux und die von ihm maßgeblich geprägten Zisterzienser später andeuten, nicht etwa die an einem Kreuzzug teilnehmenden Laien, sondern die Templer seien die wahren „Nachfolger Christi“. Die Templer gewannen jedenfalls rasch mächtige Unterstützer. Diese Beliebtheit und die daraus folgende Stiftung großer Besitztümer im Westen waren es, die den Orden zur Übernahme weitreichender Verantwortung im Osten befähigten. Dort wurde dieser Einsatz so dringlich erwartet, dass auch die Hospitaliter, mit der Unterstützung der örtlichen Kirchenoberen, von den 1120er-Jahren an einige Merkmale eines geistlichen Ritterordens anzunehmen begannen. Die Militarisierung des Hospitals von Jerusalem, die 1171 zu einer schweren inneren Krise der Ordensgemeinschaft führte, konnte erst 1206 abgeschlossen werden. Selbst dann jedoch blieb der Orden seiner Mission gegenüber ambivalent eingestellt, und während eines Großteils des 13. Jahrhunderts entsprachen seine Ausgaben für die Armen- und Krankenpflege wohl denen für die Kriegführung. Die von den Johannitern eingegangene Verknüpfung von Hospital- und Heeresdienst wurde zunächst vom Deutschen Orden, der 1198 gegründet wurde, und dann vom Orden des heiligen Lazarus aufgegriffen, der aus einem Leprahospital vor den Toren Jerusalems hervorging. Er wurde zu einer Zuflucht für leprakranke Ritter, und das mag erklären, warum der Lazarusorden sich im 13. Jahrhundert, als er, wie die anderen Orden auch, in Akkon seinen Sitz hatte, eine militärische Rolle übernahm. Kranke und gesunde Ritter kämpften hier Seite an Seite; ihre Anzahl allerdings dürfte gering gewesen sein. Die Brüder vom heiligen Lazarus erfreuten sich der besonderen Unterstützung des Heiligen Stuhls. Ein Versuch, in den 1260er-Jahren sämtliche Leprahäuser Westeuropas unter ihre Aufsicht zu stellen, scheiterte jedoch. Nach dem Zusammenbruch des lateinischen Herrschaftsgebietes in Palästina zog der Lazarusorden sich größtenteils von seinen früheren Kreuzzugsaktivitäten zurück. Wie wir noch sehen werden, kam es auch andern-
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orts, vor allem auf der Iberischen Halbinsel und im Baltikum, zur Gründung von Ritterorden. Dort war auch der englische Ritterorden des heiligen Thomas von Akkon aktiv. Die Johanniter und die Templer waren Angehörige großer internationaler Institutionen; ihre Orden waren die ersten wirklich zentralisierten in der gesamten Kirche. Ihre Besitzungen im Westen wurden von untergeordneten Gemeinschaften von Ordensbrüdern verwaltet, deren Zuständigkeitsbezirke als „Kommenden“ oder „Präzepturen“ bezeichnet und zu „Provinzen“ zusammengefasst wurden. Die Ritterorden waren durch päpstliche Privilegien von bischöflicher Kontrolle befreit und allein dem Heiligen Stuhl zur Rechenschaft verpflichtet. Im Osten nahmen sie eine beträchtliche, ständig wachsende Last von Verteidigungsaufgaben auf sich. Man hat sie als machthungrige „Staaten im Staate“ beschrieben, die zu jener Zersplitterung obrigkeitlicher Autorität beigetragen hätten, an welcher das Königreich Jerusalem letztlich zugrunde ging, doch ist dieses Bild nicht mehr als eine Karikatur. Verfassungsmäßig war ihre Stellung keine andere als die der übrigen großen Institutionen der Kirche in der lateinischen Christenheit, von denen die meisten Besitzungen hielten, welche von feudalen Dienstpflichten sowie der weltlichen Gerichtsbarkeit befreit waren. Ein Unterschied bestand natürlich darin, dass die Ritterorden vergleichsweise stärker waren und ihre Interessen notfalls mit der Androhung von Waffengewalt zu verteidigen wussten. Sie waren konkurrenzorientiert, manchmal egoistisch und bisweilen streitsüchtig; doch vergaßen sie niemals, dass ihre eigentliche Aufgabe und Daseinsberechtigung die Verteidigung der christlichen Herrschaftsgebiete in der Levante war. Was den Beitrag der Ritterorden zur Verteidigung des Lateinischen Ostens betrifft, so sind zwei Umstände zu betonen: Erstens gab es in Palästina zu keiner Zeit mehr als 300 Johanniter und vielleicht 500 Templer. Sie fungierten vor allem als Befehlshaber der Söldner, die den Großteil ihrer Besatzungen und ihrer Truppen im Feld ausmachten. Wenn sie auf einen Gegner stießen, dessen Truppenstärke es erlaubte, immer wieder frontal anzugreifen, drohte den Ordensrittern die völlige Vernichtung. Der Franziskanerprovinzial für das Heilige Land, Fidentius von Padua, der zwei Brüder als Kapläne in die Templerburg von Safed entsandt hatte, erinnerte sich später, dass bei der Einnahme von Safed durch ägyptische Truppen im Jahr 1266 nach annähernd sechswöchiger Belagerung die Garnison von 2000 Verteidigern auf 500 oder 600 völlig erschöpfte Männer zusammengeschmolzen war, viele von ihnen verwundet. Drei Viertel der Burgbesatzung hatten also ihr Leben gelassen. Bereits im Sommer 1187 hatten Johanniter wie Templer in den Schlachten von Cresson (ʿAin Gozeh bei Nazareth) und Hattin schreckliche Verluste erlitten. In den folgenden Monaten stiegen die Zahlen getöteter Ritter mit der Eroberung vieler ihrer Stützpunkte weiter an. Die Templer verloren 1237 bei einer Schlacht im Amanusgebirge 100 von 120 beteiligten Rittern. In der Schlacht von La Forbie (Harbiyah) im Jahr 1244 verloren sie vermutlich rund 300 Brüder und die Johanniter 200. Es scheint, dass die beiden Orden vor jener Schlacht nahezu alle verfügbaren Männer mobilisiert hatten. Der größte Teil des Zentralkonvents der Johanniter wurde 1265 bei der vergeblichen Verteidigung von Arsuf ausgelöscht, als bis zu 80 Johanniter in ägyptische Gefangenschaft gerieten. Es überrascht nicht, dass unter diesen Bedingungen die personelle Fluktuation innerhalb des Ordens außerordentlich hoch war: Ständig wurden neue Brü-
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der, Novizen wie erfahrene Kräfte, aus den westlichen Ordensprovinzen herbeigeholt, um die Verluste auszugleichen. Als beide Orden nach den schweren Verlusten der Templer im Jahr 1237 ihre Reserven mobilisierten, berichtet eine zeitgenössische Quelle, wie sich 30 Johanniter von ihrem englischen Hauptquartier in Clerkenwell nördlich von London zu Pferd auf den Weg zum Meer machten. Zweitens zog das militärische Engagement der Ritterorden immense Kosten nach sich. Ihre Söldner wollten schließlich ihren Sold erhalten; auch der Unterhalt der ordenseigenen Befestigungsanlagen war überaus kostspielig. Als um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Festung Safed, eine der größten Templerburgen in Palästina, wiederaufgebaut und erweitert wurde, belief sich ein innerhalb des Ordens aufgestellter Kostenvoranschlag auf rund 1 100 000 sarazenische (Gold-)Bezants – und das nach Abzug der aus den umliegenden Dörfern zu erwartenden Einnahmen! Danach beliefen sich die jährlichen Unterhaltskosten für die Festung auf rund 40 000 sarazenische Bezants. Da ein paar Jahre darauf in Akkon Soldritter belegt sind, die für 120 Bezants im Jahr Dienst taten, entsprachen die Kosten für die Instandsetzung der Festung Safed also dem Jahressold von mehr als 9000 Rittern; von den jährlichen Folgekosten hätten 333 Ritter bezahlt werden können. Zur selben Zeit besaßen die Templer sechs weitere Burgen vergleichbarer Größe; die Johanniter besaßen drei. Die aus diesen Liegenschaften entstehenden Verbindlichkeiten waren kaum tragbar, und die Johanniter hatten ja zudem auch noch die Kosten ihres großen Hospitals aufzubringen. Trotz ihrer Besitzungen im Westen mit ihrer nach größtmöglicher Rentabilität strebenden Verwaltung waren die Ritterorden oft mals durch ihre Verpflichtungen überlastet und in finanziellen Schwierigkeiten.
5. Besiedlung, Regierung und Verteidigung des lateinischen Ostens (1097–1187) Besiedlung, Regierung und Verteidigung des lateinischen Ostens (1097–1187)
Das im 12. Jahrhundert von den Kreuzfahrern besiedelte Gebiet, das sich von Norden nach Süden über beinahe 1000 Kilometer erstreckte, bildet eine geografische Einheit: Gebirgszüge – mancherorts auch zwei parallele Bergketten – verlaufen in einiger Entfernung entlang der Mittelmeerküste, gesäumt oder durchbrochen von niedrigem Gelände mit den Flussläufen von Orontes, Litani und Jordan. Zuweilen stoßen Ausläufer der Gebirge als hügeliges Terrain bis in Küstennähe vor. Da der Wind zumeist aus westlicher Richtung (also vom Meer her) weht, schlägt sich der Regen des Winters im Bergland nieder, dessen Erde das Wasser speichert – damals, als es dort noch mehr Bäume gab, besser als heute – und es während der Trockenzeit in das Tiefland der Küste abgibt. Die Küstenebene zwischen Gebirge und Meer bietet daher ertragreiches Ackerland und war im 12. Jahrhundert dicht besiedelt. Einige Gebiete jenseits der Berge sind ebenfalls recht fruchtbar – so etwa die Gegend im Osten des Sees Genezareth – bevor sie in die Wüste übergehen, die im Osten und Süden ihre Grenzen bilden.
Land und Stadt Land und Stadt
Der Status der einheimischen Dorfbewohner entsprach in etwa dem der europäischen Leibeigenen. Sie waren an das Land gebunden und konnten es normalerweise weder verlassen noch ihre Anteile an Ackerland veräußern. Es scheint, dass die einzelnen Dörfer jeweils von einem Ältestenrat verwaltet wurden, dessen Leitung ein Dorfvorsteher innehatte. Dieser auch von den Europäern so genannte ra’is – der Titel ist im arabischsprachigen Raum für eine gemeindliche Autoritätsperson gebräuchlich – diente als eine Art Bindeglied zwischen Herrschern und Beherrschten. Sein Amt brachte es mit sich, dass er über mehr Ackerland und ein größeres Haus verfügte als die anderen Dorfbewohner. Er hatte bei landwirtschaft lichen Entscheidungen, die für die gesamte Dorfgemeinschaft von Bedeutung waren, das letzte Wort; trieb die Steuern ein, welche ihre Mitglieder dem Grundherrn schuldig waren und fungierte darüber hinaus so gut wie sicher als der Dorfrichter. Eine Siedlung dieses Typs bestand im Wesentlichen aus einem Dorfkern, in dem sich eine Handvoll Häuser eng aneinanderdrängten, dazu einer Zisterne, einer Mühle womöglich, einem Backhaus und Dreschböden. Um sie herum lagen die Wein-, Gemüse-, Obstgärten und Olivenhaine, die sich im persönlichen Besitz der Dorfbewohner befanden. Jenseits dieses Gürtels lag das Ackerland, das gemeinschaft lich bebaut wurde und
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sich nicht selten so weit erstreckte, dass weit draußen gelegene Siedlungen, die aufgegeben worden waren, für einige Wochen wieder bewohnt wurden, um die umliegenden Felder bestellen zu können. In manchen Gegenden praktizierte man eine zweijährige Fruchtfolge, bei der auf einigen Feldern Mitte November Getreide ausgesät wurde, während andere teils brach gelassen und im folgenden Frühjahr mit einer Sommerfrucht wie etwa Sesam besetzt, teils aber auch mit verschiedenen Gemüsesorten bepflanzt wurden. Das geerntete Getreide wurde auf den Dreschböden des Ortes gedroschen, und die Körner wurden in Haufen aufgeteilt, von denen jede Familie einen erhielt, entsprechend ihrem Anteil am gesamten Grundbesitz des Dorfes. Vor der Verteilung an die Dorfbewohner wurde jedoch zuerst der grundherrliche Anteil abgezogen – und aufgeteilt, sofern das Dorf mehrere Grundherren hatte. Diese Abgabe namens kharadsch betrug in der Regel ein Drittel oder ein Viertel der Ernte an Getreide und Feldfrüchten sowie die Hälfte oder ein Viertel der Erträge aus Weinbergen, Olivenhainen und Obstgärten. Hinzu kamen eine Kopfsteuer auf Muslime und Juden, eine wiederum seit Generationen bestehende „persönliche Gabe“, mu’na genannt, Steuern auf den Besitz von Ziegen, Schafen und Bienen sowie verschiedene kleinere Abgaben. Diese sich aus diesen Bestimmungen ergebende Steuerschuld konnte zwar aufgerechnet und durch eine Geldzahlung beglichen werden; üblicher war es jedoch, die fälligen Steuern in Naturalien zu entrichten. Aus diesem Grund kann man in Palästina hier und da noch heute die Ruinen großer Vorratsscheunen sehen, in denen die jährlichen Abgaben mehrerer Dörfer gelagert werden konnten. Es gab auch Ansiedlungen europäischer Bauern. Diese unterschieden sich deutlich von den Dörfern der Einheimischen und ähnelten den „Neustädten“ (villes neuves) in Europa. Im Heiligen Land traten so an die Stelle eines formlosen Gewirrs von Häusern eine von planvoll errichteten Gebäuden gesäumte Straße, ein Turm, Verwaltungsgebäude und eine lateinische Kirche. In Kubeiba gibt es noch heute die Grundmauern hervorragend konstruierter zweistöckiger Steinhäuser, jedes mit einer eigenen Zisterne und einem ausgefeilten Rohrleitungssystem. Unsere Vorstellung davon, welche Größenordnung diese europäische Kolonisierung erreichte, hat sich in der letzten Zeit gewandelt. Während früher von etwa zwanzig Siedlungen europäischer Kolonisten die Rede war, hat Ronnie Ellenblum 200 solcher Ansiedlungen identifiziert: Dorfgründungen, aber auch einzelne Gehöfte, die über umfangreiche Bewässerungssysteme und andere Kennzeichen eines fortgeschrittenen Agrarwesens verfügten. Die meisten dieser europäischen Ansiedlungen befanden sich in Gegenden, in denen einheimische Christen die Bevölkerungsmehrheit bildeten. Das deutet darauf hin, dass die Siedler sich an solchen Orten sicherer fühlten, an denen sie sich von Glaubensgenossen umgeben wussten. Die Siedler kamen aus ganz Europa. Bei Bet Guvrin zum Beispiel siedelten im 12. Jahrhundert Männer aus Frankreich, dem römisch-deutschen Reich, Italien und Katalonien. Es waren wohl die günstigen Konditionen, die sie anzogen: Jeder Kolonist erhielt ein ausreichend großes Stück Land zur Bearbeitung, über das er frei verfügen konnte – es also auch verkaufen durfte. Die zu leistenden Abgaben waren nicht drückend – in einer Siedlung zehn Prozent zusammen mit gewissen anderen Auflagen – und wurden zudem de
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facto als Pachtzins aufgefasst. Die Kolonistengemeinschaften hatten ihre je eigene Gerichtsbarkeit. Den entsprechenden Gremien stand, wie in Westeuropa auch, ein als dispensator oder locator bezeichneter Amtsträger vor, der in seiner Person die Verantwortlichkeiten eines vorsitzenden Richters und eines Vertreters des Grundherrn vereinigte. Seine Aufgabe war es auch, die zur Besiedlung vorgesehenen Grundstücke an geeignete Kolonisten zu verteilen. Sämtliche bislang identifizierten Neugründungen sind im 12. Jahrhundert erfolgt; im 13. Jahrhundert dann, als die Gebiete unter christlicher Kontrolle abnahmen, muss die Kolonisierungsbewegung deutlich an Schwung verloren haben. Allerdings war nachweislich noch um 1200 ein dispensator aktiv, und einige der alten Siedlungen überlebten den Großteil des 13. Jahrhunderts. Ganz gleich, ob Einheimische oder Kolonisten – ein Merkmal der dörflichen Wirtschaftsordnung im Heiligen Land unterschied sich deutlich von den Verhältnissen in Westeuropa: Es gab nur sehr wenig Domänenland, das die Grundherren, wie in Westeuropa üblich, selbst bewirtschafteten bzw. von abhängigen Fronbauern bewirtschaften ließen. In den Siedlungsgebieten der Levante gab es Domänenland im Allgemeinen nur in den großen Nutzgärten und Zuckerrohrplantagen an der Küste, und nur sehr wenige der von den Kolonisten gegründeten Dörfer lagen dort. Die meisten Kolonisten schudeten ihren Grundherren kaum etwas an Frondiensten – üblicherweise nicht mehr als einen Tag in der Woche –, und in vielen Gegenden scheint diese Verpflichtung damit abgegolten worden zu sein, dass man den Ernteanteil des Herrn in die zentralen Sammelstellen transportierte sowie ein wenig zur Instandhaltung von Straßen und Aquädukten beitrug. Aus dieser Situation folgte, dass es für den Grundherrn, der ja hauptsächlich daran interessiert war, seinen Anteil an der Jahresernte einzutreiben, wenig Sinn hatte, sich direkt in die ackerbaulichen Belange der ihm zugehörigen Dörfer einzumischen. Obwohl einige der aufgefundenen Gebäude als „Herrenhäuser“ identifiziert worden sind, lebten die Grundherren in der Regel nicht selbst auf dem Land, sondern neigten dazu, sich in den Städten zu versammeln, wo so viele von ihnen ohnehin Geldlehen besaßen. Es gab in dieser Region noch immer eine florierende Stadtkultur. Im Hinterland lagen die großen städtischen Zentren Damaskus und Aleppo, die auf die sich in christlicher Hand befindenden Hafenstädte an der Mittelmeerküste angewiesen waren. Die von den Kolonisten besiedelten Gebiete erwirtschafteten Produkte – allen voran Zucker –, die im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus auf große Nachfrage stießen. Sie lagen zudem an einer der großen Handelsstraßen in den Fernen Osten. Aufsehenerregende Ausgrabungen in Akkon haben zutagegebracht, wie ausgeklügelt die Stadtplanung in diesem größten Hafen der Levante war: Neben beeindruckenden Gebäuden hat man dabei auch ein aufwendiges Trink- und Abwassersystem entdeckt. Kein Wunder, dass es die meisten europäischen Siedler in solche Städte zog: Von den etwa 150 000 Westeuropäern, die mit der Zeit in Palästina ansässig geworden waren, lebten rund 120 000 in den Städten, die meisten von ihnen als freie Bürger. Diese Bürger gehörten einer Gesellschaftsschicht an, die anstelle der von den Bauern zu leistenden Abgaben für ihren als borgesie bezeichneten Besitz einen Pachtzins entrichteten. Sie besaßen das Recht, ihre borgesies zu kaufen und zu verkaufen, und alle damit zusammenhängenden Rechts-
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angelegenheiten wurden von eigenen Gerichten behandelt, den Cours des Bourgeois. Die Bürger waren keine Vasallen und unterlagen somit keinerlei feudalen Verpfl ichtungen. Vielmehr unterstanden sie einer Art von öffentlichem Recht, den Assises des Bourgeois, die sich von Ort zu Ort stark unterscheiden konnten, da jedes Siedlungsgebiet in dieser Hinsicht seine eigenen Traditionen entwickelte. Nur zwei dieser Rechtssammlungen sind erhalten geblieben: eine aus Antiochia, die leider unvollständig überliefert ist, und eine aus Akkon, wo es die größte lateinische Bürgergemeinde im Heiligen Land gab. Letztere ist stark durch eine in Europa weit verbreitete provenzalische Abhandlung zum Römischen Recht beeinflusst und wird von der Forschung auf die frühen 1240er-Jahre datiert. Trotz der frühen Versuche, Muslime und Juden zu vertreiben, gab es in vielen Städten auch ansehnliche Gemeinden von Einheimischen. Und das waren beileibe nicht nur Angehörige der Unterschicht, sondern Ladenbesitzer, Kaufleute und Handwerker. Im 12. Jahrhundert wurden die Färbereien in sechs Städten von Juden betrieben – die berühmteste Färberei jedoch, diejenige in Tyrus, war in der Hand orthodoxer Suriani (Melkiten), auf die noch näher einzugehen ist. Juden waren auch in der bedeutenden Glasherstellung von Tyrus engagiert; sie beteiligten sich am Handelsleben als Geldverleiher und Schiffseigner. Es gab aber auch muslimische Handelskapitäne, und im 13. Jahrhundert bestand in Tyrus eine bedeutende Handelsgemeinschaft orthodoxer Suriani. Das eindrucksvollste Zeugnis der Aktivitäten einheimischer Kaufleute beschert uns jedoch eine Handelsgesellschaft, die 1268 erfolgreich an die Genuesen appellierte, man möge sie für den Verlust eines ihrer Schiffe entschädigen, das eine genuesische Flotte fünf Jahre zuvor vor der Küste Kilikiens aufgebracht hatte. Der Große Rat von Genua erklärte sich bereit, einen Schadenersatz von 14 900 Genueser Pfund zu zahlen. Bei den beteiligten Partnern dieser Unternehmung, die offenbar in Mossul, tief im islamischen Machtbereich, organisiert worden war, handelte es sich um 23 Männer, allesamt Einheimische. Sechs von ihnen lebten in Ayas (Yumurtalık) im kilikischen Armenien, fünf in Antiochia, zwei in Tyrus und sechs in Akkon. Einer von den letztgenannten war der im vorigen Kapitel erwähnte Akkoner Bürger und Konvertit (oder Maronit) Saliba. Er war ganz offenkundig ein reicher Mann. Seinem Testament können wir entnehmen, dass sein Besitz einen Wert von 1275 sarazenischen Bezants hatte; dazu kamen noch 1156 sarazenische Bezants und zehn Akkoner Pfund in Bargeld. Er muss jedoch noch wesentlich mehr besessen haben, denn er vermachte den Rest seiner Habe, der aus gutem Grund nicht einzeln aufgeführt wird, den Johannitern. Eine seiner Töchter, die leer ausgegangen war, verklagte daraufhin den Orden auf die Herausgabe ihres Erbes.
Die rechtliche Stellung der Einheimischen Die rechtliche Stellung der Einheimischen
Der Handlungsspielraum der einheimischen Bevölkerung war insofern eingeschränkt, als die im vorigen Kapitel beschriebene Toleranz der Kreuzfahrer gegenüber anderen Religionen durchaus ihre Grenzen hatte. Allein die Angehörigen der römischen Kirche galten vor dem Gesetz als vollwertig, denn allein ihr Zeugnis hatte in einer Gerichtsver-
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handlung das volle Gewicht. Aussagen von Anhängern anderer Bekenntnisse wurden ihrem Glauben entsprechend gewichtet. Ursprünglich genossen alle Christen das Recht auf die Freiheit ihrer Person – Nichtchristen allerdings nicht. Das verhinderte Konversionen zum Christentum, denn Grundherren – selbst, wenn sie Kirchenmänner waren – erlaubten es ihren Sklaven nicht ohne Weiteres, sich taufen zu lassen und somit einen Anspruch auf ihre Freilassung zu erwerben. Deshalb verkündete Papst Gregor IX., selbst die Taufe ändere nicht den Status eines Unfreien – ein Grundsatz, der auch auf der Iberischen Halbinsel und im Baltikum angewandt wurde. Nichtchristen unterstanden noch weiter reichenden Einschränkungen, die letztlich auf eine Adaption des islamischen dhimmi-Rechts zurückgingen, wie es die Kreuzfahrer bei ihrer Ankunft im Nahen Osten vorgefunden hatten. Streng genommen fielen nach islamischem Recht nur all jene in die Kategorie der dhimmis, die den „Leuten der Schrift“ angehörten: Juden, Christen und Sabäer (zu denen in diesem Zusammenhang auch die Zoroastrier gezählt wurden). Jeder erwachsene, männliche, voll zurechnungsfähige dhimmi hatte eine Kopfsteuer (dschizya) zu entrichten. Sein Grundbesitz konnte – musste aber nicht – an die islamische Glaubensgemeinschaft fallen; er durfte ihn jedoch trotzdem bewirtschaften und musste sowieso die schon erwähnte Grund- und Ertragssteuer (kharadsch) zahlen. Dazu kamen noch andere Abgaben zum Unterhalt der muslimischen Heere. Der dhimmi musste sich von den Muslimen durch seine Kleidung unterscheiden. Er durfte kein Pferd reiten und keine Waffen tragen. Weiterhin unterlag er rechtlichen Einschränkungen hinsichtlich der Zeugnisfähigkeit vor Gericht, dem Schutz unter dem geltenden Strafrecht sowie der Heiratsfähigkeit. Der dhimmi und seine Familie besaßen im muslimischen Staatswesen kein Bürgerrecht; vielmehr waren sie Glieder einer quasi selbstverwalteten Minderheit unter einem eigenen Oberhaupt, etwa einem Rabbi oder einem Bischof, aber alle schwerwiegenden Rechtsangelegenheiten – sowie jene, deren beteiligte Parteien unterschiedlichen Religionen angehörten – mussten vor den islamischen Gerichten verhandelt werden. Im Gegenzug wurden den dhimmis Sicherheit und Schutz bei der Ausübung ihrer Religion garantiert, solange sie damit kein öffentliches Ärgernis erregten. Bereits bestehende Gotteshäuser durften sie renovieren und sogar umbauen, jedoch keine neuen errichten. Die Quellen für das Königreich Jerusalem lassen erkennen, dass auch die neuen Herren den kharadsch als Grundsteuer erhoben – obwohl das nicht viel heißen muss, wenn man bedenkt, dass die Lateiner das Steuersystem ihrer Vorgänger einfach übernahmen. So zahlten nun eben Juden und Muslime – nicht aber die Christen – eine Kopfsteuer. Auch mussten jene sich nun in ihrer Kleidung von den lateinischen Christen unterscheiden und durften vor Gericht nicht gegen diese aussagen, es sei denn, um das Alter oder die Abstammung eines Angeklagten zu bezeugen oder den Verlauf von Grundstücksgrenzen zu belegen. Andererseits durften Juden und Muslime ihre Religion ausüben. In Akkon und Tyrus florierten die jüdischen Akademien, und die rabbinischen Gerichte hatten alle Hände voll zu tun. Und wenn auch aus dem Königreich Jerusalem kein muslimischer Richter (qadi) belegt ist, so gab es in den 1180er-Jahren nachweislich mindestens einen solchen Richter in Dschabala im Fürstentum Antiochia. Benjamin Kedar hat
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darauf hingewiesen, dass uns fehlende Belege über die Arbeit von qadis in Palästina nicht erstaunen sollten – immerhin wüssten wir nichts von den rabbinischen Gerichten, wären diese nicht so hoch angesehen gewesen, dass ihre responsa (Rechtsgutachten) weite Verbreitung fanden und darum auch erhalten blieben. Die Siedler erwiesen sich in zweierlei Hinsicht als Innovatoren dieses Steuer-, Verwaltungs- und Justizsystems. Die erste ihrer Änderungen betraf die nichtlateinischen Christen, die wohl nur teilweise von den Einschränkungen der dhimma befreit wurden. So gibt es zum Beispiel keine Hinweise darauf, dass sie eine Kopfsteuer zu entrichten hatten. Auch waren sie von der Abgabe des Zehnten befreit, der nur von den lateinischen Christen erhoben wurde (und das hieß in der Praxis, dass der Zehnt lediglich vom herrschaft lichen Anteil an der Dorfernte eingezogen wurde). Dennoch blieben die nichtlateinischen Christen vor Gericht Zeugen zweiter Klasse; ihren Aussagen wurde niemals dasselbe Gewicht beigemessen wie jenen der Lateiner. Es scheint allerdings, dass auch sie eine Art von unabhängigem Gemeindestatus besaßen, mit ihren Bischöfen als den angestammten Oberhäuptern. Bei seiner Ankunft in Akkon im Jahr 1216 schrieb Jakob von Vitry, er habe sich an die griechisch-orthodoxen und jakobitischen Christen der Stadt wenden können, da deren Bischöfe ebenfalls in Akkon anwesend gewesen seien. Die Griechen hätten sich „auf die Anweisung ihres Bischofs hin“ versammelt, um ihm zuzuhören; allerdings, so fährt Jakob fort, „habe ich noch nicht zu den Nestorianern, Georgiern und Armeniern sprechen können, denn diese haben keinen Bischof oder anderes Oberhaupt [in der Stadt Akkon]“. Gegenüber den arabischsprachigen, orthodoxen Suriani (Melkiten) die unter den einheimischen christlichen Gemeinschaften im Lateinischen Königreich wohl die meisten Mitglieder hatten, gingen die Siedler sogar noch weiter: Für sie wurden im ganzen Königreich eigene Gerichte geschaffen, die Cours des Syriens. Im 13. Jahrhundert glaubte man, diese Gerichtsbarkeit sei in den ersten Jahren der Landnahme auf die Bitte der Suriani hin eingesetzt worden, damit sie nach ihren Gebräuchen Recht sprechen konnten. Im Akkon des 13. Jahrhunderts scheint – wie auch in einigen anderen Städten – die Cour de la Fonde, ein Marktgericht, die Aufgaben der örtlichen Cour des Syriens übernommen zu haben; aber in Jerusalem, Nablus, Tyrus und Bethlehem ist das Weiterbestehen der syrischen Sondergerichte quellenmäßig belegt. Mit Ausnahme von Nablus wiesen alle diese Städte beträchtliche orthodoxe Gemeinden auf. Ganz unabhängig davon, ob die Suriani tatsächlich selbst um die Errichtung einer eigenen Gerichtsbarkeit gebeten hatten, ist ein Umstand bemerkenswert: Die Cours des Syriens verhandelten all jene „weltlichen“ Rechtssachen, die unter muslimischer Herrschaft in den Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Bischofs gefallen wären. Wie zuvor die Dhimma-Gerichte besaßen sie allerdings nicht die Blutgerichtsbarkeit – das heißt, sie durften keine Todesurteile aussprechen –, und auch das Eigentum freier Männer blieb ihrer Verfügung entzogen. Es mag sein, dass römisch-katholische Christen einer einheimischen christlichen Gemeinschaft westliche Reformvorstellungen von der Trennung der weltlichen und geistlichen Gewalten aufdrängten. Die zweite große Innovation der Siedler war die Errichtung der bereits erwähnten Cours de la Fonde. Anscheinend übernahmen sie die bestehenden Ämter, die bislang die Marktgebühren erhoben hatten, und erweiterten ihre Kompetenzen um die Rechtspre-
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chung in kleineren handels- und vermögensrechtlichen Streitfragen unter den Angehörigen der verschiedenen einheimischen Bevölkerungsgruppen. In Akkon hörten der bailli, zwei lateinische und vier einheimische Geschworene der Cour de la Fonde Fälle von Schuld-, Pfand- und Pachtstreitigkeiten sowie alles, was ein Syrer oder Jude oder Muslim oder Samaritaner oder Nestorianer oder Grieche oder Jakobit oder Armenier getan haben mag. Wisset wohl, dass von Rechts wegen die genannten Leute vor keinem anderen Gericht Klage bezüglich einer Forderung untereinander erheben sollen als ganz allein vor der Cour de la Fonde.
Jüdische Kläger konnten zur Bekräftigung ihrer Anschuldigungen auf die Tora schwören, Samaritaner ebenso auf die „fünf Bücher Mose“, Muslime auf den Koran, Jakobiten und Griechen auf ein Abbild des Kreuzes sowie Evangelienabschriften in ihren jeweiligen Sprachen. Alle Fälle der Blutgerichtsbarkeit jedoch – darunter Mord, Verrat und Diebstahl – mussten vor einem höheren lateinischen Gericht verhandelt werden. Die Schaff ung einer niederen Instanz für Bagatellverfahren, die neben den höheren Gerichten des Königreichs, den rabbinischen und bischöflichen Gerichten sowie den Gerichten der qadis bestand, stellte gegenüber den dhimma-Gesetzen der Vergangenheit eine Neuerung dar. Schließlich waren unter muslimischer Herrschaft für alle Fälle, die Angehörige unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften betrafen, die obrigkeitlichen Gerichte zuständig gewesen – und zwar unabhängig von der Schwere des Vergehens. Man hat zwar unter Verweis auf die jüdischen Gemeinden die Vermutung geäußert, dass jene so ungern vor externen Instanzen geklagt hätten, dass dies tatsächlich nur bei Klagen gegen Nichtjuden geschehen sei. Bedenkenswerterweise ist jedoch in dem – gewissermaßen spiegelbildlichen – Fall Ägyptens dargelegt worden, dass etwa die Köpfe der dortigen jüdischen und christlichen Gemeinden von externen Strafverfahren gegen ihre „Schäfchen“ überhaupt nichts hielten; dass jedoch einzelne Angehörige dieser Gemeinden nicht zögerten, vor ein islamisches Gericht zu ziehen, wenn sie sich von diesem Schritt etwas versprachen. In den Quellen gibt es Hinweise auf wirtschaft liche Partnerschaften von Männern unterschiedlichen Glaubens, und ein ganz wichtiger Grund für die Einrichtung der Cours de la Fonde dürfte darin bestanden haben, Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener Religionen zu schlichten. Die experimentierfreudige Herangehensweise an die Verwaltung der nichtchristlichen und auch der christlichen, aber nichtlateinischen einheimischen Bevölkerung scheint erfolgreich gewesen zu sein. Ein wesentlicher positiver Effekt bestand darin, dass ihre Unter tanen in der Regel nicht zum Aufruhr neigten.
Die Verwaltung Die Verwaltung
Die – wenn auch modifizierende – Übernahme des dhimma-Konzepts durch die Siedler ist ein Beispiel dafür, dass Eroberer meistens die Institutionen in den von ihnen eroberten Gebieten für ihre Zwecke angepasst und nicht zerstört haben. Die Kreuzfahrer waren
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in eine Weltgegend ziemlich hoch entwickelter Staatsformen gekommen. Da der größte Teil der einheimischen Bevölkerung auch unter seinen neuen Herren seine Heimat nicht verließ, überrascht es kaum, dass auch der frühere Verwaltungs- und Herrschaftsapparat – zumindest in groben Zügen – erhalten blieb oder allenfalls den Bedürfnissen und Auffassungen der Europäer angepasst wurde. Syrien und Palästina waren, bevor sie unter muslimischer Herrschaft gestanden hatten, Provinzen des byzantinischen und zuvor des römischen Reiches gewesen. Tatsächlich hatten sich weite Teile Nordsyriens noch vor kurzer Zeit in byzantinischer Hand befunden, und wie deutlich unter der islamischen Herrschaft die Strukturen der kaiserlich-byzantinischen Verwaltung fortbestanden haben müssen, merkt man daran, dass nach dem Eintreffen der Kreuzfahrer auf einmal Herzöge, Prätoren und Richter auftreten, die schon im späten 11. Jahrhundert das Verwaltungspersonal der byzantinischen themata (Provinzen) gebildet hatten. Allerdings war die Rolle der Herzöge von Antiochia eher mit den Vicomtes von Jerusalem zu vergleichen, die dem bürgerschaft lichen Justizwesen vorstanden. Andernorts waren selbst die Auswirkungen von gut viereinhalb Jahrhunderten islamischer Herrschaft weniger ausgeprägt, als man denken könnte. Die grundlegende römische Verwaltungseinheit war die civitas gewesen: die Stadtgemeinde mitsamt dem von ihr aus verwalteten Umland. Mehrere civitates bildeten eine römische Provinz. Im Herrschaftsgebiet der Kreuzfahrer hatte es sieben römische Provinzen gegeben. Diese waren, mit gewissen Abweichungen, nach der islamischen Eroberung zu dschunds genannten Militärbezirken geworden, und so konnte man noch Ende des 10. Jahrhunderts die groben Züge des alten römischen Provinzsystems erkennen. Diese Stabilität der Verwaltungsgrenzen lässt sich am Beispiel des lateinischen Palästina erläutern: Die Herrschaft Caesarea entsprach exakt der römischen civitas Caesarea am Vorabend der muslimischen Invasion und muss die Jahrhunderte als Ganzes überstanden haben. Dasselbe gilt vermutlich für die Herrschaften Askalon und Arsuf, während die palästinensischen Grenzen des Fürstentums Galiläa auf der Grenzziehung der (ost-)römischen Provinz Palaestina Secunda beruhten. Als Bindeglied zwischen den neuen lateinischen Herren und den Dorfbewohnern fungierten die Inhaber zweier Posten, deren Ressorts – in dem einen Fall gewiss, in dem anderen wahrscheinlich – bereits vor der lateinischen Eroberung bestanden hatten und somit das Überleben muslimischer Verwaltungsstrukturen auf der lokalen Ebene vermuten lassen. Der eine Amtsträger hieß scriba („Schreiber“), was die wörtliche Übersetzung des arabischen katib für einen muslimischen Finanzbeamten ist. Er war verantwortlich für das Eintreiben von Steuern und Abgaben, die – wie wir gesehen haben – meist auf die traditionelle Art in Naturalien entrichtet wurden. Daneben überwachte er die Grenzen der Ländereien. Von den Schreibern, deren Namen uns bekannt sind, war ein großer Anteil einheimischer Herkunft: 14, vielleicht sogar 16 von 25. Unter ihnen befanden sich allerdings auch sogenannte scribani, und diese scheinen ihr Amt als Lehen erhalten zu haben; möglicherweise gab es hierbei Parallelen zum islamischen Institut des daman, der Steuerpacht. Der zweite Beamte wurde dragoman oder auch interpres genannt, was bestätigt, dass die erstere Bezeichnung eine Verballhornung des arabischen tardschuman (Dolmetscher) ist. Womöglich leitete sich dieses Amt von dem mutardschim der islami-
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schen Rechtspraxis her, einem Assistenten des Richters in Angelegenheiten, welche die vielen Völker unter islamischer Herrschaft betrafen. Seine Aufgaben scheinen auf dem Gebiet der Rechtsprechung gelegen zu haben. In weltlichen Lehen wurde das Amt üblicherweise seinerseits – wie das Schreiberamt – als After- oder Unterlehen wie das eines Serjeanten vergeben. Auch in den Städten wurden weiter die alten Steuern erhoben, einschließlich einer von den Schweinemetzgern in Tyrus zu zahlenden Abgabe, die wohl auf eine muslimische Gebühr zurückging, die Lieferanten von „unreinem“ Fleisch zu zahlen hatten. Und auch in den Städten tauchen wieder die „Schreiber“ auf, die insbesondere an den Ein- und Ausgängen des Stadtbezirks – also an den Toren und, im Falle einer Hafenstadt, im Hafen – sowie auf den Märkten ihre Pflicht taten, kurz: überall dort, wo Waren zur Besteuerung registriert wurden oder Abgaben direkt zu entrichten waren. Waren, die exportiert wurden, unterlagen einem Ausfuhrzoll. Eingeführte Waren wurden wohl eingangs nur registriert, denn der Importzoll war mit einer Verkaufssteuer verknüpft und wurde daher später auf den Märkten erhoben. Die Hafenverwaltung, die in Akkon als Chaine („die Kette“) bekannt war – der großen Kette wegen, mit der die Zufahrt zum Hafen gesperrt werden konnte –, erhob zudem eine Ankergebühr sowie eine Kopfpauschale auf Mannschaften und Passagiere, die in einem großen Pilgerhafen recht einträglich gewesen sein muss. Von den Märkten waren einige unabhängig, vor allem solche, auf denen Fleisch und Fisch, aber auch Leder für den Eigenbedarf verkauft wurden. Die Großmärkte der größeren Städte jedoch, die in den internationalen Handel eingebunden waren, wurden von einem zentralen Verwaltungsorgan namens Fonde kontrolliert. Die Waren wurden von offiziellen Bediensteten gewogen und Zölle nach dem Verkauf auf eine von zwei Arten eingetrieben: Wenn Verkäufer und Käufer sich auf einen Preis geeinigt hatten, wurden entweder auf der Grundlage von regelmäßig aktualisierten Preislisten Abgaben auf den offiziellen Warenwert erhoben; oder aber es gab öffentliche, von offiziellen Auktionatoren durchgeführte Versteigerungen, nach deren Ende die Ware zu verzollen war, bevor die Gewinne unter den Verkäufern aufgeteilt wurden. Die meisten dieser Abgaben wurden ad valorem erhoben, also auf Grundlage des Warenwerts; lediglich Wein, Öl und Getreide wurden, wie es scheint, der Menge nach besteuert. Sie reichten in Akkon von knapp über vier bis zu 25 Prozent. Die beschriebenen Verfahrensweisen waren typisch für das byzantinische und muslimische Handelsleben und unterstreichen die Kontinuität zwischen den alten und neuen Verwaltungssystemen. Die jeweils verantwortlichen Ressorts arbeiteten mit einer ausgefeilten Buchführung. Sie zogen nicht nur Steuern ein, sondern zahlten auch jährliche Beträge an Inhaber von Geldlehen und Privilegien, die jene vom König oder von anderen Herren erhalten hatten. Es war sogar möglich, auf der Grundlage eines Geldlehens ein oder mehrere Unterlehen zu vergeben oder Almosen zu gewähren, die dann direkt von den offiziellen Stellen ausgezahlt wurden. Diese wiederum standen in Verbindung mit den lokalen und zentralen Schatzämtern, die als Secretes bekannt waren und deren wichtigstes die Grant Secrete („Großes Schatzamt“) des Königreichs Jerusalem war. Diese Behörde, deren Aufgabe in der Aufzeichnung, Verwaltung und Überwachung der öffentli-
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chen Einnahmen bestand, ähnelte so sehr dem zentralen Schatzamt in einem muslimischen Reich, dass der gleiche Name gegeben wurde: bait oder diwan al-mal („Haus des Geldes“). Ganz ohne Änderungen wurde das alte islamische System jedoch nicht übernommen. Den Europäern wollte es nicht einleuchten, dass Justiz und Finanzen in den byzantinischen und muslimischen Gemeinwesen unabhängig voneinander verwaltet wurden, denn im Westen wurden die beiden Bereiche üblicherweise als zusammengehörig betrachtet. Folglich überrascht es nicht, dass die Siedler mindestens zweien der bestehenden Schatzämter, der Chaine und der Fonde, zusätzlich auch Gerichtsaufgaben übertrugen. Die Chaine in Akkon fungierte spätestens ab der Mitte des 12. Jahrhunderts auch als Seegericht, das mit see- und handelsrechtlichen Streitfällen befasst war, wobei alle größeren Rechtssachen – einschließlich solcher Verfahren, deren Streitwert eine Mark Silber überstieg – an die übergeordnete Cour des Bourgeois verwiesen wurden. Die Fonde befasste sich ebenfalls mit kleineren Handels- und Schuldstreitigkeiten; in Akkon entschieden ihre vier einheimischen und zwei lateinischen Geschworenen unter Vorsitz des baili jedoch – wie bereits erwähnt – auch in Prozessen unter Einheimischen. Die Cours des Bourgeois banden das nichtfeudale Justizsystem in derselben Weise zusammen wie die Secretes das Finanzsystem. Alle wichtigen Verfahren gegen Männer und Frauen, die keine Vasallen waren, wurden von ihnen behandelt, wobei die niedere Gerichtsbarkeit – die Chaine, die Fonde sowie die Cour des Syriens – möglicherweise vor Beginn des Hauptverfahrens erste Anhörungen durchführte. Cours des Bourgeois wurden an jedem Ort eingerichtet, an dem eine gewisse Zahl von Europäern sich niedergelassen hatte. Es handelte sich bei ihnen um öffentliche Gerichte mit umfassenden Befugnissen einschließlich der Blutgerichtsbarkeit, die über die gesamte nichtadlige Bevölkerung und in allen Angelegenheiten des mit stadtbürgerlichen Rechten verbundenen Besitzes Recht sprechen konnten. Die Cours des Bourgeois entschieden jeweils nach den an ihrem Ort geltenden Gesetzen. Ihnen saß entweder ein Richter vor, der vom König ernannt und üblicherweise als Vicomte (vicecomes) bezeichnet wurde, oder aber der örtliche Grundherr, zu dessen Pflichten auch polizeiliche Aufgaben gehörten. Die Entscheidungen dieser Gerichte jedoch wurden von Geschworenen aus der Bürgerschaft gefällt. In Akkon waren dies zwölf Männer, die allesamt in der Stadt ein gewisses Ansehen genossen. Bisher haben wir die Anpassung eines alten, wohldurchdachten Verwaltungssystems betrachtet, die durch den Zustrom freier europäischer Siedler nötig geworden war. Nicht minder bedeutsam war jedoch die Einführung des Feudalismus nach europäischem Vorbild. Dieser Prozess begann während der einjährigen Regierung Gottfrieds von Bouillon. Verschiedentlich ist die Auffassung vertreten worden, bei der Landnahme durch die Kreuzfahrer sei es zugegangen wie in einem Selbstbedienungsladen, und das Vorkommen von Allodien in den Kreuzfahrerterritorien – freiem Eigenbesitz, der kein Lehen war – sei dafür der beste Beweis. Tatsächlich gibt es jedoch keine Beweise für die Existenz von Allodien, und obwohl es beim Marsch auf Jerusalem im Juni 1099 sicherlich zu unkontrollierten Landnahmen kam, endete diese Phase mit der Wahl Gottfrieds zum
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Herrscher von Jerusalem. Gottfrieds eigene Mittel reichten nicht aus, um all das zu verteidigen, was bis zu diesem Zeitpunkt erobert worden war. Wie bereits erwähnt, wurde Ramla, der strategisch wichtigste Ort an der Straße, die von der Mittelmeerküste nach Jerusalem führte, von einem Bischof gehalten. Gottfried vergab zwei Territorien zu Lehen – Hebron / Jericho und Galiläa – und womöglich auch noch ein drittes rund um Nablus. Außerdem versprach er kurz vor seinem Tod, Haifa zum Lehen zu machen. Gottfried war es, der die ersten Geldlehen in den Kreuzfahrerterritorien vergab. Obwohl das Bestehen feudaler Strukturen in Palästina für die Zeit um 1100 angezweifelt worden ist – mit der Begründung, die zeitgenössische Terminologie habe noch nicht die Genauigkeit späterer Jahre besessen –, so besteht meiner Meinung nach doch kein Zweifel daran, dass in Palästina vom Beginn der lateinischen Landnahme an etwas Ähnliches wie ein Feudalsystem errichtet wurde – zumindest im Kern. Die Gründe für eine solche Feudalisierung liegen auf der Hand: Nur wenige Teilnehmer des Ersten Kreuzzuges waren im Heiligen Land geblieben. Im Sommer 1100 ist davon die Rede, dass in Gottfrieds unmittelbarem Einflussbereich nurmehr 300 Ritter und die gleiche Anzahl Fußtruppen verblieben waren. Gottfrieds Gefolge war schon mit der Verwaltung Jerusalems und des Landstreifens, der sich von der Stadt zum Meer zog, vollauf beschäftigt. Der Regent benötigte die Unterstützung von Männern, die entweder ihrerseits über ein Gefolge verfügten oder reich genug waren, um ein solches anwerben zu können. Tankred, der mit Galiläa betraut wurde, und Waldemar Carpenel, der den südöstlichen Grenzabschnitt von Hebron bis nach Jericho erhielt, unterstützten Gottfried bei der Verteidigung des Königreiches, aber sie benötigten selbstverständlich auch eine gewisse Handlungsfreiheit, um ihre eigenen Männer entlohnen und sich selbst eine sichere Basis schaffen zu können. Diese Freiheit konnte ihnen nur die Belehnung mit den ihrer Obhut anvertrauten Territorien eröffnen. Im Falle Galiläas ist klar, wie es weiterging. Ursprünglich, so scheint es, wurde Tankred zum Kastellan oder Burgvogt von Tiberias ernannt. Das war nun aber ein Amt – kein Titel, mit dem ein eigener Herrschaftsanspruch einhergegangen wäre. Tiberias war zwar die bedeutendste Stadt in der Region, aber Tankred stieß bald auf Schwierigkeiten, als er versuchte, den christlichen Herrschaftsbereich nach Osten über den See Genezareth hinaus auszudehnen. Einige Monate später wurde Tiberias – mit anderen Worten: Galiläa – als Lehen neu begründet. Offenkundig erfreuten sich die großen Lehnsnehmer wie Tankred und andere eines ganz beträchtlichen Handlungsspielraums, was ihre Beziehungen zu den muslimischen Nachbarn und die Verfügung über Besitztümer in ihren Territorien betraf. Das folgte aus dem Umstand, dass Gottfried außerhalb seines unmittelbaren Herrschaftsbereiches, wo er alle Hände voll zu tun hatte, allein nur wenig auszurichten vermochte. In den Marken und Grenzlandschaften des römisch-deutschen Reiches, der Iberischen Halbinsel und Englands hatte es schon zuvor vergleichbare Fälle gegeben, in denen die Herren solcher umkämpften Gebiete eine privilegiertere Stellung einnahmen als jene, deren Herrschaftsbereich in einer friedlicheren Gegend lag. Eine Folge davon war, dass unter den Kreuzfahrern zwar die Herrschafts- und Verwaltungsinstrumente ihrer Vorgänger bestehen blieben, das Staatswesen aber dennoch
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in einzelne Teile zerfiel. Im Fürstentum Antiochia, wo eine Art Provinzialsystem eingeführt wurde, war dies weniger offenkundig, da dort der Domänenbesitz des Fürsten vergleichsweise umfangreich war und alle größeren Städte umfasste. Doch im Königreich Jerusalem wurden die großen Herrschaften sozusagen zu Pfalzgrafschaften, deren Herren in ihrem Alltagsgeschäft von der königlichen Autorität unabhängig waren und etwa in ihren Gerichten die volle herrschaft liche Gewalt besaßen; nur sehr wenige Fälle blieben der königlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten. Die Könige von Jerusalem konnten in diesen Territorien nur dann eingreifen, wenn Lehnspflichten ihnen gegenüber verletzt worden waren. Auch konnten die Herren dieser Territorien ihre Außenpolitik frei gestalten und mit ihren muslimischen Nachbarn Frieden schließen oder Krieg führen, ohne dabei auf den König von Jerusalem Rücksicht nehmen zu müssen. Diese Privilegien sind Ende des 12. Jahrhunderts nachweisbar. Zwar ist in der Forschung vermutet worden, sie seien erst nach und nach in dem Maße entstanden, in dem der Adel in den Kreuzfahrerterritorien ab etwa 1130 eine feste Stellung errang; doch deuten einige Hinweise in den Quellen – die Nennung des Titels princeps etwa, die sich in den Händen der Herren befindlichen Cours des Bourgeois oder auch die weitreichende Interaktion der Territorialherren mit ihren muslimischen Nachbarn – eher darauf hin, dass sie von Anfang an bestanden. Auch haben Forscher vermutet, die Siedler hätten – da sie mehrheitlich aus einem so stark dezentral geprägten Gebiet wie Frankreich gekommen waren – lediglich die in ihren Augen natürliche Ordnung der Dinge auch in ihrer neuen Heimat durchsetzen wollen. Dagegen spricht allerdings, dass den Zeitgenossen die Vorteile einer zentralisierten Verwaltung durchaus nicht unbekannt waren, wie die Bemühungen der Normannen in England und Sizilien zeigen. Viel wahrscheinlicher ist es daher, dass in einer Grenzregion die Einrichtung von Marken als das einzig praktikable Herrschaftssystem erschien. Dabei wäre dann – da den Herrschern von Jerusalem anfangs kaum eine andere Wahl blieb – von dessen Aufbau gleich zu Beginn auszugehen. Die Funktionsweise des Lehnsrechts verstärkt das Bild einer Grenzgesellschaft. Zu den Verpflichtungen eines Lehnsmannes zählte selbstverständlich der Kriegsdienst. In Europa war es üblich geworden, sich dieser besonderen Pflicht durch die Zahlung eines sogenannten Schildgeldes (scutagium) zu entledigen. Aus dem lateinischen Orient ist nur ein einziges Beispiel für die Zahlung von Schildgeld überliefert; es stammt aus der Grafschaft Tripolis. Die Könige von Jerusalem scheinen diese Praxis zu keiner Zeit akzeptiert zu haben – bezeichnenderweise, denn die Umwandlung dörflicher Naturalabgabepflichten in Geldzahlungen war in dieser Region durchaus üblich. Offensichtlich handelte es sich bei dem Militärdienst also um ein kostbares Gut, auf das der König nicht verzichten konnte. Die Könige von Jerusalem besaßen außerdem das Recht, von weiblichen Lehnsträgern zwischen 12 und 60 Jahren den „Dienst“ der Heirat zu verlangen, so dass geeignete Männer für das Lehen ihrer Ehefrauen den Ritterdienst leisten konnten. Andererseits waren lehnsrechtliche Konflikte, die in Westeuropa bisweilen solch große Bedeutung hatten, im Osten beinahe unbekannt. So gibt es zum Beispiel keine Hinweise auf jene Ablösezahlungen, die im europäischen Lehnswesen im Erbfall an den Lehnsherren zu entrichten waren. In Palästina scheinen weder der König noch die anderen Herren
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in Erbschaftsfragen Einfluss gehabt zu haben, obwohl sich die diesbezüglichen Gewohnheiten außerordentlich komplex in den Gesetzessammlungen, die im 13. Jahrhundert in Palästina bis ins kleinste Detail niedergeschrieben wurden, behandelt finden. Auch die Vormundschaft über Minderjährige durften die hohen Herren im Königreich Jerusalem nicht übernehmen. Nichts sollte potenzielle Lehnsnehmer von der Annahme eines Lehens – und der damit verbundenen Pflichten – abschrecken. Schon die frühe Gesetzgebung schloss die Vergabe von Lehen in absentia – etwa an in Europa lebende Erben – aus. Insgesamt ergibt sich also das Bild einer isolierten Gesellschaft, die um die Anzahl wohlhabender Siedler besorgt war und sicherstellen wollte, dass die Lehen besetzt waren und der damit verbundene Waffendienst unter allen Umständen geleistet wurde.
Das Königreich Jerusalem und die Kreuzfahrerherrschaften Das Königreich Jerusalem und die Kreuzfahrerherrschaften
Die Könige von Jerusalem standen an der Spitze einer Ansammlung von Territorien, deren jeweilige Herren auf unterschiedliche Weise an die Krone gebunden sein konnten. Das weit im Norden gelegene Fürstentum Antiochia beispielsweise war von ihnen nominell unabhängig, denn sein Lehnsherr war der byzantinische Kaiser in Konstantinopel, nicht der König von Jerusalem. Das hieß nun allerdings nicht, dass Letzterer dort keinerlei Einfluss gehabt hätte. Balduin I. zum Beispiel schwang sich zum obersten Vertreter des gesamten lateinischen Ostens auf, indem er in einen Erbfolgestreit eingriff, der nach dem Tod Raimunds von Toulouse am 28. Februar 1105 ausgebrochen war. Raimunds Nachfolger in der nunmehr als Jerusalemer Kronlehen vergebenen Grafschaft Tripolis war sein Vetter Wilhelm-Jordan, Graf von Cerdagne, doch Anfang März 1109 traf Raimunds Sohn Bertrand von Saint-Gilles mit einem größeren Heer aus Frankreich ein, um sein rechtmäßiges Erbe einzufordern. Wilhelm-Jordan rief Tankred um Hilfe an, der mittlerweile zum Fürsten von Antiochia avanciert war. Bertrand hingegen wandte sich mit einer Beschwerde an König Balduin. Dieser bestellte Tankred im Namen der Kirche von Jerusalem zu sich, um mit ihm nicht nur über die Zukunft der Grafschaft Tripolis zu sprechen, sondern auch wegen Beschwerden des Grafen von Edessa, mit dem Tankred schon seit einiger Zeit in einen bewaff neten Konflikt verwickelt war. Tankred willigte ein, die Integrität der Grafschaft Edessa fortan zu respektieren; im Gegenzug ließ er sich ein ansehnliches Lehen im Königreich Jerusalem übertragen. Dazu ganz Galiläa, das er früher ja schon einmal als Lehen besessen hatte, und auch Haifa sowie Eigentumsrechte am Jerusalemer Tempelberg. Was die Territorien des verstorbenen Raimund von Toulouse betraf, so sollte Wilhelm-Jordan deren nördlichen Teil – ʿArqa und Tartus – behalten und Tankreds Vasall werden, während Bertrand die Stadt Tripolis mitsamt den umliegenden Gebieten erhalten und König Balduin den Lehnseid schwören sollte. Bald darauf starb jedoch Wilhelm-Jordan, so dass Bertrand auch dessen Territorien seinem Herrschaftsbereich einverleiben konnte. Der geschilderte Streit und seine Lösung stehen beispielhaft für Probleme, derer sich die lateinischen Herrschaften niemals entledigen sollten. Die Erfordernisse einer effi-
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zienten Verwaltung und Verteidigung des Territoriums waren derart dringlich, dass der Herrschaftsanspruch eines „Thronanwärters“ am Ort, der unmittelbar präsent und handlungsbereit war, nicht selten schwerer wog als der besser begründete Anspruch eines direkten Erben, der sich aber in Europa aufh ielt. Zugleich zeigt der Streit um das Tripolitaner Erbe aber auch das Prestige der Krone von Jerusalem, dem sich, wenn es darauf ankam, selbst der Fürst von Antiochia beugen musste. Tatsächlich sahen sich die Fürsten von Antiochia, solange sie sich im Streit mit ihren rechtmäßigen Lehnsherren, den byzantinischen Kaisern, befanden, gezwungen, den Jerusalemer Anspruch auf Vorherrschaft zumindest ernstzunehmen. Balduin I. zeigte sich in den Jahren 1110, 1111 und 1115 bereit, die militärische Kraft des Südens für die Verteidigung des Nordens einzusetzen, während ihn im Gegenzug die Herrscher von Antiochia und Tripolis 1113 bei der Verteidigung Palästinas unterstützten. Balduin II. dann hatte gerade erst den Jerusalemer Thron bestiegen, als er auch schon in den Norden eilen musste, um im Namen des minderjährigen Bohemund II., des Sohnes Bohemunds von Tarent, die Regentschaft im Fürstentum Antiochia zu übernehmen, nachdem das antiochenische Heer im Juni 1119 in der sogenannten Schlacht auf dem Blutfeld (ager sanguinis) eine schwere Niederlage erlitten hatte. Balduins Regentschaft dauerte sieben Jahre, und in jedem dieser Jahre musste er einen Feldzug im Norden führen: 1120 bis 1123, als er von Belek von Aleppo gefangen genommen wurde; 1124–1125, nach seiner Freilassung; und nochmals 1126 – und das, obwohl der häufige Einsatz seiner Streitkräfte soweit im Norden bei den Vasallen des Königreichs Jerusalem auf wenig Begeisterung stieß. Doch damit nicht genug, musste Balduin II. im Jahr 1130 nach dem Tod Bohemunds II. ein letztes Mal in Antiochia intervenieren; auch Fulko, sein Nachfolger als König von Jerusalem, tat dergleichen in den Jahren 1131–1132 und 1133. Sein Sohn Balduin III. zog 1149 ebenfalls in Eilmärschen in den Norden, um das Fürstentum Antiochia sowie die Überreste der Grafschaft Edessa nach einem weiteren militärischen Desaster zu retten – ebenso in den Jahren 1150, 1152, 1157 und 1158. Es handelte sich dabei um Interventionen des mächtigsten Herrschers und Hauptes einer Konföderation, der aber nicht etwa die Oberherrschaft über alle Gebiete der Kreuzfahrer besaß. Andererseits waren die Grafen von Edessa und Tripolis tatsächlich Vasallen Jerusalems, obwohl ihre Herrschaften unabhängig vom Königreich gegründet worden waren. Im Falle Edessas wurden die ersten beiden Grafen Könige von Jerusalem und sicherten der Krone so die Huldigung und Gefolgschaft ihrer gräflichen Nachfolger. Im Falle der Grafschaft Tripolis war der Gefolgschaftseid geleistet worden, nachdem Balduin I. schlichtend in den Nachfolgestreit von 1109 eingegriffen hatte. Vergeblich versuchte Graf Pons von Tripolis (1112–1137), diese Lehnsverpflichtung wieder zu lösen. Ihre Oberherrschaft verlieh den Königen von Jerusalem in beiden Grafschaften besondere Rechte, erlegte ihnen aber auch Pflichten auf: König Amalrich beispielsweise herrschte zehn Jahre lang als Regent über Tripolis, während der Graf in muslimischer Gefangenschaft war. Dennoch gaben die Umstände ihrer jeweiligen Gründungen den Grafschaften von Edessa und Tripolis ein großes Maß an Unabhängigkeit. Sie wurden gewöhnlich nicht als Teile des Königreichs Jerusalem betrachtet – zumindest nicht im 12. Jahrhundert –, und es
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scheint, dass der König von Jerusalem dort eher als der persönliche Oberherr der Grafen angesehen wurde, und nicht als ihr König. Das eigentliche Gebiet des Königreichs Jerusalem begann ein kleines Stück nördlich von Beirut. Wenn aber, was sehr wahrscheinlich ist, das Königreich von Anfang an in kleinere Gebiete zerfallen war, deren Herren zwar Vasallen des Königs waren, ansonsten jedoch – nach der Art von Markgrafen – die volle Autorität in ihren Territorien innehatten, dann erscheint die Vorstellung eines energischen, verfassungsmäßig starken Königtums in den ersten zwei Dritteln des 12. Jahrhunderts falsch. Detaillierte Studien der einzelnen Herrschaften im Lateinischen Königreich lassen das von Joshua Prawer vorgestellte Verfassungsmodell einer starken Jerusalemer Krone zusammenbrechen. Und ein Gesetz, das vermutlich aus der Regierungszeit Balduins II. stammt (1118–1131) und dem König angeblich die Autorität verliehen hatte, Vasallen in vielen Fällen ohne reguläres Verfahren einfach zu enterben, legte lediglich Strafen für Vergehen fest, die Gegenstand einer ordentlichen Gerichtsverhandlung gewesen wären. Dieses Gesetz war weit davon entfernt, den König von der lästigen Pflicht zu entbinden, einen Fall ganz regulär vor seinem Lehnsgericht anzuhören. Vielmehr ging es davon aus, dass selbst offener Verrat in einem ordentlichen Verfahren bestraft werden müsse. In einem Fall, in dem der König und einer seiner Vasallen in Konflikt gerieten, bedeutete dies, dass das höchste Gericht, das sich aus den anderen Vasallen zusammensetzte, entscheiden sollte. Der König stand in einem ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnis zu seinen bedeutenderen Vasallen. Da er außerhalb der königlichen Domäne über keine öffentlichen Gerichte und damit auch über keinen juristischen Apparat verfügte, konnte er den größten Teil seiner Untertanen – in juristischer Hinsicht – nur durch die Vermittlung seiner Vasallen erreichen. Andererseits erwuchsen dem König aus den Lehnsverträgen mit seinen Vasallen auch rechtliche Verpflichtungen; insbesondere war er verpflichtet, seine Gefolgsleute solange in ihren Lehen zu halten, wie ihnen vor seinem Gericht nicht eine Pflichtverletzung ihm gegenüber nachgewiesen werden konnte. Dieser Hohe Gerichtshof (Haute Cour) bestand aus seinen Vasallen und vereinigte in sich zwei Funktionen: einerseits die eines Gerichts für das gesamte Königreich – obgleich sie in Fragen von allgemeiner Bedeutung nur den Kern einer viel umfassenderen Versammlung, des parlements, darstellte, an der die Vertreter auch anderer Interessen im Königreich teilnahmen – und andererseits die eines Gerichts für die königliche Domäne, also die dem König unmittelbar unterstellten Gebiete. Die Lehnspflichten der Krone bewirkten nun, dass die eigentliche Macht, dem herrschenden Recht zufolge, bei der Haute Cour lag. Infolgedessen wurde die weitere Verfassungsentwicklung erstickt. Obwohl die parlements der Jahre 1166 und 1183 allgemeine Steuern erhoben, entwickelte sich – anders als im Westen – kein reguläres System der allgemeinen Besteuerung durch Zustimmung und somit auch kein Dritter Stand. Die königliche Zentralgewalt, die der bestehenden arabischen Bürokratie ja lediglich „übergestülpt“ worden war, blieb primitiv. Ihre großen Amtsträger trugen die traditionellen Titel eines Truchsessen, Marschalls, Schenken, Kämmerers oder Kanzlers, wobei das Amt des Truchsessen, der die Aufsicht über die Grant Secrete hatte, nach westlichen Begriffen einigermaßen unkonventionell war.
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Die Macht der großen Herren wurde durch die Eigenarten des Feudalsystems in den Kreuzfahrerterritorien noch gemehrt. In einem Gemeinwesen, in dem Geldlehen vorherrschten, weil ein Großteil der Einkünfte in Geld erfolgte, waren die Lehen häufig aus mehreren Elementen zusammengesetzt. So war zum Beispiel nur eines von 27 Lehen, die 1261 in der Herrschaft Arsuf nachgewiesen sind, ein reines Grundlehen und nur ein einziges anderes ein reines Geldlehen; die anderen 25 Lehnsverhältnisse basierten allesamt auf unterschiedlichen Kombinationen von Geldzahlungen, Naturalabgaben, Landnutzungsrechten und profitablen Ämtern. In einem vergleichbaren Fall hielt 1243 ein Lehnsnehmer in der Nähe von Tyrus drei Dörfer, ein Drittel der Einkünfte eines vierten Dorfes, zwei Gärten und etwas Land in der Umgebung der Stadt, in Tyrus selbst ein Haus, einen Backofen sowie eine jährliche Geldzahlung von 60 Bezants. Auch die großen Lehen waren zusammengesetzt. Arsuf, das unter den großen noch ein kleines war, erstreckte sich über die Küstenebene des südlichen Palästina vom Fluss al-Audscha im Süden bis zum Wadi Faliq im Norden und reichte im Landesinneren bis zu den Vorbergen von Samaria. Außerhalb dieses Kerngebiets hielt der Herr von Arsuf noch in der königlichen Domäne gelegenes Land bei Nablus sowie ein Haus und – vermutlich – Geldlehen in Akkon. Ein großes Lehen, das in den frühen 1180er-Jahren für einen Onkel des Königs zusammengestellt wurde – es handelt sich dabei um eines der wenigen Lehnsverhältnisse im Königreich Jerusalem, die urkundlich gut dokumentiert sind –, umfasste eine Ansammlung von Ländereien und Burgen im nördlichen Galiläa, dazu Rentenzahlungen in Akkon und Tyrus. Diese Diversifizierung der Besitztümer verschaffte den Inhabern größerer Lehen finanzielle Stabilität und half ihnen, die Gebietsverluste der späteren 1180er-Jahre zu überstehen. Einige der Gesetze dürften sich deutlich zugunsten der unmittelbaren Lehnsnehmer ausgewirkt haben. Eines davon verbot dem Inhaber eines Lehens, der zur Bereitstellung mehrerer Ritter verpflichtet war, einen größeren Anteil seines eigenen Lehens als Unterlehen zu vergeben, als er selbst behielt. Die juristischen Kommentatoren des 13. Jahrhunderts waren sich nicht darin einig, ob das nun bedeuten sollte, dass alle Unterlehen zusammen weniger als die Hälfte des gesamten Lehens ausmachen dürften oder dass der in der Hand des Lehnsherrn verbleibende Teil lediglich größer als das größte aller Unterlehen sein müsste. Diesem Gesetz trat noch ein Brauch zur Seite, einen sogenannten service de compaignons zuzulassen, das heißt in Abgeltung der Lehnspflichten eines Kronvasallen anstelle von (Unter-)Vasallen auch Söldner zu akzeptieren. Zusammen könnte man von Gesetz und Brauch erwarten, dass sie zur Erhaltung der Herrendomänen beigetragen hätten, indem sie deren Zersplitterung durch Lehnsvergabe einschränkten. Tatsächlich hatten sie diesen Effekt beinahe die gesamte Geschichte des Königreichs Jerusalem hindurch; erst im 13. Jahrhundert, als der hohe Adel immer häufiger dazu überging, seine Ländereien gegen dringend benötigtes Bargeld den Ritter- oder Mönchsorden zu überlassen, schmolzen die großen Lehen dahin. Die Kosten, mit denen solch ein Lehen einherging, müssen ihnen das Kreuz gebrochen haben; immerhin befanden sich die meisten der kostspieligen Burgen in der Hand der Kronvasallen. Nach einer Frühphase, die von Instabilität und Wanderungswellen geprägt war und in
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der die Lehen häufig die Besitzer wechselten, stabilisierten sich die größeren Territorien rasch und verblieben über mehrere Generationen hinweg in der Hand derselben Familien. Nach 1130 etwa gab es eine geregelte Erbfolge, die Stammbäume wurden klar und lückenlos, und ein Konsolidierungsprozess setzte ein, der durch Heirat und Erbschaft weite Teile des lateinischen Ostens in den Händen einiger weniger Familien zusammenführte. Bis zur zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war diese Entwicklung so weit fortgeschritten, dass gerade einmal zehn Familien die 24 bedeutendsten Herrschaften unter sich aufteilten. Diese Stabilität begünstigte die Entstehung eines ausgeprägten Standesbewusstseins, verbunden mit der Tendenz, die Vorrechte der Könige aus den ersten Jahrzehnten Stück für Stück zu beschneiden. Zunächst waren allein die Könige von Jerusalem berechtigt gewesen, Münzen prägen zu lassen, Schiffswracks zu bergen, Abgaben in den internationalen Handelshäfen und auf den Straßen zu erheben, die von der Küste ins Landesinnere führten. Vermutlich hatten sie auch die restlichen Landstraßen kontrolliert. Bereits zur Regierungszeit Balduins II. wurden jedoch nurmehr das Münzprivileg und die Hafenaufsicht einschließlich der damit verbundenen Kommunikationswege als Vorrechte des Königs genannt. Innerhalb einiger Jahrzehnte sollten selbst diese infrage gestellt werden. Die Herren von Haifa und Caesarea bauten ihre Häfen aus, und es ist nicht auszuschließen, dass die Herren von Transjordanien und Sidon schon vor 1187 begannen, ihre eigenen Münzen zu prägen. In den 1160er-Jahren verzichtete König Amalrich offiziell auf das Recht zur Bergung von Schiffswracks und ihrer Ladung, und im 13. Jahrhundert scheinen die Territorialherren alle früheren Rechte der Könige auf die Kontrolle der Landstraßen an sich gerissen zu haben. Es wäre falsch, sich die Könige von Jerusalem im 12. Jahrhundert als machtlos vorzustellen. Schließlich waren sie immer noch Könige, und das bedeutete einiges mehr, als bloß die obersten Lehnsherren zu sein. Unabhängig von den wechselnden Gegebenheiten der Tagespolitik suggerierte das Amt des Königs immer einen Dienst für Gott, der seinen symbolischen Ausdruck in den prächtigen Gewändern und Insignien des Monarchen fand, und eine allgemeine Autorität über alle Untertanen, ganz gleich, ob sie seine Vasallen waren oder nicht. Könige waren Gesetzgeber. Ihrem Gerichstshof stand das Recht zu, über Minderjährige, die des Diebstahls beschuldigt wurden, zu urteilen und über Untervasallen, die andere Herren bestohlen haben sollten. In einer kritischen Lage konnten sie alle wehrfähigen Untertanen zum Heeresdienst rufen. Bei der Ernennung von Bischöfen hatte ihr Wort großes Gewicht. Und zu all dem waren sie auch noch im Besitz der heiligsten Stadt der Christenheit. Selbst wenn diese Stadt in wirtschaft licher Hinsicht nichts, in strategischer Hinsicht nur wenig zu bieten hatte: Sie saßen auf dem Thron Davids, und das damit verbundene Prestige ist kaum zu überschätzen. Auch waren sie autonome Herrscher. Bei der Thronbesteigung Balduins I. im Jahr 1100 wurde zwar die Genehmigung des Papstes eingeholt, aber das Königreich Jerusalem war in keiner Weise ein Vasallenstaat des Heiligen Stuhls. Und obwohl es fast als sicher gelten kann, dass König Amalrich 1171 – in der Krise, die seinen ehrgeizigen Plänen der Eroberung Ägyptens folgte –, die Oberhoheit des byzantinischen Kaisers anerkannte, folgte daraus in der Praxis rein gar nichts.
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Die Könige von Jerusalem waren außerdem reicher als ihre Vasallen. Ihr Domänenbesitz war geradezu riesig, verglichen mit den Besitzungen ihrer Lehnsleute. Er bestand aus Jerusalem, Akkon und Tyrus mitsamt dem umliegenden Land und umfasste zeitweilig auch Askalon und Jaffa, Samaria, Beirut, Hebron und die Festung Blanche Garde (Tall as-Safiya), auch wenn diese bisweilen als Apanagen, bisweilen als unabhängige Lehen vergeben wurden, sowie Darum (Dair al-Balah). Die Hafenstädte Akkon und Tyrus mit ihren aus dem Handel resultierenden hohen Steueraufkommen machten die Könige reich, was ihnen wiederum Macht gab: Reicher als ihre Vasallen, konnten die Könige von Jerusalem jederzeit Söldner anwerben, um ihre Heere zu verstärken, und dies gab den Monarchen eine gewisse Unabhängigkeit von ihren Untertanen, da sie nicht völlig auf deren Dienste angewiesen waren, so wichtig sie auch sein mochten. Außerdem konnten sie in großem Maße Gebrauch von Geldlehen machen und dadurch eine große Zahl direkter Vasallen haben. Während der Thronfolgekrise des Jahres 1186 gelang es einer Anwärterin, unter deren Kontrolle sich der größte Teil der königlichen Domäne befand und die auf die Unterstützung einiger wichtiger Herren bauen konnte, beinahe die Hälfte der Lehnsritter des Königreichs Jerusalem zur Verfügung zu haben. Wie wir noch sehen werden, trafen die katastrophalen Ereignisse der späten 1180er-Jahre die Könige insgesamt weniger hart als ihre Vasallen, denn der wachsende Wohlstand in den Häfen Akkon und Tyrus führte zu steigenden Einkünften, welche die Gebietsverluste aufzuwiegen vermochten.
Von Balduin I. zu Balduin V. Von Balduin I. zu Balduin V.
Betrachtet man den lateinischen Osten des 12. und frühen 13. Jahrhunderts genauer, so erkennt man eine Gesellschaftsform, die im damaligen Europa im Verschwinden begriffen schien und deren Wohl und Wehe in erster Linie von der persönlichen Tatkraft und dem militärischen Geschick ihres Königs abhing. Dessen individueller Einfluss auf den Lauf der Ereignisse war in dieser exponierten Grenzregion besonders groß, und seine politische Position beruhte hier noch immer auf so altmodischen Tugenden wie militärischer Führungsstärke. Balduin I. war ein harter Mann, ein Eroberer, der vom Eigeninteresse beherrscht war. Schon die Grafschaft Edessa hatte er rücksichtslos zu seinem eigenen Vorteil ausgebeutet – und zum Vorteil des Ersten Kreuzzuges. Balduin erweiterte das Territorium, das ihm Gottfried von Bouillon hinterlassen hatte, ganz beträchtlich, und sein Ansehen war so groß, dass seine Vorherrschaft im gesamten lateinischen Osten anerkannt wurde; wilde Übertreibung war es allerdings, wenn er sich – wie es mindestens einmal vorkam – als „König von Babylon und Asien“ titulieren ließ. Trotz dreier Ehen, zwei davon gleichzeitig und anscheinend alle nur um des materiellen Vorteils willen geschlossen, hatte Balduin keine Nachkommen. Sein Tod am 2. April 1118 stürzte das Königreich Jerusalem in eine zweite Thronfolgekrise, welche der Familie Montlhéry, die so viele der frühen Kreuzfahrer und Siedler gestellt hatte, die Möglichkeit zum Staatsstreich gab. Am Palmsonntag, dem 7. April 1118, wurde der Leichnam Balduins I. nach Jerusalem gebracht, wo er begraben
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werden sollte. Plötzlich und vollkommen unangekündigt tauchte Balduin von Bourcq, ein Angehöriger des Montlhéry-Clans, der jedoch auch mit dem König verwandt gewesen war und von ihm die Grafschaft Edessa erhalten hatte, in der Stadt auf. Auf Pilgerfahrt, um in Jerusalem das Osterfest zu feiern, hatte er unterwegs vom Tod des Königs erfahren. Die führenden Siedler, Laien wie Kleriker, traten unverzüglich zusammen – später hätte man eine solche Versammlung wohl ein parlement genannt – und diskutierten darüber, wem die Nachfolge angeboten werden sollte. Eine Fraktion, die von Joscelin von Courtenay, einem Cousin Balduins von Bourcq und Fürsten von Galiläa, und dem Patriarchen Arnulf von Chocques angeführt wurde, plädierte dafür, Balduin zum neuen König zu krönen. Immerhin sei dieser, wie Joscelin ausführte, im Heiligen Land anwesend, sei ein Verwandter des verstorbenen Königs und habe sich zudem durch seine bisherigen Taten als ein Mann erwiesen, der einen guten Herrscher abgeben werde. Die Mehrheit der Anwesenden favorisierte jedoch den ältesten Bruder des Verstorbenen, Graf Eustachius III. von Boulogne, der nach dem Ersten Kreuzzug in seine Heimat zurückgekehrt war. Unverzüglich wurde eine Gesandtschaft nach Europa geschickt. Nachdem die Gesandten aufgebrochen waren, verlangte Joscelin eine weitere Sitzung des parlement. In Abwesenheit zumindest einiger von Eustachs Parteigängern nahm diese erneute Versammlung die vorige Entscheidung zurück und bestimmte Balduin von Bourcq zum König von Jerusalem. Am Ostersonntag wurde er gesalbt; die Krönung erfolgte allerdings erst 21 Monate später. Eustachius und die Gesandten aus Jerusalem waren bereits in Apulien angelangt, als sie die Nachricht erhielten. Die Gesandten waren empört, aber Eustachius war sowieso nicht sehr begeistert gewesen und kehrte, um einen Skandal zu vermeiden, in seine Heimat zurück. Joscelin von Courtenay und die restlichen Verwandten des neuen Königs wurden reich belohnt – das war wohl auch dringend nötig, wenn man bedenkt, wie wichtig es für einen Herrscher von zweifelhafter Legitimität gewesen sein muss, Vertrauenspositionen mit seinen Freunden zu besetzen. Joscelin erhielt im Spätsommer 1119 die Grafschaft Edessa; ein weiterer Cousin Balduins II., Wilhelm von Bures-sur-Yvette, wurde an Joscelins Stelle zum Herrn von Galiläa erhoben. Wenig später kamen zwei weitere Familienmitglieder im Heiligen Land an; zweifellos hatte man sie eilig geschickt, damit sie die Position des Königs stärkten: Gilduin von Le Puiset, vormals Prior eines Cluniazenserklosters in Europa, wurde umgehend zum Abt des Marienklosters im Kidrontal ernannt, und Hugo von Le Puiset, der in Apulien aufgewachsen war, muss vor Januar 1120 in den Besitz der Grafschaft Jaffa gelangt sein; zu jenem Zeitpunkt bezeugte er in einer Urkunde die Ernennung seines Onkels Gilduin durch den König, obwohl er, wie es dort heißt, „noch kein Ritter“ war. Die Tatsache, dass Balduin II. einen Knaben – der zu dieser Zeit nicht älter als dreizehn Jahre gewesen sein kann! – zum Herrn eines der strategisch bedeutendsten Grenzterritorien bestellte, verdeutlicht Balduins Vertrauen in die ihn unterstützenden Verwandten. Später in seiner Regierungszeit sollte er seine Position weiter festigen, indem er eine seiner vier Töchter mit dem jungen Fürsten von Antiochia und eine weitere – vermutlich – mit dem Sohn des Grafen von Tripolis vermählte. Die Art und Weise, auf die ein Staatsstreich in Palästina eine sofortige Reaktion der 3000 Kilometer entfernt lebenden europäischen Verwandtschaft bewirkte, führt die
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Stärke der Familienbande der Siedler vor Augen – selbst wenn diese Verwandschaft als Gegenleistung für ihren Einsatz einige Gefälligkeiten erwartete. Balduin II. war ein freundlicherer Herrscher als sein Vorgänger. Er war aufrichtig fromm, und er war glücklich verheiratet. Auch war er ein tüchtiger und verantwortungsbewusster Anführer. Aber er war über die Maßen geizig, und es scheint, dass er nicht sehr beliebt war. Die Herrschaft Balduins II. war stets bedroht und während ihrer gesamten Dauer von Nachfolgesorgen geplagt, denn der König zeugte nur Töchter. Die adlige Oberschicht von Jerusalem missbilligte seine Intervention im Fürstentum Antiochia nach dem Debakel der Schlacht auf dem Blutfeld. Die Synode von Nablus bedeutete seine Kapitulation vor den Forderungen der Kirche. Im Jahr 1122 musste er den Grafen Pons von Tripolis gewaltsam zur Anerkennung seiner Oberhoheit zwingen. Und während sich Balduin II. in muslimischer Gefangenschaft befand, bot eine Gruppe von Gegnern sogar dem Grafen Karl von Flandern die Krone von Jerusalem an. Außerdem hatte Balduin vermutlich gegen eine Revolte des Herrn von Transjordanien zu kämpfen, und gegen Ende seiner Regierungszeit befand er sich im Zwist mit dem Patriarchen von Jerusalem, der auf der Grundlage von Versprechungen, die Gottfried von Bouillon angeblich seinem Amtsvorgänger Daibert gemacht hatte, umfassende Gebietsforderungen stellte. So beanspruchte er die Stadt Jaffa für das Patriarchat, dazu Jerusalem selbst, sobald Askalon erobert sein würde. Vielleicht, um diese Konflikte zu unterdrücken, verfolgte Balduin II. eine hochgradig aggressive Politik gegenüber den muslimischen Nachbarn des Königreichs Jerusalem. Im Juli 1124 wurde der bedeutende Hafen Tyrus erobert. Dann nahm sich Balduin seine beiden Hauptfeinde Kairo und Damaskus zugleich vor. In den Jahren 1126 und 1129 unternahm er großangelegte Angriffe auf Damaskus oder dessen Territorium. Zwei Raubzügen in die Gegend um das ägyptisch beherrschte Askalon folgte die Verleihung von Askalon selbst an den bereits erwähnten Hugo von Jaffa, den Herren der nächstgelegenen christlichen Mark. Es dürfte in diesem Zusammenhang kein Zufall sein, dass für die Jahre 1126 bis 1132 keinerlei militärische Aktionen oder Drohungen der normalerweise angriffslustigen muslimischen Garnison von Askalon belegt sind. Möglich wäre es auch, dass der ägyptische Herrscher nun um Frieden ersuchte, obwohl die Initiative dazu von dem als Kutaifat bekannten Usurpator, Abu ʿAli Ahmad ibn al-Afdal, ausging, der in Ägypten die Macht an sich gerissen hatte. Kutaifat war kein Fatimide und hatte Ägypten der Hoheit des „Verborgenen Imams“ der Zwölferschiiten unterstellt. Damit war die bisherige Staatsreligion des fatimidischen Ägypten abgeschafft, denn die Fatimiden hatten sich – unter Berufung auf eine Abstammung von dem siebten Imam Ismail – ja selbst zu Kalifen bzw. Imamen erklärt. Im Dezember 1131 wurde Kutaifat von fatimidentreuen Garden ermordet. Noch drei Monate vor seinem Tod hatte er eine Gesandtschaft nach Jerusalem geschickt, deren Angebote jedoch bei Fulko von Anjou, Balduins Nachfolger auf dem Thron, auf Ablehnung stießen. Balduin hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um eine friedliche Thronfolge sicherzustellen. Nach langen Verhandlungen hatte Graf Fulko V. von Anjou die Hand von Balduins ältester Tochter Melisendis genommen; strittig waren Balduins Legitimi-
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tät als König und Melisendis’ Erbberechtigung gewesen. Wegen des ähnlichen Falles der Mathilde von England, der damals die Gemüter bewegte, weil ihre Thronfolge Zweifel erregt hatte, wird man diesen Fragen noch zusätzliche Bedeutung beigemessen haben. Im Sommer 1127 hatte sich Mathilde, Tochter des englischen Königs Heinrich I. und Witwe Kaiser Heinrichs V., mit Fulkos Sohn Gottfried V. von Anjou verlobt und ihn im Juni 1128 auch geheiratet, kurz nachdem Fulko zum zweiten Mal das Kreuz genommen hatte. Man hat gemutmaßt, dass der englische Präzedenzfall, in dem König Heinrich seine Tochter Mathilde am 1. Januar 1127 offiziell zur Thronerbin bestimmt hatte, in Palästina aufgegriffen wurde, und zwar mit der Anerkennung der Melisendis als heres regni („Erbin des Königreichs“), mit der wohl sämtliche Zweifel Fulkos bezüglich seiner künft igen Herrschaft beseitigt wurden. Fulko war ein mächtiger Adliger, der nach dem Tod seiner ersten Frau wieder auf Freiersfüßen wandelte. Er hatte sich bereits anlässlich seiner ersten Teilnahme an einem Kreuzzug im Jahr 1120 – und auch danach – als ein enthusiastischer Unterstützer der lateinischen Herrschaften erwiesen. Wahrscheinlich sprach aber noch etwas anderes zu seinen Gunsten: Eustachius III. von Boulogne, der „rechtmäßige Erbe“, der 1118 von Balduin verdrängt worden war, war 1125 gestorben. Im selben Jahr hatte jedoch seine Tochter und Erbin, eine weitere Mathilda, den Grafen Stephan von Blois geheiratet. Stephan nahm den Titel eines Grafen von Boulogne an und unterstrich seinen Platz in dieser Erblinie, indem er seinen erstgeborenen Sohn auf den Namen Eustachius taufen ließ. Stephan, ein jüngerer Sohn des Kreuzfahrers der ersten Stunde Stephan von Blois, war unter der wohlwollenden Obhut seines Onkels, König Heinrichs I. von England, aufgewachsen. Daraus ergab sich, aus seiner Sicht, auch für ihn ein Anspruch auf den englischen Thron. Tatsächlich sollte sich Stephan später entschließen, dafür in den Kampf zu ziehen. Allein die Tatsache, dass Stephan von Blois ausgerechnet Mathilda von Boulogne zur Frau genommen hatte, muss in Palästina für einige Unruhe gesorgt haben: Ganz ohne Zweifel wird man diese Heirat als eine Bedrohung von Melisendis’ Erbansprüchen betrachtet haben. Und möglicherweise war es genau diese verwickelte Lage, die Balduin und seine Berater dazu bewog, Fulko Melisendis’ Hand anzutragen. Immerhin hatte Fulko – und das war ihnen gewiss bekannt – Stephan von Blois schon einmal in die Schranken gewiesen und an der Grenze der Normandie in einem jener Kleinkriege, die das politische Leben Frankreichs in jener Zeit so sehr plagten, besiegt. In den weiteren Gang der Ereignisse waren, wieder einmal, die Montlhéry verwickelt. Das Angebot, Melisendis zu heiraten, wurde von einem Angehörigen des Hauses Montlhéry, dem bereits erwähnten Wilhelm von Bures-sur-Yvette, nach Frankreich überbracht. Auch der Kreuzzug von 1129, der bald folgte, war, wie schon der Staatsstreich des Jahres 1118, begleitet von Aktivitäten der Montlhéry: 1127 kam Guido I. von Dampierre-sur-l’Aube in das Heilige Land, der in Begleitung seines Verwandten Guido von Le Puiset reiste und dessen Mutter eine Montlhéry war. Im Jahr darauf, 1128, kam Stephan von Chartres, Abt von Saint-Jean-en-Vallée und Blutsverwandter König Balduins, auf einer Pilgerreise nach Palästina. Er wartete gerade auf das Schiff, das ihn in die Heimat zurückbringen sollte, als der lateinische Patriarch von Jerusalem starb – Stephan wurde
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umgehend zum neuen Patriarchen erhoben. Allerdings sollte sich diese Entscheidung schon bald als problematisch erweisen, denn Stephan begann einen erbitterten Streit mit dem König, indem er beanspruchte, was er für alte Rechte seiner Kirche hielt. Spätestens im März 1129 war Günther von Rethel, ein Sohn von Balduins Schwester Mathilde, eingetroffen, der nun als Zeuge in einer Urkunde seines Onkels auftaucht, gemeinsam mit seinen Verwandten Melisendis von Jerusalem, Gilduin von Le Puiset und Hugo von Le Puiset, dem Grafen von Jaffa; auch der Patriarch, ein weiterer Verwandter, war anwesend. Dann nahm der Vicomte Hugo III. von Chartres das Kreuz und brach ins Heilige Land auf. Wenn er, wie anzunehmen ist, mit dem Grafen Fulko und seinen Angevinen reiste, so traf dieser flankiert von zwei Angehörigen des Hauses Montlhéry in Palästina ein, denn der Hochzeitsbote Wilhelm von Bures-sur-Yvette kehrte ebenfalls mit ihnen zurück. Es scheint also, als sei die Wahl Fulkos als Bräutigam für Melisendis von Jerusalem Teil einer Strategie des Montlhéry-Clans gewesen, um die 1118 errichtete Herrschaft zu festigen. Der Kreuzzug von 1129, der Fulko nach Palästina begleitete, war ebenfalls ein Vorhaben der Montlhéry. Wilhelm von Tyrus, der seine Chronik zwar erst einige Jahrzehnte später schrieb, als Kanzler des Königreichs Jerusalem jedoch Zugang zu den maßgeblichen Dokumenten hatte, betrachtete den Aufbruch des Hugo von Payens, seines Zeichens Großmeister des Templerordens, zu einer Predigtreise durch Westeuropa als ein Projekt König Balduins und seiner Berater. Hugo von Payens hatte Balduins Gunst viel zu verdanken, so dass man ihn als des Königs Geschöpf bezeichnen könnte. Die Rolle Papst Honorius’ II., der von dem geplanten Kreuzzug gewusst haben muss, da er in einem seiner Briefe die Anwerbung von Kreuzfahrern in Anjou erwähnt, scheint dennoch passiv gewesen zu sein; es gibt keinerlei Hinweise auf päpstliche Initiativen oder eine Beteiligung päpstlicher Legaten. Fulko blieb Balduins treuer Gefolgsmann bis zu dessen Tod am 21. April 1131. Einige Zeit zuvor hatte Melisendis einen Sohn geboren, und Hans Eberhard Mayer hat vermutet, dass der König durch eine seiner letzten Amtshandlungen das Erbe seines Enkelsohnes sicherte, der ebenfalls Balduin hieß, indem er die Thronfolgebestimmungen des Königreichs Jerusalem leicht abänderte und die Herrschaftsgewalt zu gleichen Teilen auf Fulko, Melisendis und den kleinen Balduin übertrug. Es ist jedoch klar, dass Fulko unmittelbar nach dem Tod seines Schwiegervaters daranging, den Regierungskurs des Königreiches gehörig zu ändern und die Politik der 1120er-Jahre rückgängig zu machen. Den Kurswechsel deutete bereits seine Entscheidung an, sich nicht – wie seine beiden Vorgänger – in Bethlehem krönen zu lassen, sondern in Jerusalem unter der Rotunde des Heiligen Grabes. Auch ersetzte er die Amtsinhaber des alten Haushalts durch neue Männer seines Vertrauens. Besonders deutlich wirkte sich dieser Personalwechsel in der königlichen Kanzlei aus. Dies verärgerte die Montlhérys und muss in Fulkos früher Regierungszeit zu einer Revolte beigetragen habe, in die auch Hugo von Jaffa, den Fulko des Hochverrats bezichtigt hatte, verwickelt war. Wilhelm von Tyrus sollte später andeuten, das Gerücht einer Aff äre Hugos mit der Königin Melisendis sei es gewesen, das zu der Verstimmung zwischen jenem und dem König geführt habe – Wilhelm war natürlich
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Königin Melisendis von Jerusalem (um 1109–1161) Melisendis war die älteste der vier Töchter Balduins von Bourcq, des Grafen von Edessa und nachmaligen Königs von Jerusalem, und seiner Frau Morphia von Melitene, einer Armenierin. Sie besaß eine starke, selbstbewusste Persönlichkeit, die sich in ihrer Unabhängigkeit von ihrem Ehemann ebenso ausdrückte wie in ihrem Widerstreben, die Regierungsgeschäfte ihrem ältesten Sohn zu überlassen. Melisendis fühlte sich ihrer Familie eng verbunden: den Verwandten aus dem Montlhéry-Clan, mehr noch ihren drei Schwestern, aber vor allem ihrer jüngsten Schwester Ioveta, für die sie die Jerusalemer St.-Annen-Kirche sowie das Kloster St. Lazarus von Bethanien erbauen ließ. Ihr größtes Vermächtnis schuf Melisendis jedoch als Mäzenin. Der heute in der British Library in London befindliche Melisendis-Psalter, eine üppig illuminierte Handschrift, deren Einbanddeckel herrliche Elfenbeinschnitzereien zieren, ist wohl, zumindest in Teilen, unter ihrem Patronat entstanden. Gemeinsam mit dem Patriarchen Wilhelm von Mesen war sie zudem verantwortlich für die Energie und den architektonischen Geschmack, der sich bei der Wiederherstellung und Ausschmückung der heiligen Stätten von Jerusalem zeigte.
bewusst, dass die beiden Verdächtigten Angehörige der Familie Montlhéry waren. Genauso gut jedoch könnten die – so Wilhelms Worte – „familiaria colloquia“, d. h. vertraulichen Gespräche, zwischen Hugo und Melisendis sich jedoch um die Frage gedreht haben, wie man mit einer Situation umzugehen habe, die aus dem Ruder zu laufen drohte. Wie dem auch im Einzelnen gewesen sein mag: Hugo erhob sich mit der Unterstützung eines enteigneten Herrn von Transjordanien gegen den König, obwohl seine Verurteilung zu drei Jahren Exil außerordentlich milde war. Auslöser für die Verstimmung zwischen Hugo und dem König war aber womöglich nicht allein Fulkos Ernennung neuer Männer, sondern auch die bereits erwähnte Weigerung des Königs, auf die Vorschläge ägyptischer Unterhändler einzugehen. Hätte Kutaifat sich tatsächlich so isoliert gefühlt, dass er bereit gewesen wäre, seinen Brückenkopf Askalon aufzugeben, und hätte Fulko
Der Elfenbeineinband des Melisendis-Psalters. Diese Handschrift, die sich heute im Besitz 왘 der British Library in London befindet, wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für Königin Melisendis von Jerusalem angefertigt und vor dem Tod ihres Gatten, des 1143 verstorbenen Königs Fulko, fertiggestellt. Von den Einbanddeckeln aus Elfenbein, die byzantinische, islamische und westliche Stilelemente vereinen, stellt der vordere Deckel Szenen aus dem Leben des Königs David dar; der hintere – der hier zu sehen ist – überträgt das biblische Motiv in die Gegenwart und zeigt einen König von Jerusalem, der verschiedene gute Taten vollbringt.
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dieses Angebot ausgeschlagen, so wäre es wohl nur zu verständlich, wenn Hugo – dem ja das Anrecht auf Askalon bereits gewährt worden war – sich geschädigt gefühlt hätte. Fulko starb im Jahr 1143, aber seine Königin Melisendis behielt die Zügel fest in der Hand – selbst nachdem ihrer beider Sohn Balduin 1145 volljährig geworden war. Melisendis war dabei nicht nur eine große Mäzenin; sie war auch jeder Zoll eine Montlhéry und regierte mit der Unterstützung eines weiteren Verwandten namens Manasses von Hierges. Der junge König Balduin wurde immer mehr an den Rand gedrängt, bis er im Frühjahr 1152 auf seinem Recht bestand: Das Königreich solle, so forderte Balduin, in aller Form zwischen ihm und seiner Mutter geteilt werden, die 1150 ihre eigenen Vasallen davon abgehalten hatte, sich auf seinen Ruf hin zum Waffendienst in den Norden Syriens zu begeben. Nachdem das Königreich schließlich zwischen Balduin und Melisendis aufgeteilt worden war, stellte Balduin das Ergebnis in Frage. Er handelte rasch und besetzte das Territorium seiner Mutter. Als der Sommer 1152 anbrach, hatte er es vollkommen unter seine Kontrolle gebracht. Melisendis war auf einige Ländereien rund um Nablus zurückgeworfen, die ihr als Witwe zustanden. Die Vorherrschaft des Hauses Montlhéry, dessen Angehörige vom französischen Landadel zu einer der mächtigsten Familien des lateinischen Ostens aufgestiegen waren, sogar einen Kreuzzug in Gang gebracht hatten, fand nun ihr Ende. Als Balduin erst einmal an der Macht war, reagierte er sofort auf einen Hilferuf aus dem Norden, wo die Muslime Tartus erobert hatten. Die Stadt wurde zurückerobert, und eine Versammlung von Adligen aus dem Königreich Jerusalem, der Grafschaft Tripolis und dem Fürstentum Antiochia trat in Tripolis zusammen. Das Hauptziel ihrer Zusammenkunft erreichten sie nicht: Konstanze, die Erbin des Fürstentums Antiochia, zur Heirat zu bewegen; aber die Versammlung belegt die Stärke des jungen Königs, sogar außerhalb der Grenzen seines Reiches seine Vasallen zur Versammlung zu rufen. Balduin III. erwies sich in der Folge als ein weiterer fähiger Herrscher, dem mit Askalon die letzte Eroberung der Lateiner an der Küste gelang; aber er starb früh, am 10. Februar 1163, noch bevor er seine Pläne – einschließlich der Stiftung einer Allianz aller christlichen Kräfte im östlichen Mittelmeerraum zur Eroberung Ägyptens – in die Tat umsetzen konnte. Balduins Nachfolger auf dem Thron wurde sein Bruder Amalrich, der über ähnliche Fähigkeiten und sicherlich auch Tatkraft verfügte. Auf das eindrucksvollste Merkmal seiner Regierungszeit – den Versuch, Ägypten zu erobern – wird noch näher eingegangen. Zunächst bemühte sich der neue König jedoch darum, das gesetzliche Haupthindernis königlicher Kontrolle zu beseitigen, nämlich das undurchdringliche Dickicht der Privilegien, das die großen Lehen umgab und sie von königlicher Einflussnahme abschirmte. Amalrichs wichtigste rechtliche Neuerung, ein Gesetz mit dem Titel Assise sur la ligece („Gesetz über den Lehnsdienst“), war die Antwort auf eine Krise während der Herrschaft seines Vorgängers. Gerhard Garnier, der Herr von Sidon, hatte einen seiner Vasallen enteignet, ohne dass es zuvor zu einer Gerichtsverhandlung gekommen war. Balduin hatte daraufhin Maßnahmen ergriffen, um den enteigneten Vasallen ins Recht zu setzen, und Gerhard hatte nachgeben müssen und dem Gefolgsmann eine Wiedergutmachung für den entstandenen Schaden geleistet. Nun verkündete Amalrich bei einer
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Zusammenkunft der Haute Cour, künft ig müssten alle Untervasallen – zusätzlich zu ihrem Gefolgschaftseid dem unmittelbaren Lehnsherrn gegenüber – auch dem König Gefolgschaft schwören. Außerdem solle der König von nun an das Recht haben, von jedem mit einem Unterlehen bedachten Freien in jedem Lehnsterritorium der Krone Jerusalem den Gefolgschaftseid zu fordern. Es stimmt, dass diese Assise auf lange Sicht die Solidarität der Lehnsnehmer untereinander bestärkte, denn alle, die dem König Gefolgschaft geschworen hatten, ob nun große Herren oder kleine Untervasallen, waren Ebenbürtige, die ihr gemeinsamer Schwur verband. In der Praxis fand diese Solidarität ihren Ausdruck nicht selten in der Verwendung der Assise gegen die Krone selbst – auf eine Weise, die Amalrich so nicht vorhersehen konnte. Als sie eingeführt wurde, war die Assise jedoch ein Ausdruck königlicher Macht. Theoretisch konnte der König nun die Untervasallen eines seiner Lehnsnehmer zur Unterstützung rufen, wenn er mit diesem in Konflikt geraten war: Nach vierzig Tagen waren sie verpflichtet, auf die Seite des Königs zu wechseln, wenn sich ihr unmittelbarer Herr nach dieser Frist noch immer im Aufruhr gegen die Krone befand, ein Komplott gegen den König schmiedete oder es abgelehnt hatte, sich einem Prozess vor der Haute Cour zu stellen. Dafür sollten ihnen ihre Lehen innerhalb einer weiteren Frist von vierzig Tagen zurückgegeben werden. Noch schwerer wog, dass durch Amalrichs Gesetzesreform ein direkter Kommunikationskanal zwischen den Untervasallen und dem Herrscher geöff net wurde, denn fortan war ein solcher Unter vasall Mitglied des Hohen Gerichtshofs, der Haute Cour, und konnte folglich Unrecht in einer Herrschaft direkt vor dem König zur Anklage bringen. In weiten Teilen der christlichen Welt funktionierte die königliche Gerichtsbarkeit damals in der Regel so, dass ihre Verfahren auf die Initiative eines Klägers zurückgingen, und die Könige folglich das volle Potenzial als oberste Richter erst ausschöpfen konnten, wenn es königliche Richter in einem Apparat lokaler Gerichte gab, denen die betroffenen Untertanen ihre Anliegen vortragen konnten. Im Königreich Jerusalem war dies unmöglich, weil die großen Lehen in ihrer Rechtsprechung völlig autonom waren. Außerhalb der königlichen Domäne gab es keine königlichen Gerichte. In dieser Situation schlug Amalrich den ihm einzig gangbaren Weg ein: Er ermöglichte die Eingabe von Klagen aus den Territorien durch die Betroffenen direkt beim königlichen Gerichtshof. Vermutlich schwebten ihm ähnliche Kommunikationskanäle auch für nichtadlige Freie vor, die Gefolgschaftseide geleistet hatten. Wie so mancher starke König hinterließ Amalrich seinem Nachfolger ein schweres Erbe. Er war mit Agnes von Courtenay verheiratet gewesen, einer Tochter des Grafen von Edessa, und hatte mit dieser zwei Kinder: Balduin und Sibylle. Bei seiner Thronbesteigung hatte er sich dazu überreden lassen, diese erste Ehe wegen zu naher Blutsverwandtschaft annullieren zu lassen. Später heiratete er Maria Komnena, eine Großnichte des byzantinischen Kaisers, die ihm eine weitere Tochter namens Isabella gebar. Einiges deutet darauf hin, dass es im Verlauf von Amalrichs Regierungszeit eine zunehmende Polarisierung unter den Adligen und am Hofe gab: Die einen hielten zu Agnes; die anderen, zu denen auch der große Geschichtsschreiber Wilhelm von Tyrus zählte, hielten dem König und seiner griechischen Königin die Treue oder trieben mit deren
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Gunst ihre Karrieren voran. Nach Amalrichs Tod am 11. Juli 1174 begannen die beiden Parteien umgehend, ihr Terrain abzustecken. Der neue König, Balduin IV., war noch minderjährig. Von den beiden Männern, die Amalrich mit der Vormundschaft und Regentschaft betraut hatte, fiel der eine einem Attentat zum Opfer, der andere wurde beiseitegedrängt, und Graf Raimund III. von Tripolis, der nächste erwachsene und erbberechtigte Verwandte des jungen Königs, übernahm bis zu dessen Volljährigkeit im Jahr 1177 die Regentschaft. Als Erwachsener bevorzugte Balduin IV. natürlich die Parteigänger seiner Mutter und gab etwa seinem Onkel Joscelin III. von Courtenay – der nach der Eroberung Edessas durch die Muslime 1144 nur noch dem Titel nach Graf von Edessa war – ein großes Lehen im nördlichen Galiläa, während sich die Anhänger der Maria Komnena und viele, die in den letzten Jahren unter Amalrichs Herrschaft eine Rolle gespielt hatten, ihrer Macht und ihres Einflusses beraubt fanden. Aber da hatte es sich schon herumgesprochen, dass der junge König an Lepra erkrankt war. Ihm stand ein kurzes Leben bevor, in dem ihn die Krankheit immer wieder niederwarf, sodass Stellvertreter gefunden werden mussten, die für ihn regierten. Sicherlich würde er keine Kinder haben. Im Jahr 1176 heiratete Balduins Schwester Sibylle den Grafen Wilhelm von Montferrat. Das sollte sich als die beste Partie erweisen, die ein Mitglied des Jerusalemer Königshauses bis dato eingegangen war, denn Wilhelm war sowohl mit den römisch-deutschen Kaisern als auch mit dem französischen Königshaus verwandt. Er starb bereits im Jahr nach der Heirat und ließ die schwangere Sibylle allein zurück. Das dann geborene Kind, der zukünftige Balduin V., war kränklich, und es dauerte nicht lange, da sammelten sich wiederum zwei Parteien um die beiden potenziellen Thronerbinnen: Sibylle, Tochter der Agnes von Courtenay, und Isabella, Tochter der Maria Komnena. Balduin IV. favorisierte seine Schwester Sibylle und deren zweiten Mann Guido von Lusignan – bis er 1183 den inzwischen zu seinem Stellvertreter gemachten Guido nach einer Auseinandersetzung wegen der königlichen Einnahmen, und zusätzlich angestachelt von Guidos politischen Gegnern, die entschlossen waren, Guido zu vernichten, wieder aus dem Stellvertreteramt entfernte. Indem er die Ansprüche seiner Schwester Sibylle einfach überging, krönte er sodann seinen kleinen Neffen Balduin V. zu seinem Mitregenten, ernannte Raimund von Tripolis zu seinem Bevollmächtigten – mit der Aussicht auf die Regentschaft nach Balduins Tod – und schickte eine außerordentliche Gesandtschaft unter der Führung des Patriarchen von Jerusalem nach Westeuropa, die so weit ging, den Königen von Frankreich und England die Oberherrschaft über das Königreich Jerusalem anzutragen. Balduin stimmte sogar einem Vorschlag zu, dass im Falle eines allzu frühen Ablebens seines Neffen Balduins V. der Papst, der römisch-deutsche Kaiser sowie die Könige von Frankreich und England gemeinsam entscheiden sollten, welche der beiden Schwestern den Thron von Jerusalem erhalten solle. Anscheinend hegte er mittlerweile eine solche Abneigung gegen Guido von Lusignan, dass er es erlaubte, die Legitimität seiner Schwester – und damit seine eigene – in Frage zu stellen. Balduin IV. starb im März 1185 und Balduin V. im August 1186. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Königreich Jerusalem, das der Regierung durch eine starke Persönlichkeit
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schon immer so dringend bedurft hatte, bereits zwölf Jahre ineffektiver Herrschaft ertragen müssen. Nun war es gespalten aufgrund der Ansprüche zweier Halbschwestern und ihrer jeweiligen Cliquen von Unterstützern. Zur gleichen Zeit waren die Muslime mächtiger und einiger als jemals zuvor.
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Der Alltag in einer Grenzgesellschaft, wie sie die lateinischen Siedler im Heiligen Land bildeten, war zwangsläufig von militärischen Sachzwängen bestimmt. Ihre Landnahme verlief unsystematisch und Stück für Stück, je nachdem, wo sich gerade die Gelegenheit ergab, Land zu besetzen oder die Kontrolle über eine Handelsstraße zu erringen, an der sich Zölle erheben ließen. Die tatsächliche Herrschaftsgewalt über ein gewisses Gebiet übte derjenige aus, der über die zu seiner Verwaltung und Verteidigung nötigen Burgen oder befestigten Städte gebot. Dieser Umstand erklärt die außerordent lichen Bauprogramme, die im lateinischen Osten zur Errichtung zahlreicher Kreuzfahrerburgen führten. Ein chronischer Mangel an Mannschaften verstärkte diese Entwicklung sogar noch, denn er machte Verteidigungsanlagen erforderlich, die so mächtig waren, dass sie auch von einer kleinen Garnison verteidigt werden konnten. Nach einer Weile war die Landschaft Syriens und Palästinas geradezu übersät mit steinernen Befestigungsanlagen jedweder Größe. Alles war vertreten, von befestigten Gutshäusern, einfachen Wachttürmen, die häufig von einer Mauer umgeben waren, und mächtigen Höhenburgen, die auf steilen Bergrücken thronten und in großen Umwallungen den Anwohnern und ihrem Vieh Schutz bieten konnten, bis hin zu den Zitadellen der Städte und nach neuer Bauart konzentrisch angelegten Burgen. Wenn der Einfall eines feindlichen Heeres sich abzeichnete, dessen erstes Ziel die Belagerung und Eroberung dieser Befestigungsanlagen sein würde, war es wichtig, selbst ein Heer ins Feld führen zu können, das die Angreifer zu bedrohen vermochte. Andererseits konnten langfristige Angriffsziele wie etwa Aleppo oder Askalon Schritt für Schritt erreicht werden, indem man deren Zugänge durch eigene Befestigungen oder sogenannte Gegenburgen einschloss, um den Druck auf die Verteidiger aufrecht zu erhalten. Sowohl die lateinische Landnahme als auch die muslimische Gegenoffensive waren daher geprägt von der Besetzung strategischer Punkte und der dortigen Errichtung oder Erweiterung von Festungsbauten. Jeder Geschichtsatlas lässt unschwer erkennen, dass dieser Prozess zufälliger Natur war. Edessa wurde bereits früh von den Kreuzfahrern erobert, wodurch sich die östliche Ausbuchtung im Norden ihrer Herrschaften erklärt. Bis zum Jahr 1153 war die Mittelmeerküste im Süden bis nach Darum lückenlos erobert; der im Landesinneren gelegene Graben hingegen, in dem die Flüsse Orontes, Litani und Jordan verliefen, war von ihnen nur an einigen wenigen Stellen überquert worden, darunter den Zugangswegen nach Aleppo im Norden und in das große Lehen Transjordanien im Süden, das sich bis zum Golf von Akaba am Roten Meer erstreckte. Anderswo beschränkte sich die Herrschaft der Eroberer auf den schmalen Streifen Land direkt an
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der Mittelmeerküste. Bisher sind alle Versuche gescheitert, ein kohärentes System der Grenzverteidigung nachzuweisen. Einige wichtige Gebirgspässe, die das Landesinnere mit der Küste verbanden – etwa die Gebiete um Dschisr asch-Schughur und den Krak des Chevaliers –, weisen eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Burgen auf, während andere – wie etwa die Hauptverkehrsrouten von Damaskus nach Tyrus und Akkon – die meiste Zeit über nur leicht geschützt waren. Die Europäer waren bei ihrer Landnahme von Ressourcen abhängig, die niemals ihrem Bedarf entsprachen. Eine um 1180 entstandene unvollständige Aufstellung von Rittern und ihren dem König von Jerusalem geleisteten Diensten nennt 675 Namen; mit einer Schätzung von etwa 700 Rittern insgesamt werden wir also nicht vollkommen fehlgehen. In der Frühzeit seines Bestehens scheint es das Fürstentum Antiochia auf ungefähr die gleiche Anzahl gebracht zu haben, allerdings muss diese durch die Mitte des 12. Jahrhunderts erlittenen Gebietsverluste abgenommen haben. Für Edessa ist wohl eine Zahl von 500 Rittern anzunehmen. Die Grafschaft Tripolis konnte bestimmt 100 Ritter aufbieten. In ihren besten Zeiten brachten es also das lateinische Palästina und Syrien auf insgesamt wohl nicht mehr als 2000 Ritter. Das waren aber viel zu wenige für ein derart weitläufiges und von allen Seiten bedrängtes Gebiet. Die Gelegenheiten, bei denen wenigstens ein nennenswerter Anteil dieser Zahl aufgeboten werden konnte, dürften selten gewesen sein. Schon vergleichsweise früh zeigten die Vasallen des Königs von Jerusalem nämlich eine ausgeprägte Abneigung gegen den Dienst „in der Fremde“, wozu sie beispielsweise auch Antiochia zählten. Wollte man sie zu einem solchen Einsatz bewegen, musste man zuvor einige Zeit für Verhandlungen einkalkulieren. Es zeigte sich, dass sie sich nicht etwa durch unbegründete Behauptungen militärischer Notwendigkeit zwingen ließen. Selbst wenn es um Dienste innerhalb des Königreichs Jerusalem ging, die bis zu einem Jahr andauern durften, konnte kein König die Wünsche und finanziellen Möglichkeiten seiner Gefolgsleute einfach ignorieren. Außerdem war zu jeder Zeit eine Reihe von Lehen im Besitz von Minderjährigen, für den militärischen Dienst zu alten Männern, noch unverheirateten Erbinnen oder Vasallen, die krank waren. Es wäre sehr überraschend, wenn Jerusalem damit rechnen konnte, mehr als 500 Lehnsritter in den Krieg ziehen zu lassen. Zusätzlich zu ihren Vasallen konnten die Könige von Jerusalem freilich noch auf die Unterstützung von Serjeanten der Kirchen, Klöster und Städte zählen. Im Jahr 1080 betrug die Gesamtstärke dieser Kräfte 5025 Mann, aber die Tatsache, dass ihre Verbände nur im Notfall aufgeboten wurden, lässt vermuten, dass sie nicht sonderlich gut ausgebildet waren. War die Gefahr sehr groß, konnte in einer levée en masse auch die gesamte Bevölkerung zu den Waffen gerufen werden, aber wir wissen nur sehr wenig über diese Aufgebote: weder über ihre militärischen Qualitäten noch über ihre etwaigen Einsätze. Weit wichtiger wurde im Verlauf des 12. Jahrhunderts der Beitrag, den die Ritterorden leisteten. Allerdings haben wir ja bereits gesehen, dass die Brüder Ritter zu keiner Zeit sehr viele waren, dass sie zudem eher als Kommandeure von Söldnertruppen fungierten und dass ihre militärischen Verpflichtungen nicht selten über ihre Kräfte gingen. Aus alldem folgt, dass die militärischen Ressourcen der Lateiner begrenzt waren. Des-
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halb versuchte man, diese auf fünf verschiedene Weisen zu ergänzen: Erstens wurde in immer größerem Umfang auf die Dienste von Söldnern zurückgegriffen. Eine besonders wichtige Gruppe bildeten dabei die berittenen Turkopolen, mit der für Muslime typischen leichteren Bewaffnung. Der lateinische Osten bot ihnen ein reiches Betätigungsfeld, aber die Lateiner mussten sie bezahlen, obwohl niemals genug Geld da war. Aus diesem Grund wurden in gewissen Abständen enorme Geldsummen aus Europa in das Heilige Land geschickt – ein berühmtes Beispiel war das Sühnegeld, das Heinrich II. von England nach der Ermordung des Thomas Becket zahlte –, und aus diesem Grund wurde 1183 im Königreich Jerusalem eine allgemeine Sonderabgabe erhoben. Zweitens gab es sogenannte milites ad terminum, Kreuzfahrer auf Zeit also, die sich schon ab der Frühzeit der Landnahme nachweisen lassen. Sie kamen als Zeichen ihrer Frömmigkeit in das Heilige Land, um dort für eine bestimmte Zeit Kriegsdienst zu leisten. Sie begründeten eine Tradition, die so lange bestehen sollte wie die Kreuzzugsidee, und ihre Nachfolger waren jene Männer, die im 14., 15. und 16. Jahrhundert zur Unterstützung des Deutschen Ordens und der Johanniter nach Preußen, Rhodos und Malta zogen. Drittens gab es die Pilger, die jedes Jahr in Jerusalem anlangten, und auch diese wurden wohl bisweilen zur militärischen Unterstützung herangezogen. Allerdings scheinen sie, wie wir noch sehen werden, eigentlich unter der Verpflichtung gestanden zu haben, nach ihrem Besuch der heiligen Stätten keine Waffen zu tragen. Viertens kamen den Königen von Jerusalem manchmal die italienischen Kaufmannsgemeinden zu Hilfe, vor allem die Genuesen, Venezianer und Pisaner – besonders dann, wenn es um die Eroberung einer Hafenstadt ging. Fünftens gab es die Kreuzfahrer, auf die in den folgenden Kapiteln genauer einzugehen ist. Festzuhalten gilt an dieser Stelle, dass die lateinischen Siedler regelmäßig ihre Glaubensbrüder in Europa um Hilfe baten, diese aber nur sehr unregelmäßig erhielten – und das trotz des zunehmenden Einfallsreichtums, mit dem diese Bitten ab den 1160erJahren vorgebracht wurden. Die Siedler waren von den politischen Entwicklungen in der muslimischen Welt, auf die sie keinerlei Einfluss hatten, abhängig, und sie waren isoliert, denn sie hatten die Unterstützung des Byzantinischen Reiches, der einzigen christlichen Großmacht in der Region, verloren. Im frühen 12. Jahrhundert war der Islam im Nahen Osten noch immer zersplittert und in Aufruhr. Dennoch sahen sich Antiochia und Edessa schon bald Aleppo und Mossul gegenüber, und nach 1133 setzte die kleine, in ihrer Unabhängigkeit jedoch fi nster entschlossene islamitisch-schiitische Sekte, die Assassinen, Mordanschläge als Mittel ein, um ihre Ziele zu erreichen. An den Grenzen der Grafschaft Tripolis lagen mehrere kleinere Städte und Fürstentümer: Seidschar, Hama und Homs. Das Königreich Jerusalem selbst war im Osten mit Damaskus und im Süden mit Ägypten konfrontiert. Nach dem anfänglichen Schock des Ersten Kreuzzuges reagierten die meisten muslimischen Kleinstaaten, indem sie mit den Neuankömmlingen aus Europa einen modus vivendi zu finden suchten. Das bedeutete nun allerdings nicht zwangsläufig Frieden. Die Christen hatten sich in ein kaleidoskopisches und gewaltsames System lokaler Politik hineingedrängt und waren selbst in der Offensive. Beinahe unverzüglich folgten Gegenoffensiven von Ägypten aus; und ab etwa 1110 auch vom Sultanat der Seldschuken im Irak. Mit dem Heer, dem die
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Lateiner 1119 auf dem Blutfeld gegenüberstanden, trat dann zum ersten Mal die Idee des dschihad oder „Heiligen Krieges“ islamischer Art an die Oberfläche, der zuvor nur auf einige religiöse Führer in Damaskus und Aleppo beschränkt war – erneut dann während der Belagerung Aleppos 1124 durch die Christen. Aleppo wurde von den Truppen des Atabeg von Mossul, AqSunqur al-Bursuqi, entsetzt, der die Stadt sogleich dem von ihm für seine eigene Person geschaffenen Reich einverleibte, bevor er im November 1126 von den Assassinen ermordet wurde. Das von al-Bursuqi geschmiedete Bündnis wäre wohl nach dem plötzlichen Tod seines Sohnes Masud im Mai 1127 auseinandergebrochen, hätte man nicht Imad ad-Din Zengi zum Atabeg von Mossul bestimmt. Zengi marschierte im Juni 1128 in Aleppo ein und machte sogleich eine Reihe von Eroberungen. Diese beschränkten sich durchaus nicht auf die christlichen Gebiete – Zengis Augenmerk galt eher dem Irak als Syrien –, doch im Jahr 1135 entriss er die westlichen und südwestlichen Zugänge Aleppos der christlichen Kontrolle, indem er Atharib, Maʿarat an-Numan und Zerdan eroberte. 1137 gelang es Zengi, auch Baʿrin an der Grenze zur Grafschaft Tripolis einzunehmen. Als der Graf von Edessa sich 1144 mit einem muslimischen Nachbarn gegen Zengi verbündete, besetzte jener die im Osten der Grafschaft gelegenen Festungen und stieß, indem er die Abwesenheit Graf Joscelins II. sowie die damit verbundene zeitweilige Schwäche der Garnison ausnutzte, am 24. November bis nach Edessa selbst vor. Am Heiligen Abend drangen Zengis Truppen in die Stadt ein und plünderten sie; die Zitadelle von Edessa fiel zwei Tage darauf. Der Verlust der Hauptstadt der ersten lateinischen Herrschaft im Orient machte in Westeuropa nachhaltigen Eindruck. Aber auch auf der muslimischen Seite gab es eine spontane und ausgedehnte Reaktion. In diesem Getöse aus Lob und Propaganda gewann das Konzept des dschihad, das in Zengis persönlicher Umgebung zuvor nur sporadisch bemüht worden war, erheblich an Bedeutung. Zengi selbst, den der Kalif mit Ehrungen überhäufte, wusste den einmal errungenen Vorteil zu nutzen, nahm Sürüc ein und belagerte Birtha, doch am Abend des 14. September 1146 wurde er von einem seiner Sklaven ermordet, und sein Herrschaftsgebiet wurde unter zweien seiner Söhne aufgeteilt. Der jüngere der beiden, Nur ad-Din, erhielt Aleppo. Da er nicht auch die Herrschaft über Mossul geerbt hatte, wurde er – im Gegensatz zu seinem Vater – nicht durch die politischen Verwicklungen im östlichen Teil des Fruchtbaren Halbmondes von anderen Aufgaben abgelenkt. Andererseits verfügte er natürlich über geringere Mittel. Trotz seiner mangelnden Erfahrung bewährte sich Nur ad-Din jedoch sofort, als er der Garnison von Edessa zu Hilfe eilte. Diese sah sich von christlichen Truppen bedrängt, die offenbar aus Zengis Tod einen Vorteil zu gewinnen hofften. Sodann schloss Nur ad-Din mit dem Sultan der Rumseldschuken ein Angriffsbündnis gegen Antiochia und eroberte Hab und Kafarlatha, die den Zugang zur Ebene von Aleppo kontrollierten. Nach dem Scheitern des Zweiten Kreuzzuges nahm Nur ad-Din die Feindseligkeiten wieder auf, und am 29. Juni 1149 fügte sein Heer, das durch Truppen aus Damaskus verstärkt worden war, einer unterlegenen Streitmacht des Fürstentums Antiochia eine vernichtende Niederlage zu. Dieses Ereignis sollte sich für Nur ad-Din als ein Wendepunkt erweisen. In seinen
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Augen und auch nach Meinung der Zeitgenossen wurde er zum Verteidiger des Glaubens. Nur ad-Din nutzte die propagandistischen Möglichkeiten des dschihad auf jede erdenkliche Weise: durch Gedichte, Briefe, Abhandlungen, Predigten und Inschriften. Zwei Hauptthemen treten dabei deutlich hervor: einerseits die Verpflichtung, die Küstengebiete und insbesondere Jerusalem von den Christen zurückzuerobern; andererseits die Überzeugung, dass dieses Ziel nur durch die religiöse und politische Einheit der Muslime erreicht werden könne. Als Führer dieser Bewegung zur „moralischen Aufrüstung“ ergriff Nur ad-Din Maßnahmen gegen Schiiten und andere Nichtsunniten, während er die Gründung von sunnitisch geprägten religiösen Schulen, Moscheen und Sufi konventen förderte. Unur, der Herrscher von Damaskus, starb im Frühherbst 1149, ebenso Nur ad-Dins Bruder, der Herrscher von Mossul. In Mossul hatte Nur ad-Din kein Glück, denn dort kam ein anderer Bruder an die Macht, und er selbst konnte sich die Stadt erst 1170 sichern. Es gelang ihm jedoch, Damaskus zur Anerkennung seiner Oberhoheit zu zwingen und – im Bündnis mit dem Sultan der Rumseldschuken – das verbliebene Territorium der Grafschaft Edessa zu besetzen, deren letzte Festung, Tell Baschir (Turbessel), am 12. Juli 1151 kapitulierte. Im April 1154 erlangte Nur ad-Din schließlich auch die direkte Kontrolle über Damaskus; mit der Einnahme von Baʿalbek im Juni 1155 war die Vereinigung des muslimischen Syrien abgeschlossen. Während der nächsten Jahre festigte Nur ad-Din seine Herrschaft, wobei er jedoch die Ablenkung der Christen durch deren Kampf gegen die Ägypter nutzte, indem er Harim belagerte und einem christlichen Heer im August 1164 bei Artah eine schwere Niederlage zufügte. In dieser Schlacht wurden Bohemund III. von Antiochia, Raimund III. von Tripolis, der byzantinische dux Konstantin Koloman sowie der westliche Besucher Hugo VIII. von Lusignan gefangen genommen. Harim ergab sich nur wenige Tage später. Die Angriffe König Amalrichs auf das Nildelta zwangen Nur ad-Din zu einer Reaktion. In den Jahren 1164, 1167 und 1168 griff sein General Schirkuh in Ägypten ein und wurde 1169 ägyptischer Wesir. Ägypten erkannte nun Nur ad-Dins Oberhoheit an, und das Fatimidenkalifat wurde beseitigt. Nur ad-Din starb am 15. Mai 1174. Unter seinem Einfluss hatte sich die politische Szene in der muslimischen Welt einschneidend gewandelt. An die Stelle eines Wirrwarrs von Kleinstaaten war ein geeintes und mächtiges Syrien getreten, das mit Ägypten zudem über einen bedeutenden Vasallenstaat verfügte. Die Christen hatten eine Vereinigung des muslimischen Nahen Ostens immer gefürchtet, doch führte der Tod Nur ad-Dins, wie zu erwarten war, zu einem Machtkampf unter seinen Offizieren – offiziell um die Vormundschaft für Nur ad-Dins minderjährigen Sohn. Einer von ihnen war Saladin, der seinem Onkel Schirkuh im Amt als Wesir von Ägypten nachgefolgt war und im September 1171 auf Befehl Nur ad-Dins die Herrschaft der schiitischen Fatimiden gestürzt und stattdessen den Sieg des sunnitischen Abbasidenkalifats ausgerufen hatte. Im Oktober 1174 besetzte Saladin im Namen eines geeinten Islam Damaskus und marschierte dann über Homs und Hama in Richtung Aleppo. Nachdem er bereits in Homs auf Widerstand gestoßen war und Hama nur mit Mühe gewonnen
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hatte, blieb Saladin die Eroberung von Aleppo versagt. Allerdings schlug er im April 1175 seine muslimischen Widersacher bei den Hörnern von Hama geradezu vernichtend. Nachdem Saladin vom Kalifen offiziell die Regierung Ägyptens sowie der bislang eroberten Teile Syriens übertragen bekommen hatte, nahm er die Themen der Propaganda Nur-ad-Dins auf, indem er die Muslime zum dschihad gegen die christlichen Herrschaften und zu religiöser wie politischer Einheit aufrief. Saladin war zugleich großzügig und rücksichtslos, pragmatisch und fromm. Der sunnitischen Orthodoxie fühlte er sich zutiefst verbunden. Es dauerte lange, bis er die einst von Nur ad-Din beherrschten Gebiete unter seiner Regierung wieder vereinigt hatte. Als im Juni 1183 endlich Aleppo in seine Hände fiel, hatte er bereits einige von Mossul abhängige Gebiete erobert; Mossul selbst erkannte im Februar 1186 Saladins Oberhoheit an. In jenen Jahren führte er auch häufig Feldzüge gegen die Christen, die seine Energie und Ressourcen aber nicht im gleichen Maße in Anspruch genommen zu haben scheinen wie seine Eroberungen in der islamischen Welt. Ein von Saladin im Jahr 1177 unternommener Plünderungszug im Gebiet von Askalon und Gaza wurde am 25. November bei Montgisard überrascht und zurückgeworfen. Im Frühjahr und Sommer 1179 gelangen seinen Truppen bedeutende Siege bei Tell al-Hara und Mardsch Uyun, in deren Folge bei Dschisr Banat Yaʿqub eine halb fertiggestellte christliche Festung eingenommen und zerstört wurde. Ein Angriff auf Beirut im Jahr 1182 verlief jedoch genauso erfolglos wie ein Vorstoß nach Galiläa im Jahr darauf. Die Kreuzfahrerburg Karak in Transjordanien hielt der Belagerung im November 1183 und erneut im August und September 1184 stand – und das, obwohl Saladin bei diesem zweiten Versuch sein bislang größtes Heer zusammengezogen hatte. Andere Vorstöße Saladins in die lateinischen Territorien in den Jahren 1170, 1171, 1173, 1177, 1179, 1180, 1182, 1183 und 1184 erbrachten – außer der Einnahme von Akaba am Roten Meer 1170 sowie der erwähnten Zerstörung der Festung von Dschisr Banat Yaʿqub 1179 – keine nennenswerten Ergebnisse. Saladins Ambitionen hatten ihn jedoch auf eine endlose Straße geführt, denn seine Kriegführung ließ sich bloß durch stets neue Eroberungen finanzieren. Er „gebrauchte den Reichtum Ägyptens zur Eroberung Syriens, denjenigen Syriens zur Eroberung der Dschasira [das heißt Obermesopotamiens], jenen der Dschasira zur Eroberung der Küste“, womit natürlich die lateinischen Herrschaften gemeint waren. Saladin befand sich stets in finanziellen Schwierigkeiten, und man muss wohl nicht eigens betonen, dass sein „Reich“ ein überaus instabiles Gebilde war, das auf der Kraft seiner Persönlichkeit und auf seinen unsicheren Beziehungen zum Abbasidenkalifat gründete. Saladins großes Glück war die außerordentliche Schwäche und innere Zerstrittenheit der Christen zu eben der Zeit, als seine Karriere ihren Höhepunkt erreichte. Die politischen Hintergründe der militärischen Auseinandersetzungen in der Region lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das Fürstentum Antiochia sowie die Grafschaften Edessa und – in geringerem Maße – Tripolis sahen sich dem Byzantinischen Reich gegenüber, das die lateinische Besetzung von Antiochia sowie Teilen Kilikiens nie ganz verwand und in den Jahren 1099, 1100, 1104, 1137, 1138, 1142 und 1158 / 1159 jeweils mit Truppen in das Gebiet einfiel. Zudem standen sie einer Reihe muslimischer Kleinstaaten
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gegenüber, aus denen schließlich die Vereinigung von Mossul und Aleppo, das Sultanat der Rumseldschuken in Kleinasien sowie das kleine, aber unabhängige Herrschaftsgebiet der Assassinen entstanden. Bis zum Jahr 1169 hatte Jerusalem aber auch zwei große Mächte zum Gegner: Damaskus und Ägypten. Nachdem Nur ad-Din Ägypten mit Gebieten vereinigt hatte, zu denen unter anderem bereits Damaskus gehörte, waren die lateinischen Territorien an ihren östlichen und südlichen Grenzen mit einer Koalition von Gegnern konfrontiert, die – wie instabil sie im Einzelnen auch sein mochte – doch eine echte Gefahr darstellte. Die militärischen Aktionen der Lateiner lassen sich in vier Phasen unterteilen. Die erste dauerte bis etwa 1130 und endete mit dem Tod zweier Führerpersönlichkeiten, die sozusagen Überlebende aus der ersten Siedlergeneration gewesen waren: Balduins II. von Jerusalem und Joscelins I. von Edessa, und dem Herrschaftsantritt Zeugnis. Diese Zeit war vom Vordringen der Lateiner geprägt. Zunächst mussten die Herrscher von Jerusalem die entschlossenen Versuche der Ägypter abwehren, ihre verlorenen Gebiete zurüchzuerobern. Derartige Angriffe, bei denen oft Askalon den Brückenkopf bildete, erfolgten in den Jahren 1101, 1102, 1103, 1105, 1106, 1107, 1110, 1113, 1115, 1118 und 1123. Nach 1107 handelte es sich meist um Überfälle der Garnison Askalons. Diese Bedrohung reichte aus, den Patriarchen und die Bürger von Jerusalem in den 1130er-Jahren zur Errichtung der Festung Chastel Hernaut zu veranlassen, die, im judäischen Hügelland gelegen, die Straße nach Jerusalem gegen ägyptische Wegelagerer schützen sollte. König Fulko ließ zudem einen Ring von Burgen um die muslimische Garnison von Askalon legen, darunter die erste bedeutende Johanniterfestung. Die Christen bemühten sich außerdem, die Häfen an der Mittelmeerküste zu erobern, was die nächsten 25 Jahre in Anspruch nehmen sollte. Die Küste des Fürstentums Antiochia und weite Teile des Hinterlandes wurden bis nach Baniyas im Süden besetzt. Die Lücke zwischen Baniyas und Beirut wurde durch die Gründung der Grafschaft Tripolis geschlossen. Im Süden fiel Haifa nach dem Tod Gottfrieds von Bouillon in christliche Hände. Arsuf und Caesarea wurden 1101 eingenommen, Akkon 1104, Beirut und Sidon 1110, Tyrus 1124 und schließlich, 1153, auch Askalon. Die Lateiner hielten nun die gesamte Levanteküste von Alexandretta (Iskenderun) im Norden bis Gaza im Süden. Dadurch war die Landverbindung von Jerusalem nach Antiochia und von dort weiter nach Kleinasien gesichert; von langfristig größerer Bedeutung war jedoch die Auswirkung dieser Eroberungen auf den Seeverkehr. Die Geografie des östlichen Mittelmeerraums wird in der Hauptsache von drei Elementen bestimmt: einem vorherrschenden Wind aus westlicher bis nordwestlicher Richtung; großen Meeresströmungen, die an der griechischen und vor allem vor der nordafrikanischen Küste tückisch sein können; schließlich von den unterschiedlichen Gegebenheiten an den südlichen und nördlichen Küsten selbst. Die afrikanische Küste ist gefährlich, denn hier lauern Untiefen in einigem Abstand vom Festland; außerdem fehlen oft mals die leicht wiederzuerkennenden Orientierungspunkte, welche die felsigen Küsten des nördlichen Mittelmeerraums für die Seefahrer so anziehend machten. Aus diesen Gründen war es üblich, dass aus westlicher Richtung kommende Schiffe so lange wie möglich
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im nördlichen Teil des Mittelmeeres segelten, bevor sie Kurs auf die Levante nahmen. Die ägyptische Galeerenflotte im Nildelta war eine mächtige Waffe in den Händen der Muslime, denn sie konnte die Schiff fahrtsrouten stören und so die Hauptverbindung zwischen den lateinischen Siedlern und Westeuropa unterbrechen. Diese Flotte musste natürlich in regelmäßigen Abständen zum Einsatz kommen, damit sie ihre Schlagkraft nicht verlor, und die lateinische Eroberung der östlichen Mittelmeerküste schränkte ihren Aktionsradius derart ein, dass sie kaum noch wirkungsvoll gegen die Schiff fahrtsstraßen im nördlichen Mittelmeer vorgehen konnte. Das galt insbesondere für deren Schnittpunkt, die Gewässer um die Insel Zypern. Landeinwärts von der Küste dehnten sich die Territorien von Antiochia und Edessa aus, bis sie aufeinandertrafen, doch die Pilgerstraßen nach Jerusalem blieben noch 1118 unsicher; auch das Hinterland von Sidon und Beirut wurde erst in den späten 1120erJahren allmählich gesichert. In der Zwischenzeit griffen die Siedler jedoch schon auf das Landesinnere aus. Schon im Herbst 1099 war Tankred über das östliche Ufer des Sees Genezareth hinaus vorgestoßen; in den Jahren 1115–1116 wurde das östliche Ufer des Wadi Araba (Aravasenke) bis zum Roten Meer mit Garnisonen versehen. Die lateinische Expansion östlich des Sees Genezareth sorgte in Damaskus für Beunruhigung. Bis etwa 1115 herrschte an der östlichen Grenze ein ständiger Kleinkrieg, der 1119 auch wieder aufflammte. König Balduin I. erlitt 1113 bei as-Sinnabra eine schwere Niederlage. In demselben Jahr sowie 1121 und 1124 kam es zu muslimischen Vorstößen nach Galiläa. Die lateinischen Siedler im Norden sahen sich ab 1110 in fünf aufeinander folgenden Jahren durch Invasionen bedroht, die im Auft rag des Seldschukensultanats im Irak unternommen wurden. Außer in den Jahren 1112 und 1114, in denen diese Angriffe nur geringe Ausmaße hatten, schlossen sich die christlichen Herrscher der Gegend jeweils zusammen, aber nicht etwa, um den Feind zurückzuschlagen, sondern, um ihn durch ihre drohende Übermacht zum Rückzug zu bewegen. 1115 gelang es jedoch Roger von Salerno, dem Regenten von Antiochia, die Muslime zu überraschen und sie bei Tell Danith zu schlagen. Dieser Sieg beendete auf einige Zeit die muslimischen Überfälle, doch sollte Rogers verhängnisvolle Preisgabe seines ohne Verbündete unterlegenen Heeres in der Schlacht auf dem Blutfeld 1119 schließlich zum Verlust der christlichen Festungen führen, die Aleppo bedroht hatten und später nur zum Teil zurückerobert werden konnten. Der Druck auf die beiden Hauptziele im Landesinneren wurde dennoch aufrechterhalten: Aleppo wurde 1100 bedroht und 1125 belagert, Damaskus 1126 und 1129 angegriffen. Es sagt viel über das Gottvertrauen der christlichen Herrscher in den lateinischen Territorien während dieser Zeit aus, dass Balduin I. im Jahr 1118 während eines Feldzuges nach Ägypten verstarb, während Balduin II. die Muslime sogar, wie wir gesehen haben, an gleich zwei Fronten angriff. Die zweite Phase der militärischen Operationen dauerte von etwa 1130 bis 1153. Während dieser Jahre befanden sich die Lateiner in der Defensive, obwohl sie Gegenangriffe unternahmen, wenn die Gelegenheit günstig war. Im Gegensatz zu der vorangegangenen Phase waren sie nun jedoch nicht mehr in der Lage, ihre Gebietsverluste wieder gutzu-
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machen. Edessa, Baʿrin und Qal’at al-Mudiq (das antike Apamea) gingen ein für alle Mal verloren; Harim und Baniyas am Jordan wurden jeweils nur für kurze Zeit zurückerobert. Zudem unternahmen die Lateiner in jener Zeit lediglich zwei größere Offensiven, beide mit fremder Hilfe: 1137 gemeinsam mit den Griechen gegen Saidschar sowie 1148, während des Zweiten Kreuzzuges, gegen Damaskus. Die dritte Phase, von 1153 bis 1169, begann mit der Einnahme Askalons durch Balduin III. und war geprägt von den Invasionen Ägyptens, die König Amalrich von Jerusalem – teilweise mit byzantinischer Unterstützung – unternahm. Dabei kam es natürlich zu Belagerungen: von Bilbeis im Nildelta (1163, 1164 und 1168), Alexandria (1167), Kairo (1168) sowie Damiette (1169). Diese Operationen waren für das Königreich Jerusalem eine enorme finanzielle und personelle Belastung und führten zu ernstlichen Meinungsverschiedenheiten unter den Christen. Ab 1164 stellte sich jeder christlichen Invasionsstreitmacht ein Heer in den Weg, das zur Unterstützung der Ägypter aus Syrien geschickt wurde, und das letztendliche Scheitern der Lateiner ließ Ägypten an Nur ad-Din fallen. In der vierten Phase, von 1169 bis 1187, befanden sich die Siedler wiederum in der Defensive. Saladin unternahm regelmäßige – wenn auch halbherzige – Vorstöße auf das Territorium des Königreichs Jerusalem, und der einzige Angriff der Christen blieb eine Offensive gegen Hama und Harim im Jahr 1177, die durch die Anwesenheit des flandrischen Grafen Philipp von Elsass sowie das Eintreffen einer byzantinischen Flotte ermöglicht wurde. Der Held jener Jahre war der an Lepra erkrankte junge König Balduin IV., der selbst auf dem Krankenlager noch dafür sorgte, dass jedem Invasionsheer eine christliche Streitmacht entgegentrat, deren Pflicht nun nicht mehr darin bestand, die Entscheidungsschlacht zu suchen, sondern vielmehr jeglichen Versuch des Feindes zu vereiteln, weitere Burgen oder Städte einzunehmen.
Die Schlacht von Hattin und der Verlust Jerusalems Die Schlacht von Hattin und der Verlust Jerusalems
Die Invasion Saladins im Jahr 1187 traf ein Königreich, das aufgrund der widerstreitenden Ansprüche der beiden Thronerbinnen Sibylle und Isabella zutiefst gespalten war. Nach dem Tod Balduins V. im August 1186 überredete man Raimund von Tripolis, den gewählten Regenten von Jerusalem, Herrn von Galiläa durch Heirat und Anführer der Anhänger Isabellas, sich auf den Weg nach Tiberias zu machen, während der Leichnam des kleinen Königs unter der Obhut der Templer nach Jerusalem gesandt wurde. Akkon und Beirut wurden in Sibylles Namen besetzt, während sie selbst und ihre Ritter nach Jerusalem eilten, wo sich ihnen Rainald von Châtillon anschloss, der Herr von Transjordanien. Sibylle, die zudem auf die Unterstützung des Templergroßmeisters und des Patriarchen bauen konnte, wurde in der Grabeskirche zur Königin gekrönt, woraufhin sie selbst ihren Ehemann Guido von Lusignan krönte. Die Anhänger Isabellas waren überlistet worden. Und während sie noch trotzig in Nablus darüber berieten, Isabella und ihren Mann Humfred IV. von Toron (Tibnin) kurzerhand ebenfalls zum Königspaar zu krönen, da nahm ihnen Humfred diese Hand-
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lungsmöglichkeit, indem er nach Jerusalem floh und sich Guido und Sibylle unterwarf. Dies setzte der Rebellion ein Ende; bis Oktober war wieder Ruhe eingekehrt. Die meisten Vasallen fanden sich mit der neuen Situation ab, obwohl etwa Raimund von Tripolis im Zorn nach Tiberias zurückkehrte und dort bis in den folgenden Sommer an seiner Unterstützung für Isabella festhielt; dann jedoch machte ein Zwischenfall, an dem man ihm die Schuld gab, seine Position unhaltbar. Raimund hatte, wie es sein gutes Recht als Territorialherr war, in Unabhängigkeit von seinem Lehnsherrn einen Vertrag mit Saladin geschlossen und dementsprechend einem muslimischen Aufk lärungstrupp den Durchzug durch Galiläa gestattet. Genau zur selben Zeit befand sich jedoch auch eine Gesandtschaft im Anmarsch, die der neue König Guido geschickt hatte. Angeführt wurde sie von Balian von Ibelin, dem Herrn von Nablus und zweiten Ehemann der Maria Komnena, sowie dem Erzbischof von Tyrus und den Großmeistern der Templer und Johanniter. Raimund hatte die Gesandten ermahnt, sich in die Burg von al-Fula (Faba) zurückzuziehen, bis die muslimischen Truppen die Gegend wieder verlassen hätten, doch die Templer und Johanniter missachteten die Warnung, stürzten sich kampfeslustig auf die Muslime und wurden von diesen in Stücke gehauen. Der Großmeister der Johanniter und der Marschall Templer verloren ihr Leben. Inzwischen hatte Saladin nach einem Grund gesucht, einen im Jahr 1185 mit den Siedlern geschlossenen Waffenstillstand aufheben zu können. Diesen lieferte ihm Rainald von Châtillon, der einige Jahre lang eine überaus abenteuerlustige und aggressive Außenpolitik gegenüber seinen muslimischen Nachbarn verfolgt hatte, indem er Vorstöße über den Sinai und in das nördliche Arabien hinein bis nach Taima unternahm und sogar eine Flotille ins Rote Meer entsandte, um dort muslimische Handelsschiffe aufzubringen und bei Rabigh im Hedschas ein Landungsheer abzusetzen, das offenbar erst einen Tagesmarsch vor Mekka aufgehalten wurde. 1186 nun aber griff Rainald eine Karawane an, die auf dem Weg von Kairo nach Damaskus war, und er weigerte sich, seine Beute zurückzugeben. Ende Mai 1187 zog Saladin seine Truppen bei Aschtara im Hauran zusammen. Es war das größte Heer, das jemals unter seinem Befehl versammelt war, wohl um die 30 000 Mann, davon 12 000 Mann Kavallerie. Am 30. Juni setzte Saladins Heer unmittelbar südlich des Sees Genezareth über den Jordan. Die Christen entschlossen sich zu einem mittlerweile schon bewährten Schachzug und versammelten ihre Truppen bei Saff uriya (Zippori). Das christliche Heer war zwar kleiner als das Heer Saladins, aber es war dennoch größer als gewöhnlich. Sämtliche Ressourcen des Königreichs Jerusalem waren aufgeboten worden, um etwa 20 000 Mann zu mobilisieren, davon etwa 1200 Ritter des Königreichs, der Grafschaft Tripolis und der Ritterorden, sowie etwa fünfzig Ritter aus Antiochia. Wie in Augenblicken großer Gefahr üblich, führten sie die heiligste Reliquie des Königreichs mit sich: das Fragment des Heiligen Kreuzes, das Arnulf von Chocques 1099 in Jerusalem entdeckt hatte. Saladin entschied sich jetzt zur Teilung seiner Kräfte. Am 2. Juli griff er Tiberias an. Ein Turm der Stadtmauer wurde durch Unterminierung rasch zum Einsturz gebracht und Tiberias eingenommen, wobei es allerdings der Garnison unter dem Befehl von Raimunds Frau Eschiva gelang, sich in die Zitadelle der Stadt zurückzuziehen. Der Großteil
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von Saladins Heer wartete bei Kafr Sabt, etwa zehn Kilometer vor Tiberias. Im Heerlager der Lateiner entbrannte eine hitzige Debatte. Raimund von Tripolis, dessen Ansehen auf einem Tiefpunkt war, riet König Guido, mit dem Heer keine Bewegung zu machen und sogar den Verlust von Tiberias in Kauf zu nehmen. Ganz abgesehen von seiner Verpfl ichtung als Lehnsherr gegenüber einem Vasallen in Not mögen es Guidos Erfahrungen vier Jahre zuvor gewesen sein, die ihn gegen diesen vernünftigen und selbstlosen Rat handeln ließen. Damals hatte man ihm bittere Vorwürfe gemacht, als er – in Vertretung Balduins IV. – Saladin bei der Invasion Galiläas im September 1183 nicht zum Kampf gestellt hatte. Diese Kritik hatte den Beginn jener skrupellosen Kampagne gebildet, die dazu beigetragen hatte, dass Guido in Ungnade fiel, seine Frau von der Thronfolge ausgeschlossen und schließlich Raimund von Tripolis statt Guido zum Bevollmächtigten des Königs und später zum Vormund Balduins V. ernannt wurde. Wie auch immer es im Einzelnen zu dieser Entscheidung gekommen sein mag: Guido beschloss, sein Heer in Bewegung zu setzen, und am 3. Juli zog die christliche Streitmacht los. Sie sah sich massiven Problemen gegenüber, denn es war Hochsommer, und auf der Ebene, die sie überqueren musste, gab es nur wenige Wasserquellen. Tatsächlich hätten die Brunnen der Dörfer am Weg zu keiner Zeit genug Wasser für ein Heer mit Pferden liefern können. Später auf dem Weg nach Tiberias wäre außerdem noch ein steiler Abstieg über 500 Meter von der Hochebene hinunter vor die Stadt zu bewältigen gewesen, denn Tiberias liegt rund 230 Meter unter dem Meeresspiegel. Am 3. und 4. Juli kam es zur Schlacht. Das christliche Heer war gerade losmarschiert, als es auch schon von Saladins Kavallerie angegriffen wurde. Während die Lateiner noch weiter vorrückten, wurden sie von den Flügeln des muslimischen Heeres in den Kampf gezogen und eingeschlossen. Saladin hatte zudem das höher gelegene Gelände besetzt, das zwischen seinen Gegnern und dem steilen Abhang nach Tiberias hinunter lag. Bis zum Abend waren die Christen gezwungen, bei dem Dorf Maskana zu rasten, noch weit von ihrem Ziel entfernt und ohne adäquate Wasserversorgung. Als sie am nächsten Morgen ihren Marsch erhitzt und durstig fortsetzen mussten, scheinen sie absichtlich eine neue Richtung eingeschlagen zu haben, um nördlich der Hauptstraße durch unebenes Gelände zu der einzig ausreichenden und für sie erreichbaren Quelle bei Hattin vorzustoßen. Raimund von Tripolis und einem kleinen Trupp, zu dem auch die Herren von Sidon und Nablus gehörten, gelang die Flucht; sie durchbrachen die muslimischen Reihen und entkamen. Aber die meisten Christen scharten sich um Guido in einer hoffnungslosen Stellung auf einem Hügel mit zwei Spitzen, die als die „Hörner von Hattin“ bekannt waren. Die demoralisierten Überlebenden wurden gefangen genommen. Auch die Reliquie des Heiligen Kreuzes fiel in Saladins Hände und wurde, falsch herum auf eine Lanze gesteckt, im Triumphzug durch Damaskus getragen. Die Auswirkungen der Niederlage von Hattin waren katastrophal. Festungen und Städte hatten ihre Garnisonen entsandt, um das christliche Heer zu verstärken. Nun konnte Saladin nahezu ungehindert durch Palästina und Syrien marschieren. Bis September hatte er – mit Ausnahme von Tyrus – sämtliche bedeutenden Häfen südlich von Tripolis erobert. Im Landesinneren verblieb bis Januar 1189 lediglich die Kreuzfahrer-
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burg Beaufort in christlicher Hand; 1190 ging auch sie verloren. In der Grafschaft Tripolis waren nur noch die Hauptstadt, die Stadt Tartus, zwei Templerburgen und die Johanniterburg Krak des Chevaliers christlich beherrscht; im Fürstentum Antiochia lediglich die Hauptstadt selbst sowie die Burgen von Quseir und Margat (Marqab). Jerusalem fiel am 2. Oktober 1187 nach vierzehntägiger Belagerung, während der Balian von Ibelin, der das Kommando zur Verteidigung der Stadt übernommen hatte, sämtliche adligen Jünglinge über sechzehn Jahren zum Ritter schlug – und dreißig Bürger noch dazu. Saladin gestattete der durch Flüchtlinge aus dem Umland stark angeschwollenen Einwohnerschaft, sich zu recht großzügigen Konditionen freizukaufen, wodurch zumindest ein Teil die Freiheit erhielt – auch wenn vielen, die sich nun in einer der wenigen verbliebenen christlichen Städte um Obdach bemühen mussten, weiteres Elend bevorstand. Der Tempelbezirk wurde dem Islam zurückgegeben. Das Johanniterhospital wurde zu einer schafiitischen Madrasa gemacht. Nach einer Herrschaft von etwas mehr als 88 Jahren hatten die Christen Jerusalem wieder verloren.
6. Die Kreuzzugsbewegung wächst heran (1102–1187) Die Kreuzzugsbewegung wächst heran (1102–1187)
Ihren nächsten Entwicklungsschritt schloss die Kreuzzugsbewegung ab, als die Nachricht von den katastrophalen Ereignissen des Jahres 1187 in Westeuropa für erste Reaktionen sorgte. Während der neunzig Jahre, die seit dem Ersten Kreuzzug verstrichen waren, war sie unfertig geblieben. Ich habe bereits beschrieben, wie um 1107 drei hochgebildete französische Mönche – Robert der Mönch, Guibert von Nogent und Balderich von Bourgueil – die kruden Ideen der ersten Kreuzfahrer in eine theologisch akzeptable Form gebracht haben, so dass der Triumph des Ersten Kreuzzuges als Beweis für das wunderbare Eingreifen Gottes gedeutet werden konnte. Die Kreuzfahrer erschienen in dieser Darstellung als Laien, die vorübergehend eine Art klösterliches Leben führten, indem sie die Welt für eine Zeit lang verließen, um sich einer nomadischen religiösen Gemeinschaft anzuschließen, deren Mitglieder um der Liebe Gottes und ihrer Nachbarn willen freiwillig das Exil in einem Krieg auf sich nahmen, in Brüderlichkeit vereint waren und einem Weg des Kreuzes folgten, der zum Märtyrertod führen konnte. Diese Darstellung sollte sich für die Kirche noch als nützlich erweisen – die Schriften Roberts und Balderichs wurden weithin gelesen –, aber sie konnte keine dauerhafte Antwort auf die theologischen Streitfragen geben, deren Kernpunkt die Rolle der Laien in der Kirche bildete. Dazu bedurfte es des tieferen Verständnisses von deren besonderer „Berufung“, das sich erst im Verlauf des 12. Jahrhunderts herausbildete. Sie einfach zu behandeln, als wären sie überhaupt keine Laien, konnte keine wirkliche Antwort sein.
Kreuzfahrer oder Pilger? Kreuzfahrer oder Pilger?
Wenn wir die Kreuzzugsbewegung in ihrer Praxis untersuchen, so finden sich dermaßen viele Widersprüche, dass ein Historiker sogar die Frage hat stellen können, ob es sie überhaupt gegeben hat. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts jedenfalls scheinen Männer und Frauen für sich jederzeit die Möglichkeit gesehen zu haben, das Kreuz zu nehmen – ganz unabhängig davon, ob der Papst gerade dazu aufgerufen hatte oder nicht. Nach der Eroberung Jerusalems durch die Teilnehmer des Ersten Kreuzzuges lässt sich eine Tendenz beobachten, die Gedanken und die besondere Sprache der Kreuzzugsbewegung auch auf andere Konflikte zu übertragen, die den jeweiligen Beteiligten oder Befürwortern am Herzen lagen. Ein Beispiel hierfür bildete etwa die militärische Unterstützung der Kirche gegen ihre Gegner, wobei es in diesem Fall jedoch üblicher blieb, dass die
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Päpste sich auf die aus dem 11. Jahrhundert stammende gregorianische Zusicherung der Vergebung der Sünden beriefen. Es lassen sich auch andere Beispiele anführen: Graf Elias von Maine etwa war ein frommer Mann, der das Kreuz genommen hatte. Dann jedoch weigerte er sich, mit dem Ersten Kreuzzug zu ziehen, weil König Wilhelm II. von England seine Grafschaft bedrohte. Es heißt, Elias habe sie mit dem angehefteten Stoffk reuz der Kreuzfahrer verteidigt, ganz so, als hätte er sich auf einem persönlichen Kreuzzug befunden. Und ein bemerkenswertes Stück Propaganda, 1108 in Magdeburg verfasst, versuchte, den deutschen Krieg gegen die heidnischen Wenden jenseits der Elbe in Parallele zum Jerusalem-Kreuzzug zu setzen: Folgt dem guten Beispiel der Einwohner Galliens und eifert ihnen auch in diesem nach … Möge er, der kraft seines mächtigen Armes die Männer von Gallien aus dem fernen Westen im Triumph über seine Feinde bis in den fernsten Osten geführt hat, euch die Willensstärke und die Kraft geben, diese so unmenschlichen Heiden [die Wenden] zu unterwerfen, die doch ganz in der Nähe sind.
Wie auch immer, die meisten Kreuzfahrer waren leicht an ihrem Äußeren zu erkennen, und ihr Anblick hat wohl jedermann erkennen lassen, dass ein Kreuzzug geplant oder sogar schon im Gange war. Unser Problem ist nun, dass uns die visuellen Eindrücke der Zeitgenossen oft mals unbekannt bleiben und wir auf schrift liche Quellen zurückgreifen müssen. Deren Aussagen machen es manchmal jedoch schwer, Kreuzzüge von Pilgerfahrten zu unterscheiden. Während des Ersten Kreuzzuges veränderten sich die Regeln, was Bußleistungen und das Tragen von Waffen betraf. Zuvor galt, dass Pilger ihre Wallfahrt nach Jerusalem unbewaff net zu unternehmen hatten. Tatsächlich war dieser Aspekt des Bußwesens so fest im zeitgenössischen Denken verankert, dass er sich, nachdem in der Schlacht von Askalon der Besitz Jerusalems erst einmal gesichert war, erneut durchsetzte: Viele, wenn nicht gar alle Kreuzfahrer warfen ihre Waffen weg und trugen auf ihrer Heimreise lediglich den Palmzweig bei sich, der das Zeichen ihrer erfolgreichen Pilgerfahrt war – und das, obwohl der Rückweg, zumindest auf seinen ersten Etappen, mindestens genauso gefährlich gewesen sein muss wie der Hinweg (wenn nicht sogar gefährlicher, nun da der Islam aufgerüttelt war). Eine anschauliche Beschreibung der Gefahren unterwegs liefert ein normannischer Kreuzfahrer, der sich als einer von mehr als 1400 Passagieren in Jaffa auf ein großes Schiff verfrachtet sah. Auf dem Weg nach Norden geriet er in einen Sturm und erlitt vor Tartus Schiffbruch. An Land angelangt, fanden sie die Stadt verlassen und in Trümmern vor. Einige der Überlebenden plünderten, was es noch zu plündern gab; bald gewann jedoch die Furcht vor einem muslimischen Angriff die Oberhand, sodass etwa 100 von ihnen an Bord eines armenischen Schiffes mit Kurs auf Zypern gingen. Die Rückkehr zu den traditionellen Bußregularien wird auch in einem berühmten Brief deutlich, den der Bischof Ivo von Chartres im Jahr 1102 an Papst Paschalis II. sandte. Ein gewisser Raimbold Croton, ein Held des Ersten Kreuzzuges, hatte einen Mönch festnehmen und kastrieren lassen, der die Heuernte auf einem nahe gelegenen, sowohl von seiner Abtei als auch von Raimbold beanspruchten Stück Land erlaubt oder –
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vermutlich – befohlen hatte. Ivo beschreibt die Konsequenzen des Raimbold auferlegten Urteils wie folgt: Wir beschlagnahmten Raimbolds Waffen und erlegten ihm eine Buße von vierzehn Jahren auf, während der er sich von allen feineren Speisen und Leckereien fernhalten sollte. … Er nahm diese Strafe gehorsam an, doch hernach bewog er viele einflussreiche Männer, bei uns ein gutes Wort für ihn einzulegen, und er erschöpfte uns geradezu mit seinen dringlichen Bitten, ihm den Waffengebrauch wieder zu gestatten, da ihn seine Feinde derart bedrängten.
Raimbold hatte beim Sturm auf Jerusalem eine Hand verloren, und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass er danach noch ein guter Schwertkämpfer war. Der springende Punkt ist vielmehr, dass sein gesellschaft licher Status beträchtlich gemindert worden wäre, hätte er vierzehn Jahre lang als Unbewaffneter durchs Leben gehen müssen. Bischof Ivo, dessen Geduld Raimbold mit seinen Bittschreiben bald erschöpft hatte, sandte den reuigen Sünder auf eine Pilgerfahrt nach Rom und gab ihm den zitierten Brief mit auf den Weg. Darin schrieb er, dass die Buße durch diese Pilgerfahrt den Papst womöglich gnädig stimmen werde. Ein späterer Fall war die Wallfahrt Heinrichs des Löwen im Jahr 1172. Heinrich wurde von einem Gefolge von bis zu 1500 Personen begleitet. Als sich ihnen in Bulgarien eine serbische Streitmacht in den Weg stellte, griffen die Pilger zu den Waffen – aber nur zögerlich und ohne Überzeugung, da die Serben bald die Flucht ergriffen. Dennoch glaubten die deutschen Pilger, sie müssten ihr Vorgehen unter Verweis auf die große Gefahr, in der sie sich befunden hatten, rechtfertigen. Gewiss: Nach 1100 stoßen wir auf zahlreiche Berichte von kampfbereiten Palästinapilgern. Der Chronist Fulcher von Chartres, der sich zu jener Zeit im Heiligen Land aufhielt, berichtet für das Jahr 1105 von einer geplanten Invasion der Ägypter, „denn wir waren so wenige und waren ohne die übliche Unterstützung durch die Pilger“. Zum Jahr 1113 schreibt Fulcher, dass „in diesen Gebieten jenseits des Meeres unser Heer zu dieser Zeit üblicherweise mit jedem Tag wächst, weil die Pilger angekommen sind.“ Doch folgte der Kriegsdienst dieser Pilger einem ganz bestimmten Muster. Es scheint, dass sie sich nicht zu den Waffen meldeten, bevor sie nicht ihren religiösen Verpflichtungen nachgekommen waren. Eine Truppe von Engländern, Flamen und Dänen, die nach ihrem Besuch der heiligen Stätten bei der Vorbereitung eines Angriffs auf Sidon mitwirkten, setzte sich vermutlich aus Pilgern zusammen; ähnlich verhielt es sich mit den Norwegern, die 1107 mit einer großen Flotte unter dem Befehl ihres Königs Sigurd den Hafen von Bergen verließen. Nach einer unbeschwerten Reise über England, Frankreich, die Iberische Halbinsel und Sizilien erreichten sie im Sommer 1110 den Hafen von Akkon. Sigurd ließ sich überreden, König Balduin bei der Eroberung der Stadt Sidon zu unterstützen, aber die Norweger wollten erst dann zugunsten des Königreichs Jerusalem in den Kampf eingreifen, wenn sie selbst in der Heiligen Stadt gewesen waren; schließlich hatte Christus selbst „seine Jünger dazu aufgerufen, zuerst nach dem Reich Gottes zu trachten, um später die erhofften Wohltaten zu empfangen“. Als das Heer des Königreichs Jerusalem im Jahr 1153 Askalon belagerte, wurde den im Land anwesenden Pil-
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gern sogar verboten, in ihre Heimat zurückzukehren, bevor sie nicht bei der Belagerung Dienst getan hatten. Und im Oktober 1183 mussten andere Pilger, deren Rückreise in die Heimat nach ihrem Besuch Jerusalems schon unmittelbar bevorstand, als Fußsoldaten das Heer verstärken, das in der Jesreel-Ebene gegen die Truppen Saladins operierte. Die Pilger des 12. Jahrhunderts verhielten sich also genau entgegengesetzt zu den Teilnehmern des Ersten Kreuzzuges, die nach ihrer Eroberung des Heiligen Grabes bewusst die Waffen abgelegt hatten. Es scheint, dass in dem halben Jahrhundert nach dem Ersten Kreuzzug eine Pilgerreise die meisten waffentragenden Europäer weit mehr ansprach als ein Kreuzzugsunternehmen, das nur ab und zu ihr Interesse erregte, obwohl es einige Zentren unermüdlichen Kreuzzugseifers gab. Eine solche Gegend war etwa der Landstrich unmittelbar nördlich von Angers in Westfrankreich. Dort gingen aus den führenden Familien von Burgvögten immer wieder Kreuzfahrer hervor. Andererseits stellte etwa die Familie Bernard von Bré im Limousin, die 1096 beim Ersten Kreuzzug drei und 1147 beim Zweiten Kreuzzug vier Teilnehmer aufgeboten hatte, in der Zeit dazwischen keinerlei Kämpfer für das Heilige Land. Auch die Nachkommen des Grafen Wilhelm I. von Burgund, die sich schon zur Zeit des Ersten Kreuzzuges überaus aktiv gezeigt hatten und zum Zweiten Kreuzzug nicht weniger als zehn Teilnehmer stellten, scheinen zwischen 1102 und 1146 lediglich einen einzigen Kreuzfahrer hervorgebracht zu haben, und das, obwohl Papst Calixt II., der zu dem Kreuzzug von 1120 aufrief, ein Sohn des Grafen Wilhelm war. Obwohl die meisten Kreuzfahrer kein Verlangen verspürten, ein zweites Mal an einem Kreuzzug teilzunehmen, kehrten einige von ihnen als Pilger nach Jerusalem zurück. Dieser Eindruck von einem Wiederaufleben der Traditionen aus dem 11. Jahrhundert bestätigt sich, wenn man einzelne Regionen genauer unter die Lupe nimmt. Im Limousin, wo der Enthusiasmus für den Ersten Kreuzzug groß gewesen war, ist für die Zeit von 1102 bis 1131 nur ein einziger Kreuzfahrer belegt, und selbst dieser ist zweifelhaft. Stattdessen brachen zahlreiche Pilger nach Jerusalem auf, und eine enge emotionale Bindung an die Heilige Stadt wird deutlich. Für die Jahre 1103 bis 1147 sind in der Provence keine Kreuzfahrer bekannt, obwohl auch dort 1096 der Enthusiasmus groß gewesen war. Wiederum gab es jedoch viele Pilger, insbesondere unter den Adligen der Gegend um Marseille. Ganz ähnlich stellt sich die Lage in der Champagne dar, von wo in den Jahren 1096 bis 1102 zahlreiche Kämpfer gen Osten aufgebrochen waren. Für die Jahre 1102 bis 1147 sind in dieser Gegend nur wenige Kreuzfahrer belegt, dafür umso mehr Jerusalempilger, unter denen Graf Hugo I. der prominenteste war. Man gewinnt den Eindruck, dass in weiten Teilen Westeuropas die Kreuzzugsidee nach der enormen Anstrengung des Ersten Kreuzzuges gleichsam einschlief. Vielen Kämpfern muss dieser als eine einmalige Chance erschienen sein, sich an einem ganz besonders verdienstvollen Unternehmen zu beteiligen. Nun wandten sie sich wieder ihren traditionellen Frömmigkeitsformen zu; das Kreuz nahmen sie erst wieder 1146, als Bernhard von Clairvaux den neuen Kreuzzug als eine weitere einmalige Gelegenheit der Selbsthilfe auf dem Weg ins Himmelreich darstellte:
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[Gott] versetzt sich in eine Notlage, oder erweckt zumindest den Anschein, während er die ganze Zeit nichts anderes im Sinn hat, als euch in euren Nöten zu helfen. Er will als der Schuldner dastehen, damit er jenen, die für ihn kämpfen, ihren Lohn gewähren kann: die Vergebung ihrer Sünden und seine ewige Herrlichkeit. Deshalb nämlich habe ich euch ein gesegnetes Geschlecht genannt, die ihr in einer so gnadenreichen Zeit geboren und in diesem Jahr lebendig seid, das dem Herrn, als ein wahres Jubeljahr, so wohl gefällt.
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Dennoch waren die Jahre zwischen dem Ersten und dem sogenannten Zweiten Kreuzzug alles andere als ereignislos. So erfolgte nun etwa die endgültige Ausbreitung der Kreuzzugsbewegung auf die Iberische Halbinsel – obwohl einer der bedeutendsten Feldzüge womöglich gar kein Kreuzzug war. Im Jahr 1118 legitimierte Papst Gelasius II. formal einen Feldzug, den König Alfons I. von Aragón gegen die Stadt Saragossa zu führen gedachte. Am 19. Dezember erobert, fiel Saragossa als der bedeutendste Gewinn seit der Einnahme Toledos 1085 an ein großes Heer, in dessen Reihen auch die Teilnehmer am Ersten Kreuzzug Gaston von Béarn und Centullus von Bigorre kämpften, daneben der in Syrien geborene Graf Alfons Jordan von Toulouse sowie die Vicomtes von Carcassonne, Gabarret und Lavedan. Es ist bemerkenswert, dass dieser Feldzug, der von einem König mit allen Ressourcen seines Reiches geplant und durchgeführt wurde, nicht etwa über irgendein schwaches muslimisches Kleinstfürstentum siegte, sondern gegen die Almoraviden, die mittlerweile den Großteil der muslimischen Gebiete auf der Iberischen Halbinsel kontrollierten, deren Heer aber am 8. Dezember 1118 vernichtend geschlagen wurde. Ein erhaltener Brief des Papstes legt nahe, dass Gelasius diesen Feldzug als Akt der Buße betrachtete, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass ihre Teilnehmer Gelübde ablegten oder das Kreuz trugen; auch wurde dieser Feldzug nicht mit dem Kreuzzug nach Jerusalem verglichen. Dasselbe gilt für den Sündenerlass, den Papst Paschalis II. kurz zuvor, 1114, den Teilnehmern eines Kriegszuges gegen die Muslime auf den Balearen gewährt hatte. Aus dieser Expedition, gemeinsam durchgeführt von Katalanen und Pisanern unter dem Kommando des Grafen Raimund Berengar III. von Barcelona, wurde dann 1116 ein Feldzug entlang der katalanischen Küste. Auf erheblich festerem Grund stehen wir hinsichtlich der Auswirkungen des von Papst Calixt II. gepredigten Kreuzzuges. Wie wir noch sehen werden, wurde dieser im Nahen Osten und auf der Iberischen Halbinsel zugleich geführt. Am 2. April 1123 ließ Calixt einen Brief verbreiten, in dem er die Kreuzfahrer auf der Iberischen Halbinsel dazu aufrief, ihre Gelübde zu erfüllen, und stellte ihnen die gleiche Vergebung ihrer Sünden in Aussicht wie den in den Orient ziehenden Kreuzfahrern. Zugleich ernannte er Oleguer, den später heilig gesprochenen Erzbischof von Tarragona, zum päpstlichen Legaten. Als der Brief in Umlauf gebracht wurde, tagte in Rom gerade das Erste Laterankonzil. Der Beschluss der Konzilsväter zum Kreuzzug bezog sich gleichermaßen auf Jerusalem und die Iberische Halbinsel.
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Der Kreuzzug stand auch bei einem Konzil Synode in Santiago de Compostela auf der Tagesordnung, bei der Erzbischof Diego Gelmírez den Vorsitz führte. Vielleicht war er gemeinsam mit Oleguer von Tarragona zum Legaten ernannt worden. Diego hielt eine flammende Rede, die erste Aufforderung zum Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel. Über Jahrhunderte sollten seine Worte immer wieder aufgegriffen werden: Ganz so, wie die Ritter Christi, die treuen Söhne der heiligen Kirche, unter großen Mühen und großem Blutvergießen den Weg nach Jerusalem gebahnt haben, sollten auch wir Ritter Christi werden und, nachdem wir seine niederträchtigen Feinde, die Muslime, besiegt haben, den Weg zum Heiligen Grab unseres Herrn durch Iberien hindurch suchen, denn dieser Weg ist kürzer und sehr viel weniger beschwerlich.
Den Teilnehmern an diesem Kreuzzug wurde die Vergebung ihrer Sünden „durch die guten Werke der Heiligen Petrus, Paulus und Jakobus“ versprochen. Schließlich war es König Alfons I. von Aragón, aus einem anderen Teil der Halbinsel also, der in einer damals vielbewunderten Waffentat im Winter 1125–1126 einen Großangriff nach Südspanien hinein unternahm. Alfons marschierte mit seinem Heer über Teruel, Valencia, Murcia, Guadix und Granada nach Málaga, wo er ein Schiff bestieg, um zu beweisen, dass er die Halbinsel tatsächlich durchquert hatte. Er kehrte nach Saragossa zurück, wobei er 10 000 andalusische Christen nebst ihren Familien mit sich brachte. Diese hatten beschlossen, aus ihrer Heimat auszuwandern und wurden von Alfons im Tal des Ebro angesiedelt. Innerhalb nur eines Jahrzehnts wurde über ein weiteres potenzielles Ziel für einen Kreuzzug zumindest diskutiert. Ab den 1120er-Jahren sah sich das Papsttum in Streitigkeiten mit den süditalienischen Normannen verstrickt. Verschärft wurde die Lage dadurch, dass Roger II. von Sizilien den Gegenpapst Anaklet II. unterstützte und die päpstliche Propaganda an die Sprache der Reformer anknüpfte. Im Mai 1135 eröffnete Papst Innozenz II. ein Konzil in Pisa, das schließlich beschloss, all jenen, die gegen die Feinde des Papstes und „für die Befreiung der Kirche an Land oder zur See“ kämpften, den gleichen Ablass ihrer Sünden zu gewähren, den Papst Urban II. auf dem Konzil von Clermont den Teilnehmern des Ersten Kreuzzuges versprochen hatte. Nichts deutet darauf hin, dass der Beschluss von Pisa die Betroffenen verpflichtet hätte, ein Kreuzzugsgelübde abzulegen; dennoch bildet diese alleinstehende Vergabe eines Kreuzzugsprivilegs an die politischen Verbündeten des Papsttums ein Bindeglied zwischen dem Reformstreben des 11. Jahrhunderts und den „politischen Kreuzzügen“ des 13. Jahrhunderts. In den Folgejahren sollte die Regelung für Streit sorgen, bei dem sich scharfe Kritiker einerseits und die Vertreter einer Avantgarde andererseits gegenüberstanden. Zu ihr gehörte auch Petrus Venerabilis, der große Abt von Cluny, dessen Ansicht nach ein gewaltsames Vorgehen gegen Mitchristen unter Umständen sogar noch gerechtfertigter sein konnte als die Anwendung von Gewalt gegen Ungläubige. In der Zwischenzeit war ein neuer Kreuzzug in den Osten gehörig von seinem Kurs abgekommen, ein Vorgeschmack auf die Ereignisse der Jahre 1202–1204. Bohemund von Tarent und Antiochia, der vom Sommer 1100 bis zum Frühjahr 1103 in der Gefangenschaft der türkischen Danischmendiden gewesen war, traf Anfang 1106 in Frankreich ein. Zuerst
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stattete er, wie er es in der Gefangenschaft gelobt hatte, dem in Saint-Léonard-de-Noblat verehrten Grab des heiligen Leonhard, des Schutzpatrons der Gefangenen, einen theatralischen Besuch ab. Sodann begab sich Bohemund auf eine triumphale Rundreise durch Frankreich und sprach allerorts vor großen Menschenmassen. Wo er hinkam, stiftete er Kirchen Reliquien und Seidenstoffe; bei seiner Abreise aus Antiochia hatte er die dortige Schatzkammer geplündert. Viele französische Adlige wünschten sich Bohemund zum Paten ihrer Kinder, und es heißt, König Heinrich I. von England habe ihn davon abgehalten, sein Reich zu besuchen – angeblich fürchtete der König, Bohemund würde ihm seine besten Ritter entführen. Im April oder Mai 1106 heiratete er Konstanze, eine Tochter König Philipps I. von Frankreich. Dies macht deutlich, welch großes Ansehen Bohemund mittlerweile genoss. Er sandte Boten in jene Regionen, die er nicht persönlich besuchen konnte, sogar nach England. Womöglich machte er sich das geschriebene Wort zunutze: Etwa zur Zeit seiner Reise geriet ein gefälschter Brief in Umlauf, den angeblich der byzantinische Kaiser Alexios an den Grafen Robert von Flandern gerichtet hatte und demzufolge die Griechen im Verlauf der 1090er-Jahre so verzweifelt gewesen seien, dass sie sich sogar eine lateinische Herrschaft über Konstantinopel vorstellen konnten. Auch fand ein stark legendenhaft gefärbter Bericht von Bohemunds muslimischer Gefangenschaft alsbald Eingang in die Sammlung von miracula am Grab des heiligen Leonhard. Bohemund und der päpstliche Legat Bruno von Segni verkündeten anlässlich eines Konzils in Poitiers ganz offiziell den neuen Kreuzzug; Papst Paschalis, mit dem Bohemund bereits zusammengetroffen war, hatte sein Einverständnis gegeben. Sie beschrieben den geplanten Feldzug in Begriffen des Ersten Kreuzzuges als eine Reise zum Heiligen Grab, durch welche die Christen im Orient unterstützt und die Muslime zur Freilassung ihrer christlichen Gefangenen gezwungen werden sollten. Doch Bohemund wollte noch mehr. Er war nach Europa gereist, um Unterstützung für sein Fürstentum Antiochia zu erhalten. Bald nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft waren die Byzantiner in seine kilikischen und syrischen Territorien eingefallen, und zudem waren große Gebiete an der Ostgrenze im Juni 1104 an Ridwan von Aleppo gefallen. Bohemund hatte in Antiochia eine Ratsversammlung einberufen, auf der ein Hilferuf an den Westen als Bohemunds einzige Möglichkeit betrachtet wurde. Die Griechen bereiteten ihm gewiss genauso starkes Kopfzerbrechen wie die Muslime, und auf seiner Reise durch Frankreich begleitete ihn ein Prätendent auf den byzantinischen Kaiserthron mit seinem griechischen Gefolge. Uns liegt ein Bericht vor, demzufolge Bohemund am Tag seiner Hochzeit auf einem Podium vor dem Marienaltar der Kathedrale von Chartres eine Ansprache gehalten hat. Bei dieser Gelegenheit erzählte er zunächst von seinen Abenteuern, und indem er dann zu einem Kreuzzug nach Jerusalem aufrief, schlug er auch eine Invasion des Byzantinischen Reiches vor und versprach denen, die mit ihm zögen, reiche Beute. Über die nächsten Monate entwickelte Bohemund diesen Plan noch weiter und schrieb kurz vor seiner Abreise in Richtung Osten einen Brief an den Papst, in dem er auf die Usurpation des byzantinischen Thrones durch Kaiser Alexios hinwies und einen Angriff auf die Griechen als Vergeltung für ihre Behandlung der Kreuzfahrer sowie als ein Mittel zur Überwindung des Schismas zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche rechtfertigte.
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Bis zum Oktober 1107 hatte sich Bohemunds Heer in Apulien versammelt; unter seinen Gefährten befanden sich etliche Mitstreiter des Ersten Kreuzzuges. Die Streitmacht war so groß, dass der normannische Mönch und Chronist Ordericus Vitalis sie als „die dritte Expedition … nach Jerusalem“ bezeichnete – anscheinend betrachtete er die großen Heerzüge von 1096 und 1100 / 1101 als die erste und zweite. Am 9. Oktober landeten sie bei Valona (Vlora) an der albanischen Küste und marschierten weiter nach Durazzo, dem antiken Dyrrhachion, das die italienischen Normannen fünfundzwanzig Jahre zuvor für kurze Zeit besessen hatten. Bohemund ließ die Stadt belagern, aber es gelang den Griechen, seine Verbindungen über die Adria zu unterbrechen, und im Frühjahr 1108 wurde er von einem byzantinischen Heer eingeschlossen. Je weiter der Sommer voranschritt, desto anfälliger wurden Bohemunds Männer für Krankheiten. Im September musste Bohemund kapitulieren und den bereits erwähnten Vertrag von Devol schließen. Einige seiner Begleiter zogen weiter in Richtung Osten, aber die meisten, denen dazu die Mittel fehlten, kehrten nach Westeuropa zurück. Durch diese Niederlage ein gebrochener Mann, zog Bohemund nicht wieder nach Syrien, sondern setzte sich auf seinen Besitzungen in Süditalien zur Ruhe, wo er 1111 starb. Die Kunde von der acht Jahre später erlittenen schweren Niederlage eines christlichen Heeres auf dem Blutfeld, bei der Roger von Salerno, der Regent von Antiochia, getötet wurde, erreichte Westeuropa im Herbst 1119. Papst Calixt II., der auf einer Reise durch Frankreich davon erfuhr, rief unverzüglich zu einem erneuten Kreuzzug auf, dem ersten, der nach 1107 offiziell verkündet wurde. Seine schnelle Reaktion überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass dieser Papst aus dem Geschlecht der Grafen von Burgund stammte, das in der Vergangenheit zahlreiche Kreuzfahrer hervorgebracht hatte, und dass er zudem ein Cousin König Balduins II. von Jerusalem und also ein entfernter Angehöriger des Montlhéry-Clans war. Es ist im Übrigen bezeichnend, dass der neue Kreuzzug anscheinend überhaupt nicht auf Syrien zielte – trotz der Niederlage auf dem Blutfeld –, sondern mehr als 500 Kilometer weiter südlich Palästina zum Ziel haben sollte, wo König Balduin residierte. Papst Calixt plante einen Kreuzzug in großem Maßstab. Er schrieb an die Venezianer und vermutlich auch nach Deutschland und Frankreich, woraus sich schließen lässt, dass es einen allgemeinen Aufruf an die Gläubigen gegeben hat, das Kreuz zu nehmen. Ich habe bereits erwähnt, dass Calixt zugleich einen Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel führen wollte und das Erste Laterankonzil dessen Teilnehmern den Schutz der Kirche und die Vergebung ihrer Sünden versprochen hatte. Zudem drohte die Kirche allen erklärten Kreuzfahrern, die bis Ostern 1124 nicht nach Jerusalem oder Spanien aufgebrochen waren, Strafen an. In Venedig, wo Balduin auf direktem Wege um Unterstützung gebeten hatte, stieß das Vorhaben auf ein enthusiastisches Echo. Der Doge und führende Bürger von Venedig nahmen das Kreuz und erhielten dafür vom Papst ein Banner des heiligen Petrus. Am 7. August 1122 setzte eine große Flotte die Segel in Richtung Osten. Die Venezianer hielten unterwegs an, um das byzantinische Korfu (Kerkyra) anzugreifen – als Vergeltung dafür, dass Kaiser Johannes II. Komnenos versucht hatte, ihre Privilegien innerhalb des Byzantinischen Reiches zu beschneiden –, brachen jedoch
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rasch wieder auf, als sie hörten, König Balduin sei in die Hände der Muslime gefallen. Sie erreichten die Küste von Palästina im Mai 1123, zerschlugen vor Askalon eine ägyptische Flotte, verbrachten das Weihnachtsfest in Jerusalem und Bethlehem und halfen bei der Belagerung von Tyrus, das am 7. Juli 1124 eingenommen wurde. Die Venezianer erhielten zum Dank einen Anteil von einem Drittel an Tyrus und dem dazugehörigen Gebiet sowie bedeutende Handelsprivilegien, die ihnen Balduin zuvor schon versprochen haben muss, um sie überhaupt zur Teilnahme am Kreuzzug bewegen zu können. Durch die Ägäis kehrten sie in ihre Heimat zurück, indem sie auf dem Weg griechische Inseln und Gebiete plünderten. Diese Überfälle machten die Byzantiner gefügig, und im August 1126 bestätigte und erweiterte Kaiser Johannes II. die venezianischen Privilegien. Die Venezianer waren natürlich nicht die einzigen Kreuzfahrer, die sich zu jener Zeit im Orient aufhielten. Sie ließen andere an Bord ihrer Schiffe mitfahren, und es deutet einiges darauf hin, dass Männer aus Böhmen, Deutschland und Frankreich das Kreuz genommen hatten. Möglicherweise war auch eine Flotte aus Genua an dem Kreuzzug beteiligt. Einige Jahre darauf suchten die Siedler in der Levante weitere Kreuzfahrer, als sich eine Gesandtschaft aus Jerusalem auf den Weg machte, um dem Grafen Fulko von Anjou die Hand von Balduins Tochter Melisendis anzutragen. Hugo von Payens, der Großmeister des Templerordens, begab sich auf eine Rundreise durch Westeuropa, um Kreuzfahrer zu rekrutieren. Eine beträchtliche Anzahl Freiwilliger zog daraufhin im Jahr 1129 mit Fulko nach Palästina und schloss sich dort einem einheimischen Heer an, das vergeblich einen Angriff auf Damaskus unternahm. Die Initiative für diesen Feldzug scheint von Balduin selbst ausgegangen zu sein. Papst Honorius II. blieb, wie wir gesehen haben, Zuschauer. Hier tritt der Unterschied zwischen den frühen, unreglementierten Unternehmen und ihren Nachfolgern im 13. Jahrhundert, die ganz deutlich der päpstlichen Autorität unterstellt waren, offen zutage. Bereits im Jahr 1103 hatte sich der römischdeutsche Kaiser Heinrich IV. auf einen Bußkrieg im Osten eingelassen, ohne dabei auf das Papsttum Rücksicht zu nehmen. Vielmehr hatte Heinrich selbst den Bischof von Würzburg angewiesen, dafür predigen zu lassen. Vermutlich ging es ihm darum, die traditionelle Rolle des Kaisers als Verteidiger der Christenheit zu betonen; immerhin ließe sich behaupten, Papst Urban habe dem Kaiser diese Rolle streitig gemacht, als er die Gläubigen zur Rückeroberung Jerusalems aufrief. Zwar blieb Heinrich der Erfolg versagt, aber der Kirche, die ja schließlich die Kreuzzugsbewegung ins Leben gerufen hatte, gelang es noch nicht, dieses Phänomen auch zu beherrschen. Das lag zumindest teilweise daran, dass den Klerus, der nun plötzlich nicht nur predigen, sondern auch rekrutieren und überwachen sollte, die Fülle dieser ungewohnten Aufgaben sozusagen auf hoher See in Schwierigkeiten brachte. Auf lange Sicht sollte sich die um 1140 erfolgte Veröffentlichung der Gesetzessammlung des oberitalienischen Mönchs Gratian als hochbedeutsam erweisen. Das Decretum Gratiani wurde schnell die grundlegende Zusammenstellung des Kirchenrechts und lieferte dem Papsttum juristische Argumente für das Recht der Kirche, die Kreuzzugsbewegung zu lenken. Ein langer Abschnitt, die Causa XXIII, setzt sich mit der Frage der Gewaltanwendung auseinander. Obwohl sich Gratian bei oberflächlicher Betrachtung
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überhaupt nicht mit der Idee des Kreuzzuges befasst – seine Argumentation setzt vielmehr bei der gewaltsamen Unterdrückung von Häresien an –, steht diese doch bei seiner Erörterung der Möglichkeiten und Grenzen kirchlicher Gewaltausübung immer im Hintergrund. Gratian führt seine Leser unerbittlich durch eine Rüstkammer unterschiedlicher Lehrmeinungen und kommt zu dem Ergebnis, dass Krieg nicht unbedingt sündhaft sein müsse, sondern durchaus gerecht sein könne – von Gott und im Namen Gottes durch den Papst autorisiert. Auf diese Weise schuf Gratian eine Quellensammlung für alle zukünftigen Kreuzzugspropagandisten.
Der Zweite Kreuzzug Der Zweite Kreuzzug
Die Eroberung von Edessa durch Zengi am Heiligen Abend des Jahres 1144 wurde bereits beschrieben. Eine Gesandtschaft aus dem lateinischen Osten unter Führung des Bischofs Hugo von Dschabala erreichte wenige Monate nach der Wahl Papst Eugens III. im November 1145 den päpstlichen Hof in Viterbo; bald darauf traf auch eine Abordnung armenischer Bischöfe ein. Am 1. Dezember ließ der neue Papst die Bulle Quantum praedecessores verbreiten, in der er – nach einer kurzen Würdigung des erfolgreichen Ersten Kreuzzuges und der mittlerweile recht kritischen Lage im Heiligen Land – zu einem erneuten Kreuzzug aufrief und dessen Teilnehmern einen Sündenablass in Aussicht stellte, der umfassender sein sollte als der von Urban II. gewährte. Außerdem versprach Eugen den Kreuzfahrern, in ihrer Abwesenheit für den Schutz ihres Besitzes zu sorgen, erklärte ein Moratorium der Schuldzinsen und erleichterte wie schon Urban II. die Geldbeschaffung durch Landverkauf zur Deckung der Kosten. Obwohl man heute nicht mehr mit Sicherheit sagen kann, Quantum praedecessores sei der erste schrift liche Aufruf eines Papstes zum Kreuzzug gewesen, weil Calixt II. Eugen in dieser Hinsicht zuvorgekommen sein könnte, ist die Bulle durch ihre sorgfältige Darlegung der Kreuzfahrerprivilegien für alle späteren Aufrufe dieser Art zum Vorbild geworden. Adressiert war sie an den König von Frankreich, aber es ist unklar, ob sie dort schon angekommen war, als es zu der folgenden Entwicklung kam: Die Nachricht vom Fall Edessas hatte Frankreich durch zwei unabhängige Gesandtschaften aus Antiochia und Jerusalem erreicht. Ludwig VII. gehörte unter den Königen Frankreichs im Mittelalter sicherlich zu den interessantesten: großherzig und angenehm im Umgang, fromm und ernsthaft war er ein loyaler Sohn der Kirche, aber er war nicht schwach, insbesondere, wenn es um königliche Rechte ging. In mancher Hinsicht verkörperte Ludwig bereits jene Kombination von Geradlinigkeit und Stärke, die in seinem Urenkel Ludwig IX. zu so starker Ausprägung gelangen sollte. Vermutlich hatte Ludwig VII. bereits mit dem Gedanken gespielt, eine Pilgerreise nach Jerusalem zu unternehmen. Womöglich fürchtete er auch, dass ihm, bliebe er untätig, der Montlhéry-Clan zuvorkommen könnte, denn schließlich waren die Montlhéry mit den Grafen von Edessa verwandt. Zu Weihnachten 1145 stellte der König jedenfalls in Bourges, wo er die Bischöfe und Edelleute seines Reiches in größerer Zahl als üblich versammelt hatte, seinen Plan zur Unterstüt-
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zung der Christen im Orient vor. Der Bischof von Langres hielt eine Predigt, in der er alle Anwesenden dazu aufrief, den König bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Die Reaktion der Hofgesellschaft war nicht gerade enthusiastisch, und so einigte man sich darauf, am kommenden Osterfest erneut über dieses Thema zu diskutieren und zuvor Bernhard von Clairvaux um seine Meinung zu bitten. Bernhards Eingreifen veränderte die Situation von Grund auf. Schließlich war er zu jener Zeit die vielleicht einflussreichste Persönlichkeit in der westlichen Kirche. Er hatte entscheidend zur Verbreitung des reformierten Benediktinertums der Zisterzienser beigetragen – der modernsten Form klösterlichen Lebens zur damaligen Zeit. Er hatte den Sieg Papst Innozenz’ II. über seinen Rivalen Anaklet bewerkstelligt, und der neue Papst Eugen III. war einer seiner Mönche und sein Schüler gewesen. Bernhard war außerdem der bedeutendste Prediger seiner Zeit, der als furchtloser und brillanter Redner und Verfasser theologischer Abhandlungen weithin berühmt war. Kurz: Bernhard von Clairvaux befand sich auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Kein Wunder, dass König Ludwig den Abt zurate zog, „wie man ein göttliches Orakel befragt“. Es war abzusehen, dass Bernhard dem Vorhaben des Königs seine Unterstützung gewähren würde – schließlich hatte er seinen beträchtlichen Einfluss bereits zugunsten der Templer eingesetzt –, doch zunächst einmal antwortete er, wie es seine Art war, dass eine Angelegenheit von derartiger Bedeutung allein der Papst entscheiden könne. Damit stellte Bernhard sicher, dass die Initiative zum Kreuzzug weiterhin vom Papst ausging. Die Antwort Papst Eugens bestand darin, seine Bulle Quantum praedecessores am 1. März 1146 mit minimalen Änderungen erneut in Umlauf zu bringen; außerdem beauft ragte er Bernhard von Clairvaux, den Kreuzzug nördlich der Alpen zu predigen. Bei Vézelay im Burgund kam es am 31. März 1146 zu einer dramatischen Szene, die sich – ganz wie jene frühere des Konzils von Clermont – auf freiem Feld vor der Stadt abspielte. Bernhard verlas vor einem großen Publikum die päpstliche Bulle und hielt sodann die erste seiner Kreuzzugspredigten mit Ludwig an seiner Seite, der ein vom Papst übersandtes Kreuz trug. Die Zuhörer gerieten in eine solche Begeisterung, dass Bernhard der Stoff für Kreuze ausging. Mit wohl bewusster Theatralik riss er daraufhin Stoffstücke von seinem eigenen Gewand ab, um daraus Kreuze zu machen. Nach dem Auftakt in Vézelay begann er, in Schriften und Predigten vehement für den Kreuzzug zu werben. Die überlieferten Briefe gehören zu der kraft vollsten Kreuzzugspropaganda aller Zeiten. Indem er eine hochentwickelte Theorie von der Vergebung der Sünden mit einer unglaublich fesselnden Beschreibung des Kreuzzuges als einer von Gott gegebenen Chance zur Erlösung sündiger und gewalttätiger Männer verbindet: Dieses Zeitalter gleicht keinem vorangegangenen. Eine neue Fülle göttlicher Gnade senkt sich vom Himmel herab, und selig sind die, die in diesem Gott wohlgefälligen Jahr auf Erden wandeln, diesem Jahr der Vergebung, diesem wahren Jubeljahr. Ich sage euch: Der Herr hat so an keinem anderen Geschlecht vor euch gehandelt, noch hat er unseren Vätern eine solche Gnadenfülle verheißen. Schaut, wie geschickt er anhebt, euch zu retten! Betrachtet die Tiefe seiner Liebe und staunt, ihr Sünder! Er schafft ein Bedürfnis, eine Notwendigkeit – er schafft dies oder gibt vor es zu haben – während er doch euch in euren Nöten helfen will.
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Dieser Plan ist kein Menschenwerk, sondern er kommt vom Himmel und entspringt dem Herzen der göttlichen Liebe.
An anderer Stelle spielt Bernhard auf die Vorstellung an, das Heilige Land sei das rechtmäßige Eigentum Christi: Die Erde hat gebebt und gezittert, denn der Herr hat sein Land dahinschwinden lassen. Sein Land, sage ich, wo er zu sehen war und mehr als dreißig Jahre lang unter Menschen gelebt hat. Sein Land, dem er durch seine Geburt die Ehre erwies, das er mit seinen Wundertaten geschmückt, mit seinem Blut geweiht und durch sein Begräbnis bereichert hat. Sein Land, in dem die Stimme der Turteltaube erklang, als der Sohn der Jungfrau ein Leben in Keuschheit gepriesen hat. Sein Land, wo die ersten Blüten seiner Auferstehung gesprossen sind.
Auff ällig ist an dieser Passage die ständige Wiederholung der Worte „sein Land“ (Terram suam), die Bernhards Plädoyer wie der Schlag einer Trommel vorantreiben. Vermutlich wollte Bernhard seinen Zuhörern die Bedeutung ihres eigenen Landbesitzes ins Gedächtnis rufen und damit die Notwendigkeit, das Erbe Christi zu beschützen. Bald wurde Bernhard nach Nordfrankreich und Deutschland gerufen, um dort die Erregung zu bändigen, die ein anderer Zisterziensermönch namens Radulf durch seine Predigten ausgelöst hatte. Radulfs nicht autorisierte Aktivitäten verursachten gewaltsame Ausschreitungen gegen Juden, wie sie schon den Ersten Kreuzzug auf schreckliche Weise begleitet hatten. Im November kam Bernhard nach Frankfurt, wo der römischdeutsche König Konrad III. gerade Hof hielt. Konrad war ein weiterer bemerkenswerter Herrscher: umsichtig, aufrichtig, klug, fromm, mutig und arbeitsam, und er hatte bereits in früherer Zeit Interesse an der Kreuzzugsbewegung gezeigt, ja 1124 sogar selbst das Kreuz genommen; allerdings war das römisch-deutsche Reich in jenen Jahren von innerem Streit zerrissen, und einflussreiche Kreise, gegen die sich Konrad niemals ganz durchsetzen sollte, hatten sich seiner Thronbesteigung entgegengestellt. Konrad muss klar gewesen sein, dass er ein Risiko eingehen würde, wenn er sich an die Spitze der deutschen Kreuzfahrer stellte, die nun in großer Zahl zum Zug in den Orient bereit waren, nun, da die Begeisterung eine Eigendynamik entwickelte und auch Italien und England erfasste. Doch nach einer dramatischen Predigt, die Bernhard zu Weihnachten 1146 am Königshof zu Speyer hielt und in einem sehr persönlichen und anklagenden Appell an den römisch-deutschen König gipfeln ließ, nahm Konrad das Kreuz – Bernhard hatte auf Konrads Aussichten am Tag des Jüngsten Gerichts hingewiesen, wenn er dem Ruf Christi nicht folgen sollte. Die zwei mächtigsten Herrscher Westeuropas widmeten sich nun dem Kreuzzug, der immer mehr zu einem echten Großunternehmen zu werden schien. Zugleich ähnelte er dem ambitionierten Vorhaben, das Calixt II. ein Vierteljahrhundert zuvor verfolgt hatte, diesmal allerdings in einem noch größeren Maßstab. Papst Eugen III. kam der Bitte Alfons’ VII. von Leon und Kastilien nach, den Kreuzzug auf die Iberische Halbinsel auszudehnen, und erlaubte den Genuesen sowie den Einwohnern der südfranzösischen
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Hafenstädte die Teilnahme an diesem Feldzug. Dann verlangten bei einer Versammlung, die vom 11. bis 23. März 1147 in Frankfurt zusammentrat, einige deutsche Kreuzfahrer, ihren Kreuzzug nicht gegen die Muslime, sondern gegen die heidnischen Wenden östlich der Elbe führen zu dürfen. Die meisten dieser Männer waren Sachsen; mit ihrer Forderung verliehen sie Ideen Ausdruck, die schon zu Beginn des Jahrhunderts in Sachsen geäußert worden waren. Bernhard stimmte ihrem Vorschlag zu und überzeugte den Papst, mit dem er am 6. April in Clairvaux zusammentraf, dies offi ziell zu genehmigen. Bernhards Eintreten für den Krieg an einem neuen Schauplatz verblüfft, untersagte er den christlichen Kämpfern doch, mit den Wenden irgendeine Form von Waffenstillstand zu schließen, „bevor nicht, mit Gottes Hilfe, entweder ihre Religion oder ihre Nation ausgelöscht ist“. Diese extreme Aussage, die – wenn auch etwas weniger eindeutig – in Papst Eugens Autorisierung des Wendenkreuzzuges wieder auftaucht, wirkt wie der Aufruf zu einem Missionskrieg und entspricht damit einem zur damaligen Zeit schon lange etablierten Aspekt des deutschen Drangs nach Osten. Sie ist niemals befriedigend erklärt worden, zumal Bernhard von Clairvaux sich bei anderer Gelegenheit gegen eine gewaltsame Missionierung ausgesprochen hat. Eines der Probleme, die sich bei der Beschäft igung mit Kreuzzugspropaganda ergeben, erwächst aus dem grundlegenden Widerspruch zwischen dem Wunsch der Bekehrung – oder vielleicht auch der Überzeugung, der Erfolg eines Kreuzzuges werde günstige Voraussetzungen dafür schaffen – und jener christlichen Tradition, derzufolge Ungläubige niemals zur Taufe gezwungen werden dürfen und lediglich davon überzeugt werden sollen, ihrem Irrglauben abzuschwören. Da sie ein Publikum erreichen mussten, das wenig Sinn für Feinheiten hatte, ließen sich Bernhard, Eugen und andere Propagandisten der Kreuzzüge im deutschen Grenzgebiet zu Aussagen hinreißen, die theologisch mehr als fragwürdig waren. Eine weitere Bulle Papst Eugens III., Divina dispensatione, wurde am 11. April 1147 in Troyes in Umlauf gebracht. Dieser Text lässt die Strategie erkennen, die sich langsam abzeichnete, denn er verweist einerseits auf die Kreuzzüge in den Orient und auf die Iberische Halbinsel, enthält aber andererseits auch die Genehmigung des deutschen Feldzuges gegen die Wenden. Es ging nun also um einen Kreuzzug von gigantischen Ausmaßen. Schließlich sollten gleich fünf Heere in den Nahen Osten aufbrechen: neben jenen des französischen Königs Ludwig VII. und des römisch-deutschen Königs Konrad III., des Grafen Amadeus III. von Savoyen und des Grafen Alfons Jordan von Toulouse auch ein flandrisch-englisches Kontingent, das auf dem Weg in das Heilige Land den König von Portugal bei der Eroberung von Lissabon unterstützte. Vier weitere Heere zogen im Nordosten Europas ins Feld: eine dänische Streitmacht, die sich dem Heer Heinrichs des Löwen und des Erzbischofs von Bremen anschloss, sowie zwei weitere Kontingente unter der Führung des Markgrafen Albrecht von Brandenburg bzw. eines Bruders des Herzogs von Polen. Auf der Iberischen Halbinsel wurden vier Kampagnen geführt: Die Genuesen griffen Menorca an, Alfons VII. von León und Kastilien Almería, der Graf von Barcelona Tortosa und der portugiesische König Alfons I. Santarém und Lissabon. Zeitgenossen wie Helmold von Bosau betrachteten alle diese Kriegszüge als Teile eines einzigen Unternehmens: „Ihren Urhebern erschien es sinnvoll, einen Teil
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ihres Heeres in die Gegenden des [Nahen] Ostens zu entsenden, einen anderen nach Spanien und den dritten zu den Slawen, die in unserer Nähe leben.“ Zugleich brach – obwohl dies offiziell nicht Teil des Kreuzzuges war – eine mächtige normannische Flotte von Sizilien auf und dehnte den Herrschaftsbereich König Rogers II. auf die nordafrikanische Küste vom libyschen Tripolis bis nach Tunis aus. Seit dem Untergang des Römischen Reiches hatte man so etwas nicht mehr gesehen. In vielerlei Hinsicht wurde der Zweite Kreuzzug mit großer Sorgfalt vorbereitet. Der Papst unterstützte Bernhards Bemühungen, durch Predigtreisen Teilnehmer zu gewinnen, und machte sich seinerseits auf den Weg. Beide Männer repräsentierten dabei – wenn sie auch leicht unterschiedliche Ansichten zu Buße und Vergebung vertreten haben mögen – eine weit fortgeschrittene Ablasstheologie. Wie bereits erörtert wurde, war der Ablass Urbans II. ganz einfach eine Garantie, dass die auf dem Kreuzzug geleistete „Bußarbeit“ hinreichend beschwerlich sein würde, um als vollständige Sühne gelten zu können. Bei Eugen und Bernhard verschob sich der Akzent nun weg von der selbst auferlegten Strafe des reuigen Sünders hin zu Gottes maßloser Güte. Dem Papst kam es zu, den Ablass als Frucht dieser Güte durch seine „Schlüsselgewalt“ als Nachfolger Petri zu bestätigen und den Sündern, die eine Bußleistung auf sich genommen hatten, als Belohnung zuzusprechen: Wenn du ein kluger Kaufmann bist, wenn du ein Mann bist, der am Handel dieser Welt seinen Anteil sucht, so will ich dich zu gewissen großen Märkten führen – säume nicht, dass dir die Gelegenheit nicht entgeht! Nimm das Zeichen des Kreuzes, und du wirst in gleichem Maße Vergebung für all die Sünden erlangen, die du reuigen Herzens bekannt hast. Wenn der Stoff verkauft wird, bringt er nicht viel ein; wenn er aber auf einer treuen Schulter getragen wird, ist er wahrlich das Reich Gottes wert.
Wie William Purkis überzeugend dargelegt hat, wichen Eugen und Bernhard von den Ideen ab, die zur Zeit des Ersten Kreuzzuges in Umlauf gewesen waren, indem sie in der Verpflichtung, das Kreuz zu nehmen, nicht den Wunsch sahen, Christus nachzufolgen – in ihren Augen waren die Brüder der Ritterorden Nachfolger Christi –, sondern ein Zeichen dafür, dass der betreffende Mann sich der Gnade Gottes unterwarf. Außerdem machten sie sich den Stolz auf die Erfahrungen früherer Generationen von Kreuzfahrern zunutze, die in das kollektive Gedächtnis mancher Geschlechter eingeschlossen waren: Man wird es als deutliches Zeichen des Edelmutes und der Aufrichtigkeit erkennen, wenn jene Dinge, die durch die Mühen eurer Väter gewonnen wurden, von euch, ihren guten Söhnen, nach Kräften verteidigt werden. Wenn es aber, was Gott verhüten möge, anders kommen sollte, dann hätte sich die Tapferkeit der Väter in ihren Söhnen verringert.
Der Erfolg dieser Propagandabemühungen zeigte sich einerseits an dem ganz allgemein starken Zulauf – der sogenannte Zweite Kreuzzug war bei Weitem der größte seit dem Ersten Kreuzzug von 1095 –, ganz besonders jedoch auch an dem hohen Anteil von Teilnehmern, deren Familien bereits bei früheren Gelegenheiten Kreuzfahrer gestellt hatten.
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Das lässt vermuten, dass sich bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts eine Art Pool potenzieller Kreuzfahrer gebildet hatte, zu dem vor allem jene Familien beitrugen, deren Mitglieder sich schon zur Zeit des Ersten Kreuzzuges beteiligt hatten – auch, wenn diese Beteiligung inzwischen eingeschlafen war. In diesem Stadium entwickelte sich die Kreuzzugsbewegung genauso stark unter der Oberfläche im kollektiven Bewusstsein bestimmter adliger Familien wie in der Tat und im Denken der Theoretiker. Papst Eugen ernannte die Kardinäle Dietwin von Porto und Guido von San Crisogono zu seinen Legaten im Heer des französischen Königs; die Bischöfe Arnulf von Lisieux, Gottfried von Langres und Alois von Arras sollten ihnen zur Seite stehen. Zum päpstlichen Bevollmächtigten für den Wendenkreuzzug wurde der Bischof Anselm von Havelberg ernannt, dem der Bischof Heinrich von Olmütz – ursprünglich als Legat für das Heer Konrads III. vorgesehen – und Wibald von Stablo, Abt der Reichsabtei Corvey, assistierten. König Ludwig von Frankreich und Papst Eugen schrieben an die Könige von Ungarn und Sizilien sowie an den byzantinischen Kaiser Manuel I., setzten diese von dem geplanten Kreuzzug in Kenntnis und baten sie um Proviant und freien Durchmarsch in Richtung Jerusalem. Manuel reagierte zögerlich, schlug in einem Brief an den Papst vor, die Kreuzfahrer sollten ihm dieselben Treueide schwören, die ihre Vorgänger gegenüber Kaiser Alexios geleistet hatten, und forderte in einem anderen Schreiben die Franzosen auf, die Unversehrtheit seines Reiches zu garantieren und den Byzantinern jene Städte zurückzugeben, die sich einst unter deren Herrschaft befunden hatten. Ludwig VII. nahm langwierige Verhandlungen mit den Institutionen seines Reiches auf, um die Finanzierung des Kreuzzuges zu sichern. Konrad III. sorgte dafür, dass die Straßen im römisch-deutschen Reich verbessert und Brücken instandgesetzt wurden. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland fanden feierliche Versammlungen statt, auf denen die Planungen diskutiert wurden. Und doch hatte man, bei aller Gründlichkeit der Planung, etwas Wesentliches vergessen: Es gab keine Beratungen mit den Herrschern des lateinischen Ostens. Zwölf Jahre später sollte Papst Hadrian IV. den französischen König mit deutlichen Worten an dieses Versäumnis erinnern und ihm ins Gedächtnis rufen, welche schlimmen Folgen sich daraus ergeben hatten. Die einzig mögliche Erklärung scheint die folgende: Ludwig und Konrad wollten ihren Kreuzzug zwar mit einer Wallfahrt nach Jerusalem beenden, sie beabsichtigten jedoch, durch Anatolien hindurch und am Fürstentum Antiochia vorbei direkt nach Edessa zu ziehen. Daran dachten wohl auch die Teilnehmer einer französischen Versammlung, die am 16. Februar 1147 in Étampes zusammentrat und bei der die endgültige Marschroute für den Kreuzzug nach Edessa festgelegt werden sollte. Zwei Varianten standen zur Diskussion: Entweder man marschierte auf der Landroute über den Balkan, Konstantinopel und Kleinasien; oder man fuhr zu Schiff von Sizilien aus. Konrad III., dessen Beziehungen zu Roger II. von Sizilien alles andere als freundschaft lich waren, hatte bislang wohl nur den Landweg in Betracht gezogen – was auch sinnvoll erscheint, setzt man Edessa als vorrangiges Marschziel an. In Étampes kam es nun zu Meinungsverschiedenheiten und einer hitzigen Debatte. Es scheint, dass die eine Seite, mit der Unterstützung einer Gesandtschaft Rogers von Sizilien, dem König von Frankreich entschieden
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davon abriet, nach Konstantinopel zu ziehen und sich damit den Byzantinern auszuliefern, aber man einigte sich auf den Landweg und setzte den 15. Juni 1147 als Aufbruchstermin fest. Die Teilnehmer einer deutschen Versammlung am 13. März in Frankfurt wurden von der Entscheidung der Franzosen unterrichtet, kündigten an, durch Ungarn marschieren zu wollen, und legten, da sie einige Wochen Vorsprung vor dem französischen Heer haben wollten, für ihren Aufbruch die Mitte des Monats Mai fest. Beide Heere, die – wie jene des Ersten Kreuzzuges – neben bewaff neten Kreuzfahrern auch eine große Zahl unbewaffneter Pilger in ihren Reihen hatten, sollten sich in Konstantinopel zusammenschließen. Mitte Mai brachen die Deutschen pünktlich auf und zogen über Regensburg und Wien nach Ungarn, dessen König man davon überzeugt hatte, dass ihr Durchzug friedlicher verliefe, wenn er Konrad eine von der ungarischen Kirche erhobene große Geldsumme überließe, mit der die Kreuzfahrer dann ihren Proviant bezahlen könnten. Diese Maßnahme, die vermutlich auf das Drängen einiger Kreuzfahrer zurückzuführen ist, welche um die Erlebnisse ihrer Vorgänger wussten, bewirkte tatsächlich, dass es zu keinerlei größeren Zwischenfällen kam. Bald erreichte das deutsche Heer die Grenze zum Byzantinischen Reich. Dessen Kaiser Manuel verstand sich gut mit König Konrad III., denn beide hatten sich miteinander gegen die süditalienischen Normannen verbündet. Außerdem hatte der Kaiser kürzlich mit Berta von Sulzbach eine Verwandte und vermutlich Adoptivtochter des römisch-deutschen Königs geheiratet. Die Deutschen fürchtete Manuel nicht, und im Unterschied zu den Franzosen begegnete er ihnen nicht mit Misstrauen. Seine Abgesandten ließen Konrad und seine Kreuzfahrer daher lediglich schwören, dass sie den Interessen des byzantinischen Kaisers in keiner Weise schaden würden. Danach wurde ihnen Proviant zugesagt, und sie durften über Niš, Sofia, Plovdiv und Adrianopel (Edirne) nach Konstantinopel weiterziehen. Auf dem Weg gab es zwar keine größeren Zwischenfälle, aber doch einige Plünderungen und Scharmützel der Kreuzfahrer mit den byzantinischen Begleittruppen. Manuel verstand sich zwar gut mit Konrad, aber er war nicht leichtsinnig. Wie sein Großvater Alexios beabsichtigte er, mit den Anführern des Kreuzzuges einzeln zu verfahren und sie mit ihren Heeren so schnell wie möglich über die Meerenge nach Asien setzen zu lassen. Ursprünglich hatte er Konrad sogar an Konstantinopel vorbeischleusen und die Dardanellen bei Sestos queren lassen wollen. Konrad sträubte sich zunächst – wahrscheinlich wollte er seine Verabredung mit Ludwig VII. nicht versäumen –, aber nach etwa drei Wochen in Konstantinopel stimmte er Ende September dann doch zu, sich über den Bosporus setzen zu lassen, vielleicht weil die Byzantiner ihn um Hilfe gegen Roger von Sizilien gebeten hatten, der in Griechenland eingefallen war. Diese Bitte brachte Konrad in Verlegenheit, und so überquerte sein Heer, ergänzt um ein kürzlich erst eingetroffenes Kontingent aus Lothringen, die Meerenge und brach in das Landesinnere Kleinasiens auf. Bei Nicäa sammelten die Deutschen Verpflegung für den Marsch nach Konya. Aber Konrads Heer war so groß – seine Anhänger hatten von seinem eigentlich recht sinnvollen Vorschlag, die unbewaff neten Pilger separat nach Jerusalem zu schicken, nichts hören wollen – und sein Marschtempo so niedrig, dass seine Vorräte
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bald schon wieder aufgebraucht waren. Irgendwo in der Gegend, in der 1097 der Sieg von Doryläum errungen worden war, gerieten die Deutschen in einen Hinterhalt und erlitten eine Niederlage. Der deutsche Rückzug wurde zur wilden Flucht, während die türkischen Verfolger nach Belieben in die Reihen der Deutschen vorstießen. Anfang November erreichten die Überreste von Konrads Streitmacht das vergleichsweise sichere Nicäa. Die meisten Kreuzfahrer wollten nun nach Hause zurückkehren, wodurch sich Konrad gezwungen sah, Ludwig VII. durch Boten um Hilfe zu bitten. Am 11. Juni hatte der französische König in der Abteikirche von Saint-Denis die Reliquien des heiligen Dionysius verehrt, unter dessen Schutz er sich den ganzen Kreuzzug über glaubte, hatte die Oriflamme, das heilige Kriegsbanner seines Königreiches, erhalten und von Papst Eugen III. persönlich die Pilgertasche empfangen. Von Metz, dem vereinbarten Treff punkt der französischen Kreuzfahrer, zog der König mit seinem Heer über Worms nach Regensburg, wo der Tross auf Schiffe verladen und von dort, die Donau abwärts, bis nach Bulgarien transportiert wurde. Das Heer selbst folgte dem Weg, den die Deutschen genommen hatten. Der ungarische König, zu dem Ludwig VII. gute Beziehungen unterhielt, stattete die Franzosen mit reichlichem Proviant aus. In der Folge sollte es Ludwig gelingen, seine Männer auch auf byzantinischem Gebiet immer gut versorgt zu halten – auch wenn er dafür tief in die eigene Tasche greifen musste. Am 4. Oktober erreichten sie Konstantinopel. Wie zuvor schon Konrad weigerte sich Ludwig, an der byzantinischen Reichshauptstadt vorbeizuziehen. Den ganzen Marsch über war er gezwungen, mit Kaiser Manuel zu verhandeln, dessen Gesandte ihm bis nach Regensburg entgegen gekommen waren. Manuel wusste, dass die Franzosen Kontakt mit seinem Feind Roger von Sizilien gehabt hatten – tatsächlich war ein Teil der französischen Kreuzfahrer über Süditalien nach Konstantinopel gereist –, und es muss ihm klar gewesen sein, dass sich die Franzosen durch ihre Mentalität und Abstammung den Siedlern des lateinischen Ostens eng verbunden fühlten. Zu ihnen zählte nicht zuletzt auch der Fürst von Antiochia, der ein Onkel der französischen Königin war. Manuels Botschafter könnten ihm zudem etwa mitgeteilt haben, was ihnen unter dem Gefolge des Bischofs Gottfried von Langres zu Ohren gekommen war, der den Griechen äußerst feindlich gegenüberstand. Es überrascht daher nicht, dass der Kaiser den Franzosen strengere Auflagen machte als zuvor den Deutschen. Ludwigs Berater waren zwar bereit, auf die Einnahme von Städten oder Burgen auf byzantinischem Territorium zu verzichten; aber alle Orte, die früher einmal byzantinisch gewesen waren, nach der Einnahme abzutreten, wollten sie dann doch nicht versprechen – dies ist umso verständlicher, wenn ihr Ziel die Rückeroberung von Edessa war. Die Kreuzfahrer waren entsetzt, als sie etwa einen Tagesmarsch vor Konstantinopel erfuhren, Kaiser Manuel habe in Konya ein Bündnis mit dem türkischen Sultan geschlossen, durch dessen Gebiet sie ja würden ziehen müssen. Als sie vor den von Manuel verstärkten Mauern von Konstantinopel ihr Lager aufgeschlagen hatten, schlugen die Anhänger des Bischofs von Langres sogar vor, die byzantinische Hauptstadt anzugreifen. Die Franzosen warteten noch zwei Wochen ab, denn sie wussten vom Aufbruch weiterer Kreuzfahrer aus dem Westen. Gerüchte über Erfolge der vorausmarschierten Deutschen –
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die sich später als falsch heraustellten – sorgten für Unruhe unter den Wartenden. Schließlich blieb Ludwig keine andere Wahl, als einem Übergang über den Bosporus zuzustimmen. Auf der asiatischen Seite angekommen, hielten ihn jedoch weitere Verhandlungen mit den Griechen so lange auf, bis endlich die erwartete Verstärkung eingetroffen war. Das schließlich mit Kaiser Manuel geschlossene Abkommen sah dann keineswegs die Rückgabe ehemals byzantinischer Gebiete an die Griechen vor. Vielmehr huldigten die Kreuzfahrer dem byzantinischen Kaiser und versprachen, keine Orte anzugreifen, die sich unter byzantinischer Herrschaft befanden. Im Gegenzug wurden ihnen Proviant und ortskundige Führer versprochen, und die Griechen erkannten an, dass sie dort, wo kein Proviant zur Verfügung stand, würden plündern dürfen. In Nicäa erfuhren Ludwigs Leute von der verheerenden Niederlage der Deutschen, als sich ihnen Konrad und die Überreste seines Heeres dort anschlossen. Bei Esseron im Nordwesten Anatoliens wandten sie sich in Richtung Mittelmeer, weil ihnen der Marsch durch die byzantinisch beherrschten Gebiete entlang der Küste leichter und bezüglich der Proviantierung besser erschien als der Weg durch das Landesinnere. Allerdings bedeutete dies, Edessa als direktes Ziel des Kreuzzuges aufzugeben. Bei Ephesos kehrte Konrad, der erkrankt war, um und reiste nach Konstantinopel zurück. Die Franzosen marschierten weiter und kümmerten sich nicht um Warnungen, dass die Türken ein Heer zusammenzögen, um sich ihnen in den Weg zu stellen. Als sie am 3. oder 4. Januar 1148 in Eskihisar anlangten, waren ihre Vorräte bereits bedrohlich zur Neige gegangen; der Marsch nach Antalya – dort kamen sie am 20. Januar an – wurde zum wahren Höllengang. Immer wieder hatten sie unter türkischen Überfällen zu leiden, gegen die ihnen auch die ortsansässigen Griechen und die byzantinischen Garnisonen der Gegend nicht helfen wollten. Schließlich übernahmen die im Heer befindlichen Templer die Aufgabe, auf dem Marsch für Ordnung zu sorgen. In Antalya, jenseits des byzantinischen Territoriums und von jeglichem Nachschub abgeschnitten, fanden die französischen Kreuzfahrer kaum etwas an Proviant vor. Besonders schlimm betroffen waren ihre Pferde, die zu einem großen Teil verhungerten. Die Griechen versprachen, sie mit einer Flotte von Transportschiffen nach Antiochia zu bringen, die sich jedoch als viel zu klein erwies und nur einen Bruchteil des Heeres aufnehmen konnte. Schließlich brach Ludwig zu Schiff nach Antiochia auf, nicht jedoch, ohne zuvor den verbliebenen Großteil seines Heeres so gut wie irgend möglich auf den strapaziösen Marsch über Land vorzubereiten. Nur wenige sollten ihn überleben. Es ist zu betonen, dass Ludwig und seine Männer zwar den größten Teil ihres Weges durch eine Gegend zurückgelegt hatten, die nominell unter byzantinischer Herrschaft stand, dass sie jedoch vonseiten der einheimischen Bevölkerung, der byzantinischen Regierung und ihren Vertretern kaum je Unterstützung erhielten. Die Überlebenden werden sich wohl an wenig mehr als gebrochene Versprechen und andere Enttäuschungen erinnert haben. Einige Zeitgenossen glaubten sogar, Manuels Furcht vor den Franzosen habe ihn dazu verleitet, aktiv deren Untergang zu betreiben. Die Franzosen hatten den Byzantinern schon vor ihrem Aufbruch in Frankreich misstraut, und ihre Erfahrungen auf dem Balkan und in Kleinasien bestätigten die Anklagen früherer Kreuzfahrer. Zurück blieb ein tiefsitzendes Gefühl der Verbitterung.
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Frauen auf Kreuzzügen Schlossen sich Frauen einem Kreuzzug an, so konnten sie als Objekte der Verführung von Männern auf Ablehnung stoßen, weil letztere als Sünder auf Wallfahrt galten. Man riet den Frauen also von der Teilnahme am Kreuzzug ab. Trotzdem befand sich auf jedem Kreuzzug eine erhebliche Zahl von Frauen. Beim Marsch über Land konnten sich Frauen den Kreuzfahrerheeren leichter anschließen, denn wie hätte man sie auch daran hindern können? Ab dem späten 12. Jahrhundert reisten Frauen jedoch, wie es scheint, auch auf dem Seeweg mit. Eigentlich sollten sie sich nicht auf die Reise begeben, wenn sie nicht von ihren Brüdern oder Ehemännern begleitet wurden – wie etwa Eleonore von Aquitanien, die Gemahlin König Ludwigs VII. von Frankreich oder Margarete von der Provence, die Frau Ludwigs IX. von Frankreich, sowie Eleonore von Kastilien, die mit Eduard I. von England verheiratet war. Die meisten Frauen, die an Kreuzzügen teilnahmen, taten dies nicht in kämpfender Funktion. Eine hoch angesehene Ärztin namens Hersendis etwa begleitete König Ludwig IX. von Frankreich auf seinem Feldzug nach Ägypten und pflegte ihn, als er krank wurde. Manche Frauen haben jedoch bekanntermaßen gekämpft, und einige große Damen wie Gräfin Alix von Blois befehligten ihre eigenen Truppenkontingente. Die meisten Kreuzfahrerfrauen kümmerten sich jedoch in Abwesenheit ihrer Gatten um die Belange „an der Heimatfront“, was ihnen nicht selten große Opfer abverlangte. Man weiß auch, dass Frauen bisweilen eine Rolle bei der Rekrutierung neuer Kreuzfahrer gespielt haben, etwa indem sie eine Neigung zur Teilnahme am Kreuzzug aus ihrer eigenen Familie in die Familie ihres Mannes hinübertrugen. Auf diese Weise erhielten sie Familientraditionen und -gedenken aufrecht und engagierten sich in einigen Fällen – wie beispielsweise die heilige Birgitta von Schweden und die heilige Katharina von Siena im 14. Jahrhundert – auch aktiv für die Kreuzzugsbewegung. Sowohl im Heiligen Land als auch in ganz West- und Mitteleuropa gab es zudem Niederlassungen des Frauenordens der Johanniter. Zu diesen Johanniternonnen gibt es reiches Quellenmaterial, und sie beginnen, die Aufmerksamkeit der Forschung zu erregen. Obwohl man gleich klarstellen sollte, dass sie sich nicht der Kreuzzugsbewegung anschlossen – vielmehr führten sie meistens ein zurückgezogenes, der Kontemplation gewidmetes Leben –, trugen die Erlöse ihrer Ländereien doch zur Finanzierung der militärischen Aktivitäten des Ordens im Nahen Osten bei.
König Ludwig erreichte Antiochia am 19. März. Er weigerte sich jedoch, an irgendwelchen Kampfhandlungen in Syrien teilzunehmen und zog rasch nach Jerusalem weiter, um sein Gelübde zu erfüllen. Dort warteten bereits Konrad III. und die anderen deutschen Kreuzfahrer auf ihn, gemeinsam mit weiteren Neuankömmlingen aus dem Westen. Am 24. Juni beschloss ein in Akkon einberufener Kriegsrat, an dem christliche
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Herrscher und Adlige aus Europa und der Levante teilnahmen, einen Angriff auf Damaskus. Dieser Plan, der mit mehreren anderen diskutiert wurde, war durchaus nicht so tollkühn, wie oft behauptet wird. Die Zerschlagung der Kreuzfahrerheere in Kleinasien hatte jegliche Hoffnung auf eine Rückeroberung Edessas zunichte gemacht. Außerdem war Damaskus bereits in den Jahren 1126 und 1129 von den Lateinern belagert worden; der zweite Versuch war von Kreuzfahrern unterstützt worden. Auch gab es starke religiöse, strategische und auch vernünftige politische Argumente, die für eine Eroberung der syrischen Metropole sprachen: Der Aufstieg Zengis hatte bewiesen, wie gefährlich ein geeintes muslimisches Syrien sein konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Zengis Sohn, Nur ad-Din, der gerade die Tochter des Regenten von Damaskus geheiratet hatte, die Herrschaft in der Stadt übernehmen würde – es sei denn, man käme ihm zuvor. Mitte Juli versammelte sich das größte Heer, das die Lateiner bis dahin ins Feld geführt hatten, bei Tiberias. Die drei Könige Ludwig VII., Konrad III. und Balduin III. von Jerusalem teilten sich das Kommando. Damaskus hatte bereits Nur ad-Din und seinen Bruder um Unterstützung gebeten. Das christliche Heer näherte sich der Stadt von Westen, wo die Obsthaine der Vorstädte ihnen Holz, Nahrung und Wasser liefern konnten. Indem sie die Muslime am 24. Juli vom Ufer des Flusses Barada zurückdrängten, konnten die Angreifer sich eine gute Stellung für den geplanten Sturm auf die Stadt sichern. Dann jedoch trafen sie eine schlechte Entscheidung. Da sie wussten, dass die östliche Mauer von Damaskus einen Schwachpunkt in den Verteidigungsanlagen der Stadt darstellte, und außerdem mit dem Eintreffen muslimischer Entsatztruppen zu rechnen war, wodurch nur ein schneller Angriff Erfolg haben konnte, verlegten die Christen ihr Heerlager am 27. Juli an einen exponierten Ort, an dem es nur wenig Lebensmittel und überhaupt kein Wasser gab. So saßen sie in der Falle. Zwar mögen die Mauern am östlichen Stadtrand von Damaskus schon seit Längerem nicht mehr überholt worden sein, aber dem Angriff der Belagerer hielten sie stand. Auf die Westseite der Stadt konnten die Kreuzfahrer nun nicht mehr zurück, denn sie wurde rasch wieder von den Muslimen besetzt. Die Angreifer hatten sich in eine Lage gebracht, aus der sie sich nur noch zurückziehen konnten – und das taten sie dann auch. Damit war der Kreuzzug beendet, und bittere Vorwürfe, sogar des Verrats, wurden erhoben, insbesondere gegenüber den Verantwortlichen im lateinischen Osten. Die Byzantiner wurden wegen ihres den Kreuzfahrern gegenüber in Kleinasien gezeigten Verhaltens rundweg verdammt, und es fachte die Griechenfeindschaft noch weiter an, dass ein sizilisches Schiffsgeschwader, mit dem der französische König und sein Gefolge in die Heimat zurückkehren wollten, unterwegs von byzantinischen Schiffen angegriffen wurde; schließlich befand sich Byzanz noch immer im Krieg mit Roger von Sizilien. König Ludwig entging nur knapp einer Gefangennahme. Seine Frau Eleonore von Aquitanien, deren Verhalten in Antiochia zur Zeit des Kreuzzuges einige Jahre später zur Annulierung der Ehe führte, befand sich an Bord eines anderen Schiffes und wurde eine Zeit lang von den Griechen festgehalten. Nach seiner Ankunft in Italien begann Ludwig unter Beteiligung von Roger II. und Papst Eugen III. mit der Planung eines erneuten
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Kreuzzuges. Dieser neue Feldzug sollte, ähnlich wie derjenige Bohemunds von Tarent, auf dem Weg nach Osten Rache an den Griechen üben. In der Zwischenzeit hatte sich im Nordosten Deutschlands ein großes Heer unter der Führung Heinrichs des Löwen versammelt, das Mitte Juli 1147 in Artlenburg an der Elbe aufbrach, um die Wendenfestung Dobin zu belagern, wo dänische Truppen hinzustießen und das Heer der Angreifer verstärkten. Die Belagerung endete nach einem Ausfall der Wenden, die den Dänen schwere Verluste zufügten, ergebnislos mit einem Friedensvertrag, der Folgendes vorsah: Die Wenden sollten ihren Götzendienst zugunsten des Christentums aufgeben. Ihr Fürst Niklot jedoch sollte ein tributpflichtiger Verbündeter des Grafen Adolf von Holstein werden, mit dem er früher gute Beziehungen gepflegt hatte, bevor diese durch den Kreuzzug zerrüttet worden waren. Anfang August verließ der zahlenmäßig nicht zu unterschätzende Hauptteil der Streitmacht unter dem Befehl Albrechts des Bären Magdeburg und stieß, nachdem er die Elbe überquert hatte, plündernd auf feindliches Gebiet vor. Dann teilte sich das Heer: Der eine Teil begann eine – erfolglose – Belagerung von Demmin; der andere marschierte auf Stettin zu, das zu dieser Zeit allerdings schon christlich war. Auf der Iberischen Halbinsel hatte der Kreuzzug deutlich größeren Erfolg. Die ersten Kreuzfahrer, die dorthin aufbrachen, stammten aus den Niederlanden, dem Rheinland, Nordfrankreich und England. Sie stachen von Dartmouth aus in See und trafen im Juni 1147 in Porto ein. Die Portugiesen, die drei Monate zuvor Santarém von den Mauren zurückerobert hatten, überredeten die Neuankömmlinge, sich an der Belagerung von Lissabon zu beteiligen, das am 24. Oktober erobert wurde. Im Osten der Halbinsel fiel am 17. Oktober Almería, der wichtigste andalusische Handelshafen für den Verkehr mit Nordafrika und der Levante, an ein Heer aus kastilischen, aragonesischen, südfranzösischen, genuesischen und pisanischen Truppen. Gegen Ende des Jahres 1148 eroberten aragonesische, südfranzösische und genuesische Kreuzfahrer zudem Tortosa; im Herbst 1149 gelang es ihnen, mit Lérida, Fraga und Mequinenza die letzten muslimischen Vorposten in Katalonien zu besetzen. Der iberische Kreuzzug blieb allerdings das einzige erfolgreiche Unternehmen des Zweiten Kreuzzuges, wie schon die Zeitgenossen – voller Stolz auf die Leistung ihrer Landsleute vor allem die Engländer – betonten. Andernorts waren die Ergebnisse der geführten Feldzüge trotz enormer Kraftanstrengungen wertlos. Dies stürzte die Kreuzzungsbewegung in solche Tiefen der Verzweiflung, wie sie erst im 15. Jahrhundert wieder erreicht wurden. Eine Strategie dieses Ausmaßes wurde denn auch niemals wieder verfolgt. Zwei deutsche Kommentatoren äußerten sogar die Vermutung, das ganze Vorhaben habe von Anfang an unter einem Fluch gestanden. Ein Würzburger Chronist schreibt, der Kreuzzug sei ein Werk des Teufels gewesen, ein Aufruhr gegen Gottes gerechte Strafen, den „falsche Propheten, Söhne Belials und Anhänger des Antichrist“ ausgelöst hätten, „die durch törichte Worte gute Christen irregeführt und durch eitle Predigten aller Art Leute mit sich gezogen haben“. Für Gerhoch von Reichersberg bestand eine Verbindung zwischen den Misserfolgen und dem Wirken des Antichrist in der Welt. Die lateinischen Siedler in der Levante hätten sich der Habgier schuldig gemacht, und die
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Kreuzfahrer, die vom geraden Weg abgewichen seien, habe Gott selbst betrügerischen Predigern und falschen Wundern ausgesetzt, um sie weit im Osten zugrundegehen zu lassen. Andere Kommentatoren griffen die Interpretationen der katastrophalen Niederlagen von 1101 auf und erklärten das Scheitern im Osten als göttliche Strafe für das frevlerische Verhalten der Kreuzfahrer auf ihrem Feldzug; die Erfolge auf der Iberischen Halbinsel schrieben sie konsequenterweise der Demut der dortigen Kreuzfahrer zu. In diesem Sturm der Ablehnung und Verleumdung stechen zwei Zisterzienser, die in führender Position selbst am Kreuzzug teilgenommen hatten, als Beispiele an Würde und Nachsicht heraus: Der Bischof Otto von Freising, ein Halbbruder Konrads III. und Heerführer eines der deutschen Kontingente in Kleinasien, erklärte das Scheitern ihres Vorhabens durch die zwar unerforschlichen, aber immer gütigen Ratschlüsse Gottes: „Obwohl unser Feldzug weder der Ausdehnung der Grenzen gedient hat noch angenehm für unsere Körper gewesen ist, so war er doch gut zur Rettung vieler Seelen.“ Ähnlich äußerte sich Bernhard von Clairvaux, der „falsche Prophet“, auf den – sehr verletzend, aber erwartungsgemäß – Schuld und Schande fielen. Bernhard veranlasste das Scheitern des Kreuzzuges zu einer der scharfsinnigsten Darlegungen über die Gottergebenheit in der christlichen Literatur: Wie kann ein Menschenwesen nur so voreilig sein und wagen, etwas zu verurteilen, das es doch selbst nicht im Mindesten versteht? Es mag uns ein Trost sein, wenn wir uns daran erinnern, welche Strafen der Himmel von alters her verhängt hat. … Denn … wahrlich, die Herzen der Sterblichen sind so beschaffen: Wir vergessen, wenn wir es benötigen, was wir wissen, wenn wir es nicht benötigen. … Gottes Versprechen beeinträchtigen nicht Gottes Gerechtigkeit.
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Das Scheitern des Zweiten Kreuzzuges läutete unter den Christen Westeuropas eine Phase der Entmutigung ein, die sich vor allem darin ausdrückte, dass die Kreuzzugsbewegung annähernd vierzig Jahre lang völlig zum Erliegen kam. Bernhard von Clairvaux und Eugen III. mochten die Autorität des Papstes in Fragen der Kreuzzüge durchgesetzt haben; jedoch dürfte deren tatsächlicher Nutzen selbst Eugens Nachfolgern fraglich gewesen sein. Nach der Rückkehr Ludwigs VII. aufgenommene Planungen zu einem weiteren Kreuzzug führten zu nichts. Gewiss: Im lateinischen Osten kam es mehrmals zu krisenhaften Situationen, in denen stets eine Gesandtschaft gen Westen aufbrach, um militärische Unterstützung zu erbitten. Die meisten Hilfsgesuche richteten sich, wegen dessen weithin bekannter Frömmigkeit und Einsatzbereitschaft, an Ludwig VII. von Frankreich. Besonders interessante Beispiele für Öffentlichkeitsarbeit finden sich in der Regierungszeit König Amalrichs von Jerusalem, der Ludwig VII. die Schlüssel der Stadt Jerusalem überbringen ließ und damit auf ein Angebot anspielte, das dreieinhalb Jahrhunderte zuvor der Patriarch von Jerusalem Karl dem Großen gemacht hatte. Als Reaktion veröffentlichten die Päpste, wie schon 1120 und 1145, wiederholt Sendschreiben, in
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denen sie die Gläubigen offiziell zum Kreuzzug aufriefen – so geschehen in den Jahren 1157, 1165, 1166, 1168 und wahrscheinlich auch 1173, 1181 und 1184. Es wäre falsch, diese Aufrufe als gänzlich wirkungslos zu bezeichnen. 1166 planten Heinrich II. von England und Ludwig VII. von Frankreich die Erhebung einer Kreuzzugs-Sondersteuer auf Einkünfte und Vermögen, die dem „Saladinszehnten“ des Jahres 1188 ähnelte; einiges Geld wurde schließlich nach Jerusalem geschickt. Auch zogen sehr wohl einige kleinere Heere in den Nahen Osten – so etwa dasjenige Philipps von Flandern im Jahr 1177. Im Großen und Ganzen stießen die päpstlichen Appelle jedoch auf taube Ohren, und das aus gutem Grund: Solange sich Jerusalem sowie der größte Teil des seit Beginn des 12. Jahrhunderts eroberten Territoriums noch in der Hand der Lateiner befanden, stellten Kreuzzüge – also große Heerzüge von Freiwilligen auf Zeit, die nach Erfüllung ihrer Gelübde in ihre Heimat zurückkehrten – keine Lösung für die Notlage der lateinischen Siedler dar. Was die Siedler brauchten, war nämlich nicht die Eroberung neuer Gebiete, sondern eine Verstärkung der permanent im Lande verbleibenden Garnisonen, die allein für einen effektiven Schutz der bereits besetzten Territorien sorgen konnten. Das erklärt, warum in jenen Jahren ein so starker Akzent auf einem Ausbau der ständigen Verteidigungskräfte in den lateinischen Gebieten gelegen hat. Beispielsweise versprach 1172 der englische König Heinrich II. als Teil der Buße für den Mord an Thomas Becket, für ein Jahr die Stationierung von 200 Rittern in Jerusalem zu finanzieren. Außerdem musste aus europäischer Perspektive das Königreich Jerusalem bis etwa 1170 als ziemlich stark erscheinen; immerhin waren die Könige von Jerusalem durchaus dazu in der Lage gewesen, zur Ausdehnung ihres Machtbereiches eigene Feldzüge zu unternehmen. Die Päpste, die vergeblich versuchten, Christen zum militärischen Engagement in der Levante zu bewegen, vermieden es, sich an anderen Schauplätzen einzumischen. Andernorts ging die Kriegführung nämlich – schubweise – ebenfalls weiter, ob sie nun mit dem Ehrentitel „Kreuzzug“ versehen wurde oder nicht, was Historiker bei dem Versuch, in diesem ständigen Blutvergießen zwischen Kreuzzügen und anderen Kriegen zu unterscheiden, vor große Probleme stellt. So wurde etwa der Ablass für militärischen Einsatz bisweilen noch immer ohne offizielle päpstliche Autorisierung vergeben; in Spanien taten dies päpstliche Legaten und sogar bloße Bischöfe. Die Synode von Segovia ging 1166 so weit, denselben Sündenerlass, der den Jerusalempilgern zustand, auch jenen zu versprechen, die Kastilien gegen, wie es scheint, christliche (!) Invasoren verteidigten. Den Teilnehmern an der Verteidigung von Huete, die 1172 einen Höhepunkt der Maurenkriege jener Zeit markierte, wurde die Vergebung ihrer Sünden gewährt, obwohl dafür offenbar keine schrift liche Beglaubigung vorlag. Nach dem Zusammenbruch der Almoravidenherrschaft stieß mit den Almohaden eine andere islamische Bewegung von Nordafrika auf die Iberische Halbinsel vor. Zunächst eroberten die Almohaden 1145 Marokko, setzten dann nach Europa über und nahmen Córdoba, Jaén, Málaga und Granada ein. 1157 folgten die Städte Almería, Úbeda und Baeza. In den 55 Jahren erbitterter Kämpfe, die von 1157 bis 1212 dauerten, wurden die Christen in die Defensive gedrängt. Im Norden waren die Dänen unter ihrem König Waldemar I. besonders aktiv, die sich – oft im Bündnis mit dem sächsischen Herzog Heinrich dem Löwen – gegen Überfälle wendischer Sklavenjäger auf
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die dänischen Küsten zur Wehr setzten. Ihre Anstrengungen gipfelten 1168 in der Eroberung der Insel Rügen. In der Folge begannen die Dänen, die an der Odermündung siedelnden Slawen anzugreifen. Die Eroberung Pommerns wurde begleitet von Klostergründungen als Zentren christlicher Missionsarbeit. Vor diesem Hintergrund sticht die Seltenheit päpstlicher Kreuzzugsaufrufe für Kriegsschauplätze außerhalb des Nahen Ostens besonders hervor und ist womöglich ein weiteres Anzeichen der Demoralisierung. Für die Iberische Halbinsel gab es in jener Zeit lediglich zwei päpstliche Aufrufe zum Kreuzzug, und zwar in den Jahren 1153 und 1157 / 1158. Papst Alexander III. (1159–1181) hat, wie es scheint, Kreuzfahrern auf der Iberischen Halbinsel und im Baltikum nur einen eingeschränkten Sündenerlass gewährt, weil er nicht die Aufmerksamkeit vom Heiligen Land ablenken wollte. Erst unter Papst Coelestin III. (1191–1198) wurden vorsichtige Schritte unternommen, die Kreuzzugsbewegung nochmals auf das Baltikum auszudehnen. Die bedeutsamste Entwicklung jener Jahre auf der Iberischen Halbinsel war die Gründung nationaler Ritterorden, die teils von Johannitern und Templern, teils aber auch von jenen kurzlebigen Gemeinschaften inspiriert war, die König Alfons I. von Aragón 1122 zur Verteidigung von Saragossa und um 1128 zur Verteidigung von Monreal del Campo ins Leben gerufen hatte. Der erste spanische Ritterorden wurde gegründet, als die Templer 1157 die exponierte Grenzfestung Calatrava an König Sancho III. von Kastilien zurückgaben. An Sanchos Hof in Toledo befand sich Raimund Serrat, der Abt der Zisterzienserabtei von Fitero. Einer von Raimunds Mönchen, ein Mann namens Diego Velázquez, der vor seinem Eintritt ins Kloster ein Ritter gewesen war, überzeugte ihn, sich vom König die Burg zu erbitten. Nachdem Sancho III. den Mönchen diesen Wunsch gewährt hatte, wurden Freiwillige zur Verteidigung der Burg aufgeboten. Viele dieser Männer schlossen sich zu einer Bruderschaft zusammen, wurden 1164 in den Zisterzienserorden aufgenommen und erhielten die Zisterzienserregel in modifizierter Form. Der Gründung dieses Ordens von Calatrava folgte bald nach 1166 jene des Ordens von Évora (später als Avis bezeichnet und Calatrava angegliedert) sowie der Orden von Santiago im Jahr 1170; der Orden von Montjoie (auch: Monte Gaudio) um 1173, der um 1221 im Orden von Calatrava aufging, und kurz vor 1176 der Orden von San Julián de Pereiro, der ebenfalls dem Orden von Calatrava angegliedert wurde und ab dem 13. Jahrhundert als Orden von Alcántara bezeichnet wurde. Diese Orden breiteten sich in Kastilien, León und Portugal aus, nicht jedoch in Aragón, wo die Templer, die sich nach längerem Bedenken 1143 zum bewaffneten Kampf entschlossen hatten, sowie die Johanniter vorherrschten. Die Aufgabe der spanischen Ritterorden bestand vor allem darin, die Wege zu verteidigen, auf denen die Invasionen der Almohaden erfolgten. Daneben führten sie jedoch auch Feldzüge, kauften Gefangene los und siedelten in den von ihnen kontrollierten Grenzregionen christliche Bauern an. Ihr Aufstieg kann beispielhaft für einen sich langsam als charakteristisch herausbildenden Wesenszug der Kreuzzugsbewegung auf der Iberischen Halbinsel stehen: deren nationales Gepräge. Noch ein halbes Jahrhundert zuvor hatten sich den Spaniern auf ihren Kreuzzügen zahlreiche Freiwillige von jenseits der Pyrenäen angeschlossen, doch diese blieben nun zunehmend aus – teils, weil die Iberer
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selbst ihnen mit Ablehnung begegneten. Im Februar 1159 sah sich Papst Hadrian IV. gezwungen, die Könige Ludwig VII. von Frankreich und Heinrich II. von England eindringlich davor zu warnen, zu einem Kreuzzug auf die Iberische Halbinsel aufzubrechen, solange sie nicht die Erlaubnis der dortigen Könige eingeholt hatten; Hadrian machte klar, dass sie ohne vorherige Verhandlungen nicht willkommen wären. Die Reconquista wurde zum nationalen Befreiungskrieg, und die Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel erfolgten mit wenigen Ausnahmen in einem nationalistischen Rahmen unter der Kontrolle der einheimischen Herrscher. In päpstlichen Verlautbarungen über die Vergebung der Sünden – ob nun im Zusammenhang mit Kreuzzügen in den Osten oder anderswohin –, ist eine Zurückhaltung zu beobachten, die als weiterer Beleg für die fehlende Kampfmoral gelten mag. Zwei unterschiedliche, bereits beschriebene Auffassungen von Buße und Ablass gerieten nun in einen offenen Widerstreit. Die erste und ältere Sichtweise besagte, dass eine Bußleistung nur hart genug sein musste, um Gott eine adäquate Sühne für die begangenen Sünden zu leisten. Der zweiten Sichtweise zufolge musste sich ein Sünder ganz auf Gottes Gnade verlassen, sollte seine eigene Unzulänglichkeit ausgeglichen werden; außerdem könne der Papst in Gottes Namen eine vollständige Vergebung aller Sündenstrafen gewähren, die nun gewissermaßen abgelöst von der Beschaffenheit der erbrachten Bußleistung betrachtet wurde. Die ältere der beiden Auffassungen hatte in den frühesten „Ablässen“ ihren Ausdruck gefunden, darunter das Versprechen einer umfassenden Vergebung der Sünden, das Urban II. 1095 den Teilnehmern am Ersten Kreuzzug gegeben hatte. Der zweite, zunehmend beliebtere Zugang war in den Schriften Bernhards von Clairvaux aus der Zeit des Zweiten Kreuzzuges unausgesprochen bereits enthalten, und scheint auch in der Bulle Quantum praedecessores Papst Eugens III. auf, die womöglich unter Bernhards direktem Einfluss entstanden ist. In den Jahren 1157, 1165 und 1166 griffen die Päpste Hadrian IV. und Alexander III. auf deren ausgefeilte Formulierungen zurück. Das muss in der Kurie für Unruhe gesorgt haben, denn bis 1169 hatte man dort wieder zu dem altmodischen Standpunkt gefunden, ein Kreuzzug sei ganz einfach eine angemessene Bußleistung. Dies wurde in Papst Alexanders Aufruf zum Kreuzzug von 1169 betont, in dem ausdrücklich von „jenem Erlass der Buße“ die Rede ist, „dessen priesterliche Besorgung bekanntlich Urban und Eugen begründet haben“. Während der nächsten dreißig Jahre sollte das Papsttum an diesem konservativen Ansatz festhalten, und das trotz der großen Fortschritte, welche die Bußtheologie in derselben Zeit machte. Noch in der großen Kreuzzugsbulle Audita tremendi vom Oktober 1187 tritt er deutlich zutage: All jenen, die mit reuigen Herzen und demütigen Seelen die Mühen dieser Reise auf sich nehmen und in Buße und aufrichtigen Glaubens sterben für ihre Sünden, versprechen wir den vollkommenen Ablass zur Vergebung ihrer Schuld sowie das ewige Leben. Ob sie leben oder sterben, sie sollen wissen, dass sie durch die Gnade Gottes, die Autorität der heiligen Apostel Petrus und Paulus sowie durch unsere eigene [das heißt die päpstliche] Autorität eine völlige Erleichterung von jener Schuldpflicht erfahren werden, die ihnen für ihre im aufrichtigen Beichtbekenntnis eingestandenen Sünden auferlegt worden ist.
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Peter von Blois, ein zeitgenössischer Propagandist, wollte dies als Würdigung der großen, im Sinne einer angemessenen Bußleistung erduldeten Mühen verstanden wissen: Durch die Begünstigung des heiligen Apostels Petrus und die allgemeine Autorität der Kirche hat der Herr in diesem Zeichen [gemeint ist das Kreuz] ein Mittel der Aussöhnung geschaffen, auf dass die Annahme der Verpflichtung, nach Jerusalem zu reisen, als die höchste Form der Buße und hinreichende Sühne für die begangenen Sünden angesehen werde.
Traditionen entstehen Traditionen entstehen
Die Jahre von 1102 bis 1187 erlebten also einige Jahrzehnte der Verwirrung, ein mit größtem Ehrgeiz betriebenes militärisches Fiasko und dann eine Periode, in der sich die Kreuzzugsbewegung auf einem deutlichen Tiefstand befand, obwohl auf allen Kriegsschauplätzen Aktivitäten zu verzeichnen waren. Der Bewegung mangelte es noch immer an Reife, aber dennoch entwickelte sie sich stets weiter. Sie umfasste nun die Kriegführung gegen Muslime auf der Iberischen Halbinsel genauso wie gegen die heidnische Bevölkerung jenseits der nordöstlichen Grenze der Christenheit. Auch gegen die Feinde des Papsttums im Inneren Europas hatte sich die Kreuzzugsbewegung gerichtet. Auf der Iberischen Halbinsel hatten sich erste Anzeichen einer Sonderentwicklung ausgebildet. Die Herrscher Europas begannen teilzunehmen, und erste Schritte zu effektiveren Mitteln der Finanzierung wurden unternommen. Die Päpste hatten ihr Recht zur Autorisierung dieser Kriege nachdrücklich festgeschrieben und damit begonnen, in Bullen und Sendschreiben zum Kreuzzug aufzurufen und dabei die Bedingungen von Ablass und Sündenvergebung formuliert und immer weiter ausdifferenziert. Obwohl viele dieser Schreiben nur geringen Erfolg zeitigten, was ihre Rekrutierungsleistung anging, so hatten sie den Verfassern an der Kurie Übung darin verschafft, Schutz- und Immunitätsprivilegien sowie die Gewährung geistlicher Vergünstigungen zu formulieren; im 13. Jahrhundert sollten diese Ausdrucksmöglichkeiten ihre größte Präzision erlangen. Nicht zuletzt waren auch ein stetiger Strom von Pilgern – manche bewaffnet, manche unbewaff net – sowie kleine Abteilungen von Kreuzfahrern nach Palästina aufgebrochen und hatten gezeigt, dass Christen zwar durch den Misserfolg des Zweiten Kreuzzuges zutiefst demoralisiert waren und deshalb an einer erneuten großen Militäraktion wenig Interesse hatten, dass aber ihr Glaube und ihre Bindung an das Heilige Land nicht erschüttert waren. Während des 12. Jahrhunderts bildeten sich in den adligen Familien Westeuropas zudem jene Traditionen heraus, die der Kreuzzugsbewegung dann im 13. Jahrhundert von Nutzen sein sollten. Dafür lassen sich zahlreiche Beispiele anführen. So nahm etwa Graf Dietrich von Flandern und Neffe jenes Grafen Robert von Flandern, der während des Ersten Kreuzzuges eine so herausragende Rolle gespielt hatte, am Zweiten Kreuzzug teil und reiste auch in den Jahren 1139, 1157 und 1164 in das Heilige Land. Seine Ehefrau Sibylle von Anjou, eine Tochter König Fulkos von Jerusalem aus dessen erster Ehe, ver-
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brachte ihren Lebensabend als Nonne in Bethanien. Dietrichs Sohn Philipp führte 1177 eine Heeresabteilung in den Nahen Osten und starb während des Dritten Kreuzzuges. Dietrichs Enkel Balduin VI., Graf von Hennegau, war einer der Anführer des Vierten Kreuzzuges und sollte später der erste lateinische Kaiser von Konstantinopel werden. Die Biografien der Vorfahren Johanns von Joinville, der Ludwig IX. von Frankreich im Jahr 1248 in den Orient begleitete, verdeutlichen gleichermaßen, wie ein vor 1187 gegebenes Beispiel später als gefühlte Verpflichtung wirksam werden konnte, obwohl man hervorheben sollte, dass diese Familie auch die Truchsessen der Grafen von Champagne stellte, eines Hauses also, das vom Kreuzzugsgedanken geradezu besessen war. Gottfried III. von Joinville nahm am Zweiten Kreuzzug teil. Gottfried IV. starb als Teilnehmer des Dritten Kreuzzuges. Gottfried V., der seinen Vater auf dem Dritten Kreuzzug begleitet hatte, nahm auch am Vierten Kreuzzug teil und starb auf ihm. Simon von Joinville schließlich, Johanns Vater, nahm das Kreuz beim Albigenserkreuzzug und erneut beim Fünften Kreuzzug. Bei der Herausbildung dieser Traditionen eigneten sich europäische Laien die Kreuzzugsidee an, und das in einer Zeit, in welcher der Klerus immer stärkeres Verständnis für die Vorstellung einer Berufung auch von Laien aufbrachte. Wie bereits erwähnt, bemühten sich die Theologen unmittelbar nach der Eroberung von Jerusalem im Jahr 1099 darum, die Kreuzzugsbewegung dem Mönchtum anzunähern und die Kreuzfahrer sozusagen als Mönche auf Zeit darzustellen. Diese Sicht auf die Kreuzfahrer verblasste in dem Maße, in dem sich wenige Jahrzehnte später das Element der geistlichen Profess in den neu gegründeten Ritterorden fand und sich bis zur Zeit des Dritten Kreuzzuges der Charakter der Bewegung deutlich veränderte, indem die Laienfrömmigkeit das Übergewicht gewann. Die vor 1187 entstandenen Familientraditionen machten das Kreuzfahrertum zudem zu einem Bestandteil so weltlicher Angelegenheiten wie der Abstammung, des Aussehens und der häuslichen Sitten. In dieser wie in anderer Hinsicht hatte sich Westeuropa also bereits im Verlauf des 12. Jahrhunderts unbewusst auf die Reaktion vorbereitet, die der Verlust Jerusalems an Saladin auslöste.
7. Die Kreuzzugsbewegung wird erwachsen (1187–1229) Die Kreuzzugsbewegung wird erwachsen (1187–1229)
Die Nachrichten über die Katastrophe von Hattin und den Verlust Jerusalems erreichten Westeuropa im Frühherbst 1187. Der alte Papst Urban III. starb am 20. Oktober – vor Kummer, wie es hieß. Innerhalb von zehn Tagen nach Urbans Tod rief sein Nachfolger Gregor VIII. bereits zum nächsten Kreuzzug auf. Seine Bulle Audita tremendi gehört zu den bewegendsten Zeugnissen der Kreuzzugsgeschichte. Vermutlich hatte Urban III. sie noch kurz vor seinem Tod entworfen, denn ein solch wichtiges Dokument hätte wohl kaum innerhalb der acht Tage verfasst, geprüft, bewilligt, korrigiert und vervielfältigt werden können, die zwischen der Wahl Gregors am 21. Oktober und dem Datum der ältesten erhaltenen Abschriften liegen. Audita tremendi eröffnet mit einer Klage über die jüngsten Geschehnisse in Palästina. In einer theologisch tiefgehenden Passage werden die Schicksalsschläge von Hattin und Jerusalem als Strafe Gottes für die Sünden der lateinischen Siedler, aber auch aller Christen beschrieben. Nun rief die Bulle zur Buße auf: Im Angesicht der so großen Not jenes [das heißt des Heiligen] Landes sollten wir zudem nicht allein auf die Sünden seiner Bewohner schauen, sondern auch auf unsere eigenen und die der ganzen Christenheit. … Es obliegt daher uns allen, unsere eigenen Sünden zu bedenken, deren Berichtigung durch freiwillige Züchtigung zu wählen und uns dem Herrn unserem Gott zuzuwenden, indem wir Buße und Werke der Frömmigkiet tun; und wir sollten zuerst in uns selbst berichtigen, was wir falsch gemacht haben, und danach dann unsere Aufmerksamkeit auf die Treulosigkeit und Bosheit des Feindes richten.
Das Schreiben fuhr fort, indem es die Gläubigen an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnerte, und ermahnte sie schließlich, „die Gelegenheit zu Umkehr und Mildtätigkeit in einem Akt der Dankbarkeit anzunehmen“ und dem lateinischen Orient zu Hilfe zu eilen, „wie es dem Willen Gottes entspricht, der durch sein eigenes Handeln gelehrt hat, das eigene Leben zu lassen für das der Freunde“. Der Text endet mit einer konventionellen Liste von Privilegien für die Teilnehmer an dem geplanten Kreuzzug, einschließlich einer Erklärung zum Sündenablass in altmodischer Form sowie einer Ermahnung, sich in Kleidung und Auftreten jener Mäßigung zu befleißigen, die allein reuigen Sündern geziemt. Dies fand großen Widerhall in den Kreuzzugspredigten, die überall durch Aufrufe zu Buße und Umkehr gekennzeichnet waren. In der Entwicklungsgeschichte des Kreuzzugsgedankens bedeutete das einen entscheidenden Schritt, denn von nun an verband das Papsttum das Schlachtenglück mit dem Seelenheil der ganzen Christenheit. Es war dies ein Gedankengang, der bis in das 16. Jahrhundert hinein in der Art und Weise
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deutlich werden sollte, wie allgemeine Konzilien, die das Ziel der Kirchenreform hatten, mit der Notwendigkeit befasst waren, die Kreuzzugsbewegung zum Erfolg zu führen.
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Die schlimmen Nachrichten aus Palästina hatten genuesische Kaufleute in den Westen getragen. Ihnen dicht auf den Fersen reiste Joscius, der Erzbischof von Tyrus, das sich als einzige Stadt an der Küste von Palästina noch in christlicher Hand befand. Die energische Verteidigung des Hafens Tyrus erfolgte unter dem Befehl Konrads von Montferrat. Konrad, der jüngere Bruder des ersten Ehemannes der Sibylle von Jerusalem, war selbst erst in der Folge der dortigen Katastophe nach Palästina gekommen und überhäufte nun den Westen mit Hilfsappellen. Erzbischof Joscius segelte im Spätsommer nach Sizilien, wo er bei König Wilhelm II. die sofortige Entsendung einer Flotte erwirken konnte. Im Frühjahr und Sommer 1188 retteten diese Schiffe Tripolis und versorgten Antiochia und Tyrus mit dringend benötigten Vorräten. Mitte Oktober 1187 muss Joscius in Rom angelangt sein. Sodann reiste er im Winter nach Frankreich, wo er am 22. Januar 1188 in Gisors mit Heinrich II. von England und Philipp II. von Frankreich zusammentraf. Gisors liegt an der Grenze, zwischen dem Herzogtum der Normandie und der französischen Königsdomäne, und die beiden Könige hatten sich dort getroffen, um einen Waffenstillstand auszuhandeln. Nachdem sie Joscius’ Hilfsgesuch angehört hatten, nahmen Heinrich II., Philipp II., Philipp von Flandern sowie die anderen Großen, die mit ihnen tagten, das Kreuz und begannen sogleich mit den Planungen für ihren Kreuzzug. In Anlehnung an einen Brauch, der sich während des Zweiten Kreuzzuges herausgebildet hatte – damals hatten die Teilnehmer am Wendenzug verschiedene Kreuze an ihrer Kleidung angebracht –, beschloss man, dass auf dem geplanten Feldzug die französischen Teilnehmer rote, die englischen weiße und die flandrischen grüne Kreuze tragen sollten. Die Könige Heinrich und Philipp vereinbarten die Erhebung einer allgemeinen Kreuzzugssteuer – bereits die zweite dieses Jahrzehnts –, die als der „Saladinszehnte“ bekannt wurde. Doch dann machte die lasterhafte europäische Politik den Planern einen Strich durch die Rechnung. Zwischen Heinrichs ältestem überlebenden Sohn Richard, dem Grafen von Poitou, und dem Grafen Raimund V. von Toulouse brach ein Konflikt aus, in den die Könige von England und Frankreich rasch hineingezogen wurden. Die Beziehungen zwischen den beiden Kronen verschlechterten sich rapide, als Richard begann, den französischen König zu unterstützen; im Sommer 1189 kam es zum offenen Bruch zwischen ihm und seinem Vater. Heinrich starb am 6. Juli, kurz nachdem er und Philipp II. in der Frage des Kreuzzuges zu einer Einigung gelangt waren; am 3. September wurde Richard zum König von England gekrönt. Diese Verzögerungen in der Kreuzzugsplanung – und ihre Hintergründe – lösten einen Sturm der Entrüstung aus. Die Macht der öffentlichen Meinung war so groß, dass Richard, der das Kreuz noch vor seinem Vater genommen hatte, den Feldzug nicht mehr länger aufschieben konnte, selbst wenn er dies gewollt
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hätte. Im November sagte er zu, seine eigenen Truppen am 1. April 1190 bei Vézelay mit denen König Philipps zu vereinen. Dieser Aufmarschtermin wurde später auf den 1. Juli verschoben, aber wenigstens waren die englischen und französischen Vorbereitungen zum Kreuzzug nun im Gange. Das Schwanken der Könige von England und Frankreich erschien besonders schlecht im Vergleich zur Reaktion der Deutschen. Kaiser Friedrich I. Barbarossa näherte sich dem siebzigsten Lebensjahr und hatte annähernd 36 Jahre regiert. Trotz seines Alters war er vital und von ungeheurer körperlicher Zähigkeit. Zudem war er intelligent und anpassungsfähig. Friedrichs starke Persönlichkeit und sein Hang zu übertriebenem Prunk hatten ihn bisweilen in Schwierigkeiten gebracht. Vierzig Jahre zuvor hatte er am Zweiten Kreuzzug teilgenommen und auch in der Zwischenzeit immer wieder Sympathien für die Kreuzzugsidee geäußert. Es lässt sich schwer sagen, inwieweit diese Absichtserklärungen lediglich einer konventionellen Frömmigkeit entsprangen, oder ob sie eher spekulativ und Ausdruck der Überzeugung waren, der römisch-deutsche Kaiser sei zur Verteidigung des Christentums verpflichtet. Vielleicht war Friedrich sogar von der damals verbreiteten eschatologischen Vorstellung eines letzten römischen Kaisers beseelt, der am Ende der Zeiten in Jerusalem regieren sollte und beim Erscheinen des Antichrist seine Krone und Herrschaft an Gott übergeben sollte. Wie auch immer, jedenfalls war er in einer Stimmung, die ihn für die Ansprache Heinrichs von Marcy empfänglich machte. Dieser, Kardinalbischof von Albano, war seines Zeichens ein angesehener Kreuzzugstheoretiker, den Papst Gregor nach Deutschland geschickt hatte, um dort den Kreuzzug zu predigen. Nachdem er im Dezember 1187 eine einschlägige Predigt des Bischofs Heinrich von Straßburg gehört hatte, zeigte sich Friedrich Barbarossa zutiefst bewegt. Ganz seinem Naturell entsprechend dauerte es allerdings noch einige Monate, bis der Kaiser sich davon überzeugt hatte, dass sein Reich eine Weile auch ohne ihn würde auskommen können. Mit einer für ihn typischen theatralischen Geste berief Friedrich für das Frühjahr 1188 einen Hoftag nach Mainz ein, eine curia Jesu Christi, deren Vorsitz nicht er, der Kaiser, sondern Christus selbst führen sollte. Am 27. März 1188, dem Sonntag Laetare, an dem der Introitus-Gesang zum Messbeginn folgendermaßen anhebt: „Freut euch mit Jerusalem! Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt. Seid fröhlich mit ihr, alle, die ihr über sie traurig wart“ (Jes 66,10), nahmen Kaiser Friedrich Barbarossa und zahlreiche deutsche Adlige im Beisein Heinrichs von Marcy das Kreuz. Wie zu erwarten, war dies das Signal für antijüdische Ausschreitungen. Als Aufbruchstermin wurde das Fest des heiligen Georg festgelegt, der 23. April 1189. Wie schon beim Zweiten Kreuzzug entschied man sich für die Landroute und teilte diesen Plan den Ungarn, Serben, Byzantinern und diesmal sogar dem Sultan der türkischen Rumseldschuken im fernen Konya mit. Den Byzantinern versicherte man, man werde friedlich durch das byzantinische Territorium ziehen; jene versprachen im Gegenzug, Führer und Proviant zur Verfügung zu stellen. Die letzten Vorkehrungen wurden in Regensburg getroffen, wo sich die Kreuzfahrer zu dem festgelegten Datum einfanden, und am 11. Mai 1189 setzte sich das deutsche Kreuzfahrerheer in Bewegung. Ihm gehörten zahlreiche führende Persönlichkeiten des römisch-deutschen Reiches
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an, Laien wie Kleriker, und es muss eines der mächtigsten Kreuzfahrerheere gewesen sein, die jemals ins Feld gezogen sind. Das Heer war gut organisiert, und es herrschte strikte Disziplin; auf dem Marsch durch die byzantinischen Gebiete des Balkans begannen dennoch Wegelagerer, dem Tross zuzusetzen. Die zur Verproviantierung versprochenen Märkte waren verwaist; überhaupt sprach nichts dafür, dass man für die Ankunft der Deutschen Vorbereitungen getroffen hatte. Tatsächlich hatte der byzantinische Kaiser Isaak II. Angelos einen Pakt mit Sultan Saladin geschlossen, demzufolge er den Vormarsch der Kreuzfahrer verzögern, ja das deutsche Heer sogar vernichten sollte. Jedenfalls stellten die Byzantiner den Deutschen nun bewusst, aber wenig erfolgreich Hindernisse in den Weg. Törichterweise versuchte Isaak II., Friedrich Barbarossa unter Druck zu setzen, indem er dessen Gesandte als Geiseln nahm; die Versuche des byzantinischen Militärs, den Vormarsch der Kreuzfahrer aufzuhalten, wurden jedoch einfach weggefegt. Als die Deutschen am 26. August Plovdiv besetzten, waren sie nicht in der Stimmung, sich hinters Licht führen zu lassen. Isaaks Forderung, die Überfahrt über die Dardanellen nur dann zuzulassen, wenn Barbarossa weitere Geiseln stellte und die Übergabe der Hälfte aller zukünftigen Eroberungen verspräche, wurde ignoriert. Die Kreuzfahrer verlegten sich vielmehr auf das Plündern, und Barbarossa, der dabei war, mit serbischen und vlacho-bulgarischen Rebellen ein Bündnis gegen die Byzantiner auszuhandeln, begann ernsthaft, über einen direkten Angriff auf Konstantinopel selbst nachzudenken. Am 16. November schrieb er an seinen ältesten Sohn Heinrich und bat ihn, die italienischen Seerepubliken zur Bereitstellung einer Flotte zu überreden, die im folgenden März vor Konstantinopel eintreffen und die Kreuzfahrer bei der Belagerung der Stadt unterstützen sollte. Bereits Ende Oktober hatte sich Kaiser Isaak II. gezwungen gesehen, die deutschen Geiseln freizugeben. Allerdings scheiterten die nächsten Gespräche an seiner Weigerung, Friedrich Barbarossa mit dessen korrektem Titel als „Kaiser der Römer“ anzusprechen; doch auch hier musste Isaak schließlich nachgeben. Friedrich verlegte sein Quartier für den Winter nach Adrianopel (Edirne), von wo er nun weite Teile Th rakiens kontrollierte, während seine Verhandlungen mit einer immer unruhiger werdenden byzantinischen Regierung andauerten. Am 14. Februar 1190 willigte Isaak II. schließlich ein, den Kreuzfahrern Schiffe für die Fahrt von Gallipoli (Gelibolu) über die Dardanellen zur Verfügung zu stellen – aber wenigstens war es ihm, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, gelungen, den Kreuzzug um Konstantinopel herumzuleiten. Ferner sagte er zu, den Kreuzfahrern seine Märkte zu öff nen, ihnen Vorräte zu liefern und Geiseln zu stellen, und versprach zudem, die von ihm gemachten Gefangenen freizulassen, eine Entschädigung zu zahlen und den Deutschen das Plündern überall dort zu gestatten, wo auf anderem Wege kein Proviant zu beschaffen war. Das Kreuzfahrerheer verließ Adrianopel am 1. März und setzte zwischen dem 22. und 28. des Monats über die Dardanellen. Im byzantinischen Kleinasien erwarteten sie allerdings dieselben Störungen und der gleiche Mangel an Kooperation wie auf dem Balkan. Nachdem sie am 22. April aus Philadelphia (Alaşehir) abmarschiert waren, stießen sie bald auf muslimisches Gebiet vor und marschierten auf Konya. Auf dem Weg hatten sie
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dieselben Strapazen zu erdulden wie ihre Vorgänger – ihre Pferde und Lasttiere verendeten, ihr eigener Proviant ging zur Neige –, aber trotz allem gelang ihnen am 18. Mai die Eroberung Konyas. Von den dort vorgefundenen Nahrungsbeständen gestärkt, erreichten sie am 30. Mai Karaman an der Grenze zu Kilikien. Die Seldschuken hatten ihnen zwischenzeitlich versprochen, ausreichende Verpflegung zu liefern, wollten sie die Fremden doch möglichst schnell und ohne weitere Komplikationen durch ihr Gebiet ziehen lassen. Erneut auf christlichem Gebiet, wurden die Deutschen in Kilikien von den Armeniern freundlich empfangen. Am 10. Juni jedoch gab Friedrich Barbarossa der Versuchung eines theaterreifen Auftritts nach, der sein letzter sein sollte. Der Kaiser, der gerade bewiesen hatte, dass man noch immer mit einem großen Heer quer durch Kleinasien marschieren konnte, war ebenso übermütig wie erhitzt und beschloss, den Fluss Saleph (Göksu) zu durchschwimmen, der tief und breit ist. In der Mitte des Flusses angelangt, geriet Friedrich in Not. Vielleicht erlitt der Kaiser einen Herzinfarkt, vielleicht ist er auch entkräftet ertrunken. Jedenfalls war er bereits tot, als man ihn ergriff, um ihn zu retten. Der Deutsche Kreuzzug, der so erfolgreich gewesen war, indem er den Widerstand der Byzantiner mit eisiger Entschlossenheit beiseite gefegt hatte und mit ungewöhnlicher Disziplin durch das türkische Kleinasien marschiert war, zerbrach am Tod seines Anführers. Einige der Kreuzfahrer brachen umgehend in ihre Heimat auf. Die Verbliebenen teilten sich auf: Einige segelten nach Antiochia und Tripolis; die anderen marschierten auf dem Landweg – und unter schweren Verlusten – nach Syrien weiter. In Antiochia hatte das wiedervereinte Heer zudem mit Krankheiten zu kämpfen, denen zahlreiche weitere Kreuzfahrer zum Opfer fielen. Ende August traten die Überlebenden ihren Marsch die Küste hinunter in Richtung Süden an und erreichten Anfang Oktober Akkon, das zu diesem Zeitpunkt bereits achtzehn Monate lang von einer christlichen Streitmacht belagert worden war. König Guido von Jerusalem war im Sommer 1188 von Saladin freigelassen worden, doch im Frühjahr darauf hatte Konrad von Montferrat, der Guidos Anspruch auf den Thron infrage stellte, diesem und seiner Königin Sibylle den Einlass in die Stadt Tyrus verwehrt. Guidos Reaktion verriet einigen Wagemut, denn er zog mit einem kleinen Trupp von Getreuen nach Süden und belagerte dort die Festung Akkon. Dieses Vorgehen zwang die bedeutendsten unter seinen Vasallen, die sich bislang entweder neutral verhalten oder aber Partei für Konrad von Montferrat ergriffen hatten, ihrem Lehnsherrn zu Hilfe zu eilen. Bis zum Herbst hatten sich viele von ihnen in Guidos Lager eingefunden. Dies wiederum schwächte Konrads Position so sehr, dass auch er sich im September 1189 überreden ließ, an der Belagerung von Akkon teilzunehmen. Bis zum Frühjahr des Jahres 1190 hatte er sich mit Guido ausgesöhnt, der ihm im Gegenzug ein Lehen in Nordpalästina versprach, zu dem auch die Stadt Tyrus gehören sollte. Auch diverse Kreuzfahrerkontingente schlossen sich Guido an, darunter im September 1189 ein Verband aus deutschen, niederländischen und englischen Kämpfern sowie ein französisches Heer unter den Grafen von Champagne, Blois und Sancerre im Juli 1190. Man könnte nun vielleicht annehmen, dass das Eintreffen des deutschen Heeres die Belagerer von Akkon gestärkt hätte. Allerdings waren auch diese Überlebenden demoralisiert, geschwächt und nicht
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selten krank, was weitere schwere Verluste in ihren Reihen nach sich zog, unter ihnen auch Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn des verstorbenen Kaisers, der die Führung des deutschen Heeres übernommen hatte und am 20. Januar 1191 vor Akkon starb. Als das Frühjahr 1191 anbrach, hatten sich die meisten deutschen Kreuzfahrer auf die Rückreise in ihre Heimat begeben. In der Zwischenzeit hatten sich Richard von England und Philipp II. von Frankreich in Vézelay getroffen. Zuvor hatte Philipp – wie sein Vater 43 Jahre vor ihm – in der Abteikirche von Saint-Denis die Oriflamme empfangen. Am 4. Juli 1190 brachen Richards und Philipps vereinigte Heere in Richtung der Mittelmeerküste auf. Richard stand kurz vor seinem 33. Geburtstag. Auf dem Schlachtfeld wie auf dem Marsch zeigte er Mut, Einfallsreichtum und organisatorische Fähigkeiten und sollte sich im weiteren Verlauf der Kampagne als der fähigste Feldherr der Kreuzfahrer seit Bohemund von Tarent erweisen. Richard war eitel – und über die Maßen gutaussehend –, aber er handelte mit äußerster Effizienz und bewies dabei sogar Humor. Als englischer König hatte er einen kompetenten und tüchtigen Regierungsapparat geerbt, der in dem Augenblick begonnen hatte, Vorbereitungen für den geplanten Feldzug zu treffen, in dem sein Vater Heinrich das Kreuz genommen hatte. Der Erzbischof von Canterbury hatte den Kreuzzug systematisch in ganz England und Wales predigen lassen, und der Saladinszehnte war selbst gegen starken Widerstand eingetrieben worden. Richard selbst hatte zudem alles verkauft, was er verkaufen konnte, und hatte ohne Skrupel jegliche Gelegenheit und alle seine Beziehungen genutzt, um enorme Geldsummen zusammenzubringen. Dies hatte zur Folge, dass er später über ein üppiges Finanzpolster verfügte, was ihn während des gesamten Kreuzzuges immer wieder offen seine Überlegenheit demonstrieren ließ. Philipp II. hingegen war Mitte zwanzig. Dem Vernehmen nach war er von wenig beeindruckendem Äußeren – er hatte auf einem Auge bereits die Sehkraft verloren, und zehn Jahre Regierungspraxis in Frankreich hatten ihn vorsichtig und misstrauisch, zynisch und reizbar werden lassen. Er war wohl weder besonders intelligent noch hatte er eine gute Bildung genossen, aber er war gerissen und besaß eine praktische Intelligenz, die er – neben seiner Selbstbeherrschung und der Neigung zu Besonnenheit und Ausgleich – mit der Fähigkeit zu schwerer Arbeit und dem Ertragen von Schmerzen verband. Rücksichtslos mag er gewesen sein, aber in der Regel handelte er doch rücksichtslos fair. Philipp herrschte mit Frankreich über ein Land, das zur damaligen Zeit wesentlich schwächer zentralisiert war als Richards England, weshalb es ihm beispielsweise – im Gegensatz zu Richard Löwenherz – nicht gelungen war, den Widerstand gegen den Saladinszehnten zu brechen. Philipp wurde zu dem öffentlichen Versprechen genötigt, eine solche Sonderabgabe nie wieder zu erheben, und so konnte diese lediglich außerhalb des königlichen Kronguts und von den Vertretern des Hochadels für deren eigene Kreuzzugsvorbereitungen eingetrieben werden. Deshalb war Philipp finanziell wesentlich schlechter ausgestattet als Richard, und das, obwohl er ein größeres Heer mit sich führte: etwa 2000 Berittene gegenüber höchstens 800 auf Richards Seite. Richard hatte erwartet, in Marseille eine englische Flotte vorzufinden, doch deren Schiffe hatten einen Zwischenhalt in Portugal eingelegt und waren deshalb noch nicht
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eingetroffen. Er charterte deshalb andere Schiffe, die in Marseille bereitlagen und brach nach Sizilien auf. Als er am 22. September im Hafen von Messina eintraf, waren sowohl Philipp als auch seine eigene englische Flotte bereits dort. Richard hatte auf Sizilien einige Geschäfte zu erledigen, von denen er sich noch mehr Geld für seine Kriegskasse erhoffen konnte. Seine Schwester Johanna war die Witwe des sizilischen Königs Wilhelm II., und Richard beabsichtigte, ihre Mitgift von dem Grafen Tankred von Lecce zurückzufordern, der sich nach Wilhelms Tod zum König von Sizilien hatte wählen lassen. Außerdem forderte er die Herausgabe eines Vermächtnisses, das Wilhelm Richards verstorbenem Vater Heinrich hinterlassen hatte. Richard wählte das Mittel der Gewalt und besetzte die jenseits der Straße von Messina gelegene kalabresische Stadt Bagnara; am 4. Oktober folgte Messina selbst, das von Richards Truppen zudem geplündert wurde. Tankred wurde zur Zahlung von 40 000 Unzen Gold gezwungen. Die Hälfte entsprach dabei Johannas Mitgift; die andere Hälfte bildete die Aussteuer für seine Tochter, die mit Richards Erben, Arthur von der Bretagne, verheiratet werden sollte. Philipp II. von Frankreich wiederum gelang es, ein Drittel des Goldes für sich zu reklamieren, denn die beiden Anführer des Kreuzzuges hatten in Vézelay vereinbart, ihre unterwegs gemachten Gewinne zu teilen. Philipp segelte am 30. März 1191 in Richtung Palästina. Richard blieb zuerst noch zurück, um seine Verlobte Berengaria von Navarra zu treffen. Diese Verlobung war eine delikate Angelegenheit, denn Richard hatte eigentlich Alix von Frankreich, eine Halbschwester Philipps II., heiraten sollen. Am 10. April brach jedoch auch er auf und nahm mit seiner Flotte Kurs auf Kreta, dann Rhodos, um am 6. Mai auf Zypern zu landen, dessen Herrscher Isaak Komnenos einige Jahre zuvor seine Unabhängigkeit von Byzanz erklärt hatte. Isaak Komnenos hielt einige englische Kreuzfahrer gefangen, deren Schiffe, darunter eines der königlichen Schatzschiffe, in einem Sturm vor der Südküste Zyperns auf Grund gelaufen waren. Das große Schiff, auf dem Johanna und Berengaria reisten, war in einiger Entfernung von der Küste vor Anker gegangen, da es nicht ratsam erschien, an Land zu gehen. Richard Löwenherz forderte augenblicklich die Herausgabe seiner Leute und Güter. Als Isaak Komnenos ihm dies verweigerte, befahl Richard die Invasion der Insel. Beim Aufbruch nach Akkon am 5. Juni befand sich ganz Zypern in seiner Hand. Fast vierhundert Jahre lang sollte die Insel in der Folge unter lateinischer Herrschaft stehen. Philipp erreichte Akkon am 20. April, Richard am 8. Juni. Den ganzen Herbst, Winter und Frühling 1190 / 1191 hindurch waren Verstärkungen zum Heer der Belagerer gestoßen, darunter auch eine englische Vorhut unter dem Befehl des Erzbischofs von Canterbury. Wie alle Kreuzfahrerheere handelte es sich auch in diesem Fall um einen Zusammenschluss zahlreicher unabhängiger Kontingente unter verschiedenen Befehlshabern. Und was die politischen Entwicklungen im Königreich Jerusalem anging, waren die Kreuzfahrer keineswegs derselben Meinung. Im Herbst 1190 waren Königin Sibylle und ihre beiden Töchter aus der Ehe mit Guido von Lusignan gestorben. Das bedeutete natürlich, dass Guido zwar der gesalbte König, die Erbin von Jerusalem aber die mit Humfred IV. von Toron verheiratete Isabella war, Sibylles jüngere Halbschwester. Wie man sich wohl
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erinnern wird, war es Humfreds Seitenwechsel gewesen, der den Aufstand der Barone vom Jahr 1186 hatte scheitern lassen. Deshalb wollte nun eine Gruppe hoher Adliger Isabellas Ehe mit Humfred annullieren lassen, um Isabella mit Konrad von Montferrat zu verheiraten, der nicht nur über gute Verbindungen verfügte, sondern auch seine Führungs- und Charakterstärke schon zur Genüge unter Beweis gestellt hatte. Zu den Befürwortern dieses Planes zählten neben Balian von Ibelin, dem Herrn von Nablus, der mit Isabellas Mutter Maria Komnena verheiratet war, auch die Herren von Sidon und Haifa. So wurde Isabella also aus ihrem Zelt im Heerlager vor Akkon entführt, und ein geistliches Gericht – in dem der päpstliche Legat, ein Anhänger Konrads, und der Bischof von Beauvais, ein Vetter Konrads, den Ton angaben – entschied, dass ihre Ehe mit Humfred von Toron ungültig gewesen sei. Der Erzbischof von Canterbury, der den erkrankten Patriarchen von Jerusalem bei der Verhandlung vertrat, war empört. In aller Eile vermählte man Isabella nun mit Konrad von Montferrat. Später setzte sich die Meinung durch, diese zweite Ehe habe nicht allein den Tatbestand der Bigamie erfüllt, sondern zudem den des Inzestes – weil Konrads verstorbener Bruder Wilhelm mit Isabellas Halbschwester Sibylle verheiratet gewesen war. Damals jedoch bat Isabella das Hohe Gericht, ihr Anrecht auf den Thron in aller Form anzuerkennen, was denn auch geschah: Man huldigte ihr als der rechtmäßigen Königin, und es sah ganz so aus, als sei Guido von Lusignan schon beiseitegedrängt. Richard Löwenherz jedoch war auf Zypern mit Guido, Humfred von Toron und deren Unterstützern zusammengetroffen. Es schien ausgemacht, dass man die beiden europäischen Könige Richard und Philipp in der vorliegenden Streitfrage um ihre Vermittlung bitten würde. Als ebenso sicher konnte allerdings gelten, dass sie in dieser Sache unterschiedlicher Meinung sein würden, denn beide waren in die Lehns- und Familienbande der westeuropäischen Oberschicht verwickelt. Konrad von Montferrat war ein Cousin Philipps von Frankreich. Guidos Familie, die Lusignans, waren Richards Vasallen – wenn auch problematische – in der Grafschaft von Poitou, die Anspruch auf eine gewisse Beutesumme erhoben, die Richards Vater für sich beansprucht hatte. Wie bereits erwähnt, waren die beiden Teilnehmer am Ersten Kreuzzug Hugo von Lusignan und Raimund von Toulouse Söhne derselben Mutter, Almodis’ de la Marche nämlich. Guido von Lusignang und Richard Löwenherz stammten ebenfalls beide von Almodis ab, Richard durch seine Mutter Eleonore von Aquitanien. Im Dezember 1177 hatte der letzte Graf de la Marche, Aldebert IV. aus dem Hause Charroux, dessen Sohn gestorben war und dessen Tochter keine Kinder bekommen konnte, seine Grafschaft zu einem sehr geringen Preis an König Heinrich II. von England verkauft. Es ging das Gerücht um, der englische König habe diesen Verkauf unter Androhung von Gewalt erzwungen. Gottfried von Lusignan, Guidos älterer Bruder, der im Namen seines jungen Neffen Hugo IX. dem Haus Lusignan vorstand, beanspruchte die Grafschaft La Marche für sich und seine Brüder, die ja von Almodis’ ältestem Sohn Hugo VI. von Lusignan abstammten, während Eleonore von Aquitanien lediglich die Abstammung durch eine Tochter von Almodis’ drittem Sohn vorzuweisen hatte. Gottfried versuchte, die Grafschaft mit Gewalt an sich zu reißen. Das misslang zwar, doch die Lusignans gaben ihren Anspruch nicht auf und
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verweigerten Richard den Zugriff auf die Grafschaft, die sie endgültig für sich reklamieren konnten, indem sie 1199 kurzerhand die greise Eleonore von Aquitanien entführten und nicht eher freiließen, bis ihnen die Grafschaft abgetreten worden war. Angesichts der Notwendigkeit, eine wütende Großfamilie versöhnlich zu stimmen, verwundert es nicht, dass Richard den Lusignans während des gesamten Kreuzzuges auf ganz außergewöhnliche Weise seine Gunst erwies. Die Könige von Frankreich und England erklärten sich bereit, in der Frage der Jerusalemer Thronfolge ihr Urteil zu sprechen; die weiteren Entwicklungen sollten ihre Position nur weiter stärken. Akkon kapitulierte am 12. Juli, obwohl Saladin die Stadt noch im letzten Moment zu retten versucht hatte. Als Eroberer teilten Philipp und Richard die Stadt unter sich auf, wie sie es zuvor für sämtliche Beute vereinbart hatten. Das bedeutete allerdings auch, dass ihre Entscheidungen über den weiteren Verbleib von einstmals königlichem Besitz den Ausschlag geben konnten im Streit um die Thronfolge im Königreich Jerusalem. Am 28. Juli verkündeten Richard und Philipp einen Kompromiss: Guido sollte für den Rest seines Lebens König bleiben; nach seinem Tod jedoch sollte das Königreich an Isabella und Konrad von Montferrat fallen. Sämtliche Abgaben, die der Krone zustanden, sollten unter den Parteien aufgeteilt werden. Außerdem sollten Guidos Bruder Gottfried und Konrad von Montferrat weitläufige Territorien als Apanage erhalten: Gottfried im Süden – mit Jaffa und Askalon –, Konrad im Norden – mit Tyrus, Sidon und Beirut. Philipp II. gab seine Hälfte von Akkon – gegen Richards Wunsch – an Konrad von Montferrat und brach am 31. Juli in Richtung Heimat auf. Ein großes Kontingent französischer Kreuzfahrer verblieb jedoch unter dem Kommando des Herzogs von Burgund in Palästina und sollte im weiteren Verlauf der Geschehnisse noch eine wichtige Rolle spielen. Die bei der Kapitulation von Akkon geschlossene Vereinbarung hatte vorgesehen, dass die Garnison gegen die Zusage von 200 000 Dinaren Lösegeld freigelassen werden sollte. Außerdem forderten die Lateiner die bei Hattin verlorene Reliquie des Wahren Kreuzes zurück und die Freilassung einer großen Zahl christlicher Gefangener. Bis zur endgültigen Einlösung dieser Bedingungen würden die Kreuzfahrer eine Anzahl von Geiseln in ihrer Gewalt behalten, aber die Verhandlungen mit Saladin scheiterten, als die erste Rate des Lösegeldes fällig wurde und Richard Löwenherz im Jähzorn befahl, die meisten dieser Geiseln, rund 2700 Mann, in Sichtweite des noch immer vor Akkon lagernden muslimischen Heeres zu töten. Richard beschloss, nach Jerusalem vorzustoßen, was zunächst einen Marsch von etwas über 100 Kilometern entlang der Küste bis zum Hafen von Jaffa bedeutete. Am 22. August brach er mit seinem Heer auf. Unterwegs wurden sie in regelmäßigen Abständen von ihrer eigenen Flotte mit Vorräten versorgt. Richards Ritter waren in drei Abteilungen aufgeteilt, die in Reihe vorrückten. An ihrer linken Flanke, also zum Landesinneren hin, marschierte eine schützende Kolonne von Fußsoldaten, welche unterwegs die meisten Angriffe abzuwehren hatten. Zu jeder gegebenen Zeit konnte sich etwa die Hälfte der Infanterie ausruhen, indem sie beim Versorgungstross marschieren durfte, der zur Rechten der Ritter – also zwischen jenen und dem Meer – dahinzog. Richards Heer führte also vor, was als „ein mustergültiges Beispiel fränkischer Militärtaktik auf höchstem
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Niveau“ bezeichnet werden kann, und so gelang es ihnen, trotz ständiger Scharmützel mit muslimischen Plänklern und leichter Kavallerie einen stetigen, disziplinierten Vormarsch aufrechtzuerhalten. Die Zurück haltung, die Richards Infanterie dabei an den Tag legte, war für die damalige Zeit bemerkenswert und unterstrich – insofern sie auf die Befehle des Königs zurückzuführen war – dessen hohen Rang als Heerführer. Am 7. September gelang es Saladin, das Kreuzfahrerheer nördlich von Arsuf, wo die Küstenstraße durch eine Lücke zwischen dem Meeresufer und einem dichten Wald verläuft, zur Schlacht zu stellen. Der Sultan setzte eine konventionelle Taktik ein, indem er die Formation der Christen durch den Einsatz von Bogenschützen sowie Angriffe auf Flanken und Nachhut zu stören und seinen Gegner somit nachhaltig zu schwächen suchte. Die in der Nachhut befindlichen Johanniter wurden durch die Verwundung ihrer Pferde derart in Rage versetzt, dass sie verfrüht zu einer Attacke ansetzten. Das wiederum zwang Richard dazu, den Befehl zum allgemeinen Vorrücken zu geben, bevor er eigentlich dazu bereit war; dennoch gelang es ihm – auch dies ein Indiz für sein überragendes militärisches Können –, den Vorstoß seiner Kavallerie zu stoppen, sobald dieser seinen unmittelbaren Zweck erfüllt hatte, und seine Schlachtlinie rechtzeitig neu zu formieren, um einen Gegenangriff abwehren zu können. Schließlich zogen sich die Muslime zurück und überließen Richard, dessen Heer vergleichsweise geringe Verluste erlitten hatte, das Feld. Drei Tage später erreichten die Kreuzfahrer Jaffa und begannen unverzüglich mit der Wiederherstellung der Befestigungen. Richard standen nun drei Wege offen: Er konnte einen Waffenstillstand mit Saladin aushandeln; in südöstlicher Richtung unmittelbar auf Jerusalem vorrücken, was allerdings nicht ungefährlich war, solange ein großes feindliches Heer in der näheren Umgebung lagerte; oder aber das weiter südwestlich an der Küste gelegene Askalon erobern und neu befestigen, denn die Muslime waren gerade dabei, die Mauern der Stadt niederzureißen. Die letztgenannte Option – eine Besetzung Jaffas durch das Kreuzfahrerheer – würde Saladins Handlungsfreiheit bei der Verlegung frischer Truppen aus Ägypten nach Palästina massiv eingeschränkt haben. Fürs Erste verwarf Richard keine dieser Möglichkeiten, sondern zog sämtliche verfügbaren Kräfte in Jaffa zusammen, nahm zugleich aber auch Verhandlungen mit Saladin auf, um die friedliche Abtretung Palästinas an die Christen zu erreichen. Während dieser Unterhandlungen scheint der englische König dem Sultan ein Angebot unterbreitet zu haben, das dieser offenbar nicht ernst nahm: Richard bot Saladin die Hand seiner Schwester Johanna für dessen Bruder al-ʿAdil an. Bis Ende Oktober hatte sich Richard Löwenherz jedoch entschlossen, mit seinem Heer nach Jerusalem zu marschieren, ging dabei jedoch sehr vorsichtig vor und war am 23. Dezember mit seinen Männern erst bis nach Latrun vorgerückt, das etwa auf halber Strecke zwischen Jaffa und Jerusalem liegt. Am 3. Januar 1192 stand Richards Heer schon bei Bait Nuba (Betenoble), rund zwanzig Kilometer vor Jerusalem, doch da entschloss sich der König – auf Anraten von Vertretern der örtlichen christlichen Gemeinde – zum Rückzug nach Askalon, das nun zunächst mit neuen Befestigungen versehen werden sollte. Am 20. Januar erreichten die Kreuzfahrer die Stadt und machten sich sogleich ans Werk; die Arbeiten an den Stadtmauern und sonstigen Verteidigungsanlagen zogen sich bis Anfang Juni hin. Bereits am 23. Mai war die weiter südlich
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gelegene Festung Darum (Dair al-Balah) im Sturm genommen worden. Dann wollte es Richard noch einmal mit Jerusalem versuchen. Am 7. Juni marschierte sein Heer los und erreichte am 11. Juni erneut Bait Nuba. Dort lagerte es bis gegen Monatsende, doch da die Nachschublinien von Jaffa bedroht wurden und Richard einsah, dass seine Kräfte nicht ausreichen würden, Jerusalem im Falle einer erfolgreichen Eroberung auch zu halten, zog er sich wiederum zurück, nachdem sich die Option eines Einfalls nach Ägypten aufgetan hatte. Am 26. Juli allerdings zogen die Kreuzfahrer sich bis nach Akkon zurück. Richards Rückzug war Saladins Chance. Am 27. Juli eröffnete dieser einen Angriff auf Jaffa, dessen Befestigungen noch immer schwach waren. Drei Tage später trat die Besatzung in Übergabeverhandlungen ein, doch da war Richard Löwenherz bereits mit einer Entsatztruppe auf dem Seeweg nach Süden. Am folgenden Tag erreichte er Jaffa, fand die Stadt von den Muslimen erobert und die Garnison im Begriff, auch noch die Zitadelle zu übergeben. Indem sie an Land wateten, trieben Richard und seine Männer – unterstützt von einem Ausfall der Zitadellenbesatzung – die demoralisierten Truppen Saladins aus der Stadt. Ein am 5. August unternommener Versuch Saladins, Richards im Vergleich winzige Streitmacht – es werden wohl kaum fünfzig Ritter gewesen sein, von denen höchstens zehn noch im Besitz ihrer Pferde waren; dazu einige hundert Armbrustschützen – mit einem Überraschungsangriff zu überwältigen, scheiterte, sobald die Muslime erkannten, dass es den Christen gelang, eine starke Verteidigungsformation zu bilden. In der Politik allerdings war Richard nicht annähernd so erfolgreich wie auf dem Schlachtfeld. Seine Unterstützung Guidos von Lusignan, dem er seine Eroberungen überlassen wollte, wurde von Konrad von Montferrat, den französischen Kreuzfahrern und örtlichen Herren vereitelt, die den Kompromiss vom 28. Juli 1191 nie wirklich akzeptiert hatten. Da sie wussten, dass jeglicher Territorialgewinn Richards Löwenherz über kurz oder Lang Guido von Lusignan zugutekommen würde, behinderten sie die militärischen Bemühungen des englischen Königs, wo sie nur konnten, und verhandelten hinter seinem Rücken mit den Muslimen, in der Hoffnung, Saladin werde ihnen Land zuweisen. Im Februar 1192 kam es zu einem erfolglosen Versuch, Akkon für Konrad zu erobern. Richard musste einsehen, dass Guidos politische Situation hoff nungslos war, und berief um den 13. April sein Heer zur Ratsversammlung ein; deren Empfehlung, Konrad solle König werden, nahm er an. Guido entschädigte er, indem er ihm Zypern überließ. Zwar hatte er die Insel zuvor bereits den Templern verkauft, doch nach einer Revolte gegen ihre Herrschaft waren die Ritter nur zu gern bereit, sie wieder zurückzugeben. Kaum zwei Wochen später jedoch war Konrad von Montferrat tot; Assassinen hatten ihn in Tyrus überfallen. Der Auft raggeber des Attentats ist unbekannt, doch die spätere Festnahme Richards bei seiner Rückkehr vom Kreuzzug durch den österreichischen Herzog Leopold V., der an der Belagerung von Akkon teilgenommen hatte, sowie seine weitere Gefangensetzung durch Kaiser Heinrich VI. mag – da beide Männer Vettern Konrads von Montferrat waren – darauf hinweisen, dass sie Richard Löwenherz für den Verantwortlichen hielten – obwohl sowohl Leopold als auch Philipp von Frankreich, der sich in Sachen Richard mit Heinrich VI. abgesprochen hatte, durchaus auch ihre von Richard während des Kreuzzuges erlittenen Demütigungen zum Motiv ihres Handelns
Der Kreuzzug von 1197
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hätten nehmen können. Isabella jedenfalls wurde verheiratet – unter Zustimmung Richards, wenn auch nicht auf seine Initiative hin –, und zwar mit dem Kreuzfahrer Graf Heinrich von Champagne, der das Königreich Jerusalem bis zu seinem Tod im Jahr 1197 regieren sollte. Mitte August 1192 erkrankte Richard. Sein Kreuzzug hatte seinen Schwung eingebüßt, und Nachrichten aus Westeuropa erregten die Sorge des Königs. Am 2. September unterzeichneten seine Emissäre einen Waffenstillstand mit Vertretern Saladins, der drei Jahre und acht Monate lang Bestand haben sollte. Den Christen wurde die Küste Palästinas von Tyrus bis nach Jaffa zugesprochen; Askalon sollte – nach der Schleifung seiner Festungsanlagen – an Saladin zurückgegeben werden. Christen wie Muslime sollten sich in ganz Palästina frei bewegen dürfen. Viele der englischen Kreuzfahrer nutzten die Gelegenheit und besuchten die heiligen Stätten von Jerusalem. Richard, der den Franzosen nicht verziehen hatte, dass sie seinen Feldzug behindert hatten, tat sein Bestes, um ihnen den Besuch zu erschweren. Am 9. Oktober 1192 stach Richard von Akkon aus nach Europa in See.
Der Kreuzzug von 1197 Der Kreuzzug von 1197
Der Dritte Kreuzzug hatte ein Nachspiel. Kaiser Friedrich Barbarossa war sein ältester Sohn als Heinrich VI. nachgefolgt. Heinrichs Ambition war es, das römisch-deutsche Reich in eine Erbmonarchie zu verwandeln; außerdem war er entschlossen, Sizilien zu befrieden, auf das er im Namen seiner Gemahlin Anspruch erhob, jedoch mit Waffengewalt für sich hatte sichern müssen. Beide Vorhaben mögen Heinrich zu der Ansicht gebracht haben, dass ein weiterer Kreuzzug in den Osten seinem internationalen Ansehen nur zuträglich sein konnte, nachdem der von Richard Löwenherz mit Saladin geschlossene Waffenstillstand ausgelaufen war. Zudem wird es auch Heinrich nicht an jenem Kreuzzugsenthusiasmus gemangelt haben, der zur damaligen Zeit so überaus weit verbreitet war. Die Tatsache, dass das Kreuzzugsgelübde seines Vaters Friedrich aufgrund von dessen plötzlichem Tod unerfüllt geblieben war – und Heinrich sich nun womöglich verpflichtet fühlte, dies nachzuholen –, könnte ein Übriges getan haben. Heinrich nahm das Kreuz in der Karwoche 1195 und rief seine Untertanen anlässlich eines feierlichen Hoftages, der am Ostersonntag in Bari stattfand, persönlich zum Kreuzzug auf, wobei er den Teilnehmern an der geplanten Expedition versprach, ihre Reihen mit 3000 berittenen Söldnern zu verstärken. Im Juni brach er nach Deutschland auf, um für sein Vorhaben zu werben, und am 1. August veröffentlichte auch Papst Coelestin III. einen Aufruf zum Kreuzzug und forderte den deutschen Klerus dazu auf, das Kreuz zu predigen. Im Oktober und Dezember wohnte Heinrich VI. in Gelnhausen und Worms persönlich der Anwerbung deutscher Adliger bei. In Gelnhausen stimmte er einem Vorschlag zu, der ihm von Abgesandten des lateinischen Herrn von Zypern unterbreitet wurde und der besagte, dass die Insel ein Vasallenkönigreich des Kaiserreiches werden sollte. Bald darauf wurden in dieser Angelegenheit Verhandlungen aufgenommen, die schließlich dazu führten, dass auch der Herrscher von Kleinarmenien ein Vasallenkönig wurde.
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Die Planungen für einen erneuten Kreuzzug wurden anlässlich einer im März 1196 auf einem Reichstag in Würzburg abgeschlossen, und ein Jahr später versammelte sich ein ansehnliches deutsches Heer in den Häfen von Süditalien und Sizilien. Angeführt wurde es von dem Mainzer Erzbischof; vermutlich hatte Heinrich, der von gesundheitlichen Problemen geplagt war und außerdem erneute Unruhen in Sizilien niederzuwerfen suchte, mittlerweile jede Hoff nung aufgegeben, auf dem Kreuzzug selbst das Kommando zu führen. Am 22. September 1197 lief der Hauptteil der deutschen Flotte im Hafen von Akkon ein. Die Deutschen besetzten Sidon und Beirut, die von den Muslimen aufgegeben worden waren, und belagerten Toron, doch dann ließ eine Nachricht aus der Heimat ihren Kreuzzug auseinanderbrechen. Am 28. September war Kaiser Heinrich VI. in Messina gestorben. Heinrichs Sohn Friedrich war zu diesem Zeitpunkt noch keine drei Jahre alt und die Zukunft des Deutschen Reiches wie auch des Kaiserreiches somit ungewiss. Am 1. Juli 1198 schlossen die Kreuzfahrer einen Waffenstillstand mit ihren muslimischen Gegnern, in dem der christliche Besitz von Beirut anerkannt wurde. Bis zum Ende des Sommers waren die meisten der führenden Kreuzfahrer in ihre Heimat aufgebrochen, um ihre dortigen Anrechte und Besitzungen zu verteidigen. Sowohl der eigentliche Dritte Kreuzzug als auch der Kreuzzug von 1197 zeigten, dass die Kreuzzugsbewegung noch immer echten Enthusiasmus in ganz Europa entfachen konnte, wenn es in der Levante eine Krise gab, und dass in einer solchen Situation folglich ein großes Kreuzfahrerheer ins Feld geführt werden konnte. Die entsprechenden für jene Jahre überlieferten Zahlen zu Truppen- und Materialtransporten in den Nahen Osten sind wirklich bemerkenswert. Noch 1188 hatten die Christen bis auf Tyrus sowie ein oder zwei isolierte Festungen im Landesinneren alle Stützpunkte in Palästina eingebüßt gehabt; bis 1198 hatten sie beinahe die gesamte palästinensische Küste zurückerobert. Dies sollte die Existenz des Königreichs Jerusalem für ein weiteres Jahrhundert sichern, denn es beseitigte die Bedrohung, die ägyptische Flotten aus dem Nildelta bislang für die Seewege von der Levante nach Westeuropa dargestellt hatten – und das zu genau der Zeit, als Akkon zum wichtigsten Hafen des östlichen Mittelmeerraums aufstieg. Der Kreuzzug von 1197 scheint der erste gewesen zu sein, bei dem Söldnerkontingente eine maßgebliche Rolle spielten. In den Jahren 1191 / 1192 müssen diese bezahlten Truppen bereits in Palästina eingesetzt worden sein – in den Quellen sind sie allgegenwärtig –, aber das Vorgehen Heinrichs VI. im Jahr 1197 beinhaltete erstmals den „Export“ eines großen Söldnerheeres aus Westeuropa. So wandelte sich auch eine Invasion Ägyptens, die die Fantasie der Kreuzfahrer und lateinischen Siedler von Anfang an beschäft igt hatte, vom bloßen Wunschtraum zum mehr oder minder konkreten Plan. Als sich im Juni 1192 sein Aufenthalt im Osten dem Ende zuneigte, hatte Richard Löwenherz eine Diskussion über das endgültige Ziel des Dritten Kreuzzuges angeregt. Ein Komitee, das sich aus Angehörigen der Ritterorden, Vertretern der Siedlerschaft sowie des Kreuzfahrerheeres zusammensetzte, hatte sich auf Ägypten als Endziel des Feldzuges geeinigt, womit allerdings die Angehörigen des von König Philipp von Frankreich zurückgelassenen Kontingents nicht einverstanden waren. Letzlich schien in der Entscheidung der Kreuzfahrer, in den Hügeln von Judäa nicht
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alles zu riskieren, ein neuer Realismus auf, der andererseits natürlich zur Folge hatte, dass ihnen Jerusalem entging. Dieses Versäumnis hilft zu verstehen, warum ein geradezu obsessives Faible für das Kreuzfahrertum auch weiterhin sämtliche Schichten der westeuropäischen Gesellschaft durchzog.
Papst Innozenz III. Papst Innozenz III.
Als die Deutschen mit ihrem Rückzug aus Palästina begannen, gab es schon seit einer Weile einen neuen Papst, denn am 8. Januar 1198 hatte Lothario dei Conti di Segni als Innonzenz III. den Stuhl Petri bestiegen. Er war zu diesem Zeitpunkt 37 oder 38 Jahre alt und somit ein vergleichsweise junger Papst. Mit seiner energisch-scharfsinnigen Art neigte Innozenz in der Beurteilung von Menschen und bei Entscheidungsfragen zu allzu raschem Urteil, und das selbst in seinen Rechtsentscheiden. Er hatte eine außerordentlich hohe Meinung von seinem Amt als Stellvertreter Christi auf Erden, dessen Autorität sich auf restlos alle kirchlichen Belange und – als letzte Instanz – sogar auf weltliche Angelegenheiten erstreckte. Man sollte allerdings betonen, dass seine Bestrebungen hauptsächlich seelsorgerischer Natur und seine Entscheidungen in der Regel pragmatisch waren. Innozenz’ Vorstellungen und Temperament ließen ihn weitaus größeren Anteil an der Leitung der Kreuzzüge nehmen, als dies bei seinen Vorgängern der Fall gewesen war; jene hatten die Planung und Durchführung der Kreuzzüge, nachdem sie sie erst einmal gepredigt hatten, den Laien überlassen. Das ganze 12. Jahrhundert hindurch hatten gekrönte Häupter an der Spitze der Kreuzzugsbewegung gestanden: König Ludwig VII. von Frankreich und der römisch-deutsche König Konrad III.; der englische König Richard I. Löwenherz und König Philipp II. von Frankreich; schließlich der römisch-deutsche König und Kaiser Friedrich Barbarossa. In der Forschung ist oft die Vermutung geäußert worden, Papst Innozenz habe die Monarchen Europas mit voller Absicht von der Führung der von ihm geplanten Kreuzzüge fernhalten wollen. Diese Ansicht ist jedoch irreführend. Viel eher war es wohl so, dass Innozenz in einer Zeit, in der Kaiser Heinrich VI. gerade verstorben war und Richard Löwenherz sowie Philipp von Frankreich, wie es schien, keine große Lust auf einen erneuten Feldzug verspürten, die Verantwortung für ein solches Großunternehmen ganz bewusst selbst in die Hand nahm. Wie die Ereignisse jedoch zeigen sollten, verfügte das Papsttum weder über das rechtliche noch über das organisatorische Vermögen zur erfolgreichen Führung eines Kreuzzuges. Dennoch trug Innozenz III. mehr zur Kreuzzugsbewegung bei als irgendeine andere Person mit Ausnahme Urbans II. Er durfte nicht damit rechnen, tatsächlich selbst mit einem Kreuzfahrerheer ins Feld zu ziehen – bereits im August 1198 räumte Innozenz ein, die Erfordernisse seines Amtes erlaubten ihm eine solche Reise nach Palästina nicht –, aber dennoch war die Kreuzzugsbewegung etwas, das sowohl die spekulative als auch die politische Seite seines Charakters ansprach. Es scheint, dass kein anderer Papst so viel Zeit dem Kreuzzugsgedanken gewidmet hat wie Innozenz III. Kein anderer predigte so
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viele Kreuzzüge. Und vielleicht hätte auch kein anderer Papst ein grundlegendes Prinzip des Kirchenrechts zugunsten der Kreuzzugsbewegung so hastig über den Haufen geworfen, wie er es tat, als er entschied, dass ein Mann auch gegen den Willen seiner Ehefrau das Kreuz nehmen könne, weil sich das Heilige Land in größter Not befinde. Innozenz begründete diese Verletzung des natürlichen Rechts der Frau sowie des kanonischen Prinzips von der Gleichberechtigung beider Partner in der Ehe auf eine Weise, die den Kirchenrechtlern – obwohl sie die Gültigkeit von Innozenz’ Entscheidung nie bestritten haben – immer unbequem geblieben ist. In Analogie zu weltlichen Gegebenheiten argumentierte er folgendermaßen: Da der Widerspruch einer Ehefrau nichts gegen die Forderungen eines irdischen Königs nach Kriegsdienst und Gefolgschaft ausrichten konnte, um wie viel weniger musste er dann im Angesicht Gottes, des Himmelskönigs, gelten? So entwickelte Innozenz ein Argumentationsmuster, das sich auch in seinen Briefen wiederfindet; dass nämlich das Kreuzzugsgelübde – obgleich seinem Wesen nach freiwillig – zugleich ein Gebot der Moral sei. Gott fordere von jedem zu diesem Dienst tauglichen Christen die Teilnahme am Kreuzzug – eine Verpflichtung, der man sich nicht ungestraft entziehen könne: Und all jenen, die ihre Teilnahme verweigern – wenn es denn tatsächlich einen Menschen gibt, der dem Herrn unserem Gott einen derartigen Undank entgegenbringt –, all jenen sagen Wir im Namen des Apostels Petrus ganz entschieden an, dass sie … uns in dieser Sache am Jüngsten Tag vor dem gestrengen Weltenrichter Rede und Antwort werden stehen müssen.
Andererseits wäre es falsch, den Kreuzzug zum alleinigen Inhalt von Innozenz’ Denken zu erklären. Vielmehr war er einer von jenen Enthusiasten, die jedem beliebigen Problem, das sich ihnen bietet, ihre geballte Geisteskraft entgegenbringen, und sein Pontifi kat bietet zahlreiche Beispiele für Angelegenheiten von Rang, denen Innozenz’ starke Hand zugute kam – oder auch nicht. Man hat zudem darauf hingewiesen, dass Innozenz keineswegs mit einem vorgefertigten Kreuzzugsplan zum Papst gewählt wurde; erst im Sommer 1198, also sechs Monate nach seiner Wahl und vermutlich als Reaktion auf das Auseinanderbrechen des Deutschen Kreuzzuges von 1197 /11 98, gab es erste Anzeichen dafür, dass ein solcher Plan im Entstehen begriffen war.
Der Vierte Kreuzzug Der Vierte Kreuzzug
Im August 1198 ließ Innozenz III. mit der Bulle Post miserabile seinen ersten allgemeinen Aufruf zum Kreuzzug ergehen. Er forderte die Könige Richard von England und Philipp von Frankreich auf, einen fünfjährigen Waffenstillstand zu schließen, und bat Philipp zudem um die Bereitstellung von Söldnern; dabei gab der Papst deutlich zu verstehen, dass er – zumindest in dessen Frühphase – die Kontrolle über den Kreuzzug in seiner Hand zu behalten gedachte. Die Kreuzfahrer wurden angehalten, sich ab dem nächsten März zu einem Kriegsdienst von zwei Jahren Dauer bereitzuhalten. Päpstliche Legaten
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sollten nach Palästina entsandt werden, um dort alles für ihre Ankunft vorzubereiten. Der hohe Klerus wurde verpflichtet, entweder Bewaffnete zur Teilnahme am Kreuzzug zu stellen oder den Gegenwert in bar zu zahlen. Auch kam es zu einer Neufassung der bislang verwandten Ablassformel. Innozenz hatte sich für die modernere Variante der Bußtheologie entschieden, das heißt für ein Ablassverständnis wie in den Schriften Bernhards von Clairvaux und Eugens III. Indem er dies tat, begründete Innozenz den Ablass, wie er Katholiken seitdem bekannt ist. Der Papst erklärte nun nicht mehr einfach, ein Bußakt sei hinreichend. Stattdessen rückte, da nun dem Sünder die Vergebung seiner Sünden im Namen Gottes versprochen wurde, das liebevolle Wohlwollen eines barmherzigen Gottes in den Mittelpunkt: Er werde, indem er dem reuigen Sünder für die andächtige Verrichtung eines verdienstvollen Werkes den rechten Lohn erteilte, jeglichen Makel von dem nunmehr Geläuterten hinwegnehmen – immer vorausgesetzt, dass auf eine aufrichtige Beichte die Absolution durch den Beichtvater erfolgt war: Im Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes, kraft der Autorität der heiligen Apostel Petrus und Paulus sowie unserer eigenen Nichtswürdigkeit eingedenk, gewähren wir, durch die uns von Gott verliehene Vollmacht, zu binden und zu lösen, all denen, die sich persönlich, freien Willens und auf eigene Kosten den Mühen jener Reise aussetzen, die völlige Vergebung aller Sünden, die sie in ihrem Herzen bereut haben und die ihre Zunge bekannt hat; und als Belohnung für diese Gerechten versprechen wir ihnen einen größeren Anteil am ewigen Heil.
Diese Formulierung machte den Zeitgenossen Eindruck. Gottfried von Villehardouin, der bei diesem Kreuzzug eine führende Rolle spielen sollte, schrieb: „weil der Ablass so groß war, wurden die Herzen der Menschen so stark bewegt, und weil der Ablass so groß war, nahmen viele das Kreuz.“ Anfangs kann Innozenz nicht von einem allzu großen Feldzug ausgegangen sein, denn er setzte für die Vorbereitungen lediglich sechs Monate an. Ende August 1198 schrieb er dann allerdings an alle Erzbischöfe und ging noch einmal näher auf die Forderungen nach Männern und Geld ein, die er bereits an sie gestellt hatte. Er verlangte von ihnen, Provinzialsynoden einzuberufen, die diesen Punkt erörtern sollten. Mindestens eine dieser Versammlungen trat dann auch tatsächlich zusammen – gegen Ende des Jahres 1198 in Dijon –, und viele der anwesenden Bischöfe sicherten zu, dem Kreuzzugsunternehmen mehr als ein Dreißigstel – also über drei Prozent – der Einnahmen ihrer Bistümer zur Verfügung zu stellen. Ein Jahr später, am 31. Dezember 1199, veröffentlichte Innozenz III. eine weitere Bulle, Graves orientalis terrae, durch welche der gesamten Kirche mit Ausnahmen eine Einkommenssteuer von einem Vierzigstel – also 2,5 Prozent – auferlegt wurde, „wie es die überaus große Notwendigkeit verlangt“. Die Laien sollten außerdem dazu ermuntert werden, großzügige Almosen zu geben; zu diesem Zweck wurden in den Kirchen Spendentruhen aufgestellt. Die Einkünfte sollten jenen Kreuzfahrern zugutekommen, die sich die Teilnahme am Kreuzug anders nicht hätten leisten können und gelobt hatten, mindestens ein Jahr im Heiligen Land zu bleiben; man berücksichtigte aber auch jene, die Söldner schickten, anstatt selbst ins Feld zu ziehen.
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Dies war der erste Schritt in einem Prozess, der in der Folge zu einem ausgeklügelten System von Kirchensteuern führen sollte. Zwar stimmt es, das die Kreuzzugsteilnahme mit der Zeit so teuer geworden war, dass früher oder später eine bessere Zusatzfinanzierung gefunden werden musste, als sie die Sondersteuern gewesen waren, die europäische Monarchen im 12. Jahrhundert erhoben hatten. Allerdings deutet der Umstand, dass innerhalb von sechzehn Monaten eine allgemeine Aufforderung, durch Geldspenden zu einem spontan angesetzten Feldzug beizutragen, zu einer umfassenden Besteuerung der gesamten Kirche werden konnte, eher darauf hin, dass der ursprüngliche Plan für den Kreuzzug zugunsten eines weitaus ambitionierteren Vorhabens aufgegeben worden war. Tatsächlich muss Innozenz III. innerhalb von etwa einem Monat nach der Veröffentlichung der Bulle Post miserabile von einer Entwicklung gehört haben, die diesen Sinneswandel herbeiführte. Der Waffenstillstand, der am 1. Juli 1198 zwischen dem Königreich Jerusalem und al-ʿAdil, dem nunmehrigen Oberhaupt der Familie Saladins, geschlossen worden war, sollte nämlich fünf Jahre und acht Monate gelten. Dies machte einen Kreuzzug nach Palästina unpassend, und als dann doch Kreuzfahrer aus dem Westen in Jerusalem eintrafen, beschied ihnen der König in deutlichen Worten, dass militärische Operationen untersagt waren. Die Nachricht von dem Waffenstillstand muss Italien Ende September oder Anfang Oktober 1198 erreicht haben, und es scheint, dass der ursprüngliche Kreuzzugsplan daraufhin abgeändert und erweitert wurde. Seine vollentwickelte Form finden wir in den Zeilen eines Vertrages, den Abgesandte der Kreuzzugsführung im Früjahr 1201 mit Venedig schlossen. Die Venezianer verpflichteten sich in einer geheimen Zusatzklausel, 4500 Ritter mit einer entsprechenden Zahl von Pferden über das Mittelmeer nach Alexandria in Ägypten zu transportieren, dazu 9000 Knappen sowie 20 000 „wohlbewaffnete“ Fußsoldaten. Dies war eine gewaltige Streitmacht: Dreizehn Jahre später in der größten Schlacht, die Westeuropa in jenen Jahren gesehen hat, bei Bouvines betrug die Gesamtzahl der Soldaten beider Seiten weniger als 20 000! Auch unter den späteren Kreuzzügen mit Flotteneinsatz findet sich kein Beispiel, das an solche Zahlen herankäme. Insbesondere die Anzahl von 20 000 Fußsoldaten ist ungewöhnlich hoch und so spezifisch, dass es schwerfällt zu glauben, die nach Venedig gereisten Abgesandten – von denen drei oder vier über eigene Kreuzzugserfahrung verfügten – hätten dabei allein an Freiwillige gedacht. Es drängt sich der Schluss auf, dass die Unterhändler bei der Miete von Schiffsraum für derart viele Fußtruppen hauptsächlich Söldnertruppen im Sinn hatten. Wie es scheint, war also ein Kreuzzug jener Art beabsichtigt, wie sie in den 1195 gefassten Plänen Heinrichs VI. bereits ihren Schatten vorausgeworfen hatte, ein Kreuzzug also, bei dem ein Kern von Kreuzfahrern ein viel größeres, aus Europa in das Heilige Land verschifftes Söldnerheer befehligen sollte. Die Entscheidung, in einer solchen Größenordnung auf bezahlte Kämpfer zurückzugreifen, liefert die Erklärung für die Besteuerung der Geistlichkeit: Der plötzliche Geldbedarf, der sich in ihnen ausdrückte, war vor allem den erwarteten Kosten für die Anwerbung dieser Männer geschuldet. Auf den ersten Blick muss es seltsam, ja in Anbetracht der immensen Transportkosten geradezu verschwenderisch erscheinen, ein ganzes Heer in Europa anmieten zu wollen, obwohl
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man in Palästina weit billiger zum Zuge gekommen wäre. Im Hintergrund stand hier jedoch der Plan, Alexandria durch den Überraschungsangriff einer direkt aus Europa eintreffenden Flotte zu erobern; wer direkt auf Ägypten zielte, konnte nicht in Palästina Söldner anwerben. Wie wir gesehen haben, hatten die Kreuzfahrer Ägypten bereits bei ihrer ersten Ankunft im Heiligen Land ins Visier genommen. Das Land am Nil sollte das Ziel des Fünften Kreuzzuges sowie des ersten Kreuzzuges Ludwigs IX. von Frankreich bilden, und noch den Kreuzzugsstrategen des 14. Jahrhundert schwebte es wie eine Fata Morgana vor Augen, die am Horizont lockt. Dieses Interesse ist verständlich, war Ägypten doch das bei Weitem reichste Land in dieser Weltgegend. Dazu hatte es sowohl im Alten als auch im Neuen Testament eine Rolle gespielt. Es war ein Teil des christlichen Römischen Reiches gewesen und verfügte noch immer über eine große christliche Bevölkerung. Auch eine Eroberung Ägyptens konnte als Befreiung eines zu Unrecht von einer fremden Macht okkupierten Territoriums gerechtfertigt werden. Der europäische Handel würde zudem von ihr profitieren, da Ägypten nicht nur an mehreren internationalen Handelsrouten lag, sondern seine Flotte die Verbindungen zwischen der Levante und Westeuropa bedrohte. Noch wichtiger war die Überzeugung, ein Erfolg in Ägypten könne langfristig durchaus zu einer Rückeroberung Jerusalems führen. Solange die Lateiner Ägypten beherrschten, fänden sich die Muslime in der Defensive. Es war bekannt, dass das jährliche Hochwasser, die lebensspendende Nilschwelle, zuletzt ausgeblieben war und Ägypten sich in einer schweren wirtschaft lichen Krise befand. Wenn Alexandria fiele, glaubte man, würde auch das übrige Ägypten einer Invasion nicht standhalten können. Obwohl Alexandria seinen wirtschaft lichen Vorrang mittlerweile von Akkon herausgefordert sah, blieb es doch der Endpunkt der durchweg bedeutendsten Gewürzhandelsroute aus dem Fernen Osten und das größte Handelszentrum, das die Kaufleute des Mittelmeeraums kannten. Ein verlockenderes und zugleich leichteres Ziel war, schien es, kaum vorstellbar. In die Häfen von Alexandria konnte eine feindliche Flotte leicht eindringen, und die Verwundbarkeit der Stadt selbst hatte sich bereits am 29. Juli 1174 gezeigt, als eine große sizilianische Streitmacht vor deren Mauern gelandet war, während christliche Galeeren ungehindert in einen der Häfen vorgestoßen waren. Am 1. August hatten sich die Sizilianer abrupt zurückgezogen, doch sollte die Schwäche der Stadt Alexandria später noch einmal deutlich werden, als sie – wie wir noch sehen werden – 1365 kurzzeitig durch den Kreuzzug König Peters I. von Zypern besetzt wurde. Im Jahr 1202 nun sollten sich die Kreuzzugsteilnehmer im April in Venedig versammeln, von wo sie – so der ursprüngliche Plan – Ende Juni in Richtung Alexandria in See stechen sollten. Dies hätte eine Ankunft in Ägypten Ende Juli oder Anfang August bedeutet, zur Zeit der alljährlichen Nilschwelle, die es den Ägyptern erschwert hätte, zusätzliche Truppen zur Verteidigung Alexandrias zu entsenden. Den Angreifern hätte dies ermöglicht, ungestört eine Reihe von Angriffen auf die Stadt durchzuführen und später, wenn das Hochwasser Ende Oktober zurückging, in das Landesinnere vorzustoßen. Ein großer Teil dieser Planungen muss gleichsam hinter der Bühne stattgefunden haben. Zwar stießen die Auftritte des Kreuzzugspredigers Fulko von Neuilly auf starke
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Anteilnahme, aber man hat dennoch vermutet, dass sich der Enthusiasmus der Adligen und Ritter nur sehr zögerlich entwickelte. Das muss jedoch ein Trugschluss sein, und die Reihe melodramatischer Auft ritte, mit denen im Winter 1199 / 1200 zahlreiche Freiwillige das Kreuz nahmen und die das spät erwachte Interesse einer breiteren Öffentlichkeit zu signalisieren scheinen, sollten wohl eher als Beispiele jenes sorgsam inszenierten Kreuzzugs-Theaters betrachtet werden, das im hohen Mittelalter nur allzu verbreitet war. So nahmen anlässlich eines Turniers, das am 28. November 1199 in Écry (dem heutigen Asfeld-la-Ville) veranstaltet wurde, die jungen Grafen Theobald III. von Champagne und Ludwig von Blois das Kreuz, gemeinsam mit vielen ihrer Vassallen und zwei bedeutenden Herren der Île-de-France, Simon von Montfort und Rainald von Montmirail. Am 23. Februar des darauffolgenden Jahres, einem Aschermittwoch, legte auch Theobalds Schwager, Graf Balduin von Flandern, das Kreuzzugsgelübde ab, ebenso wie Balduins Brüder Heinrich und Eustachius sowie zahlreiche Vasallen. Die drei Grafen Theobald, Ludwig und Balduin waren nahe Verwandte und entstammten zudem Familien, in denen die Teilnahme am Kreuzzug eine lange Tradition hatte. Das machte sie zu natürlichen Anführern der neuen Kreuzzugsbewegung, und sie handelten gemeinsam. Bei einem Treffen in Soissons wurde beschlossen, die weitere Planung auszusetzen, solange sich nicht mehr Teilnehmer gemeldet hatten. Zwei Monate später erteilte eine weitere Versammlung, die in Compiègne abgehalten wurde, sechs Männern, von denen jeder der Grafen jeweils zwei ausgewählt hatte, die Vollmacht, mit einer der italienischen Seerepubliken günstige Konditionen für den Truppentransport auszuhandeln. Die sechs Gesandten, darunter der berühmte Troubadour Conon von Béthune sowie der zukünft ige Chronist des Vierten Kreuzzuges Gottfried von Villehardouin, entschieden sich, als erstes mit den Venezianern Kontakt aufzunehmen. Nachdem sie mitten im Winter die Alpen überquert hatten, legten sie dem Dogen Enrico Dandolo und dessen Beratern ihr Anliegen dar. Der Doge war bereits sehr alt und fast blind, aber ein erfahrener, kultivierter, kluger und beharrlicher Mann. Die Unterhändler erwirkten die bereits beschriebene Vereinbarung und legten einen Preis von 85 000 Kölnischen Mark fest. Das war nicht überteuert. Der Betrag sollte bis April 1202 in Raten gezahlt werden. Bei einer Versammlung im Markusdom wurde der Vertrag feierlich ratifiziert; eine Kopie wurde dem Papst zur Bestätigung übersandt. Die Gesandtschaft kehrte nach Frankreich zurück, wo sie Theobald von Champagne auf dem Sterbebett vorfand. Nachdem sowohl der Herzog von Burgund als auch der Graf von Bar-le-Duc es abgelehnt hatten, an seine Stelle zu treten, beschloss eine Ende Juni 1201 in Soissons abgehaltene Versammlung, dem Markgrafen Bonifatius von Montferrat den Oberbefehl über das Kreuzfahrerheer anzutragen. Bonifatius verfügte selbst über keinerlei Kreuzzugserfahrung; jedoch sind uns bereits seine Brüder Wilhelm – der Sibylle von Jerusalem heiratete – und Konrad – der Ehemann von Sibylles Halbschwester Isabella – begegnet. Ein dritter Bruder, Rainer von Montferrat, hatte eine griechische Prinzessin geheiratet und war im Byzantinischen Reich bis zum Caesar aufgestiegen, 1183 jedoch ermordet worden. Es wurde bereits auf die ausgezeichneten Beziehungen der Familie Montferrat hingewiesen, die eng mit den französischen und deutschen Königs-
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häusern verwandt war; es ist sogar gut möglich, dass König Philipp von Frankreich persönlich Bonifatius von Montferrat als Anführer des Kreuzfahrerheeres vorgeschlagen hat. Bonifatius war einer der angesehensten Feldherren seiner Zeit; sein Hof war ein Zentrum höfisch-ritterlicher Kultur. Außerdem war er ein enger Freund und Gefolgsmann Philipps von Schwaben, eines jüngeren Bruders des verstorbenen Kaisers Heinrich VI. 1198 zum König gewählt, war Philipp ein Anwärter auf den Kaiserthron und befand sich daher im Streit mit dem Papst, der mittlerweile seinem Rivalen Otto von Braunschweig den Vorzug gab. Durch Heirat war Philipp von Schwaben mit dem byzantinischen Kaiserhaus verbunden, denn seine Ehefrau war die Prinzessin Irene von Byzanz, deren Vater, Kaiser Isaak II. Angelos von seinem Bruder Alexios III. Angelos abgesetzt, geblendet und mitsamt seinem Sohn Alexios, Irenes Bruder, eingekerkert worden war. Bonifatius von Montferrat kam im Spätsommer 1201 nach Soissons, übernahm das Kommando über das Kreuzfahrerheer und nahm das Kreuz. Sodann zog er über Cîteaux, wo eine große Kreuznahmezeremonie mit einer Versammlung des Generalkapitels des Zisterzienserordens zusammenfiel, nach Deutschland hinüber, um dem Weihnachtshoftag Philipps von Schwaben in Hagenau im Elsass beizuwohnen. Zu diesem Hoftag kam auch der junge Alexios Angelos, Philipps Schwager, der seinem Onkel entwischt und in den Westen geflohen war, um dort Hilfe für seinen abgesetzten Vater zu erbitten. Es ist möglich, dass in Hagenau eine Verschiebung des Feldzuges nach Alexandria sowie ein stattdessen mithilfe des Kreuzfahrerheeres zu erzwingender Machtwechsel in Konstantinopel diskutiert wurde – zwei Punkte, die womöglich Alexios im folgenden Februar und Bonifatius Mitte März dem Papst zu Gehör brachten. Wenn dem so war, dann wies Innozenz III. jegliches derartige Ansinnen weit von sich, und es scheint nicht so, dass vor dem Eintreffen der Kreuzfahrer in Venedig Mitte des Sommers 1202 eine Einigung in dieser Frage erzielt wurde. Der Vorschlag, sich doch an der Eroberung von Alexandria zu versuchen, hatte sich derart weit verbreitet, dass er gerüchteweise sogar bis nach Ägypten selbst vorgedrungen war. Nun hieß es, die Ägypter wollten die Venezianer bestechen, um den Transport des Kreuzfahrerheeres zu verhindern. Allerdings hätten die Ägypter sich ihre Bemühungen durchaus sparen können, denn die Anwerbung von bis zu 20 000 Fußtruppen überstieg die Möglichkeiten und Ressourcen der Kreuzzugsführung, insbesondere, da nach Ausweis der Quellen bis zu jenem Zeitpunkt noch keinerlei Einkünfte aus der Besteuerung des Klerus zu verzeichnen gewesen waren – geschweige denn, dass diese Einkünfte dorthin gelangt wären, wo sie gebraucht wurden. Tatsächlich war der Widerwillen gegen die neuen Abgaben so groß, dass einige englische Steuerforderungen erst 1217 beglichen wurden; 1208 waren jene in einigen Teilen Italiens noch nicht einmal gestellt worden. Selbst wenn es jedoch möglich gewesen wäre, eine solche Streitmacht in der Kürze der Zeit zu rekrutieren, krankte der Plan einer direkten Invasion Ägyptens auf dem Seeweg an übergroßem Ehrgeiz. Zwar war es den Sizilianern 1174 gelungen, Alexandria zu erreichen, aber ihre Streitmacht war wesentlich kleiner gewesen und ihr Angriff war gescheitert. Nach 1204 sollte man aus der Geschichte lernen: Weder der Fünfte Kreuzzug noch der erste Kreuzzug Ludwigs IX. begannen ihre Invasionen Ägyptens auf dem Seeweg.
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Vielmehr zog sich das Heer des Fünften Kreuzzuges 1218 in Palästina zusammen, während König Ludwig mit seinen Truppen 1248 / 1249 auf Zypern überwinterte. Im April 1202 war Papst Innozenz III. noch voller Hoffnung – jedenfalls gab er sich so –, aber sein Dekret vom September 1201, demzufolge Kreuzfahrer sich auch gegen den Willen ihrer Ehefrauen dem Kreuzzug anschließen durften, muss doch als Zeichen einer wachsenden Verzweiflung gewertet werden. Außerdem erzählte man sich jetzt, viele der Kreuzfahrer seien mit dem ganzen Unternehmen unzufrieden. Einige lösten ihre Gelübde nicht ein; andere beschlossen, nicht über Venedig zu reisen, sondern trafen ihre eigenen Vorkehrungen und begaben sich auf direktem Weg nach Palästina. Viele von denen, die nicht nach Venedig kamen, gingen wohl davon aus, dass der Plan einer direkten Invasion Ägyptens nun, da die Anführer des Kreuzzuges nicht in der Lage gewesen waren, die erforderlichen Söldner anzuwerben und zu entlohnen, aufgegeben worden war. Die aber, die kamen, kamen unpünktlich, und im Frühherbst 1202 stellte sich heraus, dass lediglich ein Drittel der erwarteten 33 500 Männer – einschließlich etwa 1500 bis 1800 Rittern – in Venedig bereitstanden. Daraus folgte, dass – trotz aller Mühen und aller Großzügigkeit seitens der Kreuzzugsführung, die tief in ihre eigenen Taschen gegriffen hatte – die Kreuzfahrer den Venezianern eine Summe von 34 000 Mark Silber für Transportdienste schuldig blieben, für die bereits Vorkehrungen getroffen waren. Die Venezianer hatten nämlich in einem gewaltigen Bauprogramm – und zulasten ihrer eigenen Handelsinteressen – eine Flotte von etwa 500 Schiffen auf Kiel gelegt und waren nun fest entschlossen, das ihnen zustehende Geld einzutreiben. Sie drohten sogar, dem Kreuzfahrerheer, das auf dem Lido, der großen Insel, durch welche die Lagune von Venedig zum Adriatischen Meer hin geschlossen ist, lagerte, die Lebensmittelversorgung zu kappen. Zudem nahte der Winter und mit ihm das Ende der Segelsaison. Ohne auch nur Europa verlassen zu haben, waren die Anführer des Vierten Kreuzzuges in eine der Kreuzfahrerfallen getappt, nämlich den – trotz Papst Innozenz’ revolutionärem Versuch, sie durch Kirchensteuern zu unterstützen – zur Verzweiflung treibenden Geldmangel. An diesem Punkt schlug ihnen der Doge eine einstweilige Stundung ihrer Schulden vor, bis diese aus der zu erwartenden Kriegsbeute bezahlt werden konnten. Er tat dies unter der Bedingung, dass die Kreuzfahrer Venedig bei der Rückeroberung des Hafens von Zadar an der dalmatischen Küste unterstützten, den die Ungarn in ihre Gewalt gebracht hatten. Die Anführer des Kreuzzuges willigten ein und fanden sich somit in einer kuriosen Lage wieder: Sie sollten ihren Feldzug mit dem Angriff auf eine christliche Stadt eröffnen, die noch dazu einem Kreuzfahrer gehörte, denn König Emmerich von Ungarn hatte selbst das Kreuz genommen. Unabhängig davon, wie es nun im Einzelnen um die Rechtmäßigkeit von Emmerichs Anspruch auf Zadar bestellt gewesen sein mag, war die Kirche verpflichtet, ihn in diesem zu unterstützen, gerade so, wie sie auch verpflichtet war, das Eigentum jener Männer zu schützen, die ihre Heimat verlassen hatten und nun die Einnahme von Zadar vorbereiteten. Unter den Kreuzfahrern griff dennoch eine gewisse Unruhe um sich, zumal die Venezianer sich geweigert hatten, die Legitimation des päpstlichen Legaten Peter von Capua anzuerkennen, und ihn kurzerhand gezwungen hatten, nach Rom zurückzukehren. Auch wuchs die Zahl der Fahnenflüchtigen, und
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bevor er Venedig verlassen musste, ermahnte Peter von Capua – der sich zu dem Plan, Zadar anzugreifen, anscheinend nicht geäußert hat – einige hochrangige Kleriker, ihre Zweifel zu begraben und bei dem Kreuzfahrerheer zu bleiben, um dessen geistliche Führung zu sichern. Sogar Bonifatius von Montferrat hielt es für angebracht, dem Kreuzzug den Rücken zu kehren und nach Rom zu reisen. Erst nach der Einnahme von Zadar schloss er sich dem Kreuzfahrerheer erneut an. Nachdem ihre Bedingungen akzeptiert worden waren, nahmen Enrico Dandolo sowie viele führende Venezianer das Kreuz. Eine Flotte von über 200 Schiffen, darunter sechzig Galeeren, verließ Venedig Anfang Oktober 1202. Viele dieser Schiffe waren eigens für einen direkten Angriff auf Alexandria konzipiert worden. Ein Augenzeuge erinnerte sich später, dass „in den bauchigen Schiffen über 300 Katapulte und Mangonellen [eine Art Miniaturkatapult] mitgeführt wurden, dazu ein reichlicher Vorrat an allen Arten von Kriegsmaschinen, die man zur Einnahme einer Stadt benötigt“. Die Schiffe konnten Seite an Seite gelegt werden, um schwimmende Geschützbatterien zu bilden. Neben der Artillerie zum Schießen mit Steinen und Griechischem Feuer waren sie auch mit Sturmleitern und Enterbrücken ausgerüstet. Einige waren auf den Transport von Pferden ausgelegt, die sie dann, mitsamt ihren Reitern, über eine Rampe direkt auf den Strand absetzen konnten. Sie segelten langsam die Adriaküste hinunter, um andere tributpflichtige Städte durch diese Machtdemonstration zu beeindrucken; am 10. November erschienen sie vor Zadar. Das Heer ging an Land, aber nun erreichte sie ein Brief des Papstes, der ihnen nicht nur verbot, christliche Städte anzugreifen, sondern Zadar dabei noch explizit beim Namen nannte. Einige führende Kreuzfahrer, am lautesten der Zisterzienserabt Guido von Vaux-de-Cernay und Simon von Montfort, protestierten im Namen des Papstes gegen eine Belagerung Zadars und sandten sogar Nachrichten an die Verteidiger der Stadt, in denen sie diese dazu ermutigten, Widerstand zu leisten. Dann zogen sich die Beschwerdeführer in einige Entfernung zurück und hatten mit dem weiteren Verlauf der Ereignisse nichts mehr zu tun. Am 24. November fiel Zadar und wurde geplündert; Kreuzfahrer und Venezianer teilten sich die Beute. Da das Jahr mittlerweile zu weit vorangeschritten war, als dass man noch hätte weiterziehen können, war der Entschluss schnell gefasst gewesen, in Zadar zu überwintern. Dort stieß denn auch Bonifatius von Montferrat Mitte Dezember wieder zum Kreuzfahrerheer. Ihm dicht auf den Fersen kam eine Gesandtschaft Philipps von Schwaben, die im Namen des jungen Alexios Angelos erklärte, wenn die Kreuzfahrer ihm und seinem Vater helfen würden, den Thron von Byzanz zurückzuerlangen, werde das Patriarchat von Konstantinopel sich dem Papst in Rom unterordnen, Kreuzfahrer und Venezianer würden gemeinsam 200 000 Mark Silber erhalten und die Griechen das gesamte Heer des Vierten Kreuzzuges kostenlos für ein weiteres Jahr mit Proviant versorgen. Alexios ließ zudem ausrichten, er selbst wolle sich gern dem Kreuzzug anschließen, wenn dies gewünscht werde. In jedem Fall wolle er ein Kontingent von 10 000 Griechen beisteuern sowie in Palästina für den Rest seines Lebens und auf eigene Kosten eine Truppe von 500 Rittern unterhalten. Man darf nicht vergessen, dass der Plan, Alexandria zu erobern, zu diesem Zeitpunkt
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noch nicht aufgegeben worden war: Man hatte ihn lediglich aufgeschoben. Acht Monate später teilt Graf Hugo von Saint-Pol aus dem Feldlager vor den Toren Konstantinopels in einem Brief an Heinrich von Brabant mit, man habe Gesandte mit einer Kriegserklärung nach Ägypten geschickt. „Du sollst wissen“, so schrieb er an Heinrich, „dass wir vor den Mauern von Alexandria mit dem Sultan von Ägypten ein Turnier zu halten gedenken.“ Nach dem Fall Konstantinopels kritisierte Raimbaut von Vaqueiras, ein Dichter aus dem Gefolge Bonifatius’ von Montferrat, den gerade inthronisierten lateinischen Kaiser Balduin I., weil dieser die Invasion Ägyptens verschleppe. Etwa zur selben Zeit stießen am 27. Mai 1204 rund zwanzig Schiffe des Königreichs Jerusalem in den sogenannten Rosette-Arm des Nildeltas vor und verbrachten zwei Tage damit, Fuwa zu plündern. Der König von Jerusalem war also an dem Vorhaben beteiligt; der von ihm veranlasste Überfall sollte wahrscheinlich das Vorspiel der großen Invasion bilden, mit der er wohl noch immer rechnete. Vermutlich war ihm nicht klar, dass die Situation sich in der Zwischenzeit stark gewandelt hatte, wodurch ein Großangriff auf Ägypten nicht vor dem Jahr 1218 stattfinden sollte. Bedenkt man die bestehende Fixierung auf Alexandria, muss der von Alexios Angelos unterbreitete Vorschlag wie ein Geschenk des Himmels gewirkt haben – wies er den Kreuzfahrern doch einen Ausweg aus der Zwickmühle, in die sie sich durch das Aufschieben des ägyptischen Landungsunternehmens manövriert hatten. Insbesondere aus der Sicht der Venezianer muss die Gelegenheit, sich zuerst in Konstantinopel Privilegien zu verschaffen, indem man einem Verbündeten auf den Kaiserthron verhalf, und anschließend mit byzantinischer Unterstützung weiter nach Alexandria zu segeln, zu verlockend erschienen sein, als dass man sie leichtfertig hätte verstreichen lassen können, vor allem, da die venezianische Flotte ja bereits für den Angriff auf einen großen befestigten Hafen ausgerüstet war. Also nahmen die Venezianer sowie die meisten unter den führenden Kreuzfahrern Alexios’ Bedingungen an. Das bedeutete natürlich einen krassen Ungehorsam dem Papst gegenüber, was, wie es scheint, zahlreiche Kreuzfahrer in eine schwere Gewissenskrise stürzte. Viele akzeptierten den Plan allein aus dem Grund, dass die Alternative, nämlich die Auflösung des Kreuzfahrerheeres, undenkbar war. Dennoch herrschte eine verbreitete Unzufriedenheit und Anspannung, und wiederum desertierten Kreuzfahrer in Scharen, unter ihnen Simon von Montfort. Durch ihre offene Rebellion gegen den Papst hatten die Kreuzfahrer automatisch die Kirchenstrafe der Exkommunikation auf sich gezogen. Die beim Heer befindlichen Bischöfe waren jedoch gewillt, dessen Angehörigen die vorläufige Absolution zu erteilen, während eine Delegation nach Rom reiste, um dort die Motive ihrer Handlung darzulegen und den Heiligen Vater um Vergebung zu bitten. Innozenz III. fand sich in einer verzwickten Lage wieder. Anscheinend hatte er noch immer Ägypten im Blick, und der Kreuzzug, auf den er so lange gehofft hatte, war ja nun auch wirklich auf dem Weg dorthin; wenn er sich in dieser Situation allzu dogmatisch gab, konnte er womöglich die Auflösung des Kreuzfahrerheeres herbeiführen und so das gesamte Unternehmen zum Scheitern bringen. Innozenz war deshalb bereit gewesen, den Kreuzfahrern die Absolution zu erteilen, vorausgesetzt, sie gaben zurück, was sie sich widerrechtlich angeeignet
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hatten, und unterließen es in Zukunft, christliche Städte und Territorien anzugreifen. Der Papst hatte sich jedoch geweigert, den Venezianern denselben Gefallen zu tun; ihnen hatte er lediglich eine schrift liche Bestätigung ihrer Exkommunizierung ausgestellt. Und jetzt widersetzten sich die Männer, die ihm eigentlich unmittelbaren Gehorsam schuldig waren und ihm schon einmal nicht gehorcht hatten, ein zweites Mal, und das in jeglicher Hinsicht: Zadar wurde nicht an den König von Ungarn zurückgegeben. Bonifatius von Montferrat weigerte sich, die Bulle mit der Exkommunikation der Venezianer zu veröffentlichen, weil er, wie er unter Ausnutzung von Innozenz’ Ängsten argumentierte, ansonsten ein Auseinanderbrechen des Kreuzzuges befürchtete. Er wolle den Venezianern das Schriftstück nur dann zukommen lassen, wenn der Papst wirklich darauf bestehe. Und schließlich hatte die Kreuzfahrerflotte im Juni 1203, als Innozenz auf diese unverschämte Rückfrage antwortete und darauf bestand, dass die Bulle veröffentlicht werden solle und weitere Angriffe auf christliche Territorien zu unterlassen seien – wobei er diesmal ausdrücklich auf das Byzantinische Reich verwies –, Kurs auf Konstantinopel genommen. Die Kreuzfahrer brachen Ende April 1203 in Zadar auf; bei Korfu stieß Alexios Angelos zu ihnen. Am 24. Mai fuhren sie weiter und passierten schließlich die Seemauer von Konstantinopel, bevor sie am 24. Juni auf der gegenüberliegenden Seite des Bosporus bei Kadiköy an Land gingen. Sie marschierten in nördlicher Richtung nach Usküdar (Scutari) und setzten dann am 5. Juli nach Galata am nördlichen Ufer des Goldenen Horns über. Am Tag darauf erstürmten sie die Befestitungsanlagen von Galata und kappten die Sperrkette am Eingang des Goldenen Horns. Dann zogen die Kreuzfahrer am Ufer des Goldenen Horns entlang nach Nordwesten, bis sie die Bucht an ihrer Spitze umrundet hatten, und schlugen vor der Landmauer von Konstantinopel, genauer gesagt in dem Winkel zwischen der Mauer und dem Meer, ihr Heerlager auf. Die venezianische Flotte besetzte derweil den Hafen und bereitete die Erstürmung der Küstenbefestigungen vor. Am 17. Juli unternahmen die Belagerer einen Sturmangriff mit vereinten Kräften, währenddessen es den Venezianern gelang, etwa ein Viertel dieser Mauern zu besetzen. Als sie jedoch von einem Ausfall hörten, den die Griechen gegen die ebenfalls angreifenden Kreuzfahrer unternommen hatten, ließen sie von den Befestigungen ab; die Kreuzfahrer zogen sich im weiteren Verlauf ohne nennenswerte Feindberührung wieder zurück. Obwohl der Angriff der Belagerer auf die Stadt also vorerst gescheitert war, floh Kaiser Alexios III. Angelos noch in derselben Nacht, woraufhin der geblendete Isaak II. Angelos aus seiner Gefangenschaft entlassen wurde. Nach einigem Zögern stimmte er den Bedingungen zu, die sein Sohn Alexios ausgehandelt hatte, und am 1. August wurde der Thronfolger zum Mitkaiser seines Vaters gekrönt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Zahl der Nicht-Venezianer im Heer der Kreuzfahrer durch die verbreitete Fahnenflucht drastisch reduziert. Im Januar 1203 waren lediglich zwölf Männer bereit gewesen, einen Eid auf ihre Bereitschaft zu schwören, mit den Venezianern nach Konstantinopel zu segeln. Im Mai des darauffolgenden Jahres wird von weniger als zwanzig Kreuzfahrern berichtet – womöglich waren es sogar nur zehn –, die sich für eine Fortsetzung des Unternehmens aussprachen. Es überrascht
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nicht, dass sich dieser Aderlass an Leistungsträgern in der Folge fortsetzte, und in einem um den 1. August 1203 verfassten Brief gab Hugo von Saint-Pol die Größe des vor Konstantinopel verbliebenen französischen Heeres mit nicht mehr als 500 Rittern, 500 berittenen Hilfstruppen und 2000 Fußsoldaten an. Hugos Schätzung wird durch die Angaben eines weiteren Zeitzeugen, des Ritters Robert von Clary, untermauert. In seiner etwa zur selben Zeit entstandenen Beschreibung der Situation vor Konstantinopel stellte dieser nämlich fest, dass dem französischen Kontingent höchstens 700 Ritter verblieben seien, von denen fünzig zu Fuß kämpfen müssten. Es waren also lediglich 33 Prozent aller Ritter übrig geblieben, die 1202 Venedig verlassen hatten, sogar nur elf Prozent, wenn man die Anzahl der im Jahr 1201 einkalkulierten Truppenstärke zugrundelegt. Andererseits hatten die Kreuzfahrer allen Grund zu der Annahme, der Prolog zu ihrem Kreuzzug nähere sich dem Ende. Dennoch sagten sie zu, den Winter über noch auf Kosten ihres gerade inthronisierten Verbündeten Alexios in Konstantinopel zu bleiben, wo dieser durch sie seine Herrschaft während der ersten Monate zu stützen gedachte. Die Anführer des Kreuzzuges schrieben also an den Papst und die Könige Westeuropas, erklärten sich und ihr bisheriges Handeln und kündigten an, ihren Feldzug bis zum folgenden März unterbrechen zu wollen. Zugleich bekräftigte Alexios IV. dem Papst gegenüber seine zuvor geäußerte Absicht, die griechische Orthodoxie unter die Autorität Roms stellen zu wollen. Innozenz III. zögerte und antwortete erst im Februar des darauffolgenden Jahres – selbst dann tat er jedoch wenig mehr, als Kreuzfahrer wie Venezianer wegen ihres Verhaltens zu tadeln und sie nachdrücklich zur Fortführung des Kreuzzuges aufzufordern; auch ermahnte er die Bischöfe des Kreuzfahrerheeres, darauf zu achten, dass die führenden Kreuzfahrer ob ihrer Verfehlungen Buße täten. Während des Winters jedoch hatte sich die Lage in Konstantinopel erheblich verschlechtert. Alexios hatte den Kreuzfahrern zwar die ersten Raten ihrer versprochenen Belohnung bezahlt, doch die griechische Bevölkerung der Stadt sowie der einheimische Klerus verübelten ihrem Herrscher die Präsenz westlicher Fremder. Unruhen und Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Splittergruppen brachen aus. Alexios’ Verhältnis zu seinen einstigen Förderern kühlte merklich ab, und die Zahlungen blieben aus. Nachdem ihm eine Delegation von Kreuzfahrern und Venezianern im November ein Ultimatum gestellt hatte, kam es zu offenen Feindseligkeiten. Ende Januar 1204 wurden Alexios und sein Vater in einem Staatsstreich abgesetzt, und ein Ururenkel Alexios’ I. gelangte, von einer Welle anti-westlichen Ressentiments getragen, als Alexios V. auf den Thron. Die Kreuzfahrer konnten es sich weder leisten weiterzuziehen noch nach Westeuropa zurückzukehren. Sie befanden sich in feindlicher Umgebung, litten an Proviantmangel und sahen sich zum Plündern gezwungen. Im März entschieden sie, dass ihnen nur noch eine Möglichkeit offenstand: Sie mussten Konstantinopel selbst erobern und das Byzantinische Reich in die Knie zwingen, auch wenn dies vielen von ihnen zutiefst widerstrebte. In ihren Predigten am Vorabend des Sturms auf die Stadt wandten die Kleriker, die den Kreuzzug begleiteten, ihre ganze Kreativität auf: Der Angriff sei gerechtfertigt, so die ausgefeilte Argumentation, da die Griechen sich – durch ihre Billigung der Ermor-
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dung ihres Kaisers – einer schweren Sünde schuldig gemacht hätten und überdies Schismatiker seien. So wollten die Prediger den Gewissen ihrer Zuhörer zumindest einige Linderung verschaffen. Enrico Dandolo als Vertreter Venedigs sowie Bonifatius von Montferrat, Balduin von Flandern, Ludwig von Blois und Hugo von Saint-Pol als Repräsentanten der verbliebenen Kreuzfahrer trafen eine Abmachung, durch welche die Grundzüge ihres wechselseitigen Verhältnisses nach der erwarteten Einnahme von Konstantinopel geregelt wurden. Die Venezianer sollten drei Viertel der Beute erhalten, höchstens jedoch den Gegenwert des ihnen zu jenem Zeitpunkt noch von den Kreuzfahrern geschuldeten Betrages. Alles Plündergut jenseits dieser Schwelle sollte zu gleichen Teilen den Kreuzfahrern selbst und ihren venezianischen Verbündeten zufallen. Die Republik Venedig sollte auch weiterhin sämtliche ihr von den Byzantinern gewährten Privilegien genießen. Außerdem würden zwölf Wahlmänner, sechs von jeder Seite, einen lateinischen Kaiser von Byzanz wählen, der ein Viertel des Byzantinischen Reiches einschließlich der beiden kaiserlichen Paläste in Konstantinopel erhalten sollte. Die verbleibenden drei Viertel sollten wiederum zu gleichen Teilen an die Kreuzfahrer und die Venezianer gehen. Der Klerus der Partei, die bei der Kaiserwahl leer ausging, würde das Vorschlagsrecht für das Domkapitel der Hagia Sophia in Konstantinopel erhalten, welches wiederum einen katholischen Patriarchen wählen sollte. Jede Seite würde den Klerus für die ihr zustehenden Kirchen selbst bestimmen, wobei auf einen gemäßigtsparsamen Lebenswandel geachtet werden sollte: Als überflüssig erachtete Reichtümer aus Kirchenbesitz sollten in die Gesamtmasse des Plünderguts eingehen. Beide Seiten vereinbarten darüber hinaus, für ein weiteres Jahr im Lande zu bleiben, um das neugeschaffene Lateinische Kaiserreich in seiner Gründungsphase zu unterstützen. Eine gemeinsame Kommission von Kreuzfahrern und Venezianern sollte die Vergabe von Titeln und Lehen übernehmen, die sowohl in männlicher als auch in weiblicher Abstammungslinie vererbt werden sollten, sowie die Dienstverhältnisse regeln. Der Doge würde dem Kaiser zwar persönlich keinen Lehnsdienst schuldig sein, die Lehnsnehmer in den venezianischen Territorien hingegen schon. Kein Untertan eines Fürsten, der sich mit der Republik Venedig im Krieg befand, sollte das Territorium des neugeschaffenen Kaiserreiches betreten dürfen. Der Kaiser sollte schwören, sich an die Bedingungen dieses Vertrages zu halten, und eine Kommission aus dem Dogen, Bonifatius von Montferrat sowie je sechs Beratern von beiden Seiten sollte deren Einhaltung überwachen und eventuelle Nachbesserungen vornehmen. Beide Seiten vereinbarten, den Papst zum Schutzherrn ihrer Vereinbarung anzurufen, damit etwaige Verstöße durch Exkommunizierung bestraft werden konnten. Man hat oft darauf hingewiesen, dass die Klauseln dieses Vertrages, der die Verfassung des Lateinischen Kaiserreiches darstellte, diesem Reich einen schwachen Kaiser und zugleich den Venezianern einen übermäßig starken Einfluss gaben. Die Anzahl der Männer, die für den abschließenden Sturmangriff auf Konstantinopel zur Verfügung standen, ist umstritten. Zu den 3000 Kämpfern, die Hugo von Saint-Pol auflistet, sollte man vielleicht noch 1000 Diener und Trossangehörige zählen. John Pryor hat die Vermutung geäußert, die Besatzungen der venezianischen Schiffe könnten insgesamt bis zu 27 000 Mann gezählt haben, was die Gesamtzahl der Kreuzzugsteilnehmer
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an diesem Punkt des Unternehmens auf etwa 31 000 erhöhen würde, davon etwa 12 000 Kombattanten. Dazu kamen noch die westlichen Einwohner von Konstantinopel, womöglich bis zu 15 000 Personen, die von den Griechen im August 1203 aus der Stadt vertrieben worden waren, bei den Kreuzfahrern Zuflucht gesucht hatten und diesen – nach dem Bericht eines Augenzeugen – überaus nützlich waren. Von ihnen könnten bis zu 6000 Mann als Bewaffnete zum Kreuzfahrerheer gestoßen sein. Es fällt also nicht allzu schwer, sich die Streitmacht von „insgesamt nicht viel weniger als 20 000 Mann“ vorzustellen, von der in den Beschreibungen des Angriffs die Rede ist. Das Kampfgeschehen begann im Morgengrauen des 9. April an der Seemauer (die Landmauern hatten sich im Vorjahr als sehr robust erwiesen, während die Venezianer bei ihrem Angriff vom Wasser des Goldenen Horns her größeren Erfolg gehabt hatten). Dieser Angriff scheiterte, wurde jedoch am 12. April wiederholt: Nun machten Lastschiffe an den Mauerkronen der großen Türme fest und ließen Landungsbrücken darauf niedergehen; zugleich gingen Stoßtrupps ans Ufer und begannen, die Mauern zu erklimmen. Bis zum Abend hatten die Kreuzfahrer einen ganzen Abschnitt der Befestigungsanlagen unter ihre Kontrolle gebracht und waren hier und da sogar schon in das Innere der Stadt vorgedrungen. Die einsetzende Dämmerung beendete den ersten Kampftag, und die Angreifer legten sich neben ihren Waffen zur Ruhe, dieweil die Flammen eines Großbrands, den deutsche Kreuzfahrer in den angrenzenden Vierteln gelegt hatten und der in den dortigen Holzbauten reichliche Nahrung fand, ein gespentisch-flackerndes Licht auf die Szenerie warfen. Für den nächsten Morgen erwarteten sie einen von der Nachtruhe gestärkten Widerstand der Byzantiner, der jedoch ausblieb: In der Nacht war der Kaiser geflohen. Die Plünderung Konstantinopels dauerte drei Tage an. Das war natürlich das übliche Schicksal einer im Sturm genommenen Stadt, doch die Griechen sollten diese besondere Schmach weder vergeben noch vergessen. Auch mag die Plünderung in diesem speziellen Fall eine ungewöhnliche Heft igkeit besessen haben, die sich aus zwei Quellen speiste: Zum einen grassierte im Kreuzfahrerheer ein geradezu zwanghafter Beuteimpuls, der von dessen tiefer und kaum zu begleichender Verschuldung den Venezianern gegenüber herrührte. Und dann waren da in den Reihen der Eroberer jene nicht unbeträchtlichen Hilfstruppen, die sich aus ehemaligen, aus der Stadt vertriebenen Einwohnern Konstantinopels rekrutierten und die sich, von Verbitterung und Rachedurst getrieben, ganz besonders brutal verhalten haben sollen. Gemeinsam können diese beiden Faktoren zumindest etwas zum Verständnis der Exzesse beitragen, die sich in jenen Tagen in der brennenden Stadt abspielten. Konstantinopel war zudem berühmt als die größte Reliquienschatzkammer der Christenheit. Gerade in Westeuropa aber hatte sich mit der Zeit die Tradition der sogenannten furta sacra herausgebildet, der „heiligen Diebstähle“: Wenn man die sterblichen Überreste einer oder eines Heiligen entwendete, um sie an anderem Ort verehren zu können, und dieser Diebstahl gelang, dann signa lisierte dies – so die Überlegung –, dass der oder die betreffende Heilige sowieso die Überführung seiner oder ihrer Reliquien an diesen anderen Ort gewünscht hatte. Die Plünderung von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer war unter anderem auch ein einziges großes
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furtum sacrum, bei dem unzählige Reliquien entwendet wurden, was vor dem Hintergrund der wahren Reliquienmanie gesehen werden muss, die Westeuropa nach dem Verlust der Kreuzesreliquie in der Schlacht bei Hattin im Jahr 1187 erfasst hatte. Nachdem die Beute vereinbarungsgemäß aufgeteilt worden war, machten sich die Kreuzfahrer an die Wahl eines neuen byzantinischen Kaisers. Bonifatius von Montferrat, der den kaiserlichen Boukoleon-Palast in Beschlag genommen und sich mit Margarete von Ungarn verlobt hatte, der Witwe Kaiser Isaaks II., dürfte sich mehr als nur gute Chancen auf den Thron ausrechnet haben. Allerdings hatte er diese Rechnung ohne die sechs nicht-venezianischen Wahlmänner gemacht, Kleriker allesamt, von denen ihm lediglich drei gewogen waren. Damit war das Scheitern seiner Kandidatur besiegelt, denn die Venezianer waren erst recht gegen ihn. Nach langen Unterredungen gab das Wahlkollegium schließlich bekannt, man habe sich einstimmig auf Balduin von Flandern geeinigt, der am 16. Mai von der Hand der anwesenden katholischen Bischöfe die Kaiserwürde von Byzanz empfing; einen lateinischen Patriarchen gab es nämlich noch nicht. Der Umweg des Vierten Kreuzzuges über Konstantinopel hat in der historischen Forschung zu end- und letztlich auch fruchtlosen Debatten geführt: War er das Resultat einer Verschwörung? Wenn ja, wer war daran beteiligt? Enrico Dandolo, Philipp von Schwaben, Bonifatius von Montferrat und sogar Papst Innozenz III. sind in diesem Zusammenhang genannt worden. Oder war es nicht vielmehr das über Jahrhunderte angestaute böse Blut zwischen Lateinern und Griechen, das am Ende den Ausschlag gab? Tatsächlich scheint die Eroberung von Konstantinopel durch das Heer des Vierten Kreuzzuges viel eher das Ergebnis einer Reihe von Zu- und Unglücksfällen gewesen zu sein, die sich aus dem Aufschub der geplanten Expedition nach Alexandria ergaben. Daran, dass sich die Beziehungen zwischen der katholischen und der orthodoxen Christenheit durch die Eroberung nachhaltig und langfristig verschlechterten, kann indes überhaupt kein Zweifel bestehen. Allerdings hat die unbezweifelbare ekklesiologische Bedeutung, dass die Tragweite dieses Ereignisses für die weitere Entwicklung der Kreuzzugsbewegung allzu sehr in den Hintergrund getreten ist. Obwohl sich in manchen Details – etwa bei der internen Kommandostruktur der einzelnen Kreuzfahrerkontingente, dem Einfluss der einzelnen Gefolge und Gremien – durchaus Kontinuitäten noch aus der Zeit des Ersten Kreuzzuges feststellen lassen, betraten die Teilnehmer des Vierten Kreuzzuges doch auch Neuland. Schon das ursprüngliche Vorhaben, ein riesiges Heer zu Schiff auf die andere Seite des Mittelmeeres zu transportieren und vor Alexandria an Land gehen zu lassen, war geradezu atemberaubend kühn gewesen. Dann waren da die Pläne zur Aufstellung und Entsendung eines ebenfalls sehr großen Söldnerheeres sowie die Versuche des Papstes, zur Finanzierung dieser Pläne Kirchensteuern einzuführen. Nicht zuletzt zog der Vierte Kreuzzug auch eine neue Art von Enthusiasten an, die bereit waren, an mehreren Kriegsschauplätzen immer wieder in den Kampf zu ziehen. Auf sie wird später noch genauer eingegangen. Es mag besonders unfreundlich erscheinen, unter anderen auch Innozenz III. für die Umleitung des Kreuzfahrerheeres verantwortlich zu machen – aber es entbehrt doch nicht einer gewissen Berechtigung. Der ursprüngliche Plan stammte vermutlich sogar
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von ihm selbst. Mit Sicherheit wusste der Papst von der Absicht der führenden Kreuzfahrer, Alexandria anzugreifen, und hieß diese gut. Immerhin hatte er eine Vereinbarung mit den Byzantinern ausgehandelt, die der Kreuzfahrerflotte auf ihrem Weg Vorräte zur Verfügung stellen sollten. Falls der Einfall, Konstantinopel zu erobern, ebenfalls von Innozenz stammt, müsste man ihn in die Liste seiner gefährlich überambitionierten Träume aufnehmen. Von Anfang an verlief der Vierte Kreuzzug in einer Weise, die dem Papst missfallen musste. Ein Akt des Ungehorsams folgte dem anderen. Die meisten Kreuzfahrer, wie verzweifelt und untereinander zerstritten sie auch sein mochten, ignorierten seine Ratschläge und Verbote. Und wenn Innozenz auch fest entschlossen war, aus den nun einmal vollendeten Tatsachen das Beste zu machen, den Zusammenbruch des Byzantinischen Reiches nach Kräften auszunutzen und die Einheit der Kirche herbeizuführen, ja sogar zu erzwingen – zu diesem Zweck ergoss sich eine Flut päpstlicher Erlasse in Richtung Osten –, muss ihm doch klar gewesen sein, dass der Ausgang des Vierten Kreuzzuges die Wiedervereinigung der katholischen und der orthodoxen Christenheit, die ihm so sehr am Herzen lag, erheblich erschwerte: Wie soll die griechische Kirche [schrieb er], von Leid und Verfolgung geschlagen, wie sie ist, zur Einheit der Kirche und einer ehrlichen Zuneigung zum Apostolischen Stuhl zurückfi nden, wenn sie in den Lateinern nur ein Beispiel der Verworfenheit und Werke der Finsternis sieht, so dass sie – nicht ohne Berechtigung – ihnen schon jetzt mit größerer Verachtung begegnen als Hunden?
Die Kreuzzüge in das Baltikum Die Kreuzzüge in das Baltikum
Der erste Livlandkreuzzug in das Baltikum hatte seinen Ursprung in einer Mission zu dem Volk der Liven, die Erzbischof Hartwig I. von Bremen in deren Siedlungsgebiet entlang des Flusses Düna entsandt hatte. Hartwig hatte in der Errichtung eines Bischofssitzes in Uexküll (heute lettisch Ikšķile) eine günstige Gelegenheit erblickt, die hamburgisch-bremische Kirchenprovinz auszudehnen. Bei den Missionsbestrebungen gab es jedoch, obwohl das Unternehmen Papst Coelestin III. am Herzen lag, nur geringe Fortschritte. In den Jahren 1193 und 1197 erklärte sich Coelestin noch bereit, allen, die für die neugestiftete livländische Kirche in den Kampf zogen, einen Ablass zu gewähren, doch schon 1198 kam es zu einem Rückschlag, als der livländische Bischof im Kampf gegen die Liven fiel. Der Erzbischof ernannte seinen Neffen Albert von Buxhövden zum Nachfolger. Albert war ein energischer und sogar brutaler Mann, der die baltische Kreuzzugsbewegung über dreißig Jahre dominierte. Rund um seinen späteren Bischofssitz Riga sollte er aus den der heidnischen Bevölkerung abgenommenen Gebieten einen Kirchenstaat formen, der allein dem Papst in Rom unterstellt war. Zunächst aber rekrutierte Albert ein größeres Heer und ließ sich von dem neuen Papst Innozenz III. die Legitimität seines Handelns bestätigen. Am 5. Oktober 1199 rief Innozenz die Christen im Norden Deutschlands zur Verteidigung der livländischen Kirche auf. Er rechtfertigte den Einsatz von Gewalt als Verteidi-
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gung der gerade konvertierten livländischen Christen gegen die Repressalien ihrer noch ungetauften Nachbarn. Es scheint, dass die Teilnehmer an dieser Kampagne nicht auf einen vollkommenen Ablass hoffen durften, obwohl der Bedarf an Freiwilligen anscheinend hoch war: Nur diejenigen Kämpfer, die zu einer Pilgerfahrt nach Rom aufbrachen, durften dies als einen vollwertigen Ersatz für ihr geleistetes Dienstgelübde ansehen und sich von der Truppe entfernen. Im Jahr 1204 jedoch erhielt Albert die päpstliche Erlaubnis, für seinen Feldzug auch Priester zu rekrutieren, die eigentlich ein Kreuzzugsgelübde für das Heilige Land abgelegt hatten. Auch Laien, die zwar das Kreuz genommen hatten, aufgrund von „Armut oder Schwäche des Körpers“ jedoch nicht imstande waren, nach Jerusalem aufzubrechen, durften sich ersatzweise am Kampf gegen die baltischen Barbaren beteiligen, ohne auf den versprochenen vollkommenen Ablass verzichten zu müssen. Ferner autorisierte Papst Innozenz Alberts Abgesandte, auf ihren Rekrutierungszügen einmal im Jahr überall in der Bremer Kirchenprovinz die Kirchen zu öff nen, selbst dort, wo der regelmäßige Gottesdienst durch ein päpstliches Interdikt ausgesetzt war. Innozenz muss die Expeditionen in das Baltikum folglich als eine authentische Form des Kreuzzuges angesehen haben, obwohl er sie, wie es scheint, in ihrer Wertigkeit deutlich unter den Kreuzzügen in das Heilige Land ansiedelte, denn den Rekruten für das Baltikum winkte kein vollkommener, sondern nur ein Teilablass. Dennoch bewirkten Innozenz’ Äußerungen in dieser Sache ungewollt so etwas wie einen „immerwährenden Kreuzzug“, der sich – freilich erst über die nächsten etwa vierzig Jahre – zu einer markanten Eigenheit der Kriegszüge in den baltischen Raum entwickeln sollte. Albert von Buxhövden verlegte seinen Bischofssitz von Uexküll flussabwärts nach Riga, wodurch er für Koggen erreichbar wurde, die aus Lübeck herbeigesegelt kamen. Außerdem förderte er den Kult der Maria in Riga sowie die Vorstellung von Livland als „Erbteil Mariens“, Letzteres vermutlich, um eine Tradition von Pilgerreisen in das Baltikum zu begründen. Bis 1224 kehrte der Bischof von Riga vierzig Jahre lang regelmäßig nach Deutschland zurück, um Freiwillige für die alljährliche Sommerkampagne zu rekrutieren. Diese erhielten Verstärkung durch einen kleinen Ritterorden, den Albert 1202 gegründet hatte. Von diesen „Schwertbrüdern“ gab es vermutlich zu keiner Zeit mehr als 120, die sich auf sechs Ordenshäuser verteilten. Sie spielten jedoch eine entscheidende Rolle, indem sie die Militärexpeditionen des Sommers organisierten und im Winter die Festungen der Gegend mit Besatzungen versahen. Überhaupt setzte die christliche Militärstrategie im Baltikum in hohem Maße auf Klosterburgen und kleine Kastelle. Bis zum Jahr 1230 wurde Livland in einer Reihe zäher, Jahr für Jahr erneut geführter Kriege gegen die ortsansässige Bevölkerung erobert, die zwar zahlenmäßig überlegen, kampftechnisch jedoch unterlegen war. Dasselbe gilt für das weiter nördlich gelegene Estland. Dort waren es die Dänen, die während des Pontifi kats Innozenz’ III. mit der Eroberung begannen. Obwohl sich das dänische Vorgehen bis 1216 hauptsächlich auf die pommersche Küste von Lübeck bis Danzig konzentrierte, griffen dänische Flotten in den Jahren 1191 und 1202 auch Finnland an, 1194 und 1197 Estland, 1206 die Insel Ösel (estnisch Saaremaa) und 1210 Preußen. Die Unternehmung gegen Ösel wird in zeitgenössischen Quellen ganz eindeutig als Kreuzzug dargestellt. Auch die Briefe Innozenz’ III. an Waldemar II. von Dänemark, in
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denen der Papst den König ermutigt hatte, „die Irrlehren der Heiden auszurotten und die Grenzen unseres christlichen Glaubens auszudehnen. … Kämpft in dieser Schlacht, in diesem Krieg tapfer und kühn, wie ein tüchtiger Ritter Christi“, sind durchdrungen von Kreuzzugsideen, die sich in diesen Gefi lden mit der spezifisch nordeuropäischen Vorstellung vom Missionskrieg vermengten, wie sie allerdings auch schon bei Bernhard von Clairvaux und Papst Eugen III. begegnet. Wie Bernhard von Clairvaux segelte auch Innozenz III. hart am Wind, wenn es darum ging, das Kreuzfahrertum mit der Missionierung Nordosteuropas in Einklang zu bringen. Die beinah kühle Reserviertheit Innozenz’ III. den Kreuzzügen im Baltikum gegenüber widerspricht in gewisser Hinsicht seiner freigiebigen Gewährung von Kreuzfahrerprivilegien für die Teilnehmer an Kreuzzügen gegen politische Gegner oder Häretiker, worauf weiter unten näher einzugehen ist. Erst sein Nachfolger Honorius III. sollte im März 1217 die radikale Maßnahme ergreifen, allen Teilnehmern an Kreuzzügen in das Baltikum den vollkommenen Ablass zu gewähren. Im Jahr 1219 fiel Waldemar von Dänemark in Nordestland ein und setzte sich in Reval (Tallinn) fest. Waldemar kam damit einer Aufforderung Alberts von Buxhövden in Riga nach, der sich über einen russischen Vorstoß aus der Gegend von Nowgorod besorgt gezeigt hatte. Papst Honorius wiederum hatte dem dänischen König alles Land, das er erobern konnte, zu Eigen versprochen. Im Jahr darauf unterwarfen die Dänen mit Unterstützung des Schwertbrüderordens den verbliebenen Norden Estlands, doch führte dies zu einer Konkurrenzsituation gegenüber den Deutschen, die von Süden aus Livland nach Estland vorstießen, und den Schweden, die die nordwestliche Küste besetzt hielten. Waldemar nutzte die Tatsache, dass seine Schiffe die Ostsee kontrollierten und der lübischen Seefahrt durchaus gefährlich werden konnten, rückhaltlos aus und nötigte seinen Christenbrüdern aus Deutschland und Schweden so das Zugeständnis ab, ihn im Norden Estlands schalten und walten zu lassen; dennoch siedelten dort auch weiterhin mehr Deutsche als Dänen. Wegen des dringenden Bedarfs für den Fünften Kreuzzug nach Ägypten wiederrief Papst Honorius 1220 seinen Ablass für das Baltikum, bestätigte ihn jedoch bereits im Jahr darauf wieder in vollem Umfang. Zu dieser Zeit hatte die Vorstellung von einem „immerwährenden Kreuzzug“ bereits erste Wurzeln geschlagen. Die Teilnehmer der Expeditionen in das Baltikum trugen das Zeichen des Kreuzes, wurden als Pilger und Kreuzfahrer bezeichnet (peregrini und crucesignati) und erhielten den vollen Ablass. Auch Kirchensteuern wurden zu ihrer Unterstützung erhoben. Ihre Feldzüge wurden als Schutzmaßnahmen für die bedrohte Heidenmission in dieser Region dargestellt und mit beinahe denselben Privilegien gefördert wie Kreuzzüge in das Heilige Land.
Der Kreuzzug gegen Markward von Annweiler Der Kreuzzug gegen Markward von Annweiler
Ein weiterer früher Kreuzzug Innozenz’ III. war derjenige gegen den Reichstruchsess Markward von Annweiler, einen staufischen Dienstmann am Kaiserhof, der nach dem Tod Heinrichs VI. versucht hatte, in Italien die staufischen Interessen zu wahren. Den
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Präzedenzfall für einen solchen „politschen Kreuzzug“ hatte anlässlich des Konzils von Pisa 1135 Papst Innozenz II. geschaffen, freilich hätte der Schritt Innozenz’ III. extremer kaum sein können. Dieser war fest entschlossen, die Güter des Heiligen Stuhls in Mittelitalien zurückzugewinnen und war zudem überaus sensibel, was Süditalien und Sizilien anging, denn dort regierte er im Namen von Heinrichs kleinem Sohn Friedrich. Die Aktivitäten Markwards und seiner deutschen Unterstützer schreckten den Papst deshalb auf. Nachdem ihm zu Ohren gekommen war, dass Markward von Annweiler nach Sizilien übergesetzt hatte, schrieb Innozenz an die Bewohner der Insel, Markward sei „ein zweiter Saladin“ und „ein Ungläubiger, schlimmer als die Ungläubigen“. Weiterhin behauptete er, Markward habe sich mit den Muslimen verbündet, die noch immer im Landesinneren Siziliens ansässig waren, und dass er die Vorbereitungen zum Vierten Kreuzzug zu stören gedenke. Allen, die sich ihm in den Weg stellten, wurde derselbe Ablass versprochen, den auch die Kreuzfahrer im Heiligen Land erhielten, nicht zuletzt, da die Häfen Siziliens bei dem geplanten Kreuzzug womöglich noch eine entscheidende Rolle spielen würden. Aus anderen Dokumenten wird deutlich, dass der Papst schon über Monate mit dem Gedanken gespielt hatte, als Ultima Ratio einen Kreuzzug gegen Markward auszurufen, doch verliefen diese Planungen im Sande. Nur einige wenige Männer wurden für das Unternehmen angeworben, der wichtigste unter ihnen vielleicht Graf Walter III. von Brienne, dem es allerdings vorrangig um sein eigenes Anrecht auf das Fürstentum Tarent gegangen zu sein scheint. (Übrigens befand sich unter diesen wenigen auch der junge Franz von Assisi, der sich ausgerechnet diesem Kreuzzug für kurze Zeit anschloss.) Mit Markwards Tod im Jahr 1203 erübrigte sich ein derartiges Unternehmen. Dennoch zeigte das päpstliche Schreiben vom November 1199, woher der Wind wehte, ebenso wie die Drohungen, die Innozenz III. gegen Ende seines Lebens an die Adressen des dänischen Dissidenten Waldemar Knudsen und der englischen Barone richtete, die er allesamt für „schlimmer als die Muslime“ erklärte. Indem sie sich gegen ihren König Johann Ohneland erhoben hatten, der – politischer Vernunft folgend – das Kreuz genommen hatte, hätten die Barone, wie es hieß, die Vorbereitungen zum Fünften Kreuzzug behindert. Man hat vermutet, dass die Verteidigung des englischen Königreiches gegen diese Rebellen, die mit dem Prinzen Ludwig von Frankreich, dem späteren Ludwig VIII., im Bunde waren, von den Zeitgenossen in der Tat als eine Art Kreuzzug angesehen wurde; das würde auch erklären, warum der neunjährige Heinrich III. bei seiner Krönung am 28. Oktober 1216 das Kreuz nahm.
Der Albigenserkreuzzug Der Albigenserkreuzzug
Im Jahr 1208 dachte Innozenz ernsthaft über einen weiteren Kreuzzug in den Nahen Osten nach und sandte entsprechende Aufrufe nach Frankreich, Ober- und Mittelitalien. Allerdings kam die einzig erkennbare Reaktion von dem österreichischen Herzog Leopold VI., der ein passionierter Kreuzfahrer war und später in Spanien, im Languedoc und in Ägypten kämpfte. Innozenz antwortete ihm in einem jener ernüchternden Briefe,
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mit denen er große Männer, die ihr Bestes gaben, nur allzu gern in ihre Schranken verwies: In dem Querbalken vom Kreuze Christi steckt größeres Verdienst als in dem kleinen Zeichen eures Kreuzes. … Denn ihr nehmt ein leichtes und angenehmes Kreuz; er aber ertrug eines, das bitter und schwer war. Ihr tragt es außen auf eurer Kleidung; er aber erlitt es in der Wirklichkeit seines Fleisches. Ihr näht eures aus Leinentuch und seidenen Fäden; ihn schlug man an seines mit harten, eisernen Nägeln.
In der Zwischenzeit hatten die Ereignisse im Südwesten Frankreichs dort eine Krise heraufbeschworen. Seit Jahrzehnten schon hatte die Kirche dem Wachstum häretischer Bewegungen besorgt zugesehen. Da „Ketzer“ die von Gott ausgegangene Berufung der Kirche zur Wächterin seiner Offenbarung bestritten, betrachtete man sie als Rebellen, die den Weg der Wahrheit vorsätzlich verlassen und es sich zum Vorsatz gemacht hatten, die von Christus begründete Weltordnung nachhaltig zu stören. Die Häresie wurde folglich als eine aktive, nicht als eine passive Größe behandelt und war in den Köpfen zahlreicher Zeitgenossen mit jenen räuberischen routiers verknüpft, die insbesondere im französischen Südwesten stark waren, wo häretische Strömungen großen Zulauf hatten. Gegen diese Banden von Wegelagerern und Söldnern waren bereits Maßnahmen ergriffen worden, bei denen auch Ideengut der Kreuzzugsbewegung bemüht worden war. Ganz besonders beunruhigte die Kirche das Aufkommen der Katharer, deren Anhänger eine Art von neumanichäistischem Weltbild vertraten, in dem die beiden Prinzipien – oder Götter – der spirituellen und der materiellen Sphäre im Widerstreit standen. Die Anhänger dieser Lehre sahen es als ihre Pflicht an, ihre Seelen aus ihrem irdischen Kerker zu befreien. Sie entsagten der Welt, sofern dies eben möglich war, lebten in Keuschheit und lehnten den Verzehr von Fleisch, Milch und Eiern ab, da diese besonders deutlich auf die materielle Sphäre – und das hieß vor allem: auf das Prinzip der geschlechtlichen Fortpflanzung – verwiesen. In ihren Augen waren die Weltordnung und der Lebensvollzug der westlichen Kirche eitler Trug und der Glaube an die Dreifaltigkeit eine Irrlehre, da Christus selbst keinerlei materielle Realität besessen habe. Anstelle der etablierten Kirche schufen sie ihre eigene Hierarchie und Liturgie. Die Anforderungen, die diese Religion an ihre Adepten stellte, waren derart streng, dass nur ein innerer Kern von „Perfekten“ die vollkommene Initiation erlangte. Die meisten Katharer waren „Gläubige“, die lediglich gelobt hatten, vor ihrem Tod die Initiation als „Perfekte“ erreichen zu wollen. Am Ende des 12. Jahrhunderts bildeten die Katharer – gemeinsam mit den proto-protestantischen Waldensern – die zahlenstärksten Sektierer, mit denen sich die Kirche konfrontiert sah. Am zahlreichsten waren sie in Norditalien und im südwestlichen Frankreich – beides Regionen, in denen eine starke politische Zentralgewalt fehlte. Dieser letzte Punkt ist von entscheidender Bedeutung für das Denken Innozenz’ III. Seit dem 4. Jahrhundert hatte die Kirche sich in der Regel auf die weltlichen Autoritäten verlassen, wenn es darum ging, dem gemeinen Volk jene Furcht einzuflößen, die noch immer das effektivste Mittel gegen Häresie gewesen war, und es ist gewiss kein Zufall, dass im Hochmittelalter Territorien mit starken Herrschern so gut wie keine häretischen
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Aktivitäten zu vermelden hatten. Die Grafen von Toulouse, die nominell den größten Teil des Languedoc beherrschten, jener Gegend also, um die es uns geht, hatten dort de facto nur sehr geringen Einfluss, zählte das gesamte Gebiet doch zu den rückständigsten in ganz Frankreich, was den politischen Zusammenhalt betraf. Und das Wenige an Herrschaftsgewalt, das den Grafen von Toulouse blieb, wurde noch dadurch beschränkt, dass sie Vasallen nicht nur des Königs von Frankreich waren, sondern auch des Königs von England im Westen, des Königs von Aragón im Süden sowie des römisch-deutschen Kaisers im Osten. Die konfligierenden Ansprüche und Zielsetzungen dieser unterschiedlichen Herrscher, die sich allesamt in die inneren Streitereien des Languedoc einmischten, hatten über die Jahre zu zahlreichen blutigen und kräftezehrenden Kriegen geführt. Der Graf von Toulouse verfügte über keinerlei Mittel, mit denen er dieser Situation hätte beikommen können. Aber seinen Lehnsherren ging es nicht besser: Der König von Frankreich war derart in seinen Zwist mit der englischen Krone im Norden ver wickelt, dass er sich mit Häretikern im Süden seines Territoriums nicht auseinandersetzen konnte, selbst wenn er über die Mittel dazu verfügt hätte. Innozenz III. sah sich also einem klassischen Dilemma gegenüber: Häretische Lehren hatten längst alle Schichten der Gesellschaft des Languedoc durchdrungen – einschließlich des Adels –, und mit jedem Jahr, das verstrich, würde es schwerer werden, sie auszurotten. Obwohl es in der ganzen Gegend in den Jahren zwischen 1200 und 1209 wohl kaum mehr als 1000 „Perfekte“ gegeben haben kann, entstammte doch ein hoher Anteil von ihnen dem örtlichen Adel. Von denen, die uns namentlich bekannt sind, kamen 35 Prozent aus adligen Familien. Ebenso bezeichnend ist der Umstand, dass die überwiegende Mehrheit – ganze 69 Prozent – Frauen waren, auch sie zumeist adliger Herkunft. Die Schwester des Raimund Roger, Grafen von Foix, war eine „Perfekte“; eine weitere Schwester, seine Frau sowie seine Schwiegertochter waren „Gläubige“. Selbst rechtgläubige Äbte und Bischöfe hatten bisweilen ketzerische Verwandte. Und die weltliche Herrschaft, auf die der Papst in dieser Sache baute, war machtlos. Im Verlauf des 12. Jahrhunderts ergriff die Kirche daher eine ganze Reihe von Maßnahmen. Man entsandte Predigtmissionen in das Languedoc. 1179 hatte der Kanon 27 des Dritten Laterankonzils alle Christen der Gegend dazu aufgerufen, ihre Bischöfe zu unterstützen, sollten diese gegen die Häretiker zu den Waffen greifen. Für ihre Mühen sollten die Freiwilligen einen Teilablass erhalten; im Falle ihres Todes in der Schlacht sollte dieser zu einem vollen Ablass aufgewertet werden. Ihr Besitz und ihre Ländereien unterstanden während ihrer Abwesenheit demselben Schutz, wie ihn auch die Güter der Jerusalempilger genossen. 1181 folgte eine Militärkampagne von begrenztem Ausmaß, an deren Spitze der päpstliche Legat Kardinal Heinrich von Marcy in das Languedoc zog. Und 1184 verfügte der von Papst Lucius III. nach einem Zusammentreffen mit Kaiser Friedrich Barbarossa in Verona veröffentlichte Erlass Ad abolendam, dass in den betroffenen Gebieten bischöfliche Inquisitionsgerichte eingerichtet werden sollten. Zugleich wurden, was die Verfolgung ketzerischer Umtriebe anlangte, sämtliche Privilegien der Exemtionen von der bischöflichen Gerichtsbarkeit aufgehoben. Drittens betonte das Schriftstück die unbedingte Notwendigkeit einer engen Kooperation von geistlicher und
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weltlicher Macht im Kampf gegen die Häresie, deren Anhänger, so sie sich uneinsichtig zeigten, zur Bestrafung der weltlichen Justiz zu übergeben seien. Bezeichnenderweise war es ein scharfer Kritiker des Dritten Kreuzzuges, Radulfus Niger, der im Winter 1187 / 1188 schrieb, man könne doch nicht Ritter nach Übersee schicken, die in der Heimat zur Ketzerbekämpfung gebraucht würden. Innozenz ging das Problem mit der ihm eigenen Energie an. Er sandte eine ganze Reihe von Legaten nach Südfrankreich, ergriff Maßnahmen zur Reform der dortigen Kirche, die sich in schlechtem Zustand befand – zwischen 1198 und 1209 entfernte der Papst sieben Bischöfe aus ihrem Amt –, und er unterstützte die Predigtmission der später heiliggesprochenen Diego von Osma und Dominikus. Dies sollte zur Gründung des Ordens der Dominikaner (Ordo Fratrum Praedicatorum, Predigerorden) führen. Dennoch kam Innozenz mit der Zeit zu dem Schluss, dass es ohne Gewalt nicht gehen werde. Im Mai 1204 rief er Philipp II. von Frankreich dazu auf, die Machtmittel seines Königreiches in den Dienst der geistlichen Autoritäten zu stellen. Innozenz III. ging weiter als alle Päpste vor ihm, indem er auch für diese Ausübung der weltlichen Macht den vollen Kreuzzugsablass in Aussicht stellte. Doch selbst das Versprechen dieses wichtigsten Kreuzfahrerprivilegs – an einen König, der ja lediglich dazu aufgefordert wurde, seiner Herrscherpflicht nachzukommen! – zeigte keine Wirkung. Dasselbe galt für zwei weitere Appelle an Philipp II. vom Februar 1205 und November 1207. Das letzte dieser Schreiben bot – neben einer erneuerten Zusicherung des Kreuzzugsablasses – auch eine Garantie für den Besitz der beteiligten Kämpfer während ihrer Abwesenheit von zu Hause. Innozenz ließ Kopien dieser Schreiben an den Adel, die Ritterschaft und alle Untertanen Frankreichs übersenden. Es wirkte beinahe, als riefe er das gesamte Königreich zur Verteidigung der Kirche auf, wobei er zugleich durch die in Aussicht gestellten Kreuzfahrerprivilegien zusätzliche Anreize schuf, dieser Aufforderung auch nachzukommen. In seiner Antwort ging Philipp in geradezu epischer Breite auf die Unannehmlichkeiten ein, die ihm sein Streit mit dem englischen König Johann Ohneland bereite, und stellte für sein militärisches Eingreifen im Süden Frankreichs Bedingungen, die der Papst nicht annehmen konnte. Am 14. Januar 1208 wurde Peter von Castelnau, einer der päpstlichen Legaten für das Languedoc, ermordet. Die Umstände ließen Innozenz III. vermuten, Graf Raimund VI. von Toulouse habe etwas damit zu tun gehabt. Raimund war zu diesem Zeitpunkt bereits exkommuniziert, da er sich, im Kampf gegen die Häresie als wenig erfolgreich erwiesen hatte. Als der Papst die Nachricht von dem Mord erhielt, rief er zum Kreuzzug gegen die Häretiker und ihre Unterstützer auf. Eindringlich formulierte Briefe verbreiteten den Aufruf in allen Teilen Frankreichs und vermutlich auch in anderen Gegenden Westeuropas. Innozenz forderte alle wehrfähigen Männer auf, das Kreuz zu nehmen und versprach ihnen dafür den vollen Ablass, wobei er ausdrücklich auf die entsprechenden Regelungen für Kreuzzüge in das Heilige Land verwies. Er ernannte drei Legaten, die für die Organisation von Predigten und anderen Rekrutierungsmaßnahmen verantwortlich waren und später auch als Anführer des geplanten Kreuzzuges fungieren sollten. Ferner befahl der Papst die Abschaff ung des
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Wuchers – also die Aussetzung von Zinsgeschäften – und einen Aufschub bei der Rückzahlung von Schulden. Das waren die üblichen Maßnahmen, mit denen Kreuzfahrern die Beschaff ung der benötigten Geldmittel erleichtert werden sollte. Auch die Kirchen in den Herkunftsgebieten der Kreuzfahrer wurden mit Steuern belegt, um deren Mobilisierung zu unterstützen. Die Neuartigkeit von Innozenz’ Aufruf zum Albigenserkreuzzug bestand jedoch keineswegs in der Ermutigung zur Gewalt gegen Häretiker; die Rechtfertigung eines solchen Vorgehens war in dem aus dem 12. Jahrhundert stammenden Decretum Gratiani ausgiebig unter Verweis auf historische Präzedenzfälle und juristische Autoritäten bis zurück zum 4. Jahrhundert behandelt worden. Neuartig war vielmehr, dass zu diesem Zweck ein Kreuzzug ausgerufen wurde, auch wenn dies wahrscheinlich unvermeidbar war. Feindseligkeiten von der Art eines Heiligen Krieges, zu denen auch die Kreuzzüge zählten, sind anfangs in der Regel nach außen gegen einen äußeren Feind gerichtet. Allerdings besitzen sie, wie es scheint, die Tendenz, sich über kurz oder lang nach innen, das heißt: gegen die eigenen Leute zu richten und so dasselbe Gemeinwesen zu schädigen, das sie überhaupt erst hervorgebracht hat. Dies geschieht umso eher, wenn ein Heiliger Krieg gegen externe Feinde nicht erfolgreich verläuft. Nach den Schicksalsschlägen, welche die Christen in Palästina 1187 getroffen hatten, griff bald die Überzeugung um sich, dass Uneinigkeit und Abweichlertum in der europäischen Heimat unter allen Umständen vermieden werden mussten, wollte man den Krieg in Palästina gewinnen. Nur eine einheitlich die einzig wahre christliche Religion praktizierende Gesellschaft würde, so die Annahme, dazu in der Lage sein. Wohin man im Westeuropa der Jahre um 1200 auch schaut: Überall entdeckt man Anzeichen eines ausgeprägten Uniformitätsdrangs – und das in einer Gesellschaft, die ohnehin bemerkenswert monokulturell war. Es ist kein Zufall, dass in einem solchen Klima auch die Kreuzzüge nach innen geführt wurden, wobei nicht selten der Kampf gegen den Islam zur Rechtfertigung herhalten musste. Der Umstand, dass es sich bei dem Albigenserkreuzzug um einen inneren Krieg handelte, trägt zur Erklärung einiger Besonderheiten bei. Schließlich war Südfrankreich nicht Palästina, und nicht einmal mit Spanien oder Livland ließ sich die dortige Situation vergleichen. Deshalb verpflichteten sich die Teilnehmer am Feldzug in das Languedoc auf eine Dienstzeit von lediglich vierzig Tagen. Diese kurze Dauer muss den Charakter des Unternehmens als einer Bußleistung abgeschwächt haben. Und obwohl die Teilnehmer sich bisweilen als „Pilger“ bezeichneten, hat man das Ziel ihrer Pilgerschaft nicht identifizieren können – womöglich hat es niemals existiert. Der Albigenserkreuzzug zeigt deutlich, dass die Kreuzzugsbewegung mittlerweile unabhängig von einigen ihrer ursprünglichen Bestandteile gedieh. Der Appell Innozenz’ III. stieß auf ein enthusiastisches, ja sogar leidenschaft liches Echo. Im Frühjahr 1209 sammelte sich eine große Streitmacht, um nach Südfrankreich zu marschieren. Raimund von Toulouse beeilte sich, eine Einigung auszuhandeln und versöhnte sich am 18. Juni 1209 in einer dramatischen Szene auf den Stufen der Abteikirche von Saint-Gilles wieder mit der Kirche. Die Zeremonie begann vor der großen Westfassade mit ihrer in Stein gemeißelten Darstellung der Passion Christi, einem Sinn-
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bild der katholischen Orthodoxie. Anschließend empfing der Graf im Inneren der Kirche einige Peitschenhiebe als Bußleistung. Dann musste er, da der Andrang der Zuschauermassen gar so groß war, die Kirche durch die Krypta verlassen, vorbei an dem noch frischen Grab Peters von Castelnau. Das Kreuzfahrerheer fiel in das Territorium des Raimund Roger Trencavel ein, der als Vicomte von Béziers, Carcassonne, Albi und Razès zahlreiche Häretiker zu seinen Untertanen zählte. Béziers fiel am 22. Juli, und die Kreuzfahrer, viele von ihnen arme Nordfranzosen, die nun anscheinend völlig außer Kontrolle gerieten, massakrierten zahlreiche Einwohner der Stadt, Katharer und Katholiken ohne Unterschied. Carcassonne, das zwei Wochen lang belagert wurde, erwartete ein wesentlich glimpflicheres Schicksal, was auch an der abschreckenden Wirkung des Massakers von Béziers lag, die jeglichen Widerstand zusammenbrechen ließ. Es war nun an der Zeit, einen neuen weltlichen Herrscher für die Ländereien der Familie Trencavel zu bestimmen, um eine dauerhafte Basis für künft ige Operationen zu schaffen. Die Wahl fiel auf Simon IV. von Montfort, der sieben Jahre zuvor noch einen Angriff auf Zadar sowie die Umleitung des Vierten Kreuzzuges nach Konstantinopel aus Prinzip abgelehnt hatte. Simon war mittlerweile Ende vierzig und seit 1181 Herr von Montfort und Epernon gewesen. Nach dem Tod eines Onkels mütterlicherseits hatte er 1204 die englische Grafschaft Leicester geerbt. Simon war mutig, zäh und fromm, er war ein herausragender Heerführer und ein Mustergatte. Er war allerdings auch ehrgeizig, stur und zu entsetzlichen Grausamkeiten fähig. Bis zu seinem Tod im Sommer 1218 übernahm er nun eine undankbare und einsame Aufgabe. Jedes Jahr im Sommer brachen Heerscharen von französischen und deutschen Kreuzfahrern über das Languedoc herein, um ihren immer gleichen Feldzug zu führen. Wenn ihre vereinbarte Dienstzeit von vierzig Tagen um war, kehrten sie nach Hause zurück, was nicht selten zu den unpassendsten Zeitpunkten geschah, und während des Winters blieb Simon beinahe allein zurück und konnte sehen, wie er die Gebietsgewinne der vergangenen Kampagne über die Zeit rettete. Als ob dies nicht bereits genug gewesen wäre, beschloss Innozenz III. zu Anfang des Jahres 1213, den für die Teilnehmer des Albigenserkreuzzuges vorgesehenen Ablass größtenteils abzuschaffen, um mehr Rekruten für sein neues Vorhaben eines Kreuzzuges in den Nahen Osten zu gewinnen. Diese Entscheidung zog Simon den Boden unter den Füßen weg, machte seine Lage noch verzweifelter und verlängerte sozusagen den Todeskampf des Albigenserunternehmens um ein ganzes Jahrzehnt. Im Jahr 1210 gelang es Simon, auch den verbliebenen Besitz der Trencavel unter seine Kontrolle zu bringen, woraufhin König Peter II. von Aragón, der Simon seine Anerkennung zuvor verweigert hatte, die von diesem angetragene Huldigung annahm. Raimund von Toulouse hatte die anlässlich seiner Aussöhnung mit den Kirchenoberen geleisteten Versprechungen noch immer nicht eingelöst, und obwohl er in der Zwischenzeit keineswegs irgendeine erkennbare oppositionelle Linie verfolgt hatte, waren die Legaten doch überzeugt davon, dass diesem Mann nicht zu trauen sei. Also bereitete Simon von Montfort einen Angriff auf Toulouse sowie Raimunds sonstige Besitzungen vor. In den Jahren 1211 und 1212 versuchte er immer wieder, einen Ring um Toulouse zu legen, indem er die Festungen der Umgegend eine nach der anderen in seine Gewalt brachte. Allerdings
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liefen, wenn der Herbst und damit das Ende der Kampfsaison nahte, die so mühsam eroberten Plätze nicht selten wieder auf die Seite Raimunds über. Im Winter 1212 / 1213 wandte sich Peter II. von Aragón, dessen Prestige durch seine Rolle beim Triumph von Las Navas de Tolosa einen gehörigen Schub erhalten hatte, persönlich an den Papst, um für seine Vasallen im Languedoc und für seinen Schwager, den Grafen von Toulouse, ein gutes Wort einzulegen. Das verschaffte nun Innozenz einen Vorwand, die Kreuzzugsprivilegien für auswärtige Freiwillige abzuschaffen, mit der Begründung, Simon von Montfort habe sich wohl ein wenig übernommen. Im Sommer 1213 zog Peter II. an der Spitze einer Streitmacht Richtung Toulouse, um seinem Schwager beizustehen, doch am 12. September wurde der König getötet, als sein Heer in der Schlacht von Muret durch Simons weit unterlegene Truppen eine entscheidende Niederlage erlitt. Der aragonesischen Expansionspolitik nördlich der Pyrenäen war damit ein Riegel vorgeschoben. Bis zum Ende des Jahres 1214 hatte Simon den größten Teil von Raimunds Territorien erobert, und eine gen Süden gerichtete Expedition Ludwigs von Frankreich, Philipps II. Sohns und Erben, wurde im Frühsommer 1215 zum Triumphzug. Im November übertrug das Vierte Laterankonzil diejenigen von Raimunds Ländereien, die er selbst erobert hatte, an Simon von Montfort; den Rest sollte die Kirche als Treuhänderin für den Sohn des Grafen verwalten. Simons Karriere hatte an diesem Punkt ihren Höhepunkt erreicht, aber eben auch ihren Wendepunkt, denn nun begannen der niedere Adel und die Städte der Region, dem enteigneten Grafen und seinem Sohn ihre Unterstützung anzutragen. Im September 1217 zog Raimund in Toulouse ein; am 25. Juni 1218 wurde Simon von Montfort vor den Mauern der Stadt durch ein Katapultgeschoss getötet. Die Führung seines Heeres übernahm sein zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alter Sohn Amalrich, der den Niedergang des Unternehmens jedoch nicht aufhalten konnte. Sogar die Tatsache, dass Papst Honorius III., der sich hinsichtlich des Languedoc als genauso radikal erwies wie hinsichtlich des Baltikums, 1218 den Kreuzzug nach Südfrankreich erneuerte, konnte daran nichts ändern. Honorius ermutigte insbesondere jene, die sich nicht dem Kreuzzug in den Osten angeschlossen hatten, nun für Südfrankreich das Kreuz zu nehmen, und leitete nicht zuletzt einen beträchtlichen Teil der für den Feldzug im Nahen Osten erhobenen Steuern dorthin um. Aber selbst der Tod Raimunds von Toulouse im August 1222 brachte Amalrich von Montfort kein Glück: Raimunds Sohn, Raimund VII., war einfach beliebter als der Fremde. Amalrichs Ressourcen waren erschöpft, und die Situation wurde allein durch eine Intervention des französischen Königs entschärft: Im Januar 1226 gelobte Ludwig VIII., im Süden seines Reiches einen Kreuzzug zu führen. Am 9. September nahm sein Heer nach dreimonatiger Belagerung Avignon ein, woraufhin sich beinahe der gesamte Landstrich östlich von Toulouse dem Lager des Königs anschloss, der die Verwaltung der gerade eroberten Gebiete einem neuen Statthalter namens Humbert von Beaujeu anvertraute. Zwar starb Ludwig am 8. November noch auf dem Heimweg, aber Humbert begegnete den Versuchen Raimunds VII., sein Erbe zurückzuerobern, dennoch mit einer systematischen und rücksichtslosen Zerstörungspolitik. Erst mit dem Frieden von Paris vom 12. April 1229 fand der Kreuzzug ein Ende. Raimund VII. erhielt die west-
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lichen und nördlichen Teile des Gebiets, das sein Vater zu Beginn des Kreuzzuges besessen hatte. Allerdings erhielt er sie unter der Bedingung, dass Toulouse ausschließlich an seine Tochter Johanna bzw. an deren Nachkommen aus ihrer geplanten Ehe mit dem Grafen Alfons von Poitiers vererbt werden durfte; andernfalls sollte das Erbe an Alfons’ Bruder, König Ludwig IX., zurückfallen. Der Friedensvertrag enthielt auch Klauseln zur Frage der Häresie. Darunter befand sich auch eine besonders interessante Regelung, welche die Errichtung einer Stiftung vorsah, aus deren Vermögen auf zehn Jahre die Gehälter von vier Magistern der Theologie, zwei Dekretisten (Kirchenrechtslehrern), sechs Magistern der freien Künste sowie zwei magistri regentes (Dozenten) der Grammatik gezahlt werden sollten. Diese vierzehn Gelehrten sollten in Toulouse unterrichten. Dies bezeichnete die Ursprünge der dortigen Universität. Die Bestimmungen des in Paris geschlossenen Friedensvertrages sowie die Beschlüsse einer im November 1229 in Toulouse gehaltenen Synode legen nahe, dass selbst zwanzig Jahre brutaler Kriegführung nicht sonderlich effektiv gewesen waren, denn die Ketzerfrage scheint so aktuell gewesen zu sein wie eh und je. Es ließ sich ganz einfach die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, dass Kreuzzüge – die ja ihrem Wesen nach nur von begrenzter Dauer waren – gegen die in dieser Region tief verwurzelte Häresie kaum etwas auszurichten vermochten. Erst mit der Einrichtung der Inquisition in Toulouse 1233 und unter dem beständigen Druck, den eine solche Instanz aufzubauen vermochte, begannen die Dinge, sich zu ändern. Ab etwa 1250 zogen die Anführer der Katharer sich in die Lombardei zurück. Bis zum Jahr 1324 war das südfranzösische Katharertum verschwunden.
Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel
Auch auf der Iberischen Halbinsel rief Innozenz III. einen neuen Kreuzzug aus. Obwohl die Reihe der dortigen Feldzüge nie ganz abgerissen war, hatte es die vorerst letzten Kreuzzugsbemühungen in dieser Gegend bereits 1189 gegeben, als zwei Flottenverbände mit friesischen, dänischen, flämischen, deutschen und englischen Kreuzfahrern, die auf dem Weg nach Palästina waren, König Sancho I. von Portugal halfen, die Städte Silves und Alvor einzunehmen, sowie 1193 und 1197, als Papst Coelestin III. Aufrufe zum Kreuzzug hatte ergehen lassen. In dem zweiten dieser Schreiben hatte der Papst verfügt, dass die Bewohner Aquitaniens ihre bereits für einen Zug nach Jerusalem geleisteten Gelübde auf Spanien umschreiben durften; vermutlich waren damit Gelübde aus der Zeit des Dritten Kreuzzuges gemeint, die noch immer nicht erfüllt waren. Coelestin reagierte mit diesem Zugeständnis auf die Triumphe des Almohadenkalifen Yaʿqub al-Mansur, den seine entsetzten christlichen Gegner nach seinem Sieg über König Alfons VIII. von León und Kastilien in der Schlacht bei Alarcos am 19. Juli 1195 als einen zweiten Saladin bezeichneten. Erst 1210 fühlte sich Alfons wieder stark genug, in die Offensive zu gehen, und so begannen die Überfälle auf muslimische Ziele unterstützt durch Kreuzzugsprivilegien Innozenz’ III. Wahrscheinlich bildete die auf mus-
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limischem Gebiet liegende Festung Salvatierra, die dem Ritterorden von Calatrava gehörte, den Ausgangspunkt. Yaqubs Nachfolger, der Kalif Muhammad an-Nasir, war zur Gegenwehr fest entschlossen und nahm Salvatierra nach einer zehnwöchigen Belagerung Anfang September ein. Allerdings gelang ihm dieser Erfolg zu spät im Jahr, als dass er daraus noch Kapital hätte schlagen können. Die Nachricht vom Verlust der Burg Salvatierra sorgte in ganz Westeuropa für Beunruhigung und veranlasste den Papst, im Frühjahr 1212 per Sendschreiben nach Frankreich und Spanien einen weiteren Kreuzzug zu proklamieren. In Rom selbst wurde Fasten und spezielle Gebete für einen christlichen Sieg angeordnet. In ganz Frankreich gab es Bußprozessionen. Diese trugen zwar, wie wir noch sehen werden, zur Entstehung des Kinderkreuzzuges bei; jedoch scheint lediglich ein einziger Nordfranzose von Bedeutung – Bischof Gottfried von Nantes –, das Kreuz genommen zu haben. In Südfrankreich hingegen war die Resonanz groß; vielleicht war das ein Nebeneffekt des Albigenserkreuzzuges. Im Juni 1212 versammelte König Alfons in Toledo eine ansehnliche Streitmacht um sich, darunter Ritter aus Frankreich, León und Portugal; König Peter von Aragón mit einem großen Heer sowie natürlich Vertreter des kastilischen Hochadels mit ihren Rittern und Stadtmilizen. Am Zwanzigsten des Monats marschierten sie los. Alfons entschied sich, die Konfrontation mit dem Gegner zu suchen und auf sein Glück in einer Entscheidungsschlacht zu setzen. Malagón und Calatrava, die von den Muslimen nach deren Sieg bei Alarcos erobert worden waren, fielen rasch an das christliche Koalitionsheer, doch bis zum 3. Juli war ein Großteil der Franzosen desertiert. Anscheinend machte ihnen die Hitze zu schaffen; möglicherweise waren sie jedoch auch über die großzügigen Zugeständnisse verärgert, die man der muslimischen Garnison von Calatrava gemacht hatte. Allein Erzbischof Arnold Amalrich von Narbonne sowie etwa 130 französische Ritter blieben und erlebten so den Triumph, der nun folgen sollte. Es gelang dem Heer nämlich, eine Reihe von Festungen einzunehmen, bevor eine Streitmacht unter dem Befehl König Sanchos VII. von Navarra zu ihnen stieß. Gemeinsam eilten sie zu dem Gebirgspass von Despeñaperros, um sich den vorrückenden Muslimen dort in den Weg zu stellen. Das Heer der Almohaden hatte jedoch sein Lager auf der Ebene von Las Navas de Tolosa aufgeschlagen und blockierte so den Weg zum Pass. Aber die Kreuzfahrer wichen auf einen Geheimpfad durch das hügelige Umland aus und standen ihren Gegnern plötzlich auf der weiten Ebene gegenüber. Am 17. Juli erlitten die Muslime eine vernichtende Niederlage in einer Schlacht, deren entscheidender Wendepunkt ein heroischer Reiterangriff unter dem Kommando des Königs von León und Kastilien war. Nach diesem Sieg eroberten die Christen die Burgen von Vilches, Ferral, Baños und Tolosa, wodurch der Weg nach Andalusien geöffnet wurde, sowie Baeza und Úbeda, die sie dem Erdboden gleichmachten. Wie schon 25 Jahre zuvor bei Hattin war die Schlacht auch diesmal das Ergebnis einer ganz bewussten Risikobereitschaft – der Unterschied war freilich, dass dieses Mal die Rechnung aufging. Die Nachricht vom Sieg der Kreuzfahrer löste auf den Straßen Roms Begeisterung aus und inspirierte Papst Innozenz’ zu einem seiner brillantesten Briefe, einem Freudengesang des Triumphes und der Dankbarkeit gegenüber Gott:
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Gott, der Beschützer aller, die auf ihn hoffen, ohne den keine Stärke ist und keine Standhaft igkeit, hat seine Gnade reichlich über euch und das christliche Volk ausgegossen und seinen Zorn über jene Völker, die den Herrn nicht anerkennen, und die Reiche derer, die seinen hochheiligen Namen nicht anrufen; und wie es vor langer Zeit durch den Heiligen Geist geweissagt worden ist, hat er die Völker zum Gespött gemacht, die ihr leichtsinniges Murren wider ihn erhoben haben; er hat sie dem Hohn ausgesetzt, deren Gedanken leer sind, er hat den Hochmut der Starken erniedrigt, hat den Stolz der Ungläubigen in den Staub geworfen.
Typischerweise unterließ es Innozenz III., König Alfons VIII. zu seinem Erfolg zu gratulieren: Der Sieg sollte allein Gott zugeschrieben werden, nicht den Kreuzfahrern, so wie umgekehrt eine Niederlage niemals ein Versagen Gottes, sondern ein Kommentar zur Verworfenheit der Kreuzfahrer war: Nicht die Hand eurer Hoheit war es, die all diese Dinge vollbracht hat, sondern die Hand Gottes. … Denn dieser Sieg wurde ganz gewiss nicht durch menschliches, sondern durch göttliches Tun erwirkt. … Wandelt also nicht im Stolze, weil diejenigen dort gedemütigt wurden, welche dem Geist des Frevels folgten, sondern rühmt und ehrt den Herrn, indem ihr voll Demut mit dem Propheten sprecht: „Solches hat getan der Eifer des Herrn Zebaoth!“ [nach Jes 37,32; Anm. d. Übers.] Und wenn andere sich ihrer Wagen und Pferde rühmen, solltet ihr jauchzen und frohlocken im Namen des Herrn eures Gottes.
Der Sieg von Las Navas de Tolosa war ein Wendepunkt der Reconquista, auch wenn dies den Zeitgenossen nicht klar gewesen sein sollte. Bereits 1213 wurde der Iberische Kreuzzug, wie auch der Albigenserkreuzzug, von Papst Innozenz III. bis auf Weiteres zurückgestellt, zumindest was die Beteiligung auswärtiger Freiwilliger betraf. Auch äußerte sein Nachfolger Honorius III. bei mehreren Gelegenheiten die Ansicht, Feldzüge im Westen sollten nicht zulasten der Kreuzzüge in den Osten geführt werden; andererseits halfen ganze Schiffsladungen niederländischer und rheinländischer Kreuzfahrer, die sich auf dem Weg nach Palästina befanden, den Portugiesen 1217, die Burg von Alcácer do Sal einzunehmen. 1219 war Honorius sogar bereit, den Teilnehmern von Kampagnen auf der Iberischen Halbinsel einen Teilablass zu gewähren, aber selbst dann betonte er, dass diese Regelung nur für all jene gedacht sei, die aus gutem Grund von einer Fahrt nach Ägypten absehen mussten. Nach der Einnahme von Damiette durch den Fünften Kreuzzug änderte sich seine Haltung allerdings, und im Jahr 1221 erneuerte er den früheren Ablass für ein Unternehmen König Alfons’ IX. von León und Kastilien und 1224 für eines, das von Ferdinand III. angeführt wurde. Allerdings waren diese Ablässe – in Einklang mit den Bestimmungen, die Innozenz III. 1213 erlassen hatte – auf spanische Kreuzfahrer beschränkt. Eine umfassende Erneuerung des Kreuzzugsablasses für die Iberische Halbinsel bewirkte erst ein Schreiben Papst Gregors IX. 1229. In jenem Jahr unternahm Jakob I. von Aragón eine Expedition auf die Balearen, an der auch südfranzösische Kreuzfahrer teilnahmen.
Der Kinderkreuzzug
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Der Kinderkreuzzug Der Kinderkreuzzug
Das Bild, das wir vom Zustand der Kreuzzugsbewegung im Jahr 1212 haben, gleicht einem Panoramafoto, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie für die Jahre 1147–1150. Im frühen 13. Jahrhundert wurde an gleich drei Fronten Krieg geführt: im Baltikum, im Languedoc und auf der Iberischen Halbinsel. Im Nahen Osten hingegen blieb es vergleichsweise ruhig, denn dort hatte das Lateinische Königreich 1211 einen sechsjährigen Waffenstillstand mit den Muslimen geschlossen. Daher kam es ungelegen, dass zu dieser Zeit eine Bewegung des einfachen Volkes zur Rettung des Heiligen Landes entstand. Es sollte dies die erste jener Zuckungen sein, die im 13. und frühen 14. Jahrhundert den Lauf der Ereignisse unterbrachen. Diese Ausbrüche, die sogenannten „Volkskreuzzüge“, waren Ausdruck der Frustration der Armen. Die Kreuzfahrerheere für den Einsatz in der Levante wurden zunehmend per Schiff dorthin gebracht, was bedeutete, dass die breite Masse der potenziellen Kreuzfahrer sich eine Teilnahme nicht mehr leisten konnte. Sich einem Heer anzuschließen, das auf dem Landweg nach Palästina zog, war eine Sache – hierzu brauchte man nicht mehr als eine robuste Gesundheit und kräftige Beine –, aber das Geld für eine Seefahrt aufzubringen, war eine ganz andere. Im Winter 1211 / 1212 waren Nordfrankreich und das Rheinland in Unruhe, denn die Predigten zum Albigenserkreuzzug hatten eine allgemeine Begeisterung für die Kreuzzugsidee entfacht. Diese wurde zur Massenhysterie, als aus Spanien die Nachricht vom Verlust der Burg Salvatierra eintraf und der Klerus begann, Bußprozessionen zu organisieren. Gary Dickson hat überzeugend herausgearbeitet, was dann geschah: Bei einer Bußprozession, die am 20. Mai 1212 in Chartres stattfand, war ein junger Hirte namens Stephan aus dem Dorf Cloyes anwesend. Von diesem Erlebnis beeindruckt, glaubte Stephan, bei der Rückkehr in seine Heimat von Christus besucht worden zu sein, der wie ein Pilger gekleidet war und ihm einen Brief an den König von Frankreich übergab. Stephans Schilderung seiner Vision – und vermutlich auch sein eigenes Charisma – sorgten dafür, dass sich bald zahlreiche, vielfach junge Bauern um ihn scharten, die wohl eher Halbwüchsige als kleine Kinder waren. Am Ende zog Stephan mit einer Menschenmenge von 15 000 bis 30 000 Männern und Frauen nach Saint-Denis vor den Toren von Paris. Auf dem Weg sangen sie: „Herr Gott, erhöh’ die Christenheit! Gib uns das Wahre Kreuz zurück!“ Ihre Hoffnung auf eine Begegnung mit ihrem König wurde enttäuscht, und man bedeutete ihnen, in ihre Dörfer zurückzukehren. Die meisten scheinen dieser Aufforderung Folge geleistet zu haben, und von dem Hirten Stephan ist weiter nichts bekannt. Die verbliebenen Beteiligten zogen durch Nordfrankreich nach Köln, wo ihre Ankunft Ende Juni eine weitere Volkserhebung unter einem jungen Anführer namens Nikolaus auslöste. Die noch immer mehrere tausend Menschen zählende Schar zog nach Italien, wo man eine Gelegenheit zur Überfahrt über das Mittelmeer zu finden hoffte. Nachdem sie in Genua enttäuscht worden waren, zogen manche westwärts nach Marseille weiter, andere nach Rom, wo sie jedoch ebenfalls abgewiesen wurden.
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Eine solche Massenbewegung von „Kindern“ beschäftigte die Fantasie der Zeitgenossen, und in den folgenden dreißig Jahren kam es zur Legendenbildung. So hieß es etwa, Nikolaus von Köln habe sich dem Fünften Kreuzzug angeschlossen, oder dass einige von denen, die Marseille erreicht hatten, von zwei Kaufleuten auf Schiffe gelockt und in die nordafrikanische Sklaverei oder nach Bagdad oder an das Oberhaupt der Assassinensekte, „den Alten vom Berge“, verkauft worden seien. Nur in einem einzigen Fall besitzen wir tatsächlich Nachricht über den weiteren Verbleib eines dieser jungen Männer: Im Jahr 1220 entband Papst Honorius III. einen armen Gelehrten namens Otto, der in Friaul lebte, aber vermutlich aus dem Rheinland stammte, von dem Kreuzzugsgelübde, das er „törichterweise gemeinsam mit anderen jungen Burschen (pueri)“ geleistet hatte.
Die Propagierung des Fünften Kreuzzuges Die Propagierung des Fünften Kreuzzuges
Bedenkt man die Begeisterung für den Kreuzzugsgedanken, die zu jener Zeit sämtliche Gesellschaftsschichten Westeuropas durchdrungen zu haben scheint, überrascht es nicht, dass das Trachten Papst Innozenz’ III. sich bald wieder auf die Planung eines Kreuzzuges in den Nahen Osten richtete. Dieser sollte beginnen, sobald der dort noch geltende Waffenstillstand 1217 auslief. Mitte Januar 1213 teilte Innozenz seinen Legaten im Languedoc mit, dass er einen solchen Kreuzzug anstrebe, und im April rief er öffentlich dazu auf, wobei er gleichzeitig die Kampagnen im Languedoc und auf der Iberischen Halbinsel herunterstufte: Da … [ansonsten] die Hilfe für das Heilige Land zu stark erschwert oder verzögert würde …, heben wir den von uns zuvor gewährten Ablass und die damit verbundenen Absolutionsleistungen für all jene, die nach Iberien gegen die Mauren oder in der Provence gegen die Ketzer gezogen sind, auf; vor allem, weil ihnen diese Vergünstigungen unter Umständen gewährt wurden, die nunmehr völlig vergangen sind, und aus einem bestimmten Grund, der größtenteils nicht mehr besteht, denn unsere Sache hat beiderorts durch die Gnade Gottes einen so guten Verlauf genommen, dass kein unmittelbarer Anlass zur Gewalt mehr besteht. Sollte diese nötig sein, so werden wir Sorge tragen, jeder ernsten Situation, die entsteht, unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Im übrigen gestehen wir zu, dass Straferlässe und Sündenablässe dieser Art den Provençalen und Spaniern weiterhin zugute kommen sollen.
Im folgenden September erklärte er einem seiner deutschen Kreuzzugsprediger genau, was das bedeutete: Jene, die das Kreuz genommen haben, um gegen die Ketzer in der Provence zu ziehen, ihr Vorhaben jedoch noch nicht in die Tat umgesetzt haben, müssen nun mit Eifer davon überzeugt werden, die Mühen der Reise nach Jerusalem auf sich zu nehmen, denn das ist die bei weitem verdienstvollere Tat. Wenn sie sich vielleicht nicht überzeugen lassen, dann müssen sie dazu gebracht werden, ihr Versprechen zu halten, das sie noch nicht erfüllt haben.
Die Propagierung des Fünften Kreuzzuges
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Wie bereits deutlich geworden ist, verzögerte Innozenz’ Vorgehen den Abschluss des Albigenserkreuzzuges um Jahre, und in Spanien und Portugal sorgte es für großen Unmut. Anlässlich des Vierten Laterankonzils baten sämtliche iberischen Bischöfe den Papst, der Reconquista doch in Gottes Namen ihren Kreuzzugsstatus zurückzugeben. Innozenz beruhigte sie, wie es scheint, mit dem Hinweis darauf, dass entsprechend seiner Entscheidung Sündenablässe ja durchaus gewährt wurden, aber eben nur für Spanier. Selbst der vergleichsweise kleine Kreuzzug entlang der Ostseeküste scheint für eine Weile zur Diskussion gestanden zu haben, denn warum sonst hätte Albert von Buxhövden auf dem Konzil ein leidenschaft liches – und wirksames – Plädoyer an den Papst richten sollen? Seine Argumentation beruhte dabei auf seiner Vorstellung von Livland als dem „Erbteil Mariens“: Heiliger Vater, ganz so, wie ihr eure Sorge dem Heiligen Land Jerusalem zuteilwerden lasst, welches das Land des Sohnes ist, so solltet Ihr auch Livland nicht vergessen, das Land der Mutter. … Denn der Sohn liebt seine Mutter, und ganz so, wie er sein eigenes Land nicht verloren geben möchte, so möchte er die Sicherheit des Landes seiner Mutter nicht gefährdet sehen.
Die Abwertung des iberischen und des albigensischen Kreuzzuges durch Innozenz III. war das erste Beispiel einer Vorgehensweise, die im Verlauf des 13. Jahrhunderts üblich werden sollte. Die römische Kurie war unzufrieden mit der Zersplitterung der Kräfte, die sich durch eine Kriegführung an mehreren Fronten zugleich ergab, und die Päpste gingen aus diesem Grund dazu über, nach Lage der Dinge jeweils einem Kriegsschauplatz ihre besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Tatsache, dass die Kreuzfahrer in steigendem Maße von einer päpstlichen Subvention durch Kirchensteuern abhängig wurden, führte im Laufe des 13. Jahrhundert zu einer steigenden Bereitschaft der Päpste, sich aktiv in die Kreuzzugsführung einzumischen. Innozenz III. und seine Berater bereiteten den geplanten Kreuzzug nach Palästina mit großer Sorgfalt vor. Die zu seiner Bekanntgabe verfasste Bulle Quia maior kann vielleicht als die bedeutendste ihrer Art gelten. Sie erging in der zweiten Aprilhälfte und Anfang Mai 1213 in nahezu alle Kirchenprovinzen. Indem sie mit einer ausführlichen Darlegung des Kreuzzugsgedankens begann, griff sie Motive auf, die schon seit langem die einschlägigen Predigten bestimmt hatten: Der Kreuzzug war ein Akt der christlichen Nächstenliebe. Durch den Aufruf zum Kreuzzug prüfte Gott die Absichten des Individuums. Zugleich bot die Teilnahme am Kreuzzug die Chance dar, das Seelenheil zu erlangen. Gerade in dieser Hinsicht ging Innozenz theologisch wohl so weit, wie es ihm irgend möglich war, denn er bezeichnete den Kreuzzug nicht nur als „eine Gelegenheit, das Heil zu erlangen“, sondern auch als „ein Mittel zum Heil“. Das Heilige Land war das Erbteil Christi. Innozenz hatte niemals gezögert, den Kreuzzug als eine Art Lehnsdienst gegenüber Gott darzustellen; auch diesen Gedanken griff er nun wieder auf, obwohl man die Metapher in Kirchenkreisen für gefährlich hielt: Schließlich implizierte die Gleichsetzung mit einer Lehnsbeziehung eine wechselseitige Verpflichtung zwischen Gott und dem Menschen, so wie zwischen dem Lehnsherr und seinem Vasallen eine wechselseitige
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Verpflichtung bestand. Gott hingegen war selbstverständlich niemandem irgendetwas schuldig. Innozenz verwendet in Quia maior seine bereits zuvor eingeführte Ablassformel; neu ist hingegen die Einforderung geleisteter Kreuzzugsgelübde durch Zwang. Der Papst hatte zwar bereits bestimmt, dass er kraft seines Amtes von der Pflicht, diese Gelübde zu erfüllen, befreien konnte: durch Aufschub, Umwandlung oder Freikauf; jedoch waren dies bislang strikte Ausnahmen gewesen, wohingegen die Einhaltung der meisten Gelübde streng überwacht und, wenn nötig, durchgesetzt worden war. Die Bulle Quia maior ließ nun einen Kurswechsel erkennen, der durch Geldmangel motiviert war und die Beteiligung der nicht oder nur beschränkt Tauglichen am Kreuzzug weiter zurückdrängte, indem er ihnen einen Ablass ohne aktive Teilnahme am Feldzug in Aussicht stellte. Zugleich wurde so jedoch der geistliche Nutzen des Kreuzzuges der ganzen Christenheit zugänglich gemacht. Unabhängig von den persönlichen Umständen sollten nun jeder und jede dazu aufgerufen sein, das Kreuz zu nehmen; aber diejenigen, die nicht ins Feld ziehen konnten oder wollten, konnten ihre Gelübde durch die Zahlung einer gewissen Summe ablösen: Da es zweifellos eine große Hinderung und Verzögerung der Hilfe für das Heilige Land bedeuten würde, wenn eine jede Person vor ihrem Kreuzzugsgelübde daraufhin untersucht werden müsste, ob sie tatsächlich gesund und in der Lage wäre, ein solches Gelübde auch zu erfüllen, gewähren wir allen Gläubigen – mit Ausnahme derjenigen, die durch Ordensgelübde gebunden sind –, das Kreuz auf eine solche Weise zu nehmen, dass ihr Gelübde durch unser apostolisches Mandat umgewandelt, abgegolten oder aufgeschoben werde, wenn dringliche oder offenkundige Gründe dieses erforderlich machen.
Einige Monate später erklärte Innozenz seine neue Vorgehensweise einem verdutzten Prediger: Aus diesem Schreiben [d. i. die Bulle Quia maior] könnt ihr klar ersehen, was nun zum Beispiel mit Frauen oder mit anderen Personen zu tun ist, die das Kreuz genommen haben und nicht geeignet oder nicht in der Lage sind, ihr Gelübde zu erfüllen. Es heißt ganz deutlich, dass ein jeder – mit Ausnahme von Ordensleuten – nach freiem Willen das Zeichen des Kreuzes so annehmen mag, dass dieses Gelöbnis durch das apostolische Mandat umgewandelt oder durch Geld abgelöst oder aufgeschoben werden kann, wenn eine dringende Notlage oder auch nur die offenkundige Zweckmäßigkeit dies verlangen.
Der berüchtigte „Ablasshandel“ hat seinen Ursprung natürlich in dieser neuen Politik Innozenz’ III., deren Umsetzung durch die päpstlichen Legaten in Frankreich einen Skandal heraufbeschwor und deren mannigfaltige Missbrauchsmöglichkeiten das ganze 13. Jahrhundert hindurch und noch darüber hinaus immer wieder für Kritik sorgten. Innozenz’ organisatorischer Eifer – und vielleicht auch seine Erfahrungen mit den Schwierigkeiten der Rekrutierung in den Jahren 1198 /11 99 und 1208 – führten schließlich zur Einführung eines ausgeklügelten Systems der Kreuzpredigt. Zu diesem Zweck wurden in England, Frankreich und Deutschland Predigthandbücher zusammengestellt. Die Predigtaktivitäten in Italien überwachte der Papst persönlich. In Skandinavien und
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Die Entbindung vom Kreuzzugsgelübde Das Wort Entbindung bezeichnet in diesem Zusammenhang die Befreiung von einem geleisteten Versprechen mitsamt den daran geknüpften Bedingungen. Papst Innozenz III. (1198–1216) legte hierfür einige verbindliche Regeln fest. So erklärte er etwa, ein Sohn sei verpflichtet, das geleistete, aber nicht eingelöste Gelübde seines Vaters zu erfüllen; zugleich betonte er jedoch das Recht des Papstes, von den einmal gegebenen Versprechen wieder zu entbinden. Leichter als eine völlige Entpflichtung erlangte man einen Aufschub, also die Erlaubnis, das Gelübde zu einem späteren Zeitpunkt einzulösen; eine Substitution – bei der ein anderer anstelle des ursprünglich Vorgesehenen ins Feld zog –; eine Kommutation oder Umwandlung, durch welche eine andere als die ursprünglich gelobte Bußleistung an deren Stelle trat; oder einen Loskauf, also eine Entbindung von dem geleisteten Gelübde gegen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Die zu zahlende Summe sollte im Idealfall der Summe entsprechen, die der Kreuzfahrer bei seiner Teilnahme am Kreuzzug ausgegeben hätte, und war somit stark vom sozialen Status der entsprechenden Person abhängig.
Frankreich übernahmen päpstliche Legaten die Organisation der Rekrutierung. Für alle anderen Kirchenprovinzen der lateinischen Christenheit ernannte Innozenz kleine Gruppen von Predigern mit Befugnissen, die denen seiner Legaten entsprachen. Viele dieser Bevollmächtigten waren Bischöfe, die in ihren Diözesen stellvertretend Prediger ernennen durften. Innozenz III. legte detaillierte Regeln für deren Verhalten fest und nahm offenkundig großen Anteil an der Art und Weise, in der sie ihrer Pflicht nachkamen. Wie zuvor schon in der Bulle Audita tremendi, so lag auch in Quia maior ein starker Akzent auf der Notwendigkeit der Umkehr, ordnete das Schreiben doch für das ganze christliche Abendland allmonatliche Bußprozessionen an und führte zudem ein neues Fürbittritual ein, das im Gottesdienst den Platz zwischen dem Friedenskuss und dem Empfang der Kommunion einnehmen sollte. Die speziell mit der Buße befassten Abschnitte dieses neuen liturgischen Elements drückten die feste Überzeugung aus, der Kreuzzug könne nur zum Erfolg führen, wenn er von einem spirituellen Neuanfang der gesamten Christenheit begleitet werde. Innozenz III. führte die Überlegungen seiner Vorgänger hinsichtlich einer allgemeinen Reform zu ihrem logischen Schluss. Die Entstehung der Bulle Quia maior erfolgte im engen Zusammenhang mit dem Ruf zum Vierten Laterankonzil, dessen Beratungen immer wieder um das Thema Kreuzzug kreisten. Am 11. November 1215 eröffnete Innozenz III. das allgemeine Konzil mit einer Predigt, in der er das doppelte Ziel von Kreuzzug und Erneuerung besonders hervorhob. Unter den Dekreten des Konzils befand sich auch eines, Excommunicamus, das der Rechtfertigung – und Regelung – von Kreuzzügen gegen Häretiker gewidmet war und einige
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Kirchenrechtler wie Raimund von Peñafort befürchten ließ, dass es fortan der Genehmigung derartiger Kreuzzüge dienen würde. Sogar noch folgenreicher war der Ad liberandam überschriebene Anhang zu den Konzilsbeschlüssen, der von den Teilnehmern am 14. Dezember gebilligt wurde, die Planung des Fünften Kreuzzuges weiter vorantrieb und das Datum für den Aufbruch des Kreuzfahrerheeres auf den 1. Juni 1217 festlegte. Dieser Zusatz stellt, wie James Brundage herausgearbeitet hat, „den umfangreichsten und ambitioniertesten Katalog von Kreuzfahrerrechten und -privilegien dar, den die Päpste bis dahin erlassen hatten, und … die darin niedergelegten Bestimmungen sollten wörtlich in den meisten Papstbriefen des späteren Mittelalters wiederholt werden“. Die Bulle Ad liberandam regelte den Heeresdienst der Kleriker sowie deren Wahrnehmung ihrer Pfründen in absentia. Sie enthielt zudem Innozenz’ klassische Formulierung des Kreuzzugsablasses, nahm die Kreuzfahrer von Steuern und Zinsen aus, erklärte ein Moratorium ihrer Schulden und garantierte ihnen für ihren Besitz den Schutz der Kirche. Auch enthielt sie ein Verbot von Waffengeschäften mit muslimischen Handelspartnern, verbot für drei Jahre die Veranstaltung von Turnieren und verordnete der Christenheit für die Dauer des Kreuzzuges einen allgemeinen Frieden. Die meisten dieser Bestimmungen waren in ähnlicher Form bereits in der Bulle Quia maior und anderen päpstlichen Erlassen enthalten gewesen, aber Ad liberandam sah zudem eine weitere Einkommenssteuer für den Klerus vor. Denn obwohl Innozenz III. die Geistlichen in Quia maior dazu aufgerufen hatte, angehende Kreuzfahrer finanziell zu unterstützen, war er doch davor zurückgeschreckt, die Steuervorschriften von 1199 wieder einzuführen – vielleicht, weil diese so wenig erfolgreich gewesen waren. Allerdings ordnete er nun eine auf drei Jahre vorgesehene Steuer von einem Zwanzigstel (also fünf Prozent) auf sämtliche Kircheneinnahmen an, was im Vergleich zu der früheren Regelung einer Versechsfachung der Steuerlast entsprach. Im Jahr 1199 hatte er die Eintreibung der Steuer den Bischöfen überlassen, aber deren mangelnde Kooperationsbereitsschaft führte bald dazu, dass Innozenz seine eigenen Steuereintreiber aus Rom entsandte, um pünktliche und vollständige Zahlungen zu gewährleisten. Anders als 1199 enthielt Ad liberandam keinerlei Garantie dafür, dass aus dieser Regelung kein Präzedenzfall werden würde. Diesmal war sie allerdings mit der Autorität eines allgemeinen Konzils verabschiedet worden, wodurch der Grundsatz in die Welt gesetzt wurde, dass ein Papst den Klerus ohne dessen Mitsprache besteuern dürfe. Verständlicherweise machte daher selbst die Bestätigung durch das allgemeine Konzil diese Steuer nicht gerade beliebter. Auf der Iberischen Halbinsel stieß sie auf erbitterten Widerstand, da sie auf die Kränkung der Reconquista die Beleidigung folgen ließ. Auch in Frankreich, Italien, Deutschland und Ungarn regte sich Unmut. Innozenz III. starb am 16. Juli 1216. Kurz zuvor hatte er noch in Mittelitalien den Kreuzzug gepredigt; eine Predigtreise durch Oberitalien war bereits geplant. Während seines Pontifi kats erreichten die diversen Formulierungen und Definitionen der Kreuzzugsidee ihre vollentwickelte Gestalt, und seine Erlasse wurden zu Musterstücken für spätere Päpste. Innozenz erweiterte die Einsatzmöglichkeiten des Kreuzzuges, übertrat dabei jedoch nie die Grenzen eines traditionellen Verständnisses von „Kreuzzug“, das
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nur wenige so klar und elegant ausgedrückt haben, wie er oder seine Schreiber. Er war der erste Papst, der zur Finanzierung von Kreuzzügen Kirchensteuern erhob; der erste, der die Möglichkeit der Ablöse durch Geldzahlungen ausbeutete, und der erste auch, der ein ausgefeiltes System der Kreuzpredigt aufbaute. Anlässlich des Vierten Kreuzzuges entwickelte Innonzenz die Idee einer Landungsoperation europäischer Söldner in Ägypten. Mit dem Fünften Kreuzzug wurde, wie James Powell geschrieben hat, „der Kreuzzug zu einem Werkzeug für die moralische Transformation der Gesellschaft geschmiedet“. Und doch waren – wie so vieles in seinem Pontifi kat – die kühnen Ideen Innozenz’ III. viel zu ambitioniert und seine tatsächliche Macht viel zu beschränkt. Insbesondere der Verlauf des Vierten Kreuzzuges ließ erkennen, wie schwach die Position dieses Papstes tatsächlich war. Das Kirchenrecht verbot dem Klerus die Übernahme eines Militärkommandos – und der Papst war selbstverständlich ein Kleriker. Obwohl Innozenz alles daransetzte, das machtvollste Instrument als „päpstlicher Monarch“ auch in seinem Sinne einzusetzen, blieb er für die Umsetzung seiner Ideen auf die Kooperation der weltlichen Fürsten angewiesen, die sich allesamt als nicht gerade unfehlbar und oft mals als völlig inkompetent erwiesen.
Der Verlauf des Fünften Kreuzzuges Der Verlauf des Fünften Kreuzzuges
Innozenz’ Nachfolger Honorius III. war bereits über siebzig Jahre alt, als er zum Papst gewählt wurde. Die traditionelle Sicht auf sein Pontifi kat hat dieses noch im Schatten seines großen Vorgängers gesehen; erst in jüngerer Zeit haben Rebecca Rist und Iben Fonnesberg-Schmidt damit begonnen, ein neues Bild von Honorius als einem ambitionierten, innovativen und geistig unabhängigen Papst zu zeichnen. Honorius betrieb mit Hochdruck die Vorbereitungen für den neuen Kreuzzug und bemühte sich, die zahlreichen Hindernisse zu umgehen, die ein Unternehmen dieser Art allzu oft zum Scheitern brachten. Friedrich II., der junge römisch-deutsche König, hatte anlässlich seiner Krönung in Aachen im Juli 1215 das Kreuz genommen, konnte jedoch unmöglich zu einem Kreuzzug aufbrechen, solange sein Anspruch auf den Kaiserthron durch Otto von Braunschweig bestritten wurde. Den päpstlichen Legaten in Frankreich, dem Kardinal Robert von Courçon und Erzbischof Simon von Tyrus, war es bereits gelungen, unter der armen Bevölkerung im Land großen Enthusiasmus für den geplanten Kreuzzug zu wecken, doch obwohl die Herzöge von Burgund und Brabant, der Konnetabel von Frankreich, die Grafen von Bar, La Marche, Nevers und Rodez sowie der Herr von Joinville allesamt das Kreuz nahmen, war die französische Beteiligung anteilsmäßig geringer als beim Dritten und Vierten Kreuzzug. Dazu mögen die Ereignisse im Languedoc, wo sich der Albigenserkreuzzug noch immer hinzog und 1226 das Leben König Ludwigs VIII. kosten sollte, die Nachwirkungen des französischen Sieges über Otto von Braunschweig, Johann Ohneland und die Flamen in der Schlacht von Bouvines 1214 sowie schließlich ein Wissen von der geplanten Beteiligung Friedrichs II. beigetragen haben. Die eher schwache französische Beteiligung beunruhigte natürlich die verantwortlichen Kirchen-
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oberen, aber das starke Echo in anderen Teilen Europas – vor allem in Ungarn, Deutschland, Italien und den Niederlanden – machte dies mehr als wett. Insbesondere Bischof Oliver von Paderborn erwies sich als wundervoller Prediger – und das im Wortsinn: Seine Reisen durch das Land sollen von Wundern begleitet worden sein. König Andreas II. von Ungarn, der das Kreuz bereits 1196 genommen, seitdem jedoch von den Päpsten mehrere Male einen Aufschub erhalten hatte, setzte sich als erster in Bewegung. Seine Abgesandten handelten mit den Venezianern die Bereitstellung einer Flotte aus, die das ungarische Heer in Split aufnehmen sollte. Zu diesem gehörten neben ungarischen Truppen auch Kontingente unter Führung der Herzöge von Österreich und Meran; der Erzbischof von Kalocsa sowie viele weitere Bischöfe, Äbte und Grafen aus Ungarn und dem ganzen römisch-deutschen Reich hatten sich den Ungarn ebenfalls angeschlossen. Als sich diese Streitmacht nun Ende August 1217 in Split versammelte, wurde bald klar, dass Andreas’ Gesandte in eine Falle getappt waren, die derjenigen genau entgegengesetzt war, die zur Umleitung des Vierten Kreuzzuges geführt hatte: Die Anzahl der nach und nach eintreffenden Kämpfer war viel zu hoch, als dass die zur Verfügung stehenden Schiffe sie hätten aufnehmen können; der Hauptteil des Heeres musste mehrere Wochen auf seine Einschiff ung warten. Zahlreiche Ritter kehrten nach Hause zurück oder entschieden sich, ihr Glück im nächsten Frühling noch einmal zu versuchen. Das Heer, das schließlich im Herbst 1217 in Akkon eintraf, erwies sich zudem als zu groß für die zur Verfügung stehenden Lebensmittelvorräte, da Palästina infolge einer schlechten Ernte von einer Hungersnot heimgesucht wurde. Man riet den Kreuzfahrern sogar ausdrücklich dazu, in ihre Heimat zurückzukehren. Der König von Jerusalem, Johann von Brienne, hatte mit den Großmeistern der drei Ritterorden – der Templer, Johanniter und des Deutschen Ordens – bereits zuvor über Pläne zu zwei voneinander unabhängigen, jedoch parallel durchgeführten Kampagnen beraten: Die eine sollte gegen Nablus geführt werden und hatte die Rückeroberung der Gegend westlich des Jordans zum Ziel; die andere sollte zur Einnahme von Damiette in Ägypten führen. Angesichts der angespannten Lage trat nun jedoch ein Kriegsrat zusammen und beschloss, dieses Doppelvorhaben bis auf Weiteres zurückzustellen. Stattdessen wollte man – um den Feind und zweifellos auch die eigenen, in Akkon gelandeten Leute zu beschäft igen, bis die restlichen Kreuzzugsteilnehmer eintrafen – eine Reihe von kleineren Kriegszügen unternehmen. Anfang November plünderte ein bewaffneter Aufk lärungstrupp Bet Scheʿan und überquerte südlich des Sees Genezareth den Jordan, um dann am östlichen Ufer des Sees nach Norden zu marschieren und über Dschisr Banat Yaʿqub nach Akkon zurückzukehren. Nach einer kurzen Erholungspause zog das Kreuzfahrerheer zum östlich von Nazareth gelegenen Berg Tabor, den die Muslime befestigt hatten; Innozenz III. hatte die davon ausgehende Gefahr in seiner Bulle Quia maior ausdrücklich erwähnt. Am 3. Dezember rückten die Kreuzfahrer durch dichten Nebel in Richtung des Gipfels vor, doch ihr Angriff misslang, ebenso ein erneuter Vorstoß zwei Tage später. Ein dritter Expeditionstrupp, alles in allem nicht mehr als fünfhundert Männer, machte sich kurz vor Weihnachten 1217 daran, Wegelagerer im gebirgigen Hinterland von Sidon zu bekämpfen, geriet jedoch in einen Hinterhalt und wurde vollkommen aufgerieben.
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In der Zwischenzeit bereitete der König von Ungarn, der nach der allerersten Aufk lärungsmission keine nennenswerte Rolle bei den Kampfhandlungen mehr gespielt hatte, seine Rückkehr in die Heimat vor. Anfang Januar 1218 brach er nach Syrien auf und reiste dann auf dem Landweg über Kleinasien zurück nach Europa. Viele der ungarischen Kreuzfahrer schlossen sich ihm an. Die in Akkon verbliebenen Kräfte machten sich zunächst an die Neubefestigung von Caesarea, wenig später an den Bau einer gewaltigen neuen Templerburg, des Chastel Pèlerin bei ʿAtlit. Dann traf ab dem 26. April 1218 endlich die langerwartete Verstärkung im Hafen von Akkon ein. Da sich nun eine große Zahl von friesischen, deutschen und italienischen Kreuzfahrern im Feldlager vor der Stadt einfand und eine ebenso beeindruckende Flotte verfügbar war, beschlossen die Anführer des Kreuzzuges, ihr Glück zu wagen und die Gelegenheit zu einer Invasion Ägyptens zu ergreifen. In einem gewissen Sinne kam es jetzt also zur Verwirklichung dessen, was schon der Vierte Kreuzzug hatte erreichen sollen. Am 27. Mai erreichte die Vorhut des Invasionsheeres Damiette, das der Patriarch von Jerusalem bereits 1199 als das herausragende Angriffsziel im Nildelta genannt hatte. Die Kreuzfahrer stießen auf nur geringe Gegenwehr. Es gelang ihnen rasch, auf einer Flussinsel gegenüber der Stadt ein Feldlager aufzuschlagen und dieses mit Barrikaden und einem Graben zu befestigen. Auf der einen Seite bot der Nil, auf der anderen ein aufgegebener Kanal weiteren Schutz. Es sollten achtzehn Monate ins Land gehen, bis Damiette fiel. Während dieser Zeit erhielten die Belagerer Verstärkung durch italienische, französische, zypriotische und englische Kreuzfahrer, aber es waren natürlich auch Abgänge zu verzeichnen, etwa Herzog Leopold von Österreich, der im Mai 1219 nach Europa zurückkehrte. König Johann von Jerusalem führte das Oberkommando, womit jedoch dem Anschein nach nicht viel mehr als der Vorsitz bei einer Art von Lenkungskomitee verbunden war. Im September 1218 kam der päpstliche Legat Pelagius von Albano im Kreuzfahrerlager an. Pelagius verfügte über eine starke Persönlichkeit, und er war durchaus gewillt, die Annahme König Johanns, Ägypten werde im Erfolgsfall dem Königreich Jerusalem zugeschlagen werden, in Frage zu stellen. Der Stimme des Kardinals kam im Kreis der Anführer bald ein immer größeres Gewicht zu, während Johann in gleichem Maße immer stärker ins Hintertreffen geriet. In der ersten Phase der Belagerung bemühten sich die Angreifer, den Kettenturm von Damiette einzunehmen, ein mächtiges Bollwerk auf einer Insel mitten im Nil, von dem aus eiserne Ketten gespannt werden konnten, um Schiffen die Durchfahrt zu verwehren. Diverse Kriegslisten wurden erprobt, bis endlich eine schwimmende Belagerungsmaschine, die Bischof Oliver von Paderborn selbst entworfen hatte, zum Erfolg führte. Die Konstruktion, die unter anderem über eine drehbare Sturmleiter verfügte, glich einer Burg im Miniaturformat und ruhte auf zwei Schiffsrümpfen, die aneinander festgemacht waren. Am 24. August 1218 wurde sie auf den Kettenturm losgelassen. Nach einem erbitterten Kampf gelang es den Angreifern, auf der Insel Fuß zu fassen; die überlebenden Verteidiger des Kettenturms ergaben sich am folgenden Tag. Es heißt, der ägyptische Sultan sei vor Schreck gestorben, als man ihm die Nachricht von dieser plötzlichen Wendung überbrachte; allerdings nutzten die Kreuzfahrer den gewonnenen Vorteil nicht
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sofort aus, und die Ägypter kompensierten den Verlust des Kettenturms, indem sie eine Barriere aus versenkten Schiffen errichteten und den Nil so auch weiterhin blockierten. Im Oktober mussten die Kreuzfahrer zwei beherzte Angriffe auf ihr Lager abwehren. Währenddessen arbeiteten sie unter Hochdruck daran, den verlandeten Kanal auf der anderen Seite der Insel wieder schiffbar zu machen, damit sie Damiette so umgehen und mit ihren Schiffen weiter flussaufwärts würden segeln können. Anfang Dezember war der Kanal frei, aber der Winter war außergewöhnlich streng, und die Kreuzfahrer litten unter dem Hochwasser, das ihre Vorräte ungenießbar machte, ihre Zelte zerstörte und eine gerade im Bau befindliche weitere schwimmende Festung, die diesmal auf sechs Schiffsrümpfen hätte ruhen sollen, losriss und hinüber ans feindlichen Nilufer trieb. Anfang Februar 1219 verließ jedoch das muslimische Heer, das bislang zur Verteidigung von Damiette vor den Toren der Stadt ihre Zelte aufgeschlagen hatte, ihr Lager, nachdem die Nachricht von der Flucht des neuen ägyptischen Sultans die Runde gemacht hatte, der anscheinend von einer Verschwörung zu seiner Absetzung erfahren hatte. Als die Verteidiger in ihre Stellungen zurückkehrten, konnten sie nicht mehr verhindern, dass die Kreuzfahrer den Nil überquerten und sich am Ufer vor Damiette festsetzten, wo sie große Proviantbestände vorfanden. Sie hielten nun beide Ufer des Flusses und begannen, zwischen ihnen eine Brücke zu schlagen. An diesem Punkt ersuchte die ägyptische Führung um einen Waffenstillstand und bot den Kreuzfahrern für deren Rückzug aus Ägypten das gesamte Territorium des Königreichs Jerusalem mit Ausnahme der transjordanischen Gebiete an, dazu einen Waffenstillstand von dreißig Jahren. Insbesondere das zuletzt genannte Angebot einer dreißigjährigen Waffenruhe war außerordentlich, wenn man bedenkt, dass Waffenstillstandsverträge mit Nichtmuslimen nach dem Konsens in muslimischen Kreisen eine maximale Dauer von nur zehn Jahren haben sollten. Der König von Jerusalem sprach sich dafür aus, diese Bedingungen anzunehmen, doch Pelagius von Albano und die Vertreter der Ritterorden waren dagegen – selbst dann noch, als die Ägypter zusätzlich eine jährliche Zahlung von 15 000 byzantinischen Goldmünzen für die transjordanischen Burgen Karak und Schaubak anboten. In der Zwischenzeit waren den Muslimen Verstärkungen aus Syrien zugegangen, und während der Monate März, April und Mai unternahmen sie immer wieder Angriffe auf das neue Heerlager ihrer Gegner. Diese errichteten stromabwärts der Stadt eine weitere Pontonbrücke, die von 38 Schiffen getragen wurde, und unternahmen ab dem 8. Juli eine ganze Reihe von direkten Angriffen auf Damiette, bis es ihnen der sinkende Nilpegel schließlich unmöglich machte, die Stadtmauern mit ihren Sturmleitern zu erreichen. Den muslimischen Truppen vor der Stadt, die ihrerseits zu Gegenangriffen übergegangen waren, gelang am 31. Juli ein tiefer Vorstoß in das Kreuzfahrerlager, bevor sie wieder daraus vertrieben wurden. Am 29. August beschlossen die Kreuzfahrer, einen weiteren Angriff auf das ägyptische Feldlager zu unternehmen. Allerdings wurden sie bei ihrem Vorstoß durch einen vorgetäuschten Rückzug der Muslime in eine Falle gelockt; ihr Angriff brach in sich zusammen, und sie erlitten eine herbe Niederlage. Sultan al-Kamil bot erneut Verhandlungen an und fügte seinen bisherigen Vorschlägen weitere hinzu: Im Falle eines Waffenstill-
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stands wolle er für die Wiedererrichtung der Stadtmauern von Jerusalem und der Burgen Belvoir, Safed und Toron aufkommen. Nicht zuletzt stellte er die Rückgabe der Kreuzesreliquie in Aussicht, die den Christen in der Schlacht von Hattin verloren gegangen war. König Johann von Jerusalem, die Franzosen, die Engländer und die Ritter des Deutschen Ordens waren für die Annahme dieser Bedingungen, aber Pelagius von Albano, die Templer und die Johanniter sprachen sich beharrlich dagegen aus. In der Tat war die Garnison von Damiette mittlerweile durch Hunger derart geschwächt, dass sie die Stadt nicht mehr angemessen verteidigen konnte. Am Abend des 4. November bemerkten vier christliche Wachtposten, dass einer der Türme in der Stadtmauer von Damiette unbesetzt zu sein schien. Eilig erklommen sie die Mauer und fanden den Turm verlassen vor, so dass die Kreuzfahrer die Stadt schnell erobern konnten. Das in der Nähe lagernde ägyptische Heer zog sich hastig nach al-Mansura zurück, und bis zum 23. November gelang es den Kreuzfahrern auch, die an der Mittelmeerküste gelegene Stadt Tinnis kampflos einzunehmen. Der schwelende Streit zwischen dem päpstlichen Legaten Pelagius von Albano und König Johann von Jerusalem spitzte sich nun immer weiter zu. Schließlich reiste Johann verärgert ab und beraubte den Kreuzzug damit seines bedeutendsten Heerführers. Innerhalb des Heeres spiegelten sich die Spannungen an dessen Spitze in Gestalt von Ausschreitungen und Meuterei, die durch Auseinandersetzungen über das in den Städten aufgefundene Beutegut weiter angefacht wurden. Überraschenderweise unternahmen die Kreuzfahrer während der nächsten beinahe zwanzig Monate keine weiteren Schritte, was es dem Sultan erlaubte, sein Feldlager bei al-Mansura zu einer regelrechten Festung auszubauen. Wiederum unterbreitete er den Invasoren sein Angebot und machte sogar noch weitere Zugeständnisse. Wiederum lehnten sie ab. Die Kreuzfahrer warteten jetzt auf das Eintreffen Kaiser Friedrichs II., der bei seiner Krönung in Rom am 22. November 1220 versprochen hatte, einen Teil seines Heeres im nächsten Frühjahr für die Überfahrt nach Ägypten einzuschiffen, sich selbst jedoch im August darauf auf den Weg zu machen. Die deutschen Truppen trafen im Mai 1221 in Ägypten ein. Nun endlich wurden Vorbereitungen für einen Vorstoß in das Landesinnere getroffen. Am 7. Juli kehrte Johann von Brienne, dem der Papst mit nachdrücklichen Worten geradezu befohlen hatte, sich wieder zu seinem Heer zu begeben, nach Ägypten zurück. Am 17. Juli begann das Kreuzfahrerheer seinen Vorstoß am rechten Nilufer entlang nach Südwesten. Am 24. Juli marschierten sie gegen den Ratschlag Johanns von Brienne auf eine schmale Landzunge, die sich gegenüber der Stadt al-Mansura zwischen zwei Flussarmen des Nils erstreckte, und schlugen dort ihr Lager auf. Möglicherweise vermuteten sie, die Nilschwelle werde – wie es in der Vergangenheit mitunter vorgekommen war – in diesem Jahr ausbleiben. Falls dies der Fall war, hatten sie sich getäuscht, denn im August – und damit etwas später als üblich – begann der Nilpegel anzusteigen. Die muslimischen Verteidiger von al-Mansura nutzten einen kleinen Kanal, um Boote in die beiden Hauptarme des Flusses zu befördern und so die Schiff fahrtsroute zurück nach Damiette zu blockieren. Dieser unerwartete Schritt zwang die Kreuzfahrer zum Rückzug, aber die Muslime schickten ihnen ihre Bodentruppen hinterher, schnitten ihren Rückzugsweg ab und durchstachen die Deiche,
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um das Land unter Wasser zu setzen. Die Kreuzfahrer saßen in der Falle: Nun waren sie es, die um Frieden bitten mussten. Am 30. August willigten sie ein, Ägypten zu verlassen, im Gegenzug für einen Waffenstillstand von acht Jahren und die Reliquie des Wahren Kreuzes. Letztere sollten sie aber niemals erhalten – womöglich, weil die Ägypter sie gar nicht besaßen.
Der Kreuzzug Friedrichs II. Der Kreuzzug Friedrichs II.
Während dieses Debakel noch seinen Lauf nahm, waren Verstärkungen eingetroffen, die Friedrich II. gesandt hatte. Deren Anführer protestierten scharf gegen die Bedingungen des mit dem Sultan geschlossenen Waffenstillstands. Als der Kaiser selbst von ihnen hörte, war er außer sich – aber es kam ihm wohl kaum zu, in dieser Situation Kritik zu üben; immerhin hatte er sein eigenes Kreuzzugsgelübde noch nicht erfüllt, wofür er nun genauso scharf getadelt wurde wie dreißig Jahre zuvor die Könige von England und Frankreich. Friedrichs immer wieder aufgeschobene Abreise bedeutete nun allerdings nicht, dass ihm der Kreuzzug egal gewesen wäre. Zwar konnte er rücksichtslos sein, aber ungeachtet der diversen Skandalgeschichten, die schon zu seinen Lebzeiten über den Kaiser im Umlauf waren – Friedrichs Karriere und vielfältige Talente verblüfften sowohl die Zeitgenossen als auch seine späteren Biografen –, war Friedrich doch durchaus ein frommer Mann und fühlte sich der Kreuzzugsidee zutiefst verbunden. Er war noch immer keine dreißig Jahre alt, und die langen Jahre interner Machtkämpfe in Deutschland sowie die Anarchie, die er bei seiner Rückkehr nach Unteritalien vorfand, erklären, warum er sein 1215 abgelegtes Gelübde noch nicht erfüllt hatte. Papst Honorius III. allerdings, der selbst für das Scheitern des Kreuzzuges verantwortlich gemacht wurde, konnte sich nicht zurückhalten, seinem Unmut kraft vollen Ausdruck zu geben. Im März 1223 erneuerte Friedrich im Beisein König Johanns von Jerusalem, des Patriarchen von Jerusalem sowie der Großmeister der Ritterorden im mittelitalienischen Ferentino sein Kreuzzugsgelübde. Als Datum seiner Abreise wurde der 24. Juni 1225 vereinbart. Friedrich verlobte sich mit der Erbin des Königreichs Jerusalem, in deren Namen ihr Vater als Regent herrschte. Friedrich bot allen Interessierten freie Überfahrt und Verpflegung, aber trotz dieser großzügigen Anreize war der Zustrom von Freiwilligen eher enttäuschend. Der Kaiser sah sich deshalb zu einem erneuten Aufschub gezwungen, um den Kreuzzugspredigern etwas mehr Zeit für ihre Rekrutierungsarbeit zu verschaffen. Am 25. Juli willigte er in San Germano ein, am 15. August 1227 aufzubrechen, und akzeptierte zudem die strengen Bedingungen, die ihm der Papst auferlegte. So musste Friedrich versprechen, nach seiner Ankunft im Heiligen Land auf zwei Jahre den Unterhalt von 1000 Rittern zu zahlen und für jeden Mann, um den er diese Vorgabe verfehlte, eine Strafe von fünfzig Mark Silber. Außerdem sollte der Kaiser 100 Transportschiffe und 50 bewaffnete Galeeren bereitstellen sowie den Führern der lateinischen Herrschaft in Palästina zur einstweiligen Deckung der mit seinem Kreuzzug verbundenen Ausgaben 100 000 Unzen Gold im Vor-
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aus in fünf Raten übersenden, die ihm bei seiner Ankunft in Akkon zurückerstattet werden würden. Friedrich heiratete Isabella von Jerusalem am 9. November 1225 in Brindisi und nahm nach einer Krönungszeremonie in Foggia den Titel eines Königs von Jerusalem an. Daraus folgte, dass das unmittelbare Ziel seines Kreuzzuges nicht mehr Ägypten, sondern Jerusalem sein sollte. In der Zwischenzeit war in Deutschland und England ein ziemlich großer Rekrutierungsaufwand getrieben worden, weshalb ab der Mitte des Sommers 1227 große Scharen von Kreuzfahrern in Unteritalien zusammenströmten. Im August und Anfang September stachen sie von Brindisi aus in See, und obwohl nicht wenige von ihnen desertierten, als sie in Palästina die Nachricht erreichte, der Kaiser werde nun doch nicht zu ihnen stoßen, marschierte der größere Teil des Heeres die Küste hinunter nach Caesarea und Jaffa, um die dortigen Befestigungsanlagen wiederherzustellen, während andere in nördlicher Richtung nach Sidon zogen, die Stadt ganz besetzten – bislang war sie zur Hälfte von Damaskus aus regiert worden – und ebenfalls neu befestigten. Nordöstlich von Akkon errichteten die Kreuzfahrer zudem die Burg von Montfort. In der Zwischenzeit war Friedrich, der erkrankt war, in den Hafen von Otranto eingelaufen, um dort seine Genesung abzuwarten. Papst Gregor IX. reagierte darauf mit der Exkommunikation des Kaisers. Es fällt schwer zu entscheiden, ob der Papst tatsächlich über Friedrichs ständiges Hinausschieben seiner Abreise verärgert war – oder ob er durch dessen Exkommunikation nicht vielmehr seinen eigenen Einmarsch in Friedrichs unteritalienische Besitzungen vorbereiten wollte, zu deren Schutz die Kirche verpflichtet gewesen wäre, sobald ihr Herr erst einmal zum Kreuzfahrer geworden war. Wie dem auch sei: Als Kaiser Friedrich II. am 28. Juni 1228 endlich in das Heilige Land aufbrach, war er exkommuniziert und nicht als Kreuzfahrer anerkannt. Als er am 7. September – nach einem Zwischenspiel auf Zypern, auf das später einzugehen ist – in Akkon eintraf, hätte er schwerlich einen Feldzug beginnen können: Sein Heer war klein, weil viele der Freiwilligen aus dem Vorjahr bereits den Rückweg in ihre Heimat angetreten hatten, und es war gespalten, denn viele der verbliebenen Kreuzfahrer wollten mit ihrem Kaiser nun, da der Papst den Bann über ihn verhängt hatte, nichts mehr zu tun haben. Schon seit 1226 hatte sich Friedrich jedoch in einem ständigen Austausch von Gesandten mit dem ägyptischen Sultan al-Kamil befunden, der sich mit dem Kaiser gegen seinen eigenen Bruder al-Muʿazzam, den Herrscher von Damaskus, verbünden wollte. In der Zwischenzeit war al-Muʿazzam zwar gestorben, aber al-Kamil, dem der Fünfte Kreuzzug einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte, scheint nicht erkannt zu haben, wie schwach Friedrichs Position tatsächlich war; deshalb war er bereit, Jerusalem gegen die Sicherheit Ägyptens einzutauschen. Die Verhandlungen begannen sofort. Zur Demonstration seiner Stärke marschierte Friedrich im November mit seinem Heer von Akkon nach Jaffa. Am 18. Februar 1229 wurde ein Vertrag geschlossen, demzufolge al-Kamil Bethlehem und Nazareth sowie einen Streifen Land von Jerusalem bis zur Küste an die Lateiner abtrat; dazu einen Teil des Bezirks von Sidon, der ohnehin bereits von den Christen besetzt worden war, die Burg Toron und – vor allem – Jerusalem selbst, wobei der Tempelbezirk jedoch in mus-
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limischer Hand verbleiben sollte und die Stadt als ganze nicht befestigt werden durfte. Im Gegenzug verpflichtete Friedrich II. sich, für die Dauer des auf zehn Jahre geschlossenen Waffenstillstands die Interessen des Sultans gegen alle seine Feinde – selbst gegen Christen! – zu verteidigen. Insbesondere werde der Kaiser den Herren von Tripolis und Antiochia sowie den Ordensrittern auf ihren Burgen Krak des Chevaliers, Margat und Safita keinerlei militärische Unterstützung gewähren. Es schien jedoch unwahrscheinlich, dass Jerusalem sich würde verteidigen lassen, und so sprach der Patriarch von Jerusalem, als er von dem Vertragsschluss hörte, ein Interdikt über seine Stadt aus. Friedrich II. zog am 17. März in Jerusalem ein und vollzog tags darauf eine feierliche Zeremonie in der Grabeskirche, bei der er demonstrativ eine Krone trug. Damit nahm Friedrich Bezug auf die alte Prophezeiung, derzufolge der letzte deutsche Kaiser vor der Ankunft des Antichrist in Jerusalem residieren werde. Diese Verheißung war im Zusammenhang mit der Kreuzzugsbewegung immer wieder einmal aufgegriffen worden und hatte womöglich auch Friedrichs Großvater zu seinem Kreuzzug inspiriert. Jerusalem sollte fünfzehn Jahre lang in christlicher Hand bleiben, aber es scheint dem Königreich Jerusalem nicht wieder eingegliedert worden zu sein; vielmehr behandelte Friedrich II. es als seinen persönlichen Besitz. Am 19. März kehrte er nach Akkon zurück, wo ihm der Patriarch von Jerusalem, die Adligen und die Templer mit offener Ablehnung begegneten. Die Stadt war in Aufruhr; Bewaff nete zogen durch die Straßen. Wenig später veranlasste die Nachricht von einer päpstlichen Invasion Apuliens Friedrich zum hastigen Aufbruch in die Heimat. In den frühen Morgenstunden des 1. Mai versuchte er, Akkon in aller Heimlichkeit zu verlassen, wurde jedoch auf seinem Weg über die Fleischmärkte hinunter zum Hafen mit Gedärmen und Fleischstücken beworfen. Das war der kuriose Epilog zum Fünften Kreuzzug. Jerusalem war durch einen Friedensschluss restituiert worden, den ein Exkommunizierter erreicht hatte, dessen Kreuzzug nicht als solcher anerkannt worden war und in dessen Besitzungen am Ende die Truppen des Papstes standen. Über Jerusalem selbst hatte der Patriarch der Stadt das Interdikt verhängt. Sein Befreier verließ Palästina nicht im Triumph, sondern überschüttet mit Abfällen.
8. Die Kreuzzugsbewegung in voller Reife (1229–ca. 1291) 8. Die Kreuzzugsbewegung in voller Reife (1229–ca. 1291)
Die Meinungen und Vorstellungen vom Kreuzzug, die in den anderthalb Jahrhunderten seit dem Aufkommen der Bewegung unter Kirchenrechtlern diskutiert worden waren, wurden in den Schriften Papst Innozenz’ IV. und seines Schülers Heinrich von Susa (besser bekannt als Hostiensis) gesammelt und weiterentwickelt. Wie beide Autoren betonten, konnte auf Erden allein der Papst ein solches Unternehmen wie den Kreuzzug legitimieren. Der Ablass, den er als Einziger gewähren konnte, sei Ausdruck seiner Autorität in dieser Angelegenheit. Das Heilige Land, das durch die körperliche Gegenwart und das Leiden Christi gewissermaßen dessen Segen empfangen habe (und Teil des Römischen Reiches gewesen war), gehöre rechtmäßig den Christen, und seine Besetzung durch die Muslime sei ein Vergehen, gegen das der Papst als Stellvertreter Christi auf Erden und Erbe der römischen Kaiser zur Vergeltung aufrufen könne. Kreuzzüge konnten, so ihre Theoretiker, auch zur Verteidigung gegen Ungläubige geführt werden sowie auch gegen all jene innerhalb der christlichen Welt, die durch ihre Irrlehren christliche Seelen bedrohten. Hostiensis griff zwar die Ansicht des Petrus Venerabilis auf, derzufolge Kreuzzüge gegen Häretiker, Schismatiker und Rebellen sogar noch notwendiger waren als jene in das Heilige Land; dabei war er jedoch wesentlich radikaler als Innozenz IV., was seine Haltung in puncto der Beziehungen zwischen Christen und Andersgläubigen anging. Innozenz räumte ein, dass die Autorität des Papstes über die Heiden nur de jure – von Rechts wegen – anzunehmen sei, nicht aber de facto, also in Form einer tatsächlichen Herrschaft. Dennoch beanspruchte der Papst für sich das Recht, den Ungläubigen Weisungen zu erteilen. Das konnte etwa den Befehl bedeuten, Missionare in ihren Ländern predigen zu lassen, aber es schloss als letzten Ausweg auch das Recht ein, sie für Verstöße gegen das Naturrecht zu bestrafen. Allerdings betonte Innozenz, dass die Christen ihre Gegner nicht allein aus dem Grund bekriegen durften, dass sie keine Christen waren; auch Bekehrungskriege waren streng verboten. Hostiensis hingegen setzte voraus, dass der Papst sich sehr wohl in die Angelegenheiten der Ungläubigen einmischen durfte und dass allein deren Weigerung, die päpstliche Autorität anzuerkennen, schon einen Krieg gegen sie rechtfertigte. Er legte sogar nahe, dass jeder Krieg, den Christen gegen Ungläubige führten, bereits durch den Glauben der christlichen Seite zu einem gerechten Krieg werde. Das ging jedoch in den Augen der meisten Christen zu weit, die eher Innozenz folgten als Hostiensis. Der vom Verstand geprägte Ansatz von Innozenz IV. und Hostiensis lässt nicht erkennen, welche leidenschaft lichen Reaktionen die Kreuzzugsbewegung hervorrief. Ich habe bereits erwähnt, dass es in den Kreuzzugspredigten des 13. Jahrhunderts eine auff ällige
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Betonung der Bußleistungen gegeben hat, die der einzelne Kreuzfahrer erbrachte. Immer und immer wieder hoben die Prediger hervor, dass die Schwere der so erlittenen Mühen einen umso größeren Heilsgewinn versprachen. Eine innige Hinwendung zum Kreuz begründete das Reservoir von Ausdrucksmöglichkeiten, aus dem diese Männer schöpften. Für den Dominikaner Humbert von Romans stand das Kreuz, das Signum der erlösten Menschheit, für die Hingabe des Kreuzfahrers, der sich ganz in den Dienst Christi stellte und einen gewissen Anteil an dessen Passion auf sich nahm. Das Kreuz ist [predigte Jakob von Vitry] die letzte Holzplanke in einer Welt, die Schiffbruch erlitten hat; es ist das Holz des Lebens; die Waage der Gerechtigkeit; das Szepter eines Königs; ein herrschaft liches Diadem; der Thron für einen Kaiser; ein Baum, der Schatten spendet; eine harte Zuchtrute; ein stützender Stab; es ist das Feldbanner, rot gefärbt vom Blut Christi, dessen Anblick uns zum Kampf ruft.
Natürlich hatte das Kreuz zu allen Zeiten einen entscheidenden Platz im Kreuzzugsdenken eingenommen, aber während der ersten 80 Jahre der Bewegung scheint das Bild des Kreuzes – sowohl in den Worten der Prediger als auch in den Köpfen der Kreuzfahrer – eine weniger bedeutsame Rolle gespielt zu haben als etwa die Realität des Heiligen Grabes in Jerusalem. Der Siegeszug des Kreuzes im Denken der Kreuzzugsbewegung, seine Verwandlung vom starken Symbol der Selbstaufopferung zum universalen Rechtfertigungsmittel, das jeder nur denkbaren Handlung zu einer gewissen Bedeutung verhalf, rührte vor allem daher, dass zur selben Zeit die fromme Verehrung von Christi Kreuzestod an Bedeutung gewann, was auch mit dem Aufkommen stark gefühlsbetonter Kreuzigungsdarstellungen einherging. Diese starke Fokussierung auf das Kreuz war Ausdruck einer Volksfrömmigkeit, deren Andachtspraxis bald überwiegend auf diesen einen Gegenstand ausgerichtet war. Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts hatte das Kreuzzugswesen eine gewisse Normalität gewonnen. Viele der beteiligten Familien konnten zu dieser Zeit schon auf vier oder gar fünf Generationen von Kreuzfahrern zurückblicken. Die Privilegien, die den Status eines Kreuzfahrers ausmachten, waren schon längst formalisiert worden. Der Ablass war das größte dieser Privilegien. Ihm gesellten sich diverse Anrechte bei, von denen viele – wenn auch nicht alle – Weiterentwicklungen jener Schutzrechte darstellten, die einst den Pilgern auf ihrem gefährlichen Weg ein gewisses Maß an Sicherheit hatten bieten sollen. Die Predigtmaschine lief unaufhaltsam, wenn auch nie mehr so präzise wie 1213 unter Innozenz III. Sobald ein Kreuzzugsablass proklamiert wurde und die zuständigen Legaten ernannt waren, kam sie in Fahrt. Die eigentliche Arbeit verrichteten die Mönche der Bettelorden, die bald die üblichen Kreuzzugsprediger waren. Zwischen 1266 und 1268 verfasste Humbert von Romans, der nach seiner Amtszeit als Generalmeister des Dominikanerordens in einem Kloster in Lyon lebte, eine Schrift mit dem Titel De praedicatione sanctae crucis contra Saracenos („Über das Predigen des Heiligen Kreuzes gegen die Sarazenen“), ein tragbares Handbuch für Kreuzzugsprediger. Humbert wollte sicherstellen, dass diese Männer vor ihrem Einsatz eine gebührende Ausbildung bekamen. Sie sollten über Kenntnisse in Geografie verfügen, insbesondere der Geografie jener Erdteile,
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Die Kreuzzugsprivilegien Abgesehen vom Ablass betraf die Kreuzfahrer noch eine ganze Reihe weiterer Regelungen. So wurden sie für die Dauer ihrer Verpflichtung gewissermaßen zu Geistlichen auf Zeit, waren der Kirchengerichtsbarkeit unterstellt und von den allermeisten Formen weltlicher Jurisdiktion befreit – sofern das Vergehen, für das sie belangt werden sollten, geschehen war, nachdem sie das Kreuz genommen hatten. Außerhalb seines jeweiligen Heimatbistums konnte ein Kreuzfahrer zudem nicht vor Gericht gestellt werden. Eine etwaige Exkommunikation wurde ihnen erlassen. Sie durften für die Dauer des Kreuzzuges Umgang mit Exkommunizierten pflegen, ohne dafür belangt zu werden. Interdikte betrafen sie nicht. Es war ihnen gestattet, persönliche Beichtväter zu halten, die sie nicht nur von kleineren Vergehen freisprechen, sondern ihnen sogar die Absolution für schwere Sünden wie etwa Totschlag erteilen durften (wofür eigentlich die päpstliche Jurisdiktion zuständig gewesen wäre). Kreuzfahrer durften zudem ihr Kreuzzugsgelübde als Ersatz für ein anderes Gelübde heranziehen, das sie zuvor zwar geleistet, aber nicht erfüllt hatten. Sie durften etwaige Dienstverpflichtungen oder Gerichtsverfahren, an denen sie Anteil hatten, bis zu ihrer Rückkehr vom Kreuzzug aufschieben. Wenn sie es wünschten, hatten sie Anspruch auf die schnelle Erledigung eventuell anhängiger Prozesse vor ihrer Abreise. Sie durften ihre Teilnahme am Kreuzzug als Wiedergutmachung für einen von ihnen begangenen Diebstahl betrachten. Um genug Geld für ihre Reise aufbringen zu können, durften sie Lehen oder anderen eigentlich unveräußerlichen Besitz verpfänden oder verkaufen. Für eine gewisse Zeit durften Kleriker, die am Kreuzzug teilnahmen, die Erträge ihrer Pfründen auch in Abwesenheit genießen; auch diese Pfründen durften ausnahmsweise verpfändet werden, wenn es um die Finanzierung einer Kreuzzugsteilnahme ging. Kreuzfahrer hatten für die Zeit ihrer Abwesenheit das Recht auf eine Stundung etwaiger Schulden und waren zudem von Zinszahlungen, Zöllen und Steuern befreit. Auf ihrer Reise durften sie die Gastfreundschaft kirchlicher Einrichtungen in Anspruch nehmen. Für ihre persönliche Unversehrtheit auf der Reise stand die Kirche genauso ein, wie für die ihrer Familien und Güter während ihrer Abwesenheit.
in denen Kreuzzüge geführt wurden, und ganz besonders sollten sie sich mit den Gegebenheiten des Heiligen Landes und jenen Orten auskennen, die schon in der Bibel erwähnt wurden. Die angehenden Kreuzzugsprediger sollten sich auch mit dem Islam beschäft igen: Humbert legte ihnen nahe, den Koran zu studieren, dazu das Leben Mohammeds sowie die Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. Zu diesem Zweck hatte er für seine Leser sogar eine Liste mit weiterführenden Lektüreempfehlungen zusammengestellt. Als Hilfestellung für die Praxis vermittelte die Schrift De praedicatione auch das nötige Wissen, mit dem die Prediger Fragen zu den
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Kreuzzugsbullen beantworten und Ratschläge in Sachen Ablass, Kreuzzugsgelübde und Entpflichtungsoptionen erteilen konnten. Um ihnen zudem bei der Abfassung ihrer Predigten unter die Arme zu greifen, fügte Humbert seinem Manuskript 138 Bibelstellen bei, die sich als Grundlage für Kreuzzugspredigten eigneten. Diese Auswahl griff sowohl auf das Alte als auch auf das Neue Testament zurück und umfasste, wie Penny Cole es formuliert hat, „ein Panorama der Religionskriege der Heilsgeschichte“. Dazu kamen noch Anekdoten, die das Interesse des Publikums wecken sollten und die einer anderen Bücherliste entnommen waren. Humbert von Romans riet seinen Predigern zudem, sich unter vier Augen mit Fürsten und Würdenträgern zu treffen, da diese dem Kreuzzug – gleichsam als Multiplikatoren – zu einer größeren Menge von Freiwilligen verhelfen konnten, etwa Leuten aus ihrem Gefolge, die ihren Herrn auf seiner Reise würden begleiten wollen. Solche Einzelgespräche waren in der Praxis jedoch die Ausnahme; die Regel waren öffentliche Predigten, idealerweise vor großem Publikum. Eine solche Predigt sollte verhältnismäßig kurzgefasst sein und mit einer invitatio enden, einer überzeugungskräft igen Einladung, sich dem Kreuzzug anzuschließen. Humbert nennt 29 Musterbeispiele für ein solches Schlusswort. Eines beginnt wie folgt: Und so ist klar, geliebte Brüder und Schwestern, dass alle, die sich dem Heer des Herrn anschließen, von dem Herrn gesegnet werden. Die Engel werden ihre Begleiter sein, und mit dem Tod wird ihnen ewiger Lohn zuteilwerden.
Die aus dem 13. Jahrhundert erhaltenen Kreuzzugspredigten enthalten ganz ähnliche Appelle. In den mit Sorgfalt gemachten Abschriften erscheinen diese oft recht gestelzt, aber in der Praxis wurden die Predigten wohl in der Regel improvisiert, und mit welcher Inbrunst das bisweilen geschehen konnte, lässt der Bericht von einer Predigt erahnen, die der Abt Martin von Pairis am 3. Mai 1200 in Basel gehalten hat und die von außergewöhnlich emotionalen Aufrufen durchsetzt ist: Und so rennt denn, ihr starken Krieger, eilt noch heute dem Herrn zu Hilfe, werdet Ritter Christi, strömt zusammen und bildet Scharen, die ihres Sieges sicher sind. Euch lege ich hier heute das Anliegen Christi vor; in Eure Hände lege ich, sozusagen, Christus selbst, auf dass ihr danach strebt, seine Erbschaft für ihn zurückzugewinnen, aus dem er so grausam vertrieben worden ist.
Humberts invitationes enden ausnahmslos mit dem Wort cantus (Gesang). Wie er erklärt, sollte die invitatio stets von einem Hymnus begleitet sein. Als Beispiele nennt er Veni Creator Spiritus, Veni Sancte, Vexilla regis und Salve crux sancta, fügt aber hinzu, dass jeder andere passende Hymnus gesungen werden konnte. Die beiden letzten der von Humbert genannten Hymnen – übersetzt „Feldzeichen des Königs“ und „Sei gegrüßt, o heiliges Kreuz“ – handeln vom Kreuz Christi; die beiden ersten beschwören den Heiligen Geist, dem traditionell eine entscheidende Rolle als Inspirator der Kreuzfahrer zugeschrieben wurde. Wir wissen aber, dass manche Kreuzzugsprediger auch volkstümliche Lieder einsetzten. Wahrscheinlich sang auch ein Chor, während die
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Männer einer nach dem anderen nach vorn traten, um dort vor aller Augen ihr Gelübde zu leisten.
Steuern und Abgaben Steuern und Abgaben
Der Klerus wurde nun regelmäßig besteuert. Die Höhe dieser Abgaben, die über einen Zeitraum zwischen einem und sechs Jahren erhoben werden konnten, betrug üblicherweise zehn Prozent; sie wurden entweder der gesamten Kirche oder aber dem Klerus einzelner Provinzen auferlegt. Getilgt wurde die Steuerschuld in der Regel durch zwei gleich hohe Zahlungen pro Jahr. Die Einnahmen aus dieser Besteuerung wurden in Geldzahlungen an ein breites Spektrum von Empfängern vergeben, das von Königen bis zum Niederadel reichte. Oft wurden dazu die Einnahmen von Kirchen aus dem Territorium des Empfängers und aus den Territorien von dessen Verwandtschaft herangezogen. Dies gab den Päpsten eine Verfügungsgewalt, von der sie noch im 12. Jahrhundert nicht zu träumen gewagt hätten, denn da die Teilnahme am Kreuzzug kostspielig und die Kreuzfahrerschaft immer knapp bei Kasse war, konnte der Papst seine Subventionen aus Kirchensteuermitteln – und diese machten einen großen Teil des gesamten Kreuzzugsbudgets aus – so verteilen, wie es seinen momentanen politischen Absichten entsprach. In der Praxis war diese Kontrollmöglichkeit jedoch nie so effektiv, wie die Theorie vermuten ließe. Wenn ein Empfänger päpstlicher Geldzuwendungen sein Gelübde brach, sollte die erhaltene Summe – die zwischenzeitlich in Klöstern oder anderen kirchlichen Institutionen hinterlegt war – eigentlich nach Rom zurückgeschickt werden. Tatsächlich erhielten die Päpste jedoch in den seltensten Fällen das gesamte Geld zurück, insbesondere dann, wenn es sich bei den betroffenen Schuldnern um Könige handelte. Außerdem war diese Besteuerung, die sich auch kumulativ auswirkte – wenn nämlich neue Zahlungen fällig wurden, während die alte Steuerschuld noch nicht beglichen war –, zutiefst unpopulär und wurde nicht selten aus Prinzip abgelehnt. Päpstliche Gesandte stießen allenthalben auf Feindseligkeit, und tatsächlich war der Widerstand gegen die Steuern so groß, dass ihre Eintreibung sehr schleppend vonstattenging – sofern die eingeforderten Summen überhaupt gezahlt wurden. Eine positive Folge war hingegen, dass die Anführer von Kreuzfahrerkontingenten mithilfe der päpstlichen Subsidien nicht nur Söldner anwerben, sondern auch rangniedrigere Kreuzfahrer unterstützen konnten. Möglicherweise schon seit dem Vierten Kreuzzug, ganz bestimmt jedoch ab den 1230er-Jahren gingen Könige und andere hohe Herren Verträge mit ihren Gefolgsleuten ein, durch welche diesen Geldzahlungen garantiert wurden, die sie im Austausch gegen ihren Dienst mit einer festgelegten Anzahl Männer erhalten würden. Dieses System von Männern ermöglichte es, Freiwillige so zu bezahlen, als ob sie im Dienst ihres Anführers stünden, und sorgte in der Truppe für eine bessere Disziplin.
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Der Kreuzzug der Barone (1239–1241) Der Kreuzzug der Barone (1239–1241)
Der Waffenstillstand, den Friedrich II. mit dem ägyptischen Sultan geschlossen hatte, sollte im Juli 1239 enden. In Erwartung dieses Ereignisses veröffentlichte Papst Gregor IX. schon 1234 einen neuen Aufruf zum Kreuzzug. Er erteilte den Dominikanern den besonderen Auftrag, das Kreuz zu predigen. Gregors Absicht scheint es gewesen zu sein, die Gläubigen zunächst geschlossen hinter der gemeinsamen Sache zu vereinen, indem er sie dazu ermutigte, das Kreuz zu nehmen. In einem zweiten Schritt konnte er dann, ganz nach dem Vorbild Innozenz’ III., den Dienstuntauglichen die Ablösung ihrer Gelübde durch die Zahlung einer Geldsumme gestatten. Zudem hegte der Papst den ehrgeizigen Plan, für die Dauer von zehn Jahren nach Ende des Waffenstillstands ein stehendes Heer in Palästina zu unterhalten. 1235 schlug er vor, jeder Christenmensch, der sich dem Kreuzzug nicht anschließe – ob Mann oder Frau, ob Kleriker oder Laie –, solle einen Pfennig pro Woche in die Kreuzzugskasse zahlen und dafür einen beschränkten Ablass erhalten. Sowohl einzelnen Kreuzfahrern als auch Bauvorhaben in Palästina sollten aus dieser Quelle päpstliche Subsidien gewährt werden. Der Plan, den Gregor X. 1274 in leicht abgewandelter Form wieder aufgreifen sollte, war völlig unrealistisch, denn die zur wöchentlichen Zahlung angesetzte Summe überstieg die finanziellen Möglichkeiten der meisten einfachen Leute um ein Beträchtliches. Es überrascht nicht, dass die Steuer anscheinend nie erhoben wurde. Im Gegensatz zum Fünften Kreuzzug waren die Reaktionen in Frankreich dieses Mal enthusiastisch. Im September 1235 musste Gregor die französischen Bischöfe anweisen, die Kreuzfahrer erst nach Ablauf der Waffenruhe aufbrechen zu lassen. Man hatte gehofft, das französische Kreuzfahrerheer werde bereits vor Juli 1239 im Heiligen Land eintreffen, aber Friedrich II., auf dessen süditalienische Häfen sie womöglich für ihren Transport und die weitere Versorgung angewiesen sein würden, bestand darauf, dass vor dem Ende des Waffenstillstands kein Kreuzfahrerheer in Palästina erscheinen solle; entsprechend wurde das Abmarschdatum auf August verschoben. Was vielleicht noch entscheidender war: Der Papst hatte es sich anders überlegt. Die schwere Notlage des Lateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel bewog Gregor im Spätsommer 1236 dazu, eine Zieländerung vorzuschlagen und den Kreuzzug unter der Führung des Grafen von Bretagne, Peter von Dreux, nach Konstantinopel zu entsenden. Außerdem bat der Papst den Grafen Theobald IV. von Champagne, der das Kreuz für Palästina genommen hatte, dem Lateinischen Kaiserreich zu Hilfe zu kommen. Den Erzbischof Heinrich von Reims – der ein Bruder Peters von Dreux war – wies Gregor an, den Grafen Heinrich II. von Bar finanziell zu unterstützen, sollte dieser sich zu einer Teilnahme am Kreuzzug nach Konstantinopel entschließen. Dem Bischof von Sées befahl er, sein für Palästina geleistetes Gelübde auf Konstantinopel abzuändern, und der Bischof von Mâcon sollte Humbert von Beaujeu, der im Jahr 1226 der Schrecken des ganzen Languedoc gewesen war, zur Abänderung seines Gelübdes bewegen. Tatsächlich vermutet man, dass der Papst bei dieser Gelegenheit die Gelübde von 600 nordfranzö-
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Philipp von Aubigny Philipp von Aubigny, der in seiner englischen Heimat als ein Muster an Ritterlichkeit galt, war der Hauslehrer des jungen Königs Heinrich III. Er war ein Verwaltungsmann, Diplomat und Feldherr in England, der Gascogne und auf den Kanalinseln. Er war wohlhabend, loyal, ehrlich, mit vielen Talenten gesegnet – aber vor allem anderen fühlte er sich der Sache des Heiligen Landes verpfl ichtet. Als Sohn eines Kreuzfahrers, der vom Dritten Kreuzzug nicht zurückgekehrt war, nahm Philipp selbst drei Mal das Kreuz: Im Jahr 1219 zog er nach Ägypten, 1228 nach Palästina, und 1235 gehörte er vermutlich zur Vorhut des sogenannten „Kreuzzuges der Barone“. Auf diesem Feldzug starb er und wurde 1236 nahe dem Südportal der Grabeskirche in Jerusalem bestattet. Dem Chronisten Matthäus Paris zufolge, der von Kreuzfahren im Allgemeinen nicht sehr viel hielt, „verdiente [Philipp] es, im Heiligen Land sein Grab zu finden, wie er es zu Lebzeiten so lange schon ersehnt hatte“. In Jerusalem bestattet zu werden, war der Herzenswunsch aller, die auf einem Kreuzzug todkrank wurden. So beerdigten die Johanniter den Kreuzfahrer Wernher von Kyburg, der aus der Nähe von Zürich stammte und mit Kaiser Friedrich II. nach Palästina gekommen sein muss, zunächst in Akkon. 1229 jedoch überführten sie Wernhers Gebeine in das gerade erst wieder zurückgewonnene Jerusalem. Vermutlich hatte Wernher zu Lebzeiten den Wunsch geäußert, dort begraben zu werden, und die Johanniter lösten ein ihm gegebenenes Versprechen ein.
sischen Rittern hat umwandeln lassen. Er schrieb auch nach Ungarn, um von dort Unterstützung für Konstantinopel zu erbitten. In Frankreich regte sich allerdings bald Widerstand gegen diese Änderung des ursprünglichen Plans – sowohl Peter von Dreux als auch Heinrich von Bar sollten schließlich nach Palästina ziehen –, und Ende Mai 1237 schien Gregor IX. sich mit der Tatsache abgefunden zu haben, dass es nun eben zwei Kreuzzüge geben würde. Durch den Einsatz Balduins II., der den Kreuzzug nach Konstantinopel in seiner Eigenschaft als lateinischer Kaiser auch anführte, war dieser, als er sich im Spätsommer 1239 auf den Weg machte, zu einer recht beachtlichen Streitmacht angewachsen – und das, obwohl sich ihm von den bedeutenderen Vertretern des französischen Adels lediglich Humbert von Beaujeu und Thomas von Marle angeschlossen hatten. Dieses Heer eroberte 1240 die Stadt Çorlu in Thrakien, und seine Anwesenheit verschaffte Konstantinopel eine dringend benötigte Atempause. Unterdessen versammelte sich in Lyon das glanzvollste Kreuzfahrerheer, das in Frankreich seit dem Jahr 1202 ausgehoben worden war. Angeführt wurde es von zwei Pairs de France: Graf Theobald IV. von Champagne, der seit 1234 zugleich König von Navarra und dessen Vater einer der ersten Anführer des Vierten Kreuzzuges gewesen war, und Herzog Hugo IV. von Burgund. In ihrem Gefolge befanden sich Amalrich von Montfort, Konnetabel von Frankreich, Sohn Simons von Montfort und dessen Erbe im Languedoc,
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sowie der königliche Mundschenk Robert von Courtenay und außerdem die Grafen von Bretagne, Nevers, Bar, Sancerre, Mâcon, Joigny und Grandpré. Der größte Teil des Heeres stach im August von Marseille aus in See und erreichte Akkon Anfang September. Bald erreichte sie die Nachricht von einem muslimischen Vorstoß auf Jerusalem, aber bei ihrer Ankunft diskutierten die einheimischen Anführer darüber, ob sie den Herrscher von Damaskus oder den Sultan in Kairo angreifen sollten, die miteinander verbündet waren. Am Ende entschied man sich, zuerst die Küste entlang nach Askalon zu marschieren und die dortige Zitadelle neu zu befestigen, um sodann einen Angriff auf Damaskus zu wagen. Am 12. November erreichte ein großes christliches Heer Jaffa, wo man ihnen allerdings mitteilte, dass sich bei Gaza eine ebenfalls beträchtliche ägyptische Streitmacht versammelt habe. Gegen den Rat und sogar ein ausdrückliches Veto Theobalds von Champagne brachen Peter von Dreux und die Großmeister der Ritterorden, dazu die Kontingente des Herzogs von Burgund, der Grafen von Bar, Montfort und Brienne – der letztgenannte hatte Jaffa in seiner Obhut – sowie der Herren von Sidon und Arsuf und Odo von Montbéliard, der Konstabler von Jerusalem, in Richtung Süden auf. Sie ritten die ganze Nacht hindurch und schlugen ihr Lager jenseits von Askalon auf. Vielleicht war die Unternehmung nicht ganz so unüberlegt, wie es den Anschein haben mag: Schließlich hatten sich ihr führende Vertreter des einheimischen Adels angeschlossen, die ihren Feind vermutlich gut kannten. Allerdings versäumten es die Verantwortlichen, Wachtposten aufzustellen. Infolgedessen fanden sie sich bald umzingelt. Während der Herzog von Burgund und die einheimischen Herren die Flucht ergriffen, weigerten sich Heinrich von Bar und Amalrich von Montfort, dies ebenfalls zu tun. Im Verlauf des nun folgenden Kampfes wurden sie durch einen vorgetäuschten Rückzug der Angreifer dazu verleitet, diesen nachzusetzen. Heinrich wurde getötet; Amalrich und rund achtzig Ritter gerieten in Gefangenschaft. Der größere Teil des christlichen Heeres erfuhr von diesem Hinterhalt, als er in Askalon eintraf. Allerdings zogen sich die Ägypter zurück, ohne weitere Auseinandersetzungen zu suchen. Die Kreuzfahrer begannen nun nicht, wie eigentlich geplant, die Zitadelle von Askalon wiederaufzubauen, sondern traten ihrerseits den Rückzug in Richtung Akkon an. Dort blieben sie und verließen die Stadt selbst dann nicht, als an-Nasir Dawud, der Herrscher von Transjordanien, in Jerusalem einmarschierte und den Davidsturm zerstörte. Im Frühjahr 1240 zog Theobald mit seinen Männern nordwärts nach Tripolis. Auslöser war die Absichtserklärung des muslimischen Herrschers von Hama, er wolle zum Christentum konvertieren, was aber anscheinend nicht ernst gemeint und eher auf sein Verlangen zurückzuführen war, Unterstützung gegen seine muslimischen Rivalen zu erhalten. Infolgedessen führte dieses Unternehmen zu nichts, und schon im Mai befand sich Theobald wieder in Akkon. Er handelte ein Bündnis mit dem Damaszener Sultan as-Salih Ismail aus, dem es Sorgen bereitete, dass es seinem Neffen und Vorgänger auf dem Thron von Damaskus gelungen war, sich das Sultanat von Ägypten zu sichern. as-Salih Ismail versprach, den Christen Beaufort sowie das Hinterland von Sidon, Tiberias, Safed und ganz Galiläa zurückzugeben, dazu Jerusalem, Bethlehem sowie den größten Teil des südlichen Palästina – sobald der Allianz zwischen Damaskus und den Lateinern ein Sieg über Ägyp-
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ten gelungen war. Die islamischen Würdenträger von Damaskus protestierten natürlich gegen ein solches Bündnis – der Sultan musste Beaufort erst einmal belagern, bevor er es zurückgeben konnte –, und im Königreich Jerusalem gab es Stimmen, die sich wie immer für eine Allianz mit den Ägyptern aussprachen. Doch Theobald führte sein Heer dennoch nach Jaffa, zu dem Treff punkt, den er mit den Damaszenern vereinbart hatte. Als die Ägypter nach Palästina vorstießen, desertierten viele der muslimischen Verbündeten, die ohnehin nicht besonders kampfeslustig gewesen waren, und ließen das christliche Heer allein zurück. Theobald ließ sich überzeugen, Verhandlungen mit den Ägyptern aufzunehmen. Wiederum regte sich in den Reihen der Kreuzfahrer Widerspruch, und bei oberflächlicher Betrachtung hatte der Kreuzzug nun absurde Züge angenommen, denn Theobald hatte nun zwei Waffenstillstände auszuhandeln, deren Bedingungen sich gegenseitig ausschlossen. Immerhin gelang es ihm, auch den Ägyptern eine Zusage über die zuvor bereits von den Damaszenern versprochenen Gebietsverzichte in Südpalästina – einschließlich Jerusalems – abzugewinnen. Das hätte für die Lateiner ein größeres Territorium bedeutet, als sie es seit 1187 in ihrer Hand gehabt hatten. Nachdem Theobald von Champagne dem nun wieder christlichen Jerusalem einen Besuch abgestattet hatte, überließ er es dem Herzog von Burgund und dem Grafen von Nevers, die Befestigungsarbeiten in Askalon zu beaufsichtigen, und trat im September 1240 die Heimreise in den Westen an. Er war gerade abgereist, da traf eine zweite Welle von Kreuzfahrern ein. In England nämlich war der Aufruf Gregors IX. zum Kreuzzug auf überaus fruchtbaren Boden gefallen. Richard, Graf von Cornwall und Poitou, der jüngere Bruder König Heinrichs III., hatte 1236 das Kreuz genommen. In der Folgezeit musste er sich gegen Versuche seines Bruders sowie des Papstes zur Wehr setzen, ihn am Verlassen Englands zu hindern. Im Jahr 1239 schlug Gregor IX. sogar vor, Richard solle doch das Geld, das er für den Kreuzzug aufzuwenden gedachte, lieber nach Konstantinopel schicken. Nur widerstrebend hatte der Papst ihm das Geld überlassen, das in England zur Unterstützung des Lateinischen Kaiserreiches eingetrieben worden war. Richard verließ England am 10. Juni 1240 in Begleitung des Grafen Wilhelm von Salisbury und etwa eines Dutzends Adliger. Simon V. von Montfort, Graf von Leicester und Amalrichs jüngerer Bruder, der etwa gleichzeitig ebenfalls zum Kreuzzug aufbrach, scheint auf eigene Faust in das Heilige Land gezogen zu sein. Zusammengenommen hatten sich den beiden Trupps rund 800 englische Ritter angeschlossen. Richard von Cornwall erreichte Akkon am 8. Oktober. Wie er feststellen musste, waren die Anführer im Königreich Jerusalem noch immer zerstritten, was ihre Beziehungen zu Damaskus und Ägypten anging, Richard aber folgte dem Rat der Mehrheit, die für einen Vertragsabschluss mit den Ägyptern eintrat. In Jaffa traf er mit einer ägyptischen Gesandtschaft zusammen und zog dann weiter nach Askalon, um dort den Bau der Zitadelle fertigzustellen, die er anschließend an die Vertreter des Regenten, Kaiser Friedrichs II., übergab. Damit ignorierte er die Forderungen der adligen Opposition, auf die im nächsten Kapitel näher einzugehen ist. Am 8. Februar 1241 wurde der Waffenstillstand mit Ägypten geschlossen, und fünf Tage später wurden die bei Gaza gefangengenommenen Kreuzfahrer freigelassen. Am 3. Mai segelte Richard von Cornwall in Richtung Heimat.
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Der erste Kreuzzug Ludwigs IX. des Heiligen von Frankreich Der erste Kreuzzug Ludwigs IX. des Heiligen von Frankreich
Ein großer Teil der von Theobald und Richard gewonnenen Gebiete ging bereits 1244 wieder verloren, als ein erneutes renversement des alliances zur Eroberung Jerusalems durch die Choresmier und zu der vernichtenden Niederlage der Lateiner in der Schlacht von La Forbie (Harbiyah) führte, die im folgenden Kapitel behandelt wird. Die Nachricht vom Verlust Jerusalems trug im folgenden Dezember vermutlich zu der Entscheidung Ludwigs IX. von Frankreich bei, das Kreuz zu nehmen; allerdings gab es dafür auch andere Gründe. Ludwig war zu dieser Zeit schwerkrank. Möglich wäre es, dass die Entscheidung des Königs, in dieser Situation das Kreuzzugsgelübde abzulegen, einen Akt der Rebellion gegen die Bevormundung durch seine Mutter Blanca von Kastilien darstellte. Blanca war eine fähige und herrschsüchtige Frau, die während der Minderjährigkeit ihres Sohnes die Regierungsgeschäfte geführt hatte. Auch danach noch war ihr Einfluss auf den jungen König – Ludwig war mittlerweile dreißig Jahre alt – beträchtlich gewesen. Blanca war außer sich, als sie von den Absichten ihres Sohnes erfuhr. Gemeinsam mit dem Bischof von Paris überzeugte sie Ludwig davon, dass ein während seiner Krankheit abgelegtes Gelübde keinen bindenden Charakter habe. Seine Antwort bestand darin, das Gelübde nach seiner Genesung noch einmal abzulegen, und nichts, was seine Mutter an Argumenten vorbrächte, könne ihn davon abbringen. Man hat darauf hingewiesen, dass dieses Aufbegehren Ludwigs gegen seine Mutter in einer heiligen Sache dem Verhalten seiner Schwester Isabella ähnelt, die ihm sehr nahestand. Achtzehn Monate zuvor hatte Isabella das Angebot einer Heirat mit Konrad, dem Sohn und Erben Kaiser Friedrichs II., abgelehnt – und das, obwohl diese Verbindung den Segen nicht nur Blancas und Friedrichs, sondern sogar des Papstes gehabt hätte. Im Verlauf einer lebensbedrohlichen Krankheit gelobte Isabella daraufhin, ein Leben in immerwährender Keuschheit zu führen. Sie trat zwar nicht in ein Kloster ein, lebte jedoch wie eine Nonne: kleidete sich sehr schlicht und widmete sich der Armenpflege. Die Parallelen zwischen den beiden Geschwistern – Krankheit, Gelübde, Rebellion gegen die Pläne der Mutter – sind womöglich kein Zufall. Ludwigs Wahl der Mittel für sein Aufbegehren war für einen Mann von seinem Stand und Sinn ganz natürlich. Er war der Erbe einer starken Familientradition. Väterlicherseits hatte beinahe jede Generation seit 1095 einen Kreuzfahrer hervorgebracht. Der Bruder seines Urururgroßvaters hatte am Ersten Kreuzzug teilgenommen. Sein Urgroßvater und sein Großvater waren Heerführer des Zweiten bzw. des Dritten Kreuzzuges gewesen. Sein Vater war auf dem Rückweg vom Albingenserkreuzzug gestorben, was Blancas große Bedenken erklären dürfte. Aber auch vonseiten seiner Mutter stammte Ludwig von einer illustren Reihe passionierter Kreuzfahrer ab: Die Könige von Kastilien waren die Anführer der spanischen Reconquista gewesen, und Blancas Vater Alfons VIII. von Kastilien war der Sieger von Las Navas de Tolosa. Mittlerweile lastete das Gewicht solcher Familientraditionen schwer auf den Schultern der Nachgeborenen, und auf Ludwigs
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Schultern lastete es ganz besonders. Drei seiner Brüder sollten ihn auf dem Kreuzzug begleiten. Anfangs scheint Ludwig nicht ganz so leidenschaft lich für die Sache des Heiligen Landes eingetreten zu sein wie späterhin. In der großen Debatte während des Kreuzzuges der Barone – Damaskus oder Ägypten? – hatte er beide Seiten unterstützt. Er hatte neben dem Papst auch seinem Cousin Balduin II. den Rücken gestärkt, dem jungen Kaiser von Konstantinopel, der auf Ludwigs Kosten im Westen lebte; zugleich hatte er jedoch den Kreuzfahrern, die nach Palästina ziehen wollten, Zuspruch, Fürsprache und nicht zuletzt Geld zukommen lassen. Dann aber geschah etwas, das Ludwigs Aufmerksamkeit ununterbrochen auf das Heilige Land richtete. Im Jahr 1238 schlug Balduin, der dringend finanzieller wie militärischer Unterstützung bedurfte, Ludwig IX. vor, eine der bedeutendsten Reliquien von der Passion Christi – die Dornenkrone – von Konstantinopel nach Frankreich zu überführen. Ludwig hatte eine große Vorliebe für Reliquien, die er sammelte und für deren Aufbewahrung er eigens Kirchen erbauen ließ. Seinen Lieblingskirchen und -klöstern machte er besonders wertvolle Reliquien zum Geschenk. Auf seinen Reisen besuchte Ludwig immer wieder Reliquienschreine. Seine prompte Reaktion auf Balduins Vorschlag überrascht deshalb nicht: Er sandte eine Delegation nach Konstantinopel, die bei ihrer Ankunft allerdings feststellen musste, dass die Dornenkrone bereits den Venezianern versprochen worden war. Die Gesandten des Königs konnten gegen Zahlung von 135 000 Pfund Tournois eine Zusage an Ludwig IX. erwirken (damals betrug dessen Jahresbudget 250 000 Pfund Tournois). Am 11. August 1239 nahmen der französische König und seine Brüder das Reliquiar mit der Dornenkrone in Villeneuve-l’Archevêque entgegen und trugen es barfuß nach Sens. Nachdem sie von dort per Schiff nach Vincennes gebracht worden war, trugen Ludwig und seine Brüder die Dornenkrone nach Paris hinein, wo die Reliquie zunächst den Gläubigen zur frommen Verehrung präsentiert und anschließend in die Nikolauskapelle des königlichen Palastes gebracht wurde. Ludwig IX. hatte – vermutlich von Balduin – bereits von der Ausfuhr anderer Reliquien aus Konstantinopel nach Palästina erfahren, darunter auch ein Fragment des Wahren Kreuzes, das dem Templerorden für eine enorme Summe überlassen worden war, sowie eine Ampulle des Heiligen Blutes. Diese wurden in Ludwigs Namen angekauft und 1241 nach Paris gebracht. In weniger als drei Jahren war es Ludwig gelungen, einen beträchtlichen Teil der berühmten Reliquiensammlung aus den kaiserlichen Schatzkammern von Konstantinopel zu erwerben. Darunter befanden sich Stücke aus den letzten Stunden im irdischen Leben Christi und viele andere. Selbst den Vergleich mit den altehrwürdigen Reliquiensammlungen von Rom brauchte Ludwigs neue Kollektion nicht zu scheuen. Ihre Provenienz war, legt man die Maßstäbe des 13. Jahrhunderts an, makellos. So handelte es sich bei dem einen von gleich mehreren Stücken des Wahren Kreuzes wohl um jenes berühmte Exemplar, das schon seit Menschengedenken im großen Boukoleon-Palast der byzantinischen Kaiser aufbewahrt worden war und das Konstantinopel seit dem 6. Jahrhundert zum Zentrum für die Verbreitung von Kreuzessplittern hatte werden lassen. Vollständig überschrieb Balduin seine Sammlung dem franzö-
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sischen König im Juni 1247. Um sie würdig aufbewahren zu können, hatte Ludwig IX. bereits den Bau der Sainte-Chapelle in Auft rag gegeben, die innerhalb eines Jahrzehnts fertiggestellt wurde. Ludwigs Biografen Gottfried von Beaulieu und Wilhelm von St. Pathus bezeugen seine tiefe Verehrung für die Reliquien, aber wenn Balduin II. damit gerechnet hatte, dass deren Übertragung nach Frankreich Begeisterung für einen Kreuzzug zur Rettung des Lateinischen Kaiserreiches auslösen würde, dann hatte er sich getäuscht. Paris wurde durch die Reliquien nicht zu einer mahnenden Erinnerung an Konstantinopel, sondern, wie ein zeitgenössischer Kommentator es formuliert, „zu einem zweiten Jerusalem“ – eine Formulierung, der einiges Gewicht zukommt, wenn man bedenkt, dass Jerusalem vor Kurzem von den Muslimen zurückerobert worden war. Wahrscheinlich hatte Ludwig gerade von der Eroberung Jerusalems erfahren, als ihn eine Krankheit befiel, die so schwer war, dass seine Mutter Blanca die Passionsreliquien herbeibringen ließ, damit ihr Sohn sie berühren konnte. Es ist bemerkenswert, wie oft die Reliquien in der Folge eine Rolle bei Ludwigs Vorbereitungen zum Kreuzzug spielten. Die feierliche Rundreise durch sein Königreich vor dem Aufbruch zu seinem ersten Kreuzzug plante er so, dass er bei der Weihe der Sainte-Chapelle am 25. / 26. April 1248 zugegen sein konnte. Noch im Juni 1270, als er sich in Aigues-Mortes auf den Kreuzzug vorbereitete, der sein letzter werden sollte, traf er Vorkehrungen in Bezug auf die Verwahrung der Reliquien in der Sainte-Chapelle. Während der Vorbereitungen zu diesem zweiten Kreuzzug fand ihn dort Johann von Joinville, der Beschwerde gegen den Kreuzzug einlegen wollte. „Er war auf das Podest hinaufgestiegen, auf dem die Reliquien aufbewahrt wurden, und ließ sich gerade das Fragment des Wahren Kreuzes von der Wand herunterholen.“ Diese Reliquien erfüllten die Bedürfnisse eines Mannes, der mit einer übersteigerten und geradezu theatralischen Inbrunst das Kreuz verehrte. Ludwigs Eifer war weithin bekannt. So erwähnt etwa Humbert von Romans in seinem Predigthandbuch den „König von Frankreich, der die heiligen Reliquien der Dornenkrone und des Kreuzes unseres Herrn in seiner Kapelle auf seinen eigenen Schultern trägt“. Nachdem Ludwig die Entscheidung getroffen hatte, einen Kreuzzug zu unternehmen, stürzte er sich in die Vorbereitungen. Wie bereits sein Urgroßvater ergriff Ludwig die Initiative und kam so einem päpstlichen Aufruf zum Kreuzzug zuvor. Papst Innozenz IV. war ohnehin durch seinen Streit mit Kaiser Friedrich II. vollkommen in Anspruch genommen und konnte Ludwig daher keine große Hilfe sein. Innozenz musste sogar aus Italien fliehen, und als Ludwig es abgelehnt hatte, ihm in Reims Asyl zu gewähren, residierte er in Lyon, wohin er im Sommer 1245 ein Konzil einberief. Am 17. Juli wurde Friedrich abgesetzt. Die Spaltung der Christenheit am Vorabend des geplanten Kreuzzuges war schon schlimm genug – 1248 ging sogar das Gerücht um, Friedrich wolle mit einem Heer nach Lyon marschieren –, doch wurde die Lage noch verschärft durch eine Ausdehnung der Kreuzzugsbemühungen des Papstes: Innozenz ordnete an, in Deutschland und Italien einen Kreuzzug gegen Friedrich II. predigen zu lassen, und schrieb zugleich einen weiteren Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel aus. Ludwig IX. konnte daher – von Frankreich einmal abgesehen – mit nur sehr wenig Unterstützung aus Westeuropa rechnen. Auch aus Osteuropa, wo die Mongolen 1241 alle Abwehrversuche zer-
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trümmert hatten, würden wohl keine Verstärkungen eintreffen. Es sagt über Ludwigs Langmut einiges aus, dass er unter solchen Umständen sowohl zum Kaiser als auch zum Papst weiterhin gute Beziehungen unterhielt. Der französische König würde sich also auf seine eigenen Ressourcen verlassen müssen. Er bemühte sich mit Nachdruck, in Frankreich Ordnung herzustellen – zwischen 1241 und 1243 hatte er mehrere Adelsaufstände niederschlagen müssen und scheint sich danach entschlossen zu haben, so viele der vormaligen Rebellen wie möglich davon zu überzeugen, ihn nach Palästina zu begleiten. In gewisser Weise war dies der Ausdruck eines für Kreuzfahrer und Pilger typischen Verhaltens, denn bei ihrem Aufbruch waren sie in der Regel sehr darauf bedacht, keine Missstimmung und keine ungeklärten Streitereien zurückzulassen. Ludwig entwickelte eine Methode, die königliche Verwaltung durch eine Art Untertanenbefragung zu verbessern, die im ganzen Kronland sowie den von seinen Brüdern beherrschten Territorien durchgeführt wurde. Anfang des Jahres 1247 sandte Ludwig Inspekteure (enquêteurs) aus, die meisten von ihnen Franziskaner- oder Dominikanermönche. Sie sollten herausfinden, ob irgendwo Grund zur Beschwerde gegen den König oder seine Verwaltung bestand. Tatsächlich deckten die enquêteurs zahlreiche Missstände auf. Der König war schockiert, und die Konsequenzen waren drastisch. Auf den höheren Ebenen der Provinzverwaltung kam es zu mindestens zwanzig Neuernennungen, wobei Ludwig aber anscheinend nicht auf neue Männer setzte, sondern auf erfahrene und zuverlässige Verwalter zurückgriff. Johann von Joinville, der sich dem König angeschlossen hatte, zeigte eine ganz ähnliche Einstellung: Ich sprach [zu meinen Männern und meinen Vasallen]: „Ihr Herren, ich will über das Meer fahren und weiß nicht, wann ich zurückkehren werde. Wenn ich euch also irgendein Unrecht getan habe, so tretet vor, und ich will jedem von euch der Reihe nach Wiedergutmachung leisten.“ … Ich beglich ihre Ansprüche nach dem Rat der Männer meines ganzen Landes, und um keinen schädlichen Einfluss auszuüben, zog ich mich aus der Versammlung zurück und folgte danach allen ihren Empfehlungen ohne Widerrede. Da ich auf keinen Fall Geld [auf den Kreuzzug] mitnehmen wollte, das mir nicht rechtmäßig gehörte, ging ich nach Metz in Lothringen und verpfändete dort einen großen Teil meiner Ländereien.
In Frankreich nahmen die Kreuzzugsprediger ihre Arbeit bald nach Beginn des Jahres 1245 auf. Odo von Châteauroux, Kardinalbischof von Tusculum, wurde als päpstlicher Legat mit der Aufsicht darüber betraut. Doch auch nach England, in den Westen Deutschlands und nach Skandinavien wurden Prediger entsandt. Bei seinem Aufbruch sollte das Kreuzfahrerheer schließlich aus rund 15 000 Mann bestehen, davon 2500 bis 2800 Rittern. Die meisten von Ludwigs Kreuzfahrern waren Franzosen, doch dazu kamen auch einige Norweger, Deutsche, Italiener, Schotten und etwa 200 Engländer. Eine Eigenart von Ludwigs Kreuzzug war es, dass der König persönlich für die finanziellen Lasten seiner adligen Gefolgsleute garantierte und eine beträchtliche Anzahl von Rittern durch Dienstverträge selbst subventionierte. Zwar war er nicht der erste Anführer eines Kreuzzuges, der sich so verhielt, aber doch der erste, der sein Heer im großen
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Maßstab so finanzierte. Führenden Kreuzfahrern lieh er auch einfach Geld, so seinem Bruder Alfons von Poitiers, und trat während des ganzen Kreuzzuges als Kreditgeber in Erscheinung. Ludwig kümmerte sich außerdem um den Transport seiner Männer; 1246 bestellte er in Genua und Marseille 36 Schiffe (die mächtigsten unter seinen Vasallen charterten ebenfalls Schiffe, aber in kleinerem Maßstab). Hafenanlagen und Vorräte fielen ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich des Königs. Aigues-Mortes, das schon seit einer Weile zum königlichen Hafen ausgebaut wurde, bekam nun einen neuen Kanal sowie einen beeindruckenden Wachturm, in dem der König vor seiner Abfahrt residieren wollte. Gewaltige Vorräte wurden dem Kreuzfahrerheer nach Zypern vorausgeschickt, und es mag zum Ausweis von Ludwigs Sorgfalt dienen, dass seine Männer trotz verbreiteter Korruption und häufiger Diebstähle fast immer gut versorgt waren. Wenn man außerdem in Betracht zieht, dass Ludwig IX. 1250 ein hohes Lösegeld zahlen musste und auch während seines Aufenthalts im Heiligen Land viel Geld ausgab, so folgt daraus, dass die Ausgaben Ludwigs gewaltig waren. Es ist eigentlich kaum zu glauben, dass er bis 1253 zahlungsfähig blieb. Dann erst musste er sich von italienischen Kaufleuten Geld leihen, was vermutlich auf den negativen Effekt zurückzuführen ist, den der Tod seiner Mutter und Regentin im Jahr 1252 auf das französische Steuerwesen hatte. Man weiß heute, dass Ludwig auf seinem Kreuzzug über 1 500 000 Pfund Tournois ausgab – bei einem Jahreseinkommen von etwa 250 000 Pfund. Zwar wurden Anstrengungen unternommen, unnötige Ausgaben zu vermeiden, aber das für den Kreuzzug benötigte Geld kam doch größtenteils aus anderen als den gewöhnlichen Einnahmequellen des Königs, die unter den neuen Männern der Verwaltung deutlich zunahmen. Im Jahr 1245 gewährte das Erste Konzil von Lyon Ludwig ein Zwanzigstel der kirchlichen Einnahmen auf drei Jahre; der französische Klerus erhöhte diese Summe freiwillig auf ein Zehntel. Weitere zusätzliche Summen wurden 1251 auf zwei Jahre gewährt. Es stimmt zwar, dass aus den bereits genannten Gründen Ludwig bei der Vorbereitung seines Kreuzzuges nur sehr wenig Unterstützung von außerhalb Frankreichs erfuhr – einmal abgesehen von Bistümern in Lothringen und Burgund, die an sein Reich angrenzten –, aber dafür hat man den Beitrag der französischen Kirche auf etwa 950 000 Pfund Tournois geschätzt, was einem Anteil von rund zwei Dritteln der Gesamtkosten entspricht. Zu den Kirchensteuern und den Einkünften der Krone kamen dann noch die Erlöse aus dem beschlagnahmten Besitz von Häretikern – verständlicherweise ließ man nicht nach, sich um diese zu kümmern –; außerdem Geld, das den Juden abgepresst worden war – insbesondere als Ergebnis einer Kampagne gegen den Wucher –; Einnahmen aus Lizenzen, die der König an bestimmte Domkapitel oder Klostergemeinschaften vergeben hatte, damit diese ihre Bischöfe und Äbte selbst wählen konnten; sowie das Geld aus einigen vakanten Pfründen. Und dann waren da noch die „freiwilligen“ Kontributionen, die von den Städten der Krondomäne erwartet wurden – nicht nur einmal, sondern mehrmals – und die nach einigen Schätzungen bis zu 274 000 Pfund Tournois in die königliche Kriegskasse gespült haben könnten. Dem Aufbruch des Königs voran ging eine große Rundreise Ludwigs IX. durch sein Kronland, die er Anfang des Jahres 1248 unternahm. Ihr Höhepunkt war die bereits er-
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wähnte Weihe der Sainte-Chapelle, bei der auf die feierliche Ausstellung der Reliquien dort eine Zeremonie in der Kathedrale von Notre-Dame folgte, wo Ludwig den Pilgerstab und die Pilgertasche empfing. Sodann ging der König barfuss nach Saint-Denis, wo er – wie seine Vorgänger vor ihm – die Oriflamme aufnahm. Nachdem er verschiedene Pariser Klöster besucht hatte, zog Ludwig in Richtung Süden. Am 25. August ging er in Aigues-Mortes an Bord und erreichte Zypern am Abend des 17. September. Er verbrachte acht Monate auf der Insel, während sein Heer, das durch lateinische Truppen aus Griechenland und Palästina verstärkt wurde, nach und nach dort eintraf. Wie es scheint, wollte Ludwig die Fehler der Vergangenheit vermeiden und plante deshalb, Ägypten mit allen verfügbaren Kräften anzugreifen. Ende Mai 1249 verließ seine Flotte Zypern und erreichte am 4. Juni die Nilmündung bei Damiette. Tags darauf begannen die Kreuzfahrer, an Land zu gehen, und der muslimische Widerstand war schnell gebrochen. Es spricht für Ludwigs Umsicht, dass seine Flotte genug flachkielige Landungsboote mit sich führte, um in kurzer Zeit einen vergleichsweise starken Truppenverband an Land zu bringen. Die demoralisierten Verteidiger verließen Damiette, in das am nächsten Tag die Eroberer einrückten. Vermutlich hatte Ludwig mit einer langen Belagerung gerechnet, denn dem Fünften Kreuzzug hatte Damiette über ein Jahr lang Widerstand geleistet. Es überrascht deshalb kaum, dass diesem Anfangserfolg eine lange Verzögerung folgte – auch wenn in der Zwischenzeit ernsthaft die Option diskutiert wurde, an der Küste entlang nach Osten zu ziehen und Alexandria zu erobern. Die Nilschwelle stand kurz bevor, und so konnte der Marsch in das Landesinnere erst am 20. November beginnen, als der Flusspegel langsam wieder sank und das Wetter kühler wurde. Zu dieser Zeit starb der Sultan, und die Ägypter gerieten nahezu in Panik. Die Kreuzfahrer brauchten einen Monat, um die bedeutendste ägyptische Festung al-Mansura zu erreichen, wo sie ihr Lager am gegenüberliegenden Nilufer aufschlugen. Am 7. Februar 1250 verriet ein einheimischer Informant ihnen, wo sie eine Furt zur Durchquerung des Flusses finden konnten. Bereits am folgenden Tag setzte ein Voraustrupp unter dem Befehl Roberts von Artois – der ein Bruder Ludwigs war – über den Nil. Ohne auf den Rest des Heeres zu warten, stürmten die Männer durch das muslimische Feldlager vor der Stadt und drangen nach al-Mansura selbst ein, wo sie im Gewirr der engen Gassen eingekesselt und aufgerieben wurden. Robert wurde getötet. Ludwig, der mittlerweile mit dem Hauptteil seiner Streitmacht am anderen Flussufer angekommen war, stürzte sich in einen verbissenen Kampf gegen das muslimische Heer, der den ganzen Tag andauern sollte. Schließlich zogen die Ägypter sich zurück und überließen den Kreuzfahrern das Feld. Allerdings war ihr Kampfgeist nicht gebrochen, und führungslos waren sie bald auch nicht mehr, denn der neue Sultan erreichte al-Mansura am 28. Februar. Die Kreuzfahrer, in ungeschützter Position umzingelt und von Krankheiten heimgesucht, waren das Ziel ständiger Angriffe. Zu allem Überfluss luden die Ägypter ganze Schiffe auf Kamelrücken und transportierten sie um das Kreuzfahrerlager herum, um sie stromabwärts wieder zu Wasser zu lassen, und die Invasoren auf diese Weise von Damiette und ihrem Nachschub abzuschneiden. Anfang April durchquerten die Kreuzfahrer den Nil ein zweites Mal und bezogen ihr voriges
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Johann von Joinville (1225 –1317) Die Familie, in die Johann von Joinville hineingeboren wurde, hatte das Erbamt des Seneschalls (Truchsessen) der Champagne inne. Seine Mutter entstammte dem burgundischen Hochadel. Ein Großvater war vom Dritten Kreuzzug nicht zurückgekehrt; zwei Onkel hatten am Vierten Kreuzzug teilgenommen, und Johanns Vater Simon von Joinville war sowohl am Albigenserkreuzzug als auch am Fünften Kreuzzug beteiligt gewesen. Diese Familientradition hat vermutlich zu Johanns Entscheidung beigetragen, das Kreuz zu nehmen, König Ludwig IX. von Frankreich 1248 nach Ägypten zu begleiten und nach dem ägyptischen Desaster noch vier Jahre in Palästina Dienst zu tun. Erst kurz vor seiner Abreise war Johann zum Ritter geschlagen worden. Da in dem Umfeld seiner Herkunft – dem Hof von Champagne – eine lange literarische Tradition gepflegt wurde, überrascht es nicht, dass Johann sich als begabter Autor entpuppte, der in den 1250er-Jahren in Akkon ein Credo sowie möglicherweise noch weitere Verse verfasste, die ihm zugeschrieben werden. Am bekanntesten jedoch ist seine Vie de Saint Louis, eine Biografie Ludwigs IX. des Heiligen, die Johann 1309 im Alter von 84 Jahren abschloss. Die zentralen Teile der Vie wurden jedoch vermutlich schon in den frühen 1270er-Jahren erstmals skizziert. Das Werk ist in einem gut lesbaren Plauderton geschrieben und bietet einen unschätzbaren Einblick in Johanns Erfahrungen auf seinem Kreuzzug im Gefolge des Königs, bei dem auch viele Alltagsprobleme in den Blick geraten, mit denen sich die Kreuzfahrer auf ihrer Reise auseinandersetzen mussten.
Lager, bevor sie am 5. April bei Einbruch der Dunkelheit ihren Rückzug nach Damiette antraten. Unter großen Mühen gelang es ihnen gerade einmal, die Hälfte des Weges zurückzulegen – dann mussten sie sich ergeben. Der am sorgfältigsten vorbereitete und bestorganisierte Kreuzzug, den es bis dahin gegeben hatte, war zerschlagen, sein Anführer gefangen genommen. Am 6. Mai wurde Ludwig IX. freigelassen. Sein Lösegeld war auf 400 000 Pfund festgesetzt worden, wovon die Hälfte sofort zu zahlen war. Damiette, wo seine Königin gerade einen Sohn zur Welt gebracht hatte, wurde geräumt. Die meisten Franzosen kehrten nach Europa zurück, aber Ludwig segelte nach Akkon. Er wollte dafür sorgen, dass alle weiteren Gefangenen der Ägypter ebenfalls wieder freikamen. Außerdem war er fest entschlossen, bei der Verteidigung der lateinischen Siedlungsgebiete gegen die sich aus seiner Niederlage eventuell entwickelnden muslimischen Angriffe mitzuhelfen. Ludwig blieb für beinahe vier Jahre in Palästina und übernahm de facto die Regierung des Königreichs Jerusalem. Im Jahr 1252 verhandelte er mit den Ägyptern über ein Angriffsbündnis gegen Damaskus – daraus wurde nichts –, und 1254 folgten Verhandlungen mit Damaskus und Aleppo, die zu einem zweijährigen Waffenstillstand mit beiden Mächten führten. Ludwig erneuerte die Befestigungsanlagen von Akkon, Caesarea, Jaffa und
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Sidon in großem Umfang. Am 24. April 1254 segelte er in seine Heimat zurück, ließ jedoch 100 von ihm finanzierte Ritter in Akkon. Das war eine nicht unbeträchtliche Truppe, wenn man bedenkt, wie groß im Jahr 1255 die Garnisonen der Johanniterburgen Krak des Chevaliers (60 Mann) und Tabor (40 Mann) waren – oder die der Templerburg Safed im Jahr 1260 (50 Mann). Die Ritter dürften natürlich nur einen Bruchteil der tatsächlichen Besatzung ausgemacht haben. Es gab Armbrustschützen und Fußsoldaten, dazu mindestens drei Mann Hilfspersonal – Stallburschen und Knappen – pro Ritter. Wenn man dann noch bedenkt, dass es irgendeine Art von Befehlsstab gegeben haben muss – wiederum mit Personal – sowie Huf- und Waffenschmiede oder auch andere Handwerker, gelangt man rasch zu einer Gesamtzahl von bis zu 1000 Personen, die auf Ludwigs Initiative in Akkon stationiert blieben. Anfang Juli erreichte Ludwig Hyères in der Provence. Er war ein völlig veränderter Mann. Das Desaster von 1250 deutete er als eine Gottesstrafe für seine Sünden. Der König wurde immer frommer und bußfertiger. Er aß und kleidete sich, wie es die einfachen Leute taten. Er widmete sich den Armen. Er ersehnte den Tod. Nach seiner Rückkehr war Ludwig der Heilige bestrebt, ein guter König zu sein und dadurch Buße für seine Verfehlungen zu tun, die, wie er glaubte, Schande und Schaden über die Christenheit gebracht hatten.
Kreuzzüge gegen Preußen und Litauen Kreuzzüge gegen Preußen und Litauen
In der Aufmerksamkeit und Budgetplanung der Päpste konkurrierten die Kreuzzüge in den Nahen Osten stets mit denen, die innerhalb Europas geführt wurden. Im Ostseeraum hatte sich dabei, wie wir gesehen haben, eine Art ständiger Kreuzzug entwickelt. Begründet wurde dieses Vorgehen mit der Schutzbedürftigkeit der kleinen Kirchengemeinden, die durch missionarische Aktivitäten unter den Einheimischen entstanden waren. Obwohl sich an diesen Feldzügen durchaus nicht nur Deutsche und Skandinavier beteiligten, waren diese doch die treibende Kraft. Bis etwa zum Jahr 1230 hatten die Aktivitäten sich hauptsächlich auf Livland und Estland konzentriert, wo mittlerweile ein Fundament für die künft ige christliche Herrschaft gelegt worden war. Obwohl jedoch auch weiterhin Kreuzzüge nach Livland stattfanden und die Schweden ihre Bemühungen nach Finnland ausdehnten, verlagerte sich der Schwerpunkt der baltischen Kreuzzüge doch zunehmend in Richtung Westen, und zwar nach Preußen. Wieder war es ein Missionsbischof, der den Feldzug ins Rollen brachte. Christian, ein Zisterziensermönch aus dem polnischen Kloster Łękno, dessen frühe Erfolge als Prediger des Evangeliums neben dem Wohlwollen Papst Innozenz’ III. auch dasjenige der polnischen Adligen Herzog Konrad von Masowien und Bischof Gedko (Gedeon) von Plock erregt hatten, wurde 1215 zum Bischof von Preußen geweiht. Christians Erfolg ging jedoch einher mit wachsendem Unmut und sogar Feindseligkeiten der (nichtchristlichen) einheimischen Bevölkerung. Nachdem verschiedene Maßnahmen, die in dieser Situation Abhilfe schaffen sollten, gescheitert waren – etwa die Gründung eines neuen deutschen Ritterordens, der „Brüder von Dobrin“ –, nahm Konrad von Masowien sich der Sache an und überließ 1225 dem
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Deutschen Orden, mit dem die Unterwerfung und Eroberung Preußens fortan auf das Engste verknüpft sein sollte, einen beträchtlichen Teil der Region als Hoheitsgebiet. Der Deutsche Orden (ursprünglich der „Orden der Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens zu Jerusalem“) hatte seinen Ursprung in einem während der Belagerung von Akkon 1189 / 1190 gegründeten deutschen Feldlazarett, das 1198 als deutscher Ritterorden wiedererstand. Wie schon die Johanniter hatten auch die Angehörigen des Deutschen Ordens die doppelte Aufgabe von Kampfeinsatz und Krankenpflege, aber ihre Ordensregel orientierte sich an derjenigen der Templer. Bis 1291 befand sich das Hauptquartier des Deutschen Ordens in Palästina, und die Verteidigung des Lateinischen Ostens war ihre vornehmliche Aufgabe. Die Deutschordensritter herrschten über ein ansehnliches Territorium in der Nähe von Akkon, in dessen Zentrum die Burg Montfort lag, von deren Errichtung bereits die Rede war. Dazu kam noch umfangreicher Landbesitz in der Herrschaft Sidon sowie in Kleinarmenien. Wie die Templer und die Johanniter hatte auch der Deutsche Orden Besitzungen in Europa und fand sich immer wieder in dortige Feldzüge verwickelt. Im Jahr 1211 übertrug König Andreas II. von Ungarn dem Orden einen Abschnitt seiner Ostgrenze zur Verteidigung gegen die Kiptschaktürken, doch die Ritter machten sich rasch unbeliebt. So bestanden sie darauf, von der Gerichtsbarkeit des örtlichen Bischofs ausgenommen zu werden, und sprachen die Besitzrechte an ihrem Territorium dem Heiligen Stuhl zu. Auch scheint es, dass sie das von ihnen kontrollierte Gebiet mit unlauteren Mitteln erweiterten. Schließlich luden sie deutsche Kolonisten ein. Der ungarische König, der keine autonome deutsche geistliche Pfalzgrafschaft auf seiner Grenze dulden wollte, beschnitt ihre Privilegien, und als die Deutschordensritter sich widersetzen, warf er sie gewaltsam aus dem Land. An diesem Punkt erreichte sie die Einladung Konrads von Masowien, und sie war an einen Hochmeister des Deutschen Ordens gerichtet – Hermann von Salza –, der nicht nur außergewöhnlich begabt, sondern auch ein enger Berater Kaiser Friedrichs II. war. Hermann wünschte sich eine Art Truppenübungsplatz für seine Ritter, einen Ort, an dem diese auf ihren Einsatz im Heiligen Land vorbereitet werden konnten, und er war entschlossen, dort auch die Art von geistlicher Herrschaft zu errichten, die dem Orden bereits in Ungarn vorgeschwebt hatte. Der erste Schritt bestand darin, die Genehmigung des Kaisers einzuholen: In der Goldenen Bulle von Rimini wurde Hermann von Salza 1226 zum Reichsfürsten über das Kulmer Land sowie alle zukünftigen Eroberungen in Preußen gemacht. Der Deutsche Orden war somit der erste Ritterorden, der einen später als halbsouverän betrachteten Status erhielt. Im nächsten Schritt sollte das Deutschordensterritorium dem Heiligen Stuhl unterstellt werden. 1234 nahm Papst Gregor IX., der ein enger Gefolgsmann Honorius’ III. gewesen war und die Baltikumspolitik seines Vorgängers fortführte, den Ordensbesitz in das Eigentum von Sankt Peter auf und stellte es somit unter besonderen päpstlichen Schutz. Anschließend gab er es dem Deutschen Orden als ein päpstliches Lehen zurück. In der Zwischenzeit hatte Hermann von Salza 1229 seinen ersten Vortrupp an die Weichsel entsandt, womit die Eroberung des zukünftigen Deutschordensgebiets begann. Ein möglicher Konflikt, der sich aus den gleichzeitigen Missionsaktivitäten des Bischofs Christian von Preußen hätte ergeben können,
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wurde womöglich dadurch vermieden, dass Christian 1233 von den Prußen gefangengenommen wurde. Die „Heiden“ behielten den Bischof sechs Jahre lang in ihrer Gewalt. Als er wieder freikam, protestierte er zwar dagegen, dass, wie er sagte, dem Deutschen Orden eher daran gelegen war, Untertanen zu gewinnen, als Menschen zum Christentum zu bekehren; aber es war zu spät: Christian konnte nichts mehr dagegen ausrichten, dass die Kirche in Preußen von nun an dem Deutschen Orden unterstellt war. Er starb 1245 als ein verbitterter, zutiefst enttäuschter Mann. Unter der Führung des Deutschen Ordens traten die bereits dargestellten Eigenheiten des baltischen Kreuzzuges noch deutlicher hervor. Die Ordensmitglieder waren fast ausschließlich Deutsche, und ihre Siedlungspolitik entsprach ganz dem damaligen deutschen Kolonisierungsdrang nach Osten. Jede Ordensprovinz wurde zunächst von Laienrittern und Bürgern besiedelt, wobei den letztgenannten in der Regel Privilegien verliehen wurden, die auf das Magdeburger Stadtrecht zurückgingen. Auf diese Weise wurde eine solide Basis für die Herrschaft des Ordens geschaffen, die sich im engen Zusammenspiel mit den neugegründeten deutschen Städten entwickelte. Ab den frühen 1230er-Jahren strömte eine große Zahl von Kreuzfahrern in die Region, und dem Deutschen Orden gelang es, seine Vorstellungen von einem ständigen Kreuzzug deutlicher zu entfalten als jemals zuvor. Das mag auch daran gelegen haben, dass die Hochmeister des Deutschen Ordens wesentlich mehr Zeit in Westeuropa verbrachten als ihre Amtskollegen im Templer- oder Johanniterorden, was ihnen einen engeren Kontakt mit dem Papsttum ermöglichte. Eine ganze Reihe päpstlicher Verfügungen, insbesondere aus den Pontifi katen Gregors IX. und Innozenz’ IV., gewährte den vollkommenen Ablass all jenen, die als Kreuzfahrer gegen die Prußen ins Feld zogen, ob dies nun auf einen konkreten päpstlichen Aufruf hin geschah oder nicht. Anders also als jene spanischen Bischöfe, die im 12. Jahrhundert aus ihrer eigenen Machtvollkommenheit heraus bisweilen Ablässe gewährt hatten, war der Deutsche Orden vom Papst zur Ablassvergabe autorisiert, und zwar ohne Rücksicht auf irgendwelche päpstlichen Kriegserklärungen. Wiederholt wurden Kirchenleute in Nord- und Mitteleuropa in dieser Zeit dazu aufgerufen, im Baltikum den Kreuzzug zu predigen. Die Strategie des Deutschen Ordens ruhte auf der Errichtung von Burgen, wozu nicht selten einheimische Zwangsarbeiter herangezogen wurden. Seite an Seite mit diesen Burgen wurden die Ansiedlungen der deutschen Kolonisten gegründet, während Dominikanermönche im Auftrag des Deutschen Ordens das Umland christianisierten. Der Orden scheint einen Vorstoß entlang der Weichsel vom Kulmer Land an das Frische Haff geplant zu haben, um sich dann entlang der Ostseeküste ostwärts in Richtung Livland auszubreiten, wo sich ihm ab 1237 der Schwertbrüderorden anschloss. Anschließend sollte dann wohl die Eroberung des Inlands beginnen. Tatsächlich erreichten die Deutschordensritter 1236 das Frische Haff und begannen spätestens 1239, nachdem sie den größten Teil der Küste in diesem Gebiet erobert hatten, in das Landesinnere vorzustoßen. Im Ersten Prußenaufstand, der 1242 ausbrach, verlor der Orden allerdings einen Großteil der bis zu diesem Zeitpunkt eroberten Gebiete. Es folgte eine zehnjährige Rückeroberungskampagne. Ein Korridor, der Livland und Preußen verband, entstand durch die
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Gründungen von Memel – 1252 von Livland aus – und Königsberg, 1254 erfolgt durch ein riesiges Kreuzfahrerheer, das unter dem Befehl des böhmischen Königs Ottokar II. Přemysl, Rudolfs von Habsburg sowie Ottos III. von Brandenburg aus Preußen heranzog. Dann begann 1260 der Zweite Prußenaufstand, der auf die Niederlage der livländischen Deutschordensritter gegen die Litauer in der Schlacht an der Durbe folgte. Viele der in Preußen eingerichteten Garnisonen und Kolonien wurden zerstört, die erste Gruppe von Kreuzfahrern, die zu ihrer Unterstützung herbeizogen, wurde ebenfalls vernichtet. Papst Urban IV., der bereits seit einiger Zeit einen Kreuzzug gegen die Mongolen plante, rief alle, die das Kreuz bereits genommen hatten, auf, den Deutschordensrittern zu Hilfe zu eilen, und versprach dafür den vollkommenen Ablass, gleichgültig wie kurz oder lang ein Kreuzfahrer beteiligt war. Nun folgte eine Serie deutscher Kreuzzüge in das Baltikum, insbesondere in den Jahren 1265, 1266, 1267 und 1272, aber erst 1283 gelang es, den Aufstand endgültig niederzuschlagen. Das Vorgehen der Besatzer war dabei derart rücksichtslos, dass halb Preußen entvölkert zurückblieb. Die Freiheiten und Rechte, die allen Konvertiten nach dem Ersten Prußenaufstand versprochen worden waren, schienen vergessen. Die meisten Prußen wurden nun Leibeigene auf den Landgütern der Ordensritter, deutscher Kolonisten und einiger einheimischer Kollaborateure. Am Ende des 13. Jahrhunderts konnte die großangelegte deutsche Kolonisierung Preußens beginnen. Eine Invasion Litauens durch die Ritter des livländischen Schwertbrüderordens war 1236 blutig zurückgeschlagen worden, und das bei dieser Gelegenheit eingebüßte Territorium südlich der Düna sollte erst 1255 wieder zurückgewonnen werden. Der Zusammenschluss von Deutschem Orden und Schwertbrüderorden zeitigte Pläne für eine Ostexpansion zulasten benachbarter russischer Fürstentümer, die in der Einnahme von Pleskau (Pskow) im Jahr 1240 gipfelte. Dieser Vorstoß wurde erst von Alexander Newski, dem Fürsten von Nowgorod, aufgehalten, der Pleskau zurückeroberte und den Deutschen Orden am 5. April 1242 in der Schlacht auf dem zugefrorenen Peipussee bezwang. Die Ambitionen des Ordens brachten ihn nun schon in Konflikt mit jenen Kräften, die den Großteil seiner Aufmerksamkeit im 14. Jahrhundert binden sollten: den Russen, den Polen und den Litauern. Einstweilen jedoch sorgte man sich mehr wegen der Mongolen.
Die ersten Kreuzzüge gegen die Mongolen Die ersten Kreuzzüge gegen die Mongolen
Das Mongolenreich hatte seinen Ursprung in einer Expansionsbewegung türkischer und turkmongolischer Stämme nordwestlich der chinesischen Grenzen. Geeint hatte sie ein Häuptling namens Temüdschin, der 1206 den Titel Dschingis Khan („Weltenherrscher“) annahm und sich dementsprechend an die Eroberung der Welt machte. 1211 / 1212 fiel das nördliche China in seine Hand. Die Gebiete östlich des Kaspischen Meeres wurden 1219 / 1220 von den Mongolen erobert; es folgten Raubzüge im gesamten südrussischen Raum. Der Tod Dschingis Khans im Jahr 1227 hielt sie nicht auf. Zwischen 1231 und 1234 wurden die nordchinesische Jin-Dynastie liquidiert, Korea annektiert und Iran besetzt. In den Jahren 1237 bis 1239 eroberten die Mongolen Zentralrussland, 1240 die Ukraine. 1241
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fielen sie in Polen und Ungarn ein und besiegten bei Liegnitz ein deutsches Heer. Es war wohl der Tod von Dschingis Khans Nachfolger Ögedei Khan, der 1242 – mit womöglich rettender Wirkung – den mongolischen Einfall nach Mitteleuropa unterbrach. Angesichts der schreck lichen Gefahr, von den Mongolen überrannt zu werden, rief Papst Gregor IX. 1241 zum Kreuzzug gegen sie auf. Dieser Aufruf wurde 1243 von Innozenz IV. bestätigt; auch beim Ersten Konzil von Lyon im Jahr 1245 stand die Abwehr der Mongolen auf der Tagesordnung. Als die Gefahr 1249 wiederum akut zu werden schien, erlaubte Innozenz den Kreuzfahrern in das Heilige Land, ihre Gelübde im Kampf gegen die Mongolen einzulösen. Zuvor hatte er bereits dem Deutschen Orden, der mittlerweile de facto die nordöstlichen Grenzen der Christenheit kontrollierte, gestattet, allen Freiwilligen im Abwehrkampf gegen die Mongolen den vollkommenen Ablass zu gewähren.
Erneute Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel Erneute Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel
Auf der Iberischen Halbinsel, dem zweiten traditionellen Schauplatz von Kreuzzugsaktivitäten in Europa, hat es einen ständigen Kreuzzug nie gegeben – obgleich auch hier beständige Kleinkriege gegen die Muslime geführt wurden. Im frühen 13. Jahrhundert befand sich das Almohadenreich im Niedergang, und ab 1228 mussten die iberischen Muslime in ihrem Kampf gegen die Christen mehr als zwanzig Jahre lang ohne Unterstützung aus Nordafrika auskommen. Unter zwei herausragenden Anführern, Jakob I. von Aragón und Ferdinand III. von Kastilien und León, gelangen den iberischen Christen einige ihrer größten Erfolge; allerdings hat man diese außergewöhnliche Epoche bislang noch nicht hinreichend unter dem Gesichtspunkt ihrer Verbindungen zur Kreuzzugsbewegung betrachtet. Kreuzzugsprivilegien wurden denjenigen gewährt, welche die iberischen Ritterorden unterstützten. Deren Aktivitäten – insbesondere die Besetzung der Gegend von Badajoz, des Campo de Montiel sowie der Sierra de Segura in den 1230erJahren – erinnern stark an das Vorgehen des Deutschen Ordens. Jakob von Aragón befehligte mehrere Kreuzzüge, die 1229–1231 zur Einnahme von Mallorca und in der langen Phase von 1232 bis 1253 zur Eroberung des Königreiches Valencia führten. Hierdurch wurde eine Demarkationslinie zwischen Aragón und Kastilien erreicht, die bereits 1179 festgelegt worden war. Die portugiesische Reconquista war bis 1250 abgeschlossen. Badajoz wurde 1230 eingenommen, und im Jahr darauf führte Ferdinand von Kastilien einen Kreuzzug, zu dessen Höhepunkten der Sieg seines Bruders Alfons von León über ein muslimisches Heer unter dem Befehl des obersten Emirs Ibn Hud (genannt al-Mutawakkil) bei Jerez de la Frontera gehörte. Der Weg war nun bereitet für Ferdinands Eroberungen von Córdoba, der früheren Hauptstadt des maurischen Spanien, am 29. Juni 1236 sowie von Sevilla, einer der größten Städte Westeuropas, am 23. November 1248. Unter seinen Zeitgenossen war Ferdinand von Kastilien bei Weitem der erfolgreichste christliche Feldherr gegen die Muslime. Glaubt man der öffentlichen Meinung im England jener Jahre, so hatte „er [d. i. Ferdinand] allein mehr zu Ruhm und Nutzen der Kirche Christi vollbracht als der Papst und alle seine Kreuzfahrer … und die Templer und Johanniter“.
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Ferdinands Werdegang verdeutlicht zudem, dass die Reconquista mittlerweile zu einem überwiegend nationalen Anliegen geworden war. So bewilligte der Papst den Kreuzzug gegen Sevilla 1246, obwohl zur gleichen Zeit die Vorbereitungen für den Kreuzzug Ludwigs IX. von Frankreich in das Heilige Land in vollem Gange waren. Nur wenige Kreuzfahrer von außerhalb fanden in jenen Jahren den Weg auf die Iberische Halbinsel, was auch daran lag, dass die Päpste die dortigen Kreuzzüge zu einer Angelegenheit der betroffenen Monarchen erklärten. Das erklärt auch, warum Ferdinand in der Lage war, die kastilische Kirche für seine Kriege auszubeuten, was ihm insbesondere in Form der sogenannten tercias reales gelang, jenem Anteil von einem Drittel am Zehnten, der eigentlich für die Instandhaltung von Kirchenbauten verwendet werden sollte, nun aber immer häufiger in die königliche Kriegskasse abgezweigt wurde. Man hat darauf hingewiesen, dass die Reconquista ihren Preis hatte, und das war die Verelendung der iberischen Kirche – teils, weil sie die Kosten tragen musste, teils, weil die Abwanderung großer Bevölkerungsteile in die gerade zurückeroberten Gebiete im Süden der Halbinsel ihre Einkünfte empfindlich schrumpfen ließ. Dies brachte die Kirche in eine starke Abhängkeit von Königen wie Ferdinand III., der sich auf ihre Kosten schadlos hielt, führte aber gleichzeitig zu ihrer wachsenden Isolierung und einem merklichen Widerstreben, zu Kreuzzügen an anderen Orten finanziell beizutragen. Dann verlangsamte sich für beinahe ein Jahrhundert – von 1252 bis 1340 – das Tempo der Reconquista. Grund dafür waren Truppenverlegungen durch die Meriniden, eine aufstrebende marokkanische Berberdynastie, welche die Nachfolge der Almohaden antrat und ihre Präsenz in dem verbliebenen Rest des muslimischen Andalusien massiv ausbaute. Zunächst war die Motivation der christlichen Seite noch hoch, und zwischen 1252 und 1254 wurde sogar ein Kreuzzug zur Invasion Nordafrikas gepredigt. König Alfons X. von León und Kastilien bemühte sich, Heinrich III. von England und später den norwegischen König Håkon IV. von diesem Vorhaben zu überzeugen, und 1260 gelang es den Christen sogar für etwa vierzehn Tage, die marokkanische Küstenstadt Salé einzunehmen, die sich gegen die Meriniden erhoben hatte. 1264 sah sich Alfons X. mit einem großen muslimischen Aufstand konfrontiert. Als Reaktion ließ er auf der Grundlage längst überholter päpstlicher Vollmachten einen Kreuzzug predigen und vertrieb nach der Einnahme von Murcia, wo der Aufstand begonnen hatte, die gesamte muslimische Bevölkerung aus der Provinz. Es gelang Alfons jedoch nicht, Granada einzunehmen, teils, weil die kastilische Krone dafür allein zu schwach war, teils, weil zwischenzeitlich der Merinidensultan Abu Yusuf Yacub in Spanien gelandet war und die Christen nun in die Defensive drängte.
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Vielfältige Aktivitäten im Baltikum und auf der Iberischen Halbinsel beraubten die Kreuzzüge in den Nahen Osten ihrer Teilnehmer und nahmen dafür bestimmte Ressourcen in Anspruch, da die einheimischen Kirchen sie in der Regel mitfinanzierten und
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ihnen das Abzweigen dieser Gelder in der Regel auch erlaubte. Die Entstehung eines ständigen Kreuzzuges im Ostseeraum – etwas, das selbst die Verteidigung des Heiligen Landes niemals gewesen war – bedeutete eine langfristige Bindung der deutschen Kreuzzugskapazitäten. Aus der Macht der iberischen Könige wiederum ergab sich, dass auch diese – wenn sie dies wünschten – die Übersendung von Ressourcen nach Palästina einfrieren konnten. Und der geringe Umfang, den die wenigen Kreuzzüge gegen Häretiker und Schismatiker in dieser Zeit annahmen, lässt vermuten, dass man kirchlicherseits zu erkennen begann, mit Häresien setze man sich am besten lokal und im kleinen Rahmen auseinander. In Deutschland gab es einen kleinen Kreuzzug gegen die Stedinger Bauernrepublik, den der Papst im Jahr 1232 autorisierte. Der Erzbischof von Bremen hatte die Einwohner des Stedinger Landes der Häresie bezichtigt, und so wurde den Bischöfen von Minden, Lübeck und Ratzeburg aufgetragen, in den Bistümern Paderborn, Hildesheim, Verden, Münster, Osnabrück, Minden und Bremen das Kreuz zu predigen. Zu Beginn des Jahres 1234 nahmen Kreuzfahrer aus Deutschland und den Niederlanden an einer Kampagne gegen die angeblichen Ketzer teil. In dieselbe Kategorie fallen jene Kreuzzüge, welche die Päpste Honorius III. und Gregor IX. in den Jahren 1227 und 1234 gegen bosnische Häretiker ausriefen und bei denen auch bereits bestehende Gelübde eingelöst werden konnten, sowie der Kreuzzug gegen die Allianz des bulgarischen Zaren Iwan Assen II. mit dem byzantinischen Nicäa, der in Ungarn gepredigt wurde. Wie es scheint, zogen diese lokalen Kreuzzüge weder irgendwelche nennenswerte Kritik auf sich, noch bereiteten sie dem Papsttum schwerwiegende Probleme.
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Die zur gleichen Zeit in Italien geführten Kreuzzüge hatten da schon ein anderes Kaliber. In einem gewissen Sinne waren sie durch die Kampagne eröff net worden, die Johann von Brienne von 1228 bis 1230 an der Spitze eines päpstlichen Heeres gegen die festländischen Besitzungen des Königreichs Sizilien führte. Dieser Angriff auf Territorien Kaiser Friedrichs II., der sich zur selben Zeit in Palästina aufhielt, wurde von Papst Gregor IX. als Verteidigungskrieg der Kirche gegen einen Mann gerechtfertigt, der die sizilische Kirche unterdrückt und es gewagt habe, mit seinen Soldaten in den Kirchenstaat einzufallen. Die Teilnehmer an der nun folgenden Strafexpedition, denen man in recht allgemein gehaltenen Worten die Vergebung ihrer Sünden versprochen hatte, bezahlte der Papst aus einer Einkommenssteuer, die dem Klerus abverlangt wurde. Die Kirchen von Schweden, Dänemark, England und Oberitalien zahlten 1229 eine Kontribution von zehn Prozent ihrer Einnahmen; die französischen Bischöfe wurden angewiesen, alsbald die Abschlusszahlungen eines auf fünf Jahre angelegten Zehnten zu leisten, der ihren Bistümern 1225 zur Finanzierung des Albigenserkreuzzuges auferlegt worden war. Der volle Kreuzzugsablass wurde jedoch nicht gewährt, und es ist bemerkenswert, dass die Teilnehmer des Kreuzzuges gegen Friedrich II. auf ihren Gewändern nicht das Kreuz, sondern die Schlüssel Petri trugen. Deshalb wirkt diese Auseinandersetzung eher wie
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eine Kampagne des Investiturstreits aus dem 11. Jahrhundert, und nicht wie ein Kreuzzug des 13. Jahrhunderts. Ein echter Kreuzzug gegen Friedrich II., einer, der alle Kriterien erfüllte, wurde jedoch 1239 ausgerufen. Der Kaiser hatte den gesamten Süden Italiens unter seine Kontrolle gebracht und war nun im Begriff, in Oberitalien desgleichen zu tun. Im Frühjahr 1240 bedrohte seine Streitmacht Rom. Bereits 1239 waren die Vorbereitungen zu einem Kreuzzug gegen ihn angelaufen, der in Oberitalien und Deutschland gepredigt wurde. Papst Gregor selbst predigte in Rom das Kreuz und ging im Februar 1241 sogar so weit, dass er seinen Legaten in Ungarn die Umwandlung von Kreuzzugsgelübden für das Heilige Land in solche zum Kampf gegen den Kaiser gestattete. Gregor bat die ganze Kirche um Beistand, auch wenn dieser Aufruf anfangs nicht explizit mit einem Kreuzzug in Verbindung gebracht wurde. Trotz verbreiteter Skepsis konnte er Mittel aus England, Schottland, Irland und Frankreich beschaffen. Der dann begonnene Kreuzzug konnte nur wenig mehr ausrichten, als dass Friedrichs Vormarsch auf Rom aufgehalten wurde – aber er setzte eine Kette von Ereignissen in Gang, die während der folgenden fast 150 Jahre die italienische Politik beherrschen sollten. Der Kreuzzug gegen Friedrich II. wurde 1244 von Papst Innozenz IV. erneuert, und ab 1246, dem Jahr nach der Absetzung des Kaisers durch das Erste Konzil von Lyon, drängte eine ganze Reihe päpstlicher Sendschreiben zum Kreuzzug. Diese waren insbesondere nach Deutschland gerichtet, wo bereits Gegenkönige aufgestellt wurden. Dem Heer, das im Oktober 1248 die alte Kaiserstadt Aachen für den Gegenkönig Wilhelm von Holland einnahm, gehörten zahlreiche Kreuzfahrer an, doch kam es in Deutschland eher zu spontanen Ausbrüchen von kreuzfahrerischem Überschwang als zu irgendeiner Form von verbindlichem Engagement. Innozenz presste seiner Kirche große Geldsummen ab; betroffen waren vor allem italienische Inhaber von Pfründen jenseits der Alpen sowie Bistümer in England, Polen, Ungarn und Deutschland. Der Großteil dieses Geldes scheint dem Kreuzzug in Deutschland zugutegekommen zu sein. Andererseits war auch die Stellung des Papstes in Italien vergleichsweise schwach, und ein Geldmangel dort scheint 1249 der Grund dafür gewesen zu sein, dass ein Vorstoß gegen Friedrichs Inselkönigreich Sizilien scheiterte. Kaiser Friedrich II. starb am 13. Dezember 1250. Der Kreuzzug in Deutschland wurde im darauffolgenden Februar gegen seinen Erben Konrad IV. erneuert; auch 1253 und 1254 erging die päpstliche Aufforderung, dort den Kreuzzug zu predigen. Nach dem Tod des großen Kaisers richtete sich die Begehrlichkeit des Papsttums jedoch bald wieder auf das Königreich Sizilien, das neben der Insel auch weite Teile Unteritaliens umfasste und immerhin ein päpstliches Lehen war. Die Invasion Siziliens erforderte ein großes, gut organisiertes und solide finanziertes Heer – was einen guten Grund darstellte, die italienischen Kreuzzüge in Zukunft nach Maßstäben vorzubereiten, die denen der Kreuzzüge nach Palästina entsprachen. Außerdem würde man einen Anführer von Gewicht brauchen, dessen Eignung über jeden Zweifel erhaben war, und die Politik des Papsttums war in den 1250er-Jahren ganz darauf ausgerichtet, diesen Mann zu fi nden. Man fragte Richard von Cornwall; dann Karl von Anjou, einen Bruder Ludwigs IX.; dann König
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Heinrich III. von England, der im März 1250 das Kreuz im Namen seines jüngeren Sohnes Edmund von Lancaster genommen hatte. Als auch die Verhandlungen mit Heinrich scheiterten – dieser hatte selbst die eigentlich inakzeptable Bedingung angenommen, persönlich für sämtliche Kriegsausgaben des Papsttums einzustehen, woraufhin die englischen Barone jegliche weiteren Zugeständnisse unterbanden –, kam der Papst erneut auf Karl von Anjou zurück: Zwischen 1262 und 1264 wurden die Einzelheiten einer Regelung ausgearbeitet, durch die Karl die Krone von Sizilien erhalten sollte. Der erste Kreuzzug gegen Manfred, den illegitimen Sohn Friedrichs und Verfechter der staufischen Sache in Unteritalien, wurde Anfang 1255 in Italien und England gepredigt. Ein Heer unter dem Florentiner Kardinal Ottaviano degli Ubaldini marschierte geradewegs in sein Verderben, woraufh in Manfred eine solche Vormachtstellung erlangte, dass er sich im August 1258 zum König von Sizilien krönen lassen konnte. Die Predigtkampagne ging weiter, während die Kreuzzugsaktivität auf Oberitalien – ein zwischen 1255 und 1260 in der Mark Treviso geführter Kreuzzug führte zum Sturz der grausamen Ghibellinenherrscher Ezzelino III. und Alberico da Romano – sowie nach Sardinien übergriff. In der Zwischenzeit erfüllte Papst Urban IV. den Wunsch Karls von Anjou nach einem Kreuzzug zur Eroberung des Königreichs Sizilien, der nun in Frankreich, dem römisch-deutschen Kaiserreich sowie Ober- und Mittelitalien gepredigt wurde. Karls Kreuzfahrerheer brach im Oktober 1265 in Lyon auf. Auf seinem Marsch schlossen sich ihm italienische Kontingente an, bevor es Mitte Januar 1266 Rom erreichte, nur wenige Tage nachdem Karl in der Peterskirche zum König von Sizilien gekrönt worden war. Da er knapp bei Kasse war, begann Karl seinen Feldzug unverzüglich. Bereits am 26. Februar besiegte und tötete er Manfred in der Schlacht von Benevent. Bald hatte Karl das gesamte Königreich Sizilien unter seine Kontrolle gebracht; allerdings musste der Kreuzzug im April 1268 wieder erneuert werden, da Konradin, der junge Sohn Konrads IV., in Italien einfiel, um sein Erbe zurückzugewinnen. Im August unterlag Konradin in der Schlacht von Tagliacozzo und wurde im Oktober in Neapel hingerichtet. Mit der Kapitulation der letzten Staufergarnison in Lucera – einer Kolonie ursprünglich sizilischer Muslime, die Friedrich II. in Apulien angesiedelt hatte – endete die erste Phase des Kampfes. Der Aufstieg Karls von Anjou in der politischen Welt des Mittelmeerraums war kometenhaft. 1267 erkannte ihn Wilhelm II. von Villehardouin, der Fürst von Achaia und lateinische Herrscher der Peloponnes (zur damaligen Zeit „Morea“ genannt), als seinen Oberherrn an. Der lateinische Kaiser von Konstantinopel übertrug Karl die Herrschaft über die griechischen Inseln sowie die lateinischen Besitzungen in Epirus. Im Jahr darauf führte Wilhelm von Villehardouin eine Streitmacht von 1100 peloponnesischen Rittern an der Seite Karls von Anjou in die Schlacht von Tagliacozzo. Unmittelbar nach Wilhelms Tod im Jahr 1278 übernahm Karl die Herrschaft im Fürstentum Achaia. In der Zwischenzeit, nämlich 1277, hatte nach langen Verhandlungen und mit Billigung des Papstes ein Thronanwärter an Karl die Krone von Jerusalem verkauft. Dieser sandte im September desselben Jahres einen Vikar als seinen Bevollmächtigten nach Akkon. Es leuchtet ein, dass die Hoffnungen der Päpste auf das Überleben der lateinischen Herrschaft in Palästina
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nun auf deren Einbindung in ein riesiges, christliches Reich im östlichen Mittelmeerraum ruhten. Dieses Reich sollte – mit der Unterstützung von Karls engem Verwandten, dem König von Frankreich – die lateinischen Territorien der Levante mit einer dauerhaften Verteidigung versehen, wie es die Kreuzzüge, die ihrer Natur nach kurzlebig waren, niemals konnten. Doch am 30. März 1282 erhob sich die Bevölkerung Siziliens zu einem Aufstand gegen die französisch-angevinische Herrschaft, der als „Sizilianische Vesper“ in die Geschichte eingegangen ist. Die Aufständischen riefen König Peter III. von Aragón herbei, der mit Konstanze, einer Tochter König Manfreds, verheiratet war und über die mächtigste Kriegsflotte des westlichen Mittelmeerraums verfügte. Peters Landung bei Trapani am 30. August 1282 erregte den Zorn Papst Martins IV. Dieser war Franzose, hatte 1264 als päpstlicher Legat die Verhandlungen der Kurie mit Karl von Anjou zum Abschluss gebracht und war nicht zuletzt durch Karls politisches Intrigenspiel auf den Stuhl Petri gelangt. Allerdings hätte wohl jeder Papst – in seiner Eigenschaft als Lehnsherr Siziliens – die aragonesische Einmischung als eine Herausforderung seiner lehnsherrlichen Autorität angesehen. Außerdem kann Martin IV. die Gefahr nicht entgangen sein, in die sein sorgsamer Plan zur Rettung der christlichen Präsenz in der Levante durch Peters Intervention geriet. Am 13. Januar 1283 wurde ein Kreuzzug gegen die Sizilianer ausgerufen, doch beschränkten sich die entsprechenden Predigtaktivitäten zunächst auf das Königreich Sizilien selbst. Erst im April 1284 wurde dieser Kreuzzug auch in Oberitalien gepredigt. Bereits im November 1282 war Peter III. von Aragón exkommuniziert worden; im März 1283 wurde ihm zudem sein iberisches Königreich abgesprochen, von dem der Papst nun ebenfalls behauptete, es sei ein päpstliches Lehen. Durch die Entsendung eines päpstlichen Legaten nach Frankreich sollte auch dort der Kreuzzug gegen Peter in Gang gebracht werden. Zugleich wurde Karl von Valois, dem minderjährigen zweiten Sohn König Philipps III. von Frankreich, die Krone von Aragón versprochen – die Bedingungen waren denen sehr ähnlich, die seinen Großonkel Karl von Anjou auf den Thron von Sizilien gebracht hatten. Zur Finanzierung des Kreuzzuges wurden der französische Klerus sowie die Bistümer an den Grenzen zu Frankreich auf vier Jahre mit einem Sonderzehnten belegt. In den ersten Monaten des Jahres 1284 begann die Kreuzpredigt in Frankreich, und im Februar nahm Philipp III. im Namen seines Sohnes die Krone von Aragón an. Die Kreuzzüge in Süditalien und Nordspanien erwiesen sich als Fiaskos. Im Frühjahr 1283 trugen die Aragonesen den Krieg auf das italienische Festland hinüber. Zur See bewiesen sie ihre Überlegenheit und nahmen im Juni 1284 bei einer Seeschlacht vor Neapel den Sohn und Erben Karls von Anjou, Karl von Salerno, gefangen. Der Tod Karls von Anjou (im Januar 1285) und Martins IV. (am 28. März des Jahres) schwächten die päpstlich-angevinische Sache noch weiter. Karl von Salerno kam erst im Oktober 1288 wieder frei, unter der Bedingung, dass er einen Frieden zwischen den Königreichen Aragón, Frankreich, Sizilien und Neapel aushandeln werde, das nun die Hauptstadt eines auf das italienische Festland beschränkten Königreiches wurde. In der Zwischenzeit war König Philipp von Frankreich mit einem Heer von mindestens 8000 Mann in Spanien eingedrungen. Die Aragonesen hielten den Kreuzzug bei Girona den ganzen Sommer über
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auf. Im Frühherbst wurde ihre Flotte von Sizilien zurückgerufen und zerstörte die Schiffsverbände, die das französische Heer mit Proviant versorgten: Die Kreuzfahrer waren von ihrem Nachschub abgeschnitten. Philipp sah sich zum Rückzug gezwungen und starb, noch auf dem Marsch, am 5. Oktober bei Perpignan. Da der aragonesische Vormarsch auf dem italienischen Festland nun an einer Verteidigungslinie südlich von Salerno zum Stehen gebracht war, scheinen alle beteiligten Parteien Frieden erstrebt zu haben, insbesondere nach dem Verlust von Palästina und Syrien 1291, der jegliche Verschwendung militärischer Ressourcen ebenso eigensüchtig wie töricht erscheinen ließ. Die Kurie selbst war in dieser Frage uneins, aber die Wahl Bonifatius’ VIII. zum Papst 1294 bedeutete den Sieg der dortigen Kriegspartei. Im Sommer 1295 überredete Bonifatius König Jakob II. von Aragón zu einem Rückzug von Sizilien, doch der jüngere Bruder des Königs, Friedrich, der als aragonesischer Statthalter auf der Insel residierte, widersetzte sich und ließ sich im März 1296 in Palermo zum König von Sizilien krönen. So wurde der Kreuzzug gegen die Sizilianer in den Jahren 1296, 1299 und 1302 erneuert. In den Jahren 1297 / 1298 bestand zudem ein Aufruf zum Kreuzzug gegen die Colonna-Kardinäle, eine Partei in Rom, die sich aus persönlichen Feinden des Papstes und Verbündeten Friedrichs zusammensetzte. Mit der Unterstützung Jakobs II. gelang es den Truppen der Anjou 1297 / 1298, Kalabrien zu besetzen und in der Seeschlacht am Kap Orlando vor der Nordküste von Sizilien den Sieg zu erringen. Allerdings war die Insel zu stark, als dass die angevinische Seite sie hätte zurückerobern können. Im Frieden von Caltabellotta, der im August 1302 geschlossen wurde, erkannten die Franzosen Friedrichs Herrschaft über Sizilien an. Obwohl dieser Anspruch laut Vertrag mit seinem Tod erlöschen sollte, blieb die Insel auch danach weiter in aragonesischer Hand. Diese „politischen Kreuzzüge“ wurden auf traditionelle Weise legitimiert. Die Päpste betonten die Notwendigkeit, die Kirche und den rechten Glauben zu verteidigen. Sie hatten bereits erkennen lassen, wie bewusst sie die zahlreichen kritischen Stimmen wahrnahmen, die ihnen den Missbrauch der Kreuzzugsbewegung für ihre eigenen Zwecke vorwarfen – und das zu einer Zeit, zu der die Christen des lateinischen Ostens in so großer Gefahr schwebten. Die Päpste betonten die Notwendigkeit, Kirche und Glauben zu verteidigen, und wiesen darauf hin, dass ihre Feinde in Italien, die sie mit den Muslimen verglichen, jeden Versuch untergrüben, effektive Kreuzzüge in das Heilige Land zu realisieren. Außerdem unternahmen sie große Anstrengungen, um eine effiziente Propagandamaschinerie aufzubauen, und das Echo auf die päpstlichen Verlautbarungen war beachtlich. Vor allem die Predigtkampagnen in Frankreich in den Jahren 1264 bis 1268 waren erfolgreich, und so marschierten in den Kreuzfahrerheeren von 1265 / 1266 und 1268 nicht nur zahlreiche Männer, die zum ersten Mal das Kreuz genommen hatten, sondern auch erfahrene Kreuzfahrer der Kampagnen im Nahen Osten wie Érard de Valéry, der den Plan für die Schlacht von für Tagliacozzo ausarbeitete, oder Peter Pillart, der prahlend an seinen König Philipp III. schrieb: „Ich habe Euch und Euren Vorfahren gedient in dem Jahr, als sie nach Damiette und nach Sizilien zogen, und bei der Belagerung … von Tunis.“ In Italien selbst kam die größte Resonanz – wenig überraschend – von den Guelfen, die traditionell papsttreu waren. Wie Norman Housley gezeigt hat, waren die Rekrutie-
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rungsbemühungen der päpstlichen Seite so erfolgreich, dass man der verbreiteten Ansicht, diese Kreuzzüge hätten wenig ideologische Zugkraft besessen, mit Vorsicht begegnen sollte. In ihrem Selbstverständnis waren die beteiligten Heere ganz dem traditionellen Kreuzfahrerethos verpflichtet. Die Päpste ließen ihnen einen großen Teil der Ressourcen zukommen, die – insbesondere aus Kirchensteuern gewonnen – eigentlich für den östlichen Kriegsschauplatz gedacht gewesen waren. Gelder aus England, Frankreich, den Niederlanden, der Provence und den Bistümern des römisch-deutschen Reiches fi nanzierten die Kampagnen Karls von Anjou in den 1260er-Jahren. Zwischen 1283 und 1302 wurde die gesamte Christenheit von den Britischen Inseln bis nach Griechenland mehr als einmal mit Sondersteuern belegt, um die angevinische Herrschaft über Sizilien wiederherzustellen. Ein Effekt dieser intensiven Besteuerung war es, den Einfluss der Kurie über die gesamte Kreuzzugsbewegung merklich zu verstärken; zudem führte sie jedoch eine Reihe folgenreicher Neuerungen herbei, darunter die Einteilung der Kirche in Steuerbezirke durch Papst Gregor X. im Jahr 1274. Die Päpste gerieten zu jener Zeit in eine immer stärkere Abhängigkeit von Kreditgebern und Bankiers; im 14. Jahrhundert sollten sie neue Steuern einführen, um diese Abhängigkeit zu verringern. Verständlicherweise war keine der erhobenen Steuern sonderlich populär; Widerstand regte sich, insbesondere im England der 1250er- und Frankreich der 1260er-Jahre. Überhaupt belastete – daran kann keinerlei Zweifel bestehen – die intensive Besteuerung der Kirche in dieser Zeit sehr stark die Beziehungen zwischen dem Papsttzum und der Kirche im Ganzen.
Reaktionen auf die verschiedenen Ausformungen des Kreuzzugsgedankens Reaktionen auf die verschiedenen Ausformungen des Kreuzzugsgedankens
Das Aufkommen von „politischen Kreuzzügen“ wirft Fragen auf, die in der Forschung intensiv diskutiert worden sind. Handelte es sich um Pervertierungen des ursprünglichen Kreuzzugsgedankens, die allein dazu dienten, die päpstliche Italienpolitik voranzutreiben? Führten sie zu einer solchen Empörung unter den Gläubigen, dass sie diese dem Papsttum nachhaltig entfremdeten? Die erste dieser beiden Fragen hat sich als besonders brisant erwiesen, da einige Historiker die Ansicht vertreten, dass ganz unabhängig davon, was die Päpste und ihre Kirchenjuristen verlautbaren ließen – und nach Meinung dieser Experten vertrat das Papsttum durchaus eine sehr breite Auffassung von „Kreuzzug“ –, die einfachen Gläubigen sehr wohl zwischen Kreuzzügen in Europa und Kreuzzügen im Heiligen Land zu unterscheiden wussten. Ihre Antwort auf die erste Frage hängt eng mit der Antwort auf die zweite zusammen, indem sie annehmen, dass die öffentliche Meinung die Ablenkung der Orientkreuzzüge ablehnte. Zweifellos kam den Kreuzzügen in die Levante das größte Prestige zu, was sie auch für potenzielle Freiwillige am attraktivsten machte. Auch daran, dass die Kreuzzüge innerhalb Europas regelmäßig Unmut erregten, kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Aus dem Languedoc sind scharfe Worte gegen die dortigen Kreuzzugsaktivitäten überliefert – was nicht wundernimmt –, aber auch in Nordfrankreich und England äußerten
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sich manche Zeitgenossen kritisch über den Albigenserkreuzzug. In Deutschland, Italien, Frankreich, auf der Iberischen Halbinsel und im Heiligen Land waren es eher Kreuzzüge gegen katholische Christen wie Kaiser Friedrich II. und seine Nachkommen, die den Unmut der Kommentatoren erregten. Der größte Kritikpukt war dabei, dass solche Kreuzzüge wertvolle Ressourcen und Kräfte banden, die im lateinischen Osten dringend benötigt wurden. Die Siedler in Palästina, auf Zypern und in Griechenland ließen nicht nach, sich zu beschweren. Der Tenor ihrer Ausführungen spiegelt sich wohl in einer Ermahnung, die ein Abgesandter des Templerordens anscheinend nach dem Fall von Tripolis im Jahr 1289 an Papst Nikolaus IV. überbrachte: Ihr hättet das Heilige Land mit der Stärke ganzer Königreiche unterstützen können, mit der geeinten Kraft der ganzen Christenheit; aber stattdessen habt Ihr Könige gegen einen König aufgehetzt und habt über einen christlichen König mitsamt seinen christlichen Untertanen herfallen wollen – und das alles nur, um die Insel Sizilien zurückzuerlangen, die – Widerstand leistend gegen diesen gemeinen Überfall – völlig zurecht zu den Waffen griff.
Als Innozenz IV. die Taktlosigkeit beging, zu einer Zeit den Kreuzzug gegen Konrad IV. predigen zu lassen, als der Kreuzzug Ludwigs IX. zerfetzt war und Ludwig selbst sich in Palästina aufhielt, erhob sich die französische Regierung und das Volk gemeinsam gegen das Ansinnen des Papstes. Wie empfindlich die französische Öffentlichkeit in derlei Fragen reagieren konnte, zeigte sich auch anlässlich des Ersten Hirtenkreuzzuges, der eine ganz außergewöhnliche Reaktion auf die Nachricht von Ludwigs Niederlage und Gefangenschaft in Ägypten darstellte. Sein Anführer war ein Hetzprediger, der sich schlicht der „Meister aus Ungarn“ nannte und einen Brief mit sich führte, den ihm, wie er sagte, die Muttergottes überreicht hatte. Seine Botschaft lief darauf hinaus, dass in Ägypten die französischen Adligen und Kirchenfürsten für ihre Hoffart bestraft worden waren und dass – ganz so, wie Hirten die ersten gewesen waren, denen die Ankunft Christi verkündet wurde – das Heilige Land ihnen, den Schlichten und Demütigen, übereignet werden würde. Der Meister und sein Armenheer zogen nach Paris, wo Königin Blanca sie mit Wohlwollen empfing. Danach zerbrach die Masse in mehrere Heerhaufen, die auf ihrem Weg durch das Land zunehmend gewalttätiger wurden, bis Blanca schließlich – der „Meister aus Ungarn“ war unterdessen getötet worden – die Acht über sie verhängte, woraufhin sie sich vollends auflösten. Vor diesem Hintergrund war es alles andere als wahrscheinlich, dass die Franzosen es freundlich aufnehmen würden, wenn wertvolle Ressourcen nach Deutschland oder Italien abgeleitet wurden. Blanca traf Vorkehrungen, eine französische Predigtkampagne für den Kreuzzug gegen Konrad zu verhindern und drohte allen, die sich ihm anschlossen, mit der Konfiszierung ihres Landbesitzes. In der geschichtswissenschaft lichen Fachliteratur hat man zahlreiche Beispiele ähnlicher Reaktionen zusammengetragen; unter den Zeitgenossen waren es nicht zuletzt erfahrene Prediger wie Humbert von Romans, die diese Art von Erwiderung auf ihre Tätigkeit durchaus ernst nahmen. Dennoch reicht das alles nicht aus, um zu beweisen, dass die Menschen, an die diese Predigten gerichtet waren, einen grundsätzlichen Unter-
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schied zwischen Kreuzzügen in das Heilige Land und solchen innerhalb Europas voraussetzten. Auch sollte man nicht vergessen, dass selbst die Kreuzzüge nach Palästina von der Kritik der Zeitgenossen nicht völlig verschont blieben. Und ein Szenario weitverbreiteter Entfremdung von der Kreuzzugsbewegung als solcher wird man aus solchen Quellenbefunden schon gar nicht zimmern können: Wie durchaus richtig bemerkt worden ist, handelte es sich bei den Kritikern entweder um eingefleischte Gegner des Papsttums, bei denen ihre kritische Haltung wenig überrascht, oder um Individuen, die einen besonderen, persönlichen Grund für ihre Auflehnung gegen eine spezifische Verwendung – oder aus ihrer Sicht: Verschwendung – von Kreuzzugsressourcen hatten. Die französische Krone tat alles in ihrer Macht Stehende, um den Kreuzzug gegen die Staufer 1251 zu verhindern, aber dieser Widerstand war keineswegs eine Frage irgendwelcher Prinzipien – immerhin unterstützten die Franzosen 1265 den Kreuzzug Karls von Anjou nach Sizilien. Ludwig IX. hatte sich zwar zuerst gegen diese Unternehmung ausgesprochen, doch scheint sein einziger Einwand – der später ausgeräumt wurde – darin bestanden zu haben, dass er die Rechtmäßigkeit des Vorgehens anzweifelte, mit dem der staufische Anspruch auf Sizilien zurückgewiesen werden sollte. Als ein zutiefst moralischer Mann scheint es kaum vorstellbar, dass Ludwig sich aus Prinzip gegen „politische Kreuzzüge“ ausgesprochen hätte. Zwar gab es erste Anzeichen von Ernüchterung und auch einige Radikalpazifisten, denen die ganze Tradition christlicher Gewaltanwendung zutiefst zuwider war. Wie zahlreich die Unterstützer dieser Fundamentalopposition tatsächlich waren, ist umstritten – vermutlich waren es aber nicht allzu viele. Nach der Einschätzung von Elizabeth Siberry erreichte die Kreuzzugskritik des 13. Jahrhunderts außerdem nicht mehr die Intensität der Anschuldigungen, die nach dem Zweiten Kreuzzug erhoben worden waren. Überraschend ist vielmehr, dass die Kreuzzugsbewegung – wo und wie sie sich auch immer ausdrückte – überhaupt noch so populär war. Auf allen Kriegsschauplätzen wurden Kreuzzüge geführt – und ohne Kreuzfahrer wäre das wohl kaum möglich gewesen. Im Großen und Ganzen trafen die päpstlichen Argumente für einzelne Feldzüge, ob sie nun in Europa oder der Levante stattfinden sollten, auf genug Bereitwilligkeit, den Strom an Rekruten niemals ganz versiegen zu lassen. Es lässt sich daher unmöglich beweisen – und es scheint im Übrigen auch schwer vorstellbar –, dass das Ansehen des Papsttums durch die in Italien geführten Kreuzzüge nachhaltig geschmälert worden wäre. Die Päpste selbst sahen ihre Position in Italien wohl tatsächlich so stark bedroht, dass ihnen nach ihrer eigenen Einschätzung nichts anderes übrig blieb, als den Kreuzzug predigen zu lassen. Sie glaubten außerdem, die Zukunft des lateinischen Ostens hänge ganz von der Unversehrtheit des Königreichs Sizilien ab – und damit von den diversen Kreuzzügen, die auf die „Sizilianische Vesper“ folgten. Es lässt sich kaum leugnen, dass die Position der Lateiner im Heiligen Land infolge einer solchen Aufsplitterung der verfügbaren Kräfte nicht gerade gefestigt wurde. Die Frage, ob die lateinischen Herrschaften in Palästina und Syrien länger standgehalten hätten, wenn die Päpste noch weitere Ressourcen gehabt hätten, muss hingegen offen bleiben. Zu einer Zeit, als die Außenhandelseinkünfte des Königreichs Jerusalem wegen einer unten zu beschreibenden Verschiebung
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der asiatischen Handelsrouten einbrachen, wurden die Siedler des Geldes und Materials beraubt, die sie aus Europa hätten erhalten können.
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Nun war es durchaus nicht so, als hätte Europa die Lateiner in der Zeit von 1254 bis 1291 verhungern lassen. Tatsächlich sandte gerade die französische Krone Unmengen an Geld über das Mittelmeer, das während der Regierungszeit Ludwigs IX. hauptsächlich zur Finanzierung des bereits erwähnten stehenden Söldnerheeres aufgewandt wurde. Ab und an verstärkten kleinere Kontingente von Kreuzfahrern das ständige Aufgebot der Franzosen, bis es abgezogen wurde, um – möglicherweise Anfang 1270 –, dem französischen Kreuzzug gegen Tunis zugeführt zu werden. Man kann nur schwer abschätzen, mit welchen Kosten Ludwig selbst zu Beginn seines Engagements gerechnet hat. In dem erhaltenen Fragment einer Aufstellung der königlichen Ausgaben für die Jahre 1250 bis 1253 sind ausgesprochen großzügige Summen als Kreuzfahrersubsidien und Söldnerlöhne ausgewiesen, doch ging es üblicherweise bescheidener zu, sobald Ritter oder Fußsoldaten über eine längere Zeit an einem bestimmten Ort stationiert waren. Unbestreitbar war Ludwig bereit, tief in die Tasche zu greifen, um den Siedlern des lateinischen Ostens militärischen Beistand zu leisten. Obgleich, wie Joseph Strayer zeigen konnte, der Kämmerer des französischen Königs glaubte, das französische Kontingent in Akkon habe seinen Herrn in den Jahren 1254 bis 1270 durchschnittlich gerade einmal 4000 Pfund Tournois im Jahr gekostet (also etwa 1,6 Pronzent der königlichen Jahreseinnahmen), schätzte 1267 Gottfried von Sergines, der Kommandeur der Truppe, dass er für den Unterhalt seiner Ritter die enorme Summe von 10 000 Pfund im Jahr aufbringen musste. Und um 1272 berichtet Papst Gregor X., 60 000 Pfund Silber, die Ludwig IX. in das Heilige Land gesandt hatte, seien durch die „Unachtsamkeit“ – zweifellos ein Euphemismus für „Korruptheit“ – offizieller Stellen verloren gegangen. Zwar hatte es schon seit dem 12. Jahrhundert die Tradition gegeben, Geldmittel zur Finanzierung von Truppen für das Heilige Land zu spenden, doch Ludwigs Einsatz war insofern ohne Beispiel, als er – soweit wir wissen – unbefristet war. Wie weit die Hingabe des französischen Königs ging, zeigte 1260 seine Reaktion auf die Nachricht von panikartigen Zuständen in Palästina: Die Mongolen, die den Westeuropäern bereits eine schreckliche Lektion erteilt hatten, waren nun auch noch in die Levante eingefallen. Augenblicklich wurden Unterstützungsappelle nach Europa gesandt. Die Dringlichkeit, mit der diese Botschaften auf den Weg gebracht wurden, illustriert der Fall eines Templerboten, der am 16. Juni mit Briefen für König Heinrich III. und den örtlichen Templermeister in London eintraf. Der Bote hatte alle Rekorde gebrochen und von Akkon bis nach London nur 13 Wochen gebraucht; die rund 130 Kilometer von Dover bis an sein Ziel hatte er sogar an nur einem Tag zurückgelegt. Ein Brief des päpstlichen Legaten in Akkon, dem Nachrichten weiterer führender Persönlichkeiten des
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lateinischen Ostens beigefügt waren (erhalten geblieben ist etwa der Beitrag, den der Großmeister des Templerordens verfasst hatte) wurde allen europäischen Herrschern zugestellt. Aus diesen Schreiben ging hervor, dass zahlreiche Muslime vor den Mongolen in die christlichen Territorien an der Mittelmeerküste flüchteten. Sie enthielten Angaben über die Größe und Schlagkraft der Mongolenheere, zu den Reaktionen der muslimischen Herrscher in der Region, zu der Hast, mit welcher der König von Kleinarmenien und der Fürst von Antiochia-Tripolis sich angesichts der drohenden Gefahr miteinander arrangiert hatten sowie zu der Hilfsbedürftigkeit der lateinischen Herrschaften. Die Reaktion der französischen Krone war dramatisch. Ludwig IX. ordnete an, in seinem ganzen Reich solle mit großer Feierlichkeit das Kreuz gepredigt werden. Der König und seine Vasallen kamen überein, auf sieben Jahre ein Sechzigstel ihrer Jahreseinkünfte zur Verfügung zu stellen, während die Kirche von Frankreich mit einer Sondersteuer von einem Zwanzigstel belegt wurde. König Ludwig persönlich sollte – unterstützt von vier adligen Herren und vier Prälaten – die Erhebung dieser Steuern überwachen. Alle jungen Männer ab dem Alter von fünfzehn Jahren, die 100 Pfund im Jahr an Einnahmen aus Grundbesitz vorzuweisen hatten, wurden zum Ritter geschlagen, ob sie wollten oder nicht, desgleichen alle über Zwanzigjährigen mit nicht weniger als 50 Pfund an jährlichen Pachteinnahmen. Um unnötige Verletzungen zu vermeiden, wurde ein zweijähriges Turnierverbot erlassen. Zur Schonung des Pferdebestands durfte niemand – ob adlig oder nicht – ein Streitross im Wert von über 100 Pfund kaufen oder besitzen; bei schlichten Reitpferden lag die Grenze bei 30 Pfund. Kein Kleriker, selbst wenn er ein Prälat war, durfte ein Pferd besitzen, das mehr als 15 Pfund wert war. Wie bekanntgegeben wurde, wollte der Papst ein großes Treffen in Rom einberufen, bei dem über die weitere Vorgehensweise beraten werden sollte. Allerdings ging die Krise vorüber, als die Mongolen am 3. September 1260 bei ʿAin Dschalut von den Mamluken aufgehalten wurden. Deshalb einigte man sich am 10. April 1261 bei einer vom König einberufenen Ratsversammlung schließlich auf eine stark verwässerte Variante der ursprünglich vorgesehenen Maßnahmen: das Turnierverbot sowie eine Reihe von Luxusgesetzen – Verbote aufwendiger Kleidung zum Beispiel – mit einer Gültigkeit von zwei Jahren. Was die geplante Versammlung bei der Kurie betraf, so starb Papst Alexander IV., bevor sie einberufen werden konnte. Der König von Frankreich war natürlich nicht der einzige, der sich Sorgen um die Territorien der lateinischen Siedler machte. So sollte zum Beispiel Eduard I. von England später einen beträchtlichen Beitrag leisten. Auch das Papsttum organisierte eine Reihe kleinerer Feldzüge, stellte große Geldsummen bereit und bezahlte durch seinen Repräsentanten, den Patriarchen von Jerusalem, ein Söldnerkontingent zur Unterstützung der französischen Truppen. Außerdem waren die Päpste auch weiterhin eine treibende Kraft bei der Planung von Kreuzzügen. Nachdem Konstantinopel 1261 wieder an die Griechen gefallen war, scheint Papst Urban IV. mit dem Gedanken gespielt zu haben, die Stadt durch einen Kreuzzug zurückerobern zu lassen; nach einer offenkundigen Planänderung schrieb der Papst allerdings schon bald wieder von Unterstützung für das Heilige Land. Bis 1266 hatte der unteritalienische Kreuzzug Karls von Anjou Vorrang, doch in der
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Zwischenzeit hatten die Heere der ägyptischen Mamluken bereits mit der systematischen Rückeroberung von Palästina und Syrien begonnen. Auf die Nachricht von ihrem Vorstoß hin übernahm Ludwig IX. von Frankreich die Initiative, wie er es schon 1244 getan hatte. Gegen Ende des Jahres 1266 teilte er Papst Clemens IV. seine Absicht mit, einen weiteren Kreuzzug zu führen, und am 24. März 1267 nahm Ludwig anlässlich einer Zusammenkunft seiner Vasallen das Kreuz. Dem Vernehmen nach war das Echo in Frankreich diesmal nicht ganz so enthusiastisch wie zuvor, obwohl der Bericht Johanns von Joinville über den bitteren Widerstand, den er und andere gegen den Kreuzzug geleistet hätten, vermutlich seinen Teil zur Überzeichnung dieses Aspekts beigetragen hat: Womöglich war das Kreuzfahrerheer, als es dann aufbrach, nur unwesentlich kleiner als das von 1248. Ludwig IX. jedenfalls plante diesen Kreuzzug mit derselben Sorgfalt wie den ersten – wenn nicht sogar noch umsichtiger. Er hatte die Zusage eines auf drei Jahre angelegten Zehnten durch die französische Kirche sowie einer Steuer von einem Zwanzigstel, das die Bistümer entlang der französischen Grenzen entrichten sollten. Alle diese Gelder sollten erhoben werden, sobald die Steuer für die sizilische Kampagne ausgelaufen war. Wieder einmal wurden auch die Städte um Beiträge gebeten. Ludwigs Bruder Alfons von Poitiers brachte über 100 000 Pfund Tournois auf; das meiste davon stammte aus seinen eigenen Territorien. Ludwig seinerseits schloss mit Genua und Marseille Verträge über den Transport seiner Truppen ab, denen zufolge die erforderlichen Schiffe im Frühsommer 1270 in Aigues-Mortes bereitliegen sollten. Es ist bezeichnend für den Kult, der sich schon zu Lebzeiten um Ludwig den Heiligen entwickelte, aber auch für dessen großes Organisationstalent, dass er solch sattelfeste Kreuzfahrer wie Hugo von Burgund und Érard de Valéry für seine Unternehmung gewinnen konnte. Auch andernorts in Europa wurden Kreuzfahrer rekrutiert, insbesondere in Aragón und England, wo sich selbst die Könige Ludwig anschließen wollten. Karl von Anjou erklärte sich ebenfalls – wenn auch wohl erst nach einigem Zögern – bereit, mit seinem Bruder zu ziehen. Als Erste brachen die Aragonesen auf. Am 1. September 1269 segelte König Jakob I. aus Barcelona los. Allerdings geriet seine Flotte in einen so schweren Sturm, dass er selbst und die meisten seiner Kreuzfahrer bald umkehren mussten. Ein Geschwader unter zweien seiner illegitimen Söhne, den Infanten Ferdinand Sanchez und Peter Fernandez, erreichte Ende Dezember Akkon. Ihr Kontingent war jedoch zu schwach, um sich dem ägyptischen Mamlukensultan Baibars entgegenzustellen, als dieser an der Spitze eines Stoßtrupps vor der Stadt erschien, und so kehrten sie bald unverrichteter Dinge in den Westen zurück. In England hatten nach dem Bürgerkrieg zwischen Heinrich III. und Simon von Montfort umfassende Predigtkampagnen zur Aufstellung eines ansehnlichen Kreuzfahrerheeres geführt, dem auch Heinrichs ältester Sohn Eduard angehörte, der im Juni 1268 das Kreuz nahm. Zuvor hatte er jedoch seinen Vater überzeugen müssen, der, seinerseits teilnehmen wollte, um ein Gelübde aus dem Jahr 1250 zu erfüllen – und den Papst, der mit Heinrich vereinbart hatte, Eduard solle in England bleiben. Gut möglich, dass Eduard unter dem direkten Einfluss Ludwigs IX. stand. Die beiden Männer traten Ende des Jahres 1267 in Kontakt; im August 1269 reiste Eduard nach Paris und nahm dort an einem Treffen des französischen Kriegsrats teil. Er versprach, sich Ludwigs
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Kreuzzug als Gegenleistung für ein Darlehen von 70 000 Pfund Tournois anzuschließen. Eduard selbst griff immer wieder auf ganz ähnliche Dienstverträge zurück, wie Ludwig sie nutzte, um wie dieser die Kreuzfahrer in seinem Gefolge durch die Vergabe von Subsidien an sich zu binden. Simon Lloyd hat einmal geschrieben, dieser Kreuzzug sei „in allen wesentlichen Punkten eine Unternehmung des erweiterten königlichen Haushalts“ gewesen, und das machte ihn natürlich teuer. Die französische Krone unternahm alles nur Denkbare, um das benötigte Geld aufzutreiben. So wurde in den Jahren 1269 / 70 eine allgemeine Steuer von einem Zwanzigstel erhoben; die Kirche trug 1272 einen zweijährigen Zehnten bei. Eduard verließ England im August 1270, doch da befand sich der zweite Kreuzzug Ludwigs IX. bereits auf dem Weg zum Misserfolg. Ludwig selbst war am 2. Juli von Frankreich aufgebrochen, einen Monat später als eigentlich geplant. Sein ursprünglicher Plan hatte darin bestanden, zunächst nach Zypern zu segeln, doch im Verlauf des Vorjahres war ein neuer Plan formuliert worden, zu dem auch ein einleitender Angriff auf das nordafrikanische Tunis gehörte. Die traditionelle Lehrmeinung sah hier Karl von Anjou am Werk, der Ludwig zu seinem Umweg überredet habe; schließlich hätte jener zweifellos von einer Machtdemonstration gegenüber dem Hafsidenherrscher von Tunis profitiert. Allerdings lassen die Einzelheiten von Karls eigener Vorbereitung annehmen, dass er in den vermutlich am französischen Hof geschmiedeten Plan, Tunis anzugreifen, nicht eingeweiht war. Womöglich glaubte Ludwig, der Herrscher von Tunis sei ein wichtiger Zulieferer und Handelspartner der Ägypter, die durch einen solchen Angriff also indirekt geschwächt worden wären. Wenn dem so war, lag der König falsch: Als die Ägypter von seinem Vorstoß gegen Tunis erfuhren, waren sie sogar sehr erleichtert. Jean Richard hat vorgeschlagen, wir möchten uns doch erneut der Erklärung zuwenden, die der Beichtvater des Königs, Gottfried von Beaulieu, für dessen Vorgehen gibt. Gottfried schreibt nämlich, dass es die Aussicht auf eine mögliche Bekehrung des Herrschers von Tunis war, die Ludwig umtrieb; hatte der Hafside doch angeblich verlautbaren lassen, er wolle sich nur zu gern taufen lassen – vorausgesetzt, ein christliches Heer unterstütze und schütze ihn nach diesem folgenreichen Entschluss. Tatsächlich hat sich im Herbst 1269 eine tunesische Gesandtschaft in Paris aufgehalten. Die Kreuzfahrerflotte versammelte sich vor Cagliari an der Südküste Sardiniens, und am 18. Juli landete ihr Heer in Tunesien, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen. Sie schlugen ihr Heerlager an einer Festung auf, die an der Stelle des antiken Karthago errichtet worden war und richteten sich dort ein, um die Ankunft Karls von Anjou abzuwarten. In der Hitze des nordafrikanischen Sommers fegte jedoch eine Epidemie durch das Lager – die Ruhr womöglich oder Typhus. Philipp, der älteste Sohn des Königs, war unter den Schwerkranken; Johann Tristan, der jüngste, der in Damiette geboren war, überlebte seine Krankheit nicht. Ludwig selbst wurde ebenfalls krank und starb am 25. August, nach echter Sünderart auf einem Bett aus Asche aufgebahrt. Am Vorabend seines Todes soll er „Jerusalem! Jerusalem!“ geseufzt haben. Just an demselben Tag traf Karl von Anjou ein, der bald nach Ludwigs Tod beschloss, das Kreuzfahrerheer zurückzuziehen. Am 1. November schloss er einen Vertrag mit dem Herrscher von Tunis, aus
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dem er selbst den größten Nutzen zog: Karl sollte ein Drittel der Reparationen erhalten, zu deren Zahlung die Tunesier verpflichtet wurden, dazu eine Erneuerung – und Erweiterung – ihres Tributs, Privilegien für den sizilischen Handel sowie das Versprechen, im tunesischen Exil lebende Staufer, die in Karls Augen nichts als Ärger machten, auszuweisen. Am 11. November brachen Karls Kreuzfahrer in Richtung Sizilien auf. Sie führten die sterblichen Überreste des französischen Königs mit sich, dessen Leichnam unmittelbar nach seinem Tod zerlegt und für die weite Reise vorbereitet worden war. Sein Herz blieb mit dem Rest des Heeres in Afrika. Seine Eingeweide wurden – auf den Wunsch Karls von Anjou hin – in der Kathedrale von Monreale auf Sizilien bestattet. Ludwigs Gebeine brachte sein Sohn und Erbe Philipp III. in einem langen Trauerzug durch Italien und Savoyen, über die Alpen nach Frankreich, durch die Dauphiné, das Lyonnais, Burgund und die Champagne schließlich nach Paris. Nach einer Trauermesse in der Kathedrale von Notre-Dame wurden die sterblichen Überreste des Königs in der Abteikirche von Saint-Denis zur letzten Ruhe gebettet. Entlang der Reiseroute des Trauerzuges häuften sich die Berichte von Wundern: Aus Palermo, Parma, Reggio Emilia und Bonneuilsur-Marne bei Paris wurden Heilungen gemeldet. Die Zahl der Wunder erhöhte sich an Ludwigs Grab, so dass schon nach kurzer Zeit Heerscharen von Kranken nach SaintDenis pilgerten. Vermutlich beschäftigten Johann von Joinville auch diese Pilger, als er in seine Biografie Ludwigs eine Episode einfügte, in der andere Pilger – Armenier – eine Audienz bei dem französischen König erbitten, als dieser sich in Palästina aufhält: Sie [die Pilger] hatten mich gefragt, ob ich ihnen den „heiligmäßigen König“ zeigen könne. Ich ging also zum König, der in einem Zelt auf dem sandigen Boden saß, gegen das Zeltgestänge gelehnt, ohne einen Teppich oder irgendeine andere Unterlage auf dem nackten Boden. Ich sprach: „Sire, draußen ist eine Gruppe von Pilgern aus Großarmenien, die sich auf dem Weg nach Jerusalem befinden und mich gebeten haben, Sire, ihnen den ,heiligmäßigen König‘ zu zeigen. Aber noch will ich Eure Gebeine nicht küssen [wie eine Reliquie]!“ Der König lachte laut und hieß mich die Pilger herbeirufen.
Eduard I. von England erreichte Nordafrika am Tag vor der Abfahrt des restlichen Kreuzfahrerheeres. Obwohl er selbstverständlich alles andere als glücklich darüber war, wie die Dinge sich entwickelt hatten, segelte er mit Karl von Anjou und Philipp III. von Frankreich nach Sizilien, wo sie vor Trapani in einen Sturm gerieten, der die Flotte stark beschädigte. Ende April 1271 reiste Eduard in das Heilige Land, begleitet von nur 200 bis 300 Rittern sowie 600 Fußsoldaten. Am 9. Mai ging er in Akkon an Land. Die Engländer sahen untätig zu, als die Ägypter die Deutschordensburg Montfort einnahmen, doch am 12. Juli begannen sie einen Vorstoß nach Galiläa und versuchten im November – gemeinsam mit einheimischen Truppen und einem weiteren Kreuzfahrerkontingent unter Eduards Bruder Edmund, der Palästina im September erreicht hatte –, die Mamlukenfestung von Caco (Qaqun) bei Caesarea einzunehmen. Es gelang ihnen, eine große turkmanische Streitmacht in der Nähe zu überraschen, aber sie zogen sich zurück, als sich eine große muslimische Streitmacht näherte. Weitere Kampfhandlungen verhinderte ein zehnjähriger Waffenstillstand, der im April 1271 zwischen dem Königreich Jerusalem und den
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Ägyptern geschlossen wurde. Eduards Handlungsmöglichkeiten waren stark eingeschränkt. Sein Bruder verließ Akkon im Mai. Am 16. Juni wurde Eduard durch ein Attentat schwer verwundet, das einer seiner einheimischen Diener verübte. Eine Zeitlang war er zu schwach, als dass er sich auf die lange Heimreise hätte begeben können; als es ihm endlich besser ging, brach er am 22. September nach England auf, wo sein Thron auf ihn wartete.
Papst Gregor X. Papst Gregor X.
Der zweite Kreuzzug Ludwigs IX., der so wenig erreichte, war der letzte „richtige“ Kreuzzug vor dem Zusammenbruch der lateinischen Herrschaft im Jahr 1291, aber das lag nicht etwa daran, dass es keine weiteren Versuche gegeben hätte. 1271 wurde Tedaldo Visconti, der im Sommer des Vorjahres Akkon besucht hatte, als Gregor X. zum Papst gewählt. Die Kardinäle, mit deren Stimmen er auf den Stuhl Petri gelangte, verliehen ihrer Hoffnung deutlichen Ausdruck, der neue Papst möge alles in seiner Macht Stehende zur Rettung des Heiligen Landes unternehmen. Bevor er Palästina wieder verließ, um sein Amt anzutreten, hielt Gregor eine Predigt über Psalm 137,5–6: Vergesse ich dein, Jerusalem, so werde ich meiner Rechten vergessen. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wo ich nicht dein gedenke, wo ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.
In einem Brief an König Eduard von England, der sich zu dieser Zeit noch immer in Akkon aufhielt, berichtet Gregor, dass er auf direktem Weg zur Kurie nach Viterbo geeilt war, ohne auch nur einen Zwischenstopp in Rom einzulegen: So dringend war sein Wunsch, sofort mit der Arbeit zu beginnen und Unterstützung für das Heilige Land zu organisieren. Noch vor seiner förmlichen Inthronisation sandte er einen Brief an den französischen König Philipp III. und unterbreitete diesem den Plan für eine zukünft ige Expedition. Tatsächlich war Gregor ein ebenso glühender Verfechter der Kreuzzugsidee, wie es Innozenz III. gewesen war. Seine erste Amtshandlung in Viterbo bestand darin, eine Versammlung aus Kardinälen und erfahrenen Heilig-Land-Kreuzfahrern einzuberufen. Bei den Gesprächen dieser Ratsversammlung geschah es, dass Gregor sich zur Einberufung eines allgemeinen Konzils entschloss, das zwei große Ziele verfolgen sollte: einerseits die weitere Reform der Christenheit, andererseits die Vorbereitung eines Kreuzzuges, den Gregor selbst anführen wollte. Der Papst bemühte sich redlich, diese Zusammenkunft – das Zweite Konzil von Lyon – mit der gebotenen Gründlichkeit vorzubereiten, indem er den eingeladenen Klerus bat, schrift lich seine Vorschläge für die weitere Vorgehensweise einzureichen. Auf dem Konzil veröffentlichte Gregor dann am 18. Mai 1274 mit den Constitutiones pro zelo fidei das eindrucksvollste Dokument der Kreuzzugsbewegung seit der Konstitution Ad liberandam aus dem Jahr 1215. Pro zelo fidei enthält zahlreiche Elemente, die aus früheren Dekretalen – insbesondere natürlich Ad liberandam – bereits vertraut waren,
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aber es gab auch viel Neues, beispielsweise zu Finanzierungsfragen. Der gesamten Kirche sollte ein sechsjähriger Zehnt auferlegt werden; eine Befreiung von dieser Abgabe war nur in sehr wenigen, klar definierten Ausnahmefällen möglich. Die Christenheit sollte in 26 Steuerbezirke mit Steuereintreibern und Untersteuereintreibern eingeteilt werden. Alle weltlichen Herrscher wurden verpfl ichtet, in ihren Territorien eine jährliche Kopfsteuer von einem Silberpfennig Tournois zu erheben; diese Regelung war offenbar von dem vergeblichen Versuch Gregors IX. inspiriert, 1235 eine ganz ähnliche Abgabe eintreiben zu lassen. Das Ziel Gregors X. war es, riesige Rücklagen für den geplanten Kreuzzug zu bilden, und wenn er nicht so früh gestorben wäre, hätte daraus tatsächlich ein Feldzug werden können, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte. So waren jedenfalls die Vorbereitungen heroisch. Die enormen Anstrengungen des Zweiten Konzils von Lyon gipfelten in einer formellen Versöhnung der lateinischen mit der griechischen Kirche sowie dem Versprechen des byzantinischen Kaisers, den anstehenden Kreuzzug nach Kräften zu unterstützen. 1275 nahmen die Könige von Frankreich und Sizilien das Kreuz, ebenso Rudolf von Habsburg, der sich dafür von Gregor versprechen ließ, ihn zum römisch-deutschen Kaiser zu krönen. Am 2. Februar 1277 sollte der Papst – soweit der Plan – Rudolf in Rom krönen; am 2. April würden Papst und Kaiser dann gemeinsam in Richtung Palästina aufbrechen. Es kam sogar zu Gesprächen mit den Griechen über deren Vorschlag, der Route des Ersten Kreuzzuges zu folgen, um auf dem Weg Kleinasien zurückzuerobern. Gregor bereitete also einen Kreuzzug von Ausmaßen vor, wie sie seine Vorgänger sich niemals erträumt hatten, aber dann starb er am 10. Januar 1276. Wie ein verzweifelter Zeitgenosse schrieb, schien es „nicht Gottes Wille zu sein, dass das Heilige Grab zurückgewonnen werde, da, wie nun offenbar wird, all die Scharen, die dies versucht haben, sich ganz vergeblich bemühten“.
Die gescheiterten Vorbereitungen für einen weiteren großen Kreuzzug nach 1272 / 1276 Die gescheiterten Vorbereitungen für einen weiteren großen Kreuzzug nach 1272 / 1276
Die riesigen Summen, die für Gregors großes Vorhaben gesammelt worden waren, finanzierten letztlich diverse Feldzüge auf der italienischen Halbinsel. Obgleich noch immer Pläne für großangelegte Expeditionen in die Levante geschmiedet wurden – zwischen 1284 und 1293 bombardierte Eduard I. von England das Papsttum geradezu mit Vorschlägen –, waren es doch kleinere Aufgebote, die dem Königreich Jerusalem in seinen letzten Jahren zu Hilfe eilten. 1273 war ein französisches Kontingent nach Akkon zurückgekehrt, und obwohl es 1277 durch ein von Karl von Anjou finanziertes ersetzt wurde, übernahm nach dem Zusammenbruch der angevinischen Herrschaft in Palästina 1286 abermals der französische König, Philipp IV., die Verantwortung für den Unterhalt der Männer. Bei den Belagerungen von Tripolis und Akkon, mit denen die Geschichte der lateinischen Herrschaften in der Levante ihr Ende fand, sollte dieses Kontingent sich ganz besonders hervortun. Am 18. Juni 1287 landete Gräfin von Blois mit einem kleinen
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Kreuzfahrertrupp in Akkon, dem auch Graf Florenz von Holland angehörte. Ihr folgten 1288 ein Kontingent unter Johann von Grailly sowie 1290 zwei weitere: ein englisches unter Odo von Grandson und ein aus oberitalienischen Kreuzfahrern zusammengesetztes, das der Bischof von Tripolis befehligte. Ein Grund dafür, dass es nach 1272 keinen weiteren großen Kreuzzug mehr gegeben hat, bestand in der wachsenden Komplexität, Härte und Kostspieligkeit zwischenstaatlicher Konflikte in Westeuropa. Dazu kam eine weitverbreitete Ansicht, derzufolge große Kreuzzüge nicht unbedingt zum Ziel führten: Es war schwierig, sie zu organisieren, mit Vorräten zu versehen und unter Kontrolle zu halten; langfristig bewirkten sie zudem kaum je etwas, denn sie eroberten zwar neue Territorien, befestigten und besiedelten diese jedoch nicht, so dass ihre Verteidigung und Verwaltung, nachdem die Kreuzfahrer erst einmal in ihre Heimat zurückgekehrt waren, den ohnehin bereits überstrapazierten Ressourcen der lateinischen Herrschaften zusätzliche Belastungen aufbürdeten. Was also gebraucht wurde, war eine Stärkung der permanenten Truppenpräsenz, und darum ging es etwa bei den Geldzahlungen, die in jenen Jahren aus Rom, Frankreich und – in geringerem Maße – auch aus England nach Palästina flossen. Die Päpste hatten ihre Hoff nungen auf Karl von Anjou und die Integration des Königreichs Jerusalem in ein östliches Mittelmeerimperium gesetzt, das groß genug sein würde, die Verteidigung der Levante aus eigener Kraft gewährleisten zu können – insbesondere, da die französische Krone ihm den Rücken stärken sollte. Diese Rechnung ging nicht auf. Vermutlich wäre es spätestens an einer Verlagerung von Karls Interesse gescheitert, hin zu einer Eroberung Albaniens oder sogar des Byzantinischen Reiches. Doch die harte Realität dämmerte bereits 1286 herauf: Der Krieg gegen die Sizilianer und Aragonesen verlief schlecht; Karl war tot, sein Erbe ein Gefangener des Königs von Aragón. Nur fünf Jahre später sollten die lateinischen Territorien in Palästina und Syrien Geschichte sein.
9. Der lateinische Osten (1192–ca. 1291) Der lateinische Osten (1192–ca. 1291)
Im dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts lebten die Siedler in Syrien und Palästina vermutlich in größerer Sicherheit, als es ihre Vorfahren vor 1187 getan hatten. Allerdings kontrollierten sie auch nur einen Bruchteil des Territoriums, das jene besessen hatten. Nach dem Vertragsschluss Friedrichs II. mit dem ägyptischen Sultan al-Kamil im Jahr 1229 hatte sich immerhin noch die Küste von Jaffa bis Beirut in ihrem Besitz befunden, dazu eine Landzunge, die sich über Ramla bis nach Jerusalem erstreckte, sowie ein etwas breiterer Streifen, der bis nach Nazareth in Galiläa reichte. Die nördlich von Beirut gelegene Grafschaft Tripolis hatte sich seit 1187 nicht gravierend verändert, aber das Fürstentum Antiochia war mittlerweile auf einen Küstenstreifen im Süden zusammengeschrumpft, der von Dschabala bis zur Johanniterburg von Margat reichte. Andererseits waren Palästina und Syrien nun keine einsamen Vorposten mehr, da mittlerweile an den Nordküsten des östlichen Mittelmeerraums eine ganze Reihe lateinischer Ansiedlungen entstanden war. Die Frage, ob diese Entwicklung nun Ausdruck eines kolonialen Strebens gewesen sei, ist immer wieder diskutiert worden. Ich habe mich oben bereits dagegen ausgesprochen, die frühen Eroberungen der Kreuzzugsbewegung als rein protokoloniale Unternehmungen zu deuten, und die frühen lateinischen Territorien entsprachen auch insofern nicht dem kolonialistischen Modell, als sie in politischer Unabhängigkeit von europäischen Mutterländern bestanden. Andererseits hätten Jerusalem und das Heilige Grab niemals so lange verteidigt werden können, wenn nicht das Umland sowie die Territorien an der Küste besetzt und ausgebeutet worden wären. Fügt man nun noch die Einwanderung im großen Maßstab sowie den ständigen Zustrom von Geld und Ressourcen hinzu, von der die lateinischen Siedlungsgebiete während der gesamten Dauer ihres Bestehens abhingen, so fällt es schwer, ein protokoloniales Aussehen gänzlich zu leugnen. Auch entstanden sämtliche lateinischen Gemeinwesen, die nach 1191 westlich von Palästina und Syrien mehr oder minder planvoll errichtet wurden, durchaus nicht auf vormals muslimischem Land, sondern auf solchem, das die Eroberer ihren (orthodoxen) Mitchristen abgenommen hatten. Und einige von diesen – beispielsweise auf Kreta, Euböa und Chios – waren sowohl wirtschaft lich als auch politisch abhängig von Venedig und Genua.
Das Königreich Kleinarmenien Das Königreich Kleinarmenien
Nördlich des Fürstentums Antiochia hatte im Jahr 1198 der kilikisch-armenische Fürst Leo II. – von nun an König Leo I. – vom römisch-deutschen Kaiser Heinrich VI. die Krone von Kleinarmenien erhalten. Dies begründete zugleich eine Art Unterwerfung
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unter die Autorität des Papstes, die zu keiner Zeit besonders real war und bereits beschrieben worden ist. Kilikien wurde nun auf vielfältige Art und Weise „latinisiert“: Leo nahm Sibylle von Lusignan, eine Tochter Amalrichs von Zypern und Isabellas I. von Jerusalem, zu seiner zweiten Frau; ihre gemeinsame Tochter und Erbin Isabella von Armenien war somit eine nahe Verwandte sowohl der Königin von Jerusalem als auch des Königs von Zypern. Leo vergab Burgen und Territorien an die Johanniter und den Deutschen Orden sowie Handelsprivilegien an venezianische und Genueser Kaufleute. Sein Königshof nahm mit der Zeit eine gänzlich neue Gestalt an, da die Funktionen und Bezeichnungen der Hofämter nach westlichem Vorbild neu gefasst wurden. Auch die traditionellen armenischen Formen von Landbesitz und -vergabe sowie die Beziehungen zwischen der Krone und den „Baronen“ wurden nach dem Muster des westlichen Feudalsystems umgestaltet. Einige der kilikischen Lehen wurden von Vasallen westeuropäischer Herkunft gehalten, und der Einfluss des westlichen Rechts wuchs langsam an, bis schließlich in den 1260er-Jahren eine armenische Übersetzung der Assisen von Antiochia als verbindlich übernommen wurde. In den 1250er-Jahren ging König Hethum I. – gewissermaßen als Juniorpartner – eine Allianz mit den Mongolen ein, was die Beziehungen zwischen dem Königreich Kleinarmenien und den Lateinern jedoch nicht belastete, im Gegenteil: Sie wurden sogar noch enger. König Thoros III. nahm die zypriotische Prinzessin Margarete von Lusignan zur Frau, während seine Schwester Isabella mit Amalrich von Tyrus einen jüngeren Bruder des Königs von Zypern heiratete. Im 14. Jahrhundert ging die armenische Krone schließlich auf diese jüngere Linie des zypriotischen Königshauses über, bis das armenische Königreich von Kilikien 1375 endgültig zerschlagen wurde.
Zypern Zypern
In einem früheren Kapitel bin ich bereits auf die Eroberung der Insel Zypern durch den englischen König Richard I. Löwenherz im Jahr 1191 und ihren Verkauf an Guido von Lusignan, den gestürzten König von Jerusalem, eingegangen. Guido, der seine Schulden Richard gegenüber nie beglichen hatte, starb Ende des Jahres 1194; sein Bruder Amalrich, der im Oktober 1197 nach dem Tod Heinrichs von Champagne die Königin Isabella I. von Jerusalem heiraten sollte, folgte ihm auf den zypriotischen Thron. Ungefähr zur selben Zeit leistete Amalrich vor Abgesandten des römisch-deutschen Kaisers seinen Huldigungseid auf diesen. Im Gegenzug erhielt er eine Krone und war fortan aus eigenem Recht König von Zypern, König von Jerusalem hingegen nur durch seine Heirat. Nach Amalrichs Tod im Jahr 1205 gingen die beiden Kronen von Zypern und Jerusalem vorerst getrennte Wege. Das Königreich Zypern ging an Hugo I., den ältesten Sohn Amalrichs aus der Ehe mit seiner ersten Frau Eschiva von Ibelin. Den Thron von Jerusalem erbte Maria, die einzige Tochter Isabellas von Jerusalem aus ihrer Ehe mit Konrad von Montferrat. König Hugo von Zypern heiratete seine Stiefschwester Alix von Champagne, Isabellas drittgeborene Tochter, und so wurden die beiden Kronwürden schließlich in der Person ihres
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Enkels, Hugos III. / I. wieder vereint, der 1267 zum König von Zypern, 1269 zum König von Jerusalem gekrönt wurde. Guido von Lusignan hatte auf Zypern ein Feudalsystem eingeführt, dessen Personenkreis in der Hauptsache aus ehemals in Palästina ansässigen Immigranten gestellt wurde, insbesondere von den Angehörigen jener Familien, die Guido in seinem Kampf um die Krone von Jerusalem unterstützt hatten. Später sollten sich ihnen zahlreiche Vertreter des festländischen Hochadels zugesellen – die Mutter Hugos I. war eine Ibelin gewesen und hatte somit der prominentesten Familie von ganz Palästina angehört –, und bis 1230 hielten viele Adlige Rang und Besitz in beiden Königreichen. Die Neuankömmlinge brachten die Gebräuche des festländischen Lehnswesens mit, und im Jahr 1369 wurde eine bestimmte Interpretation dieser Gebräuche, das epochale Hauptwerk des Rechtsgelehrten und Grafen von Jaffa Johann von Ibelin, zur offiziellen Verfahrensgrundlage der Haute Cour von Nikosia. Es gab jedoch auch Unterschiede zwischen den beiden Sphären. Immerhin handelte es sich bei dem Königreich Zypern um ein tatsächlich unabhängiges Territorium, wie ein Vertreter des zypriotischen Adels, seinerseits Titulargraf von Jaffa im Königreich Jerusalem, im Jahr 1271 unterstrich, um zu belegen, dass zypriotische Ritter durch ihre Lehnseide keineswegs dazu verpflichtet waren, außerhalb der Insel – etwa in Palästina – Kriegsdienst zu leisten. Zypern hatte eine andere, eine byzantinische Vergangenheit. Selbst in jüngerer Zeit hatte es zudem eine gänzlich andere Verfassungsgeschichte als die lateinischen Territorien auf dem Festland, war es doch bis 1247 ein Lehen des römischdeutschen Kaisers gewesen, wohingegen etwa das Lateinische Königreich niemals in einer solchen Beziehung zum westlichen Kaisertum gestanden hatte. In einigen entscheidenden Aspekten unterschied sich zudem das agrikulturelle Gefüge, auf dem das zypriotische Feudalsystem beruhte, von den Gepflogenheiten auf dem Festland. Vor der Inbesitznahme der Insel durch die Lateiner war auch Zypern von jenen Prozessen der „Vergrundherrlichung“ (also einer Zentralisierung und Konsolidierung des Grundbesitzes in der Hand einiger weniger Großgrundherren) nicht verschont geblieben, die das Landleben im Byzantinischen Reich in zunehmendem Maße bestimmten. In der Konsequenz waren viele zypriotische Dörfer deutlich stärker grundherrschaft lich geprägt als vergleichbare Ansiedlungen in Palästina. Dies zeigt sich etwa daran, dass sich auf Zypern weite Teile des bebauten Landes als Domanialbesitz unmittelbar in der Hand des Grundherren befanden und den Bauern harte Fronarbeit abverlangt wurde. Die lateinische Kirche von Zypern schließlich zeigte sich den einheimischen griechischen Christen und dem griechisch-orthodoxen Klerus gegenüber wenig kompromissbereit. Die Anzahl der orthodoxen Bistümer wurde drastisch reduziert – von vierzehn auf vier –, während die vier verbliebenen orthodoxen Bischöfe zu Koadjutoren der vier lateinischen Bischöfe degradiert wurden und als solche die griechisch-orthodoxen Kirchen der Insel zu betreuen hatten. Zwar gab es Widerstand vonseiten der Griechen, bisweilen brutale Gegenmaßnahmen der Lateiner sowie Zeiten offener Feindseligkeit zwischen beiden Seiten; zumeist dominierte jedoch hier wie dort die Grundhaltung einer stillschweigenden Verachtung. Die von Papst Alexander IV. im Jahr 1260 veröffentlichte
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Bulla Cypria markierte mit der Zustimmung des hohen zypriotischen Klerus zur Unierung mit der römischen Kirche einen Einschnitt, doch erwies sich, um Nicholas Coureas zu zitieren, „diese Regelung mit der Zeit immer deutlicher als bloße Schönfärberei“. Der niedere Klerus und das einfache Volk empfanden keinerlei Loyalität gegenüber den Herren aus dem Westen, obgleich sie, arm und schutzbedürftig wie sie waren, sich dem politischen, wirtschaft lichen und kulturellen Einfluss der Lateiner letztlich nicht entziehen konnten. Die augenfälligste Manifestation dieses Umstands stellte wohl der Bau einer neuen orthodoxen Kathedrale im gotischen Stil dar, die im 14. Jahrhundert in Famagusta errichtet wurde. Andererseits besaß der kulturelle Aneignungsprozess einen wechselseitigen Charakter, und die sich in der Kunst und Architektur des Festlandes bereits anbahnende Synthese von lateinischen und griechischen Elementen entwickelte auf Zypern eine immer stärkere Eigendynamik. Zugleich ließ die wachsende Zahl von Mischehen auf der Insel ab dem frühen 14. Jahrhundert zumindest die Möglichkeit einer völligen Absorption der katholischen Minderheit in die griechisch-orthodoxe Mehrheitsbevölkerung aufscheinen.
Griechenland Griechenland
Nordwestlich der Insel Zypern, jenseits des Kretischen und des Ägäischen Meeres, lag das Lateinische Kaiserreich von Konstantinopel, umgeben von den griechischen Zwergterritorien von Nicäa und Epirus einerseits und dem bulgarischen Zarenreich andererseits. Der von den Venezianern und anderen Kreuzfahrern vor der Einnahme von Konstantinopel mit den Byzantinern geschlossene Vertrag war zwischenzeitlich durch zwei weitere Abkommen modifiziert worden, die im Oktober 1204 und im Oktober 1205 in Kraft traten. Auch durch die jeweilige Entwicklung der griechischen Territorien, deren Eroberungen und Privatabkommen einzelner Herrscher untereinander hatte sich die Ausgangslage vom April 1204 noch einmal gewandelt. Der lateinische Kaiser von Konstantinopel herrschte über ein dreiecksförmiges Gebiet im östlichen Teil Thrakiens, den nordöstlichen Rand Kleinasiens sowie einige Inseln in der Ägäis. Venedig hielt einen Teil der europäischen Küste des Marmarameeres, einen Gebietskorridor nach Adrianopel im Landesinneren, die Ionischen Inseln vor der Westküste des griechischen Festlands – wo selbst die Grafschaft Kefalonia schließlich gezwungen war, die venezianische Oberherrschaft anzuerkennen –, die Hafenstädte Methoni und Koroni im Süden der Peloponnes, die Insel Euböa vor der griechischen Ostküste sowie Kreta; dazu die Kykladen, den nördlichen Dodekanes und weitere Inseln, die der venezianische Adlige Marco Sanudo als Herzog Marcos I. zu einem „Herzogtum Archipelagos“ vereinigte, dessen Hauptinsel Naxos war und das zum Lateinischen Kaiserreich von Konstantinopel in einem Lehnsverhältnis stand. Der Westen Thrakiens bildete mit Teilen von Makedonien und Thessalien das Königreich Thessaloniki, dessen Herrscher Bonifatius von Montferrat auch Theben und Athen kontrollierte. Südlich von diesen nord- und mittelgriechischen Territorien lag die Peloponnes, mit deren Eroberung die Lateiner im Winter 1204 / 1205 be-
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gannen und wo Wilhelm von Champlitte als erster Fürst von Achaia und Vasall des lateinischen Kaisers herrschte. Wilhelm war ein Enkel von Isabella von Burgund und Graf Hugo I. von Champagne, der, nachdem ihm seine Ärzte offenbar gesagt hatten, sein Sohn Odo könne keine Kinder zeugen, diesen – Wilhelms Vater also – enterbt hatte. Die Ansiedlung einer lateinischen Oberschicht erfolgte nicht nur von Westeuropa her, sondern auch aus Palästina, wo viele die relative Sicherheit Griechenlands herbeisehnten. Sie vollzog sich auf dem bereits gründlich erprobten Weg der Lehnsvergabe. Das daraus resultierende Feudalsystem lässt sich am besten anhand des Quellenbefundes von der Peloponnes darstellen, wo die lateinische Herrschaft am längsten anhielt und sich sogar in einer eigenen Gesetzessammlung, den später so genannten Assisen der Romania, niederschlug. Die endgültige Fassung der Assisen wurde zwischen 1333 und 1346 in französischer Sprache niedergeschrieben und später in den venetischen Dialekt des Italienischen übertragen; diese übersetzte Fassung ist die heute erhaltene. Dem Fürsten von Achaia unterstanden zunächst seine unmittelbaren Vasallen, die sich in zwei Gruppen unterteilen ließen: Der einen gehörten die „Lehnsvasallen“ an, diejenigen Gefolgsleute also, die ihrerseits wiederum Lehen vergeben und Vasallen um sich scharen durften. Die Mitglieder der anderen Gruppe, „einfache Vasallen“, entstammten nicht dem Adel, waren etwa einfache Hauptleute, die keine eigenen Vasallen haben durften. Unter den Lehnsvasallen waren die hohen Herren des Fürstentums, die in dessen Gemeinwesen eine hervorragende Stellung einnahmen und sich stolz als die „Gefährten des Fürsten“ bezeichneten. Sie besaßen das Recht, in ihren eigenen Gerichten Recht zu sprechen und dabei sowohl die Blutgerichtsbarkeit als auch die Niedergerichtsbarkeit für minder schwere Delikte auszuüben. Die restlichen Lehnsvasallen durften lediglich in Fällen der niederen Gerichtsbarkeit Recht sprechen, und die einfachen Vasallen durften nur über die ihnen unmittelbar untergebenen Kleinbauern zu Gericht sitzen. Die Siedlergesellschaft im Fürstentum Achaia war, wie die des Königreichs Jerusalem, überaus klassenbewusst; allerdings lebte der Adel in Griechenland in der Regel nicht in den Städten, sondern über ihnen: in den Akropolen und Zitadellen oder in abgelegenen Burgen und befestigten Herrenhäusern. Allein auf der Peloponnes hat man die Überreste von rund 150 Festungsbauten identifiziert; die meisten davon wurden im frühen 13. Jahrhundert errichtet. Diese räumlich-bauliche Isolation betonte natürlich die Schranke zwischen den adligen Herren und den gemeinen Griechen – Mischehen kamen so gut wie nicht vor –, und auch die ritterliche Hofkultur, die nirgends sonst so prachtvoll ausgeprägt war, trug ihren Teil zur Trennung der beiden Sphären bei. Hier wären etwa die großen Ritterturniere zu nennen, aber auch die volkssprachliche Geschichtsschreibung und die französischen Ritterromane, die das achaische Publikum so sehr liebte. Das Französische, das am Hof des Fürsten von Achaia in Andréville (Andravida) im äußersten Westen der Peloponnes gesprochen wurde, stand, wie es hieß, dem Französischen von Paris an Reinheit und Vornehmheit in nichts nach. Die meisten Griechen fanden sich alsbald auf der Stufe reinster Unterwürfigkeit wieder; aus der Sicht ihrer ausländischen Herren waren die Einheimischen Unfreie. Die berühmte Ausnahme von der Regel stellte die Gruppe der archontes dar, die vor der latei-
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nischen Eroberung Großgrundbesitzer oder kaiserlich-byzantinische Beamte gewesen waren. Die Lateiner wollten diese einheimische Elite günstig stimmen und versprachen den archontes aus diesem Grund, auch weiterhin für den Unterhalt des orthodoxen Klerus zu sorgen sowie das byzantinische Rechts- und Steuersystem beizubehalten. Allerdings wurde das byzantinische Recht schon bald außer Kraft gesetzt, während die Übertragung von Gerichtsbarkeit und Steuerhoheit auf die einzelnen Feudalherren zugleich auch das Ende des – zentral organisierten – byzantinischen Besteuerungssystems bedeutete. Die archontes galten als „einfache Vasallen“, standen also auf einer Stufe mit nichtadligen Gefolgsleuten europäischer Herkunft, aber um die Mitte des 13. Jahrhunderts hatten einige dennoch Lehen erhalten und ließen sich „Ritter“ nennen, wodurch ihnen der Aufstieg in den illustren Kreis der vollwertigen Lehnsvasallen ermöglicht wurde. Nun kam es sogar ab und an vor, dass einem Griechen, der kein archon gewesen war, solch hochherrschaft liche Ehren zuteilwurden. Spätestens im 14. Jahrhundert begegnen griechische Lehnsvasallen mit einiger Regelmäßigkeit, und es gab gründlich „latinisierte“ Griechen wie etwa den Übersetzer der Version „H“ der Chronik von Morea, der laut Teresa Shawcross dem Original wohl am nächsten gekommen ist und in seinem vor 1388 entstandenen Text die Griechen von Konstantinopel und Epirus scharf kritisiert, die Orthodoxen gar als Schismatiker brandmarkt. Die Kirchenpolitik der Eroberer war für die Griechen ein Quell weiterer Erniedrigung. Im Jahr 1204 hatten die Venezianer – im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrages, der zwischen ihnen und den restlichen Kreuzfahrern geschlossen worden war – das Domkapitel der Hagia Sophia in Konstantinopel nominiert. Die Domherren wiederum wählten mit Thomas Morosini den Sproß einer vornehmen venezianischen Familie, der zu diesem Zeitpunkt jedoch lediglich ein Subdiakon war, zum ersten lateinischen Patriarchen von Konstantinopel. Papst Innozenz III. konnte sich nicht verweigern; er musste sowohl die einigermaßen idiosynkratische Wahl bestätigen als auch Thomas’ rapiden Aufstieg auf der klerikalen Karriereleiter absegnen: erst zum Priester, dann zum Bischof. Daraufhin begann er jedoch, den Venezianern die Kontrolle über das Domkapitel der Hagia Sophia zu entwinden – es sollte ein langer und schwieriger Prozess werden. Den Griechen fiel es naturgemäß schwer, sich mit dem neuen Patriarchen zu identifizieren, insbesondere, nachdem 1208 der in Nicäa exilierte byzantinische Kaiser eine Synode einberufen hatte, die einen neuen orthodoxen Patriarchen wählen sollte. Die meisten griechischen Bischöfe ließen aus Protest ihre Bischofssitze im Stich oder weigerten sich, Thomas als Patriarchen anzuerkennen. Oder aber sie lehnten es ab – in den wenigen Fällen, in denen griechische Bischöfe Thomas doch anerkannten –, sich einer erneuten Bischofsweihe nach lateinischem Ritus zu unterziehen; das legte schließlich nahe, ihre vorherige, orthodoxe Weihe sei ungültig, nicht ausreichend oder auf andere Weise unangemessen gewesen. Die Lateiner verlegten sich also auf eine Politik des Bischofswechsels, bei der orthodoxe Amtsinhaber gegen katholische Neulinge ausgetauscht wurden. Allerdings verfügten sie nicht über die Ressourcen, die komplexe byzantinische Hierarchie von Metropolitan- und Suff raganbistümern sowie autokephalen – selbstständigen – Erzbistümern ohne Suff ragane en détail zu reproduzieren. Wie zuvor in der Levante und auf
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Zypern führten die neuen Herren auch in Griechenland westliche Ordensgemeinschaften ein. Allerdings blieben überall im Land bestehende orthodoxe Klöster unangetastet, der orthodoxe, verheiratete Klerus in Amt und Würden; den Griechen wurde – anstelle des vollen Zehnten – eine Abgabe von einem Dreißigstel zur Finanzierung des katholischen Klerus auferlegt. Durch die Verträge von 1204 hatten die Venezianer einen Anteil von drei Achteln am lateinischen Kaiserreich erworben. Sie wählten ihren eigenen podestà, dem ein Regierungsapparat nach venezianischem Muster zur Seite stand; allerdings sorgte man in der Mutterstadt bald dafür, dass seinem Einfluss klare Grenzen gesetzt wurden. Der Vertrag von 1205 legte ein Verfahren fest, nach dem in einem kollektiven Bewertungsprozess das Ausmaß potenzieller militärischer Bedrohungen eingeschätzt werden sollte, und das den Kriegsdienst aller verlangte – ganz gleich, ob sie nun Einheimische, Venezianer oder andere waren. Eine große Ratsversammlung, die sich aus dem engeren Kreis um den podestà sowie den Großen des lateinischen Kaiserreiches zusammensetzte, sollte diese Einschätzung der Gefahrenlage vornehmen und war im Ernstfall sogar berechtigt, vom Kaiser die Befolgung des ihm erteilten Rates einzufordern. Derselbe Rat sollte auch die Richter überwachen, die im Streitfall zwischen dem Kaiser und den Dienstpflichtigen einzusetzen waren, um zwischen dem Monarchen und seinen Untertanen zu vermitteln. Wann immer ein neuer lateinischer Kaiser den Thron bestieg, musste er schwören, sich an die grundlegenden Bestimmungen zu halten, die in den Verträgen vom März und Oktober 1204 sowie demjenigen vom Oktober 1205 festgehalten waren. Nach Ansicht der Venezianer – denen sie eine einflussreiche Position verschafft hatten – stellten diese Verträge gewissermaßen die Verfassung des Lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel dar; allerdings wäre der venezianische Einfluss auch ohne sie sehr groß gewesen, bedenkt man den Umfang der von Venedig gehaltenen Territorien. Die Verträge legten den lateinischen Kaisern Zügel an, von denen sie sich nie ganz befreien konnten. Das war insbesondere deshalb problematisch, weil die Herrscher von Konstantinopel in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts den unsichersten und gefährdetsten Thron des gesamten lateinischen Ostens innehatten. Sie sahen sich bedroht nicht nur durch die Bulgaren, sondern auch durch die byzantinischen Griechen, die in Epirus, Trapezunt und Nicäa drei Exilantenreiche begründet hatten, das zuletzt genannte unter der Herrschaft von Theodoros I. Laskaris, einem Schwiegersohn von Kaiser Alexios III. Immer wieder waren die Lateiner von Konstantinopel gezwungen, an zwei oder mehr Fronten zugleich zu kämpfen. Nach ihren frühen Erfolgen in Kleinasien, bei denen sie Alexios V., der letzte byzantinische Kaiser von Konstantinopel vor dessen Eroberung durch den Vierten Kreuzzug, gefangen genommen hatten – Alexios war zuvor bereits von seinen griechischen Rivalen geblendet worden und wurde nun gezwungen, von der Spitze der großen Säule auf dem Theodosiusforum von Konstantinopel in den Tod zu springen –, fiel zu Beginn des Jahres 1205 der bulgarische Zar Kalojan Assen, genannt Johannitzes, in Thrakien ein, wo seine Truppen fast ein ganzes Jahr lang wüteten. Johannitzes nahm den lateinischen Kaiser Balduin gefangen; gut möglich, dass er ihn ermordete. Jedenfalls starb Balduin in bulgarischer Gefangenschaft, und sein Bruder und Mit-
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regent Heinrich wurde am 20. August 1206 zu seinem Nachfolger gekrönt. Heinrich, der ein ungewöhnlich zäher und führungsstarker Herrscher gewesen zu sein scheint, sah sich einer beängstigenden Situation gegenüber, nicht nur in Thrakien, sondern auch in Kleinasien, wo die Lateiner bis zum Jahresanfang 1207 kaum noch einen Fuß auf den Boden bekamen. Doch im Sommer 1207 starb Johannitzes, und am 1. August 1208 besiegte ein von Heinrich geführtes Heer die Bulgaren, die ohnehin durch interne Streitigkeiten über die Nachfolge des verstorbenen Zaren geschwächt waren. Nach weiteren Siegen über die Bulgaren und die Griechen von Nicäa im Jahr 1211 sicherte schließlich der Vertrag von Nymphäum den Lateinern die gesamte kleinasiatische Küste des Marmarameeres sowie einen Küstenabschnitt entlang der Ägäis zu. Heinrich starb am 11. Juni 1216 im Alter von nur vierzig Jahren, und sein Nachfolger Peter von Courtenay, der mit Heinrichs Schwester Jolante von Flandern verheiratet war, wurde von dem epirotischen Herrscher Theodoros I. Angelos, einem Vetter des vormaligen Kaisers Isaak II., gefangen genommen, bevor er Konstantinopel auch nur erreichen konnte. Peters Sohn Robert von Courtenay, der am 25. März 1221 den Thron des Lateinischen Kaiserreiches bestieg, hatte bald einen Zweifrontenkrieg zu führen. Theodoros Angelos von Epirus stieß nach Thessalien vor, dann nach Makedonien und Thrakien. 1222 nahm er Serres ein, 1224 Thessaloniki und 1225 Adrianopel. Es ist bezeichnend für deren durchaus prekäre Lage, dass er die letztgenannte Stadt nicht den Lateinern abnahm, sondern den Griechen von Nicäa, die über die Dardanellen gesetzt waren. Zuletzt bedrohte Theodoros Angelos sogar Konstantinopel selbst. In der Zwischenzeit war ein Krieg mit Nicäa ausgebrochen, wo Johannes III. Dukas Vatatzes seinem Vorgänger, dem ersten byzantinischen Exilkaiser Theodoros I. Laskaris, auf den Thron gefolgt war. Bis 1226 hatten die Lateiner ganz Kleinasien verloren. Die einzige Ausnahme bildete Izmit (Nikomedia), das jedoch schon 1235 ebenfalls verloren ging. Vermutlich war der Starrsinn des bulgarischen Zaren Iwan Assen II., Johannitzes’ Neffen und Nachfolger, der einzige Faktor, der das lateinische Konstantinopel in jener Zeit vor dem Untergang bewahrte. Iwan Assen gierte nämlich selbst nach dem Reich, das er Theodoros Angelos von Epirus nicht einfach in die Hände fallen lassen wollte. Nach einer grausamen Palastrevolution seiner eigenen Ritter floh Robert von Courtenay nach Rom. Auslöser war seine Heirat mit einer burgundischen Adligen gewesen, die den Aufrührern nicht ebenbürtig erschien. Sie verstümmelten die Frau und ertränkten ihre Mutter. Robert konnte entkommen. Er starb 1228 auf dem Rückweg nach Konstantinopel. Beerbt wurde er von seinem erst elfjährigen Bruder Balduin II. Der Adel des Kaiserreiches sperrte sich gegen den Versuch Iwan Assens, sich Konstantinopel durch die Verheiratung seiner Tochter mit dem jungen Kaiser zu sichern; stattdessen rief man lieber einen erfahrenen Friedensstifter herbei: Johann von Brienne. Johann war um das Jahr 1170 als dritter Sohn des Grafen von Brienne geboren worden und hatte den Großteil seines Lebens in der Bedeutungslosigkeit der vergleichsweise peripheren Champagne verbracht, ehe er 1210 zum Bräutigam von Maria, der jungen Erbin des Königreichs Jerusalem, erkoren wurde. Schnell hatte er sich als ein effizienter König erwiesen, obwohl wir auch schon gesehen haben, wie ein päpstlicher Legat ihn während des Fünften Kreuz-
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zuges in Ägypten ausmanövrierte. Seine Frau war 1212 gestorben, woraufhin Johann die Regentschaft für seine noch unmündige Tochter Isabella übernahm, bis diese im Jahr 1225 Kaiser Friedrich II. heiratete. Friedrich hatte es abgelehnt, Johann auch weiterhin die Regentschaft zu überlassen, und hatte – so das Gerücht – eine Aff äre mit einer von Johanns Nichten angefangen, die sich in Isabellas Gefolge befand. Johanns Zorn war so groß gewesen, dass er sich bereit erklärte hatte, das Kommando über die Truppen des Papstes zu übernehmen, die Friedrichs unteritalienische Besitzungen verwüsteten, während der Kaiser sich in Palästina aufhielt. Nun aber bot der Adel des Lateinischen Kaiserreiches die Hand seines Lehnsherrn einer weiteren Tochter Johanns an, die ihm seine dritte Ehefrau Berengaria von Kastilien geboren hatte – unter der Bedingung, dass Johann selbst zeit seines Lebens als Mitkaiser amtieren würde. Noch vor dem Sommer 1231 traf Johann mit 500 Rittern und 5000 Fußsoldaten, denen der Papst einen Kreuzzugsablass gewährt hatte, in Konstantinopel ein. Die militärische und politische Situation war schon zuvor schlecht gewesen; nun verschlechterte sie sich weiter. Im Jahr 1230 war Theodoros Angelos von Iwan Assen besiegt und gefangen genommen worden. Der bulgarische Zar war mit seinem Heer über Thrakien, Thessalien und weite Teile Albaniens hinweggefegt. Sodann eröffnete Iwan Assen, der ein autonomes bulgarisches Patriarchat forderte, Verhandlungen mit den Griechen von Nicäa. 1235 kam es schließlich zu einem Vertragsschluss mit Johannes Vatatzes: Dessen Sohn sollte eine Tochter Iwan Assens heiraten, und Bulgarien erhielt sein eigenes Patriarchat. Dann überquerte Johannes Vatatzes mit einem Heer die Dardanellen, plünderte Gallipoli und schloss sich mit den Bulgaren zusammen. Vor den Toren Konstantinopels wurde das Heer der Angreifer jedoch von einer vergleichsweise kleinen Truppe unter dem Kommando Johanns von Brienne vollständig aufgerieben; Johann verfügte nur über 160 Ritter. Johann von Brienne starb am 23. März 1237, und eine Zeit lang war es wohl nur der 1239 aufgebrochene Kreuzzug aus dem Westen, der die Lateiner rettete. Zugleich waren die Griechen von Nicäa damit beschäftigt, nach ihrem Ausgreifen nach Europa ihren Brückenkopf auf dem Balkan nun auch zu festigen und sich außerdem gegen die Mongolen zu wappnen, die sie von Osten her bedrohten. Kaiser Balduin II., der in hohem Maße von französischen Subsidien abhängig war, unternahm mehrere Reisen nach Westeuropa, um dort dringend benötigte Gelder einzuwerben. Die letzten großen Reliquien von Konstantinopel wurden, wie wir gesehen haben, ebenfalls zu Geld gemacht. Balduin beteiligte sich auch an verwickelten und unkonventionellen Finanzgeschäften, schreckte zum Beispiel nicht davor zurück, seinen eigenen Sohn Philipp an die Venezianer zu verpfänden. Philipp verbrachte seine Kindheit und Jugend in Venedig in der Obhut der Gläubiger seines Vaters. Irgendwann in der ersten Jahreshälfte 1261 wurde Philipp durch König Alfons X. von Kastilien ausgelöst, doch da sollte das Lateinische Kaiserreich von Konstantinopel nur noch einige wenige Monate überdauern. Am 25. Juli fiel, während sich der größte Teil der Garnison von Konstantinopel auf einer venezianischen Expedition gegen die Schwarzmeerinsel Kefken befand, ein byzantinischer Trupp aus Nicäa in die Stadt ein und besetzte sie bei nur geringem Widerstand. Balduin flüchtete, und der venezianischen Flotte gelang es lediglich, die Frauen und Kinder der ansässigen Venezia-
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ner zu evakuieren. Am 15. August zog Kaiser Michael VIII. Palailogos von Nicäa mit großem Pomp in Konstantinopel ein und wurde in der Hagia Sophia zum basileus (Kaiser) gekrönt. Französische und venezianische Siedler hielten noch immer Südgriechenland sowie diverse Inseln in der Ägäis. Mitte des 13. Jahrhunderts war das Fürstentum Achaia auf der Peloponnes das prachtvollste aller Territorien des lateinischen Ostens. Die Ritter, die sich am Hof der Fürsten Wilhelm von Champlitte, Gottfried I. und Gottfried II. von Villehardouin – Neffe und Großneffe des gleichnamigen Chronisten – sowie Wilhelm II. von Villehardouin einfanden oder die Gefolge der Herren von Athen, Otto und Guido de la Roche, bildeten, führten ständige Kleinkriege gegen die byzantinischen Griechen im Norden. Die Hochzeit der Lateiner, was ihre Macht und ihren Wohlstand anging, fiel in die frühen 1250er-Jahre. Danach versanken Attika und die Peloponnes rasch in einer Auseinandersetzung zwischen Wilhelm von Villehardouin auf der einen Seite sowie Guido de la Roche und den Venezianern auf der anderen. Kaum war dieser interne Konflikt überwunden, da unterlag Wilhelm im Sommer 1259 in der Schlacht von Pelagonien dem byzantinischen Kaiser Michael VIII. Der Fürst wurde von den Griechen gefangengesetzt, die ihn 1261 zwangen, ihnen die Festungen Monemvasia, Mistra und Mani auszuliefern. Der Vertrag, der diese Abtretungen festschrieb, wurde von einem Parlament ratifiziert, das sich hauptsächlich aus den Ehefrauen der gefangenen lateinischen Adligen zusammensetzte. Zwar entband der Papst Wilhelm von der Verpflichtung, die unter Zwang gemachten Zusagen einzuhalten, aber der zweijährige Krieg, der sich nun anschloss, dezimierte und erschöpfte die Lateiner und richtete im gesamten Fürstentum Achaia Verwüstungen an. Wilhelm von Villehardouin, der sich seiner schwachen Position durchaus bewusst war, trat Achaia am 24. Mai 1267 an den im Jahr zuvor zum König von Sizilien gekrönten Karl von Anjou ab – unter der Bedingung, dass er das Fürstentum bis zu seinem Tod werde regieren dürfen. Wilhelms Tochter Isabella von Villehardouin – zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gerade einmal vier Jahre alt – sollte einen von Karls Söhnen heiraten, der schließlich die Nachfolge seines Vaters antreten würde. Für den Fall, dass dieser Sohn kinderlos sterben werde, sollte Achaia an Karl oder seinen Erben zurückfallen. Drei Tage später bestätigte der lateinische Kaiser Balduin II. diese Vereinbarung und gewährte Karl, wie wir bereits gesehen haben, zusätzlich die Herrschaft über das Herzogtum Archipelagos, die Insel Korfu sowie die lateinischen Besitzungen in Epirus. Als Gegenleistung sollte Karl 2000 Berittene zur Rückeroberung der von Balduin verlorenen Territorien des Lateinischen Kaiserreiches stellen. So wurden die lateinischen Territorien Griechenlands schließlich der Krone von Sizilien untertan. Es scheint, dass Karl von Anjou sogar noch weiter gehen und Konstantinopel erobern wollte, doch zunächst mobilisierte er seine Ressourcen zur Verteidigung des ihm übertragenen Fürstentums und bemühte sich zudem, in Albanien Präsenz zu zeigen, denn dort war er im Jahr 1271 als König anerkannt worden. Im Februar 1277 starb der Schwiegersohn und mutmaßliche Erbe Wilhelms von Villehardouin, Karls jüngerer Sohn Philipp von Anjou, und am 1. Mai 1278 folgte ihm Wilhelm ins Grab. Das Fürstentum Achaia fiel nun direkt an Karl von Anjou, in dessen Planungen es jedoch hinter
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Albanien und einer möglichen Kampagne gegen Konstantinopel zurücktreten musste. Nach der Sizilianischen Vesper im Jahr 1282 musste das lateinische Griechenland für sich selbst sorgen, doch sollte es sieben Jahre später eine der ersten Amtshandlungen Karls II. von Anjou sein, die Herrschaft über das Fürstentum Achaia an Isabella von Villehardouin zurückzugeben, und zwar aus Anlass ihrer Heirat mit Florenz von Hennegau, einem Urenkel des lateinischen Kaisers Balduin I. Später übertrug Karl II. von Anjou seinem Lieblingssohn, Philipp von Tarent, die Oberherrschaft über Florenz von Hennegau, Isabella von Villehardouin sowie das ganze lateinische Griechenland und setzte Isabellas dritten Ehemann, Philipp von Savoyen, 1308 ab, als dieser sich weigerte, ihm, Karl, zu huldigen, sowie ganz allgemein gegen angevinische Interessen handelte. Obwohl Isabella protestierte, übernahm Philipp von Tarent so die Herrschaft über das Fürstentum Achaia und alle mit ihm verbundenen Gebiete. Im vorherigen Kapitel habe ich die Mühen erwähnt, mit denen das Haus Anjou Sizilien von den Aragonesen zurückzugewinnen suchte. Durch eine ganz außergewöhnliche Wende des Schicksals wurde dieser Konflikt nun nach Südgriechenland ausgedehnt. Im Jahr 1309 fiel eine Bande von Abenteurern hier ein, die sogenannte Katalanische Kompanie, in der neben Katalanen auch andere nordiberische Söldner dienten, deren diverse Heere vor ihrem Zerfall in Unteritalien auf der Seite von Aragón gekämpft hatten. Die Kompanie stand nun in Diensten des byzantinischen Kaisers Andronikos II. Palaiologos, für den sie gegen die Osmanen kämpfen sollte. Diese waren kurz zuvor erstmals auf der politischen Bühne des östlichen Mittelmeerraums in Erscheinung getreten. Die Katalanen waren jedoch mit ihrem byzantinischen Auft raggeber in Streit geraten und zogen nun plündernd und brandschatzend durch Thrakien und Makedonien. Eine Zeit lang verdingten sie sich bei Karl von Valois, dem jüngeren Bruder Philipps IV. von Frankreich, der mit einer Enkelin des lateinischen Kaisers Balduin II. verheiratet war und einen eigenen Anspruch auf das Kaiserreich erheben wollte. Nachdem sie der griechische Herrscher von Thessalien in Richtung Athen weitergedrängt hatte, verpflichteten sie sich 1310 bei dem dortigen Herzog, Walter V. von Brienne; als dieser ihnen jedoch kein Land geben wollte und ihnen noch nicht einmal ihren Sold auszahlte, wandten sie sich gegen ihn. Walter zog ein Heer aus allen lateinischen Territorien Griechenlands zusammen und stellte die Katalanen am 15. Mai 1311 bei Halmyros in Thessalien zur Schlacht. Ihr Ausgang kam einer Sensation gleich. In mancherlei Hinsicht war dieser Waffengang beispielhaft für eine Zeit, in der die überkommenen Traditionen des Rittertums einer neuen militärischen Professionalität weichen mussten. Walter von Brienne führte eine Attacke seiner schweren Reiterei geradewegs in einen Sumpf, den er für eine saftig-grüne Wiese gehalten hatte. Er selbst und die meisten seiner Ritter wurden von den Katalanen abgeschlachtet. Danach übernahmen die Söldner die Kontrolle in Theben und Athen, die also der französischen Partei verloren gingen und zur aragonesischen Seite kamen. Die Ritterschaft der Peloponnes hatte rund ein Drittel ihrer Mitglieder eingebüßt. Eine Ära war zu Ende gegangen.
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Jetzt, da der lateinische Osten eine ganze Reihe von Territorien umfasste, die über einen großen Teil des östlichen Mittelmeerraums verstreut waren, ging es nicht mehr allein darum, die Versorgungsrouten für isolierte Vorposten zu verteidigen, die wie durch eine Nabelschnur mit Westeuropa verbunden waren. Nunmehr kam es darauf an, die Seekontakte zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Kolonistengruppen sicherzustellen. Die lateinischen Siedler waren zu allen Zeiten auf die Seemacht westeuropäischer Kaufleute angewiesen gewesen, insbesondere jene der italienischen Hafenstädte Venedig, Genua und Pisa. Dieselben Italiener fungierten auch im 13. Jahrhundert noch als die maritime Schutzmacht der Lateiner, aber durch ihre Gebietsgewinne in Griechenland und auf den griechischen Inseln waren sie selbst zu einem politischen Akteur in dem Bezugssystem geworden, dessen Zusammenhalt sie garantierten. Von diesem Zeitpunkt an lassen sich die Handels-, Besiedlungs- und Kreuzzugsgeschichte des östlichen Mittelmeerraums kaum mehr auseinanderhalten. Schon vor den Kreuzzügen waren italienische Kaufleute in der Levante aktiv gewesen. Pisa und Genua hatten zwar nur sporadische Kontakte mit den großen Handelszentren der Region unterhalten – ihre Aktivitäten hatten sich im Großen und Ganzen auf das westliche Mittelmeer beschränkt –, aber Amalfi und insbesondere Venedig hatten sich durchaus auch im Osten betätigt. Den Venezianern war es gelungen, byzantinische Handelsprivilegien zu erwerben – was jedoch nicht zuletzt damit zu tun hatte, dass die Griechen in ihnen noch immer demütige Untertanen des Byzantinischen Reiches sahen. Ein von Kaiser Alexios I. im Jahr 1082 verbrieftes Privileg gewährte den venezianischen Kaufleuten Zoll- und Steuerfreiheit in einer Reihe namentlich genannter Häfen; späterhin sollten die Herrscher der lateinischen Territorien italienischen Kaufleuten ganz ähnliche Urkunden ausstellen. Die Italiener waren von Papst Urban II. zur Teilnahme am Ersten Kreuzzug aufgefordert worden und nahmen an der Eroberung von Palästina und Syrien teil. Die Genuesen trafen 1098 in der Levante ein, die Pisaner 1099 und die Venezianer im Jahr 1100. Später gesellten sich zu ihnen noch Kaufleute aus dem Languedoc, der Provence und Katalonien. Im 12. Jahrhundert hatten Venedig, Genua und Pisa also Anrechte erworben, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Erstens erhielten die Italiener Grundbesitz, zumeist in Form eigener Quartiere in den großen Handelsstädten, mit Verwaltungsgebäuden, Kirchen, Bade- und Backhäusern. Die Genueser Familie Embriaco hingegen wurde mit der Stadt und Herrschaft Dschubail in der Grafschaft Tripolis belehnt, und im Jahr 1124 erhielten die Venezianer ein Drittel des Stadtgebiets von Tyrus, wo sie einige ihrer Landsleute als Lehnsnehmer ansiedelten. Zweitens erlangten sie die Gerichtsbarkeit über ihre eigenen Landsleute und in einigen Fällen auch über die Einheimischen, die in ihren Vierteln lebten. Drittens gewährte man ihnen Handelsprivilegien, etwa das Recht, bestimmte Häfen anzulaufen, dort zu verweilen oder – ganz nach Wunsch – wieder auszulaufen; eine Senkung oder gänzliche Streichung von Einfuhr-, Ausfuhr- und Handelszöllen;
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manchmal auch die Markthoheit über die von ihnen genutzten Handelsplätze. Diese Privilegien ermöglichten es den Italienern, ihre eigenen comptoirs und Faktoreien einzurichten – Quartiere, in denen ihre Kaufleute unterkommen konnten, wenn sie mit ihren Flotten aus dem Westen eingetroffen waren. Außerhalb der Handelssaison waren diese Einrichtungen verwaist, und nur eine kleine Besatzung – rund 300 Mann im genuesischen Viertel von Akkon im 13. Jahrhundert – blieb, um die Stellung zu halten. Obwohl die italienischen Kaufleute sich vieler Privilegien erfreuten, bedeutete das in der Praxis weniger, als man vermuten könnte – zumindest bis in die 1180er-Jahre. Das lag daran, dass der Großteil des Gewürzhandels aus dem Fernen Osten – bei Weitem der lukrativste Handelszweig in der ganzen Region – nicht über Palästina und Syrien lief, sondern über Alexandria in Ägypten. Wenn man den lokalen Handel mit Produkten wie etwa Zucker und Baumwolle sowie den Import europäischer Waren – beispielsweise von Stoffen – für den orientalischen Markt hinzunahm, war das Handelsvolumen allerdings immer noch groß genug, um den Bau von Handelskontoren in den levantinischen Küstenstädten zu befördern. Auch die Errichtung entsprechender Verwaltungsstrukturen ließ nicht lange auf sich warten, so dass früher oder später an jedem Handelsstützpunkt ein Konsul, ein Vicomte oder sogar beide residierten. Diese Amtsträger mussten sich zunächst einmal damit auseinandersetzen, dass die Könige von Jerusalem im Verlauf des 12. Jahrhunderts ihnen gegenüber mit zunehmender Strenge auft raten, um sie zur strikten Einhaltung der mit ihren Privilegien verbundenen Bedingungen zu bewegen. So bestand die Krone etwa darauf, dass die italienischen Gerichte nur über diejenigen Italiener auch tatsächlich Recht sprachen, die sich als Besucher in der Levante aufhielten; sobald einer ihrer Landsleute sich permanent dort niederließ, unterstand er der Gerichtsbarkeit des Königs. Ebenso großen Wert legte man darauf, dass die Italiener lediglich die niedere, nicht aber die Blutgerichtsbarkeit innehatten; diese blieb ebenfalls dem König vorbehalten. Gleichzeitig bemühten sich die Könige von Jerusalem, ihre Vasallen von der Lehnsvergabe an die Italiener abzuhalten, und versuchten bisweilen sogar, deren Privilegien nachträglich zu beschneiden. Mitunter wurde dieser Druck so groß, dass die Genuesen und Venezianer ihre comptoirs und sonstigen Besitztümer ihrerseits an Vasallen übertrugen, damit diese die Auseinandersetzung für ihre Herren ausfochten. Im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts verlagerten sich jedoch die asiatischen Handelsrouten aus bislang noch immer nicht restlos geklärten Gründen. Nach dem Jahr 1180 umgingen die Gewürztransporte aus Indien und dem Fernen Osten immer häufiger Ägypten und steuerten stattdessen Syrien an, wo Damaskus, Aleppo und Antiochia zu bedeutenden Handelszentren aufstiegen. Unter den genannten Städten kam Damaskus, dessen wichtigste Häfen Akkon und Tyrus in christlicher Hand waren, besondere Bedeutung zu. Akkon, wo die europäischen Kaufleute sich bereits mit ihren Privilegien eingerichtet hatten, machte Alexandria bald nicht nur Konkurrenz, sondern löste es sogar als wichtigster Umschlagplatz des gesamten östlichen Mittelmeerraums ab. Das daraus resultierende Wachstum des Handelsvolumens kam auch der Krone zugute. Wie bereits erwähnt, addierte man die bei der Einfuhr in die Handelshäfen der Levante fälligen Zölle und Handelssteuern auf und zahlte einmalig eine Summe, die zu-
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meist als prozentualer Anteil am Warenwert erhoben wurde. Die Summe mussten natürlich beide Handelspartner entrichten, so dass selbst, wenn eine der beiden Parteien von der Besteuerung ausgenommen war, die andere – üblicherweise ein muslimischer Kaufmann aus dem Landesinneren – dennoch zahlen musste. Der Obrigkeit entging also niemals mehr als die Hälfte der überhaupt möglichen Einnahmen, und zwar selbst dann, wenn sie einer Seite sämtliche Abgaben erließ. Die Idee hinter diesem Modell war, dass die zu erwartende Steigerung der Handelsaktivität – die sich ohne die ansässigen Kaufleute niemals eingestellt hätte –, die aus den zu ihrer Förderung vergebenen Privilegien erwachsenen Verluste mehr als wettmachen würde. Wie es scheint, konnten die einheimischen Händler nicht darauf hoffen, jemals mit solchen Privilegien bedacht zu werden; vielmehr hatten sie am Stadttor eine Art „Ausreisesteuer“ zu entrichten, wenn sie den Markt wieder in Richtung ihrer Heimat verließen. Hingegen bewirkte das Recht auf eigene Marktplätze, das Venezianer und Pisaner in Akkon erworben hatten, in der Praxis nicht etwa, dass der Krone die Besteuerung der auswärtigen Händler unmöglich geworden wäre, sondern vielmehr, dass die Italiener dort lediglich das verkaufen konnten, was sie selbst aus Europa importiert hatten. Um die Laderäume ihrer Schiffe vor der Rückfahrt nach Italien zu füllen, waren sie gezwungen, sich auf den königlichen Märkten mit Waren einzudecken, wo zumindest die Verkäufer ja verpflichtet waren, die anfallenden Steuern zu zahlen. Auch scheint es, dass die Könige von Jerusalem streng auf die Einhaltung der geltenden Zahlungsbestimmungen seitens der einheimischen Bevölkerung achteten, sofern diese auf den Märkten der Italiener einkaufte. Wenn die Italiener versuchten, derlei Einschränkungen zu umgehen, etwa indem sie ihrerseits in das Landesinnere reisten, um dort Waren zu kaufen, ergriff die Krone umgehend Maßnahmen, um dies zu verhindern. Ein Ergebnis dieses Bündels von Strategien bestand darin, dass das Lateinische Königreich mit der Zeit einen beträchtlichen Reichtum anhäufte. Die Einkünfte aus dem Handel ermöglichten es den Königen von Jerusalem, zusätzliche Geldlehen zu vergeben, was den anfänglichen Verlust an Gefolgsleuten größtenteils kompensierte, der sich durch den Verlust der Grundlehen an die Muslime im Jahr 1187 ergeben hatte. Doch wenn die Könige von Jerusalem durch Handel reich wurden, dann galt das in gleichem Maße für die Italiener, deren Reaktion auf das Handelswachstum und die steigende Zahl italienischer Kaufleute in der Levante vor allem darin bestand, die Verwaltung ihrer dortigen comptoirs zu zentralisieren. In den 1190er-Jahren ernannten die Venezianer einen bajulus Venetorum in tota Syria („Vogt der Venezianer für ganz Syrien“), der in Akkon residieren sollte. Etwa zur selben Zeit ernannten auch Genua und Pisa jeweils zwei Konsuln für ganz Syrien, die ebenfalls von Akkon aus operieren sollten. Im Jahr 1248 schließlich legten die Pisaner alle Autorität in die Hände eines einzigen consul communis Pisanorum Accon et totius Syriae, eines „gemeinsamen Konsuls der Pisaner für Akkon und ganz Syrien“ also. Zwischen 1187 und 1192 vergaben zudem Guido von Lusignan und Konrad von Montferrat, die in ihrem Kronstreit um Unterstützer buhlten, weitere Privilegien an auswärtige Händler. So erhielten die Pisaner die gesamte Gerichtsbarkeit – einschließlich der Blutgerichtsbarkeit – über alle Einwohner der von ihnen verwalteten Quartiere. Die Genuesen konnten immerhin erreichen, dass
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in Fällen der Blutgerichtsbarkeit ihre eigenen Richter fortan gemeinsam mit denen des Königs entscheiden sollten. Heinrich von Champagne bemühte sich nach seiner Thronbesteigung, diese diversen Spielarten der Immunität wieder zu beschneiden, wenn auch ohne großen Erfolg. Er begann, einen Druck auf die Italiener aufzubauen, wie ihn diese auch im 13. Jahrhundert sporadisch immer wieder zu spüren bekommen sollten. Dass die Krone diesen Druck nicht durchgängig aufrechterhalten konnte, lag zum einen an der langen Abwesenheit der Könige von Jerusalem; zum anderen war es dem Umstand geschuldet, dass die Italiener in wirtschaft lichen Krisenzeiten als Schiffseigner, Geldwechsler und Kreditgeber über großen Einfluss verfügten.
Die Ayyubiden Die Ayyubiden
Wenn der Wohlstand des lateinischen Ostens im 13. Jahrhundert den Siedlern in Palästina und Syrien größere Sicherheit gewährte – im Zusammenspiel freilich mit dem Ausgreifen der Siedlungsbewegung in den gesamten östlichen Mittelmeerraum –, so spielte doch ein weiterer Faktor ebenfalls eine große Rolle: Die Siedler sahen sich nun von wesentlich weniger aggressiven Nachbarn umgeben als zuvor. Saladin war am 4. März 1193 gestorben, und die Provinzen seines Reiches – Ägypten, Aleppo, Damaskus, die Dschazira (Obermesopotamien), Transjordanien, Hama, Homs und Baʿalbek – wurden zu unabhängigen Fürstentümern, die seine Verwandten und Nachkommen unter sich aufteilten. In jeder der folgenden Generationen übernahm einer der Fürsten die stets gefährdete Oberherrschaft: zuerst al-Adil (1200–1218), dann al-Kamil (1218–1238) und as-Salih Ayyub (1240–1249). Insbesondere die Ayyubiden mussten natürlich auch noch andere Grenzen verteidigen als nur diejenige zu den Lateinern. Auch für sie war diese Zeit eine Epoche großen Wohlstands, der sich zum Teil einem gestiegenen Interesse der Westeuropäer an den Handelsgütern Asiens verdankte, mussten diese doch über die christ lichen Häfen – und damit zunächst einmal über muslimisches Gebiet – eingeführt werden. Obwohl das Gedankengut des dschihad also überlebte – ja sogar blühte –, lag das Augenmerk in der Alltagspraxis jener Jahre doch auf einer friedlichen Koexistenz, was sich formal in einer Reihe von Waffenstillstandsabkommen äußerte. Das Lateinische Königreich und das Fürstentum AntiochiaTripolis gingen – wie alle Kleinstaaten der Region – wiederholt Allianzen und Gegenallianzen ein, aber eine dieser Allianzen bewies durch ihre Konsequenzen, dass der Schein mitunter trog. Im Jahr 1244 brachte eine Gruppe einflussreicher Männer im Königreich Jerusalem den bereits beschriebenen Waffenstillstand mit dem ägyptischen Sultan as-Salih Ayyub zu Fall und schloss stattdessen ein gegen diesen gerichtetes Angriffsbündnis mit as-Salih Imsail von Damaskus und an-Nasir Dawud von Transjordanien. Dieses neue Bündnis erlaubte es den Christen, den Tempelbezirk von Jerusalem zu kontrollieren. asSalih Ayyub wandte sich an die Choresmier, die Überlebenden eines nördlich von Iran gelegenen Reiches, das die Mongolen 1220 zerstört hatten. Die Choresmier hatten sich seitdem als Söldner in Obermesopotamien verdungen; jetzt stürmten sie aus dem Norden herbei und brachen am 11. Juli 1244 über Jerusalem herein. Am 23. August ergab sich der
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Davidsturm. Am 17. Oktober schlugen sie gemeinsam mit den Ägyptern in der Schlacht von La Forbie (Harbiyah) nordöstlich von Gaza ein Koalitionsheer des Königreichs Jerusalem und der Damaszener. Das christliche Heer war das größte seit der Schlacht bei Hattin 57 Jahre zuvor. Ihm gehörten allein bis zu 1200 Ritter an; der größte Teil der christlichen Teilnehmer starb auf dem Schlachtfeld.
Was die Siedler von der muslimischen Politik wussten Was die Siedler von der muslimischen Politik wussten
Es überrascht nicht, dass sowohl die lateinischen Siedler als auch deren europäische Korrespondenten sich für die politischen Verhältnisse der muslimischen Fürstentümer interessierten. Innerhalb gewisser Grenzen waren ihre Informationen durchaus zutreffend, ihre Kenntnisse detailliert. Zwischen 1196 und 1202 sandte zum Beispiel der Johannitergroßmeister Gottfried von Donjon vier Briefe nach Europa, in denen er zwei unterschiedlichen Adressaten die jüngsten Verwicklungen der ayyubidischen Politik auseinandersetzte. Ab und an erhielten die Europäer zusätzliche Leckerbissen an Information, die sie womöglich interessieren mochten; wie oft diese Meldungen zutrafen, ist eine andere Frage. Gottfried von Donjon jedenfalls hatte gehört, ein muslimischer Hirtenknabe habe das Christentum angenommen und sei auf eine Predigtreise zur Evangelisierung seiner Landsleute gegangen, woraufhin sich 2000 Muslime hätten taufen lassen. Der Templergroßmeister Hermann von Peragors berichtet in einem Brief, ein Enkel des Damaszener Sultans as-Salih Ismail sei zum Christentum konvertiert und heiße nun Martin. Der Seneschall des Templerordens Guido von Basainville hatte 1256 von einem Erdbeben und Vulkanausbruch in Arabien gehört, bei dem das Grab Mohammeds zerstört worden sei. Der Ton, den diese Schreiber an den Tag legten, zeugte im Allgemeinen von Zurückhaltung. Viele dieser Briefe waren natürlich privat, aber selbst wenn sie sich an eine breitere Leserschaft richteten, blieben die Formulierungen doch neutral. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass ihr polemischer Gehalt in der Regel geringer war als der, den man in den Äußerungen irgendeines belanglosen Kirchenstreits in Mitteleuropa finden konnte. Gut möglich, dass dieser vergleichsweise neutrale Tonfall daherrührte, dass die Großmeister der Ritterorden und die anderen Anführer der Lateiner sich eine zu große Emotionalität nicht leisten durften. Ihre vorrangige Verantwortung bestand darin, die Grenzen der lateinischen Herrschaftsgebiete so effektiv wie möglich zu verteidigen. Zugleich hatte wohl ihre Vertrautheit mit den Gegebenheiten in der Levante dafür gesorgt, dass sie den politischen Entwicklungen einen gewissen Gleichmut entgegenbrachten. Andererseits müssen sie erwartet haben, dass die Könige, Kirchenfürsten und Adligen, an die ihre Briefe adressiert waren, ihren sachlichen Tonfall schätzen würden; denn wären sie überzeugt gewesen, dass sie diese Männer – deren Unterstützung sie ja immerhin erbaten – mit einer blumigen, emotionalen Sprache besser erreichen konnten, dann hätten sie ihre Schreiben wohl auch entsprechend formuliert. Der größte Teil der Briefe, die von Europa in die Levante geschickt wurden, ist verloren gegangen; einige Indizien sprechen jedoch dafür, dass auch diese Schreiben eher zurückhaltend formuliert waren.
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Die Frage drängt sich auf, welche der beiden Haltungen denn nun für die Lateiner in der Levante typischer gewesen ist: die emotional aufgeladene Aggressivität, die uns aus den Berichten zahlreicher Neuankömmlinge entgegenschlägt; oder der kühlere Ton. Wahrscheinlich sind beide gleichermaßen typisch. Es gab schlicht und ergreifend nicht den einen christlichen Blick auf den Islam, sondern verschiedene Sichtweisen. Die zurückhaltende Sprache, in welcher der Austausch zwischen den Anführern des lateinischen Ostens einerseits und den Päpsten und Königen des Westens andererseits geführt wurde, erfüllte in ihrem Kontext einen ganz bestimmten Zweck. Die Zuspitzungen und Übertreibungen der Kreuzzugsprediger, deren Echos sich gelegentlich auch in den Äußerungen der Kreuzfahrer selbst wiederfinden, müssen auf diejenigen, denen die Verteidigung des Heiligen Landes als ihre alltägliche Aufgabe anvertraut war, eher befremdlich gewirkt haben; erlegten sie ihnen doch vollkommen überzogene Erwartungen auf. Und wenn der Krieg im Namen Gottes sich gegen die Christen selbst wandte, waren es unweigerlich sie, die Anführer der Lateiner vor Ort, denen die Schuld daran zugeschoben wurde.
Antiochia-Tripolis Antiochia-Tripolis
Nach einem Erbfolgekrieg zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurden das Fürstentum Antiochia und die Grafschaft Tripolis unter einer gemeinsamen Herrschaft vereinigt; beide behielten dennoch ihre eigenen Verwaltungsstrukturen und ihr eigenes Gewohnheitsrecht. Graf Raimund III. von Tripolis war im Jahr 1187 gestorben, ohne direkte Erben zu hinterlassen. Vor seinem Tod hatte sich Raimund jedoch über die Ansprüche seiner europäischen Verwandtschaft hinweggesetzt und seinen Patensohn Raimund, den ältesten Sohn Bohemunds III. von Antiochia, zu seinem Nachfolger bestimmt – wiewohl es dem Fürsten gelang, stattdessen seinen jüngeren Sohn, den zukünft igen Bohemund IV., zum Zuge kommen zu lassen. Raimund von Antiochia starb vor seinem Vater, wodurch sein Anrecht auf das Fürstentum Antiochia auf seinen jungen, halbarmenischen Sohn Raimund Ruben überging, den sein Großonkel, König Leo I. von Kleinarmenien, in seinem Anspruch unterstützte. Bohemund III. sandte Raimund Ruben und seine Mutter nach Kilikien zurück, obwohl Erzbischof Konrad von Wittelsbach, der Leo im Auftrag des römisch-deutschen Kaisers die kleinarmenische Königskrone überbracht hatte, den Fürsten bedrängte, er möge seine Vasallen einen Eid auf den Thronanspruch Raimund Rubens ablegen lassen. Das Vorgehen Bohemunds III. war alles andere als populär, und der junge Bohemund (IV.), inzwischen Graf von Tripolis, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, das Fürstentum selbst zu übernehmen, marschierte in Antiochia ein und setzte seinen Vater ab. Dabei unterstützten ihn die Templer, die sich mit König Leo im Streit um ihre Grenzmark rund um die Festung Bağhras im Grenzgebiet zwischen Antiochia und Kilikien befanden, sowie eine Widerstandsbewegung gegen die wachsende Vorherrschaft der Armenier im Fürstentum, die schon zuvor in der Stadt Antiochia aufgekommen war. Die Revolte war nur von kurzer Dauer, doch nach dem Tod Bohemunds III. im Jahr 1201 gelang es Bohemund IV., wiederum mit der Unterstützung
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der erwähnten Widerständler, das Fürstentum erneut für sich zu gewinnen. Er sollte es bis 1216 halten, und das angesichts einer Reihe von Invasionen aus Kilikien, eines wachsenden Widerstands oppositioneller Kräfte innerhalb des Fürstentums und nicht zuletzt gegen die Friedensbemühungen, die führende Vertreter des Königreichs Jerusalem gemeinsam mit Papst Innozenz III. unternahmen – wobei der letztgenannte allerdings sowohl Bohemund IV. als auch seinen Widersacher Leo I. exkommunizierte. Der Streit um die Herrschaft im Fürstentum Antiochia zeitigte eine Reihe von Ereignissen, die anschaulich machen, wie sehr das Fürstentum in den politischen Kontext des Nahen Ostens eingebunden war. 1201 forderte Bohemund den Herrscher von Aleppo, az-Zahir Ghazi, sowie den Rumseldschuken-Sultan Sulaiman II. auf, um gegen die kilikischen Armenier Waffenhilfe zu leisten. Im November 1203 plünderte ein Heer aus Antiochia und Aleppo, das durch ein Templer-Kontingent verstärkt wurde, armenische Dörfer in der Umgebung von Bağhras. 1209 fiel Kai Chosrau I., ein weiterer Sultan der Rumseldschuken, auf Bohemunds Veranlassung in Kilikien ein. In der Zwischenzeit hatten sich die Beziehungen zwischen Bohemund, der auf die Unterstützung der Stadtgemeinde von Antiochia einschließlich der prominent vertretenen Griechen angewiesen war, und dem lateinischen Patriarchen der Stadt, Peter von Angoulême, merklich verschlechtert. Anfang des Jahres 1207 förderte Bohemund deshalb die Einsetzung eines orthodoxen Titularpatriarchen und schloss 1208 sogar ein Bündnis mit dem griechisch-nizänischen Kaiser Theodoros I. Laskaris. Als Peter von Angoulême sich an die Spitze eines Aufstandes in der Stadt Antiochia stellte, ließ Bohemund ihn ins Gefängnis werfen, wo dem Patriarchen jegliche Nahrung verweigert wurde. Er starb schließlich eines jämmerlichen Todes, nachdem er vor Durst das Öl aus der Lampe in seiner Zelle getrunken hatte. Bis zum Jahr 1216 hatte sich Bohemund IV. jedoch mit seinen muslimischen Verbündeten in Aleppo zerstritten und sich in Antiochia selbst unbeliebt gemacht, weil er sich oft und lange in der Grafschaft Tripolis aufhielt. Unter den Adligen des Fürstentums unterstützte ein beständig wachsendes Lager den Anspruch Raimund Rubens auf die Fürstenwürde. Darunter befand sich mit Acharius von Sarmin auch der Bürgermeister von Antiochia. Im Schutz der Dunkelheit drang am 14. Februar 1216 der kleinarmenische König Leo I. mit seinen Männern in die Stadt ein, die sich innerhalb weniger Tage ganz in seiner Hand befand. Raimund Ruben wurde feierlich zum Fürsten erhoben, und da er zu jener Zeit gemeinhin als Leos Erbe galt, schien eine Union des Fürstentums Antiochia mit dem Königreich Kleinarmenien in greifbare Nähe gerückt. Auch Raimund Ruben verlor jedoch bald die Gunst seiner Untertanen, die sich 1219 gegen ihn erhoben. Bohemund IV. nahm die Stadt Antiochia abermals ein, ohne dabei auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Von nun an hielt Bohemund Antiochia auf Dauer in seinem Besitz, doch zu einer tatsächlichen Aussöhnung mit der Kirche sollte es erst 1233 auf seinem Totenbett kommen. Vorerst erwirkte er einen labilen Frieden mit den kilikischen Armeniern im Norden, der jedoch 1225 gebrochen wurde, als Bohemund gemeinsam mit seinem Verbündeten, dem Seldschukensultan Kai Kobad I. in Kleinarmenien einfiel. Zuvor war Bohemunds Sohn Philipp von Antiochia, der König Leos Erbin Isabella geheiratet hatte, im Zuge eines Aufstands der Armenier gegen ihre Obrigkeit ermordet worden.
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Nach Bohemunds Tod 1233 zog es der neue Fürst, Bohemund V., ebenfalls vor, in Tripolis zu residieren. Die Stadt Antiochia mit ihrem aus griechischen und lateinischen Bevölkerungsteilen gemischten Gemeindekörper war vollkommen isoliert. Weite Teile des christlichen Territoriums in der Region – etwa um Bağhras, Margat, Tartus, Safita und den Krak des Chevaliers – befanden sich in den Händen der Ritterorden, die ihre eigene aggressive Politik gegenüber den muslimischen Kleinstaaten in ihrer Nachbarschaft verfolgten. Der Herrschaftsbereich Bohemunds V. erweckt den Anschein einer zersplitterten Konföderation, die ihr Überleben allein den Streitigkeiten der Ayyubidenherrscher untereinander verdankte und deren Wunsch nach Frieden.
Verfassungskonflikte im Königreich Jerusalem Verfassungskonflikte im Königreich Jerusalem
Auch im Königreich Jerusalem drängte die Frage der Thronfolge. Wie ich bereits geschildert habe, endete die Rivalität zwischen Sibylle und Isabella von Jerusalem sowie deren jeweiligen Ehemännern 1192 schließlich damit, dass Isabella den Thron bestieg. Obwohl Isabella vier Mal verheiratet gewesen war, wurde sie bei ihrem Tod 1205 ausschließlich von Töchtern überlebt. Die älteste dieser Töchter, Maria, heiratete Johann von Brienne. Aus dieser Ehe entsprang eine weitere Tochter, Jolante von Brienne (Isabella II. von Jerusalem), die später Kaiser Friedrich II. heiraten sollte. Sie starb am 1. Mai 1228 infolge der Geburt ihres Sohnes Konrad, der – genau wie sein Sohn Konradin – nie auch nur einen Fuß in das Heilige Land gesetzt hat. In den Jahren von 1186 bis 1268 befand sich das Königreich Jerusalem also entweder in den Händen von Erbinnen – für die Ehemänner gefunden werden mussten – oder von abwesenden Herrschern – für die Regenten oder Reichsverweser gefunden werden mussten. Als ob die Lage auf diese Weise noch nicht ernst genug gewesen wäre, nutzte eine ebenso streitsüchtige wie einfallsreiche Adelsopposition die Nachfolgegesetze des Königreichs sowie die Gebräuche bei der Ernennung von Regenten und Verwaltern für ihre Zwecke aus, indem sie neue Gesetze einführte und die bestehenden so manipulierte, wie es ihr passte. Zu ihren Lebzeiten konnte Isabella II. als regierende Königin legalerweise von bevollmächtigten Repräsentanten der Krone vertreten werden. Bei ihrem Tod war ihr gerade geborener Sohn allerdings noch minderjährig; weshalb nun die Regelungen für eine Regentschaft in Kraft traten. Der Vater eines dergestalt zu vertretenden Kindes hatte das erste Anrecht auf die Regentschaft, solange er persönlich in den Osten reiste und sich dort in sein Amt einführen ließ. Entsprechend war Friedrich II. ab seiner Ankunft in Akkon im September 1228 Regent des Königreichs Jerusalem mit dem Recht, vor seiner Rückreise nach Europa selbst einen Stellvertreter für die Zeit seiner Abwesenheit zu bestimmen. Friedrichs Regentschaft stieß auf scharfe Ablehnung, und im Jahr 1242 wurde das Herannahen von Konrads Volljährigkeit zum Vorwand genommen, eine völlig neue Rechtsfi ktion einzuführen: Von nun an sollte ein König, der zwar volljährig geworden, jedoch noch nicht zu seiner Krönung in das Heilige Land gereist war, so behandelt werden, als ob er gleichsam in eine „zweite Minderjährigkeit“ eingetreten wäre. Dieser
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Interpretation zufolge war die Regentschaft Friedrichs II. ausgelaufen und auf Konrads nächste Erbin übergegangen: Alix von Champagne, die dritte Tochter Isabellas von Jerusalem und Königinwitwe von Zypern. Nach Alix’ Tod im Jahr 1246 fiel die Regentschaft an ihren Sohn König Heinrich I. von Zypern; als der 1253 starb, hinterließ er einen minderjährigen Sohn – Hugo II. –, dem die Regentschaft des Königreichs Jerusalem im Namen des neuen, ebenfalls minderjährigen Königs Konradin übertragen wurde! Da Hugo ja seinerseits auch noch nicht volljährig war, benötigte er wiederum jemanden, der die Regentschaft über seine Minderjährigkeitsregentschaft antrat. Es war seine Mutter, Plaisance von Antiochia, die dieses Amt übernahm und bis zu ihrem Tod im Jahr 1261 als Regentin von Zypern und Jerusalem fungierte. Die wahrhaft haarsträubenden Verwicklungen, die sich aus diesen Regentschafts-, Erb- und Nachfolgefragen ergaben, boten reichliche Gelegenheiten für allerlei juristische Tricks und Finten. Sie wurden noch verschlimmert durch die Tatsache, dass die Regenten ihre Regentschaft in der Regel in absentia führten und also ihrerseits Stellvertreter ernannten. Die Lücken zwischen zwei Regentschaften von Mitgliedern des Herrscherhauses wurden durch Vasallenregenten ausgefüllt. In den 1260er-Jahren waren es zudem gleich drei Prätendenten, die Anspruch auf die Regentschaft bzw. – nach der Hinrichtung Konradins – auf den Thron erhoben: Hugo von Brienne, der Sohn der älteren Tochter Alix’ von Champagne; Hugo von Antiochia-Lusignan, der Sohn von Alix’ jüngerer Tochter; sowie Maria von Antiochia, eine Tochter von Alix’ jüngerer Schwester Melisendis von Lusignan. Die Krone von Jerusalem brachte nicht nur großes Prestige mit sich, sondern – solange die Handelsrouten günstig verliefen – auch beträchtlichen Reichtum. Das erklärt, warum auch Außenstehende wie Friedrich II. oder Karl von Anjou so starkes Interesse an ihr zeigten. Friedrichs Palästinapolitik ließ – im Zusammenspiel mit der verbleibenden Macht der Krone in ihren eigenen Territorien – den Adel des Königreichs Jerusalem um seine Freiheiten und Privilegien fürchten bzw. um das, was er als seine Freiheiten und Privilegien betrachtete. Das Problem erhielt dadurch zusätzliche Brisanz, dass sich zur Verteidigung der Position des Adels in der Zwischenzeit eine einheimische Rechtsschule herausgebildet hatte. Grundlage für deren Entstehen waren vor allem zwei Eigenheiten des im Königreich Jerusalem geltenden Rechts. Die erste war ein Brauch, demzufolge der König oder ein anderer Territorialherr in seiner Eigenschaft als Vorsitzender eines Gerichts einen seiner Vasallen auffordern konnte, ihm selbst oder einem weiteren Vasallen mit conseil – gutem Rat – zur Seite zu stehen; die Erfüllung dieser Pflicht konnte als Lehnsdienst eingefordert werden. Ein solcher Berater wurde zwar als „Fürsprecher“ bezeichnet, war aber eher ein Mentor als ein förmlicher Rechtsbeistand. Das Prozedere der Feudalgerichtsbarkeit war jedoch derart kompliziert, dass jeder, der in ein Gerichtsverfahren verwickelt war, gut daran tat, sich der Dienste eines solchen Ratgebers zu versichern: Ein guter Fürsprecher ist ein einflussreicher Mann [schreibt einer], denn wer einen fi ndigen Fürsprecher in seinen Dienst nimmt, der kann vor Gericht womöglich seine Ehre und seinen Kopf retten, oder sein Erbe oder das eines Freundes. Und wer keinen solchen Fürsprecher an seiner Seite hat, wenn er ihn braucht, der mag wohl Ehre, Kopf und Erbe verlieren.
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Daraus folgte eine große Nachfrage an rechtskundigen Beratern, die sowohl von den großen Herren als auch von ihren Vasallen dringend benötigt wurden. Wie es scheint, konnte ein Mann, der den Ruf eines Rechtsgelehrten hatte, durchaus darauf hoffen, Lehen in gleich mehreren Territorien zu erhalten – auf diese Weise konnte er dann vor den Gerichten aller betreffenden Territorien sein conseil anbieten. Die zweite Eigenheit des Jerusalemer Rechts bestand darin, dass durch die sogenannte Assise sur la ligece, die ja, wie bereits erwähnt, dem König die Möglichkeit einräumte, Lehnsdienste auch von den Vasallen seiner Vasallen einzufordern, diesen Untervasallen im Umkehrschluss auch der Zugang zur königlichen Gerichtsbarkeit offenstand. Zwar deutet einiges in den Quellen darauf hin, dass es im 13. Jahrhundert etliche Untervasallen versäumten, auch der Krone den Lehnseid zu schwören; dass sich in einem solchen System zahlreiche Betätigungsmöglichkeiten für versierte Juristen auftaten, steht aber dennoch außer Frage. So hielt zum Beispiel Jakob Vidal, ein französischer Ritter, der im April 1249 als Lehnsinhaber in Palästina bezeugt ist und bis 1271 regelmäßig an den Ratsversammlungen der Haute Cour des Königreichs Jerusalem teilgenommen hat, zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch Lehen in den Herrschaften Caesarea, Arsuf, Alexandretta und auch Nazareth. Die Fürsprecher hatten schon vor 1187 ein beträchtliches Prestige besessen, aber die Katastrophen jenes Jahres ließen ihren Einfluss noch einmal erheblich anwachsen. Im 13. Jahrhundert kursierte die Behauptung – ob sie der Wahrheit entsprach, sei einmal dahingestellt –, die Gesetze des Königreichs Jerusalem würden, jedes auf ein einzelnes Pergament niedergeschrieben und vom König, vom Patriarchen und vom Vicomte von Jerusalem besiegelt, sorgsam in eine Truhe eingeschlossen in der Grabeskirche aufbewahrt. Als Jerusalem an Saladin gefallen war, sei diese Truhe mitsamt ihrem Inhalt verloren gegangen. Mit einem Schlag hatte sich der Charakter des Jerusalemer Rechts vollkommen verändert. Es basierte nun nicht länger auf einem Korpus verschrift lichter Gesetzestexte, sondern wurde zu einem reinen Gewohnheitsrecht. Die Juristen des Königreichs waren also auf ihr Wissen von dessen Rechtsgebräuchen und -überlieferungen angewiesen – mitunter also auf bloßes Hörensagen. Einer der bedeutendsten unter ihnen formulierte die neue Sachlage so: „Die Gebräuche und Gesetze des Königreiches … sind weder niedergeschrieben noch gesammelt worden, noch wurden sie seit dem Verlust unseres Landes durch Übereinkunft festgelegt.“ Wenn nun die Vasallen zu Gericht saßen und womöglich in einem verwickelten Rechtsfall zu entscheiden hatten, wandten sie sich an die Fürsprecher, und vor allem an solche, in deren gesellschaft lichen Kreisen man sich noch mit den altüberlieferten Gesetzen auskannte. Es mag seltsam erscheinen, dass ausgerechnet in diesen stets gefährdeten Grenzgebieten am Rande der Christenheit eine Klasse repräsentabler und wohl nicht selten pedantischer Juristen auftrat, unter denen solide Rechtskenntnisse und rhetorisches Geschick vermutlich mehr galten – und wohl auch tatsächlich einen schnelleren gesellschaft lichen Aufstieg ermöglichten – als militärisches Können. Man darf jedoch nicht vergessen, dass hier von einer weltläufigen Adelselite die Rede ist, die von ihren Pachteinnahmen lebte und über die nötige Muße zu einem gelehrten Disput verfügte, der, wie man hinzufügen muss, oft bereits im engen Zusammenhang mit „parteipolitischen“ Grabenkämpfen vor
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sich ging. Nicht zuletzt war Akkon ein wesentlich bedeutenderes kulturelles Zentrum, als es die ältere Forschung erfasst hat. Beispielsweise lassen archäologische Grabungen nach und nach erkennen, welche architektonischen Meisterleistungen die Lateiner bei der Errichtung ihrer Gebäude vollbracht haben. Auch in der kunsthistorischen Forschung wird erst in neuerer Zeit deutlich, wie bedeutend die Skriptorien und Ateliers von Akkon gewesen sind, wo Handschriften, Buchmalereien und Ikonen von höchstem Rang entstanden sind. Dabei handelte es sich durchaus nicht um „Provinzware“, sondern um höchst eigenständige Werke, deren unverwechselbarer Stil östliche und westliche Elemente zu einem neuen Ganzen fügte (wobei jedoch der westliche und insbesondere der französische Einfluss nicht zu übersehen waren). Die herausragenden Rechtsgelehrten des Königreichs Jerusalem waren verschiedener Herkunft und übten unterschiedliche Funktionen aus. Zwei von ihnen, Amalrich von Zypern-Jerusalem und Bohemund IV. von Antiochia-Tripolis, waren Monarchen. Unter den anderen befanden sich, zumindest zeitweilig, Anhänger Friedrichs II. Wieder andere stiegen kraft ihrer juristischen Expertise aus bürgerlichen Anfängen in den Ritterstand auf. Die Einflussreicheren unter ihnen entstammten jedoch dem Hochadel oder gehörten zumindest dessen engstem Gefolge an. Im frühen 13. Jahrhundert standen an der absoluten Spitze dieses illustren Kreises drei Fürsprecher, die der Chronist Philipp von Novara – seinerseits juristisch gebildet – als „die drei weisesten Männer, die ich diesseits des Meeres jemals erblickt habe“, bezeichnet hat. Der fraglos Angesehenste unter ihnen war Rudolf von Saint-Omer, dessen Prestige durch den Umstand noch vergrößert wurde, dass er vor 1187 noch selbst Erfahrungen mit den alten Rechtsgebräuchen gesammelt hatte. Johann von Ibelin, genannt „der alte Herr von Beirut“, war das Familienoberhaupt eines Clans, der mittlerweile in Palästina und Zypern zu großem Einfluss gelangt war. Als Sohn Balians von Ibelin aus dessen Ehe mit Maria Komnena, der Witwe König Amalrichs, war er außerdem ein Halbbruder der Königin Isabella. Balian, der Graf von Sidon, war der Patriarch der alteingesessenen adligen Familie Garnier und durch seine Mutter Helvis von Ibelin ein Neffe des „alten Herrn von Beirut“, obwohl die Beziehung zwischen seinem Onkel und ihm anscheinend nicht immer die herzlichste gewesen ist. Um diese drei einflussreichen Herren scharte sich ein Kreis von nachrangigen Adligen, Rittern und Bürgerlichen. In der nächsten Generation folgten ihnen andere renommierte Juristen, von denen die meisten ebenfalls Ibelins oder doch zumindest weitläufig mit der Familie Ibelin verwandt waren: Johann von Ibelin, Herr von Arsuf und Sohn des alten Johann von Ibelin; Graf Johann von Jaffa, ein Neffe des Alten, der den einflussreichsten Gesetzestext jener Zeit verfasste; schließlich der bereits erwähnte Philipp von Novara, ein Vasall sowohl des alten Johann von Ibelin als auch von dessen Sohn Balian. Diese Generation von Rechtsgelehrten wurde ihrerseits von der folgenden abgelöst, deren herausragende Vertreter ein ebenfalls auf den Namen Balian getaufter Sohn Johanns von Ibelin aus Arsuf und dessen Vetter Jakob von Ibelin, ein Sohn des Grafen Johann von Ibelin aus Jaffa, waren. Johann, der „alte Herr von Beirut“, machte keinen Hehl daraus, dass er, was seine Gelehrsamkeit anging, in der Schuld Rudolfs von Saint-Omer stand, während Philipp von
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Johann von Ibelin, Graf von Jaffa Graf Johann von Jaffa wurde 1215 als Sohn Philipps von Ibelin, eines Bruders des „alten Herrn von Beirut“, und der Alix von Montbéliard geboren und verbrachte seine Kindheit vermutlich auf Zypern, wo sein Vater als Regent für den minderjährigen König Heinrich herrschte. Als junger Mann nahm er an den Kämpfen der Ibelins gegen Truppen Kaiser Friedrichs II. teil; die Wunden, die er sich in deren Verlauf 1232 zuzog, scheinen ihn für den Rest seines Lebens geplagt zu haben. Bereits 1229 hielt Johann – zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig – ein Lehen in Akkon, das er vermutlich von seinem Vater geerbt hatte. Die seit alters mit den Ibelins verbundene Herrschaft Ramla konnte er sich wohl im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss Richards von Cornwall mit den Ägyptern im Jahr 1241 sichern. 1246 oder 1247 übertrug ihm Heinrich I. von Zypern in seiner Eigenschaft als Regent des Königreichs Jerusalem die Grafschaft von Jaffa und Askalon. Nach Ausweis der Quellen scheint Johann ein typischer Vertreter des Jerusalemer Adels im 13. Jahrhundert gewesen zu sein, den der Stolz auf seine Stellung zu einer Prachtentfaltung von solchem Pomp verleitete, dass der Chronist Johann von Joinville sich nur wundern konnte. 1253 amtierte Johann von Jaffa als Stellvertreter des Regenten von Jerusalem, bevor er 1254–1256 selbst die Regentschaft übernahm. Während dieser Zeit hatte er eine Aff äre mit Plaisance von Antiochia, der Königinwitwe von Zypern. Johann starb im Jahr 1266. Er war ein intelligenter Mann gewesen, der schon in seiner Jugend Bekanntschaft mit den führenden Rechtsgelehrten des lateinischen Ostens gemacht hatte. Er selbst verfasste zwei juristische Werke: Eine Geschichte der Regentschaft des Königreichs Jerusalem, mit der er wohl die Vormachtstellung seiner eigenen Familie rechtfertigen wollte, sowie sein berühmtes Gesetzesbuch Le Livre des Assises („Das Buch der Assisen“), an dem er noch in den letzten beiden Jahren seines Lebens arbeitete, und das ein herausragendes Denkmal volkssprachlicher Rechtsliteratur im 13. Jahrhundert darstellt.
Novara freimütig zugab, dass er ebenfalls von Rudolf, aber auch von Johann von Ibelin aus Beirut und Balian Garnier aus Sidon gelernt hatte. Wir haben es also mit einer juristischen Schule zu tun, deren Angehörige zum weitaus überwiegenden Teil durch familiäre oder Gefolgsschaftsbeziehungen miteinander verbunden waren. Im Zentrum dieses Netzes von Beziehungen befand sich die Familie Ibelin, die bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die Herrschaften Beirut, Arsuf, Sidon, Caesarea, Tyrus und Jaffa in ihren Besitz gebracht hatte bzw. mit deren Besitzern verschwägert war. Die Ibelins stammten von Maria Komnena ab, die auch die Stammmutter des Jerusalemer Königshauses war, während die Abstammungsreihe der Könige von Zypern bei Eschiva von Ibelin begann, einer Cousine des alten Johann von Ibelin und der ersten Frau König
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Amalrichs I. von Zypern. Die Verbindung zwischen den beiden Familien wurde durch die Ehen der zypriotischen Könige Hugo II. und Hugo III. mit Angehörigen des Hauses Ibelin weiter gefestigt; eine Schwester Hugos III., Margarete von Antiochia, heiratete zudem Johann von Montfort, einen Herrn von Tyrus, dessen Großmutter väterlicherseits eine Ibelin gewesen war. Auch ist erwähnenswert, dass die führenden Köpfe aus der ersten Generation dieser Dynastie von Rechtsgelehrten in einer Verbindung zu der Adelsopposition gegen Guido von Lusignan in den 1180er- und 1190er-Jahren gestanden hatten. Rudolf von Saint-Omer war der Stiefsohn Raimunds III. von Tripolis. Die Ibelins Balian von Nablus und Johann von Beirut waren Vater und Sohn. Balian Garnier wiederum war der Sohn des Grafen Rainald Garnier aus Sidon und Enkel des bereits erwähnten Gerhard Garnier. Da juristisches Know-how und politischer Einfluss Hand in Hand gingen, überrascht es kaum, so viele führende Köpfe aus dieser Schule in der Opposition gegen die Krone wiederzufinden. Die schrift liche Überlieferung dieser Rechtsschule, darunter mehrere Gesetzestexte und historische Darstellungen, war für die damalige Zeit ungewöhnlich. Man findet in ihr die Konturen einer politischen Theorie, wie sie ganz ähnlich auch andernorts von oppositionellen Adelsbewegungen entworfen wurde und üblicherweise von einer verklärten Sicht auf die Geschichte herrührte, der Vorstellung von einem Goldenen Zeitalter, das im vorliegenden Fall unmittelbar nach dem Ersten Kreuzzug geherrscht haben sollte. Den Ausgangspunkt für die entsprechenden Überlegungen stellte dabei, wie es scheint, eine historische Interpretation der Eroberung Palästinas im Jahr 1099 dar. In den Augen der Juristen war Palästina von den Kreuzfahrern erobert worden, woraus ein Herrschaftsanspruch resultierte, der auf dem absolutesten aller Rechte beruhte: dem des Eroberers. Allerdings kam dieser Herrschaftsanspruch weder dem Papst noch den Königen von Jerusalem zu, denn der Erste Kreuzzug war – dieser Interpretation zufolge – eine Art von Völkerwanderung gewesen, die eines Anführers im eigentlichen Sinne entbehrt hatte: „Als dieses Land erobert wurde, so geschah dies nicht durch einen großen Herrn, sondern durch einen Kreuzzug, einen Zug von Pilgern und der Menge des Volkes.“ Also gehörte das so eroberte Land von Rechts wegen Gott und seinem Volk, das sich seinen Herrscher später selbst gewählt hatte. „Sie erhoben einen Herrscher durch Übereinkunft und Wahl, und sie übertrugen ihm die Herrschaft über das Königreich.“ Das sollte nun nicht heißen, dass die Könige von Jerusalem späterhin durch diesen Herrschaftsvertrag eingeschränkt gewesen wären. Die Juristen selbst betonten, dass die Nachfolger Gottfrieds von Bouillon ihr Königreich von Gottes Gnaden und auf der Grundlage eines ererbten Anrechts regierten. Allerdings glaubten sie, Gottfried habe nach seiner Wahl zum König eine Kommission eingesetzt, die sich mit den politischen Gepflogenheiten anderer Länder habe auseinandersetzen sollen. Nach Maßgabe der so gesammelten Informationen sowie späterer Studien habe Gottfried ein Gesetzeskorpus zusammengestellt, „auf dessen Grundlage er und seine Vasallen und sein Volk … regiert, behütet, erhalten, unterstützt und gerichtet werden sollten“. Die Gelehrten betonten, dass die besagte Gesetzessammlung durch die Entscheidung von Gottfrieds ganzem Hofstaat zustande gekommen sei. In einer besonders bemerkenswerten Passage entwirft Johann
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von Jaffa das Bild eines umfassenden Kanons von Gesetzen, die mit der beiderseitigen Zustimmung von Herrscher und Beherrschten niedergeschrieben worden sei – mit anderen Worten, einer Art schrift lich fi xierter Verfassung. Die Juristen behaupteten außerdem, die Könige von Jerusalem hätten zu allen Zeiten nicht nur geschworen, die Gesetze ihrer Vorfahren zu ehren, sondern zugleich, wie es dem Herkommen ebenfalls entsprochen habe, sämtliche Entscheidungen allein durch ihren Hofstaat zu fällen – sofern sie aber dies nicht geschworen oder nicht entsprechend dieser Vorgabe gehandelt hätten, seien sie – so die Kommentatoren – dazu eigentlich verpflichtet gewesen. Dieser letzte Aspekt ihrer Argumentation war es, den die Gelehrten zum Anlass nahmen, eine Beschränkung der königlichen Machtbefugnisse zu fordern. Die Anhänger dieser These waren geneigt, das Königtum fast völlig auf seine strukturelle Rolle innerhalb des Feudalsystems zu reduzieren, wobei dessen öffentliche Wirkung nur geringe Beachtung fand. In ihren Augen war der König vor allem le chef seigneur, ihr oberster Lehnsherr also, der ihnen gegenüber genauso verpflichtet war, wie sie sich durch ihren Lehnseid ihm verpflichtet hatten. Daraus folgte, dass Streitigkeiten zwischen dem König und seinen Lehnsleuten, bei denen die wechselseitige Verpflichtung beider Seiten ja erwartungsgemäß eine Rolle spielen würde, nirgends sonst als vor dem königlichen Gericht beigelegt werden konnten. Da es aber schon damals ein Gebot der Billigkeit darstellte, keine der Streitparteien in ihrer eigenen Sache das Urteil sprechen zu lassen, musste in einem solchen Verfahren den Vasallen des Königs, die mit ihm zu Gericht saßen, das letzte Wort zukommen – und nicht etwa dem König selbst. Dies betraf vor allem die ahndende Dimension der Rechtsprechung, die unter Umständen Körperstrafen oder den Einzug eines Lehens umfasste. „Der Lehnsherr darf weder Hand an das Leben oder das Lehen seines Vasallen legen, noch darf er einem anderen auft ragen, dies zu tun, es sei denn, er handelt mit dem Einverständnis [dem esgart oder der conoissance] seines Hofgerichts.“ Auf solche Richtlinien stößt man überall dort, wo es zur Opposition des Adels gegen seinen König kam, aber ihre strikte Umsetzung hätte ein effizientes Regieren unmöglich gemacht. Kein europäischer König hat sich jemals völlig an die Vorschriften des feudalen Herkommens gehalten, und die Könige von Jerusalem stellten in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Zwar erwiesen sich ihre adligen Opponenten als ungewöhnlich einfallsreich, doch wenn es darum ging, ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen, waren sie nicht gerade effizient – nicht zuletzt, weil ihre großen Ideen ihnen den Blick auf die politische Realität verstellten. So gingen sie dazu über, die Assise sur la ligece nach Kräften auszunutzen, ein Gesetz also, das der König ja ursprünglich einmal zu seinem eigenen Vorteil erlassen hatte. Aus der Sicht des Adels bestätigte die Assise, enstanden anhand eines konkreten Falls, in dem ein Herr von Sidon widerrechtlich enteignet worden war, lediglich den allgemeinen Umstand, dass im Rahmen eines Lehnsverhältnisses kein Lehnsherr – noch nicht einmal der König – gegen einen seiner Vasallen vorgehen konnte, ohne dass das Hofgericht in der betreffenden Sache zu einer förmlichen Entscheidung gelangt war. Hielt ein König sich nicht an diese Verpflichtung, so konnte der geschädigte Vasall ein ordentliches Verfahren vor dem Hofgericht verlangen; er konnte seinen eigenen Lehnsdienst einstellen oder
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seine Mitvasallen auffordern, ihm beizustehen. Diese forderten dann zunächst den König auf, die Beschwerde seines Gefolgsmanns ordnungsgemäß anzuhören. Wenn dieser sich weigerte, waren sie berechtigt, ihren Gefährten mit Gewalt aus dem Kerker zu befreien oder sein Lehen zu besetzen, immer vorausgesetzt, dass sie ihre Hand nicht gegen den König selbst erhoben. Oder sie konnten in einer feierlichen Zeremonie „alle gemeinsam und jeder für sich“ ihre Lehnsgefolgschaft dem König gegenüber aufkündigen. Das klingt sehr beeindruckend, und in einer Grenzgesellschaft wie dem Königreich Jerusalem, dessen Monarch auf die Waffenhilfe seiner Vasallen doch so stark angewiesen war, hätte es eigentlich funktionieren sollen. Die Sache hatte jedoch einen gewaltigen Haken: Die Strategie des Adels konnte eigentlich nur in einem Reich der Utopie Erfolg haben, in dem sämtliche Lehnsleute des Königs im Einklang miteinander entschieden und handelten und der Monarch sich überdies in vollkommener Abhängigkeit von ihnen und ihren Diensten befand. In einer Feudalutopie wie sie die Gesetzesbücher entwarfen, mochte das alles angehen. In der Realität der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts jedoch war der Adel des Königreichs Jerusalem kaum je einmal geeint, während der Reichtum, den der Handel brachte, die Könige von Jerusalem befähigte, zumindest für eine gewisse Zeit auch ohne die Dienste ihrer Vasallen auszukommen. Dies wurde bereits deutlich, als der Adel mit seiner Interpretation der Assise sur la ligece zum ersten Mal Ernst machte. 1198 verbannte König Amalrich II., in der Überzeugung, Rudolf von Saint-Omer sei an einem Mordkomplott gegen ihn beteiligt gewesen, diesen willkürlich aus seinem Reich. Rudolf reagierte, indem er seine Mitvasallen aufforderte, in seinem Namen eine ordentliche Verhandlung vor der Haute Cour anzumahnen. Als der König sich stur zeigte, drohten seine Vasallen ihm in aller Form, ihm ihre Gefolgschaft zu versagen, doch auch dies blieb ohne Erfolg. Rudolf von Saint-Omer konnte erst nach Amalrichs Tod im Jahr 1205 aus dem Exil zurückkehren. Jedoch vermochte, wie es scheint, noch nicht einmal dieses Fiasko den Glauben der Rechtskundigen an die Verbindlichkeit der Assise zu erschüttern. Das mag daran gelegen haben, dass sie bei einer späteren Gelegenheit tatsächlich Erfolg hatten. Im Juli 1228 landete Friedrich II. auf Zypern. Als Lehnsherr des minderjährigen Königs Heinrich hatte er schon zuvor die Vormundschaft über diesen verlangt, dazu die Einkünfte des Inselreiches für die Zeit bis zu Heinrichs Volljährigkeit. Nachdem es möglicherweise zu einem Bruch zwischen ihnen und dem Jerusalemer König Johann von Brienne gekommen war, hatte sich die Aufmerksamkeit der Ibelins ganz auf das Königreich Zypern konzentriert, wobei sie ihre Stellung auf der Insel wohl auch über die Grenzen der Legalität hinaus ausnutzten. Die Entschlossenheit Friedrichs II., sein Anrecht als Kaiser und Lehnsherr durchzusetzen, kollidierte unmittelbar mit den Ansprüchen Johanns von Ibelin-Beirut, der seinem Bruder Philipp als Vormund des jungen Königs von Zypern nachgefolgt war. Durch einen hochdramatischen Vorfall nach seiner Landung – er ließ bei einem Bankett seine einheimischen Gäste von Bewaffneten umzingeln – bekräftigte Friedrich II. seinen Anspruch noch einmal persönlich. Im Namen der Krone von Jerusalem befahl er Johann von Ibelin außerdem, sein Lehen Beirut aufzugeben, von dem der Kaiser behauptete, er habe es sich widerrechtlich angeeignet. Der Streit wurde beigelegt, bevor der Kaiser nach
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Palästina weitersegelte, doch im Mai des Folgejahres verpachtete er die Regentschaft des Königreichs Zypern an ein Konsortium zypriotischer Adliger, die mit den Ibelins verfeindet waren, und wies diese zudem an, seine und ihre Gegner zu enterben, ohne dass die Haute Cour dabei auch nur erwähnt wurde. Das bedeutete Bürgerkrieg. Friedrich erreichte Akkon im September 1228 und wurde dort als Regent anerkannt. Nachdem er die Stadt Jerusalem per Vertrag hatte gewinnen können, kehrte er nach Akkon zurück, um der Krone alle Autorität zurückzugeben, die diese – wie er glaubte – seit der Mitte des 12. Jahrhunderts eingebüßt hatte. Dabei ergriff der Kaiser zwei Maßnahmen, die er unmöglich rechtfertigen konnte: Er enteignete die Ibelins und deren Anhänger, indem er ihre Kronlehen im Umland von Akkon einzog. Und er unterstützte die Anwartschaft des Deutschen Ordens – dessen Ritter seine stärksten Unterstützer stellten – auf die Herrschaft Toron, wobei er den Anspruch des rechtmäßigen Erben einfach überging. Im Verlauf einiger turbulenter Wochen ergriffen die erbosten Vasallen des Königreichs die üblichen und – wie man allgemein annahm – ihnen zustehenden Maßnahmen: Sie eroberten die Besitzungen der Ibelins mit Waffengewalt zurück und drohten mit der Einstellung ihrer Lehnsdienste, wodurch sie den Kaiser auch tatsächlich zwangen, von seiner vorherigen Entscheidung zugunsten des Deutschen Ordens abzurücken. In ihrer Euphorie über den errungenen Sieg vergaßen sie bloß, dass Friedrich II., der noch immer exkommuniziert war, über keine nennenswerten Truppen verfügte und, von Sorgen über den Einfall eines päpstlichen Heeres in seine unteritalienischen Territorien geplagt, möglichst bald in die Heimat zurückkehren wollte, sich in einer ausnehmend schwachen Verhandlungsposition befunden hatte. Nach Friedrichs Abreise brach auf Zypern ein Bürgerkrieg aus, in dem die Parteigänger der Ibelins den Herrschaftsanspruch der fünf kaiserlichen „Regenten“ bestritten, die sich der Ibelin’schen Lehen bemächtigt hatten. Johann von Ibelin-Beirut rüstete ein Expeditionsheer zur Überfahrt nach Zypern, das die kaisertreuen Truppen am 14. Juli 1229 vor den Toren von Nikosia schlug. Die letzte Burg der kaiserlichen Partei ergab sich im darauffolgenden Sommer. Friedrich II. stellte eine starke Streitmacht unter dem Befehl seines Marschalls Richard Filangieri auf, den er zu seinem Stellvertreter auf Zypern bestellt hatte. Richard und seine Truppen setzten im Herbst 1231 die Segel in Richtung Osten, landeten allerdings nicht auf Zypern, sondern gingen in Palästina an Land, wo sie Beirut, die Residenzstadt Johanns von Ibelin auf dem Festland, angriffen und seine Zitadelle belagerten. Richard verlangte die Unterwerfung der Stadt Tyrus und bekam seinen Willen. Dann trat er vor einer Versammlung von Rittern und Bürgern in Akkon auf. Die dort Versammelten erkannten ihn vermutlich durchaus als den ordnungsgemäß ernannten Stellvertreter des rechtmäßigen – wenn auch abwesenden – Regenten an; man wies ihn jedoch auch darauf hin, dass das, was er da gerade in Beirut versuchte – einen Vasallen mit Gewalt aus seinem Lehen zu entfernen –, gegen das Gesetz verstoße. Nachdem Richard alle Aufforderungen, von Beirut abzulassen, ignoriert hatte, setzte Johann von Ibelin Anfang 1232 mit einer Streitmacht von Zypern auf das Festland über, um seine Zitadelle zu retten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in Akkon bereits eine Bürgerschaftsvertretung zusammengefunden, die aus einer schon zuvor bestehenden Bruderschaft
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hervorgegangen war und deren Zweck es anscheinend gewesen ist, den Widerstand gegen den Kaiser zu bündeln und andererseits sicherzustellen, dass Akkon, die bedeutendste Stadt im Krongut des Königreichs Jerusalem, nicht in die Hände Friedrichs II. fiel. Obwohl eine Reihe einflussreicher Kronvasallen, darunter der Graf Balian Garnier, der Johann von Brienne nahegestanden und den Ibelins zuvor eher ferngestanden hatte, sich nun der Sache Johanns von Ibelin-Beirut anschlossen, zeigen die Gründung dieses Bürgerrates von Akkon sowie sein Überleben während der nächsten zehn Jahre doch nur, wie ineffizient der komplizierte Mechanismus der Assise sur la ligece letztlich gewesen ist – selbst in der Interpretation des Adels. Als sich Johann von Ibelin an seine Mitvasallen gewandt hatte, geschah dies zwar ganz im Einklang mit der Assise, aber das erbärmliche Echo auf seine Bitte stand in scharfem Kontrast zu den großspurigen Versprechungen der gelehrten Theorie. Gerade einmal 43 seiner Gefährten kamen ihm im Norden zu Hilfe, gingen jedoch nicht gegen die kaiserlichen Truppen vor. Johann war gezwungen, nach Akkon zurückzukehren, wo er zum Stadthauptmann ernannt wurde und eine Truppe um sich scharte, die groß genug war, um Tyrus zu bedrohen. Das lockte Richard Filangieri und sein Belagerungsheer von Beirut herbei, wobei allerdings ein kleines Kontingent der Adelspartei nördlich von Akkon überrascht und besiegt wurde. In der Zwischenzeit hatten auf Zypern die Abwesenheit Johanns von Ibelin sowie sein gescheitertes Vorgehen gegen die Partei Friedrichs II. in Palästina den Anhängern des Kaisers auf der Insel genug Selbstvertrauen eingeflößt, sich erneut an deren Eroberung zu versuchen, wobei sie von Richard Filangieri unterstützt wurden. Allerdings fügten ihnen die Ibelins in der Schlacht von Agridi am 15. Juni 1232 eine vernichtende Niederlage zu. Mit der Einnahme von Kyrenia (dem heutigen Girne) ging der Bürgerkrieg auf Zypern im April 1233 endgültig zu Ende. Während der nächsten acht Jahre erfreute sich die ganze Region eines recht labilen Friedens. Zypern war fest in der Hand der Ibelins, und dasselbe galt für Beirut und zahlreiche weitere Lehen in Palästina. Im Krongut des Königreichs Jerusalem war zwar Akkon unter den Einfluss seines Bürgerrates gekommen, aber Tyrus und Jerusalem befanden sich in der Hand des Kaisers. In den Jahren 1232 bis 1241 kam es zu langen und fruchtlosen Verhandlungen zwischen dem Kaiser, dem Papst und Vertretern des ansässigen Adels. 1242 führte die wachsende Unterstützung für Friedrich II., dem sich nun auch die Johanniter angeschlossen hatten, zu einem coup de main, durch den beinahe Akkon an die Kaisertreuen gefallen wäre. Allerdings verfiel nun die Adelspartei auf die Fiktion, der junge König Konrad, der im darauffolgenden Jahr volljährig werden würde, brauche einen neuen Regenten. Man ernannte Alix von Champagne. Endlich gelang es nun auch dem Adel, Tyrus zu erobern; bald darauf wurde auch Jerusalem von der Opposition besetzt. Die Regentschaft von Alix’ Nachfolger Heinrich von Zypern war vor allem deshalb bemerkenswert, weil er zahlreiche Kronlehen an die führenden Vertreter des Hauses Ibelin vergab: Jaffa an Johann von Ibelin-Jaffa, Achziv an Balian von IbelinBeirut, Tyrus an Philipp von Montfort, einen Sohn der Helvis von Ibelin. Nicht weniger außerordentlich war allerdings die Unterstützung, die Heinrich von Papst Innozenz IV. erhielt, der im Jahr 1245 Kaiser Friedrich seiner sämtlichen Ämter enthoben hatte. Kraft
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seiner päpstlichen Autorität bestätigte Innozenz Heinrich zuliebe Urkunden und Privilegien, von denen einige offenkundig gefälscht waren, und entband Zypern von der Oberhoheit des römisch-deutschen Kaisers.
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In den 1250er-Jahren veränderte sich die Situation der Lateiner in Palästina und Syrien entscheidend zum Schlechteren: Die Mongolen betraten die Bühne. Im Jahr 1243 schlugen sie die Rumseldschuken in der Schlacht am Köse Daği in Anatolien. Anatolien wurde zum mongolischen Protektorat. Einige Jahre darauf, 1256, zerstörten die Mongolen das Hauptquartier der Assassinen, die Bergfestung Alamut in Iran. 1258 eroberten und plünderten sie Bagdad und besetzten das Gebiet des heutigen Nordirak. 1260 fielen sie in Syrien ein, brandschatzten Aleppo, zerschlugen die ayyubidischen Kleinfürstentümer im Norden und versetzten die Einwohner von Damaskus so sehr in Angst und Schrecken, dass diese sich den Mongolen unterwarfen. Im September desselben Jahres gelang es den ägyptischen Mamluken, die Mongolen in der Schlacht von ʿAin Dschalut zu besiegen. Bei den Mamluken handelte es sich um Eliteeinheiten von Militärsklaven, deren Heimat vor ihrer Versklavung zumeist außerhalb der islamischen Welt gelegen hatte. Zur fraglichen Zeit befanden sich unter ihnen zahlreiche Kiptschaktürken aus den Steppen Südrusslands. Die Mamluken waren schon seit geraumer Zeit ein tragender Bestandteil der islamischen Heere gewesen, und insbesondere in Ägypten waren sie zu Macht und Einfluss gelangt. So stammte aus ihren Reihen die ausgesuchte Leibwache, bahriya genannt, des Sultans as-Salih Ayyub. Die bahriya-Mamluken hatten sich unter anderem auch beim Sieg über den Kreuzzug Ludwigs IX. hervorgetan, aber der neue Sultan Turanschah, der seinem Vater as-Salih Ayyub nach dessen Tod am 22. November 1249 auf den Thron gefolgt war, misstraute ihnen und war bestrebt, sie in sämtlichen Staatsämtern durch Angehörige seines eigenen Militärgefolges zu ersetzen. Am 2. Mai 1250 wurde Turanschah durch Angehörige der bahriya ermordet, die sogleich Schadschar ad-Durr, die Favoritin des verstorbenen Sultans, zur Sultanin erhoben. Schadschar ad-Durr war eine Sklavin türkischer Abstammung, was sie den Mamluken ähnlich machte, und sie hatte in der Zeit zwischen dem Tod as-Salih Ayyubs und der Thronbesteigung Turanschahs die Geschicke Ägyptens gelenkt. Der ebenfalls türkischstämmige Mamlukenemir Aibak wurde zum obersten Heerführer und Gatten Schadschar ad-Durrs bestimmt, während ein kaum sechs Jahre alter Ayyubidenprinz namens al-Aschraf Musa zum Sultan erhoben wurde und einstweilen der Herrschaft Aibaks und Schadschar ad-Durrs einen Hauch von Legitimität verlieh. Ein Versuch der anderen Ayyubidenprinzen, Ägypten im Namen ihrer Dynastie zurückzuerobern, wurde zurückgeschlagen. Aibaks Herrschaft, die von Aufruhr und Repressionen gekennzeichnet gewesen war, endete am 10. April 1257, als ihn Schadschar ad-Durr im Bad ermordete. Sie selbst wurde kurz darauf ebenfalls „beseitigt“. Aibak folgte zunächst sein Sohn Nur ad-Din Ali nach, allerdings handelte es sich hierbei um eine Scheinnach-
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folge, wie sie für das Mamlukensultanat typisch werden sollte, und Ali blieb nur lange genug an der Macht, um einem weiteren Emir den Weg zum Th ron zu ebnen, woraufhin der legitime Erbe in der Versenkung verschwand. Angesichts der mongolischen Bedrohung wurde also auch Nur ad-Din Ali abgesetzt, wonach der Anführer der Mamlukengarde seines ermordeten Vaters, Saif ad-Din Qutuz, das Regiment übernahm und am 12. November 1259 zum Sultan proklamiert wurde. Qutuz war es auch, der die Mongolen bei ʿAin Dschalut schlug, doch auf der triumphalen Rückreise nach Ägypten wurde er am 24. Oktober 1260 auf Betreiben einer Gruppe von Emiren erdolcht, deren Anführer Baibars nicht nur Qutuz’ wichtigster Heerführer war, sondern auch bei der Ermordung Turanschahs eine führende Rolle gespielt hatte. Baibars bestieg nun seinerseits den ägyptischen Thron. Innerhalb von drei Monaten hatte er sich Damaskus gesichert und die Mamlukenherrschaft über Syrien und das nördliche Zweistromland ausgedehnt. Im Jahr 1261 installierte er ein Mitglied der Abbasidendynastie als Kalifen und verlegte den Sitz des Kalifats somit von Bagdad nach Kairo. Und dann begann er, die lateinischen Herrschaften zu beseitigen.
Die asiatischen Handelsrouten verschieben sich Die asiatischen Handelsrouten verschieben sich
Nach ʿAin Dschalut fanden die Lateiner mit einem Mal ihr Hinterland im Besitz zweier mächtiger Gegner: der Mongolen und der Mamluken. Das Grenzgebiet zwischen beiden lag im Nordirak. Bagdad war zerstört. Die Handelswege versanken im Chaos. Zugleich eröffnete jedoch die Einung Zentralasiens unter mongolischer Herrschaft zahlreiche Möglichkeiten, was die Einrichtung neuer Handelsrouten in den bzw. aus dem Fernen Osten betraf. Zwei von diesen neuen Wegen sollten ihre Bedeutung bis in das späte 14. Jahrhundert nicht verlieren. Der eine verlief vom Hafen von Hormus am Persischen Golf durch Iran bis nach Täbris, wo er sich teilte: Der eine Zweig führte nach Trapezunt am Schwarzen Meer; der andere wandte sich nach Süden, um bei Ayas in Kilikien auf die Mittelmeerküste zu stoßen. Ayas stieg im 13. Jahrhundert zu einem bedeutenden Handelshafen auf, der enge Verbindungen zu Famagusta auf Zypern unterhielt. Die andere große Route führte nördlich des Kaspischen Meeres durch Zentralasien und endete in einer Reihe von Häfen an der Nordküste des Schwarzen Meeres: Tana (heute Asow), Kaffa (Feodossija), Soldaia (Sudak) und Cembalo (Balaklawa). Die Auswirkungen dieser zweiten Verschiebung der asiatischen Handelsrouten innerhalb eines Jahrhunderts waren sogar noch tiefgreifender als die der vorigen. Die begehrlichen Blicke der italienischen Kaufleute begannen nun, sich von der Levante auf den Schwarzmeerraum zu richten, wobei aus Konkurrenz und Rivalität bald Spannungen erwuchsen. Konstantinopel, das die schmale Durchfahrt vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer kontrollierte, kam so eine neue Bedeutung zu, und als die Stadt im Juli 1261 wieder an die Griechen fiel, bedeutete das für die Venezianer, die am Schwarzen Meer seit 1204 Handel getrieben hatten, einen herben Rückschlag. Anfang desselben Jahres 1261 hatte der byzantinische Kaiser Michael VIII. Palaiologos einen Handelsvertrag mit den Ge-
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nuesen geschlossen, wodurch diesen im Großen und Ganzen dieselben Privilegien eingeräumt wurden, wie sie den Venezianern im Lateinischen Kaiserreich gewährt worden waren. Zwar sollten die Genuesen nie in den Genuss aller ihnen versprochenen Anrechte kommen – 1264 wurden sie sogar zeitweilig aus Konstantinopel verbannt –, aber sie erhielten doch zumindest ein Handelsquartier in Pera, Konstantinopel gegenüber auf der anderen Seite des Goldenen Horns gelegen, sowie Zugang zum Schwarzen Meer. Die Kriegsflotten der Italiener patroullierten nun regelmäßig in der Ägäis, und in den 1260erJahren dehnte sich der Seekrieg zwischen den italienischen Handelsmächten auf den ganzen östlichen Mittelmeerraum aus. Erst 1270 kam es zu einem Friedensschluss, der in der Hauptsache darauf zurückzuführen war, dass Ludwig IX. von Frankreich für seinen geplanten Kreuzzug eine Flotte benötigte. Aber die Genuesen verfolgten die Erweiterung ihres Einflussbereiches, und das bedeutete wiederum Krieg: gegen die Pisaner, die sich in den 1280er-Jahren im Osten ausgebreitet hatten; und gegen die Venezianer, mit denen es am Ende des Jahrhunderts zum großen Konflikt kam. In ihrem Frühstadium manifestierte sich die erbitterte Rivalität zwischen Genua und Venedig in den Straßenschlachten, die 1256 bis 1258 in Akkon tobten. Der sich anschließende Großkonflikt ist als „Krieg von Saint-Sabas“ bekannt geworden, weil er durch einen Streit ausgelöst wurde, in dem es um den Grundbesitz des Klosters Saint-Sabas in Akkon ging. Am Ende waren so viele unterschiedliche Konfliktparteien in die Auseinandersetzung zwischen Genuesen und Venezianern hineingezogen worden, dass man durchaus von einem allgemeinen Bürgerkrieg in der lateinischen Levante sprechen könnte. Die Mutterstädte Venedig und Genua, aber auch Pisa, das zunächst die Genuesen unterstützte, 1257 jedoch auf die Seite der Venezianer überlief, sandten Kriegsschiffe und Soldaten. In den Straßen von Akkon wurden Belagerungsmaschinen in Stellung gebracht, und die Italiener befestigten ihre jeweiligen Viertel. Die übrigen Einwohner von Akkon sahen sich gezwungen, entweder die eine oder die andere Seite zu unterstützen. Die örtlichen Lehnsnehmer waren ebenfalls in zwei Lager gespalten, wobei den Ausschlag für eine Parteinahme oft mals lange Vorgeschichten von Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten gaben, die die einzelnen Adligen mit den italienischen Kaufleuten gehabt hatten. Die meisten führenden Herren des Königreichs Jerusalem, darunter Johann von Ibelin-Arsuf, der 1256 die Regentschaft übernahm, favorisierten die Genuesen, aber eine einflussreiche Gruppe um Johann von Ibelin-Jaffa, der die Regentschaft bei Ausbruch des Krieges innegehabt hatte, ergriff Partei für die Venezianer und bewirkte schließlich sogar einen erneuten Regentenwechsel. Der junge Hugo von Zypern, der zu dieser Zeit noch ein Kind war, übernahm nominell die Regentschaft im Königreich Jerusalem, die de facto jedoch von seiner Mutter Plaisance von Antiochia ausgeübt wurde. Plaisance favorisierte die Venezianer. Der Krieg wurde erst entschieden, als im Juni 1258 eine gewaltige Seeschlacht zwischen den Flotten der Venezianer und Genuesen mit einem Sieg der Venezianer endete. Die Genuesen hatten die Hälfte ihrer Galeeren verloren; 1700 Matrosen waren entweder getötet worden oder in venezianische Gefangenschaft geraten. Die Genuesen beschlossen daraufhin, Akkon zu verlassen und sich ganz auf Tyrus zu konzentrieren. Die Venezianer übernahmen einen Teil des genuesi-
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schen Viertels von Akkon und umgaben ihren neugewonnenen Besitz mit einer Verteidigungsmauer, deren Überreste noch heute zu sehen sind. In dem Maß, in dem sich die Abläufe des Levantehandels veränderten, nahm das Handelsvolumen der Waren ab, die in den christlichen Hafenstädten an der Mittelmeerküste umgeschlagen wurden. Schon bald machte sich die angespannte Finanzlage deutlich bemerkbar. Ende der 1250er-Jahre begann Julian Garnier, der Graf von Sidon, Teile seiner Grafschaft an den Deutschen Orden abzugeben; 1260 verpachtete er das verbliebene Territorium an die Templer. Das war eine riskante Vorgehensweise, aber Julians Besitzungen waren durch muslimische Angriffe stark in Mitleidenschaft gezogen worden; ein Überfall der Mongolen kurz vor der Schlacht von ʿAin Dschalut scheint der letzte Strohhalm gewesen zu sein. Bei ihrem Vorstoß waren die Mongolen sogar nach Sidon selbst eingedrungen und hatten die Stadtmauern zerstört. Einen Wiederaufbau konnte sich Julian nicht leisten. Im Jahr 1261 verpachtete Balian von Ibelin-Arsuf seine Herrschaft an den Johanniterorden. Wenn man bedenkt, wie kostspielig Befestigungsanlagen und deren Besatzungen in der Regel waren, grenzt es an ein Wunder, dass so viele Adlige überhaupt so lange an ihren Lehen festhielten. Allerdings kann man, darauf hat Steven Tibble hingewiesen, die genannten Vorgänge auch anders interpretieren: Womöglich verfügten Sidon und Arsuf als einzige Territorien noch über so viele Ressourcen, Geld und Güter, dass sich überhaupt jemand für sie interessierte – ob nun als Pächter, Käufer oder Eroberer.
Die Eroberungen des Sultans Baibars Die Eroberungen des Sultans Baibars
Nachdem er seine Herrschaft über die muslimischen Gebiete Syriens ausgedehnt hatte, begann Sultan Baibars damit, ganz systematisch den Einflussbereich der christlichen Lateiner zu beschneiden. Wie Saladin war auch Baibars ein Fremder – in seinem Fall ein Kiptschaktürke –, aber im Gegensatz zu Saladin stammte er nicht aus einer Gegend mit einer langen muslimischen Tradition und blieb im Grunde seines Herzens stets ein türkischer Stammesfürst und Krieger. Baibars war ein hinterlistiger und skrupelloser Mann, aber er war auch ein tüchtiger Verwalter und fähiger Feldherr – ein wesentlich besserer Stratege, als Saladin es gewesen war –, und seine streng methodische Herangehensweise bei der Rückeroberung der levantinischen Küstenebene legte das Fundament für die schließliche Vertreibung der Lateiner im Jahr 1291. Alles begann 1263 mit einem verheerenden Überfall auf Galiläa, in dessen Verlauf Baibars’ Truppen unter anderem die Kathedrale von Nazareth in Schutt und Asche legten. 1265 nahmen sie Caesarea und Arsuf ein und besetzten zeitweise Haifa. 1266 folgte die Templerburg Safed, 1268 Jaffa, Beaufort – ebenfalls eine Templerfeste – und die Stadt Antiochia, 1271 schließlich eine weitere Burg der Templer, Safita, sowie die Johanniterburg Krak des Chevaliers und das vom Deutschen Orden gehaltene Montfort. Bis zum Tod des Sultans am 30. Juni 1277 waren die lateinischen Siedler auf einen schmalen Küstenstreifen zwischen Margat im Norden und ʿAtlit im Süden zurückgeworfen worden; eine zusätzliche Enklave bestand um das weiter nördlich gelegene Latakia. Baibars’ Feldzüge folgten keineswegs einer un-
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gezügelten Zerstörungswut. Einerseits wollte er, wie es scheint, den Europäern die Errichtung neuer Brückenköpfe auf den gerade von ihm zurückeroberten Küstenabschnitten so schwer wie möglich machen; andererseits sorgte er dafür, dass die ägyptische Schiff fahrt nun endlich wieder frisches Trinkwasser und andere Vorräte aus den Häfen beziehen konnte, die ihr zuvor seit 1197 verwehrt gewesen waren. Gewiss: Arsuf, Caesarea, Antiochia und Montfort wurden gänzlich oder in Teilen zerstört, aber Jaffa überstand den Ansturm unbeschadet, während Baibars den Landbesitz in den Herrschaften Arsuf und Caesarea unter seinen Emiren aufteilte und diesen die Burg Caco (Qaqun) zum Stützpunkt gab. Die ganze Gegend zwischen den neuen Landgütern und der Küste überließ er jedoch nomadischen Stämmen. Der Krak des Chevaliers sowie die Burgen von Beaufort und Safed wurden wieder instandgesetzt und mit Garnisonen versehen, ebenso Hunin und Toron. Im Ergebnis war Akkon von einem Ring aus Mamlukenfestungen umgeben, als hätte sich eine Schlinge um den Hals des verbliebenen lateinischen Territoriums gelegt. Baibars scheint jedoch nie einen ernsthaften Versuch unternommen zu haben, Akkon selbst einzunehmen. Zwar unternahmen seine Truppen mehrere Überraschungsangriffe auf die Stadt, doch handelte es sich dabei wohl tatsächlich nur um improvisierte Streifzüge, denen die hauptsächlichen Merkmale von Baibars’ ernstem strategischen Vorgehen – sorgfältige Planung und Rüstung nämlich – völlig abgingen. Anscheinend war dem Sultan vollkommen bewusst, dass der Wohlstand seines eigenen Reiches noch immer zu einem Gutteil von den in Akkon umgeschlagenen Waren abhing; womöglich zögerte er, das wirtschaft liche Wohlergehen seiner Territorien durch einen voreiligen Angriff auf diesen wichtigen Handelsplatz unnötig zu gefährden.
Die Zerschlagung der lateinischen Herrschaften in Palästina und Syrien Die Zerschlagung der lateinischen Herrschaften in Palästina und Syrien
Die Siedler waren gespalten, was das weitere Vorgehen gegen ihre Widersacher betraf. Bohemund VI. von Antiochia-Tripolis, der seinem Vater Bohemund V. im Jahr 1252 nachgefolgt war, schloss gemeinsam mit seinem Schwiegervater König Hethum I. von Kleinarmenien ein Bündnis mit den Mongolen und eroberte mit einem mongolischen Heer im März 1260 Damaskus. In der Folge gelang es Bohemund, seine syrischen Besitzungen zu vergrößern. Die Stadtoberen von Akkon andererseits, die wohl der – durchaus plausiblen – Ansicht waren, die unmittelbare und sehr konkrete Bedrohung durch die Mongolen müsse um jeden Preis zurückgeschlagen werden, gestatteten es dem Mamlukensultan Qutuz vor der Schlacht von ʿAin Dschalut, drei Tage lang mit seinem Heer vor Akkon zu lagern, und versorgten die muslimischen Truppen außerdem mit Proviant. Selbst innerhalb des Königreichs Jerusalem schlugen nun einige Territorialherren ihren eigenen Weg ein. In den 1250er-Jahren sorgte, wie es scheint, Johann von Ibelin-Jaffa dafür, dass seine Grafschaft von einem Waffenstillstandsvertrag mit dem Herrscher von Damaskus ausgenommen wurde; er wollte wohl von Jaffa aus auf eigene Faust militärisch gegen die Muslime vorgehen. In den Jahren 1261 und 1263 schloss Johann gemeinsam
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mit seinem Vetter Johann II. von Ibelin-Beirut und den Johannitern von Arsuf einen Waffenstillstand mit Baibars und zeigte sich sogar bereit, das ägyptische Heer in Jaffa seine Marschvorräte auff üllen zu lassen. 1269 schloss auch Isabella von Beirut einen Vertrag mit Baibars, der es ihr erlaubte, eine Forderung des Königs nach Isabellas servise de mariage – mit anderen Worten: die Zwangsverheiratung auf Anordnung ihres Lehnsherrn – abzuwenden. Separatverträge mit Sultan Qalawun, der den Mamlukenthron 1279 usurpiert hatte, schlossen in den Jahren 1282 und 1283 die Templer, 1285 Margarete von Tyrus. Die betreffenden Herrinnen und Herren machten natürlich nur von den Anrechten der Markherrschaft Gebrauch, die ihnen aufgrund der besonderen Grenzlage ihrer Territorien zustanden. Dennoch zeigt die große Anzahl von Separatverträgen, die in dieser Zeit mit den Muslimen geschlossen wurden, wie schwach die Zentralgewalt der Jerusalemer Krone mittlerweile geworden war. Tatsächlich wurden die einzelnen lateinischen Territorien von Streitigkeiten im Inneren zersplittert. Um die Grafschaft Tripolis etwa stritten sich gleich mehrere Parteien, darunter eine, die sich aus italienischen Einwanderern zusammensetzte und deshalb als die „Partei der Römer“ bekannt war. Die „Römer“ waren von der zweiten Frau Bohemunds V., Lucia von Segni, einer Großnichte Papst Innozenz’ III., nach Tripolis eingeführt worden. Lucias Bruder Paul von Segni, Bischof von Tripolis, war ihr Anführer. Die „Römer“ gewannen während der Regierungszeit von Lucias Sohn Bohemund VI. beständig an Einfluss. Als Bohemund VII. im Jahr 1277 aus Kilikien herbeigezogen kam, um die Regierungsgeschäfte in der Grafschaft zu übernehmen, widersetzten sich seiner Herrschaft nicht nur die „Römer“, sondern auch die Templer. Dieser Opposition schloss sich bald Guido Embriaco an, der Herr von Dschubail, den Bohemunds Weigerung verärgert hatte, der Heirat von Guidos Bruder mit einer Erbin aus derselben Gegend zuzustimmen. Sechs Jahre lang wurde die Grafschaft von einem Bürgerkrieg geplagt, der erst zu einem Ende kam, als Bohemund Guido von Dschubail, dessen Brüder Johann und Balduin sowie einen weiteren Verwandten namens Wilhelm in einem Verließ einmauern ließ, wo sie verhungerten. Die Thronbesteigung Hugos von Antiochia-Lusignan als Hugo I. von Jerusalem im Jahr 1269 stieß ebenfalls auf Widerstand. Seit dem Tod Balduins V. im Jahr 1186 war Hugo der erste Angehörige seines Hauses, der nicht nur dem Namen nach König von Jerusalem war, sondern auch tatsächlich dort residierte. Seine Tante Maria von Antiochia, eine Enkelin der Königin Isabella I. von Jerusalem, erhob ihrerseits Anspruch auf den Thron, mit der Begründung, sie sei eine nähere Erbin Isabellas II., die als letzte Herrscherin von Jerusalem tatsächlich im Heiligen Land Präsenz gezeigt hatte. Rein rechtlich betrachtet, war Marias Anspruch der solidere, aber die Haute Cour, die befugt war, gemeinschaft lich einen obersten Lehnsherrn auszuwählen, ignorierte Maria und entschied sich stattdessen für Hugo, einen Mann, der nicht nur jünger war als seine Tante, sondern auch schon König von Zypern. Maria legte in Rom Berufung ein, wo man ihren Fall 1272 anhörte. Auf den Rat der Templer hin – und vermutlich mit dem Einverständnis des Papstes – bot sie an, das Königreich Jerusalem an Karl von Anjou zu verkaufen. 1276 stellte die Kurie das Verfahren ein, und der Verkauf der Krone von Jerusalem an Karl von Anjou wurde bis zum März 1277 abgeschlossen.
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Hugo hatte in der Zwischenzeit feststellen müssen, dass der verbliebene Rest des Königreichs Jerusalem faktisch unregierbar war. Er bemühte sich, mit Autorität aufzutreten. Vielleicht bestand er auch auf dem Vorrecht seines Hofgerichts, in Eigentumssachen zu entscheiden, die italienischen Besitz außerhalb der Handelsquartiere betrafen. Hugo entschied sich, die Zweckentfremdungen von Lehen oder von Teilen des Kronlandes, die sich in den Jahren der Regentschaft ereignet hatten, nicht automatisch zu ahnden. Dennoch deutet manches auf eine Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturen unter seiner Herrschaft hin, so etwa die Herausbildung eines engeren Kronrates und die nun beginnende Verwendung eines Geheimsiegels. Zur selben Zeit musste der König sich allerdings auch mit einigen Fällen von Ungehorsam auseinandersetzen, darunter der Weigerung Isabellas von Beirut, der Pflicht zum servise de mariage nachzukommen, sowie der Anfeindungen durch die Templer, deren neuer Großmeister Wilhelm von Beaujeu mit dem französischen Königshaus – und somit eben auch mit Karl von Anjou – verwandt war. Hugo I. muss gewusst haben, dass Karl – dessen Einfluss im östlichen Mittelmeerraum mittlerweile beträchtlich war – bereits daran war, die Durchsetzung seiner eigenen Ansprüche auf die Krone von Jerusalem in die Wege zu leiten, wobei ihn nicht nur der Papst, die Templer und die Venezianer unterstützten, sondern auch – und das war vielleicht entscheidend – jenes französische Truppenkontingent, das seit seiner erstmaligen Stationierung in Akkon im Jahr 1254 eine immer größere Bedeutung für das Königreich angenommen hatte. Tatsächlich waren die Hauptleute dieser französischen Soldaten mittlerweile in das politische Establishment des lateinischen Ostens aufgestiegen, war ihnen doch – gewissermaßen „qua Amt“ – die Seneschallwürde des Königreichs Jerusalem verliehen worden. Die politische und militärische Stärke Karls von Anjou muss vielen Siedlern als eine Art Lebensversicherung ihres Gemeinwesens erschienen sein, und der Papst dachte wohl ganz ähnlich. Im Oktober 1276 reiste Hugo überstürzt aus Palästina ab, mit der Begründung, sein Königreich sei vollkommen unregierbar. Elf Monate später, im September 1277 traf dort der Bevollmächtigte Karls von Anjou Roger von San Severino, ein und beanspruchte im Namen seines Herrn die Regierung. Jetzt hätten sich eigentlich die trotzigen Einsprüche und das Pochen auf die Tradition wiederholen können, mit denen schon Friedrich II. in der Levante empfangen worden war, insbesondere, da Roger angewiesen war, allen widerspenstigen Vasallen ihre sofortige Enteignung und Verbannung anzudrohen. Am Ende leisteten die Lehnsleute des Königreichs Jerusalem kaum nennenswerten Widerstand, vielleicht weil sie wussten, dass Karl von Anjou den Papst auf seiner Seite hatte. Die Adelsopposition, die solche Theorien hervorgebracht und in der Vergangenheit stets den zähesten Widerstand geleistet hatte – sie nahm ihren Abschied mit einem leisen Wimmern. Mit der Machtübernahme Karls von Anjou wurde das Königreich Jerusalem Teil eines Großreiches im östlichen Mittelmeerraum, dem man die langfristige Erhaltung der lateinischen Territorien durchaus zutrauen durfte. Auch für das französische Kontingent in Akkon übernahm Karl nun die Verantwortung. Ganz ohne Widerspruch wurde die angevinische Herrschaft jedoch nicht aufgenommen, und in den Jahren 1277 bis 1286 war das christliche Palästina sogar stärker gespalten als je zuvor. Johann von Montfort
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und Isabella von Beirut verfolgten jeweils ihre eigenen Ziele, ohne sich dabei sonderlich um irgendeinen König zu kümmern. Hugo von Antiochia-Lusignan wiederum stattete, wohl in der Hoffnung, sein Königreich doch noch irgendwie zurückzugewinnen, in den Jahren 1279 und 1284 Tyrus, 1283 Beirut Besuche ab. Hugo starb am 4. Mai 1284 in Tyrus; Nachfolger als König von Zypern und Jerusalem wurde sein Sohn Johann, der seinen Vater jedoch nur um ein knappes Jahr überlebte, woraufhin sein jüngerer Bruder Heinrich die beiden Kronen übernahm. In der Zwischenzeit waren auf die Sizilianische Vesper der Tod Karls von Anjou und der Zerfall des angevinischen Großreiches gefolgt. Die Mehrheitsmeinung im Heiligen Land favorisierte nun wieder das zypriotische Königshaus, und so entschied sich der neue französische König Philipp IV. realistischerweise dafür, in einem Anflug von Realitätssinn, die Anjou fallenzulassen und stattdessen den Anspruch der Lusignans zu unterstützen; die Finanzierung der französischen Truppen in Akkon übernahm er nun auch wieder selbst. Am 4. Juni 1286 landete Heinrich II. von Zypern in Akkon und wurde am 15. August in der Kathedrale von Tyrus, die mittlerweile der übliche Krönungsort geworden war, zum König von Jerusalem gekrönt. Danach kehrte der gesamte Hofstaat nach Akkon zurück, wo zwei Wochen lang getafelt, gespielt und gefeiert wurde. Zum Festprogramm gehörten auch Schauspieldarbietungen, etwa von Szenen aus der Geschichte von König Artus’ Rittern der Tafelrunde oder dem Roman de Troie. Es sollte das letzte große Fest sein, das die Lateiner in Akkon feierten, denn die Mamluken befanden sich wieder auf dem Vormarsch. Schon 1285 waren ihnen die große Johanniterfestung Margat und die Stadt Maraclea (Maraqiya) in die Hände gefallen. 1287 nahmen sie Latakia ein. Zwei Jahre darauf begann Sultan Qalawun, der schon seit einiger Zeit oppositionelle Umtriebe in der Grafschaft unterstützt hatte, eine Offensive gegen Tripolis, dessen einzelne Parteiungen – ein Erbe des verheerenden Bürgerkrieges – noch immer in erbitterter Feindschaft zueinander standen. Bohemund VII. war am 19. Oktober 1287 gestorben, und seine Schwester Lucia, deren Thronanspruch durch einen Zusammenschluss von Bürgern unter genuesischem Schutz infrage gestellt worden war, konnte die Herrschaft erst nach langen Verhandlungen antreten. Als die Belagerung von Tripolis begann, suchten Venezianer und Genuesen ihr Heil in der Flucht, und ein Generalangriff der muslimischen Belagerer am 26. April 1289 stieß auf nur wenig organisierten Widerstand. Die Gräfin entkam zwar zusammen mit Amalrich von Tyrus, dem jüngeren Bruder des Königs Heinrich von Zypern, der zwischenzeitlich mit Verstärkungen eingetroffen war, aber die meisten Verteidiger der Stadt hatten nicht so viel Glück und wurden massakriert. Dann zog das Mamlukenheer weiter und besetzte Enfeh und Batrun. Von der lateinischen Grafschaft Tripolis war nichts mehr übrig außer der bedeutenden Templerfestung Tartus und der Stadt Dschubail, die jetzt von einem Vetter der Grafen von Tripolis gehalten wurde, der die Tochter des örtlichen Grundherrn geheiratet hatte. Diesem Herrscherpaar wurde es – gemeinsam mit den restlichen lateinischen Einwohnern von Dschubail – bis etwa 1302 gestattet, unter muslimischer Aufsicht in der Stadt zu verbleiben. Die Christen von Akkon sandten nach Europa und baten dringend um Hilfe. Im Au-
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gust 1290 trafen dann tatsächlich auch zwanzig venezianische und fünf aragonesische Galeeren ein, die ein Kontingent schlecht ausgerüsteter Kreuzfahrer aus Oberitalien mit sich führten. Zwar war es den Lateinern gelungen, mit Qalawun einen zehnjährigen Waffenstillstand auszuhandeln, aber schon bald ergab sich für die Mamluken ein Vorwand, dieses Abkommen zu brechen, als nämlich die italienischen Kreuzfahrer revoltierten und einige muslimische Bauern aus der Umgebung von Akkon töteten, die in die Stadt gekommen waren, um ihre Ernte auf dem Markt zu verkaufen. Qalawun starb am 4. November 1290, sein Sohn al-Aschraf Khalil übernahm den Oberbefehl über das Mamlukenheer und die laufenden Kriegsvorbereitungen. Im März 1291 marschierten die Mamluken in Ägypten los; auf ihrem Weg schlossen sich ihnen überall Kontingente aus den anderen Teilen ihres Reiches an. Am 5. April traf eine riesige Streitmacht – mit einem nicht minder beeindruckenden Tross von Belagerungsgeräten – vor Akkon ein. Bis zum 8. Mai war der äußere Befestigungsring derart beschädigt, dass den Verteidigern nichts anderes übrig blieb, als ihn aufzugeben. Ein mamlukischer Generalangriff am 18. Mai überwältigte die Stadt vollends. König Heinrich, der am 4. Mai in Akkon eingetroffen war, entkam mit seinem Bruder Amalrich auf einem Schiff nach Zypern, desgleichen einige Adlige mit ihren Familien. Über eine Evakuierung der restlichen Bevölkerung hatte man sich jedoch wenig Gedanken gemacht, und ein großer Teil der christlichen Bevölkerung starb von der Hand der mamlukischen Eroberer. Bis zum Abend war die direkt am Meer gelegene Klosterfestung der Templer der einzige Teil von Akkon, der sich noch in christlicher Hand befand. Begonnene Kapitulationsverhandlungen verliefen im Sande. Die Mamluken unterminierten den Bau, und als der Sultan am 28. Mai die Erstürmung der Templerburg befahl, stürzte diese in sich zusammen, wobei sie Angreifer und Verteidiger gleichermaßen unter ihren Trümmern begrub. Tyrus war bereits am 19. Mai aufgegeben worden. Sidon wurde Ende Juni von den Mamluken eingenommen, obwohl seine Küstenfestung noch bis zum 14. Juli aushielt. Beirut kapitulierte am 31. Juli; Tartus und ʿAtlit evakuierten die Templer am 3. und am 14. August. Abgesehen von der Templergarnison auf der unmittelbar vor Tyrus gelegenen Insel Arwad, die noch bis 1302 bestand, und der bereits erwähnten christlichen Schattenherrschaft über Dschubail, war die Präsenz der christlichen Lateiner in Palästina und Syrien damit an ihr Ende gekommen – obwohl im 14. Jahrhundert unter den Muslimen das Gerücht umging, die Könige von Zyprus setzten von Zeit zu Zeit heimlich nach Tyrus über, um sich in den Ruinen der dortigen Kathedrale in einer nächtlichen Geheimzeremonie auch zu Königen von Jerusalem krönen zu lassen.
10. Die Vielfalt der Kreuzzugsidee (ca. 1291–1523) Die Vielfalt der Kreuzzugsidee (ca. 1291–1523)
Auch im Spätmittelalter war die Kreuzzugsbewegung noch durchaus lebendig. Der päpstlichen Kurie war der Kreuzzug noch immer ein Anliegen, und es verging kaum ein Jahr – zumindest im 14. Jahrhundert –, in dem es nicht irgendwo einen Kreuzzug gab. Den begeisterten Kreuzfahrern dieser späteren Jahre standen im Großen und Ganzen dieselben Optionen offen wie ihren Vorgängern. Humbert II. von Vienne folgte 1345 dem Aufruf zum Kreuzzug gegen Smyrna, nachdem er zuvor schon Interesse an einem geplanten Kreuzzug auf die Kanarischen Inseln gezeigt hatte. Von Heinrich von Grosmont, seines Zeichens Herzog von Lancaster, heißt es, er sei als Kreuzfahrer nach Granada, Preußen, Rhodos und Zypern gezogen. Zahlreiche englische Adlige und Ritter waren an derartigen Unternehmungen beteiligt, darunter auch – eher am unteren Ende der Gesellschaftsskala – der Kreuzfahrer Nicholas Sabraham, der in Alexandria, Konstantinopel und Nessebar in Bulgarien gewesen war. Der Ritter aus Geoff rey Chaucers im späten 14. Jahrhundert niedergeschriebenen Canterbury Tales, der in Preußen, Litauen und Russland „gereist“ war (hadde … reysed) und an Feldzügen in Spanien, Ägypten oder Kleinasien teilgenommen hatte, kommt wie alle guten Karikaturen der Wahrheit nahe: A knyght ther was, and that a worthy man, That fro the tyme that he first bigan To riden out, he loved chivalrie, Trouthe and honour, freedom and curteisie. Ful worthy was he in his lordes werre, And therto hadde he riden, no man ferre, As wel in Cristendom as in hethenesse, And evere honoured for his worthynesse. At Alisaundre he was when it was wonne. Ful ofte tyme he hadde the bord bigonne Aboven alle nacions in Pruce; In Lettow hadde he reysed and in Ruce, No Cristen man so ofte of his degree. In Gernade at the seege eek hadde he be Of Algezir, and riden in Belmarye. At Lyeys was he and at Satalye, Whan they were wonne; and in the Grete See At many a noble armee hadde he be. Es war ein Ritter da, ein würd’ger Mann, Der, seit den ersten Kriegsritt er begann,
Kreuzzugstheorien im 14. Jahrhundert
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Von Herzen liebte Rittertum und Streit Und Freimut, Ehre, Wahrheit, Höflichkeit, Und tapfer focht im Dienste seines Herrn. Geritten war wohl keiner je so fern Wie er in Christenland und Heidentum, Und überall gewann er Preis und Ruhm. Bei der Erob’rung Alexandrias War er zugegen. Oft bei Tafel saß Vor allem Volk er obenan in Preußen; Gereist wie er, bei Letten und bei Reußen, War kaum ein Christenmensch von seinem Stand. Er war in Granada, als man berannt Dort Algesir. Er ritt nach Belmarie Und focht vor Layas und vor Satalie, Als man sie einnahm; und im großen Meere Bestand er manche Waffentat mit Ehre. (Übersetzung: Adolf von Düring, Straßburg 1883–1886)
Früher dachte man, das Interesse an der Kreuzzugsbewegung habe sich in dieser Zeit immer mehr auf den Adel – im weitesten Sinne – beschränkt, was wiederum auf dessen Verhaltenskodex zurückzuführen sei, in dem das Kreuzfahrertum eine wichtige Rolle gespielt habe. Es stimmt durchaus, dass die Kreuzfahrerheere mit der Zeit immer „professioneller“ wurden – wenn man dieses Wort benutzen kann –, denn sie wurden durch den Einsatz von Söldnern und Dienstverträgen immer disziplinierter. Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch die enormen Summen, die infolge der umfassenden Besteuerung der Kirche zur Verfügung standen, obwohl es für europäische Könige durchaus nicht unüblich war, Zusagen zu machen, die sie überhaupt nicht einzuhalten gedachten, nur um an diese Gelder zu kommen. Andererseits zeigt die erfolgreiche Rekrutierung von Kreuzfahrern aus der Bauernschaft im 15. Jahrhundert, dass die Kreuzzugsbewegung noch immer auf Zuspruch vonseiten des einfachen Volkes hoffen durfte, wenn auch erste Anzeichen für ein Nachlassen dieser Resonanz auftraten. Die Komplexität der europäischen – und insbesondere der inneritalienischen – Politik machte es beinahe unmöglich, dem Vormarsch der Türken eine nach einheitlichen Grundsätzen geführte Abwehrpolitik entgegenzusetzen. Die Folge waren Überdruss, Demoralisierung und ein spürbares Nachlassen der Kreuzzugsbegeisterung in den Teilen Europas, die nicht unmittelbar mit den Muslimen konfrontiert waren.
Kreuzzugstheorien im 14. Jahrhundert Kreuzzugstheorien im 14. Jahrhundert
Der Fall von Akkon inspirierte die Verfasser einer wahren Flut von Kreuzzugstraktaten, die – mit wechselnder Häufigkeit – das ganze 14. Jahrhundert hindurch erschienen. Ihre Verfasser mussten der Tatsache ins Auge sehen, dass nun ein echter Kraftakt vonnöten
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war; schließlich ging es nicht länger bloß darum, einen bestehenden Brückenkopf zu stärken: Eine Invasion im großen Stil war unumgänglich. Unter anderem griff man auf das alte Argument von der Iberischen Halbinsel zurück, eine erfolgreiche Reconquista dort werde die Eroberung Jerusalems nach sich ziehen, da die Kreuzfahrerheere danach unbehelligt durch Nordafrika würden marschieren können. Einigen Autoren gefiel auch die Vorstellung, ein Bündnis mit einer jener Großmächte einzugehen, die jenseits der Levante lauerten – insbesondere mit den Mongolen. Im weiteren Verlauf wandte sich dieser Gedankengang einer möglichen Umgehung der muslimischen Territorien über deren Flanken zu. Im Ergebnis sollte dies schließlich zum Kampf portugiesischer und ägyptischer Schiffe im Indischen Ozean führen und die Suche nach einem westlichen Seeweg nach Indien auslösen. Insbesondere vier Handlungsvorschläge, die bereits vor dem Fall von Akkon kursierten, tauchen immer wieder auf. Der erste Vorschlag zielte auf die Ritterorden, die zu einem einzigen großen Orden zusammengeführt werden sollten. Der zweite Vorschlag – der unmittelbar mit dem ersten zusammenhing – betraf die Regierungsform eines künftigen Königreichs Jerusalem. Eine Reihe von Kommentatoren schlug vor, einen Bellator Rex, einen „Kriegerkönig“ also, an dessen Spitze zu stellen, der als Großmeister des gerade entstandenen Ritterordens einen großen Kreuzzug führen und im Anschluss Palästina regieren sollte. Ein Autor, Peter Dubois, schlug vor, diesen Posten solle stets ein Sohn des Königs von Frankreich innehaben. Die Krönung des Traums bildete die Vision des zypriotischen Kanzlers und Erziehers Karls VI. von Frankreich, Philipp von Mézières, dem ein völlig neuer Orden vorschwebte, die Nova Religio Passionis Jhesu Christi. Dessen Mitglieder sollten zwar das Gehorsams- und Armutsgelübde ablegen, ansonsten jedoch nicht ewige Keuschheit, sondern die ewige Treue ihren Ehefrauen gegenüber schwören – schließlich würden sie das Heilige Land nicht nur verwalten und verteidigen, sondern auch besiedeln. Zwischen 1390 und 1395 arbeitete Philipp rastlos auf einen Friedensschluss zwischen England und Frankreich hin, der gleichsam die Ouvertüre zu einem weiteren Kreuzzug bilden sollte. Es gelang ihm in diesen Jahren, die Unterstützung von mehr als achtzig führenden Adligen einzuwerben, die größtenteils aus England und Frankreich stammten, aber auch aus Schottland, Deutschland, Spanien und der Lombardei. Zu ihnen gehörten Ludwig II. von Bourbon und Johann le Maingre, genannt Boucicaut. Der dritte Vorschlag beruhte auf der Überzeugung, die Verteidigungskraft der Muslime im Falle einer christlichen Invasion könne durch die Schädigung ihrer Wirtschaft entscheidend geschwächt werden. Dazu wollte man Ägypten, die reichste muslimische Macht, die noch dazu Palästina besetzt hatte, mit einem Handelsembargo belegen. Der vierte Vorschlag schließlich unterschied zwei verschiedene Arten von Kreuzzug: einerseits das passagium generale, einen großangelegten Feldzug mit internationaler Beteiligung, die dem traditionellen Kreuzzugsverständnis entsprach; andererseits das passagium particulare, das einen vorbeugenden Militärschlag kleineren Umfangs beinhalten sollte, durch welchen das Handelsembargo durchgesetzt, der Feind an einem neuralgischen Punkt geschwächt oder ein anderer strategischer Vorteil erlangt werden sollte. Es ist bemerkenswert, in welchem Maße all diese Ideen in die Tat umgesetzt wurden. Die
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Vereinigung der Ritterorden wurde zumindest ansatzweise erreicht, als der Templerorden aus dem Heiligen Land verdrängt und sein Besitz größtenteils den Johannitern übertragen wurde. In Preußen und auf Rhodos entstanden tatsächlich Ordensstaaten, die vom Hochmeister des Deutschen Ordens bzw. dem Großmeister der Johanniter regiert wurden. Es gab ein Handelsembargo gegen Ägypten, genauso wie zahlreiche passagia particularia.
Das Ende des Templerordens Das Ende des Templerordens
Die ersten Ordensstaaten enstanden im Gefolge eines der spektakulärsten Ereignisse in der Geschichte des Spätmittelalters. In den frühen Morgenstunden des 13. Oktober 1307 wurden beinahe alle französischen Templer festgenommen. Die Anklage lautete auf Ketzerei. Innerhalb weniger Tage hatten viele der Gefangenen, darunter auch der Großmeister Jakob von Molay sowie sein wichtigster Stellvertreter in Nordwesteuropa, Hugo von Pairaud, ihre Schuld eingestanden. Auch die allermeisten Templer, die ein Inquisitor in Paris, der Papst im Sommer 1308 in Poitiers, die französischen Bischöfe bei regionalen Prozessen oder eine ebenfalls in Paris angesiedelte päpstliche Kommission verhörten, gaben zu, dass viele der Anklagepunkte der Wahrheit entsprächen. Andernorts brachten die Verhöre einer kleineren Anzahl von Templern in verschiedenen Gegenden der italienischen Halbinsel weiteres Beweismaterial ans Licht. In England kam es nur zu sehr wenigen Geständnissen, obwohl die Zeugen von außerhalb des Ordens hier besonders aussagefreudig waren. In Kastilien, Portugal und auf Zypern sowie in Aragón und Deutschland, wo einige der Verdächtigen sich ihrer Festnahme zu widersetzen suchten, beteuerten die Templer ihre Unschuld. Einige der Vorwürfe, die man den Brüdern machte, waren sehr seltsam. Aus der Sicht Papst Clemens’ V. stellte ihre Festnahme einen Angriff auf die Kirche dar, eine beispiellose Verletzung des Anrechts auf einen kirchlichen Prozess, wie er Ordensleuten zustand, zumal die Gemeinschaft der Templer unter dem direkten Schutz des Heiligen Stuhls stand. Der Papst befand sich allerdings in einer delikaten Lage. Das Pontifikat Bonifatius’ VIII. hatte vier Jahre zuvor abrupt geendet, als der Papst vor Schreck gestorben war, nachdem ihn Truppen unter dem Befehl eines französischen Kronbeamten entführt hatten. Die Kurie hatte sich in den Folgejahren bemüht, den französischen König zu besänftigen, aber Clemens, der aus der Gascogne stammte und daher als französischsprachiger Untertan des Königs von England das Licht der Welt erblickt hatte, musste immer wieder die zielstrebigen Versuche der französischen Krone abwehren, Bonifatius posthum verdammen zu lassen. Rom schien ihm ein zu unsicherer Aufenthaltsort zu sein, und so residierte er nach seiner Wahl im Juni 1305 in Poitiers, bevor er 1309 mit seinem Hof nach Avignon umzog. In der Zwischenzeit bemühte er sich, durch die Einrichtung einer offiziellen kirchlichen Untersuchungskommission im Verfahren gegen die Templer die Initiative an sich zu reißen. Im November 1307 befahl Clemens die Festnahme aller Brüder außerhalb Frankreichs. Im Februar darauf ließ er die Arbeit der französischen Inquisition einstellen, was allerdings einen Konflikt mit der französischen Krone heraufbeschwor. Man gelangte
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Die Anschuldigungen gegen die Templer Sie seien keine Christen. Bei ihrer Aufnahme in den Orden fordere man sie auf, Christus zu verleugnen – bisweilen, indem man ihnen sage, jener sei ein falscher Prophet gewesen, der die Menschheit nicht erlösen könne –, und auf ein Kreuz oder Kruzifi x zu treten, zu spucken oder zu urinieren. Sie würden nicht an die Sakramente der Kirche glauben und ihren Priestern sei es untersagt, während des Hochgebets die Einsetzungsworte zu sprechen. Stattdessen würden sie Büsten oder andere Kultbilder verschiedenster Art anbeten – oder sogar vom Teufel besessene Katzen. Die für den Orden typischen Schnüre, die wohl in der Art eines Skapuliers über die Schultern gelegt wurden, seien zudem vor ihrer Verleihung auf solch ein Götzenbild gelegt worden. Ihr Unglaube sei unter einem Deckmantel striktester Geheimhaltung verborgen, da es ihnen verboten sei, Einzelheiten über ihre Aufnahmerituale, die Sitzungen ihrer Kapitelversammlungen oder auch nur ihre Ordensregel zu verraten; zudem dürften sie ausschließlich bei Angehörigen ihres eigenen Ordens die Beichte ablegen. Erschwerend komme hinzu, dass ihre Ordensoberen, obgleich sie Laienbrüder waren, ihnen regelmäßig die Absolution erteilen würden, wodurch sie sich die sakramentale Rolle und das kanonische Vorrecht geweihter Priester angemaßt hätten. Bei ihrer Aufnahme in den Orden würden die Postulanten gezwungen, die sie in den Orden aufnehmenden Templer, „Rezeptoren“ genannt, zu küssen oder sich von diesen küssen zu lassen, und zwar nicht allein auf den Mund, sondern auch auf den Bauch, den Steiß, das Gesäß und sogar den Penis. Man sage ihnen zudem, dass ihr Keuschheitsgelübde ihnen zwar sexuelle Beziehungen zu Frauen verbiete, sie solche jedoch bei Bedarf mit ihren Ordensbrüdern pflegen dürften. Wenn ihre Brüder sich in entsprechender Absicht an sie wenden würden, sollten sie dies über sich ergehen lassen. Es gebe bei den Templern kein Noviziat. Man ermuntere die Ritter, den Besitz ihres Ordens ohne Rücksicht auf Gerechtigkeit zu vergrößern. Andererseits hätten sie sich als geizig erwiesen, was die Vergabe von Almosen an Bedürftige anbelangte, und missachteten alle Regeln der Gastlichkeit. Die Ordensleitung habe nicht das Geringste zu einer Reform des Templerordens unternommen.
schließlich zu dem Kompromiss, dass in der ganzen Christenheit bischöfliche Ermittlungsverfahren gegen einzelne Templer eröffnet werden würden, während zur gleichen Zeit eine päpstliche Kommission das (Fehl-)Verhalten des Ordens als Ganzen begutachten sollte. Den Berichten über dies Ermittlungs- und Begutachtungsverfahren widmete sich dann 1311 das Konzil von Vienne. Eine Mehrheit dort wollte den Templern selbst zumin-
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dest die Möglichkeit einräumen, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, doch unter dem Druck der französischen Krone löste Clemens V. den Orden am 3. April 1312 auf. Am 18. März 1314 wurden Jakob von Molay und Gottfried von Charney, Präzeptor des Templerordens in der Normandie, auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Man hat die Zerschlagung des Templerordens als Beispiel dafür angeführt, was ein chronisch finanzschwacher Monarch in Zeiten früher Staatlichkeit und unter Einsatz der von ihm kontrollierten Inquisition erreichen konnte, wenn reiche Beute lockte und das Papsttum sich in die Defensive gedrängt sah. Viele der gefangenen Templer wurden gefoltert. Alle wurden, auf verschiedenste Weise, unter Druck gesetzt, um ihre Geständnisse zu erzwingen. Als einige Templer 1310 versuchten, Widerstand zu leisten, wurde dieser brutal niedergeschlagen: Ein bischöfliches Gericht unter dem Vorsitz des Erzbischofs von Sens und ein Konzil unter dem Vorsitz des Erzbischofs von Reims verurteilten 67 Templer, die dabeiblieben, ihre Unschuld zu beteuern, zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Beide Gremien wurden in ihrem Urteil von der französischen Krone beeinflusst. Nur wenige Historiker haben seither geglaubt, die Templer hätten tatsächlich jene Verbrechen begangen, die ihnen zur Last gelegt wurden. Im Hinblick auf die allermeisten Anklagepunkte waren sie wohl wirklich unschuldig. Allerdings hat mich die genaue Untersuchung der erhaltenen Aussageprotokolle zu der Überzeugung gebracht, dass zumindest in einigen Kommenden des Templerordens die neu aufgenommenen Brüder kurz vor oder nach ihrer Aufnahme in den Orden tatsächlich gezwungen wurden, Christus zu verleugnen und auf ein Kreuz oder Kruzifi x zu spucken. Diese Praxis war vermutlich nur in einer Minderzahl der französischen Templerkommenden gebräuchlich, aber sie war nicht auf Frankreich beschränkt. Es scheint, dass einige Templer, die das entsprechende Zeremoniell wohl für verbindlich hielten, es auch in Italien und der Levante verbreiteten; in beiden Gegenden fanden sich unter den Templern der ansässigen Kommenden zahlreiche Franzosen. Die deutschen Templer andererseits scheinen „sauber“ geblieben zu sein, ebenso ihre Ordensbrüder auf der Iberischen Halbinsel einschließlich des Roussillon und vielleicht auch die Templer auf den Britischen Inseln. Es fällt schwer zu erklären, wie ein derartiges Verhalten sich in einen großen und mächtigen Orden wie den der Templer einschleichen konnte – sofern dies tatsächlich der Fall gewesen ist. Ganz zweifellos jedoch brachten die Ermittlungen gegen die Templer ans Licht, wie groß der Reformbedarf innerhalb des Ordens war. Im Gegensatz zu den Johannitern, die neben repräsentativen Generalkapiteln mit teils legislativer Funktion und einer umfassenden Eigengesetzgebung auch über eine kleinteiligere Verwaltungsstruktur mit zahlreichen Ordensprovinzen verfügten und deren daher ebenso zahlreiches Führungspersonal im direkten und regelmäßigen Kontakt mit den Ordensbrüdern im Nahen Osten stand, hatten die Templer ein überholtes und ineffizientes, im schlechtesten Sinne autokratisches System beibehalten, in dem der Großmeister und sein Stab ganz allein über die Geschicke des Ordens entschieden. Viele Brüder haben niemals ihre eigene Ordensregel vorgelesen bekommen, geschweige denn selbst gelesen. Dass sie die zahlreichen Zusatzregelungen verstehen konnten, war wohl vollends ausgeschlossen, selbst dann, wenn sie ihnen vorgelegen hätten: Diese waren konfus und in einem nicht
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selten archaischen Duktus ständiger Wiederholung gehalten; in den erhaltenen Abschriften wird zudem kein Unterschied zwischen gesetztem Recht, Fallrecht und Gewohnheitsrecht gemacht. Es überrascht kaum, dass solch verwirrende Regularien nicht immer eingehalten wurden. Tatsächlich scheint die innere Verfassung des Ordens derart desolat gewesen zu sein, dass man sich eher darüber wundern muss, dass es ihn so lange gab – ob nun mit oder ohne Skandal. Das Chaos, in dem der Templerorden versunken war, erklärt auch, warum er nach dem Fall von Akkon wie gelähmt schien, insbesondere nachdem 1302 auch noch die beinahe in Rufweite vor der syrischen Küste gelegene Festungsinsel Arwad unter äußerst fragwürdigen Umständen verloren gegangen war: Eine Versammlung des Generalkapitels der Templer in Paris wurde beherrscht von den Anschuldigungen gegen den Großkomtur von Frankreich, Gerald von Villers, der den Verlust von Arward zu verantworten habe. Um 1297 hatte noch einmal hektische Betriebsamkeit geherrscht, als ein Generalkapitel in Paris 300 Templerbrüder nach Zypern beordert hatte, aber das Urteil des englischen Templers Thomas Totty von Thoroldeby, der von sich behauptete, der Bannerträger der Templer im Osten gewesen zu sein, fiel vernichtend aus: Seine Mitbrüder hätten sich besser mit anderen christlichen Truppen zusammenschließen sollen, um die syrische Küste zurückzuerobern! Man spürt förmlich, wie eine Demoralisierung eingesetzt haben muss. Und wenn dies so war, dann waren die Kommandostrukturen des Templerordens mittlerweile zu schwach geworden, um ihn noch zusammenhalten zu können. Allerdings waren die Templer nicht die einzigen, die sich in dieser Zeit mit scharfer Kritik konfrontiert sahen. Alle drei großen Ritterorden, die im Nahen Osten aktiv waren, wurden für die dortigen Rückschläge verantwortlich gemacht. 1291 kam es schließlich dazu, dass die Vorschläge zu einer Fusion von Templer- und Johanniterorden, die schon auf dem Zweiten Konzil von Lyon 1274 gemacht worden waren, Papst Nikolaus IV. soweit überzeugten, dass er sie in den Sitzungen sämtlicher Provinzialsynoden diskutieren ließ. Die Ritter des Deutschen Ordens und die Johanniter müssen sich ebenfalls angegriffen gefühlt haben, denn auch gegen sie wurden ernste Vorwürfe erhoben. In Livland beschwerte sich der Klerus mit bitteren Worten über das Verhalten des Deutschen Ordens, der dort missliebige Meinungen nicht derart unter Kontrolle hatte wie in Preußen. So hieß es etwa, der Orden habe die Kirche im Baltikum geradezu ausgeplündert; den Erzbischof und die Bewohner von Riga auf wüste Weise behandelt; Livland nicht angemessen verteidigt; die Missionsarbeit behindert – tatsächlich hieß es nicht zum ersten Mal, die Deutschordensritter hätten die „Heiden“ durch ihr brutales Auftreten davon abgeschreckt, sich taufen zu lassen –; außerdem sei der Orden korrupt bis ins Mark. Die päpstliche Kurie zeigte sich 1300 ob dieser Anschuldigungen durchaus beunruhigt; zehn Jahre darauf ordnete Papst Clemens V. eine umfassende Untersuchung an. Insbesondere sollte dem Vorwurf nachgegangen werden, die Ritter des Deutschen Ordens hätten sich mit nichtchristlichen Bündnispartnern gegen ihre eigenen Glaubensbrüder verschworen. Der Orden ging aus diesem livländischen Skandal überhaupt nicht gut hervor, und die kirchliche Untersuchungskommission sparte 1324 in ihrem abschließenden Urteil nicht an Kritik.
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Auch um die „Hospitaliter des heiligen Johannes“ war es schlecht bestellt, obwohl man hinzufügen muss, dass König Philipp IV. von Frankreich zur selben Zeit, zu der er die Auflösung des Templerordens betrieb, den Großmeister der Johanniter bei der Vorbereitung eines erneuten Kreuzzuges unterstützte. Im 14. Jahrhundert forderten die Päpste immer wieder eine umfassende Reform des Johanniterordens. Papst Innozenz VI. drohte 1355 sogar, den Orden selbst reformieren zu wollen, sollten die Ritter nicht aus eigenem Antrieb die nötigen Maßnahmen ergreifen. Tatsächlich deckten mehrere interne Untersuchungen während der 1360er- und 1370erJahre völlig unbefriedigende Zustände im Inneren des Ordens auf. Dennoch überlebten sowohl der Deutsche Orden als auch die Johanniter, und nichts deutet darauf hin, dass sie auch nur einen Einbruch ihrer Rekrutierungszahlen hätten hinnehmen müssen. Ein entscheidender Grund hierfür scheint ihr weiterhin bestehendes Engagement in der Armen- und Krankenpflege gewesen zu sein, kraft dessen sie in die konventionellen Formen des religiösen Lebens und Denkens eingebunden waren, obwohl sie auch militärische Funktionen erfüllten. Unter Verweis auf ihren praktischen Einsatz etwa für mittellose Pilger konnten sie auf eine Weise an altehrwürdige Traditionen christlicher Nächstenliebe anknüpfen, die den Templern verwehrt blieb. Diesen Punkt bekräftigte der Templergroßmeister Jakob von Molay unwissentlich selbst, als er in einer Denkschrift aus dem Jahr 1305 gegen eine Fusion seines Ordens mit den Johannitern folgendermaßen argumentierte: Das Hospital von Jerusalem sei eingerichtet worden, „um für die Kranken zu sorgen“ – obgleich sich seine Brüder nun auch auf dem Schlachtfeld zu bewähren suchten –, wohingegen der Templerorden „ausschließlich als eine Gemeinschaft von Rittern“ gegründet worden sei. Auf kurze Sicht sahen sowohl der Deutsche Orden als auch die Johanniter ein, dass sie positive Publicity brauchten, und so ist es wohl kein Zufall, dass in dem selben Jahr 1309 der Hochmeister des Deutschen Ordens – zuvor im Heiligen Land ansässig – seine Residenz im preußischen Marienburg bezog, in dem die Johanniter ihr Hauptquartier auf die Insel Rhodos verlegten.
Der Deutsche Orden in Preußen und Livland Der Deutsche Orden in Preußen und Livland
Um den ersten dieser Ortswechsel verstehen zu können, muss man zunächst auf die noch immer anhaltende Kreuzzugsaktivität im Baltikum eingehen, an der selbstverständlich nicht allein der Deutsche Orden beteiligt war. Im hohen Norden, in Finnland, war die Grenze zwischen der russischen Orthodoxie und der lateinischen Christenheit instabil geworden, und in den 1320er-Jahren führte die allgemeine Kreuzzugsbegeisterung zu einer Kampagne in Schweden und Norwegen, wo man – so die Rechtfertigung für den Kriegszug – die Katholiken vor den orthodoxen Schismatikern schützen wollte. Im Jahr 1323 ließ Papst Johannes XXII. zu einem Kreuzzug in Norwegen aufrufen, und nachdem der Krieg mit dem russischen Nowgorod gegen Mitte der 1330er-Jahre zu Ende gegangen war, wurde er in den 1340er-Jahren von König Magnus von Schweden und Norwegen erneut angefacht. Magnus stand dabei unter dem Einfluss seiner Cousine, der später
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heiliggesprochenen Kreuzzugsenthusiastin Birgitta von Schweden. 1348 führte Magnus einen Kreuzzug nach Finnland, der nur wenig erreichte. 1350 zog er erneut ins Feld, und im Jahr darauf wurde noch einmal im Namen des Papstes ein Kreuzzug gepredigt. Dieser kam jedoch nie zustande, woraufhin schon 1356 jene Streitigkeiten im Inneren begannen, die König Magnus’ Ambitionen schließlich ein Ende setzen sollten. Mehrere päpstliche Anläufe, einen erneuten Kreuzzug gegen die Russen predigen zu lassen – so etwa 1378 und 1496 –, verliefen im Sande. Weiter südlich hatte die Kreuzzugsbewegung auf den Einfall der Mongolen sowie auf das Entstehen des mächtigen Großfürstentums Litauen reagieren müssen. Dieses war unter der Führung des Fürsten Mindaugas entstanden, der zum Zeitpunkt seines Todes im Jahr 1263 auf ein beeindruckendes Lebenswerk zurückblicken konnte: Er hatte Litauen geeint, hatte ein Volk von Bauern unter der Herrschaft einer Oberschicht von Reiterkriegern in ein starkes und vergleichsweise wohlhabendes Gemeinwesen überführt. Mindaugas hatte sich taufen lassen und war eine Zeit lang als Christ aufgetreten, woraufhin er schließlich sogar auf Veranlassung Papst Innozenz’ IV. die Königskrone erlangt hatte, aber nach der Niederlage der livländischen Christen in der Schlacht an der Durbe kehrte er wieder zur Religion seiner Vorfahren zurück. Das Fürstentum Litauen war ein heidnisches Gemeinwesen, und ein expansionistisches, aggressives noch dazu. Unter seinen Nachbarn war vor allem Polen, das 1320 nach zwei Jahrhunderten der Zersplitterung unter einem König wiedervereinigt worden war, eine Hochburg der Kreuzzugsbewegung, und das trotz ständiger Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Orden. Die polnischen Kreuzzugsbemühungen konzentrierten sich in der nördlichen Ukraine, wo die Polen sowohl gegen die Litauer als auch gegen die Mongolen ins Feld zogen – bis die Letzteren vom „Schwarzen Tod“ dezimiert worden waren. Im 14. Jahrhundert ergingen an die Polen regelmäßig päpstliche Aufrufe zum Kreuzzug, desgleichen an die Ungarn, die in derselben Gegend aktiv waren. Dies also war der Kriegsschauplatz, auf dem der Deutsche Orden schon seit Längerem etabliert war und nun seine Kräfte bündelte. Wie bereits erwähnt, war der Hochmeister des Ordens 1226 als Inhaber einer Grenzmark in Preußen bestätigt worden und hatte vom römisch-deutschen Kaiser die Reichsfürstenwürde erhalten. Nach dem Fall von Akkon hatte der Orden sein Hauptquartier nach Venedig verlegt, sich also etwa auf halbem Weg zwischen Palästina und dem Baltikum platziert. Bereits im September 1309 jedoch bezog der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen eine neue Residenz: die im westlichen Preußen gelegene Marienburg, die fortan als Hauptsitz des Deutschen Ordens diente. Natürlich siedelte Siegfried damit in die Gegend über, in der sein Orden hauptsächlich tätig war – aber er stieß auch auf eine Gemeinschaft untereinander zerstrittener und demoralisierter Männer, die noch unter dem livländischen Skandal litten. Der 1302 unternommene Versuch seines Vorgängers Gottfried von Hohenlohe, die Ritter auf eine striktere Befolgung ihrer Ordensregel zu verpflichten, war auf so großen Widerstand gestoßen, dass Gottfried schließlich aus dem Amt gedrängt worden war. Die Antwort der Deutschordensritter auf die Herausforderungen, die sich ihnen stellten, war also zweigeteilt: Einerseits zogen sie sich in ihr baltisches Schneckenhaus zurück und festigten
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dort die Herrschaft in ihrem halbsouveränen Ordensstaat; andererseits betrieben sie mit Eifer ihre Kreuzzugsaktivitäten und bemühten sich, für ihre diversen Kleinkriege so viele Kreuzfahrer zu rekrutieren wie möglich. Dem Umzug ihres Hauptquartiers war 1308 / 1309 die mit brutalen Mitteln erreichte Annexion von Danzig und Ostpommern vorausgegangen. In Livland, wo sie sich die Regierungsgewalt mit drei Bischöfen teilen mussten, und in Estland, wo es eine starke einheimische Ritterschicht gab, errichtete der Deutsche Orden nominell unabhängige Herrschaften: Nach 1438 wählten etwa die livländischen Ordensbrüder de facto ihren eigenen Anführer. In Preußen andererseits dominierte der Orden die kirchlichen Strukturen völlig und richtete zudem ein effizientes Wirtschaftssystem ein, das in der Hauptsache auf einer verbesserten Verwaltung der ordenseigenen Landgüter beruhte; hinzu kam eine Siedlungspolitik, mit deren Hilfe Kleinbauern zur Kultivierung jener Landstriche angeworben wurden, die durch vorangegangene Kriegszüge verwüstet waren. Die Päpste blieben misstrauisch, was die Motive des Ordens betraf. Allerdings war den Rittern des Deutschen Ordens das Recht verliehen worden, einen dauernden Kreuzzug zu führen; sie mussten also nicht jedes Mal um päpstliche Erlaubnis bitten, wenn sie Kreuzfahrern Ablässe gewährten. Es war ihnen daher möglich, auch für kurze Zeiträume Laienritter anzuwerben. In jüngerer Zeit haben die Innovationen des Deutschen Ordens auf den Gebieten des Burgenbaus, der Pferdezucht, der Bewaffnung und der militärischen Taktik das Interesse der Forschung geweckt. Das ganze 14. Jahrhundert hindurch strömten Kreuzfahrer aus allen Gegenden Europas in das Baltikum, um dort an der Seite der Deutschordensritter auf Kriegszüge zu gehen, die als „Reysen“ („Preußenreisen“ oder „Preußenfahrten“) bezeichnet wurden. Das bedeutete in der Regel einen schnellen Vorstoß durch die Wildnis des Grenzlandes, bis man das litauische Herrschaftsgebiet erreichte. An diesen Raubund Plünderzügen nahmen 1323 Böhmen teil, 1324 waren es Elsässer, 1329 Engländer und Wallonen, 1336 Österreicher und Franzosen. König Johann von Böhmen begab sich sogar drei Mal auf eine solche „Reise“, ebenso Johann Boucicaut und Graf Wilhelm IV. von Holland. Heinrich von Lancester zog 1352 in das Baltikum; Heinrich von Derby, der spätere König Heinrich IV. von England, in den Jahren 1390 und 1392. 1377 kam Herzog Albrecht III. von Österreich mit 2000 Rittern zum „Tanz mit den Heiden“. Im folgenden Jahr 1378 schloss sich der Herzog von Lothringen mit siebzig Rittern der „Winter-Reysa“ an. Kurz darauf kehrte Albrecht von Österreich zurück, den Grafen von Kleve im Gefolge; sie ließen eine Art Privatreise für sich veranstalten, damit sie ihre Kreuzzugsgelübde noch vor Weihnachten erfüllen konnten. Herzog Wilhelm von Jülich-Geldern unternahm zwischen 1383 und 1400 nicht weniger als sieben solcher Fahrten. Solch eine „Winterreise“ entsprach einer sogenannten „Chevauchée“ von 200 bis 2000 Berittenen, deren einfaches Ziel es war, so schnell wie möglich ein bestimmtes Gebiet zu verwüsten. Es gab dafür üblicherweise zwei Termine im Jahr: einen im Dezember und den anderen im Januar oder Februar. Die „Sommerreise“ wiederum wurde üblicherweise in einem größeren Maßstab organisiert; ihr Ziel war es, Territorium zu gewinnen, entweder durch die Zerstörung einer feindlichen oder die Errichtung einer christlichen Festung – geplündert werden durfte natürlich trotzdem. Diese verschiedenen Arten von
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Die Marienburg bei Malbork ist die größte Backsteinburg der Welt. Von 1309 bis 1457 war sie das Hauptquartier des Deutschen Ordens. Die Klosterfestung umfasste neben den Behausungen der Ritter auch einen Gebäudeteil, welcher der Unterbringung und Unterhaltung der Adligen diente, die auf ihrer „Preußenreise“ in das Baltikum gekommen waren.
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„Reisen“ waren für den Adel der damaligen Zeit ein wenig wie Sport; nicht zuletzt waren sie von der Witterung in etwa derselben Weise abhängig, wie das heute bei Pferderennen der Fall ist. Die Teilnehmer hatten das Recht, einen Schild mit ihrem Wappen darauf in der Marienburg, in Königsberg oder einer der anderen Festungen des Deutschen Ordens anbringen zu lassen. Manchmal vor, manchmal nach einer solchen „Reise“ wurde auf der Marienburg ein großes Fest – mit einer Lücke zum Weihnachtsfest veranstaltet, bei dem die zehn oder zwölf Ritter an einem Ehrentisch Platz nehmen durften, die sich in besonderer Weise ausgezeichnet hatten. Im Jahr 1375 überreichte Winrich von Kniprode, während dessen Amtszeit als Hochmeister des Deutschen Ordens dieses ritterliche Spektakel seine größte Prachtentfaltung erreichte, jedem der zwölf Ritter ein Abzeichen, auf dem in goldenen Buchstaben geschrieben stand: Honneur vainc tout – „die Ehre besiegt alles“. Der poitevinische Ritterorden vom „Tiercelet“ (also vom „Terzel“, einem männlichen Greifvogel) kannte eine besondere Ergänzung seines Abzeichens, das einen Falken zeigte: Wer von den Angehörigen dieses Ordens auf die „Reise“ gegangen war, der durfte die Klauen des Falken vergolden lassen. Wären da nicht die außergewöhnliche Brutalität der Preußenfahrten und die zahlreichen Entbehrungen, denen tatsächlich auch ihre Teilnehmer ausgesetzt waren – man wäre versucht, sie als „abgepackte“ Kreuzzüge für den europäischen Adel zu bezeichnen. Ihre große Beliebtheit lässt erkennen, wie attraktiv das Gesamtpaket für die besagte Zielgruppe war, wenn man es nur gehörig mit den Insignien ritterlichen Strebens versah. Ob dies auch weiterhin so sein konnte, hing von der Existenz einer wilden Grenze ab, hinter der heidnische Feinde lebten, die als angriffslustig gelten konnten. Als 1386 der litauische Großfürst Jogaila (polnisch: Jagiełło) den christlichen Glauben annahm, in Krakau die polnische Königin Jadwiga (Hedwig von Anjou) heiratete und unter dem Namen Władysław II. den polnischen Thron bestieg, verloren die Preußenfahrten ihre Grundlage. Im Anschluss an diese dynastische Union machte das Christentum in Litauen zwar nur noch langsame Fortschritte, aber immerhin waren die Litauer nun einem christlichen Monarchenpaar untertan. Eine Bedingung für seine Thronbesteigung war überdies gewesen, dass Jogaila Ostpommern und das Kulmer Land für Polen zurückgewinnen werde. Am 15. Juli 1410 wurde ein Heer des Deutschen Ordens bei Tannenberg von einer polnisch-litauischen Streitmacht, die durch böhmische, mährische, walachische und krimtatarische Söldner verstärkt wurde, vernichtend geschlagen. Der Hochmeister, seine wichtigsten Amtsträger und rund 400 Deutschordensritter starben in der Schlacht. Die Marienburg hielt jedoch weiter aus, und im Ersten Thorner Frieden wurde dem Deutschen Orden am 1. Februar 1411 der größte Teil seines Territoriums zugesprochen. Niemals jedoch sollte der Orden seine vorherige Machtfülle wiedererlangen – nicht zuletzt, weil der schwelende Unmut unter seinen diversen Untertanengruppen – Deutschen, Prußen und Polen, die ihre voneinander geschiedenen Identitäten immer stärker einbüßten und sich mit wachsender Emphase als Mitglieder einer „preußischen“ Gesellschaft fühlten – langsam, aber sicher zum Vorschein kam. Der niedere Adel und das Stadtbürgertum schlossen sich in dem Versuch zusammen, angesichts der rabiaten Versuche des Deutschen Ordens, die Kontrolle zurückzuerlangen, ihre Interessen zu verteidigen; in
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den 1450er-Jahren wies dieselbe Allianz schließlich die Oberherrschaft des Ordens zurück und wandte sich Polen zu. Im Zweiten Thorner Frieden, der am 19. Oktober den Dreizehnjährigen Krieg des Ordens gegen Polen beendete, wurde Preußen, das 1414, 1422 und 1431–1433 von Invasionsheeren verwüstet worden war, aufgeteilt. Der Orden verlor Marienburg und sah sich mit einem Mal auf das östliche Preußen beschränkt, das er zudem als polnisches Lehen erhielt. Obwohl der Deutsche Orden in Preußen bis 1525, in Livland sogar bis 1562 überlebte, kam die Epoche der Kreuzzüge im Ostseeraum nun an ihr Ende. Das „Bollwerk des Christentums“ war nunmehr das Königreich Polen, das sich ab dem 15. Jahrhundert mit dem Vordringen der osmanischen Türken auseinandersetzen musste. Die „Reise“ des Jahres 1413 ist anscheinend die letzte Gelegenheit gewesen, bei der nichtdeutsche Kreuzfahrer nach Preußen gekommen sind. Die Rolle des Deutschen Ordens innerhalb der Kreuzzugsbewegung stand in den Jahren 1415 bis 1418 beim Konzil von Konstanz zur Debatte. Es gelang den Abgesandten des Ordens, sich vor den versammelten Prälaten zu rechtfertigen und gegen die polnischen Ansprüche zu verteidigen. In Livland beteiligten sich noch immer einige Ritter an „Reisen“ gegen die Russen, und Walter von Plettenberg, der Landmeister des Deutschen Ordens in Livland, organisierte eine heldenhafte Verteidigung gegen die russische Invasion der Jahre 1501 / 1502. Es ist jedoch bezeichnend, dass Walters Prokurator in Rom keinen päpstlichen Aufruf zum Kreuzzug mehr erwirken konnte. Stattdessen hoffte Papst Alexander VI. darauf, dass die Russen sich mit den Mächten der westlichen Christenheit gegen die Türken verbünden würden.
Die Johanniter auf Rhodos Die Johanniter auf Rhodos
Die Ritter des Deutschen Ordens nutzten ihre unabhängige Position im hohen Norden, indem sie einerseits eine Art von Kreuzzug à la mode ins Leben riefen, der ihnen die Aufmerksamkeit einer wohlwollenden Öffentlichkeit sicherte, während andererseits die Einflussnahme des Heiligen Stuhls auf ein Minimum beschränkt blieb. Die Johanniter fanden sich in einer gänzlich anderen Situation wieder – sahen sich jedoch auch mit wesentlich schwierigeren Problemen konfrontiert. Am 27. Mai 1306 schloss ihr Großmeister Fulko von Villaret, dessen Hauptquartier sich mittlerweile in Limassol auf Zypern befand, einen Pakt mit dem Genueser Freibeuter Vignolo de’ Vignoli, der bereits im Dodekanes einen Stützpunkt eingerichtet hatte. Gemeinsam wollte man Rhodos mit dem dazugehörigen Archipel erobern. Am 23. Juni verließ eine Johanniterflottille von zwei Galeeren und drei weiteren Schiffen Zypern. An Bord befand sich ein Expeditionstrupp, dem auch 35 Ordensbrüder angehörten. Unterstützt durch die Galeeren ihrer genuesischen Verbündeten, begannen die Ritter die Belagerung von Rhodos, die allerdings viel länger dauerte als erwartet. Die Stadt Rhodos konnte, wie es scheint, erst im August 1309 eingenommen werden, und obwohl die Johaniter unverzüglich ihr Hauptquartier dorthin verlegten, sollte es noch einige Jahre dauern, bis auch die umliegenden Inseln restlos unterworfen waren. Bei ihrer Besetzung half ein Miniaturkreuzzug unter der
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Führung Fulkos von Villaret, dessen Truppen 1310 aus Italien eintrafen. Durch die Bulle Ad providam vom 2. Mai 1312 vermachte der Papst den Johannitern den Großteil der vormaligen Besitzungen des Templerordens. Auf lange Sicht sollte der Johanniterorden dadurch sehr reich werden; zunächst fiel es den Rittern jedoch schwer, auch nur einen Teil der ihnen zugesprochenen Ländereien tatsächlich in Besitz zu nehmen. In Frankreich gelang ihnen dies erst 1317, als sie gegen horrende Zahlungen immerhin den größten Teil ihrer Besitzungen übernehmen konnten. In England waren sie selbst 1338 noch nicht so weit gekommen. In Portugal und Aragón scheiterte bereits der Versuch, denn die dortigen Könige rissen den vormaligen Besitz der Templer an sich, um eigene Ritterorden ins Leben zu rufen: den „Orden der Christusritter“ in Portugal bzw. den „Orden von Montesa“ in Aragón. Bis 1324 hatte sich der Landbesitz der Johanniter dennoch verdoppelt, und der Templerbesitz half dabei, die Verteidigung von Rhodos sowie die aktive Teilnahme des Johanniterordens an militärischen Unternehmungen im ganzen östlichen Mittelmeerraum zu finanzieren. Allerdings konnte auch der unverhoffte Zugewinn an Land nicht verhindern, dass die Johanniter als Folge der Eroberung, Befestigung und administrativen Erschließung von Rhodos lähmend hohe Schulden drückten. Erst in den 1330er-Jahren war der Generalkonvent des Ordens wieder liquide, aber danach blieb die fi nanzielle Lage der Johanniter prekär, insbesondere, nachdem der Kollaps der führenden Florentiner Bankhäuser in den 1340er-Jahren zu Verlusten geführt hatte. Nicht zuletzt diese Geldsorgen waren es, welche die Johanniter auf ihren europäischen Besitzungen zu einer vergleichsweise effizienten Verwaltungspraxis verpflichteten. Die finanziellen Probleme des Ordens führten – zumal Rhodos wesentlich gefährdeter war als Preußen – dazu, dass das Papsttum sich wesentlich häufiger in die Angelegenheiten der Johanniter einmischte als in jene des Deutschen Ordens, den die Johanniter wohl nicht selten um seine Unabhängigkeit beneideten. Rhodos ist eine große und fruchtbare Insel, die etwa 80 Kilometer lang und 30 Kilometer breit ist und nur 20 Kilometer vor der südwestlichen Küste Kleinasiens liegt. Die Insel beherrschte einen der wichtigsten Seewege im östlichen Mittelmeerraum und verfügte über einen ausgezeichneten Hafen. Zu der einheimischen Bevölkerung von rund 10 000 Griechen kamen nun westeuropäische Siedler, die zu günstigen Konditionen Land erwerben konnten. Die Johanniter hielten auch die anderen Inseln des Dodekanes, deren bedeutendste Kos war. Auf dem Festland errichteten sie ab 1408 in Bodrum eine große Festung, welche die bei Smyrna (Izmir) verlorene ersetzen sollte. Anscheinend unterhielten die Johanniter gute Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung; aber in der Stadt Rhodos, in deren Zentrum ein abgetrennter Bereich für die Ordensbrüder der Johanniter lag (das sogenannte collacchio), entstand auch eine große westeuropäische Gemeinde. Bis 1356 wurde Rhodos stark befestigt, und die Johanniter setzten alles daran, die Verteidigungsanlagen ihres Hauptquartiers sowie der auf anderen Inseln des Archipels gelegenen Festungen stets weiter zu verbessern. Anfang des 15. Jahrhunderts war Rhodos einer der am stärksten befestigten Orte der ganzen Welt, und das machte es auch als Handelshafen attraktiv. Zudem war es zu einem bedeutenden Versorgungshafen für Pilger auf dem
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Weg in das Heilige Land geworden. Auch Laienritter reisten nach Rhodos – ganz wie nach Preußen, allerdings nicht so zahlreich –, um mit den Johannitern in die Schlacht zu ziehen, und wie in Marienburg oder Königsberg hinterließen sie ihre Wappenschilde in dafür vorgesehenen maisons d’honneur in der Stadt Rhodos. Nach dem Verlust des palästinensischen Festlandes wurde die Kriegsflotte der Johanniter zum wichtigsten Mittel des Ordens, was dessen Kreuzzugsbeteiligungen anlangte. Kreuzzüge fanden mittlerweile gleichermaßen zur See wie an Land statt, ging es nun doch darum, christliche Siedlungen und Stützpunkte zu verteidigen, die in der gesamten Ägäis verstreut waren. Der Johanniterorden hatte auch vor 1291 schon einige Transportschiffe besessen, aber die Entscheidung, Kriegsgaleeren bauen zu lassen, ging auf Geheiß des Papsttums zurück. Bis 1300 entstand auf diese Weise eine ganze Ordensflotte. In der Kürze der Zeit stellte dies eine bemerkenswerte Leistung dar, wenn man die Verluste an Mannschaften und Material in Betracht zieht, die der Fall Akkons bedeutet hatte. Zugleich stellte dieser Kraftakt unter Beweis, wie flexibel die Führung des Johanniterordens auf neue Herausforderungen zu reagieren vermochte. Auf Rhodos gingen die Johanniter bald dazu über, die Seewege in den umliegenden Gewässern zu patrouillieren, wenn sie sich nicht gerade mit den türkischen Fürstentümern an der kleinasiatischen Küste herumschlugen oder, später, der rasanten Expansion des Osmanischen Reiches entgegentraten. Die Galeeren der Johanniter waren stets im Einsatz, eskortierten europäische Handelsschiffe und schlossen sich den Flotten der diversen Marinebündnisse an, die mit den Türken um die Vorherrschaft auf dem Mittelmeer rangen. Die eigene Flotte des Ordens war vergleichsweise klein; sie bestand aus höchstens sieben oder acht, meistens aber nur drei Galeeren. Gerudert wurden diese Schiffe von freien Griechen – und nicht etwa von Sklaven, die sich als unzuverlässig erwiesen hatten. Da zudem jeder Ordensbruder, der in Europa zum Komtur aufsteigen oder selbst einmal Kapitän eines Schiffes werden wollte, verpflichtet war, drei Mal auf caravana zu gehen, also an Bord eines Schiffes oder auf einer Burg Dienst zu tun – eine caravana dauerte mindestens sechs Monate –, führte jede Galeere überdies zwanzig bis dreißig ehrgeizige caravanisti mit sich. Die Galeeren, deren Instandhaltung einen beträchtlichen Posten im Gesamthaushalt des Johanniterordens ausmachte, wurden ab dem späten 15. Jahrhundert durch eine Karacke, später durch eine Galeone ergänzt. Rhodos war günstig gelegen, wollte man Ziele an der kleinasiatischen Küste wie die türkischen Emirate Mentesche und Aidin, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die christliche Seefahrt in der südlichen Ägäis bedrohten, erreichen. Aber die Johanniter spielten auch sonst eine wichtige Rolle bei der Kreuzzugsplanung und trugen zur Verteidigung sämtlicher lateinischen Ansiedlungen in der Region entscheidend bei. Auch bei der Eroberung und anschließend bei der Verteidigung von Smyrna 1344 bis 1402 taten sie sich hervor; ab 1374 trugen sie die alleinige Verantwortung für die Stadt. Die muslimischen Herrscher der Region sahen in Rhodos eine Bedrohung ihrer Interessen; 1440 und 1444 wurde die Insel von den Ägyptern angegriffen. Den wohl schlagendsten Beweis für das hohe Ansehen, das die Johanniter in der ganzen Christenheit genossen, kann man noch heute an der Fassade des „Englischen Turms“ an der südöstlichen Ecke des Johanniterkas-
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Der „Englische Turm“ des Kastells von St. Peter in Bodrum (dem antiken Halikarnassos) an der türkischen Ägäisküste. Die Festungsanlage wurde von den Johannitern in den Jahren nach 1408 errichtet. Das dafür benötigte Geld wurde, zumindest in Teilen, durch den Ablasshandel aufgebracht. Die an der Fassade des Turms angebrachten Wappenschilde erinnern an eine Gruppe englischer Spender. In der Mitte befindet sich das Wappen König Heinrichs IV. Von den anderen Wappen sind identifiziert – wenn auch bisweilen mit einem gehörigen Schuss Fantasie: Heinrich von Lancaster (der spätere Heinrich V.) sowie die Herzöge von Clarence, Bedford, York und Gloucester. Vertreten sind außerdem die folgenden Familien: Grey, Zouche, de la Pole und Wingfield, Neville, Percy, Holland, Beauchamp, Burleigh, Strange of Knockin sowie die FitzAlan, Grafen von Arundel; Montacute, Grafen von Salisbury; Stafford; De Vere, Grafen von Oxford; Courtenay, Grafen von Devon; FitzHugh, Cresson, Woolfe und Fairfax.
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tells St. Peter in Bodrum erblicken: Dort findet sich eine Reihe von 26 Wappen englischer Adliger, die, in Stein gehauen, sich um das Königswappen Heinrichs IV. und die ebenfalls prominent platzierten Wappen von sechs weiteren Mitgliedern der königlichen Familie gruppieren. Vierzehn der dort vertretenen Männer waren Ritter des Hosenbandordens. Es gilt als warscheinlich, dass die Schilde an finanzielle Zuwendungen beim Bau des Turms erinnern sollten, der wahrscheinlich um das Jahr 1414 errichtet wurde. In dem gleichen Maße, in dem die Türken mächtiger und mächtiger wurden, wuchs die Bedrohung für die Insel Rhodos. Bis zu den späten 1470er-Jahren hatten sich die Johanniter darauf eingestellt, dass sie, früher oder später angegriffen würden, und bereiteten sich darauf vor, so gut es ging. Vom 23. Mai bis in den späten August des Jahres 1480 belagerten die Türken die Stadt Rhodos mit einem großen Heer, bevor sie sich erschöpft zurückziehen mussten. Die erfolgreiche Verteidigung ihrer Hauptstadt wirkte wahre Wunder für das ohnehin schon hohe Ansehen der Johanniter: In Frankreich wurden Te Deums, Dankprozessionen und Glockengeläut angeordnet; ein Bericht von der Belagerung in englischer Sprache erschien binnen zwei Jahren auch im Druck – und der dem Orden von nun an gezollte Respekt wurde noch größer, als zwei Jahre später Cem, der jüngere Bruder des osmanischen Sultans Bayezid II., im Bruderzwist nach Rhodos floh. Cem war zunächst ein Gefangener der Johanniter, anschließend bis zu seinem Tod 1495 Gefangener des Papstes. Aber die Sultane des Osmanischen Reiches, an dessen Spitze in den folgenden Jahrzehnten so große Eroberer standen wie Selim I. und Süleyman I., konnten nicht zulassen, dass auf Rhodos ein christlicher Vorposten bestehen blieb, selbst wenn dieser, im Vergleich mit ihren sonstigen Eroberungen, unbedeutend erschien. Im Juli 1522 begann eine Kriegsflotte unter dem persönlichen Befehl Sultan Süleymans, Landungstruppen auf Rhodos abzusetzen. Die Invasion war gründlich vorbereitet und ein wahres Großunternehmen. Ab Ende Juli bombardierten türkische Belagerungsgeschütze die Mauern der Stadt. Nach Monaten des Bombardements, des Unterminierens und der Sturmangriffe waren die Befestigungsanlagen von Rhodos nicht länger zu halten, die Vorräte gingen zur Neige, und die griechischen Einwohner der Stadt wollten am liebsten kapitulieren. Am 18. Dezember kapitulierte der Großmeister Philipp de Villiers de l’Isle-Adam und verließ, nachdem die Türken ihm freien Abzug zugesichert hatten, am 1. Januar 1523 die Insel.
Charakteristika der Ordensstaaten Charakteristika der Ordensstaaten
Der Ordensstaat, wie ihn zunächst die Ritter des Deutschen Ordens in Preußen, dann die Johanniter auf Rhodos und später auf Malta entwickelten, war eine gänzlich neue und auch eigentümliche Art von Gemeinwesen. Seine Herrschaftsform war die Theokratie. Regiert wurde er von einer Kriegerelite, deren Mitglieder die religiösen Gelübde ihres Ordens abgelegt hatten, von außerhalb ihres Herrschaftsbereiches stammten und sich von der einheimischen Bevölkerung abschotteten bzw. diese auf Abstand hielten – wenn auch das Verhalten den Einheimischen gegenüber in der Regel wohlwollend war. Aller-
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dings waren Familien auf Rhodos oder Malta, die ansonsten qualifiziert gewesen wären, ihre Söhne dem Orden zu überlassen, von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Die Politik der Ordensbrüder gegenüber ihren nichtchristlichen Nachbarn jedoch – die im Einklang mit der christlichen Theologie des gerechten Krieges hätte eigentlich defensiv ausgerichtet sein müssen – war in der Praxis höchst aggressiv. Das zeigten die Raubzüge des Deutschen Ordens in Litauen oder die Kriegsfahrten der Johanniter-caravanisti im östlichen Mittelmeer, die durch den sogenannten corso ergänzt wurden, eine Art Freibeuterei im Namen Gottes. Tatsächlich wurden solche Kaperfahrten gegen die Muslime, für deren Verwaltung ein eigenes Tribunal zunächst auf Rhodos, später auf Malta zuständig war, von den Johannitern und anderen finanziert, wobei zehn Prozent der erzielten Beute an den Großmeister gingen. Im Verlauf des Jahres 1519 brachte der corso dem Johanniterorden 47 000 Dukaten ein. Dies kam nicht zuletzt dem Handel der Rhodier selbst zugute – wenn auch die Praxis, Kriegsgefangene entweder auf Rhodos festzuhalten oder in die Sklaverei zu verkaufen, die osmanische Regierung erzürnte und zu dem Entschluss Sultan Süleymans beitrug, die Insel im Jahr 1522 zu erobern.
Zypern Zypern
Südöstlich von Rhodos lag das Königreich Zypern, das von Königen (und einer Königin) aus dem Hause Lusignan regiert wurde: Heinrich II., Hugo IV., Peter I., Peter II., Jakob I., Janus, Johann II., Charlotte und Jakob II. Im Jahr 1489 übernahm Venedig die Herrschaft auf Zypern, indem die Republik Caterina Cornaro, die venezianische Gemahlin Jakobs II., adoptierte. Um das zypriotische Erbe antreten zu können, sollten sowohl Caterinas Mann als auch ihr Sohn und Erbe sterben. Die Blütezeit der Insel fiel in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts, als Zypern sich eines beträchtlichen Wohlstands erfreute. Die Stadt Famagusta war ein bedeutendes Handelszentrum, das über die kleineren Häfen Nordsyriens sowie insbesondere die Hafenstadt Ayas in Kilikien an die asiatischen Handelsrouten angebunden war bis Ayas 1337 von den Mamluken erobert wurde. In derselben Zeit war Zypern das kulturelle Zentrum des lateinischen Ostens, und den Königspalast in Nikosia beschreiben zeitgenössische Reiseberichte als den prachtvollsten des ganzen Erdkreises. Die erhaltenen Kirchen und anderen Sakralbauten aus dem Zypern jener Epoche lassen noch etwas von dem Luxus und der Prachtentfaltung erahnen, die die Reisenden so beeindruckt hat: Die Kathedrale von Famagusta, die Kirche der Heiligen Katharina in Nikosia und jene Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel in Famagusta, wo der bedeutende Karmelit und Heilige Peter Thomas begraben wurde, sowie die Prämonstratenserabtei Bellapais gehören zu den schönsten Bauwerken des lateinischen Ostens. Viele Überlebende der Kreuzfahrerherrschaften auf dem Festland waren mittlerweile nach Zypern gezogen. Zwei der Männer, die am Attentat auf König Peter I. von Zypern, eine der schillerndsten Gestalten der Kreuzzugsbewegung im 14. Jahrhundert, beteiligt waren, trugen Namen, denen wir bereits begegnet sind: Philipp von Ibelin, zumindest
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dem Anspruch nach Herr von Arsuf, und Heinrich von Dschubail; der drittte Mörder, Johann von Gaurelle, war offenbar der Nachfahre eines poitevinischen Gefolgsmannes Guidos von Lusignan. Ein gewisser Raimund Babin, der ebenfalls zu ihrem Kreis gehörte, entstammte einer Familie, die während des 12. Jahrhunderts im Königreich Jerusalem ansässig geworden war. Auch war, wie bereits gesehen, das zypriotische Feudalsystem mit der Haute Cour von Nikosia an seiner Spitze stark vom Lateinischen Jerusalem geprägt. Wie zuvor auf dem Festland, so überlagerte auch die Verwaltungsgliederung Zyperns ältere administrative Strukturen, in diesem speziellen Fall byzantinische. Die Verfassungstraditionen des Festlandes wurden weiterhin in Ehren gehalten und blieben anfangs stark. Deutlich wird dies am Beispiel eines Vorgangs, bei dem Angehörige der Familie Ibelin 1306 ihren typischen juristischen Einfallsreichtum spielen ließen, um König Heinrich II. abzusetzen und durch seinen Bruder Amalrich zu ersetzen. Amalrich lenkte die Geschicke Zyperns bis zu seinem Tod vier Jahre später. Doch starben diese Traditionen langsam ab, und als die Venezianer die Herrschaft auf Zypern übernahmen, war von der einstigen Bedeutung der Haute Cour von Nikosia kaum noch etwas geblieben. Der venezianische Senat setzte seine eigenen Verwalter ein, die jedoch über keinerlei gesetzgeberische Kompetenzen verfügten. Wer an ihren Gerichten Berufung einlegen wollte, wurde an die höheren Instanzen in Venedig verwiesen. In den Jahren 1348 und 1349 wurde die Insel Zypern schwer von der Pest getroffen; nach 1369, dem Jahr der Ermordung König Peters I., folgte eine Reihe weiterer Schicksalsschläge. Seit dem 13. Jahrhundert schon hatte sich die zypriotische Wirtschaft ganz auf die Bedürfnisse der Italiener ausgerichtet, und das machte sie außerordentlich anfällig, was die Spannungen zwischen Venedig und Genua betraf. Zypern hatte sich immer mehr den Venezianern zugewandt, als 1372 ein Krieg mit Genua ausbrach. Eine Flotte genuesischer Galeeren brannte Limassol nieder, nahm Paphos im Sturm und eroberte – nach einer Belagerung – Famagusta, wo zuerst König Peter II. und kurz darauf auch sein Onkel und Jakob gefangen genommen wurden. Im Oktober 1374 wurden die Zyprioten schließlich gezwungen, sich zu einer alljährlichen Tributzahlung an die Genuesen zu verpflichten, die ihnen außerdem eine enorme Entschädigung für die Freigabe der Stadt Famagusta abpressten. Ein Versuch, Famagusta mit Waffengewalt zurückzugewinnen, scheiterte 1378, woraufhin die Stadt mitsamt dem Umland an Genua fiel – als Gegenleistung für die Freilassung Jakobs von Lusignan, der in der Zwischenzeit den zypriotischen Thron geerbt hatte. Über Jahrzehnte hinweg flammte die Auseinandersetzung mit den Genuesen immer wieder auf. Bisweilen siegten die Italiener, und das bedeutete die Zahlung weiterer Entschädigungen. Schließlich unternahmen im Jahr 1425 die ägyptischen Mamluken, von zypriotischen Plünderfahrten an die Küsten Ägyptens und Syriens provoziert, einen großangelegten Angriff auf die Insel, in dessen Verlauf der Küstenstreifen zwischen Larnaka und Limassol geplündert und viele Einwohner in die Sklaverei verschleppt wurden. Nachdem auf diese Weise die Schwäche Zyperns offenbar geworden war – und vermutlich unter der stillschweigenden Duldung der Genuesen –, landete am 1. Juli 1426 ein gewaltiges ägyptisches Invasionsheer im Süden der Insel. Am siebten des Monats wurde
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das zypriotische Heer in der Schlacht von Chirokitia vernichtend geschlagen. Nikosia wurde geplündert und König Janus geriet in mamlukische Gefangenschaft; wenig später ließen die Sieger den gefangenen König im Triumph durch die Straßen von Kairo führen. Erst gegen ein Lösegeld von 200 000 Dukaten, eine jährliche Tributzahlung von 5000 Dukaten sowie die Unterwerfung Zyperns unter die Oberherrschaft des ägyptischen Sultans kam er wieder frei. Im Jahr 1448 schließlich ging mit Korykos an der Küste Kilikiens die letzte zypriotische Besitzung auf dem levantinischen Festland verloren.
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Westlich und nordwestlich von Zypern befanden sich das venezianische Kreta, das Herzogtum Archipelagos und die anderen Inselherrschaften der Ägäis. Die wichtigsten unter diesen waren das ebenfalls venezianische Euböa und Lesbos – 1354 vom Byzantinischen Reich an Genua übertragen und von der Genueser Familie Gattilusio regiert – sowie Chios, ein Weltzentrum der Mastixproduktion, das die Genuesen 1346 gleichzeitig mit Foça (Phocaea) auf dem Festland besetzt hatten und das für seine bedeutenden Vorkommen des Mineralsalzes Alaun berühmt war. Die Siedlungslandschaft auf dem griechischen Festland spiegelte die politischen Verwerfungen Unteritaliens wider: Manche Territorrien unterstützten die angevinischen Könige von Neapel, andere die aragonesischen Könige von Sizilien. Die Lehnsherren des Fürstentums Achaia auf der Peloponnes waren, wie gesehen, die Könige von Neapel. In den Jahren 1315 / 1316 war Achaia Schauplatz eines bewaffneten Konflikts zwischen zwei konkurrierenden Anwärtern auf die Fürstenwürde. Der eine war Ludwig von Burgund, der mit Unterstützung der französischen Krone Mathilde, die Tochter und Erbin des Fürstenpaares von Achaia (Isabella von Villehardouin und Florenz von Hennegau), geheiratet und dem Angeviner Philipp von Tarent gehuldigt hatte, der seinerseits mit der Titularkaiserin des Lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel, die Ehe eingegangen war. Ludwigs Rivale war Ferdinand von Mallorca, der jüngere Sohn König Jakobs II. von Mallorca, der ebenfalls eine Enkelin Wilhelms II. von Villehardouin zur Frau genommen hatte. Bevor Ludwig auf der Peloponnes eintraf, war es Ferdinand gelungen, die Stadt Killini (Glarentza) zu besetzen; dann jedoch wurde er am 5. Juli 1316 in der Schlacht von Manolada getötet. Ludwig, der Sieger, überlebte seinen Gegenspieler bloß um einen Monat, und seine Witwe wurde 1322 zur Aufgabe ihres Fürstentums gezwungen, als herauskam, dass sie still und heimlich – ohne die Einwilligung ihres Lehnsherrn – einen Ritter aus Burgund geheiratet hatte. Der neapolitanische König Robert von Anjou sorgte dafür, dass sein Bruder Johann, bislang Graf von Gravina, von Philipp von Tarent zum Fürsten von Achaia eingesetzt wurde. Dennoch war die lateinische Präsenz auf der Peloponnes nachhaltig geschwächt. Die Lehnsleute des Fürsten hatten ihren eigenen Kopf und erwiesen sich als unregierbar. Im Norden stellten die Katalanen von Athen eine ständige Bedrohung dar. Im Süden waren die Byzantiner von Mistra bestrebt, ihren Einflussbereich auszuweiten. Letztlich wurde der Herrschaftsanspruch Johanns von Anjou
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allein in den westlichen und nördlichen Küstenregionen seines Fürstentums anerkannt, und obwohl seine Oberherrschaft sich nominell auch auf das gesamte Herzogtum Archipelagos erstreckte, verblieben die Inseln Kefalonia und Zakynthos (Zante) doch fest in der Hand der Familie Orsini, die dort ein de facto autonomes Regiment führte. Philipp von Tarent starb im Jahr 1331, sein Sohn Robert trat seine Nachfolge an. Da dieser allerdings erst fünf Jahre alt war, regierte seine Mutter, die lateinische Kaiserin Katharina, bis zu ihrem Tod im Jahr 1346 in Roberts Namen. Johann von Anjou, dem die Vorstellung überhaupt nicht gefiel, seinem eigenen Neffen den Lehnseid leisten zu müssen, verzichtete auf das Fürstentum Achaia, das damit in die Hände seines Lehnsherrn zurückfiel. Je deutlicher sich jedoch die Bedrohung Achaias durch die Türken abzeichnete, desto klarer trat – zuerst unter der Herrschaft Roberts, dann unter Philipp II. von Tarent und schließlich unter der neapolitanischen Königin Johanna I. persönlich – das Unvermögen der abwesenden Angeviner zutage, ihren Untertanen beizustehen, die zunehmend in äußerer Isolation und innerem Chaos gefangen schienen. Im Jahr 1376 wurde die lateinische Peloponnes auf fünf Jahre an die Johanniter verpachtet, die allerdings bald feststellen mussten, dass ihnen die Verteidigung der so gewonnenen Territorien eine große Bürde auferlegte – nicht zuletzt, weil 1378 ihr Großmeister Juan Fernández de Heredia bei dem Versuch, die epirotische Stadt Arta zu erobern, gefangengenommen und an die Türken verkauft wurde. Die Herrschaft von Johannas Nachfolgern Karl III. und Ladislaus in ihrem griechischen Fürstentum war kaum noch mehr als eine Formsache; den Ansprüchen einer ganzen Reihe von Prätendenten, die ihnen nachfolgten, fehlte vollends der Bezug zur Realität. Die tatsächliche Macht im Fürstentum hatte bald eine Gruppe von Rittern aus Navarra und der Gascogne inne, die von den Johannitern angeworben worden waren und bald einen großen Teil der Peloponnes – einschließlich des Fürstengutes – unter ihre Kontrolle gebracht hatten. 1396 sah sich König Ladislaus von Neapel gezwungen, den Tatsachen ins Auge zu sehen, und verlieh dem Anführer der Navarresischen Kompanie, Pedro Bordo de San Superano, die Würde eines Fürsten von Achaia. Nach dessen Tod überredete Centurione Zaccaria, das Oberhaupt der reichsten und ältesten der eingesessenen Adelsfamilien, König Ladislaus dazu, ihm die Fürstenwürde zu übertragen. Centurione, der ein kluger Kopf und fähiger Herrscher war, konnte die lateinische Peloponnes noch eine Generation lang bewahren, doch ihren Todesstoß empfing sie 1429, als der byzantinische Despot von Mistra, Thomas Palaiologos, Centurione zwang, ihm seine Tochter zur Frau zu geben. Noch bis zu seinem Tod 1432 führte Centurione den Titel eines Fürsten von Achaia; danach übernahm Thomas das gesamte Fürstentum mit Ausnahme der venezianischen Besitzungen im Südwesten und Nordosten. Im Norden bemühte sich die Katalanische Kompanie, die nach der Schlacht von Halmyros 1311 die Herrschaft im Herzogtum Athen übernommen hatte, unter die Oberhoheit Friedrichs, des avagonesischen Königs von Sizilien aufgenommen zu werden, was dieser den Katalanen schließlich gewährte, indem er seinen jüngeren Sohn Manfred als Herzog von Athen einsetzte. Unter der Ägide einer Reihe von fähigen Statthaltern – und zum großen Missfallen des westeuropäischen Adels – wurden die Territorien von Athen
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und Theben an die Mitglieder der Katalanischen Kompanie verteilt, welche die Herrschaft vor Ort ausübten. Selbst das eifrige Intrigieren von Angehörigen des abgesetzten Hauses Brienne und sogar das Predigen eines Kreuzzuges gegen die Katalanen konnten an diesen neugeschaffenen Tatsachen nichts ändern, und so hielten Manfreds Nachkommen das Herzogtum Athen bis in die 1350er-Jahre, als es wieder an die sizilische Krone zurückfiel. Die Herrschaft der Katalanen wurde mit der Zeit durch innere Streitigkeiten erschüttert, die nach 1377 – im Gefolge einer Auseinandersetzung innerhalb der aragonesischen Königsfamilie über Sizilien – an Intensität zunahmen. 1379 wurde das Herzogtum Athen der aragonesischen Krone zugeschlagen, während Theben im selben Jahr – und unter Mitwisserschaft der Johanniter – von Angehörigen der Navarresischen Kompanie besetzt wurde. Bereits 1385 jedoch marschierte Nerio Acciaiuoli, Herr von Korinth und Spross einer Florentiner Bankiersfamilie, die es in angevinischen Diensten auf der Peloponnes zu beträchtlichem Einfluss gebracht hatte, im Herzogtum ein und besetzte 1388 die Akropolis von Athen, wodurch die Herrschaft der Katalanen an ihr Ende gelangte. Nerio starb 1394 ohne rechtmäßigen männlichen Erben. Sein Schwiegersohn, der byzantinische Despot von Mistra Theodoros I. Palaiologos, besetzte Korinth. Eine Zeit lang hielten die Venezianer Athen, bevor Nerios unehelicher Sohn Antonio Acciaiuoli sie vertrieb und während einer vergleichsweise friedlichen und vom Wohlstand verwöhnten Periode von 1403 bis 1435 als Herzog von Athen regierte. Die Ära von Antonios Nachfolgern endete mit der türkischen Eroberung von Athen am 4. Juni 1456. Die Geschichte der Lateiner im östlichen Mittelmeerraum des 14. und 15. Jahrhunderts ist geprägt von Kleinstaaterei und nicht selten abwesenden Herrrschern, die wenig mehr als ihre christliche Religion verband und die sich einer wachsenden Bedrohung durch das Osmanische Reich gegenübersahen. Wesentlich für ihre Geschichte ist der Niedergang der alten ritterlichen Kultur angesichts unabhängiger Söldnerkompanien und italienischer Finanziers. Auf allen Ebenen der Herrschaftsstrukturen des lateinischen Ostens finden sich zu dieser Zeit Italiener, deren Handelsinteressen zugleich ein Interesse an der Erhaltung und sogar Lenkung der betreffenden Territorien mit sich brachten und deren Schiffe die Kommunikation sicherstellten. Ebenso treten die Ritter des Johanniterordens hervor, die als Friedensstifter aktiv waren.
Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel (1302–1354) Kreuzzüge auf der Iberischen Halbinsel (1302–1354)
Obgleich die Könige von Kastilien und Aragón in den Jahren 1309 / 1310 einen fruchtlosen Kreuzzug gegen die Mauren führten, der mit Sicherheit – und so war es wohl auch beabsichtigt – das passagium particulare der Johanniter in das Heilige Land verzögerte, kam es auf der Iberischen Halbinsel im frühen 14. Jahrhundert – trotz einiger Aktivität in den Jahren 1318 / 1319 und trotz regelmäßiger Geldzahlungen und Predigtkampagnen – zu einem Stillstand in der Kreuzzugsaktivität. Die Päpste betrachteten mit Argwohn die offenkundige Tendenz der iberischen Könige, Aufrufe zum Kreuzzug – nicht ohne Zynismus – für ihre eigenen politischen Ziele zu instrumentalisieren. Doch im Jahr 1312
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bestieg Alfons XI., der sich in der Folge als der fähigste iberische Heerführer seit den Tagen Ferdinands III. erweisen sollte, den Thron von Kastilien. Ab 1328 belegt eine Reihe päpstlicher Schreiben mit Predigtaufrufen und Appellen zur Erhebung von Zehnten und tercias, dass die Kreuzzugsaktivitäten an der Grenze zu Granada zu neuem Leben erwachten. Diese Entwicklung erregte auch jenseits der Pyrenäen Aufmerksamkeit, und in den Jahren 1326 / 1327 und 1331 legte König Philipp VI. von Frankreich (1326 noch als Graf von Valois) genug Enthusiasmus an den Tag, die Aufstellung und Entsendung von Kreuzfahrerkontingenten zu planen. 1328 / 1329 folgten König Johann von Böhmen und König Philipp von Navarra seinem Beispiel, 1330 dann Graf Wilhelm V. von Jülich. Zu jener Zeit herrschte in ganz Westeuropa ein verbreiteter Kreuzzugsenthusiasmus, und Außenstehende hatten schon seit hundert Jahren nicht mehr so viel Interesse an der Reconquista gezeigt. Allerdings kühlte die Begeisterung ein wenig ab, als 1331 die Nachricht von einem kurzlebigen Waffenstillstand mit Granada die Runde machte. 1340 begann der Merinidensultan Abu l-Hasan ʿAli, Truppen von Marokko über die Straße von Gibraltar nach Andalusien überzusetzen, wonach dann ein muslimisches Heer von rund 67 000 Mann die Stadt Tarifa belagerte. Alfons XI. zog ihnen an der Spitze eines Heeres von etwa 21 000 Kastiliern und Portugiesen entgegen und ging in der Schlacht, die nun folgte, ein ähnlich hohes Risiko ein, wie es sein Vorfahr Alfons VIII. in der Schlacht von Las Navas de Tolosa getan hatte. Am 30. Oktober errang das Heer Alfons’ XI. an den Ufern des Flüsschens Salado einen entscheidenden Sieg und kehrte in der Folge mit so reicher Beute nach Sevilla zurück, dass selbst im fernen Paris die Preise für Gold und Silber merklich fielen. Im August 1342 belagerte Alfons mit einem Heer, dessen Ritter aus ganz Europa nach Spanien gekommen waren, die Stadt Algeciras: Genuesen kämpften neben französischen, spanischen, deutschen und englischen Adligen mit ihrem Gefolge, darunter auch König Philipp III. von Navarra, Gaston IX. von Béarn, Roger Bernard III. von Castelbon sowie die Grafen von Derby und Salisbury. Algeciras fiel im März 1344 an die Belagerer. Die Straße von Gibraltar war für die Spanier gewonnen und der Zustrom nordafrikanischer Truppen nach Andalusien eingedämmt. 1350 jedoch starb König Alfons während der Belagerung von Gibraltar am Schwarzen Tod; danach flaute die Reconquista für ein ganzes Jahrhundert ab. Von inneren Konflikten gespalten, war das christliche Iberien zu schwach, um Granada zu erobern. Der Realismus wich der Träumerei, etwa als König Peter I. von Kastilien 1354 vorschlug, man solle einen Kreuzzug nach Nordafrika führen – zehn Jahre zuvor waren bereits ähnliche Pläne für einen Feldzug auf die Kanarischen Inseln geschmiedet worden.
Kreuzzüge in Italien (1302–1378) Kreuzzüge in Italien (1302–1378)
Aus der Sicht der Päpste herrschten noch immer dieselben Interessenkonflikte wie im 13. Jahrhundert, ja bisweilen hielt man die Ambitionen politischer Gegner innerhalb Europas für eine größere Bedrohung der Christenheit als der länger werdende Schatten im Osten. Die italienischen Kreuzzüge zur Unterstützung der angevinischen Herrschaft
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im Königreich Neapel waren 1302 zu Ende gegangen. Danach richteten sich weitere Kampagnen gegen die Ghibellinen, also die Anhänger des römisch-deutschen Kaisertums in seiner Konfrontation mit den Päpsten, die in Ober- und Mittelitalien erneut erstarkt waren. Dennoch wurde der erste wirklich bedeutsame Kreuzzug dieser neuen Ära im Jahr 1309 gegen Venedig gepredigt, das nun wirklich keine Ghibellinenstadt war. Den Hintergrund bildete hierbei ein Streit der Venezianer mit dem Papst über die Erbfolge in der Markgrafschaft Ferrara, die für beide Konfliktparteien strategisch überaus bedeutsam war. Venedig lenkte schließlich 1310 ein, doch Ferrara, das ab 1317 unter einer papstfeindlichen Regierung stand, war auch vom nächsten Kreuzzug betroffen, der im Dezember 1321 gegen die dortigen Herrscher aus der Familie der Este ausgerufen wurde. Ebenfalls bekämpft werden sollten die Ghibellinen Matteo Visconti in Mailand und Friedrich von Montefeltro sowie Friedrichs Brüder und Anhänger in den Marken und im Herzogtum Spoleto. Zwar wurde Friedrich von Montefeltro besiegt und die Mailänder Herrschaft der Visconti zerschlagen, aber der anhaltende ghibellinische Widerstand in der Region verhinderte die Durchsetzung der päpstlichen Autorität auch weiterhin. Im Jahr 1324 wurde der Kreuzzug auf Mantua ausgeweitet, doch obwohl der finanzielle Einsatz im weiteren Verlauf immens war, bewirkte die Kampagne nicht mehr als ein labiles Gleichgewicht der Kräfte, das bereits durch den Zug König Ludwigs IV. des Bayern nach Italien im Jahr 1327 wieder zerstört wurde. Ludwigs anfänglicher Erfolg, seine Absetzung des Papstes, Ernennung eines Gegenpapstes und Besetzung Roms führten schließlich dazu, dass 1328 zum Kreuzzug gegen ihn aufgerufen wurde. Allerdings zwang ein Mangel an Geld und Vorräten Ludwig zum Rückzug aus Italien, woraufhin das Bündnis der Ghibellinen zerbrach und viele ihrer Anführer – darunter Azzo Visconti und die Angehörigen des Hauses Este – die Seiten wechselten. Papst Johannes XXII. verfolgte nun den Plan, in der Lombardei als päpstliches Lehen ein Königreich für König Johann von Böhmen zu errichten. Johann war der einzige Sohn Kaiser Heinrichs VII. und ein überzeugter Kreuzfahrer. Im September 1332 wurde die „Liga von Ferrara“ gebildet, um dies zu verhindern: Das Ansinnen des Papstes, seine Macht in Mittel- und Oberitalien zu festigen, wurde durchkreuzt. Noch einmal versuchte der Heilige Stuhl in dieser Sache sein Glück, als Papst Innozenz VI. im Jahr 1353 seinen Kardinal Gil Albornoz, der als Erzbischof von Toledo vor der Schlacht am Salado eine Feldmesse gehalten hatte, von Avignon nach Italien schickte, um dort die Herrschaft über den Kirchenstaat zurückzuerlangen. In dessen westlichen Provinzen war Albornoz erfolgreich; an der Romagna jedoch scheiterten seine Bemühungen. Im Oktober 1354 erklärte der Heilige Stuhl den Ghibellinen Francesco II. Ordelaffi von Cesena sowie die Familie Manfredi aus Faenza zu Ketzern, woraufhin im Winter 1355 / 1356 ein Kreuzzug gegen sie ausgerufen wurde. 1357 schloss Kardinal Albornoz zu einem hohen Preis die Rückeroberung der Romagna ab. Bereits 1360 befand sich die Kirche jedoch wieder im Krieg gegen die Visconti in Mailand und erklärte Bernabò Visconti 1363 zum Ketzer. Der Kreuzzug wurde wieder aufgenommen, und obgleich es 1363 zu einem Friedensschluss kam, folgten schon 1368 erneute Predigtkampagnen in Italien, Deutschland und Böhmen. Ein Merkmal der
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Kriege in den 1350er- und 1360er-Jahren war der Einsatz von Söldnerkompanien auf beiden Seiten. Wenn diese Söldnerheere außer Kontrolle gerieten, rief man wiederum gegen sie zum Kreuzzug auf. Dementsprechend wurde dann auch im Frankreich der 1360er-Jahre gegen marodierende routiers vorgegangen. Beinahe während des gesamten Pontifi kats Gregors XI. (1371–1378) führte die Kirche Krieg in der Lombardei und der Toskana, wenn auch Gregor, der die Umwandlung von Kreuzzugsgelübden befürwortete, immer wieder auf die Kreuzzugsterminologie zurückgriff und auch einige Kreuzzugssteuern zur oberitalienischen Kriegführung umwidmete, diesen Kampagnen offenbar nicht den vollen Kreuzzugsstatus zusprechen wollte; stattdessen vergab er beschränkte Ablässe, die auch nur im Todesfall wirksam wurden. Dieser räumlich begrenzten Kreuzzugsaktivität verlieh das Exil der Päpste von 1309 bis 1378 in Avignon zusätzlichen Auftrieb. Einerseits verspürten sie den starken Drang, nach Rom zurückzukehren; andererseits zögerten sie, dies zu tun, solange der Kirchenstaat nicht vollkommen befriedet war. Insbesondere nach den Einfällen Ludwigs des Bayern fürchteten sie die römisch-deutschen Kaiser und deren Heere, und deshalb waren sie bemüht, ihre Ansprüche zu festigen, wo immer sich die Gelegenheit bot. Kritik an dieser päpstlichen Strategie blieb nicht aus, insbesondere in Frankreich nicht, wo in den 1320er-Jahren ein wahres Kreuzzugsfieber grassierte: Warum sollte man kostbare Ressourcen in Italien verschwenden, wenn doch ein Kreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes geplant war? Papst Johannes XXII. setzte 1319 in seinem italienischen Krieg sogar eine französisch-päpstliche Flotte von zehn Schiffen ein, die eigentlich für den Kreuzzug im Osten bestimmt gewesen war. Der französische König Philipp V. nahm daraufhin die Visconti und die Allianz der anderen Ghibellinen unter seinen ausdrücklichen Schutz. Auch konnten die Päpste es nicht vermeiden, irgendwann für die immensen Kosten ihrer Kriege einzustehen: Johannes XXII. etwa gab dafür beinahe zwei Drittel seiner Gesamteinkünfte aus. Es ist erstaunlich, dass der Heilige Stuhl all diese Rechnungen begleichen konnte und dabei noch zahlungsfähig blieb. Um diese Herausforderung zu meistern, griffen die Päpste auf ihre Erfahrungen aus dem 13. Jahrhundert zurück und schufen ein Geflecht von Sondersteuern, insbesondere karitativer Subsidien („freiwilliger“ Schenkungen), Annaten (Steuern auf das erste Jahreseinkommen eines neu bestellten Pfründners) sowie Einkünfte aus Pfründen während Vakanzen, die zwischen dem Tod oder der Absetzung des einen und der Bestellung des nächsten Inhabers anfielen, die jene Einkommenssteuern ergänzten, die ohnehin vom Klerus erhoben wurden. Im Ergebnis entstand ein System zur Besteuerung des Klerus, das bis zum Ausgang des Mittelalters Bestand haben sollte. Die Päpste des 14. Jahrhunderts neigten dazu, Ghibellinentum mit Häresie gleichzusetzen oder zumindest mit Schisma, und diese Argumentation diente neben traditionellen Verweisen auf die Verteidigung der Mutter Kirche zur Rechtfertigung der italienischen Kreuzzüge. Ab den 1320er-Jahren sahen sich die Ghibellinen energisch und mit großer Eloquenz vorgetragenen Anschuldigungen gegenüber, die sie als Häretiker hinstellten. So verwies man etwa auf ihre Ablehnung der päpstlichen Autorität sowie ihre Verbindungen zu bekannten Häretikern wie etwa den Franziskanerspiritualen. So ge-
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sehen, handelte es sich bei den italienischen Kriegen des Heiligen Stuhls bloß um größere Ausprägungen desselben Typus von Kreuzzug, wie ihn etwa jene brutale kleine Strafexpedition darstellt hatte, die schon 1306 / 1307 im Piemont gegen die Anhänger des Fra Dolcino angestrengt worden war; oder der 1327 gegen die ungarischen Katharer ausgerufene Feldzug – der abgebrochen wurde, als man erkannte, dass er die Autorität der Inquisition schmälerte; oder eine vergleichsweise kleine Kampagne gegen böhmische Häretiker im Jahr 1340.
Kreuzzüge in den Nahen Osten nach dem Fall von Akkon Kreuzzüge in den Nahen Osten nach dem Fall von Akkon
Die Expansion des Osmanischen Reiches sollte die schwerste Bedrohung darstellen, die Europa seit dem 8. Jahrhundert erlebt hatte. Wirklich besorgt wurde man im Westen im Jahr 1369, als der byzantinische Kaiser Johannes V. Palaiologos nach Rom reiste, um dort um Beistand gegen die Türken zu bitten. Die Geschichte der Kreuzzüge in den Osten zwischen 1291 und 1523 zerfällt also in zwei Teile. In dem ersten Zeitraum stellten die Rückeroberung Palästinas sowie die vorherige Zerschlagung der Mamlukenherrschaft in Ägypten als Voraussetzung für die beiden vorrangigen Ziele dar. Dazu kam natürlich die Verteidigung der verbliebenen lateinischen Herrschaften, insbesondere gegen die Piratenakte der türkischen Fürstentümer Mentesche und Aidin. Dies bedeutete eine Verlagerung der Kreuzzugsaktivität vom Land auf das Meer bis hin zur beinahe ausschließlichen Seekriegführung. In dem daran anschließenden zweiten Zeitraum wurde die Verteidigung des christlichen Europa gegen die Osmanen am wichtigsten. In ihrer langen Geschichte profitierte die Kreuzzugsbewegung stets von Schreckensmeldungen, und so nimmt es nicht wunder, dass auch nach dem Verlust von Akkon der Eifer der Kreuzfahrer neu entflammte. Im Jahr 1300 machte ein Gerücht in Europa die Runde, demzufolge die Mongolen Palästina erobert und an die Christen zurückgegeben hatten. Papst Bonifatius VIII. sandte diese „herrliche und freudenreiche Nachricht“ an König Eduard I. von England und vermutlich auch an Philipp IV. von Frankreich. Der Papst rief die Gläubigen dazu auf, sich unverzüglich auf den Weg ins Heilige Land zu machen, und wies die von dort exilierten lateinischen Bischöfe an, in ihre Bistümer zurückzukehren. Überall in Europa nahmen Männer schnellstens das Kreuz. Einige edle Damen in Genua verkauften gar ihre Juwelen, um aus dem Erlös eine Kreuzfahrerflotte zu finanzieren, doch letztlich wurde das gesamte Vorhaben fallengelassen. Die päpstliche Kurie wollte dem Königreich Kleinarmenien zu Hilfe eilen, das noch immer den Mamluken standhielt, und die Lateiner in Griechenland unterstützen. Vor allem jedoch sollte eine Handelsblockade gegen Ägypten durchgesetzt werden, die nach Ansicht der meisten Verantwortlichen das Vorspiel zu einem Kreuzzug bilden musste. Ab dem Pontifi kat Bonifatius’ VIII. erließen die Päpste regelmäßig Dekrete, die sich mit dieser Blockade befassten. Clemens V. autorisierte die Johanniter auf Rhodos, die Schiffe christlicher Kaufleute zu kapern, die mit den Mamluken Handel trieben, und deren Fracht zu beschlagnahmen. Ab den frühen 1320er-Jahren verhängte der Heilige Stuhl
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strenge Handelsembargos, und welcher Kaufmann gegen sie verstieß, sollte exkommuniziert werden. Neben solchen eigenen Maßnahmen bemühten sich die Päpste jedoch auch, direkt auf die westlichen Handelsgemeinschaften einzuwirken, die sich häufig dazu bewegen ließen, für ihre Angehörigen Vorschriften zu erlassen, die im Einklang mit den päpstlichen Wünschen standen. Die Effektivität der Handelsblockade gegen Ägypten ist in der Forschung umstritten. Zwar erlangten Häfen wie etwa das kilikische Ayas, die als Vermittler zwischen christlichen und muslimischen Kaufleuten fungieren konnten, schnell größere Bedeutung; aber der direkte Austausch mit den islamischen Handelszentren ging – wenn auch in verringertem Umfang – ebenfalls weiter. Und als die mongolischen Handelswege durch Zentralasien in den 1340er-Jahren zeitweilig unterbrochen waren – was den Handel im gesamten Schwarzmeerraum stark beeinträchtigte –, bestanden die Italiener darauf, ihre Geschäftsbeziehungen zu den Mamluken wieder aufnehmen zu dürfen. Ab 1344 gewährte der Heilige Stuhl, der wohl die Hoff nung auf eine tatsächliche Rückeroberung des Heiligen Landes langsam aufgab, Konzessionen für einen solchen Direkthandel mit den Muslimen. Nach dem Tod Papst Bonifatius’ VIII. 1303 schlug sich der wachsende französische Einfluss in der Kurie in der Unterstützung Karls von Valois nieder, des Bruders des französischen Königs, der im Jahr 1301 mit Katharina von Courtenay die Erbin des Lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel geheiratet und es sich vorgenommen hatte, dieses Reich zurückzugewinnen. Zur Unterstützung von Karls Vorhaben autorisierte der Heilige Stuhl 1306 die Erhebung von Kreuzzugszehnten in Frankreich, Sizilien und Neapel; 1307 wurde eine Predigtkampagne in Italien angeordnet. Zwar verzögerte sich Karls Abmarsch so lange, dass in der Zwischenzeit die Koalition gegen den byzantinischen Kaiser, auf die er angewiesen war, zerbrach; doch hatte währenddessen Papst Clemens V. die Möglichkeit eines allgemeinen Kreuzzuges zur Rückeroberung Palästinas ins Auge gefasst. Die Haltung der Franzosen sowie der Skandal um den Templerorden sorgten jedoch dafür, dass dieses passagium generale bestenfalls ein langfristiges Ziel sein konnte, und so machte sich Clemens an die Vorbereitung eines passagium particulare, eines eingeschränkten Kreuzzuges also, der 5000 Mann unter dem Oberbefehl des Großmeisters der Johanniter auf fünf Jahre in den Osten führen sollte, wo ihnen die Verteidigung von Zypern und Kilikien sowie der Kampf gegen christliche Blockadebrecher übertragen werden würde. Der Papst musste der Tatsache ins Auge sehen, dass der gegen das muslimische Granada gerichtete Kreuzzug Jakobs II. von Aragón, der zur selben Zeit vorbereitet wurde, eine große Zahl potenzieller Rekruten band, obgleich es dennoch als ein Zeichen breiter Unterstützung für Kreuzzugsvorhaben im Osten gewertet werden muss, dass im Sommer des Jahres 1309 große Mengen größtenteils armer Land- und Stadtbewohner in England, Flandern, Nordfrankreich und Deutschland das Kreuz nahmen, um sich sogleich zu unorganisierten Haufen zusammenzuschließen. Es heißt, dreißigbis vierzigtausend dieser Freiwilligen seien nach Avignon gezogen, um dort vom Papst die Ausrufung eines allgemeinen Kreuzzuges zu fordern. Das Expeditionsheer, das Anfang 1310 den Hafen von Brindisi verließ, erreichte jedoch, wie bereits gesehen, nur wenig mehr, als die Johanniterherrschaft auf Rhodos zu festigen.
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Roger von Stanegrave Roger wurde um 1260 vermutlich in eine Ritterfamilie aus Yorkshire hineingeboren. Schon als Knabe nahm er am Kreuzzug des zukünftigen Königs Eduard I. von England teil und war zugegen, als Eduard im Jahr 1271 in Akkon eine Gesandtschaft des mongolischen Ilchans Abaqa empfi ng. Aus seiner Schilderung dieser Begebenheit scheint hervorzugehen, dass Roger selbst dem Gefolge von Eduards Onkel Wilhelm von Valence angehörte. Allerdings kann er zu jener Zeit kaum älter als ein Kind gewesen sein, da er, wie er ebenfalls berichtet, bei seiner Gefangennahme durch die Muslime zehn Jahre darauf aufgrund seiner Jugend verschont wurde. Roger blieb auch nach dem Kreuzzug in Akkon, trat als Laienbruder dem Orden vom Hospital des heiligen Johannes bei und wurde in dessen Zentralkonvent eingesetzt, wo er 1276 Zeuge eines äußerst angespannten Treffens zwischen König Hugo und dem Großmeister des Templerordens Wilhelm von Beaujeu wurde, kurz bevor der König Palästina empört verließ. 1280 begegnen wir Roger als einem Angehörigen der Garnison in der großen Johanniterfestung von Margat, wo er die erfolgreiche Abwehr eines muslimischen Angriffs miterlebte, doch nur wenig später wurde er schwer verwundet gefangengenommen, vermutlich in der Schlacht bei Homs, in der 1281 ein Johanniterkontingent an der Seite der Mongolen kämpfte. Roger behauptet, der Mamlukensultan habe ihn begnadigt, aber er weigerte sich, den muslimischen Glauben anzunehmen, und wurde sieben Jahre lang in Einzelhaft gefangen gehalten. Insgesamt verbrachte er mindestens 34 Jahre in muslimischer Gefangenschaft, bevor schließlich 1315 / 1316 durch die Vermittlung eines Juden namens Isaak, der Rogers Lösegeld zahlte, seine Freilassung arrangiert werden konnte. Roger ging nun zunächst nach Rhodos und kehrte zwei Jahre später – in Begleitung Isaaks, bei dem Roger noch seine Schulden zu begleichen hatte – nach England zurück. König Eduard II. persönlich setzte sich in einem Schreiben dafür ein, dass Roger eine Kommende des Johanniterordens übertragen werde – vermutlich, um ihm ein gutes Auskommen für seinen Lebensabend zu verschaffen. Um das Jahr 1332, zu einer Zeit also, als gerade der Kreuzzug von 1334 vorbereitet wurde, schrieb Roger auf der Grundlage seiner langjährigen Erfahrung mit dem Islam eine Abhandlung über das Kreuzfahrerwesen, die größtenteils Informationen über den muslimischen Nahen Osten enthielt. Nur wenig später muss er gestorben sein.
In den Jahren nach 1310 quälte das Papsttum noch immer die Sorge um die Zukunft des lateinischen Griechenland. Der Heilige Stuhl gewährte Philipp von Tarent Kreuzzugszehnten und Ablässe und autorisierte Kreuzzüge zur Unterstützung der Familie Brienne, die das Herzogtum Athen von der Katalanischen Kompanie zurückzugewinnen suchte; ein solcher Kreuzzug wurde sogar noch 1330 bestätigt. Doch mit der Wahl von Johannes XXII. im Jahr 1316 rückten Kreuzzüge noch weiter östlich wieder in den Mit-
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telpunkt der päpstlichen Aufmerksamkeit. Dies war auch eine Reaktion auf den Enthusiasmus, der in Frankreich um sich griff und dort 1320 zu einem weiteren Hirtenkreuzzug führte. Beim Konzil von Vienne hatte Philipp IV. von Frankreich eingewilligt, einen Kreuzzug vorzubereiten. Zu diesem Zweck war der gesamten Kirche auf sechs Jahre ein Kreuzzugszehnt auferlegt worden; der französische Anteil, der außerdem um ein siebtes Jahr verlängert wurde, war unmittelbar dem König zugesprochen worden. Anlässlich einer großen Versammlung, die zu Pfingsten 1313 in Paris zum Ritterschlag der Königssöhne einberufen worden war, nahmen Philipp, seine Söhne und sein Schwiegersohn, König Eduard II. von England, das Kreuz. Philipp starb bald darauf, doch sein Sohn Philipp V. stand voll und ganz hinter dem Kreuzzugsvorhaben. Um ihn zu unterstützen, bewilligte Papst Johannes nicht nur einen weiteren Zehnten, der auf vier Jahre von der französischen Kirche erhoben werden sollte – er gewährte dem jungen König auch eine Zahlung der französischen Annaten auf ebenfalls vier Jahre. Diesen Subsidien folgte 1318 ein weiterer Zehnt auf zwei Jahre. Seit 1312 hatte die französische Krone also Zehntzahlungen für elf Jahre sowie vier Jahreszahlungen an Annaten erhalten, wovon sich allein der Zehnt auf rund 2 750 000 Pfund Tournois belaufen haben dürfte. Doch eine Rebellion in Flandern hielt Philipp V. auf, und so begannen die an der Kreuzzugsplanung beteiligten Parteien angesichts einer wachsenden Bedrohung Kilikiens über ein erneutes passagium particulare nachzudenken, das Ludwig I. von Clermont befehligen sollte. Die Vorhut dieser Flotte war es, die Johannes XXII. 1319 nach Italien umleitete, wo sie in den italienischen Kriegen vernichtet wurde. Philipp V., der ein enthusiastischer Kreuzfahrer war, schlug, wie gesehen, eine überaus harte Linie ein. In seinem Testament sah er 100 000 Pfund für die Durchführung eines zukünft igen Kreuzzuges vor, den er unter anderen Umständen – 1321 zog er sich eine tödliche Krankheit zu – wohl selbst angeführt hätte. Noch im Winter 1319 / 1320 hielt der König nämlich eine Reihe von Versammlungen ab, zu denen er zahlreiche alte Haudegen aus den Provinzen seines Reiches lud – so vermutlich auch Odo von Grandson –, damit sie ihm mit ihrem Rat beistünden.
Kreuzzüge in den Nahen Osten (1323–1360) und das Aufkommen von Kreuzzugsligen Kreuzzüge in den Nahen Osten (1323–1360) und das Aufkommen von Kreuzzugsligen
Im Januar 1323 verbreitete der erst im Jahr zuvor gekrönte französische König Karl IV. einen weiteren detaillierten Vorschlag für einen Kreuzzug. Dieser sollte drei Teile haben: ein primum passagium, dessen Teilnehmer unverzüglich die Segel setzen sollten, um Kilikien beizustehen; ein passagium particulare entweder im Folgejahr oder bald darauf sowie, auf lange Sicht, ein passagium generale zur Rückeroberung des Heiligen Landes. Die Planung scheiterte – wie so oft – an den Finanzen, denn es war abzusehen, dass die Kirche von Frankreich einen Großteil der Kosten würde tragen müssen; dazu war sie jedoch keinesfalls in der Lage, und so sorgte erst König Philipp VI., auch er ein Kreuzzugsenthusiast, im Jahr 1328 für eine Wiederbelebung dieses Projekts. 1331 willigte der Papst ein, einen Kreuzzug predigen zu lassen, der noch vor Ostern 1334 aufbrechen sollte.
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Philipps Plan, der den Papst zunächst überrascht hatte, war außerordentlich ambitioniert. Wieder sollte der Kreuzzug drei Phasen umfassen, deren Hauptbeitrag von französischer Seite ein passagium generale darstellen würde. Dieser allgemeine Kreuzzug sollte, so war es geplant, Europa im August 1336 unter dem Kommando des Königs selbst verlassen. Philipp sollte dabei als Generalkapitän der Kirche agieren. Am 1. Oktober 1333 nahmen Philipp und viele seiner Vasallen das Kreuz in einer weiteren großen Pariser Zeremonie auf den Wiesen nahe Saint-Germain-des-Près. Das erste der beiden einleitenden passagia begann 1334. Es war gleich ein großer Erfolg, brachte es doch die Gründung eines Seebundes, der die Piraten von Mentesche und Aidin bekämpfen sollte. Wir haben es hier mit dem ersten Beispiel für eine neue Art der Kreuzzugsführung zu tun, die rasch an Bedeutung gewann. Ein entscheidendes Merkmal der Kreuzzüge war stets ihr transnationaler Charakter gewesen, die Tatsache, dass sie – in der Theorie, wenn auch nicht unbedingt in der Praxis – auf die Unterstützung der gesamten res publica Christiana bauten. Die neuen Kreuzzugsligen jedoch, die nun entstanden, erhoben überhaupt nicht den Anspruch, im Namen der gesamten Christenheit zu handeln. Als „Grenzlandkreuzzüge“, wie sie ein Historiker genannt hat, stellten sie Bündnisse jener Mächte dar, die, an ihren Grenzen unmittelbar mit dem Islam konfrontiert, sich am stärksten bedroht fühlten oder deren Herrscher aus einem anderen Grund einen besonderen Enthusiasmus in Sachen Kreuzzug an den Tag legten. Dennoch wurden diese Feldzüge von den Päpsten autorisiert, und ihre Teilnehmer kamen in den Genuss der üblichen Kreuzzugsprivilegien. Die erste solche Liga basierte auf einer Übereinkunft zwischen den Venezianern, den Johannitern und dem byzantinischen Kaiser Andronikos III., die im September 1332 auf Rhodos geschlossen wurde. Gemeinsam wollten die Vertragspartner eine Flotte von zwanzig Galeeren unterhalten, die fünf Jahre lang in den Gewässern der Region zum Einsatz kommen sollte. Im Herbst und Winter 1333 / 1334 kamen Philipp VI. von Frankreich, Hugo IV. von Zypern und Papst Johannes XXII. überein, weitere Galeeren bereitzustellen, wodurch deren Gesamtzahl – zumindest auf dem Papier – auf vierzig Schiffe anstieg. Diese Flotte war es, die den Türken im Golf von Edremit eine schwere Niederlage zufügte. Dieselbe Liga sollte auch an einem zweiten passagium beteiligt sein, einem Expeditionstrupp von 800 Mann unter dem Befehl Ludwigs von Clermont, dessen Landung in Kleinasien für 1335 geplant war: Insgesamt 400 Mann sollten Frankreich und der Heilige Stuhl stellen, 200 die Johanniter und je 100 Zypern und das Byzantinische Reich, während Venedig und Neapel zusätzliche Schiffe zur Verfügung stellen würden. Allerdings starb Papst Johannes XXII. gegen Ende des Jahres 1334, und Frankreich näherte sich einem Krieg mit England. Unter Johannes’ Nachfolger Benedikt XII., wurden die Pläne für das zweite passagium daher vorerst auf Eis gelegt. Ein Versuch, den früheren Seebund wiederzubeleben, führte offenbar nicht zum Erfolg, aber zu einem bestimmten Zeitpunkt machten der Heilige Stuhl, das Byzantinische Reich und die französische Krone anscheinend dennoch Schiffe bereit. 1336 musste Papst Benedikt einsehen, dass die politische Lage in Westeuropa derart ungünstig für einen Kreuzzug war, dass das passagium gene-
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rale ebenfalls abgesagt werden musste; ein kleines Hilfskontingent sandte er trotzdem nach Kilikien. Das Scheitern des ambitionierten Plans führte zu nichts als Ernüchertung und bitteren Anschuldigungen. Nachfolger Benedikts XII. wurde im Mai 1342 Clemens VI., der in den frühen 1330erJahren ein führendes Mitglied jener Delegation gewesen war, die im Namen Philipps VI. die Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl geführt hatte. Clemens hegte keinerlei Pläne für einen allgemeinen Kreuzzug, dessen Vorbereitung unter den gegebenen Umständen ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre – England und Frankreich führten einen erbitterten Krieg, und ganz Westeuropa litt unter einer schweren Wirtschaftskrise –, aber stattdessen entstand unter seiner Ägide eine neue Strategie, die an die Erfolge von 1334 anknüpfen sollte. Auf Bitten aus Venedig, Zypern und Rhodos hin sandte Clemens einen Legaten nach Venedig, um dort die Bildung eines neuen Seebundes gegen die türkischen Piratenterritorien auszuhandeln, die sich nun auf dem Gipfel ihrer Aggressivität befanden. Der Heilige Stuhl und Zypern sollten je vier Galeeren beisteuern, die Johanniter und die Venezianer jeweils sechs. Der Papst finanzierte seine Galeeren, indem er in einigen Kirchenprovinzen einen dreijährigen Zehnten erhob, der später durch einen weiteren, auf zwei Jahre angelegten ergänzt wurde. Predigtkampagnen und Ablasshandel sollten weitere Gelder einbringen. Im Frühjar 1344 versammelten sich 24 Galeeren vor Euböa. Sie besiegten die Türken in einer Seeschlacht und eroberten am 28. Oktober Smyrna, den wichtigsten Hafen des Emirats von Aidin. Smyrna sollte bis zu seiner Einnahme durch den mongolischen Eroberer Timur Lenk im Jahr 1402 in christlicher Hand verbleiben. Seine Eroberung durch den Seebund führte zu einem weiteren Ausbruch von Kreuzzugsbegeisterung in Westeuropa, und nach einem Rückschlag zu Anfang des Jahres 1345, als die Anführer des Kreuzzuges in einem Gefecht mit den Türken getötet wurden, erklärte sich der Dauphin von Vienne, Humbert II., bereit, den Brückenkopf von Smyrna zu verteidigen. Mitte November verließ er mit seinen Männern den Hafen von Venedig. Humbert kehrte 1347 in den Westen zurück, und der Seebund zerfiel 1351, während sich Venedig und Genua bereits im Krieg miteinander befanden. Bereits 1345 war den Genuesen der Ablass zur Verteidigung ihres Schwarzmeerhafens Kaffa (Feodossija) gegen die Mongolen gewährt worden. In einem Europa, das mit dem Schwarzen Tod rang und in dem Frankreich und England ihren Hundertjährigen Krieg führten, brachte Papst Innozenz VI. den größten Teil seines zehnjährigen Pontifi kats mit Versuchen zu, den Seebund wiederzubeleben, der ja offiziell noch immer existierte und noch immer gemeinsam für die Verteidigung von Smyrna verantwortlich war. Erst 1359 jedoch wurde die Liga tatsächlich wieder aktiv. Eine Predigtkampagne wurde autorisiert, ein Zehnt erhoben. Peter Thomas, der Karmeliterprediger und Diplomat, wurde zum päpstlichen Legaten ernannt und errang als Befehlshaber einer Flotte von Schiffen der Venezianer und Johanniter im Herbst des Jahres 1359 vor Lapseki an den Dardanellen einen Sieg.
Peter I. von Zypern
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Peter I. von Zypern Peter I. von Zypern
Im Verlauf des nächsten Jahrzehnts wurde die alte Idee eines allgemeinen Kreuzzuges nach Jerusalem durch die Bemühungen König Peters I. von Zypern wiederbelebt. Im Jahr seiner Thronbesteigung 1359 setzte Peter zypriotische Schiffe der Koalitionsflotte ein, um das kilikische Korykos zu erobern; 1361 gelang ihm die Besetzung von Antalya. Am 15. Juni 1362 richtete Peter ein Rundschreiben an die Mächtigen Westeuropas, in dem er bekanntgab, einen Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems durchführen zu wollen. Im Oktober brach er nach Europa auf, um dort die benötigten Finanzmittel einzuwerben; Ende März 1363 traf er mit dem neuen Papst Urban V. zusammen. Sie vereinbarten ein passagium generale, das im März 1365 beginnen sollte. König Johann II. von Frankreich war von Anfang an ein begeisterter Unterstützer des Vorhabens und nahm das Kreuz gemeinsam mit einigen seiner Gefolgsleute. Der Papst gewährte Johann einen sechsjährigen Zehnten sowie weitere Erträgnisse und ernannte ihn zum Generalkapitän. Dann allerdings starb der französische König am 8. April 1364 in englischer Gefangenschaft, in die er sich aus freien Stücken wieder begeben hatte, als eine der Geiseln, die er nach seiner Gefangennahme in der Schlacht von Poitiers hatte stellen müssen, um wieder freizukommen, wortbrüchig geworden war. Der Traum von einem großen passagium generale war angesichts der wirtschaft lichen Lage in Frankreich unrealistisch. Ursprünglich als passagium particulare vor dem geplanten großen Feldzug gedacht, verließ König Peter am 27. Juni 1365 mit den von ihm angeworbenen Kreuzfahrern Venedig. Mit einem Heer von rund 10 000 Mann und 1400 Pferden wollte er Alexandria angreifen, das in der Geschichte der Kreuzzüge schon oft als Notlösung hatte dienen müssen. Man hat vermutet, dass Peter I. mit der Zerstörung einer der stärksten Konkurrentinnen zumindest die zypriotischen Häfen stärken wollte. Geschickt nutzte der König die Zeit der Nilschwelle aus, die verhinderte, dass die Ägypter Verstärkungen nach Alexandria schicken konnten, lief mit seiner Flotte am 9. Oktober in einen der beiden Häfen der Stadt ein und ließ am nächsten Morgen seine Männer auf einem Küstenstreifen nahe der Stadtmauer an Land gehen. Gleichzeitig landete ein Johanniterkontingent von 100 Rittern auf vier Galeeren unter dem Befehl ihres Ordensadmirals in dem anderen Hafen. Die Johanniter sollten die muslimischen Verteidiger der Stadt im Rücken angreifen. Nachdem sie ein nur schlecht bewachtes Tor gefunden hatten, setzten es die Kreuzfahrer in Brand und drangen schließlich in die Stadt ein. Es gelang Peter I. jedoch nicht, seine Eroberung zu sichern, und so zog sich sein Heer sechs Tage später mit Beute beladen nach Zypern zurück. Im Jahr darauf verließ Graf Amadeus VI. von Savoyen Venedig mit einem weiteren „Überbleibsel“ des ursprünglich geplanten großen Kreuzzuges, einem Heer von immerhin drei- bis viertausend Mann. Nachdem sie im August Gallipoli von den Türken zurückerobert hatten, zogen sie an der Schwarzmeerküste gegen die Bulgaren ins Feld, die den Tross des byzantinischen Kaisers Johannes V. aufgehalten hatten, der sich auf der Rückreise von Buda (Budapest) nach Konstantinopel befand. So wurden die Städte Nessebar und Sozopol wieder Teil des
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Byzantinischen Reiches. König Peter von Zypern führte 1367 noch einen Raubzug nach Kilikien und Syrien an, doch nach seiner Ermordung 1369 wurde die Befreiung Jerusalems zu einem zweitrangigen Ziel, denn das christliche Europa plagten nun ganz andere Sorgen, nämlich im Hinblick auf seine eigene Zukunft.
Wachsende Besorgnis über die Osmanen Wachsende Besorgnis über die Osmanen
Während des Pontifi kats Gregors XI. (1370–1378) wurde die Bedrohung Westeuropas durch das Osmanische Reich erstmals zu einem bestimmenden Faktor in der päpstlichen Politik. Die Osmanen waren aus den Wirren, die nach dem Zusammenbruch der Seldschukenherrschaft ganz Kleinasien erfasst hatten, als Gewinner hervorgegangen. Die Autorität der Seldschuken war nach ihrer schweren Niederlage gegen die Mongolen 1243 beständig geschwunden, und der gesamte türkische Einflussbereich war in eine Vielzahl kleiner Fürstentümer (beylikler) zerfallen, unter denen Mentesche und Aidin zwar nicht die mächtigsten waren – aber für eine Weile doch die beiden, die den Mächtigen Westeuropas die meisten Sorgen bereiteten. Unter den türkischen Herrschern der Grenzgebiete war auch ein Mann namens Ertuğrul, der sich, wie es scheint, bis zu seinem Tod etwa im Jahr 1280 eine Art von Privatkönigreich geschaffen hatte. Sein Sohn Osman gelangte Anfang des 14. Jahrhunderts zu Einfluss; um ihn zu bekämpfen, sollten die Byzantiner schließlich die Dienste der Katalanischen Kompanie in Anspruch nehmen. Kurz vor seinem Tod – und kurz nachdem er 1326 Bursa eingenommen hatte – war es Osman gelungen, seinen Machtbereich weit über den Nordwesten Kleinasiens auszudehnen, bis hin zur Ägäis, dem Marmara- und dem Schwarzen Meer. Unter seinem Sohn Orhan I. trat das Osmanische Reich, dank seiner guten Verwaltung und eines disziplinierten Heeres, in eine Phase rasanter Expansion ein. Im Jahr 1331 eroberten die Osmanen Nicäa, 1337 Izmit, und 1338 folgte das Konstantinopel gegenüber, auf der anderen Seite des Bosporus gelegene Usküdar (Scutari). Nachdem man sie als Söldner nach Thrakien gerufen hatte, war es den osmanischen Türken bis 1348 gelungen, einen Brückenkopf im äußersten Südosten Europas zu errichten; 1354 besetzten sie Gallipoli am Eingang der Dardanellen. Zum Zeitpunkt von Orhans Tod im Jahr 1360 erstreckte sich sein Reich von Westthrakien bis nach Eskişehir (dem alten Doryläum) und Ankara. Große Mengen türkischer Kolonisten und Krieger strömten nun nach Europa. Edirne (Adrianopel) wurde 1361 eingenommen, Plovdiv 1363, und ein Sieg am Fluss Mariza (griechisch Evros) im Jahr 1371 brachte Orhans Sohn und Nachfolger Murad I. den größten Teil Bulgariens sowie das serbische Makedonien ein. Nach der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahr 1389, an deren Morgenverlauf Murad einem Attentat zum Opfer fiel, geriet auch der Balkan unter osmanische Vorherrschaft. Murads ältester Sohn folgte ihm als Bayezid I. auf den Thron. Bayezid riss 1393 den verbliebenen Teil Bulgariens an sich, fiel im Jahr darauf auf der Peloponnes ein und zwang deren christliche Herren zur Unterwerfung. Nur wenig später besiegte er bei Nikopolis den Kreuzzug von 1396, von dem noch die Rede sein wird.
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Durch den Sieg des Mongolen Timur Lenk (Tamerlan) 1402 vor Ankara sowie dynastische Querelen innerhalb der osmanischen Herrscherfamilie, die bis 1413 andauerten, wurde die Expansion des Reiches aufgehalten. Dann jedoch – und insbesondere unter der langen Herrschaft Murads II. (1421–1451) – nahm der türkische Vormarsch weiter Fahrt auf. 1422 belagerten die Osmanen Konstantinopel – noch ohne Erfolg –, 1430 eroberten sie Thessaloniki. Der Osten Anatoliens wurde entweder besetzt oder durch Einschüchterung zur Unterwerfung gebracht. 1444 wurde ein Kreuzzug bei Varna besiegt. Die Peloponnes wurde 1446 verwüstet. In einer zweiten Schlacht auf dem Amselfeld wurde 1448 die militärische Macht der Ungarn gebrochen. Unter Sultan Mehmed II. (1451–1481) nahmen die Osmanen schließlich Konstantinopel selbst ins Visier. Allen verzweifelten Bemühungen des Heiligen Stuhls zum Trotz, die Einheit der Kirche zu sichern und lateinische wie orthodoxe Christen zur Abwehr des gemeinsamen Feindes zu einen – wodurch die griechische Christenheit ihrerseits gespalten wurde –, erwies sich die westliche Reaktion auf die osmanische Bedrohung als unzureichend. Konstantinopel fiel am 29. Mai 1453, nach beinahe zweimonatiger Belagerung, in türkische Hand, und der letzte byzantinische Kaiser, der bemerkenswerterweise Konstantin hieß, fiel im Kampf. Im Jahr 1456 annektierten die Osmanen Athen, und obwohl es den Ungarn noch bis 1521 gelang, Belgrad zu halten, fiel doch das restliche Serbien – genauso wie der Großteil der Peloponnes – in den Jahren 1459 / 1460 an die Türken. 1461 folgte Trapezunt, 1462 die Insel Lesbos. Euböa kam 1470 zum Osmanischen Reich und unter Beyazid II. (1481–1512), nämlich 1499 / 1500 auch Lepanto (Nafpaktos), Koroni und Methoni. Unter Selim I. (1512–1520) richtete sich der osmanische Expansionsdrang eher auf den muslimischen Nahen und Mittleren Osten, doch nach der Thronbesteigung Süleymans I. (1520–1566) abermals gen Westen, was 1522 die Eroberung der Insel Rhodos zur Folge hatte. Dieser unerbittliche Vormarsch der Osmanen bildet den Hintergrund der Bestrebungen des Heiligen Stuhls nach 1370. Papst Gregor XI., der selbst einer Familie mit Kreuzzugstradition entstammte, hatte die Ausrufung eines passagium generale auf den Balkan im Sinn, um die Osmanen dort zurückzuwerfen; bei dieser Gelegenheit trat die Verteidigung Europas gegen die Türken zum ersten Mal in den Vordergrund. Der noch immer andauernde Krieg zwischen England und Frankreich machte ein solches Unternehmen jedoch unmöglich, weshalb der Papst bemüht war, zumindest all jene Mächte zu einer Art von Selbstverteidigungsbündnis zu vereinen, die sich durch die Muslime unmittelbar bedroht sahen. Das bedeutete ein Wiederaufblühen der Kreuzzugsligen, und tatsächlich waren bereits 1369 Pläne für eine neue derartige Liga entstanden, die zunächst aber folgenlos blieben. Als sie 1373 und 1374 erneut aufgegriffen wurden, scheiterte das Vorhaben an der Weigerung der beteiligten Mächte – Venedig, Genua, Neapel, Ungarn und Zypern –, zur Abwehr der Osmanen rückhaltlos zusammenzuarbeiten. Der Versuch Papst Gregors, eine rein genuesische Expedition in den Osten zu arrangieren, verlief 1376 ebenfalls im Sande, und ein weiteres Unternehmen, das ihm die Johanniter aufgedrängt hatten, endete 1378 in dem bereits erwähnten Desaster von Epirus.
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Kreuzzüge in der Folge des Großen Abendländischen Schismas von 1378 Kreuzzüge in der Folge des Großen Abendländischen Schismas von 1378
Dann kam das Große Abendländische Schisma, und von 1378 bis 1417 gab es zwei (später drei) Linien von Päpsten in Rom und Avignon. Europa war gespalten in die Anhänger der jeweiligen Partei – selbst die Johanniter auf der fernen Insel Rhodos waren untereinander uneins in der Frage, welcher Papst denn nun der wahre sei –, und es kam zu einer Reihe interner Kreuzzüge, die allein durch das Schisma motiviert waren. Kreuzzugsbemühungen gegen Neapel in den Jahren 1382 und 1411 / 1412, gegen Frankreich 1388, in Italien 1397 und Aragón 1413 schlugen allesamt fehl, doch in den frühen 1380er-Jahren gingen zwei Heerzüge von England aus, deren Ziel es war, den Herrschaftsanspruch Papst Urbans VI. in Rom zu stützen. Der eine – unter der Führung des Bischofs von Norwich, Henry Despenser – sollte die als „Clementisten“ bezeichneten Anhänger des Avignonenser Gegenpapstes Clemens VII. treffen, wo immer er sie fand. Der andere, unter Johann von Gent, Herzog von Lancaster, sollte in Kastilien einmarschieren. Der Kreuzzug des Bischofs von Norwich war von Anfang an ein aussichtsloses Unternehmen. Er brach am 16. Mai 1383 unter dem Jubel der Bevölkerung nach Flandern auf, das der „clementistisch“ eingestellten französischen Krone untertan war, nahm dort mehrere Häfen und schloss die Stadt Ypern ein. Anfang August musste deren Belagerung abgebrochen werden, weil ein französisches Heer heranrückte, und die Engländer zogen sich zurück. Der Kreuzzug Johanns von Gent, bei dessen Eröffnungszeremonie König Richard II. seinen Onkel Johann als König von Kastilien anerkannte, verließ England am 9. Juli 1386. Ein Jahr später hatte Johann von Gent sich in die Gascogne zurückgezogen, nachdem er für seinen Verzicht auf die kastilische Krone mit einer üppigen Abfindung entschädigt worden war.
Die Kreuzzüge gegen Mahdia und Nikopolis Die Kreuzzüge gegen Mahdia und Nikopolis
Von einer gemeinschaft lichen Reaktion auf eine äußere Bedrohung hätte unter den gegebenen Umständen eigentlich keine Rede sein dürfen – aber zwei große Unternehmungen dieser Zeit beweisen, dass die Kreuzzugsbewegung stark genug war, selbst das Große Schisma zu überwinden. Im Jahr 1390 äußerte sich das anhaltende Interesse am Kreuzzug, als die Genuesen, die Papst Bonifatius IX. unterstützten, König Karl VI. von Frankreich, seinerseits ein Parteigänger Clemens’ VII., einen Kreuzzug gegen die im heutigen Tunesien gelegene Stadt Mahdia vorschlugen, die im Herrschaftsbereich der muslimischen Dynastie der Hafsiden lag und ein Zentrum seeräuberischer Aktivitäten gegen genuesische Schiffe war. Genuesen, Sizilianer und Pisaner waren bereits gemeinsam gegen die Hafsiden vorgegangen und hatten im Jahr 1388 die Insel Dscherba besetzt, und Clemens VII. hatte dies als Kreuzzug autorisiert. Der Feldzug gegen die Hafsiden stieß in ganz Frankreich auf begeisterte Unterstützung – und das, obwohl der König ausdrück-
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lich festgelegt hatte, jeder daran beteiligte Ritter müsse sich auf eigene Rechnung rüsten und vorbereiten. Außerdem sollte die Zahl der gentilshommes im französischen Heer 1500 nicht übersteigen. Genua steuerte 1000 Armbrustschützen und 2000 Waffenknechte bei, dazu 4000 Seeleute. Auch aus England, Spanien und den Niederlanden schlossen sich Freiwillige dem Kreuzzug an. Den Umstand, dass diese Unternehmung in den Augen der Zeitgenossen an Bedeutsamkeit selbst das Schisma überstieg, belegt nicht zuletzt die überlieferte Weisung der Kreuzzugsführung, dass auf dieser Heerfahrt jegliche Erwähnung der Kirchenspaltung zu unterlassen sei. Vielmehr sollte – im Geiste brüderlicher Eintracht – der gemeinsame katholische Glauben gemeinsam verteidigt werden. Ludwig II. von Clermont, ein erfahrener Soldat, wurde zum Anführer des Kreuzzuges bestimmt. Im Juli 1390 nahmen die Flotten der Franzosen und Genuesen Kurs auf die Insel „Consigliera“ – womöglich eine der Kuriat-Inseln –, wo sie neun Tage verweilten. Gegen Ende des Monats landeten sie auf dem nordafrikanischen Festland, doch hatten sich die Hafsiden lange genug auf das Kommen der Invasoren vorbereiten können, und nach einer Belagerung Mahdias von neun oder zehn Wochen waren nicht nur die Belagerten, sondern auch die Belagerer am Ende ihrer Kräfte. Die Genuesen handelten heimlich die Erneuerung eines Vertrages aus, den sie schon früher einmal mit den Hafsiden geschlossen hatten, und so musste Ludwig von Clermont im Oktober unverrichteter Dinge nach Europa zurückkehren. Vielleicht, weil es eine Demonstration christlicher Einigkeit gewesen war, vielleicht aber auch, weil Frankreich und England abermals vom Kreuzzugseifer gepackt wurden, hatte das seltsame Spektakel des Kreuzzuges gegen Mahdia bald ganz Europa in seinen Bann geschlagen. Rasch wurde der Vorschlag Gregors XI. aus dem Jahr 1370 wieder ausgegraben, auf dem Balkan ein passagium generale gegen die Türken durchzuführen. Ab 1392 beratschlagten die englische und die französische Krone intensiv über einen möglichen Kreuzzug – entweder in das Heilige Land oder nach Preußen –, und Anfang 1393 wurde eine kleine englisch-französische Vorhut nach Ungarn entsandt, der bald darauf, 1394, Emissäre aus England, Frankreich und Burgund folgten. Ihnen war es zu verdanken, dass König Sigismund von Ungarn Gesandtschaften an die Höfe Westeuropas schickte, die dort um Unterstützung für den geplanten Kreuzzug bitten sollten. Die Reaktionen in Frankreich und insbesondere in Burgund waren äußerst wohlwollend, um nicht zu sagen enthusiastisch, und viele hohe Adlige schlossen sich dem Unternehmen an, darunter die Grafen von Nevers, La Marche und Eu sowie Heinrich und Philipp von Bar, allesamt Cousins des Königs. Auch in Deutschland nahmen zahlreiche Männer das Kreuz. Karl VI. von Frankreich schrieb an Richard II. von England und schlug diesem eine gemeinsame Teilnahme am Kreuzzug vor. Im Allgemeinen wurde, wie es scheint, der geplante Feldzug als Vorspiel zu einem künftigen passagium generale betrachtet, das die Könige von Frankreich und England persönlich anführen würden. Der Papst in Rom, Bonifatius IX., proklamierte den Kreuzzug im Jahr 1394, während der Papst in Avignon, Benedikt XIII., den französischen Kreuzfahrern den Kreuzzugsablass gewährte. Im Spätsommer 1396 brach König Sigismund mit einer Streitmacht von rund 10 000
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Mann im ungarischen Buda auf. Bei Orschowa (Orşova) im heutigen Rumänien erreichten sie das Ufer der Donau, die sie am Eisernen Tor überquerten. In der zweiten Septemberwoche gelangten sie bis nach Nikopolis (Nikopol), wo eine Flotte venezianischer und genuesischer Schiffe sowie ein Kontingent der Johanniter unter dem Großmeister Philibert von Naillac zu ihnen stießen, die allesamt die Donau hinaufgesegelt waren. Sultan Beyazid II. war gerade damit beschäft igt, Konstantinopel zu belagern, als ihn die Nachricht vom Vorstoß des Kreuzfahrerheeres erreichte. Unverzüglich verließ er sein Lager am Bosporus, um Nikopolis zu Hilfe zu eilen, wo er am 24. September mit seinen Truppen eintraf. Am nächsten Tag bestanden die französischen Kreuzfahrer trotz ihrer Unkenntnis des Feindes oder der örtlichen Gegebenheiten darauf, in der ersten Schlachtreihe zu stehen. Dies sollte sich als eine jener dummen Beweise von Tapferkeit erweisen, wie sie für die ritterliche Kultur in der Zeit ihres Niedergangs charakteristisch waren. Die Franzosen unternahmen einen Sturmangriff bergauf, geradewegs auf die türkischen Verteidigungsstellungen zu, die mit Palisaden befestigt waren. Vom beschwerlichen Überwinden dieser Hindernisse aufgehalten, waren die Angreifer bereits erschöpft, sie dem Hauptteil des muslimischen Heeres gegenüberstanden. In der allgemeinen Verwirrung begannen die Kreuzfahrer zurückzuschrecken, wobei sich ihr Rückzug zu wilder Flucht entwickelte. Zahlreiche führende Kreuzfahrer, darunter Johann Ohnefurcht, Graf von Nevers und später Herzog von Burgund, gerieten in türkische Gefangenschaft.
Kreuzzüge gegen die Osmanen (1397–1413) Kreuzzüge gegen die Osmanen (1397–1413)
Das Desaster von Nikopolis stieß den Osmanen das Tor zum restlichen Balkan weit auf. In diesem Moment der Krise nahm der Johanniterorden die Schutzherrschaft über Korinth an, die ihnen der byzantinische Despot von Mistra, Theodoros I. Palaiologos, angetragen hatte. Ursprünglich hatte Theodoros sogar den Verkauf seines ganzen Despotats an die Johanniter in Betracht gezogen; als die unmittelbare Gefahr vorübergezogen war, kaufte er Korinth 1404 wieder zurück. In den Jahren 1398, 1399 und 1400 promulgierte Papst Bonifatius IX. Kreuzzugsbullen, in denen er zur Unterstützung der Byzantiner im Allgemeinen und zur Rettung Konstantinopels im Besonderen aufrief (wenn auch die Bulle von 1400 plötzlich wieder zurückgezogen wurde; vielleicht hatte man in der Kurie Wind davon bekommen, dass der byzantinische Kaiser auch bei Bonifatius’ Rivalen in Avignon um Unterstützung nachgesucht hatte). König Karl VI. von Frankreich wandte sich an seinen Marschall Johann Boucicaut, der vor Nikopolis gefangen genommen, mittlerweile jedoch freigekauft worden war, und beauft ragte ihn mit der Durchführung eines Kreuzzuges. Ende Juni 1399 setzte Johann mit einer Streitmacht von etwa 1200 Mann die Segel in Richtung Osten. Nachdem sich den Franzosen Schiffe aus Genua, Venedig, Rhodos und Lesbos angeschlossen hatten, durchbrachen sie die türkische Seeblockade vor Konstantinopel und begannen mit ihrer stattlichen Flotte von 21 Galeeren, drei großen Transportern und sechs weiteren Schiffen, die türkisch besetz-
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Marschall Boucicaut (1366 –1421) Bei seinem Tod in Yorkshire, wo er nach der Schlacht von Azincourt gefangengehalten wurde, hatte es Johann II. Le Maingre, bekannt als Boucicaut und Marschall von Frankreich, weit gebracht. Er war einer jener Männer gewesen, die in den Kampfpausen des Hundertjährigen Krieges Karriere machten, indem sie ihren Ruhm auf Schlachtfeldern fern von Frankreich oder England erwarben, wozu Kreuzzüge eine hervorragende Gelegenheit boten. In den Jahren 1384, 1385, 1387 und 1390 / 1391 schloss sich Johann Boucicaut den „Preußenreisen“ des Deutschen Ordens an. 1388 / 1389 pilgerte er nach Jerusalem und bot unterwegs dem osmanischen Sultan seine Dienste an, der jedoch keine Verwendung für ihn hatte. Als einer der ersten Anhänger von Philipp de Mézières’ Nova Religio Passionis Jhesu Christi nahm er das Kreuz beim Feldzug König Peters von Zypern nach Alexandria im Jahr 1365 und erneut 1390 für den Kreuzzug Ludwigs von Clermont gegen Mahdia. Als ihm der französische König die Teilnahme an der letzteren Expedition ausdrücklich untersagte, zog er stattdessen nach Preußen. Boucicaut nahm am Kreuzzug gegen Nikopolis im Jahr 1396 teil; er führte den französischen Entsatztrupp an, der 1399 nach Konstantinopel gesandt wurde und befehligte die genuesische Flotte, die 1403 im östlichen Mittelmeer gegen muslimische Ziele operierte. Zwar scheiterte 1407 sein Versuch, König Janus von Zypern für seinen Plan eines Feldzuges nach Alexandria zu begeistern, doch gelang es ihm schon im Jahr darauf, vor der Küste der Provence eine nordafrikanische Flotte zurückzuschlagen. Eine zeitgenössische Biografie stellt ihn als Musterbild eines christlichen Ritters dar.
ten Küsten der Umgegend zu plündern. Nachdem Marschall Johann und seine Männer auf diese Weise Konstantinopel entlastet hatten, brachten sie den byzantinischen Kaiser nach Westeuropa zurück, wo er weitere Hilfe erbitten wollte. Osteuropa wurde allein durch die Mongolen gerettet, die unter ihrem Anführer Timur Lenk nach Anatolien einfielen. In der Folge der mongolischen Invasion, durch welche das Osmanische Reich in eine tiefe Krise geriet, kam es zu einem Wiederaufblühen christlicher Betätigung im östlichen Mittelmeerraum. Johann Boucicaut, der von seinem König zum Gouverneur von Genua ernannt worden war, traf im Juni 1403 mit einer genuesischen Flotte von zehn Galeeren und sechs großen Transportschiffen in Rhodos ein, von wo aus er einerseits genuesische Ansprüche auf Zypern durchsetzen, andererseits aber die muslimischen Küsten der Region heimsuchen wollte. Zunächst brandschatzten die Genuesen das Küstenland um den Hafen Alanya und griffen dann, da ihnen ein Angriff auf Alexandria durch ungünstige Winde verwehrt blieb, gemeinsam mit den Johannitern Tripolis und Latakia an, plünderten Batrun und schließlich auch Beirut, obgleich der wohl größte Teil der Beute in venezianischen Handelsgütern bestand. Nach einem erfolglosen Überfall auf Sidon kehrte Johann Boucicaut nach Genua zurück, wo-
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bei es zu einer Seeschlacht mit den Venezianern kam. Bereits 1407 steckte der Marschall erneut in Vorbereitungen für einen großen Angriff auf Ägypten.
Die Hussitenkreuzzüge Die Hussitenzüge
Das Wiedererstarken der Osmanen nach 1413 und das Ende des Großen Abendländischen Schismas bewirkten ein Wiedererwachen der Kreuzzugsbewegung. Nachdem Papst Martin V. zunächst 1420 ohne nennenswerten Erfolg versucht hatte, einen Kreuzzug zur Unterstützung der Lateiner auf der Peloponnes zu organisieren, bemühte er sich 1422, als die Türken Konstantinopel belagerten, um ein Bündnis von Johannitern, Venezianern, Genuesen und Mailändern, die den Byzantinern beistehen sollten. Allerdings befand sich das römisch-deutsche Reich zu jener Zeit mitten in den Hussitenkriegen, der letzten großen Reihe von Kreuzzügen gegen die Häresie. Obgleich Jan Hus, der die Gewährung von Kreuzzugsablässen für die Feinde König Laudislaus’ von Neapel durch den Gegenpapst Johannes XXIII. angeprangert hatte, bereits 1415 auf Beschluss des Konzils von Konstanz als Ketzer verbrannt worden war, wuchs die Macht seiner böhmischen Anhänger, der Hussiten, weiter an. Deren Forderungen – Kommunion in beiderlei Gestalt; öffentliche Bestrafung sündhaften Verhaltens, insbesondere des Klerus, womit die Forderung nach einer nicht klerikalen Moralgerichtsbarkeit im Raum stand; freie Predigt und Überprüfung des Kirchenbesitzes – wurden durch die Verbindungen zum tschechischen Nationalismus noch brisanter, als sie ohnehin schon waren: Immerhin sprechen wir von einer Zeit, in der mit Sigismund von Luxemburg ein römisch-deutscher König und zukünft iger Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Anspruch auf den böhmischen Thron erhob. Im Jahr 1418 beauft ragte Papst Martin, dem die gesamte Angelegenheit anscheinend sehr am Herzen lag, einen seiner Kardinäle mit den Vorbereitungen für einen Kreuzzug. Im März 1420 hielt König Sigismund in Breslau einen Reichstag ab, auf dem dieser Legat öffentlich einen Kreuzzugsaufruf des Papstes verlas, der gegen die Hussiten und Wyclifiten gerichtet war. Anfang Mai zog Sigismund an der Spitze eines Heeres von 20 000 Mann nach Böhmen, von denen jedoch viele desertierten; mehrere Male wurde der König von den Hussiten unter ihrem fähigen Anführer Jan Žižka besiegt. Kennzeichnend für die Kreuzzüge gegen die Hussiten war die große Energie, mit der sie organisiert wurden. Als Sigismund sich im März 1421 aus Böhmen zurückzog, war der nächste Kreuzzug bereits in Vorbereitung. Zwei Heere drangen in Böhmen ein, hatten sich jedoch schon wieder zurückgezogen, als Sigismund im Oktober erneut in die Hussitengebiete vorstieß, wo er jedoch endgültig geschlagen und im Januar 1422 zum Rückzug gezwungen wurde. Auch im nächsten Herbst zogen zwei Heere nach Böhmen; wenige Monate später war ihr Feldzug beendet. Ein vierter Kreuzzug fiel im Juli 1427 in Böhmen ein, zerstob jedoch nach einem Gefecht nahe Tachau in Panik, woraufhin die Kreuzfahrer schwere Verluste hinnehmen mussten. Daraufhin stießen die Hussiten ihrerseits auf deutsches Gebiet vor. Ein Plan zur Ausrufung eines englischen Kreuzzuges
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unter der Führung des Kardinals Henry Beaufort, der als päpstlicher Legat den Kreuzzug von 1427 begleitet hatte, endete schließlich damit, dass das Heer des Kardinals, das aus Mitteln der Kreuzzugssteuer finanziert worden war, dem Herzog von Bedford für dessen Feldzug in Frankreich zur Verfügung gestellt wurde – und die Vorbereitungen für einen englischen Kreuzzug somit vom Hundertjährigen Krieg vereinnahmt wurden. Vor dieser Szenerie von Misserfolgen fand im Februar und März 1432 ein großer Reichstag in Nürnberg statt, auf dem Vorbereitungen für einen weiteren Kreuzzug getroffen wurden. In diesem Sommer wurden gleich drei Heere aufgestellt. Das eine konzentrierte sich in der Folge darauf, die an die Hussiten verlorenen deutschen Gebiete zurückzuerobern; das zweite, unter dem Befehl des österreichischen Herzogs Albrecht V., fiel in Mähren ein; das dritte jedoch, das der brandenburgische Kurfürst Friedrich befehligte, wurde am 14. August von den Hussiten vernichtet. Die fünf Hussitenkreuzzüge, an denen sich Kreuzfahrer aus vielen Teilen Europas beteiligten, waren beinahe die sinnlosesten Kriege der ganzen Kreuzzugsbewegung. Da die Kreuzzüge ihrer Natur nach episodisch waren, waren sie kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Häresien. Im speziellen Fall der Hussitenkriege mag jedoch, darauf deuten die Niederlagen der Kreuzfahrer hin, die häufig nicht bloß besiegt, sondern vernichtet wurden, ein Zusammenbruch der Moral hinzugekommen sein. Die böhmischen Kreuzzüge stärkten, unbeabsichtigterweise, die Verbindung von Häresie und tschechischem Nationalgefühl, und am Ende konnten die Hussiten allein vom böhmischen Adel selbst unter Kontrolle gebracht werden – mehr oder minder zumindest, denn noch in den 1460er-Jahren bereitete die Häresie in Böhmen dem Heiligen Stuhl große Sorgen. Andererseits zeigen die Kreuzzüge gegen die Hussiten auf, wie sehr dem Drang zur kirchlichen Einheit alles andere untergeordnet wurde. Sigismund von Luxemburg war es gewesen, der als König von Ungarn den Kreuzzug gegen Nikopolis in Gang gesetzt hatte. Wenn jemand die türkische Bedrohung aus eigener Erfahrung kannte, dann war er es. Und doch war er gewillt, Energien und Ressourcen für den Kampf im Inneren der Christenheit zu verwenden. Dies hilft uns zu verstehen, warum ein Jahrhundert später, als die lateinische Christenheit durch die Reformation und die daraus erwachsenden Religionskriege noch viel tiefer gespalten war, die Kreuzzugsbewegung ins Stocken geriet – trotz der Türkengefahr.
Der Kreuzzug gegen Varna Der Kreuzzug gegen Varna
In den Jahren vor 1440 wuchs die Bedrohung durch das Osmanische Reich weiter an, doch die Wiedervereinigung der lateinischen und der orthodoxen Christenheit in einer gemeinsamen Kirche, auf die der Heilige Stuhl mit solchem Eifer hingearbeitet hatte, schien endlich in greifbare Nähe gerückt. Am 1. Januar 1443 veröffentlichte Papst Eugen IV. ein neues Kreuzzugsschreiben, in dem er alle Gläubigen zur Verteidigung des christlichen Ostens gegen die Türken aufrief. Die Reaktionen aus Polen, der Walachei, Burgund und Ungarn blieben nicht aus – vor allem aus Ungarn nicht, wo Johann Hunyadi, der Woiwode von Siebenbürgen (Transsilvanien), einen heldenhaften Kampf gegen die
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Osmanen führte. Gemeinsam mit König Wladislaus von Ungarn plante er für den Sommer des Jahres 1443 einen großen Türkenfeldzug. Es gelang ihnen, den Türken bei Niš eine empfindliche Niederlage beizubringen und Sofia einzunehmen, woraufhin sie sich allerdings zurückzogen. Der ganze Balkan stand nun in Waffen, und obwohl der ungarische König nach Aussage einiger Quellen im Juni 1444 einem zehnjährigen Waffenstillstand mit den Türken zustimmte, hatte er doch bereits geschworen, erneut gegen sie ins Feld zu ziehen. Ein christliches Heer von 20 000 Mann rückte durch Bulgarien vor und belagerte den Schwarzmeerhafen Varna. Zugleich nahm die Flotte eines neuen Seebundes – 24 Galeeren, die der Heilige Stuhl, Herzog Philipp III. von Burgund, die Venezianer, die Republik Ragusa (Dubrovnik) und der byzantinische Kaiser zur Verfügung gestellt hatten – Kurs auf die Dardanellen. Sultan Murad II. eilte herbei, um Varna zu verteidigen. Sein Heer war erheblich größer als das der Angreifer; Gerüchten zufolge erfolgte der Transport seiner Soldaten zum Teil in genuesischen Schiffen. Am 10. November vernichtete die türkische Streitmacht das Kreuzfahrerheer in einer Schlacht, in der auch Wladislaus von Ungarn und der päpstliche Legat getötet wurden.
Reaktionen auf den Verlust Konstantinopels, die Modernisierung des Kreuzzugsgedankens und die Wiederkehr der Bauernheere Reaktionen auf den Verlust Konstantinopels
Das Debakel von Varna bereitete den Weg für den letzten, entscheidenden Ansturm auf das Byzantinische Reich. Die Nachricht vom Fall Konstantinopels im Mai 1453 war eine Sensation, die nicht zuletzt die verbliebenen christlichen Herrschaften der Ägäis in Angst und Schrecken versetzte. Erst im November 1455 ließ sich der Papst dazu überreden, den Verteidigern der von den Genuesen gehaltenen Insel Chios den vollen Ablass zu gewähren. Während der nun folgenden siebzig Jahre entwickelte die päpstliche Kurie eine intensive Propaganda, in der es um die Verteidigung des christlichen Europa ging, wobei die Rückeroberung von Konstantinopel in etwa denselben Rang einnahm, wie in früheren Zeiten die Befreiung Jerusalems. Die Nachricht vom Fall Konstantinopels erreichte Rom Anfang Juli 1453. Am 30. September erließ Papst Nikolaus V. eine neue Kreuzzugsbulle und sandte entsprechende Bitten um Unterstützung an die Höfe Westeuropas. In Deutschland wurden zum ersten Mal in der Geschichte der Kreuzzugsbewegung Druckerpressen eingesetzt, um Teilnehmer anzuwerben und Ablassbriefe unter das Volk zu bringen. Eine Reihe von Kreuzzugsversammlungen in Deutschland machte vor allem durch Intrigen und Meinungsverschiedenheiten von sich reden; 1455 wurde bei einem solchen Treffen der Beschluss gefasst, den geplanten Kreuzzug noch um ein Jahr aufzuschieben, da unterdessen die Nachricht vom Tod des Papstes eingetroffen war. In der Zwischenzeit hatten am 17. Februar 1454 Herzog Philipp der Gute von Burgund und seine Ritter vom Goldenen Vlies bei einem prächtigen Gastmahl in Lille geschworen, das Kreuz zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit wurde als Tafelschmuck unter anderem ein lebendiger Fasan aufgetragen, der über
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und über mit Juwelen geschmückt war; zur Ergötzung der Gäste diente auch die Abbildung eines Elefanten, der die hilfesuchende Mutter Kirche auf seinem Rücken trug. Viel wichtiger als solches archaische Rittertheater war die gemeinschaft liche Anstrengung führender Kirchenleute, die Kreuzzugsbewegung mit dem neuen, humanistischen Denken in Einklang zu bringen und so zu modernisieren; die innovativen Vorschläge der Humanisten zur Lösung des Türkenproblems hatten sie dazu inspiriert. Das bedeutete unter anderem, die Einheit der Christenheit auf neue Weise auszudrücken, sich die Volksfrömmigkeit zunutze zu machen, den Einsatz von Berufssoldaten zu rechtfertigen, Kriegskapital durch die Vergabe von Ablassbriefen gegen Schenkungen zu gewinnen und, schließlich, neue Propagandatechniken einzusetzen, nicht zuletzt die humanistische Rhetorik und den Buchdruck. In Anlehnung an die frühere Auffassungen korrigierenden Forschungen von Nancy Bisaha und Norman Housley bezeichnet man diese Revolution in der Kreuzzugsbewegung immer öfter als „Renaissancekreuzzüge“ (Renaissance crusading). Der neue Papst, Calixt III., war ein sogar noch eifrigerer Verfechter des Kreuzzugsgedankens als sein Vorgänger; es heißt von ihm, er habe „stets von der geplanten Expedition gesprochen, nie an etwas anderes gedacht“. Am 15. Mai 1455 bestätigte er die Kreuzzugsbulle Nikolaus’ V. und legte den 1. März 1456 als Abmarschdatum des Kreuzfahrerheeres fest. Legaten und Prediger, Letztere vor allem aus den Reihen der Franziskaner, wurden in alle Winkel Europas entsandt, um für das Unternehmen zu werben. Eine Kommission von Kardinälen unter der Leitung des Basilius Bessarion, eines gebürtigen Griechen, koordinierte die Planungen. Am 14. Februar 1456 nahm der charismatische Prediger Johannes Capistranus in Buda das Kreuz und wurde ermächtigt, den Kreuzzug im ganzen Land zu verkünden. Es heißt, er habe allein in Ungarn 27 000 Teilnehmer angeworben. Mittlerweile konkretisierte sich vor Belgrad die Türkengefahr. Johannes Capistranus persönlich zog mit einem Kontigent von 2500 Mann nach Süden, um den Verteidigern der Stadt beizustehen. Bei Belgrad angelangt, stieß ein zweites Heer ungarischer Kämpfer unter dem Kommando von Johann Hunyadi zu ihnen. Gemeinsam durchbrachen sie zunächst die muslimische Blockade, bevor es am 22. Juli zahlenmäßig unterlegenen christlichen Truppen gelang, eine riesige türkische Streitmacht zurückzuschlagen, was der Situation eine gewisse Ähnlichkeit mit den Schlachten des Ersten Kreuzzuges verlieh. Die Türken suchten ihr Heil in der Flucht und ließen sogar ihre Ausrüstung und Vorräte zurück, was Johannes Capistranus zu der Feststellung verleitete, nun sei wohl endlich auch die Zeit gekommen, Jerusalem und das Heilige Land zurückzuerobern. Im darauffolgenden Sommer kaperte vor Mytilene eine päpstliche Flotte von 16 Galeeren mehr als 25 türkische Schiffe und besetzte die Inseln Samothrake, Thasos und Lemnos in der nördlichen Ägäis, zu deren Verteidigung Papst Pius II. später den Ritterorden Unserer Lieben Frau von Bethlehem gründete. Johannes Capistranus hatte in der Zwischenzeit ein Heer von Armen rekrutiert und zog mit diesen nach Belgrad. Im Gegensatz zu den Pöbelhaufen der Vergangenheit war dies ein Volkskreuzzug, der nicht nur militärisch erfolgreich war, sondern sich durch Frömmigkeit, Disziplin und gute innere Führung auszeichnete. Die Kleinbauern Un-
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garns waren es schon immer gewohnt gewesen, in fallweise aufgebotenen Volksheeren Waffendienst zu leisten, aber der Kreuzzug nach Belgrad war nicht das einzige Beispiel dafür, dass im 15. und frühen 16. Jahrhundert die Ärmsten der Armen rekrutiert wurden. Eine „Kreuzzugsrevolte“, der von Georg (György) Dósza angeführte ungarische Bauernaufstand von 1514, an dem sich ein riesiges Heer bäuerlicher Kreuzfahrer beteiligte – rund 50 000 Mann, die von den Franziskanern rekrutiert worden waren –, richtete sich gegen die Adligen, die als infideles (Ungläubige) verdammt wurden. Dass die Armen jetzt in der Kreuzzugsbewegung wieder eine größere Rolle spielten, war eine bemerkenswerte Entwicklung und hatte vermutlich damit zu tun, dass die Kreuzfahrer mittlerweile nicht mehr zu Schiff transportiert werden mussten, sondern auf europäischem Boden kämpften. Die einfachen Leute, die zum Kampf auf ihrem eigenen Grund und Boden gerufen wurden, kamen nun wieder ins Bild – allerdings zu spät, als dass dies einen großen Unterschied hätte machen können. Natürlich konnte selbst das beherzte Entgegentreten der ungarischen Kreuzfahrer bei Belgrad die Türken nicht endgültig aufhalten. Die europäischen Mächte waren nicht bereit, ihre Animositäten zu begraben und sich rückhaltlos hinter ein gemeinsames Kreuzzugsvorhaben zu stellen – soviel stand nach den Erfahrungen von Papst Calixts Nachfolger Pius II. fest. Pius war von Beginn seines Pontifi kats an ein glühender Anhänger der Kreuzzugsbewegung gewesen, zugleich aber auch ein führender Kopf unter den humanistischen Reformern. Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, einen Kreuzzugskongress nach Mantua einzuberufen, bei dem die gesamte Christenheit vertreten sein sollte. Diese Zusammenkunft erreichte wenig, denn – darauf hat Norman Housley hingewiesen – sie war von Anfang an falsch konzipiert. Die in Mantua tagenden Gesandten verhandelten zwar im Namen ihrer Herren, aber sie waren nicht autorisiert, verbindliche Zusagen von einem Ausmaß zu machen, wie sie sich Papst Pius erhofft hatte; ohnedies hatten dieselben Herren in der Regel dringlichere Probleme als die Kreuzzugsplanung. Der Kongress zog sich über acht Monate hin, was vor allem auf das verspätete Eintreffen der deutschen und französischen Gesandtschaften zurückzuführen war. Bis Weihnachten 1459 hatten die anwesenden Vertreter Truppen im Umfang von insgesamt 80 000 Mann zugesagt, und am 14. Januar 1460 wurde zu einem dreijährigen Kreuzzug gegen die Türken aufgerufen. Doch schon im März 1462 war Pius II. der Verzweiflung nahe: Wenn wir auch nur daran denken, ein Konzil einzuberufen, so lehrt uns Mantua, dass das ein vergebliches Bemühen wäre. Wenn wir Legaten zu den Mächtigen entsenden und um Hilfe bitten, so lacht man uns aus. Wenn wir dem Klerus einen Zehnten auferlegen, so legt der bei einem künft igen Konzil Beschwerde dagegen ein. Wenn wir Ablassbriefe ausstellen und die Leute ermutigen, durch geistliche Stiftungen und Opfergaben ihr Scherflein beizutragen, so zeiht man uns der Habgier. Man meint, das Anhäufen von Gold sei unser einziges Ziel. Man glaubt uns kein Wort. Es ergeht uns wie zahlungsunfähigen Kaufleuten, die nicht kreditwürdig sind.
Tatsächlich waren die Ergebnisse all dieser Planungen und Verhandlungen – abgesehen von einer Kriegserklärung der Venezianer an die Türken – gänzlich zu vernachlässigen.
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Papst Pius jedoch war fest entschlossen, einen Kreuzzug stattfinden zu lassen, und wie Gregor X. zweihundert Jahre zuvor wollte er ihn selbst anführen; als Priester wollte er kämpfen, „mit der Macht des Wortes, nicht der des Schwertes“. Am 18. Juni 1464 nahm er in der Peterskirche das Kreuz und verließ Rom noch am selben Tag in Richtung Ancona, wo er das Eintreffen einer venezianischen Flotte erwartete. Nach und nach trafen Kontingente spanischer, deutscher und französischer Kreuzfahrer ein – insgesamt mehr, als in der Literatur gemeinhin angegeben – und schließlich auch die Flotte, doch dann brach in Ancona die Pest aus. Papst Pius II. starb am 15. August. Anlässlich des Verlustes von Euböa an die Osmanen – und damit der nach Kreta wichtigsten venezianischen Flottenbasis – veröffentlichte der gerade gewählte Papst Sixtus IV. am 31. Dezember 1471 einen allgemeinen Aufruf zum Kreuzzug und ging eilig ein Bündnis mit Venedig und Neapel ein. Für ein päpstliches Geschwader unter dem Befehl des Kardinals Oliviero Carafa, gab er mehr als 144 000 Florin aus. Die vereinigte Flotte der Bündnispartner war mit 87 Galeeren und fünfzehn Transportschiffen mehr als stattlich und versammelte sich im Spätsommer 1472 vor Rhodos, um von dort aus Antalya und Smyrna anzugreifen, wobei die letztgenannte Stadt völlig niedergebrannt wurde. Einige Glieder aus der mächtigen Kette, die den Zugang zum Hafen von Antalya sicherte, wurden im Triumph nach Rom zurückgebracht und konnten noch bis vor Kurzem im Petersdom besichtigt werden, wo sie über einer Tür aufgehängt waren. Die Reaktion der Türken kam mit einer Wucht, die ein deutliches Zeichen der Stärke war, die das Osmanische Reich mittlerweile erlangt hatte. 1480 belagerten sie Rhodos und landeten zur gleichen Zeit in Italien selbst, nahe Otranto, das ihnen am 11. August in die Hände fiel. Damit hatten sie einen Brückenkopf in Westeuropa errichtet, und Papst Sixtus, der sogar eine Flucht nach Avignon erwogen hatte, sandte unverzüglich Hilferufe an seine potenziellen Verbündeten. Am 8. April 1481 ließ er diesen Schreiben eine weitere Kreuzzugsbulle folgen, doch schon am 3. Mai starb Sultan Mehmed II., und am 10. September sah sich die muslimische Garnison von Otranto durch ein christliches Heer zur Kapitulation gezwungen.
Die Eroberung von Granada und die Invasion Nordafrikas Die Eroberung von Granada und die Invasion Nordafrikas
Inmitten all der Planungen und Propaganda für Kreuzzungsunternehmen an anderen Orten war auch die iberische Reconquista, die seit über einem Jahrhundert geruht hatte, wieder aufgenommen worden. In den Köpfen der Könige war sie seit etwa 1350 nicht mehr von besonderer Dringlichkeit, und so überließ man den Kleinkrieg an der Grenze den ortsansässigen Adligen. Im Jahr 1475 war Papst Sixtus sogar so weit gegangen, die Hälfte der tercias reales, die schon lange nicht mehr zum Kampf gegen die Mauren eingesetzt wurden, für seine eigene Kriegführung gegen die Türken zu requirieren. Doch infolge der Vereinigung von Aragón und Kastilien durch die Heirat von Ferdinand II. und Isabella I. im Jahr 1479 sowie des Wiederauflebens der Kreuzzugsideologie nach dem Verlust von Konstantinopel begann der spanische Hof, sowohl religiösen, als auch
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nationalistischen Leidenschaften zu frönen. Kreuzzugsbullen und Kreuzzugsprivilegien – das Zubehör der Bewegung – durften dabei natürlich nicht fehlen. Unsummen von Geld wurden ausgegeben, um große Heere aufzustellen, und der Krieg wurde mit einer Unbedingtheit verfolgt, die auf Kosten fast aller anderen spanischen Interessen ging. Den Christen half dabei der Umstand, dass Granada ihnen durch die Besetzung von Zahara einen Kriegsgrund lieferte und durch inneren Streit zerrissen war, den 1482 die Revolte des Königssohnes ausgelöst hatte. Im selben Jahr eroberten die Christen Alhama; die westliche Hälfte des Königreiches – darunter Zahara, Álora, Setenil, Benamejí und Ronda – wurde zwischen 1483 und 1486 besetzt. 1487 folgte die Rückeroberung von Málaga, 1488 / 1489 befanden sich auch Baza, Almería und Guadix wieder in christlicher Hand. Im April 1490 begannen Ferdinand und Isabella die Stadt Granada selbst zu belagern. Als ihr Heerlager durch einen muslimischen Ausfall zerstört wurde, gründeten sie stattdessen eine ganze Stadt, Santa Fe, deren Errichtung dem Kampfgeist der Belagerten einen schweren Schlag versetzte. Granada kapitulierte am 2. Januar 1492; am 6. Januar zog das spanische Königspaar in die Stadt ein. Am 4. Februar wurden der Vatikan und die Engelsburg in Rom zur Feier des christlichen Sieges mit Fackeln und Freudenfeuern illuminiert. Am nächsten Tag zog eine feierliche Dankprozession durch die Stadt, und Kardinal Rodrigo Borgia ließ die ersten Stierkämpfe in Rom veranstalten. Man sagte etwas übertrieben, die Rückeroberung von Granada habe den Verlust Konstantinopels wettgemacht, und nahm allgemein an, dies sei das Vorspiel zur Befreiung Nordafrikas. Tatsächlich begann 1497 mit der Besetzung von Melilla eine Invasion des afrikanischen Kontinents, der eine ganze Reihe von Eroberungen folgte, die von den Päpsten autorisiert und ganz der alten Vorstellung verpflichtet waren, das Heilige Land sei am besten auf dem Landweg über Nordafrika zu erreichen: Mers el-Kebir im Jahr 1505, die Kanareninsel La Gomera 1508, Oran 1509 und schließlich 1510 eine Felseninsel vor Algier (den Peñon de Argel), Bougie und das libysche Tripolis.
Kreuzzugspläne (1484 –1522) Kreuzzugspläne (1484–1522)
Der spanische Triumph ganz im Westen des europäischen Kontinents sollte – allen Bemühungen der Kurie zum Trotz – das einzige konkrete Ergebnis der päpstlichen Kreuzzugspolitik jener Jahre bleiben. Unter den Klauseln der Wahlkapitulation, die im Kardinalskollegium vor der Wahl Papst Innozenz’ VIII. am 29. August 1484 ausgehandelt worden war, fand sich auch das Versprechen, ein allgemeines Konzil zu Kirchenreform und Kreuzzugsplanung einzuberufen, ein altes Programm also, das im 16. Jahrhundert wiederbelebt werden sollte. Gleich zu Beginn von Innozenz’ Pontifi kat begann die Kurie, Pläne für einen neuen Kreuzzug zu schmieden, doch erst 1490 erschien die politische Lage in Westeuropa einem solchen Unternehmen günstig – wobei der Schein, wie sich herausstellte, trog. Zunächst wurde, im März des Jahres in Rom ein Kongress zur weiteren Ausarbeitung des Kreuzzugsvorhabens eröffnet. Unter den Teilnehmern befanden sich Abgesandte aller großen Mächte mit Ausnahme Venedigs. Die Delegierten arbeite-
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ten einen detaillierten Plan aus, der zwei Landheere vorsah – eines aus deutschen, ungarischen, böhmischen und polnischen, das andere aus französischen, spanischen, portugiesischen, navarresischen, schottischen und englischen Kreuzfahrern –, dazu eine Flotte, welche der Heilige Stuhl gemeinsam mit den italienischen Seerepubliken stellen sollte. Das Oberkommando über die gesamte Kampagne sollte entweder Kaiser Friedrich III. oder seinem Sohn, dem römisch-deutschen König Maximilian, übertragen werden. Das eine Kreuzfahrerheer sollte die Türken an der ungarischen Grenze angreifen, während das andere zur Landung in Albanien vorgesehen war. Die Flotte wiederum würde in der Ägäis operieren. Der bereits erwähnte Türkenprinz Cem, der sich mittlerweile in päpstlichem Gewahrsam befand, sollte die Kreuzfahrer begleiten: Alle Beteiligten scheinen der Überzeugung gewesen zu sein, dass Cems Gegenwart von politischem Vorteil sein werde. Letztlich folgte aus all diesen ambitionierten Plänen dann doch kein Kreuzzug – obwohl 1493 all jene, die sich an der Verteidigung Ungarns beteiligten, einen vollen Ablass erhielten –, und durch die französische Invasion Italiens 1494 wurden sie ohnehin hinfällig. Aber der Kreuzzugsgedanke lag so sehr in der Luft, dass der französische König Karl VIII., der in Italien eigentlich seinen Anspruch auf den Thron von Neapel durchsetzen wollte, unterwegs in Rom den unglücklichen Cem aufsammelte und, wie es scheint, davon träumte, dass seine Eroberung Unteritaliens der Auftakt zur Eroberung Griechenlands in Begleitung des osmanischen Prinzen sein werde. Cem starb jedoch schon bald, Karls Träume zerronnen, und obwohl er am 22. Februar 1495 im Triumph in Neapel einzog und dort am 12. Mai zum König gekrönt wurde, machte es ihm die Feindschaft Venedigs und Mailands unmöglich, dort zu bleiben. Im November zog er sich nach Frankreich zurück. 1499 erreichte Italien die Nachricht, die Osmanen träfen umfangreiche Kriegsvorbereitungen. Man fürchtete zunächst einen unmittelbar bevorstehenden Angriff auf Rhodos, doch wie sich heraustellen sollte, waren die venezianischen Besitzungen auf dem griechischen Festland das Ziel. Im August fiel Lepanto in türkische Hand; Methoni, Pylos (Navarino) und Koroni folgten im Jahr darauf. Papst Alexander VI. gab erste Gutachten zu einem geplanten Kreuzzug in Auft rag, und Europa schien ein weiterer Schub des Kreuzzugsfiebers bevorzustehen, wie besorgte Äußerungen Heinrichs VII. von England zeigen. Der Papst bemühte sich um einen erneuten Kreuzzugskongress und veröffentlichte am 1. Juni 1500 eine entsprechende Bulle. Beträchtliche Summen wurden durch einen dreijährigen Kreuzzugszehnten aufgebracht, und im Frühjahr 1502 stach ein päpstliches Geschwader von dreizehn Galeeren in See, um die venezianische Flotte zu verstärken. Doch Frankreich und Spanien befanden sich im Streit über das Königreich Neapel, und so wurde in den nächsten paar Jahren viel geredet und wenig getan. Die Päpste Julius II. und Leo X. waren zwar unermüdliche Kreuzzugsplaner und -propagandisten, doch die anhaltenden Kämpfe in Italien, die französische Invasionen und die gegen Venedig gerichtete Liga von Cambrai machten alle ihre Bemühungen zunichte. Heinrich VII. von England, Manuel I. von Portugal und Jakob IV. von Schottland drangen mit Nachdruck auf einen erneuten Kreuzzug, während Ferdinand von Spanien und Ludwig XII. von Frankreich das Vorhaben zumindest zeitweilig unterstützten. Zwischen
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1512 und 1517 standen Kreuzzugspläne auf der Tagesordnung der ersten, sechsten, achten, zehnten und zwölften Sitzung des Fünften Laterankonzils, wobei ein Schwerpunkt auf der alten Verbindung von Kreuzzugsidee und Kirchenreform lag. 1513 veröffentlichte Papst Leo X. eine weitere Kreuzzugsbulle, die an die Bewohner Osteuropas gerichtet war; im Jahr darauf wurde ein Kreuzfahrerheer aufgestellt. Leo drängte die weltlichen Herrscher, ihre Differenzen beizulegen, und rief 1516 sogar die Franzosen zu einem Kreuzzug unter dem Kommando ihres Königs Franz I. auf, den er zuvor überredet hatte, persönlich die Führung zu übernehmen. Dann jedoch in den Jahren 1516 / 1517 erfolgte die osmanische Eroberung von Syrien und Ägypten. Die europäische Öffentlichkeit war entsetzt. Die Kurie reagierte mit einem weiteren Ausbruch von Aktivitäten. Am 11. November 1517 wurde ein besonderer Kreuzzugsablass verkündet, und der Papst setzte eine Kommission von acht Kardinälen ein, die zunächst einmal zu einem allgemeinen Waffenstillstand in Europa aufriefen. Dieser würde durch eine Allianz namens Fraternitas Sanctae Cruciatae („Bruderschaft des heiligen Kreuzzuges“) gesichert werden, deren Bundesschwur die Fürsten ablegen sollten. Anschließend sollte, so der Vorschlag der Kardinäle, ein Heer von 60 000 Mann zu Fuß, 4000 Panzerreitern und 12 000 Mann leichter Kavallerie aufgestellt werden, das durch eine Flotte ergänzt würde. Der eine Heeresteil sollte nahe dem albanischen Durazzo landen, der andere von Norden her nach Thrakien vorstoßen. Der Papst selbst sollte den Kreuzzug begleiten. Abschriften dieses Memorandums wurden den Königen Westeuropas übersandt. Die Antworten Franz’ I. von Frankreich und des Kaisers Maximilian verliehen deren Überzeugung Ausdruck, dass ein Friedensschluss in Europa Vorbedingung jedes weiteren Vorgehens sei, und so erklärte der Papst am 6. März 1518 eine fünfjährige Waffenruhe in ganz Europa und sandte prominente Kardinäle als Legaten aus, die auf deren Einhaltung durch die betroffenen Mächte achten sollten. So groß war zu jener Zeit die Türkenfurcht der Europäer, dass es so aussah, als würden sie den Anweisungen des Papstes tatsächlich Folge leisten. Frankreich, das Heilige Römische Reich und Venedig erklärten, den fünfjährigen Waffenstillstand einhalten zu wollen, und im Oktober 1518 schlossen Frankreich und England den Vertrag von London, ein Verteidigungsbündnis, das für weitere Partner offen blieb. Der Papst ratifizierte den Vertrag am 31. Dezember, der spanische König Karl I. tat es ihm gut zwei Wochen später gleich. Das Treffen Franz’ I. von Frankreich mit dem englischen König Heinrich VIII. auf dem Camp du Drap d’Or in der Nähe von Calais im Juni 1520 bot die Gelegenheit zu einer verschwenderisch-theatralischen Freundschaftsbekundung. Die Planungen zu Geldbeschaff ung und Truppenaushebung schritten weiter voran, doch mit der Nachricht vom Tod Sultan Selims I. fielen 1520 sämtliche Anstrengungen in sich zusammen. Die Kreuzzüge verschwanden aus dem Rampenlicht. Woher hätten die Fürsten des christlichen Abendlands auch wissen sollen, dass Selims Nachfolger Süleyman ein mindestens ebenso formidabler Gegner sein würde wie sein Vater? Sie wandten ihre Aufmerksamkeit lieber wieder näherliegenden Problemen zu, so etwa den konkurrierenden Ansprüchen Karls von Spanien und Franz’ von Frankreich auf die Kaiserkrone und den Thron von Neapel, oder der Reformation Martin Luthers in Deutschland.
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Die Unfähigkeit der Päpste und der römischen Kurie, den Westen zur Unterstützung eines Kreuzzugsvorhabens zu einen – und das trotz unglaublicher Anstrengungen und Reformbemühungen –, erinnert an die Entwicklungen der Jahre 1150–1187 und 1272– 1291. Es lag in der Natur der zwischenstaatlichen Beziehungen jener Jahre – verschärft noch durch das Chaos, in dem Italien nach 1494 versank –, dass keiner der europäischen Fürsten sich überreden ließ, ihre Differenzen lange genug beizulegen. Stattdessen ließen sie sich stets davon überzeugen, dass dieser oder jener Grenzkonflikt oder Herrschaftsanspruch wichtiger war als die türkische Bedrohung Europas. Die Kreuzzugsbewegung war nun unübersehbar im Niedergang begriffen, und selbst die Appelle der Päpste blieben ohne Antwort. Ausmaß und Geschwindigkeit dieses Niedergangs lassen sich leicht übertreiben – von Zeit zu Zeit flammte der frühere Enthusiasmus immerhin noch einmal auf, und das nicht nur im Adel, sondern auch unter dem einfachen Volk –, aber fern vom Mittelmeer und fern von Osteuropa, wo die unmittelbar mit den Türken konfrontierten Mächte noch immer einigen Eifer an den Tag legten, ebbte die Begeisterung für das alte Ideal immer weiter ab.
11. Der langsame Tod der Kreuzzugsbewegung (1523–1892) Der langsame Tod der Kreuzzugsbewegung (1523–1892)
Nach siebzig Jahren intensiver Anstrengung ließ der Druck, Kreuzzüge zu führen, in den 30er-Jahren des 16. Jahrhunderts schlagartig nach. Die Aufmerksamkeit und die Ressourcen der Kurie waren durch die Einfälle französischer und kaiserlicher Truppen nach Italien gebunden; dazu kam die Sorge um die Aktivitäten der Kirchenreformer, als in Deutschland der durch Martin Luther verursachte Aufruhr immer größer wurde. Auf die Nachrichten der Eroberung von Belgrad 1521 und Rhodos 1522 hatte Papst Hadrian VI. mit der Ausrufung einer dreijährigen Waffenruhe in Europa reagiert, die das Aufstellen eines Koalitionsheeres gegen die Osmanen ermöglichen sollte. Franz I. von Frankreich wurde durch das Kardinalskollegium darauf aufmerksam gemacht, dass Ruhm und Ehre seines Hauses nicht auf deren Kriegen mit ihren Nachbarn beruhten, sondern auf der Rolle, die es bei den Kreuzzügen gegen die Ungläubigen gespielt hatte. Allerdings scheiterte dieser Versuch, einen fähigen Anführer für den geplanten Kreuzzug zu finden, als die Franzosen wieder einmal in Oberitalien einfielen. Hadrians Nachfolger Clemens VII. wollte eine paneuropäische Kreuzzugsliga gegen die Türken ins Leben rufen, und dieses Begehren hatten zweifellos Franz I. und Kaiser Karl V. im Sinn, als sie in ihrem 1526 geschlossenen Friedensvertrag von Madrid den Wunsch äußerten, der Papst möge doch die Europäer zu einem „allgemeinen Kreuzzug“ aufrufen. Am 26. August desselben Jahres wurde ein ungarisches Heer unter König Ludwig II. bei Mohács vernichtend von den Osmanen geschlagen; Ludwig selbst wurde auf dem Rückzug getötet. Angesichts der wachsenden militärischen Bedrohung Italiens durch das Kaisertum, die 1527 zu der deutschen Besetzung Roms führte, überrascht es nicht, dass Papst Clemens VII. weiterhin auf die Gründung einer Kreuzzugsliga drang. Die Unterhändler Karls V. verlangten von Clemens jedoch die Einberufung eines allgemeinen Konzils, das die Kirche reformieren und das Luthertum ausrotten sollte, und verbanden dies mit dem Wunsch, „die so überaus sehnlich erwartete Expedition gegen die Ungläubigen“ vorzubereiten.
Die Reformation Die Reformation
Die alte Verknüpfung von Kirchenreform und Kreuzzungsidee tauchte im Vorfeld des schließlich abgesagten Konzils von Mantua 1537 wieder auf, ebenso im Aufruf zum Konzil von Trient, der 1544 erging. Auf diesem Konzil wollte man „die Zwietracht in der Religion beenden, das Verhalten der Christenheit bessern [oder: reformieren] und im
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allerheiligsten Zeichen des Kreuzes eine Expedition gegen die Ungläubigen ins Werk setzen“ – eine Agenda, die sich von den Konzilien des 13. Jahrhunderts allein durch ihren Verweis auf den Protestantismus unterscheidet. Viele Katholiken glaubten noch immer, Häretiker – in diesem Fall die Protestanten – seien mindestens so gefährlich wie die Muslime. So erklärte beispielsweise 1566 der Sprecher König Philipps II. von Spanien, von den Türken gehe angesichts des „inneren Übels“ von Häresie und Rebellion die geringere Gefahr aus. Im Februar 1524 bekundete Clemens VII. seine doppelte Besorgnis angesichts der türkischen Bedrohung Ungarns und der Aktivitäten Martin Luthers, und auch der Vorschlag eines allgemeinen Kreuzzuges, der zwei Jahre später in dem Vertrag von Madrid enthalten war, nannte als doppeltes Ziel „die Abwehr und Vernichtung … der Ungläubigen und die Ausrottung der Irrlehren der lutheranischen Sekte“. Und wenn es die Katholiken aus politischem Kalkül unterließen, den Schmalkaldischen Krieg von 1546 / 1547 mit Kreuzzugsideen zu verbinden, so hatten doch die aufständischen englischen Katholiken, die 1536 / 1537 auf der Pilgrimage of Grace („Pilgerfahrt der Gnade“) gegen König Heinrich VIII. gezogen waren, Abzeichen mit den fünf Heiligen Wunden Christi getragen, wie sie auch bei den Kreuzfahrern in Nordafrika üblich waren. Der exilierte englische Kardinal Reginald Pole rief gar zu einem Kreuzzug gegen England auf, der dann 1588 in Gestalt der Spanischen Armada, mit Ablassbriefen versehen und zum Teil aus Kreuzzugssteuern finanziert, Wirklichkeit wurde. Im Jahr 1551 drohte Papst Julius III. dem französischen König Heinrich II. mit einem Kreuzzug, weil er sowohl die Protestanten als auch die Türken unterstützt habe. Selbsternannte Kreuzfahrerbruderschaften spielten eine wichtige Rolle bei den ersten drei Bürgerkriegswellen im Frankreich der 1560er-Jahre; auch im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) tauchen unversehens wieder Elemente der Kreuzzugsideologie auf. Immer wieder wird deutlich, dass Bedrohungen im Inneren von den Päpsten und auch von den meisten Katholiken nahezu unverändert für gefährlicher gehalten wurden als solche, die von außen kamen. Die protestantische Lehren verbreiteten sich schnell, und bis zum Ende des 16. Jahrhunderts war eine nicht zu unterschätzende Minderheit unter den Christen des Abendlands für den Katholizismus – und damit auch für die Kreuzzugsbewegung – verloren. Gewiss: Zahlreiche Reformatoren waren Anhänger der Lehre vom Gerechten Krieg. So lehnte zwar Martin Luther die Vorstellung einer besonderen Lehrautorität des Papstes entschieden ab, desgleichen die Idee der Errettung durch gute Werke. Und doch stellte Luther – vielleicht in einer Art von negativem Echo der Tradition – den Bischof von Rom als schlimmer als die Türken dar, und auch sein Standpunkt, was das Recht eines Christenmenschen anging, zur Verteidigung seiner Familie und Heimat gegen die Muslime zu den Waffen zu greifen, „ähnelte“, darauf hat Norman Housley hingewiesen, „dem katholischen Kreuzzugsdenken in mehreren entscheidenden Punkten, darunter Luthers Betonung von Buße und Gebet“. Dies habe, so Housley weiter, „die lutheranischen Gemeinden befähigt, in Krisenzeiten mit den Angehörigen gegnerischer Konfessionen zusammenzuarbeiten“. So bewilligten auch die protestantischen Fürsten und Reichsstände die Steuermittel, die der katholische Kaiser für seinen Krieg gegen die Türken benötigte,
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und im protestantischen England wurde nach der erfolgreichen Verteidigung des katholischen Malta im Jahr 1565 in allen Kirchen des Königreiches sechs Wochen lang drei Mal wöchentlich ein Dankgebet gesprochen. Der Hugenottenführer François de La Noue verbrachte seine Kerkerhaft in den frühen 1580er-Jahren mit der Niederschrift seiner Discours politiques et militaires, in welchen auch der Entwurf eines modifizierten passagium generale enthalten war, das – freilich ohne das Versprechen eines Ablasses – Konstantinopel zurückerobern sollte. La Noue erhoffte sich davon die Wiedervereinigung der Christenheit und ein Ende der blutigen Religionskriege. Doch die Protestanten lehnten einen Heiligen Krieg unter päpstlichem Oberbefehl natürlich ab, und so muss der Gedanke, selbst das Kreuz zu nehmen, unter ihnen rasch seinen Reiz verloren haben, obwohl auch in den kommenden Jahrhunderten gelegentlich noch Protestanten bei den Johannitern auf Malta Dienst taten. Obwohl die Reformation den christlichen Widerstand gegen die Türken offenkundig schwächte, kam der osmanische Vormarsch – wie machtvoll und furchteinflößend er auch zu sein schien – mit der Zeit nur noch sporadisch voran, zumindest an der osteuropäischen Landgrenze des Reiches, wo schnelle Aktionen sich mit Phasen relativer Ruhe abwechselten. Bis zum Jahr 1541 hatten die Türken ihr mitteleuropäisches Grenzgebiet konsolidiert, dessen Hauptstadt das ungarische Buda bildete. 1529 und erneut 1683 belagerten sie Wien. In Nordafrika entbrannte, wie wir noch sehen werden, ein erbitterter Kampf zwischen den einheimischen Muslimen, die unter osmanischer Oberherrschaft standen und den Spaniern. Im Mittelmeerraum eroberten die Osmanen nach und nach die Inseln und Territorien auf dem Festland, die noch von den Lateinern gehalten wurden. Nafplio und Monemvasia fielen 1540 an die Osmanen, 1566 bzw. 1570 / 1571 folgten die Inseln Chios und Zypern. Während es 1565 gelungen war, Malta, ein entscheidendes Bindeglied in der christlichen Verteidigungslinie von Mitteleuropa nach Nordafrika, gegen einen türkischen Eroberungsversuch zu verteidigen, fiel Kreta 1669 an das Osmanische Reich. Es ist nur verständlich, dass die christlichen Mächte bestrebt waren, den Schaden auch auf diplomatischem Wege zu begrenzen. Venedig und das Heilige Römische Reich, die beide die größten Verluste erlitten hatten, mussten dazu bereit sein, mit Konstantinopel einen Waffenstillstand zu schließen, wenn dies opportun erschien. Die Venezianer gingen sogar so weit, Sultan Süleyman zur Eroberung von Rhodos sowie zu seinem Sieg bei Mohács zu beglückwünschen. Die französische Krone schloss ein Bündnis mit den Türken, um sich auf diese Weise gegen die Machtbestrebungen Kaiser Karls V. zur Wehr zu setzen. Ihr 1536 mit Konstantinopel geschlossener Bündnisvertrag, der durch die 1569 von Sultan Selim II. gemachten Zugeständnisse noch bekräft igt wurde, versetzte die Franzosen zudem in die Lage, sich als segensreich zu erweisen und als Schutzmacht katholischer Kaufleute und Pilger aufzutreten, die im Osmanischen Reich Handel trieben oder auf der Reise waren. Überraschender war da schon die Haltung Papst Pauls IV. (1555–1559), dessen Ketzerbesessenheit ihm eigentlich wenig Freiraum für irgendwelche kreuzfahrerischen Aktivitäten hätte lassen sollen. Dennoch drohte er sowohl Kaiser Karl V. als auch dessen Sohn Philipp II. von Spanien, die er gleichermaßen fürchtete und
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hasste, mit einem Kreuzzug. Er zog sogar ein gegen die Habsburger gerichtetes Bündnis mit den Türken in Betracht – was einen der Anklagepunkte bildete, als sein Neffe, der ein Johanniter gewesen war, später zum Tode verurteilt wurde.
Alte und neue Ritterorden Alte und neue Ritterorden
Das Wesen einiger Ritterorden änderte sich tiefgehend. Dies führte zum Aufkommen einer neuen Art von weniger geistlich als militärisch ausgerichteten Orden, die nicht mehr der Legitimation durch die Kirche bedurften, da sie unter der Herrschaft von Fürsten und deren dynastischen oder gesetzlichen Erben standen. Die Säkularisierung der iberischen Ritterorden war bereits im 15. Jahrhundert weit fortgeschritten. Im 16. Jahrhundert wich die de facto bestehende Kontrolle der Orden durch die Krone einer nun auch formalrechtlich fi xierten, päpstlich besiegelten Herrschaft. Den Ordensbrüdern wurden fast alle Einschränkungen erlassen, die sich auf das religiöse Leben bezogen. In einigen Orden blieb diese Säkularisierung jedoch Stückwerk, sie behielten einzelne Elemente ihrer geistlichen Vergangenheit bei. Ihre Ritter dienten weiterhin in Nordafrika oder bei den Galeerenflotten des Mittelmeerraums oder im aufstrebenden portugiesischen Weltreich, dessen Verwaltung dem Orden der Christusritter anvertraut war. Und die Mitgliedschaft in diesem Orden brachte noch immer öffentliche – nicht nur private – Verpflichtungen zur Verteidigung der Christenheit bzw. des christlichen Glaubens mit sich. Papst Pius V. (1566–1572) befahl den portugiesischen Ritterorden, an der nordafrikanischen Grenze der Christenheit die Stellung zu halten, und verfügte sogar, dass kein neuer Ordensbruder seine ewigen Gelübde ablegen dürfe, bevor er nicht mindestens drei Jahre dort Dienst getan habe. Auch wollte er in Afrika ein Ordensseminar zur Ausbildung junger Ritterbrüder einrichten. Ab 1552 unterhielt der Orden von Santiago drei oder vier Galeeren, die Teil der spanischen Mittelmeerflotte waren. Die iberischen Mischlinge beeinflussten eine Reihe von Neugründungen, die sich ganz an ihrem Vorbild ausrichteten. Dazu gehörten der 1562 gegründete Toskanische Stephansorden, der über beinahe zwei Jahrhunderte eine schlagkräftige Flotte aufbot; der savoyische Orden der Heiligen Mauritius und Lazarus (1572) und der französische Orden unserer Lieben Frau vom Berge Karmel und des heiligen Lazarus von Jerusalem (1609), die beide die letzten Teile des Lazarusordens in sich aufnahmen; sowie der Konstantinische Orden vom heiligen Georg (1697). Andere, entferntere Abkömmlinge der alten Ritterorden, die auch keinerlei Kreuzzugsambitionen mehr hegten, waren der päpstliche Reiterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem (1847) sowie fünf protestantische Orden, die sich in einem Fall in der Tradition des Deutschen Ordens, in den übrigen vier jedoch als Nachfolger des Hospitals des heiligen Johannes sahen: die Ballei Utrecht (1815) des Deutschen Ordens; und die Ballei Brandenburg (1852) in Deutschland; der Most Venerable Order of St John im britischen Commonwealth (1888), der schwedische Johanniterorden (1920) sowie der Johanniterorden (1946) in den Niederlanden. Die überlebenden Ritterorden traditioneller Art wurden von der Reformation schwer
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getroffen. Im Jahr 1525 trat Albrecht von Brandenburg, der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens im Baltikum, zum Luthertum über. Den vormaligen Deutschordensstaat erhielt er vom polnischen König als Lehen und regierte dort fortan als Herzog von Preußen. 1562 wurde der letzte Meister des Deutschen Ordens in Livland, Gotthard Kettler, ebenfalls ein lutherischer Herzog (von Kurland und Semgallen). Die Kommende Utrecht in den Niederlanden nahm den Calvinismus an und besteht bis zum heutigen Tag als die wohltätige Körperschaft, die im vorigen Absatz erwähnt wurde. Der Rest des Deutschen Ordens blieb als katholische Gemeinschaft nur im süddeutschen Raum bestehen, wo die Hochmeister des Ordens fortan in Mergentheim Hof hielten. In den Kriegen der Habsburger gegen Türken und Protestanten sollte der Deutsche Orden auch weiterhin eine Rolle spielen: Ab 1696 unterhielt er ein eigenes Regiment innerhalb der habsburgischen Armee. Zwar war der Orden in jener Zeit vergleichsweise klein – 1699 gehörten ihm nur 94 Ritter und 58 Priester an –, aber er blieb doch ein funktionierender Militärorden, der nach 1809 sein Hauptquartier nach Wien verlegte. Der Deutsche Orden besteht noch heute, wenn auch die Mitgliedschaft mittlerweile auf Ordenspriester beschränkt ist. Der Johanniterorden überlebte zwar und gedieh sogar; aber er verlor seine nördlichen Provinzen. Die norddeutschen Johanniterbrüder, die bereits 1382 die Einrichtung einer eigenen Ordensprovinz durchgesetzt hatten, nahmen den lutherischen Glauben an und gründeten eine eigene, protestantische Ballei, die sich schließlich von der Kontrolle des mittlerweile auf Malta ansässigen Großmeisters loskaufte und bis heute als die bereits erwähnte Ballei Brandenburg der deutschen Johanniter fortbesteht. Auch in Dänemark überlebte der Orden eine Zeit lang als protestantische Körperschaft, stellte dann jedoch Schritt für Schritt die Arbeit ein. In England, Norwegen und Schweden wurde er aufgelöst und sein Eigentum beschlagnahmt. Nur in England wurde der Orden kurzzeitig unter Königin Maria I. wiederbelebt. Der letzte Präzeptor des Johanniterordens in Schottland, James Sandilands, trat zum calvinistischen Glauben über und erhielt den dortigen Landbesitz des Ordens 1564 als weltliche Baronie.
Kreuzzüge in Nordafrika Kreuzzüge in Nordafrika
Die Kreuzzugsaktivitäten waren nun auf drei Zonen beschränkt. Eine davon war Nordafrika. Dort hatten die Spanier bereits eine Reihe von Brückenköpfen entlang der Küste errichtet, die als Missionszentren und Militärstützpunkte zur Kontrolle des Küstenstreifens dienen sollten. Zwar banden die riesigen spanischen Eroberungen in den beiden Amerikas einen großen Teil von dem, was die kastilische Gesellschaft an Energie und Ressourcen aufbringen konnte – und es gibt Hinweise darauf, dass das Kreuzzugsdenken jenseits des Atlantiks Verbreitung fand –, aber die Anstrengungen, die im Kampf um Nordafrika unternommen wurden, sind verblüffend. Da es sich bei dem spanischen Kreuzzugsunternehmen um ein nationales Vorhaben unter königlichem Kommando handelte, war es unabhängig genug, sich nicht von den Geschehnissen im Rest Europas beeinflussen zu lassen, wie bei den Kreuzzügen in den Nahen Osten geschehen. Früher
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oder später jedoch würden die Spanier an die Türken geraten, die seit der Unterwerfung Ägyptens begehrliche Blicke in Richtung Westen geworfen hatten. Einer der ersten Anführer des Widerstands gegen die Spanier war ein Mann namens Arudsch Barbarossa, der aus Lesbos stammte und womöglich griechischer Abstammung war. Arudsch vertrieb die spanischen Besatzer aus Miliana, Medea, Tenes und Tlemcen. 1518 wurde er im Kampf getötet, aber sein jüngerer Bruder Khair ad-Din übernahm das Kommando, trat die von ihm beherrschten Gebiete an die Türken ab und eroberte mit deren Hilfe Collo, ʿAnnaba, Constantine, Cherchell und 1529 auch den Fels von Algier (Peñon de Argel), der zu seinem neuen Hauptquartier wurde. Khair ad-Din Barbarossa war schon bald einer der gefürchtetsten Piratenkapitäne auf dem westlichen Mittelmeer und führte große Flotten von Freibeutern auf Kaperfahrten bis nach Italien. Er war eine solche Bedrohung, dass die Abgesandten des Kaisers, die 1533 mit der osmanischen Regierung über einen Tausch der Insel Koroni – die 1532 von den Christen zurückerobert worden war – gegen Ungarn verhandelten, die Türken dazu drängten, auch die Rückgabe des Felsens von Algier an die Spanier zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen. Im August 1534 besetzte Khair ad-Din Tunis, wodurch seine Operationsbasis der Südspitze Italiens unangenehm nahe kam. Karl V. reagierte mit der Entsendung eines Expeditionsheeres, das Tunis einnehmen sollte. Ein Kreuzzug wurde gepredigt, Ablässe wurden in Aussicht gestellt. Der Kaiser selbst übernahm das Kommando im Zeichen „des gekreuzigten Heilands“ und machte sich – wie so viele Kreuzfahrer vor ihm – auf eine einleitende Pilgerreise; die seine führte ihn in das Kloster Montserrat, wo er die heilige Jungfrau Maria um Beistand für den Feldzug bat. Papst Paul III. beteiligte sich an dem Unternehmen mit Geld und sechs Galeeren. Die Johanniter steuerten vier Galeeren bei; die Portugiesen sandten Galeonen und Karavellen. Am 16. Juni 1535 setzte eine Flotte von 74 Galeeren und 330 anderen Schiffen unweit der Stelle, an der im Jahr 1270 Ludwig IX. von Frankreich nordafrikanischen Boden betreten hatte, ein Heer unter dem persönlichen Befehl Kaiser Karls V. an Land. In einem triumphalen Sieg, von dem Kaiser Karl später behaupten sollte, 20 000 gefangene Christen hätten durch ihn die Freiheit wiedererlangt, nahmen die Kreuzfahrer am 14. Juli die Festung von La Goulette ein. Der größte Teil der Barbareskenflotte wurde von den Angreifern erbeutet, Khair ad-Dins Heer geschlagen, und am 21. Juli folgte die Einnahme und Plünderung von Tunis. Schloss und Riegel vom Tor der Stadt wurden als Trophäen nach Rom geschickt, wo Karl V. sich in einem Triumphzug feiern ließ, wie er eines Kaisers würdig war. Khair ad-Din konnte fliehen und zog sich mit einigen seiner Truppen und auf dem Umweg über Mahón auf der Baleareninsel Menorca – das er plünderte – nach Algier zurück. Er brachte es später in osmanischen Diensten bis zum Admiral und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1546 ein Schrecken der christlichen Seefahrt im gesamten Mittelmeerraum. Im Oktober 1541 zog Karl V. mit den Truppen seines Reiches gegen Algier. Unglücklicherweise wurde seine Flotte in einem Sturm zerstreut, weshalb Karl glaubte, ein an Land gebrachtes Heer nicht adäquat versorgen zu können. Unter den Männern, die ihren Kaiser dennoch zur Fortsetzung des Unternehmens überreden wollten, befand sich auch Hernán Cortés, der Eroberer des Aztekenreiches im heutigen Mexiko. Im Juni 1550 ent-
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sandte der Kaiser eine Flotte zur Belagerung von Mahdia, das ja bereits 1390 das Ziel eines Kreuzzuges unter Ludwig von Clermont gewesen war. Kurz zuvor war es der Heimathafen von Khair ad-Dins Nachfolger als führender Barbareskenkorsar geworden, eines aus Kleinasien stammenden Mannes namens Turghut Ali, den die Europäer Dragut nannten. Das christliche Heer eroberte die Stadt am 8. September, doch Turghut Ali entkam. Der Sultan ernannte ihn zum Gouverneur des libyschen Tripolis, das 1530 den Johannitern gegeben, am 14. August 1551 jedoch an die Türken verloren worden war. Die Johanniter, deren halbherzige Verteidigung von Tripolis ihrem Ruf nicht gutgetan hatte – ganze 200 Ritter hatten sich dem Feind ergeben –, drängten den spanischen König Philipp II., die Stadt zurückzuerobern. Papst Paul IV. gewährte einen Kreuzzugsablass, den sein Nachfolger Pius IV. bestätigte, und im Februar 1560 brachte eine Flotte von mindestens 47 Galeeren – zur Verfügung gestellt von Spanien, Genua, Florenz, Neapel, Sizilien, dem Papsttum und den Johannitern – gemeinsam mit 43 weiteren Schiffen ein Heer von 11 000–12 000 Mann – Italiener, Spanier, Deutsche, Franzosen, Johanniter und Malteser – zur Insel Dscherba am südlichen Zugang des Golfs von Gabès. Am 13. März eroberten christliche Landungstruppen die dortige Festung: Ein wichtiger erster Schritt zur Rückeroberung von Tripolis. Sie wussten, dass ein türkischer Gegenschlag zu erwarten war, und bemühten sich deshalb unter großen Anstrengungen, die Befestigungsanlagen von Dscherba auszubauen, obwohl eine große Anzahl von Kreuzfahrern einer Typhusepidemie zum Opfer fiel. Im Mai begann der größere Teil des Heeres mit der Wiedereinschiff ung; nur eine Garnison von 2200 Spaniern, Italienern und Deutschen sollte auf Dscherba zurückbleiben. Bevor jedoch alle Menschen und Materialien planmäßig verladen werden konnten, wurde die Flotte vom Angriff einer türkischen Armada überrascht. Am 11. Mai wurde die christliche Flotte geschlagen; 27 Galeeren gingen verloren. Die Garnison von Dscherba hatte kaum noch Trinkwasser, da die beiden Zisternen der Festung beinahe trocken waren; durch Destillation gelang es dennoch, rund dreißig Fässer Wasser am Tag zur Verfügung zu stellen. Bis zum 27. Juli war jedoch auch das Brennholz ausgegangen, das zum Betrieb der Destillen benötigt wurde. Viele Männer starben, vor Durst oder an Skorbut. Bis zum Ende des Monats war die Belagerung beendet. Zahlreiche Verteidiger wurden massakriert, darunter auch Verwundete. Insgesamt 7000 Gefangene, von denen 5000 beim Sieg über die Kreuzfahrerflotte in die Hände der Türken gefallen waren, wurden nach Konstantinopel gebracht. Spanien und Portugal machten sich größere Sorgen über Nordafrika als über den östlichen Mittelmeerraum, und das Papsttum hatte dafür Verständnis. In den Jahren vor der Seeschlacht von Lepanto 1571 jedoch ließ sich Spanien überreden, die eigenen Interessen zugunsten von Flottenoperationen im Osten hintanzustellen. Das änderte allerdings nichts an der Tatsache, dass Tunis – das Karl V. 1535 einem von ihm abhängigen muslimischen Herrscher überlassen hatte – eine ständige Bedrohung für den christlichen Vorposten La Goulette war. 1569 wurde Tunis durch einen weiteren algerischen Korsaren, Uludsch Ali, besetzt, der zwei Jahre später als osmanischer Admiral der Verlierer von Lepanto sein sollte. Die Spanier sahen sich zum Handeln gedrängt. Nach dem Zusammenbruch der Heiligen Liga, der unten zu behandeln sein wird, nahm Don Juan
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de Austria Tunis am 11. Oktober 1573 beinahe kampflos ein und zog dann weiter, um Bizerta zu erobern. Die Reaktion der Türken ließ nicht lange auf sich warten. Am 13. Mai 1574 verließ eine gewaltige Flotte von 240 Galeeren den Hafen von Konstantinopel mit Kurs auf die Barbareskenküste. Nach einmonatiger Belagerung nahmen die Osmanen am 25. August La Goulette ein; am 13. September wurde auch Tunis wieder zurückerobert. Die Christen waren damit in den äußersten Westen Nordafrikas abgedrängt. Die Türken festigten nun ihre Herrschaft an der Küste und begannen sodann, die christlichen Stützpunkte in Marokko unter Druck zu setzen. Zu diesem Zweck unterstützten sie ihren Kandidaten für die Scherifenwürde 1576 dabei, die Stadt Fez einzunehmen. Die spanische Krone bemühte sich im Geheimen um einen Friedensschluss mit den Osmanen, aber König Sebastian I. von Portugal, eine romantische Gestalt und von der Kreuzzugsidee geradezu besessen, begann einen Krieg, den man im Unterschied zu einer Liga als den letzten Kreuzzug alter Machart bezeichnen könnte: Sebastians Feldzug richtete sich gegen die Muslime, er war mit Ablässen wohlversehen und von päpstlichen Legaten begleitet. Sein Heer landete bei Asilah, etwa zwanzig Kilometer südlich von Tanger: 15 000 Fußsoldaten und 1500 Berittene – Portugiesen, Spanier, Deutsche, Niederländer –, darunter auch ein päpstliches Kontingent unter dem Befehl des Engländers Sir Thomas Stukeley, das eigentlich für Irland bestimmt war; dazu kamen mehrere tausend Unbewaffnete. Bis zum 3. August 1578 hatten König Sebastian und sein Heer die Festung von Ksar el-Kebir (Alcácer-Quibir) erreicht, doch Sebastian hatte den Kontakt zu seiner Flotte verloren, und die Vorräte gingen zur Neige. Am darauffolgenden Tag wurden die Kreuzfahrer von einem zahlenmäßig weit überlegenen marokkanischen Heer gestellt. In der anschließenden „Schlacht der drei Könige“ verloren sowohl Sebastian von Portugal als auch der osmanische Marionettenscherif und dessen Vorgänger, der sich mit Sebastian verbündet hatte, ihr Leben. Auch Sir Thomas Stukeley und rund 8000 Kreuzfahrer wurden getötet, fast 15 000 gerieten in Gefangenschaft.
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Die beiden anderen Schauplätze kreuzfahrerischer Aktivität in jenen Jahren – Ungarn und das östliche Mittelmeer – waren strategisch miteinander verbunden und können deshalb zusammen behandelt werden. Es überrascht, dass gerade auf dem Mittelmeer noch so viele Operationen durchgeführt wurden – trotz des Umstands, dass sowohl das Papsttum als auch die katholischen Mächte Westeuropas durch den Aufstieg des Protestantismus zunehmend gelähmt wurden. Im Herbst 1529 belagerte Sultan Süleyman drei Wochen lang die Stadt Wien. Die Sorge wegen seines Vormarsches bewog Papst Clemens VII. und Kaiser Karl V. dazu, eine Allianz einzugehen. Franz I. von Frankreich, der sich zuvor im Krieg mit dem Kaiser befunden hatte, wurde zu einem Friedensschluss mit diesem gezwungen. Aus der Sicht Clemens’ VII. hatte somit die Bedrohung des Herzens Europas endlich den allgemeinen Frieden gebracht, um den sich der Papst schon so lange
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bemüht hatte. Jetzt endlich würde die Christenheit gemeinsam gegen die Osmanen zu Felde ziehen können. Am 2. Februar 1530, drei Wochen vor der Kaiserkrönung Karls V. durch den Papst in Bologna, forderte Clemens VII. die Abgesandten eines Dutzends von Staaten – zumeist italienischen, doch das Kaiserreich und Ungarn waren auch darunter – auf, von ihren Herren die Zustimmung zu einem „allgemeinen Feldzug gegen die Ungläubigen“ einzuholen. Zur Bewerbung des Kreuzzuges ordnete Clemens überall im Kaiserreich Predigtkampagnen an und unternahm während der nächsten zwei Jahre alles, um ein Kreuzfahrerheer auf die Beine zu stellen. Erneute Feindseligkeiten zwischen Frankreich und dem Kaiserreich sowie das „Luther-Problem“ machten diese Bemühungen jedoch zunichte. Der triumphale Tunisfeldzug Karls V. beflügelte von Neuem die Hoffnung auf einen allgemeinen Kreuzzug in den Osten. Im Januar 1536 versicherte Papst Paul III. dem polnischen König Sigismund I., dass er beständig auf die Rückeroberung Konstantinopels hinarbeite. Mitte September 1537 ging der Heilige Stuhl ein entsprechendes Bündnis mit Venedig ein, und Clemens rief eine Kommission von Kardinälen ins Leben, die mit der Planung des Feldzuges betraut wurden. Zur selben Zeit kam es zu einem außergewöhnlichen Pakt zwischen Frankreich und den Türken mit dem Ziel einer Invasion Italiens. Dieser Plan scheiterte allerdings an der mangelnden Abstimmung zwischen den beiden Bündnispartnern. Im Februar 1538 schloss sich Karl V. der päpstlich-venezianischen Liga an. Im Erfolgsfall, so die Abmachung, würde er zum Kaiser von Konstantinopel gekrönt werden, während die Johanniter Rhodos zurückerhalten sollten. Karl selbst sollte die Hälfte der Kreuzzugskosten tragen, die Venezianer ein Drittel und der Papst ein Sechstel. Schließlich gelang es Clemens noch, die Franzosen und den Kaiser zur Unterzeichnung eines zehnjährigen Waffenstillstands zu überreden, doch im September wurde die Flotte der Liga vor Preveza am Eingang des Golfes von Arta durch ein türkisches Geschwader unter Khair ad-Din Barbarossa geschlagen. Der Papst, der nach eigener Aussage persönlich am Kreuzzug teilnehmen wollte, versuchte noch, Karl V. von einem erneuten Versuch im nächsten Frühjahr zu überzeugen, aber die Liga löste sich wieder auf. Im Jahr 1540 unterzeichneten die Venezianer ein Friedensabkommen mit den Türken – das ihnen 300 000 Dukaten wert war – und traten Nafplio und Monemvasia, ihre letzten beiden Stützpunkte auf der Peloponnes, an das Osmanische Reich ab. Bis zum Jahr 1685 sollten sie keine bedeutenden Stützpunkte auf dem griechischen Festland mehr haben. Das Debakel von Preveza machte einen Kreuzzug im östlichen Mittelmeerraum auf Jahre hinaus unmöglich. In den späten 1550er-Jahren zeigte sich Papst Paul IV. vollkommen desinteressiert, und obwohl sein Nachfolger Pius IV. schon eher geneigt war, das Kreuz zu nehmen – immerhin behauptete er, das Heer einer anderen Liga persönlich begleiten zu wollen, gebe es doch keinen herrlicheren Tod als auf einem Kreuzzug –, war es nun der Kaiser, der den Frieden an seinen östlichen Grenzen wahren wollte. In den Jahren 1545, 1547, 1554, 1562, 1565 und 1568 vereinbarte man Waffenruhen mit dem Osmanischen Reich, die allerdings immer wieder von kleineren Auseinandersetzungen unterbrochen wurden. Ende der 1560er-Jahre wurde zudem klar, dass es die Osmanen
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auf das venezianisch beherrschte Zypern abgesehen hatten. Am 25. März 1570 traf in Venedig eine Botschaft des Sultans mit seinen Bedingungen für die Übergabe der Insel ein. Die stolze Republik Venedig, die einem Bündnis mit der spanischen Krone bislang stets aus dem Weg gegangen war, weil sie dann wohl zur Verteidigung der spanischen Besitzungen in Nordafrika herangezogen worden wäre, wandte sich in ihrer Verzweiflung nun ausgerechnet an Philipp II. Hastig wurde eine stattliche Flotte von Schiffen des Heiligen Stuhls, der Genuesen, Venezianer, Sizilianer und Neapolitaner zusammengestellt, doch nachdem sie Rhodos erreicht und dort erfahren hatten, dass Nikosia bereits verloren war, zogen sie sich nach Kreta zurück. Die Türken waren schon am 1. Juli auf Zypern gelandet; am 9. September hatten sie Nikosia erstürmt. Famagusta kapitulierte nach heldenhafter Gegenwehr am 5. August 1571. Kurz zuvor, am 25. Mai 1571, war nach intensiven diplomatischen Bemühungen eine „Heilige Liga“ zwischen dem Papsttum, Spanien und Venedig geschlossen worden. Wie schon 1538 sollten die Spanier die Hälfte der Kosten tragen, Venedig ein Drittel und der Papst – mittlerweile war es Pius V. – ein Sechstel. Die Venezianer sollten sich an der Verteidigung der spanischen Stützpunkte in Nordafrika beteiligen. Es sollte dies ein ständiges Bündnis sein, um alljährlich Kampagnen im östlichen Mittelmeerraum zu unternehmen. Don Juan de Austria, illegitimer Sohn Karls V. und somit ein Halbbruder Philipps II., sollte der erste Oberbefehlshaber der Liga sein. Am 9. August 1571 fand dieser sich in Neapel ein, wo man ihm mit großer Feierlichkeit das Banner überreichte, das über seinem Flaggschiff wehen sollte: darauf gestickt eine Kreuzigungsszene von riesigen Ausmaßen, die von den Wappen der drei Verbündeten umgeben war. Seinem Kommando unterstand die größte Flotte, die von den christlichen Mächten im 16. Jahrhundert aufgeboten wurde; auch Savoyen, Genua und der Johanniterorden hatten sich daran beteiligt. Alles in allem gebot Don Juan über 209 Galeeren, sechs Galeassen, 27 andere große und zahlreiche kleinere Schiffe. Zusammen trugen sie 30 000 Mann Besatzung, davon 28 000 Berufsinfanteristen. Die Flotte verließ Messina am 16. September mit dem Ziel, eine türkische Armada von rund 275 Schiffen abzufangen, die in der südlichen Ägäis und der Adria erhebliche Zerstörungen angerichtet hatte. Am 7. Oktober kam es bei Lepanto, an der Stelle, an der der Golf von Korinth auf den Golf von Patras trifft, zur Entscheidung. Die Flotte der Heiligen Liga verfügte über mehr schwere Geschütze; auch waren ihre Kanoniere besser ausgebildet. Die Türken wurden vom Kanonenfeuer ihrer Gegner überwältigt. Ihre Verluste waren immens: angeblich 30 000 Mann, entweder tot oder gefangen, dazu 117 Galeeren, die geentert, und weitere achtzig, die versenkt worden waren. Zwar sieht man in der Seeschlacht von Lepanto heute nicht mehr die entscheidende Wende, als die sie einmal galt – aber ihre Wirkung auf die christliche Kampfmoral ist kaum zu überschätzen. In einer Predigt, die in gedruckter Form weite Verbreitung fand, erklärte der französische Humanist Marc Antoine Muret gar, nun müssten die Christen bis nach Judäa vorstoßen und das Heilige Grab befreien! Die katholische Kirche gedenkt des Sieges von Lepanto noch heute alljährlich am Jahrestag der Schlacht mit dem Fest Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz. Die Heilige Liga wurde am 10. Februar 1572 erneuert. Papst Pius gab sich die größte
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Mühe, noch weitere Bündnispartner zu gewinnen, und am 12. März desselben Jahres veröffentlichte er ein langes Schreiben, das an die Gemeinschaft aller Gläubigen gerichtet war. Die dortige Beschwörung des Kreuzzugsgedankens wäre Innozenz III. fast vier Jahrhunderte zuvor vertraut gewesen: Wir bitten, beschwören und ermahnen einen jeden [Christen], sich zur Unterstützung dieses allerheiligsten Krieges zu entschließen, entweder in seiner eigenen Person oder durch materielle Hilfe. … All jenen aber, die zwar nicht selbst teilnehmen, aber auf ihre eigenen Kosten fähige Männer schicken, entsprechend ihren Möglichkeiten und ihrem Stand, … und ebenso jenen, die in ihrer eigenen Person [am Kreuzzug] teilnehmen, aber auf eines anderen Mannes Kosten die Mühen und Gefahren des Krieges auf sich nehmen, … gewähren wir einen völligen und vollkommenen Gnadenerweis, Vergebung und Absolution all ihrer Sünden, die sie reuigen Herzens gebeichtet haben, denselben Ablass also, den die römischen Päpste, unsere Vorgänger, allen zu gewähren pflegten, die als Kreuzfahrer dem Heiligen Land zu Hilfe kamen. Wir nehmen den Besitz all jener, die in diesen Krieg ziehen, … unter den Schutz des heiligen Petrus und unserer selbst auf.
Anfang August griff eine große Flotte, Vorhut des geplanten Feldzuges, die Türken an. Diese ersten Gefechte führten zwar noch keine Entscheidung herbei, bewiesen jedoch abermals die Überlegenheit der christlichen Kanoniere. Gemeinsam mit den Kräften des Don Juan de Austria, die ihre Flotte auf 195 Galeeren, acht Galeassen, 25 Galioten und 25 andere Schiffe anwachsen ließen, versuchten die Christen dann vergeblich, Methoni und Pylos (Navarino) auf der Peloponnes einzunehmen. Trotz intensiver Bemühungen des Heiligen Stuhls löste sich die Heilige Liga 1573 wieder auf: Die Venezianer schlossen einen Friedensvertrag mit dem Osmanischen Reich; die Spanier wandten ihre Aufmerksamkeit wieder Nordafrika zu. Papst Gregor XIII. verbrachte den Rest seines Pontifi kats damit, erfolglos für die Gründung einer neuen Liga zu werben. Die Erkenntnis, dass die Kreuzzugsbewegung im 16. Jahrhundert zwar an Kraft einbüßte, aber immer noch am Leben war, verdankt die Geschichtswissenschaft zu großen Teilen dem Werk von Kenneth Setton, der Unmengen von Material ans Licht gebracht hat, das diese These belegt. Man weiß daher mittlerweile, dass etwa Belege für die traditionelle Sprache des Heiligen Krieges oder Beispiele von Kreuzzugsablässen und -zehnten, wie sie den Venezianern regelmäßig gewährt wurden, in Hülle und Fülle vorhanden sind, wenn auch einzelne Elemente sich nun in Formen verfestigten, die ihre ursprüngliche Funktion kaum noch erkennen lassen. So wurden Mittel der spanischen cruzada, einer Steuer, die ihren Ursprpung im „Verkauf“ von Kreuzzugsablässen gegen Privilegien hatte, im 16. Jahrhundert umgewidmet, um den Neubau des Petersdoms in Rom zu finanzieren. Tatsächlich wurde die cruzada mit der Zeit derart ihrem ursprünglichen Zweck entfremdet, dass die damit verbundenen Privilegien noch bis in das 20. Jahrhundert hinein regelmäßig verliehen wurden; im Bistum Pueblo in Colorado in den Vereinigten Staaten wurden sie sogar erst 1945 abgeschafft. Da der Ablass allen gewährt wurde, die gegen die Türken kämpften – unabhängig davon, ob sie nun offiziell das Kreuz genommen hatten oder nicht –, und überdies die große Mehrheit der Soldaten und Seeleute, die seitens der Heiligen Liga in den Kampf zogen, berufsmäßige Söldner waren,
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lässt sich heute allerdings nicht mehr mit Sicherheit sagen, wie viele Kreuzfahrer – das heißt Freiwillige, die das Gelübde abgelegt hatten – es in den 1570er-Jahren tatsächlich gegeben hat. Indes war das Kreuzzugsdenken noch immer zu lebendig, als dass ein katholischer Herrscher es hätte ignorieren können. Angesichts der allgemeinen Türkenfurcht waren Kreuzzüge in jedermanns Interesse. Kein Historiker könnte heute mehr mit Karl Brandi behaupten, die von Karl V. und Franz I. in ihrem Frieden von Madrid getroffene Absprache zum Kreuzzug sei „der seltsame Rückfall in die überlebten Ansichten des französischen und burgundischen Mittelalters“ gewesen. Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass die Kreuzzugsbewegung nun immer schneller in Verfall geriet. Die Verträge und Friedensabkommen, die etwa Venedig und das Kaiserreich mit muslimischen Herrschern geschlossen haben – Mächte also, die sich in direkter Konfrontation mit dem Osmanischen Reich befanden –, sind kein Beleg dafür: Überall in diesem Buch finden sich Beispiele für Waffenstillstände, die seit der Frühzeit der Kreuzzugsbewegung immer wieder zwischen Christen und Muslimen geschlossen wurden – ohne dass den Verantwortlichen auf christlicher Seite dadurch ihre Hingabe an die Kreuzzugsidee abzusprechen wäre. Aber das türkisch-französische Bündnis gehört in eine andere Kategorie. Die Tatsache, dass eine Nation wie Frankreich so lange die Hüterin der Kreuzzugsidee gewesen war, nun in dieser Art von Realpolitik schwelgte, lässt erkennen, dass der Umbruch bereits in der Luft lag. Obgleich christliche Herrscher bereits im 12. Jahrhundert muslimische Heere gegen ihre eigenen Glaubensbrüder hatten kämpfen lassen, deutet die große Verbreitung ähnlicher Praktiken im 16. Jahrhundert darauf hin, dass das Engagement für das Kreuzzugsideal nicht mehr so stark war wie früher. Tot und begraben war die Bewegung allerdings noch nicht. Als die Türken 1645 das venezianische Kreta überfielen, wurde den Verteidigern der Insel Ablass gewährt. In den beinahe 24 Jahren, die bis zur endgültigen Kapitulation der Festung Candia (Heraklion) 1669 noch vergehen sollten, unternahm die venezianische Flotte, verstärkt durch Schiffe des Papstes und der Johanniter, immer wieder Angriffe in der Ägäis mit dem Ziel, die Dardanellen zu blockieren. Im Jahr 1656 gelang es den Venezianern, die Inseln Tenedos (Bozcaada) und Lemnos in der Nähe der Dardanellen zu erobern und immerhin ein Jahr lang zu halten. Achtundzwanzig Jahre später, im März 1684, rief Papst Innozenz XI. nach der zweiten erfolglosen Belagerung Wiens durch die Türken erneut eine Heilige Liga ins Leben, der sich Polen, das Kaiserreich und Venedig anschlossen. Die Vorhaben der Liga wurden, ganz wie in früheren Jahrhunderten, durch Predigtkampagnen, Kreuzzugszehnten, enthusiastische Rekrutierungskampagnen und Bittgebete in der Heimat unterstützt. Der Krieg, den die Liga begann, sollte bis 1699 andauern und die Kurie an den Rand des Ruins bringen. 1686 eroberte ein christliches Heer Buda zurück, und von 1688 bis 1690 wurde Belgrad besetzt; auch in Siebenbürgen und im restlichen Ungarn kam es zu einer Konsolidierung der christlichen Gebietsgewinne. Zwischen 1685 und 1687 besetzten die Venezianer beinahe die gesamte Peloponnes sowie – von Oktober 1687 bis April 1688 – Athen, wo sie bei der Eroberung der Akropolis den Parthenon in die Luft sprengten. Sie eroberten 1684 die Insel Lefkada und hielten Chios 1694 / 1695 für
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immerhin fünf Monate. Tausende von „Freiwilligen“ kämpften auf Kreta sowie in den Armeen der Heiligen Liga von 1684, die um einiges erfolgreicher war als die Kreuzzugsligen des 16. Jahrhunderts. Waren diese Freiwilligen Kreuzfahrer? Bislang hat es noch keine Studie gegeben, in welcher diese Kriege des 17. Jahrhunderts auf ihren „kreuzfahrerischen Gehalt“ hin untersucht worden wären – man darf wohl vermuten, dass sie ein Ausdruck des überlieferten Kreuzzugsdenkens waren.
Die Hospitaliter des heiligen Johannes und die Insel Malta Die Hospitaliter des heiligen Johannes und die Insel Malta
Jedenfalls überlebte die Kreuzzugsbewegung im letzten Ordensstaat. Innerhalb eines Jahres nach ihrer Vertreibung von Rhodos befanden sich die Johanniter in Verhandlungen über ein neues Hauptquartier. Am 23. März 1530 übertrug ihnen Kaiser Karl V. die Inseln Malta und Gozo sowie das nordafrikanische Tripolis. Indem er die Johanniter an vorderster Front zur Verteidigung der spanischen Stützpunkte in Nordafrika einsetzte, handelte Karl ganz so, wie es seine Vorgänger, die Könige von Kastilien, mit den spanischen Ritterorden getan hatten. Achtzehn Monate später wollten die Johanniter ihren Wert für die christliche Sache unter Beweis stellen, indem sie die Stadt Methoni auf der Peloponnes plünderten. Der Papst zeigte sich wenig beeindruckt und wies sie darauf hin, dass es wohl produktiver gewesen wäre, wenn sie Methoni erobert und besetzt hätten, anstatt es auszurauben und zu verwüsten. Dennoch war es wohl dieser Überfall, der 1533 dazu führte, dass den Johannitern auch das kürzlich zurückeroberte Koroni überlassen wurde. Die Übergabe von Tripolis an die Türken im Jahr 1551 wurde bereits erwähnt, aber jeglichen Ansehensverlust, der ihnen aus dieser Blamage erwachsen war, machten die Johanniter 1565 durch ihre heldenhafte Verteidigung Maltas gegen eine riesige und hervorragend gerüstete türkische Streitmacht mehr als wett. Diese war ausgesandt worden, um die Verbindung zwischen Konstantinopel und Nordafrika zu sichern. Am 19. Mai hatte das osmanische Invasionsheer von 25 000–30 000 Mann begonnen, auf Malta an Land zu gehen. Dem Großmeister des Ordens, Jean de la Valette, standen zur Verteidigung der Insel weniger als 10 000 Bewaffnete zur Verfügung, darunter etwa 500 Ordensritter und einige weitere bewaff nete Ordensbrüder. Der Angriff zog sich bis zum 8. September hin, als sich die Türken, die sehr schwere Verluste erlitten hatten, vor einem nahenden Entsatzheer von 8500 bis 10 000 Spaniern und Italienern zurückzogen. Sie hinterließen ein Bild der Verwüstung und Vernichtung am Ufer des Großen Hafens von Malta, wo nur noch wenige Verteidiger zu kämpfen vermochten: Von den 500 Ordensrittern zu Beginn der Belagerung waren 300 gefallen, und die meisten Überlebenden waren verwundet. Die Johanniter waren anfangs von Malta, einer unfruchtbaren Insel von nur 246 Quadratkilometern Fläche, deren Befestigungsanlagen sich in einem desolaten Zustand befanden, nicht gerade begeistert gewesen. Erinnerungen an die große Vergangenheit des Ordens wurden durch die Wahl der Schutzpatrone am Leben gehalten, denen die auf
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Jean de la Valette, genannt Parisot (1494 –1568) Jean de la Valette, dessen Familie und die Johanniter eine lange gemeinsame Geschichte verband, trat im Alter von zwanzig Jahren in den Orden ein und erlebte 1522 die Belagerung von Rhodos. Der stattliche und weltgewandte Mann – neben einigen anderen Sprachen beherrschte er auch das Arabische und das Türkische – vereinte in seiner Person die beiden Neigungen zu Gewalt und Frömmigkeit, was ihn in gewisser Hinsicht zu einem typischen Kreuzfahrer machte. 1538 wurde er vier Monate lang inhaft iert, weil er einen Laien beinahe totgeprügelt hatte. Danach bestellte man ihn für zwei Jahre auf den exponierten und gefährlichen Posten eines Gouverneurs von Tripolis. Aber 1541 wurde er von berberischen Korsaren verschleppt und solange als Galeerensklave gehalten, bis die Bedingungen seiner Freilassung ausgehandelt waren. Da er als einer der fähigsten Schiffskommandeure seiner Generation galt, übertrug man ihm 1554 den Oberbefehl über die Johanniterflotte. Drei Jahre darauf, 1557, wählte ihn der Orden, der wohl mit einem baldigen türkischen Großangriff rechnete, zum Großmeister. Nachdem die türkischen Invasoren 1565 aus Malta vertrieben worden waren – ein Triumph, den man völlig zu Recht Jean de la Valette zuschrieb –, ordnete dieser die Errichtung der neuen Stadt Valletta auf der Halbinsel an, auf der die erbittertsten Kämpfe getobt hatten. Den Grundstein dazu legte er selbst.
Malta errichteten Kirchen geweiht waren – den Heiligen Johannes und Katharina, Unserer Lieben Frau vom Sieg – und die genau den Patrozinien der Johanniterkirchen auf Rhodos entsprachen. Anfänglich scheint der Orden vor einem großen Bauprogramm jedoch zurückgeschreckt zu sein: Zwei Kastelle sowie ein paar einfache Wohn- und Wirtschaftsgebäude mussten genügen. Nach 1565, als ihr Ansehen nach großem Einsatz und vielem Blutvergießen gestiegen war, wandelte sich auch die Einstellung des Ordens in Sachen Bauplanung. Auf der Halbinsel über dem Großen Hafen, wo der Kampf um Malta am blutigsten gewesen war, sollte eine ganz neue Stadt entstehen: Valletta – entworfen von dem italienischen Baumeister Francesco Laparelli, ausgeschmückt von dem maltesischen Architekten Girolamo Cassar und benannt nach dem Großmeister Jean de la Valette. Ein besonderes Merkmal dieser neuen Stadt war es, dass sie die Gebäude der Ordensbrüder nicht in einem abgeschirmten Klosterareal unterbrachte, sondern sie über die Stadt verteilte, die auf diese Weise zu einer Art großem Kloster wurde. Valletta wurde stark befestigt, und im 17. und 18. Jahrhundert verbesserten die Johanniter die Bollwerke um den Großen Hafen noch weiter. Zwar kam es 1614 noch einmal zu einem großangelegten türkischen Eroberungsversuch, doch bis 1798 gelang es keinem Angreifer, die Johanniter von Malta ernstlich in Verlegenheit zu bringen. Die frühneuzeitliche Geschichte des Ordens, der heute allgemein als „Malteserorden“ bezeichnet wird, ist in der jüngsten Forschung wesentlich positiver beurteilt worden, als
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dies lange Zeit der Fall war. Es stimmt allerdings, dass die Ordensgelübde der Ritter immer flexibler ausgelegt wurden und dass zahlreiche europäische Komture ihre Pflichten in Abwesenheit wahrnahmen, während andere auf den Ordensgütern den Lebensstil wohlhabender, wenn auch etwas einsiedlerischer Landjunker pflegten. Hinzu kam, dass die Ordensregierung immer autokratischer und geronto-kratischer wurde: Alte Männer führten das Regiment, das Prinzip der Seniorität stand über allem. Obwohl die Generalkapitel des Ordens zwischen 1526 und 1612 im Schnitt alle sechs Jahre zusammengetreten waren, wurde zwischen 1631 und 1776 kein einziges Treffen einberufen. Als es dann 1776 aufgrund einer Finanzkrise endlich wieder soweit kam, war dies einem Großmeister zu verdanken, der Reformvorschlägen gegenüber ohnehin nicht abgeneigt war. Während des größten Teils des 17. und 18. Jahrhunderts hing die Ordensführung somit allein vom Können des Meisters ab, der bereits in der Zeit von Rhodos den Titel „Großmeister“ führte. Alles in allem betrachtet, befand der Malteserorden sich dennoch in relativ gesundem Zustand. Im Jahr 1700 verfügte er über 560 Kommenden, die über das gesamte katholische Europa verteilt waren. Das geistliche Leben des Ordens profitierte von den Ideen der Gegenreformation. Die ernsthafte Verfolgung frommer, mildtätiger und missionarische Ziele, die oft mals in Zusammenarbeit mit den Jesuiten erfolgte, stand weiterhin neben den traditionellen Tätigkeitsbereichen der Armen- und Krankenpflege sowie der Verteidigung der Christenheit. Die Atmosphäre auf der Ordensinsel Malta scheint fromm gewesen zu sein, wenn auch reichlich puritanisch. Der Orden zog noch immer Rekruten an, und zwischen 1635 und 1740 stieg die Zahl der Ordensbrüder – von denen die meisten Ritter waren – von 1715 auf 2240 an, davon etwa 600 auf der Insel Malta. Anthony Luttrell hat hervorgehoben, dass der Orden vom Hospital des Heiligen Johannes zwar eine Körperschaft des Adels darstellte, er aber dennoch „Neulinge mit einem bemerkenswerten Spektrum lebensnaher und alltagspraktischer Interessen und Talente anzog, von den neuesten militärischen Entwicklungen über Diplomatie und Wissenschaft bis hin zu Kunst und Gelehrsamkeit“. Die prächtige Bibliothek des Ordens in Valletta legt noch heute Zeugnis ab von der beeindruckenden Bildung vieler Malteserritter, darunter Männer wie Louis de Boisgelin und Déodat de Dolomieu. Eine Begleiterscheinung war natürlich das Gedeihen aufk lärerischer Ideen, ja sogar der Freimaurerei, unter den Ordensbrüdern. Die Ritter des Hospitals von Jerusalem blieben auf Malta eine fremde Elite, eine geschlossene Kaste von Oligarchen, die in ihre höheren Ränge noch nicht einmal die maltesischen Adligen vordringen ließ, deren Söhne nur als Kapläne eintreten konnten. (Manchmal richteten die einheimischen Familien es jedoch so ein, dass ihre Söhne in Sizilien geboren wurden, in der Hoff nung, ihnen damit bessere Chancen auf die Aufnahme in den Orden zu eröff nen.) Die Großmeister herrschten über ihren Ordensstaat als gütige, wenn auch wenig einfallsreiche Despoten. Sie ließen Hospitäler errichten, förderten die Künste, gründeten als Ergänzung ihres Hospitals 1676 ein berühmtes anatomisches Institut und 1768 sogar eine eigene Universität. Sie unterhielten ein umfassendes Gesundheitswesen für die maltesische Bevölkerung, die von rund 20 000 im Jahr
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1530 auf über 90 000 im Jahr 1788 anwuchs, was in der Hauptsache den Verdienstmöglichkeiten geschuldet war, die Werften und Arsenale der Ritter eröffneten. Nachdem 1566 die Entscheidung gefallen war, Valletta zu gründen, strömten Arbeitskräfte aus dem Umland sowie rund 8000 Arbeiter aus Sizilien auf die Großbaustelle: Die neue Innenstadt rund um den Großen Hafen wuchs rasch. Bis zum Jahr 1590 war die Einwohnerschaft von Valletta sowie der „Drei Städte“ Vittoriosa, Senglea und Cospicua auf rund 7750 angestiegen, bis 1614 auf rund 11 200 und bis 1632 auf rund 18 600. Wie zuvor Rhodos wurde auch Malta zu einem bedeutenden Handelszentrum mit stetig wachsendem Geschäftsvolumen und zu einem Umschlaghafen für Waren aus dem Orient, die sogar bis nach Nord- und Südamerika verschifft wurden: Nicht von ungefähr eröffneten die Vereinigten Staaten von Amerika bereits 1783 ein Konsulat auf der Insel. Das maltesische Quarantäneverfahren wurde weithin als das effizienteste im gesamten Mittelmeerraum bewundert. Die Handelsbeziehungen zu Frankreich waren besonders eng: Im 18. Jahrhundert fuhr die Hälfte der Schiffe, die im Hafen von Valletta anlegten, unter französischer Fahne. Die späteren Eroberungsabsichten Napoleon Bonapartes erklären sich zum Teil wohl dadurch. Rechtlich gesehen war Malta keineswegs autonom. Es war ein Lehen des Königreichs Sizilien, und 1753–1755 kam es zu einer diplomatischen Krise, als König Karl VII. von Neapel seine Herrschaftsrechte über Malta ausüben wollte. Schritt für Schritt hatten sich jedoch die Großmeister selbst die Attribute der Souveränität angeeignet. Bereits kurz nach der Eroberung von Rhodos hatten die Johanniter begonnen, eigene Münzen zu prägen. Von Rhodos aus hatten sie Botschafter an die Höfe Europas entsandt, deren Aufgabe es oft war, Ordenseigentum und Privilegien gegen unberechtigte Übergriffe zu verteidigen. Gesandte aus Malta wurden in Rom, Frankreich, Spanien und Österreich offiziell empfangen. Der Großmeister des Malteserordens wurde 1607, gut vierhundert Jahre nach dem Hochmeister des Deutschen Ordens, in den Reichsfürstenstand erhoben, doch erst der Großmeister Manuel Pinto da Fonseca (1741–1773) nahm eine geschlossene Krone an, das Kennzeichen voller Souveränität. Auch von Malta aus erfüllte der Orden weiterhin seine militärische Rolle. Die Malteser waren an beinahe allen Ligen und größeren Türkenfeldzügen beteiligt (einschließlich der Verteidigung Kretas, zu der sie einen großen Beitrag leisteten). Bis zum heutigen Tag hängen die Schlüssel der Festungen von Passavas, Lepanto und Patras in Griechenland sowie von Hammamet in Tunesien, die allesamt zwischen 1601 und 1603 erobert wurden, in der Kapelle Unserer Lieben Frau von Philermos in der Konventskirche der Malteser in Valletta. Im Jahr 1664 griffen die Malteser Algier an und unterstützten 1707 die Spanier bei der Verteidigung von Oran. Ihre Schiffe waren stets im Einsatz, kreuzten vor der nordafrikanischen Küste und auf dem Mittelmeer zwischen Sizilien und Sardinien im Westen sowie Kreta und der Peloponnes im Osten, wobei ihr Hauptaugenmerk auf der Bekämpfung muslimischer Piraten lag. Wie bereits erwähnt, verfügte der Orden über eine Kampfflotte von sieben oder acht Galeeren. Nach 1705 wurden diese nach und nach durch ein Geschwader von vier oder fünf Linienschiffen mit jeweils fünfzig bis sechzig Kanonen ersetzt. Obwohl der Unterhalt dieser Flotte einen sehr großen Posten im Haus-
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halt des Ordens ausmachte – im 17. Jahrhundert immerhin durchschnittlich 45 Prozent der gesamten Einnahmen des Hauptquartiers –, behielt der Orden seine aggressive Seekriegspolitik gegenüber den Muslimen bei. Der türkische Angriff auf Tripolis im Jahr 1551 war zum Teil die Vergeltung für vorangegangene Überfälle der Malteser auf benachbarte muslimische Häfen. In den Jahren 1722 bis 1741 fielen den maltesischen Kriegsschiffen ein türkisches und 15 Barbareskenschiffe zum Opfer; den Galeeren des Ordens noch einmal fünf Schiffe aus Tripolis. Noch 1798, in dem Jahr also, in dem Malta dem Orden endgültig verloren ging, war die Flotte der Malteser im Einsatz. Die Marineausbildung, die die Malteser ihren Rittern angedeihen ließ, wurde weithin bewundert. Als die russische Zarin Katharina die Große eine Galeerenflotte zum Einsatz auf der Ostsee aufbauen wollte, ließ sie sich von einem Ritter des Malteserordens beraten. Unter den bedeutenden französischen Seefahrern, die ebenfalls Angehörige des Ordens waren, befinden sich Anne Hilarion de Costentin, Graf von Tourville, Dominique de Monchy, genannt der chevalier d’Hocquincourt, und der Marquis de Valbette aus dem 17. Jahrhundert sowie der Admiral Pierre André de Suff ren aus dem 18. Jahrhundert. Die offizielle Seekriegführung des Ordens wurde ergänzt durch den corso der Freibeuter, deren Aktivitäten im frühen 18. Jahrhundert zu 38 Prozent auf die Rechnung des Malteserordens gingen, wobei die einheimischen Malteser auch keine geringe Rolle spielten. Noch 1675 gab es zwischen zwanzig und dreißig Freibeuter, die von Malta aus operierten; diese Zahlen sanken später allerdings rasch ab. Bis zum Jahr 1740 waren es bereits nur noch zehn bis zwanzig, danach dann bald so gut wie keine mehr. Das hatte auch damit zu tun, dass der Krieg gegen die Osmanen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts so gut wie beendet war, was die Malteser zu einem Relikt aus einer vergangenen Zeit werden ließ. Ihr Orden, der immerhin das ancien régime in Reinkultur darstellte, litt schwer unter der Französischen Revolution und den sich daran anschließenden Revolutionskriegen. Im Jahr 1792 wurde der gesamte Besitz des Ordens in Frankreich beschlagnahmt; bis 1797 waren sämtliche Besitzungen westlich des Rheins, in der Schweiz und in Oberitalien verloren. Die Einkünfte des Ordens schrumpften auf ein Drittel zusammen. Ein neuer Großmeister, Ferdinand von Hompesch, bemühte sich um eine Annäherung an Österreich und Russland, was die Franzosen stark beunruhigte: Im Juni 1798 ließ Napoleon Bonaparte, der ohnehin aus wirtschaft lichen und strategischen Gründen ein Auge auf Malta geworfen hatte, seine Flotte auf dem Weg nach Ägypten einen Abstecher nach Malta machen und verlangte Einfahrt in den Großen Hafen von Valletta. Als die Malteser versuchten, auf ihren Rechten als neutrale Partei zu beharren, griffen die Franzosen an. Es sagt einiges über den desolaten Zustand des Ordens aus, dass die Ritter nicht in der Lage waren, Gegenwehr zu leisten. Von den 500 Rittern, die sich zur fraglichen Zeit auf Malta befanden, waren fünfzig zu alt oder zu krank zum Waffendienst; 220 waren Franzosen, die nicht gegen ihre Landsleute kämpfen wollten; und der Rest war uneins darüber, wie weiter zu verfahren sei. Das Kommando lag in der Hand von Ordensbrüdern, die aufgrund ihrer „Seniorität“ auserwählt worden waren – nicht aufgrund ihrer Verdienste auf dem Schlachtfeld oder anderswo. Die Baillis, die mit der Verteidigung der östlichen und westlichen Teile von Malta betraut waren, hatten das
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siebzigste Lebensjahr beide überschritten. Die Kanonen auf den Geschütztürmen waren wohl schon damals museumsreif und hatten seit einhundert Jahren allein für Salutschüsse herhalten müssen. Das Pulver war, wie die Kanoniere feststellen mussten, vermodert, die Geschosse morsch. Die Stadtwache war unerfahren und ohne Disziplin. Schwer zu sagen, wer da die größere Angst hatte: die Wache vor den Franzosen? Oder der Orden, der erst kürzlich einen Volksaufstand hatte überstehen müssen, vor der Wache? Veraltete Verteidigungspläne liefen an. Nach zwei Tagen ohne größeres Blutvergießen hatten die Franzosen die Garnison von Malta, die auf der ganzen Insel verstreut stand, anstatt sich in Valletta zu vereinigen, überwältigt. Ferdinand von Hompesch und seine Brüder Ritter wurden schmachvoll von ihrer Insel vertrieben. Es liegt eine tiefe Ironie in den Geschehnissen rund um den Fall von Malta am 13. Juni 1798. Knapp siebenhundert Jahre, nachdem Papst Urban II. die christliche Ritterschaft zum Dienst im Zeichen des Kreuzes aufgerufen hatte, gab es hier noch immer solche Ritter, die größtenteils aus Frankreich kamen und von ihrem eigenen Status regelrecht besessen waren, wie die kriegerischen Mosaiken am Boden ihrer Konventskirche in Valletta bezeugen, die ein Ehrengrabmal des Rittertums darstellt. Der Ordensstaat dieser Brüder, der Erben jener Männer, die von Bernhard von Clairvaux gefeiert worden waren – viele von ihnen Abkömmlinge der Kreuzfahrer des 12. Jahrhunderts –, war ein Überbleibsel jener Kreuzfahrerstaaten, wie sie die Theoretiker des 14. Jahrhunderts gefordert hatten. Er brach zusammen angesichts der Flotte eines französischen Feldherrn, der auf dem Weg nach Ägypten war. Napoleon war natürlich kein Kreuzfahrer, aber er hatte in Ägypten mehr Erfolg als Ludwig IX. Und diese Geschichte hat noch eine weitere überraschende Wendung: Napoleon raubte die Edelsteine, das Gold und das Silber, mit denen der Reliquienschatz des Hospitaliterordens verziert war. Viele dieser Stücke hatten die Ritter auf dem ganzen Weg ihrer langen Reise mit sich geführt: von Palästina nach Malta, über Zypern und Rhodos. Ein Teil dieses Schatzes liegt noch heute auf dem Grund der Bucht von Abukir, wohin er gelangte, als Nelson die französische Flotte angriff. Ein anderer Teil jedoch ging nicht unter, weil Napoleon ihn zuvor auf den Märkten von Alexandria und Kairo veräußert hatte, um seine Truppen zu bezahlen. So gelangte Edelmetall, das die Kreuzfahrer im Orient an sich gebracht hatten, sechs Jahrhunderte später wieder dorthin zurück.
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Napoleons Beurteilung der Verteidigung Maltas durch die Malteser war die folgende: „Wenn auch die Befestigungsanlagen, die materiellen Mittel der Verteidigung, immens waren, so wurden sie durch die moralischen Ressourcen [der Ritter] zunichte gemacht.“ Jedes künftige Plädoyer für einen Heiligen Krieg von christlicher Seite sollte zudem durch ein weiteres blutiges Spektakel untergraben werden. Die Rede ist von der undisziplinierten Armee des Heiligen Glaubens, die der Kardinal Fabrizio Ruffo 1799 zur
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Unterstützung des ins Exil geflohenen Bourbonenkönigs von Neapel in Unteritalien zusammengerufen hatte, wo sie nun wütete. Hinzu kam außerdem, dass zwar der Ägyptenfeldzug Napoleons das Interesse an der islamischen Welt belebte, und das Aufkommen der Romantik auch mit einer zunehmenden Wertschätzung des Mittelalters, das die Geschichte der Kreuzzüge ausdrücklich einschloss; dass jedoch die Verfechter der Aufk lärung die Kreuzzüge bereits im 18. Jahrhundert zu einem Phänomen erklärt hatten, das ganz und gar der Vergangenheit angehörte. In Frankreich fand der romantische Enthusiasmus für das Mittelalter und insbesondere die Kreuzzüge seinen prächtigsten Ausdruck in den „Kreuzzugssälen“ (Salles des Croisades) von Versailles. Diese waren Teil des Bildprogramms, das der König Louis-Philippe sich für seinen Palast erdacht hatte, den er in ein Museum der ruhmreichen französischen Geschichte verwandeln wollte. Die fünf den Kreuzzügen gewidmeten Räume wurden mit über 120 Gemälden ausgestaltet, die Szenen aus der Geschichte der Kreuzzüge darstellten; als Schmuck dienten die Wappen jener Familien, deren Vorfahren sich als Kreuzfahrer einen Namen gemacht hatten. Unter dem französischen Adel kam es zu einem heft igen Wettstreit um die Aufnahme in diese illustre Runde. Noch Jahre, nachdem die Salles des Croisades 1843 offiziell eröffnet worden waren, bombardierten Angehörige der abgelehnten Familien die Behörden mit Eingaben, in denen sie die Anbringung ihres Wappens in einem der Räume forderten. Zum Beweis ihrer kreuzfahrerischen Abstammung legten sie oft Urkunden und Dokumente vor – die sich nicht selten als Fälschungen erwiesen. Der romantische Blick auf die Kreuzzüge verschmolz mit einem zweiten Traumbild: der Fantasie vom mittelalterlichen Rittertum, dessen Angehörige – so glaubte man – einem strengen Verhaltenskodex gefolgt waren. Das Kreuzfahrertum stand dieser Sichtweise zufolge in einem engen Zusammenhang mit dem ritterlichen Wertekanon von Tapferkeit, Loyalität, Tüchtigkeit, Höflichkeit, Ehrempfinden, Großzügigkeit und Sinn für Gerechtigkeit. So entstand eine „para-kreuzfahrerische“ und „para-ritterliche“, überkonfessionelle und karitative Bewegung in einer Gesellschaft, für die das bewaffnete Rittertum seinen Glanz noch nicht verloren hatte, obgleich seine kriegerische Primärfunktion natürlich der geschichtlichen Entwicklung zum Opfer gefallen war. Die Kreuzzugsbewegung überlebte als Idee; nicht aber als Realität und befasste sich daher nicht mehr vorrangig mit Fragen der Kriegführung, sondern verfolgte wohltätige Zwecke, indem sie die Pflichten des tugendhaften Ritters vom Schlachtfeld zurück in die Armenund Krankenhäuser übertrug. Das war natürlich – auch – eine Reaktion auf die politischen, ökonomischen und gesellschaft lichen Umwälzungen im Gefolge der Aufk lärung und der Industriellen Revolution. Während altüberlieferte Lebensformen im Strom der neuen Zeit hinweggespült wurden, erwuchs unter denjenigen Gesellschaftsschichten, die sich durch diese Entwicklung besonders bedroht fühlten, ein sentimentales Gefühl der Zuneigung zu den – vermeintlich – charakteristischen Zügen des einstigen Adels- und Ritterlebens. Diese Geisteshaltung, die etwa in den Romanen Anthony Trollopes mit spürbarem Wohlwollen dargestellt wird, beeinflusste jedoch auch die Weltsicht und die Vorlieben jener neuen Eliten, die sich daran machten, den alten Adel zu ersetzen, und sie
Para-Kreuzzüge und Pseudo-Kreuzzüge im Zeitalter des Imperialismus
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spiegelt sich nicht zuletzt in der diff usen Vorliebe für sogenannte mittelalterliche Werte, wie sie in den Bauwerken, dem Bauschmuck und der Gebrauchskunst solcher Männer wie Augustus Pugin oder Eugène Viollet-le-Duc zum Ausdruck kommt. Die romantische Vorliebe des 19. Jahrhunderts für das Mittelalter im Allgemeinen sowie das Rittertum und die Kreuzfahrer im Besonderen trug zu einer Reihe von Projekten bei, die man als para-kreuzfahrerische bezeichnen könnte – mit viel pseudo-kreuzfahrerischer Rhetorik. Der Unterschied zwischen den beiden Phänomenen bestand darin, dass sich bei den Para-Kreuzfahrern durchaus noch einige, wenn auch verfremdete, authentische Elemente fanden, die auf die Kreuzzugsbewegung zurückgingen; die PseudoKreuzfahrer hingegen hatten mit der Tradition völlig gebrochen, obgleich sie deren Rhetorik und Bildlichkeit für ihre Zwecke einsetzten. Aber das waren Vorhaben zumeist imperialistischer Natur, die überhaupt nichts mehr mit den Zielvorstellungen der Kreuzfahrer des Mittelalters gemein hatten, weil unter Nationen, die ohnehin schon stolz auf ihre kreuzfahrerische Vergangenheit waren, der Wettlauf um Kolonien und Einflusssphären begann. Die frommen katholischen Rekruten aus Frankreich, Spanien, Großbritannien und Amerika, die in den 1860er-Jahren auf der Seite des Papstes gegen die Kräfte des italienischen Risorgimento antraten, um den Kirchenstaat gegen diese zu verteidigen, waren Para-Kreuzfahrer. Dasselbe gilt von den idealistischen jungen Engländern, die sich schon in den 1820er-Jahren von den (französischen) Malteserrittern hatten anwerben lassen, als diese auf eigene Faust verwegene außenpolitische Ziele verfolgten – darunter die Rückeroberung von Rhodos. Als Teil des Plans sollte eine Kriegsflotte finanziert und mit Mannschaften versehen werden, um in der Ägäis den Aufstand der Griechen gegen die osmanische Herrschaft zu unterstützen. Letztlich sollte die geplante Expedition England nie verlassen, aber die Vorbereitungen allein brachten es nicht nur mit sich, dass zum Kampf gegen die Türken Protestanten in einen katholischen Orden aufgenommen wurden, sondern sie ebneten auf lange Sicht der Gründung einer bedeutenden Hilfsorganisation den Weg, die im ganzen britischen Weltreich tätig werden sollte: des Most Venerable Order of the Hospital of Saint John of Jerusalem, des britischen Johanniterordens also, der sich noch heute der Ersten Hilfe und dem Krankentransport verschrieben hat. Die erwähnte pseudo-kreuzfahrerische Rhetorik hingegen kam vor allem dort zum Einsatz, wo die europäischen Großmächte ihre imperiale Expansionspolitik zu rechtfertigen und zu beschönigen suchten. Je fester man das 19. Jahrhundert ins Auge fasst, desto deutlicher kann man durch die Nebelschwaden der Rhetorik hindurch eine Reihe solcher Pseudo-Kreuzzüge ausmachen. Die französische Besetzung Algeriens im Jahr 1830 beispielsweise wurde mit dem Angriff auf Tunis durch Ludwig IX. im Jahr 1270 verglichen; in einer gekürzten Ausgabe der Histoire des croisades von Joseph François Michaud behauptete dessen Mitarbeiter Jean-Joseph Poujoulat: „Die Eroberung von Algier im Jahre 1830 sowie auch unsere jüngsten Expeditionen in Afrika sind nichts anderes als Kreuzzüge.“ Zwei Räume im Museum König Louis-Philippes in Versailles waren den entscheidenden Momenten des Algerienfeldzuges gewidmet, und ein Zeitgenosse erklärte 1837 beim Anblick von Horace Vernets Gemälde Die Eroberung von Constantine:
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Hier finden wir sie wieder, nach einer Zeitspanne von fünfhundert Jahren: die französische Nation, wie sie mit ihrem eigenen Blut die brennende Steppe erquickt, die von den Zeltlagern des Islam übersät ist. Diese Männer sind die Erben von Karl Martell, Gottfried von Bouillon, Robert Guiskard und Philipp Augustus, die das zu Ende bringen, was ihre Vorfahren nicht vollenden konnten. Als Missionare und Krieger dehnen sie Tag für Tag die Grenzen des Christentums weiter aus.
Als sich in den 1860er-Jahren die Regierung Napoleons III. entschloss, zugunsten der christlichen Maroniten im Libanon zu intervenieren, war sogar von der tatsächlichen Ausrufung eines Kreuzzuges die Rede. Napoleon verabschiedete die französischen Truppen, die in die Levante aufbrachen, mit den folgenden Worten: Ihr brecht nach Syrien auf. … Auf jenem fremden Boden, der so viele großartige Erinnerungen birgt …, werdet ihr euch als würdige Abkömmlinge jener Helden erweisen, die das Banner Christi ruhmreich in dasselbe Land getragen haben.
Zur selben Zeit entwickelten zahlreiche andere Nationen jeweils eigene Mythen von ihrer großen Kreuzzugsvergangenheit. Dies geschah ganz in dem Glauben, dass die Triumphe der Kreuzfahrer in der Gegenwart wiederholt würden, während die rückständigen Gesellschaften der islamischen Welt von einer christlichen Herrschaft, wie man glaubte, nur profitieren könnten. Das gerade erst erfundene Königreich Belgien adoptierte Gottfried von Bouillon. Norwegische Nationalisten entsannen sich ihres Königs Sigurd. Deutschland hatte acht Herrscher, die Kreuzfahrer gewesen waren, darunter vor allem Friedrich Barbarossa. Spanien sonnte sich im Ruhmesglanz der Reconquista, zu deren Helden etwa Ferdinand III. von Kastilien zählte. England hatte Richard Löwenherz. Im Jahr 1876 erhitzten Anschuldigungen gegen die Osmanen, diese würden ihre bulgarischen Untertanen schlecht behandeln, die Gemüter derart, das der Verfasser einer Broschüre, die sich an die englischen Katholiken richtete, ausführlich begründen musste, warum ein Kreuzzug gegen die Türken eben nicht möglich war. In Sir Claude Conders The Latin Kingdom of Jerusalem von 1897 war der Beigeschmack eines von sich selbst überzeugten Imperialismus britischer Prägung besonders stark: Bei den Kreuzzügen handelte es sich keineswegs um wilde Raubzüge nach Palästina, die nichts als Elend und Verwüstung über das Land brachten. Das Königreich Jerusalem gab das Musterbild einer gerechten und maßvollen Herrschaft ab, ganz so, wie wir sie ja rühmlicherweise – und unter einigermaßen ähnlichen Umständen – in Indien errichtet haben.
Und Conders Herausgeber vom Palestine Exploration Fund warben für sein Buch mit dem Hinweis: Die Lebensumstände der Orientalen [sind heute] beinahe dieselben wie zu jener Zeit, als sich Europa in den Tagen Gottfrieds von Bouillon und des Königs Richard Löwenherz entschloss, in der orientalischen Frage zu intervenieren.
Die Vorstellung von der Kreuzzugsbewegung als einer Vorläuferin des Imperialismus blieb lebendig und erhielt sogar noch Auftrieb, nachdem britische Truppen im Ersten
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Weltkrieg in Palästina einmarschiert waren und Großbritannien – gemeinsam mit Frankreich – Palästina bzw. Syrien und den Libanon als Völkerbundsmandat erhalten hatte. Zwar hat der britische Kommandeur General Edmund Allenby, der an der Spitze seiner Truppen am 11. Dezember 1917 in Jerusalem einzog, wohl nie die ihm oft zugeschriebenen Worte geäußert: „Mit dem heutigen Tag sind die Kreuzzüge beendet“; aber das Satiremagazin Punch druckte doch eine Karikatur, die unter der Überschrift „Der letzte Kreuzzug“ König Richard Löwenherz zeigt, wie er aus der Ferne auf die Stadt Jerusalem blickt und sagt: „Endlich – mein Traum geht in Erfüllung!“ Im Allgemeinen bemühten sich die Briten im Heiligen Land jedoch, jegliche Provokation zu vermeiden, insbesondere, da in der britischen Armee auch Muslime dienten. Bei seiner Ankunft in Damaskus 1920 bemerkte der erste französische Militärgouverneur in Syrien, General Henri Gourard, dem Vernehmen nach: „Schau, Saladin, da sind wir wieder!“ Das französische Völkerbundmandat in Syrien löste eine wahre Flut von Veröffentlichungen französischer Historiker aus, deren Tenor unter anderem war, dass die Leistungen der Kreuzfahrer nur das erste Kapitel in einer langen Geschichte dargestellt hätten, die im modernen Imperialismus ihre Vollendung finde. In der Zwischenzeit hatten sich auch die Kriegsparteien des Ersten Weltkriegs, insbesondere die Briten, eine pseudo-kreuzfahrerische Rhetorik zu eigen gemacht. Ein extremes Beispiel hierfür liefert uns jener anglikanische Priester und Feldgeistliche, der die Dardanellenkampagne der Allierten wie folgt beschrieb: … der letzte Kreuzzug. Sollte Konstantinopel fallen, es wäre der größte Sieg der Christenheit seit Hunderten von Jahren. … Eine Vision steigt vor uns auf: Byzanz wieder christlich! Die Hagia Sophia wieder ein christliches Gotteshaus! Und wer weiß –? Vielleicht wird nun auch das Heilige Land wieder aus dem Sudelgriff der Ungläubigen befreit werden.
Ähnliche Formulierungen begegnen uns in den 1930er-Jahren im Spanischen Bürgerkrieg, in dem einige spanische Bischöfe General Franco in seiner Selbsteinschätzung bestätigten, er befinde sich auf einem Kreuzzug, der das katholische Spanien vor Kommunisten und Freimaurern retten sollte.
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Eine Gesellschaft, die von der para- und pseudo-kreuzfahrerischen Rhetorik jener Jahrzehnte geradezu durchtränkt war, sollte dann auch den Rahmen für das einzige tatsächlich authentische Kreuzzugsvorhaben des ganzen 19. Jahrhunderts abgeben. CharlesMartial Allemand-Lavigerie, der 1868 und 1869 als Erzbischof von Algier die beiden Missionsorden der Weißen Väter und der Weißen Schwestern gegründet hatte, war eine herausragende Figur im europäischen Missionswesen seiner Zeit. Sein Werdegang macht deutlich, dass der romantische Traum vom Kreuzfahrerleben, versetzt mit einem Schuss Imperialismus, von Menschen unterschiedlichster Herkunft geträumt werden konnte. Der spätere Kardinal Lavigerie wurde 1825 in eine säkulare Bürgerfamilie hineinge-
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boren, der die Freimaurerei und die Ideale der Französischen Revolution durchaus nicht fremd waren; sein Vater weigerte sich, dem Sohn das Studium am Priesterseminar zu finanzieren. Dieser absolvierte dennoch eine glänzende Karriere: Mit 28 Jahren war er Professor für Kirchengeschichte an der Sorbonne, mit 38 Jahren Bischof von Nancy und mit 42 Jahren schließlich Erzbischof von Algier. Von 1882 bis zu seinem Tod zehn Jahre später war er Mitglied des Kardinalskollegiums. Im Alter von 22 Jahren war Lavigerie zum Direktor des Œuvre des Écoles d’Orient bestellt worden, eines Hilfswerks zur Unterstützung französischer Missionsarbeit in der Levante, deren katholische Bevölkerung – insbesondere die libanesischen Maroniten – zu jener Zeit unter starken Druck gerieten. Lavigerie bereiste die Gegend im Jahr 1860 und wurde von einer solchen Begeisterung ergriffen, dass er sich 1872 sogar – erfolglos – um das Amt des lateinischen Patriarchen von Jerusalem bemühte. Fünf Jahre darauf erwarb er für seine Missionare die Jerusalemer St.-Annen-Kirche, die kurz zuvor von der französischen Regierung übernommen und restauriert worden war – zu einer Zeit, als, wie wir gesehen haben, die französische Kreuzzugsforschung ihr goldenes Zeitalter hatte. Lavigeries wachsende Nähe zum Kreuzzugsdenken machte sich erstmals in den 1880er-Jahren bemerkbar. Das Unwesen des noch immer bestehenden afrikanischen Sklavenhandels ließ ihm keine Ruhe, ebenso wenig die Sorge um das Wohl und die Sicherheit seiner Missionare. Zudem stand er im „Wettlauf um Afrika“ ganz auf der Seite Frankreichs und fürchtete daher die Konkurrenz von „Protestanten und Freidenkern“, die, wie er glaubte, im Gefolge der belgischen Expansion entlang des Kongo auf den afrikanischen Kontinent einsickerten. Für Lavigeries gab es eine einzige Lösung für all diese Probleme: die Errichtung eines afrikanischen – aber katholischen – Königreichs im östlichen Zentralafrika als Zufluchtsort für entlaufene Sklaven, ein Knotenpunkt der Evangelisierung und ein Bollwerk gegen jegliche weitere Expansion der Belgier nach Osten. Im Mai 1883 machte er sich Gedanken darüber, ob man nicht innerhalb des Ordens der Weißen Väter … zwei Orden haben könnte, von denen der eine Waffen tragen würde wie einst die Ritter von Malta, während der andere sich der eigentlichen Regel [der Weißen Väter] verschriebe; beide jedoch würden die ewigen Gelübde abzulegen haben.
Allerdings bereitete dem Kardinal die Aussicht Sorge, der Ordensobere der Weißen Väter könnte so zum Oberkommandierenden einer kleinen Armee mutieren. Er wies deshalb darauf hin, dass die alten Ritterorden von ihren Ordensbrüdern gelenkt worden seien, nicht von ihren Priestern, und so verfiel er auf die Idee, den Malteserorden selbst für seine Zwecke einzuspannen. Die Malteser waren nach der Vertreibung aus ihrem Inselstaat langsam wieder zu Kräften gekommen, und im Jahr 1879 hatte Papst Leo XIII. ihnen ihr 1805 verlorenes Recht zurückgegeben, ihren eigenen Großmeister zu wählen. Der Papst hatte dabei von den „überragenden Verdiensten [der Malteser] um die Kirche“ gesprochen, die „durch ihre ruhmreiche Geschichte und ihren Sieg gegen den gemeinsamen Feind“ erworben worden seien. Mittlerweile betätigten die Malteser sich zwar eher auf dem Gebiet der Krankenpflege, doch Kardinal Lavigerie witterte eine Chance,
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die alte militärische Tradition wiederzubeleben. In einer Note an den Heiligen Stuhl schlug er im Juni 1884 die Errichtung eines katholischen Staates westlich des Tanganjikasees vor. Dieser sollte als Bollwerk gegen den Vormarsch der Protestanten dienen. Niemand würde dies besser verwirklichen können, so Lavigerie, als der wiederhergestellte Malteserorden. Faktisch schlug Kardinal Lavigerie damit die Errichtung eines neuen Ordensstaates vor, der ganz den Vorbildern von Preußen, Rhodos und Malta verpflichtet war. Wie Lavigerie berichtet, war die persönliche Reaktion des Papstes „enthusiastisch (,enthusiastisch‘ ist kein zu starkes Wort)“, doch ein Treffen mit dem Großmeister des Malteserordens, Fra’ Johann Baptist Ceschi, endete enttäuschend. Der Großmeister stand einem Orden vor, der seine militärische Rolle aufgegeben hatte; auch wird ihn die Aussicht auf einen Konfessionskrieg in Afrika nicht sonderlich begeistert haben. Jedenfalls beschied er dem Kardinal, dass er nicht über die Ressourcen verfüge, eine derartige Aufgabe zu übernehmen. Wie Lavigerie später schrieb, bedauerte er es zutiefst, „diesen Gelähmten nicht Beine gemacht“ zu haben. Auf eine „mündliche Anweisung“ Leos XIII. hin, die nicht schrift lich fi xiert wurde, aber anscheinend „die christliche Welt zu einem Kreuzzug [aufrief], um solche schrecklichen Gräuel [wie den Sklavenhandel] zu beenden“, betrieb Lavigerie 1888 die Gründung einer Association militaire et religieuse, wie sie schon in der Vergangenheit gegründet worden waren, um Christen gegen die Türken zu verteidigen. In der Öffentlichkeit nahm man an, der Kardinal habe dabei wieder einmal den Malteserorden im Sinn, den der Papst wohl – so die Vermutung weiter – neu organisieren wolle, damit er in Afrika zur Bekämpfung der Sklaverei eingesetzt werden könne. Hintergrund dieser Vermutungen war, dass Papst Leo am 12. Juni desselben Jahres dem Großmeister der Malteser seine alte Kardinalswürde zurückgegeben hatte. Außerdem hatte er sich voll des Lobes über die Kreuzzugstraditionen des Malteserordens geäußert, gefeiert ob seines ehrwürdigen Alters, ob der Tugend und des Edelmutes seiner Brüder Ritter, ob ihres ruhmreichen Dienstes im Namen der Christenheit und des katholischen Glaubens und ob der Siege, die sie gegen den Feind des christlichen Namens errungen haben.
Doch Lavigerie hatte mit dem Malteserorden abgeschlossen, der, wie er schrieb, „nurmehr ein Schatten seines früheren Selbst“ war. Ein Jahr später befasste er sich mit Plänen, entlang der großen Nachrichtenwege durch die Sahara befestigte Stationen zu errichten, die als Zufluchtsorte für alle Verfolgten dienen sollten – mit dem Nebeneffekt, „den Handel und die Zivilisation voranzutragen“. Diese Schutzposten, so schrieb Lavigerie im März 1889, könnten wohl von einer Vereinigung gegründet werden, die „dem Orden von Malta nicht unähnlich“ wäre und deren Mitglieder „Freiwillige der Zivilisation und des Friedens“ sein sollten. 1890 begann er ernstlich mit den Vorbereitungen zur Gründung des neuen Ordens, der Institut Religieux et Militaire des Frères Armés du Sahara heißen sollte. Der Kardinal hatte in Biskra am Rande der algerischen Wüste ein Stück Ackerland erworben und dort Unterkünfte für fünfzig Personen errichten lassen. Dies sollte das Mutterhaus des Ordens werden; das Geld dafür hatten französische Gegner der Sklaverei
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zur Verfügung gestellt. Der Ordensregel zufolge, die Lavigerie verfasst hatte, sollten die „Bewaffneten Brüder der Sahara“ im gesamten afrikanischen Wüstengürtel patrouillieren, wo immer die einheimische Bevölkerung den Sklavenhändlern zum Opfer fiel. Die Brüder sollten entlaufene Sklaven bei sich aufnehmen, Reisende gastlich bewirten, das Land bestellen und der einheimischen Bevölkerung mit Rat und Tat zur Seite stehen. Lavigerie hatte sehr genaue Vorstellungen davon, wie die Außenposten des Ordens eingerichtet werden sollten. In jedem von ihnen würde ein Kommandant Dienst tun, dem zwei Stellvertreter zur Seite standen – einer für die Landwirtschaft, der andere für die militärische Einsatzbereitschaft verantwortlich –, dazu zwei Krankenpfleger, die in einem Hospital kranke Einheimische umsorgten. Als reuige Sünder, die noch dazu als Ordensleute Profess getan hatten und durch den Apostolischen Vikar von Tunis – Lavigerie selbst – dem Papst unterstellt waren, sollten die Frères Armés sich besonders strikt an das Ideal der apostolischen Armut halten. Ihr Alltag wurde durch minutiöse Anweisungen in allen seinen Einzelheiten geregelt. Ziel war es dabei, den Lebenswandel der Ordensbrüder soweit als möglich demjenigen der einheimischen Bevölkerung anzunähern, mit der sie schließlich Seite an Seite leben sollten. Sie würden wohnen, schlafen und essen wie die Einheimischen, sollten das Arabische und afrikanische Sprachen erlernen. Ihre Tage würden angefüllt sein mit Gebet und geistlichem Studium, Feldarbeit auf ihren Ländereien und militärischen Übungen. Ihr Gelübde ließ sie Gehorsam gegenüber ihren Oberen, Armut und Keuschheit schwören – und, dass sie „bis auf den Tod, sollte dies nötig sein, zur Verteidigung und zum Schutze jener kämpfen [würden], die sich unter die Protektion unseres Instituts begeben haben, in Sonderheit die Opfer der Sklaverei“. Sie sollten Waffen tragen und diese auch einzusetzen wissen; in jedem ihrer Stützpunkte sollte eine Redoute mit einem Waffenarsenal angelegt werden. Hunderte von Männern aus allen Gesellschaftsschichten bewarben sich um die Aufnahme in den neuen Orden; 95 von ihnen wurden auserwählt. Allerdings hatte die Ordensgemeinschaft in Biskra zu keiner Zeit mehr als dreißig Mitglieder. Am 5. April 1891 erhielten die ersten „Waffenbrüder“ ihr weißes Ordenshabit, auf dessen Brust ein rotes Kreuz prangte. Ein Tochterhaus des Ordens, in dem sechs Brüder lebten, wurde Ende des Jahres 1891 im weiter südlich gelegenen Ouargla eingerichtet. Kardinal Lavigerie bestand darauf, weitere Niederlassungen noch tiefer im Landesinneren zu eröffnen, doch die Zeitungen, selbst die katholischen, äußerten sich entweder gleichgültig oder ablehnend, und auch die französische Regierung geriet in Unruhe. Ohnehin entwickelte der Orden sich nicht wie erhofft; die Novizen waren überdies, wie sich herausstellte, nicht aus dem Holz geschnitzt, aus dem man tüchtige Anführer macht. Lavigerie, der mittlerweile schwer krank war – schon eine Woche darauf sollte er sterben –, traf den Entschluss, den Orden der Frères Armés aufzulösen. Am 19. November 1892 entsandte er einen der Missionare nach Biskra, um den Brüdern die schwere Nachricht schonend beizubringen. Die Ordensgemeinschaft dort zählte zu jener Zeit 23 Mitglieder. Neun von diesen schlossen sich den Weißen Vätern an; einer trat dem Trappistenorden bei; zwei wurden Kolonisten; die anderen kehrten nach Hause zurück.
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Die Angehörigen des Mutterhauses der Frères Armés du Sahara („Bewaffnete Brüder der Sahara“) in Biskra (Algerien) im Jahr 1891. Man beachte die Kreuze auf ihrer Ordenstracht sowie die Gewehre in ihren Händen.
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Das Institut des Frères Armés war selbstverständlich ein Anachronismus, war nicht nur ein Reflex des Kreuzfahrertraums der Romantik, sondern spiegelte auch eine reaktionäre Tendenz innerhalb der französischen Kirche wider, die sich durch antiklerikale Kräfte bedroht sah und nun versuchte, im Mittelalter zu ihren Wurzeln zu fi nden. Die Führung des Malteserordens, immerhin des berühmtesten Relikts der Kreuzzugsbewegung, erwies sich als pragmatischer, als Lavigerie es war. Nach 1834 war es den Großmeistern der Malteser nicht nur gelungen, die alten Souveränitätsansprüche ihres Ordens von Neuem durchzusetzen und zu verteidigen: Sie hatten ihre Ordensbrüder davon überzeugt, ein siebenhundert Jahre altes Rollenverständnis aufzugeben und einen neuen Daseinszweck in Gestalt der Alten- und Krankenpflege anzunehmen. Die Provinzialstruktur des Ordens wurde gleichfalls reformiert. All diese Um- und Neugestaltungen belegen, wie anpassungsfähig der Malteserorden war – sie erklären aber auch, warum der Großmeister Ceschi so überaus zurückhaltend reagierte, als Kardinal Lavigerie ihm die Schaff ung eines neuen Ordensstaates im Inneren Afrikas vorschlug. Lavigerie spielte eine entscheidende Rolle im Annäherungsprozess der katholischen Kirche an die Französische Republik sowie bei der Verteidigung der Kirche gegen antiklerikale Anfeindungen. Er war ein Vertrauter mehrerer Päpste und, wie wir gesehen haben, der Gründer zweier überaus erfolgreicher Missionsorden. Mindestens eine große Zeitung bescheinigte ihm Aussichten auf das Amt des Papstes, das er, so die Einschätzung weiter, mit wahrer Größe ausfüllen werde. Seine Kreuzzugspläne erhielten Zuspruch von vielen Seiten, darunter auch derjenigen Papst Leos XIII., der auf die Nachricht von Lavigeries Tod hin ausgerufen haben soll: „Ich habe ihn wie einen Bruder geliebt, wie Petrus den Andreas!“ Was seine Interessen und seinen politischen Einfluss angeht, erinnert Lavigerie – freilich in einem deutlich kleineren Maßstab – an Bernhard von Clairvaux, den Zisterzienserabt und Kreuzzugsprediger aus dem 12. Jahrhundert. Und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass er tatsächlich ein Kreuzzugsvorhaben verfolgte – oder, besser gesagt, eine ganze Reihe von Kreuzzugsvorhaben. Seine Frères Armés, Kampfmönche im Kreuzfahrergewand, auf den heiligen Bußkrieg eingeschworen und dem Papst unterstellt, entsprachen ganz den klassischen Kriterien der Kreuzzugstradition. Ihr Orden ähnelte jenen, die im 13. Jahrhundert im Ostseeraum ins Leben gerufen worden waren, wo die Kreuzzüge der Verteidigung von Missionsstationen gedient hatten. Zugleich verwies die Sache, für die sie ins Feld zogen – die Rettung entlaufener Sklaven und letztlich die Abschaff ung der Sklaverei –, bereits auf die Art von säkular-humanitärem Rettungskrieg, wie er ein Jahrhundert später in Mode kommen sollte.
Der moderne islamische Gegenkreuzzug Der moderne islamische Gegenkreuzzug
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass eben zu der Zeit, als das Scheitern von Lavigeries Institut die Unanwendbarkeit der Kreuzzugsideologie in der Moderne hatte offenbar werden lassen, sich unter den traditionellen Feinden – den Muslimen – die Überzeugung breit machte, von den westlichen Kreuzfahrern gehe eine tatsächliche Be-
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drohung aus. Man liest oft, die Muslime hätten von ihren mittelalterlichen Vorfahren schlimme Erinnerungen an die Kreuzzüge und die Brutalität der Kreuzfahrer gleichsam geerbt, aber nichts ist falscher als das. Die Muslime hatten in der Zwischenzeit nur sehr wenig Interesse für die Zeit der Kreuzzüge gezeigt, auf die sie, wenn überhaupt, mit Gleichmut und sogar mit Zufriedenheit zurückblickten. Schließlich waren sie davon überzeugt, dass sie die Kreuzfahrer am Ende völlig geschlagen hatten. Sie hatten sie aus ihren Siedlungsgebieten in der Levante vertrieben! Sie hatten auf dem Balkan über sie triumphiert! Auf dem Balkan, wo, nebenbei bemerkt, die Osmanen ein sehr viel größeres Territorium erobert hatten, als es den Lateinern im Osten jemals gelungen war. Erst in den 1890er-Jahren, in der Krise des Osmanischen Reiches, entstand in der islamischen Welt eine eigene Kreuzzugsgeschichtsschreibung. Angesichts einer drohenden Revolution, erster Auflösungserscheinungen auf dem Balkan sowie wachsenden internationalen Drucks durch Großbritannien, Frankreich und Russland war den Türken nichts anderes übriggeblieben, als die Unabhängigkeit Rumäniens, Serbiens und Montenegros sowie die Autonomie Bulgariens anzuerkennen und zudem Russen, Griechen, Franzosen und Briten Gebiete des Osmanischen Reiches zu überlassen. Die Reaktion Sultan Abdülhamids II. auf diese Kette von Verhängnissen war es, sich dem Panislamismus zu verschreiben, der die Vereinigung aller islamischen Völker unter einer Autorität anstrebte. Der Sultan war ein frommer Mann, der sein zusätzliches Amt als Kalif aller Gläubigen durchaus ernst nahm – vor allem, nachdem sein Anspruch auf das Kalifat in Frage gestellt worden war. Doch er ging noch weiter. Abdülhamid äußerte öffentlich die Überzeugung, die christlichen Mächte hätten sich auf einen neuen „Kreuzzug“ begeben. Indem er diesen Begriff gebrauchte, schlug er lediglich einen Tonfall an, der seit über einem halben Jahrhundert die westeuropäische Debatte über das Verhältnis zum Orient geprägt hatte, doch wurden seine Worte in der panislamischen Presse aufgegriffen und verbreitet, und der Verfasser der ersten Kreuzzugsgeschichte in der islamischen Welt, Sayyid ʿAli al-Hariri, schrieb 1899 in der Einleitung zu seinem Werk: „Unser allererhabenster Sultan, Abdülhamid II., hat zu Recht bemerkt, dass Europa nunmehr einen Kreuzzug gegen uns in Gestalt einer politischen Kampagne führt.“ Das Wiedererwachen des muslimischen Interesses an den Kreuzzügen wurde noch verstärkt durch das Verhalten des deutschen Kaisers Wilhelms II., der bei einem Besuch in Damaskus im November 1898 am verfallenen Grabmal Saladins eine seidene Flagge und einen Kranz mit einer Widmung an den „Helden Sultan Saladin“ niederlegte. Wilhelm finanzierte dann die Restaurierung des Mausoleums sowie den Bau eines neuen, nebenbei bemerkt ziemlich unislamischen Sarkophags aus Marmor, auf dem ein weiterer Kranz angebracht wurde, der diesmal aus vergoldeter Bronze gefertigt war und die Inschrift trug: „Von einem großen Kaiser für einen anderen“. Bei einem Bankett drückte der Wilhelm später seine Genugtuung darüber aus, auf demselben Boden wie Saladin geschritten zu sein, den er als „einen der ritterlichsten Herrscher in der Geschichte“ bezeichnete, der, wie der Kaiser hinzufügte, „ein Ritter ohne Furcht und Tadel [gewesen war], der seine Feinde nicht selten die wahre Natur der Ritterlichkeit lehren musste“. In dieser bombastischen Reprise von Sir Walter Scotts The Talisman wurden die Muslime
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der Levante überhaupt erst wieder mit der Figur Saladins bekannt gemacht, den sie größtenteils vergessen hatten. Im Jahr darauf stellte der ägyptische Dichter Ahmad Schauqi die entrüstete Frage, wie es denn sein könne, dass Saladins Größe den Muslimen verborgen geblieben war, bis sie der deutsche Kaiser daran erinnert habe. Binnen fünfzehn Jahren nach dem Besuch Wilhelms II. in Damaskus hatte ein arabisch schreibender Autor, der vor der großen Gefahr einer zionistischen Besiedlung Palästinas warnte, Saladins Namen als Pseudonym angenommen, und 1915 eröffnete man in Jerusalem eine Universität, die nach Saladin benannt war. Die maßgebliche Feststellung des Kalifen, Kreuzzüge fänden noch immer statt, wurde in der islamischer Welt zur selben Zeit verbreitet, da im Westen zwei Denkansätze kursierten, die zwar gleichermaßen en vogue waren, einander jedoch deutlich widersprachen: In der kritisch-romantischen Sicht auf die Kreuzzugsgeschichte, wie sie Walter Scott in seinen Romanen populär gemacht hatte, standen barbarische und zerstörungswütige Kreuzfahrer zivilisierten und fortschrittlich gesinnten Muslimen gegenüber, die ihnen sowohl kulturell als auch moralisch klar überlegen waren. In der imperialistischromantischen Sicht hingegen, wie sie sich etwa in den Schriften Joseph François Michauds ausdrückt, waren es die Kreuzfahrer gewesen, die ihrerseits Licht in die dunkle, heidnische Welt hinausgetragen hatten; nun war es an ihren neuzeitlichen Erben, dieses Werk zu vollenden. Aus Sicht der islamischen Welt war es nur naheliegend, auf diese westlichen Geschichtsbilder mit einer eigenen Interpretation zu antworten, derzufolge Europa, nachdem es die erste Runde der Kreuzzüge verloren hatte, nun in einer zweiten auf Revanche sann. Das war eine Verschwörungstheorie, die in Zeiten des erwachenden arabischen Nationalismus auf fruchtbaren Boden fiel, zuerst anlässlich der britischen und französischen Landnahme in weiten Teilen Nordafrikas und der Levante, dann mit Blick auf die zunehmende Einwanderung jüdischer Siedler nach Palästina. Von der ersten der beiden europäischen Sichtweisen auf die Kreuzzüge, der kritischromantischen, übernahmen muslimische Theoretiker die Vorstellung eines brutalen und destruktiven Westens, der, wiewohl Nutznießer der hochstehenden islamischen Zivilisation, im Zuge der Begegnung nichts als eine Spur der Verwüstung hinterlassen hatte. Ist es überhaupt denkbar [fragt ein nordafrikanischer Historiker], dass die islamische Welt aus den Kreuzzügen auch nur den geringsten Nutzen gezogen hat? Wie hätte denn der Islam vom Kontakt mit einer unterlegenen, rückständigen Kultur profitieren sollen?
Der palästinensische Dichter Mahmud Darwisch beschreibt in seiner Darstellung des israelischen Einmarsches in den Libanon 1982 das Vorgehen der Israelis ganz ähnlich, wie Scott dasjenige der Kreuzfahrer beschrieben hatte, und stellt sogleich den unvorteilhaften Vergleich mit der Hochherzigkeit Saladins an: „Unser Wasser hat man uns auf Befehl dieser übriggebliebenen Kreuzritter abgestellt, wo doch Saladin seinen Feinden Eis und Früchte sandte!“ Von der imperialistisch-romantischen Sicht Europas auf die Kreuzzüge übernahmen muslimische Autoren die Vorstellung eines unablässigen westlichen Ansturms auf die islamische Welt. Schon 1920 pries ein Verfasser Saladin dafür, dass er den ersten Versuch
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des Westens abgeschmettert habe, den Orient zu unterwerfen. Unter dem Einfluss westlicher Wirtschaftshistoriker sahen arabische Nationalisten die Kreuzzüge als ein herausragendes Beispiel dafür an, wie in der Frühphase des europäischen Kolonialismus Frömmigkeit und Gottesfurcht zur Maskierung von Raub und Habgier herhalten mussten. Ein Autor gelangte 1934 zu der Einschätzung, der Westen führe „unter dem Deckmantel des politischen und ökonomischen Imperialismus noch immer Kreuzzüge gegen den Islam“. Andere arbeiteten die Vorstellung weiter aus, nach seiner Niederlage in der ersten Runde der Kreuzzüge verzehre sich der Westen nun geradezu in seinem Durst nach Rache. Tatsächlich sei, so diese Fraktion, die Gründung des Staates Israel auf ebendem Territorium, das einst das Königreich Jerusalem eingenommen habe, ein niederträchtiger Racheakt, der aus jener ersten Kränkung hervorgegangen sei. Der bereits zitierte Mahmud Darwisch schrieb 1982 über die israelische Besetzung von Beirut, diese sei „ein Akt der Vergeltung für die gesamte Geschichte des Mittelalters“. In den Augen der arabischen Nationalisten war ihr Kampf um Unabhängigkeit die vorrangig arabische Entgegnung auf einen Kreuzzug, der noch immer gegen sie geführt wurde. Ab den 1970er-Jahren jedoch wurden sie durch einen erneuerten und wiedererstarkten, aggressiv-militanten Panislamismus herausgefordert. Dessen Anhänger sahen im Islam die eine, alle Rassen umfassende unteilbare Gemeinschaft zur Verehrung des einen Gottes. Damit mussten sie zwangsläufig auf Konfrontationskurs zu den Nationalisten geraten, die oft säkular eingestellt waren und überdies in den Augen der frommen Muslime der Nationalismus seinem Wesen nach den Islam spaltete. Das hielt die Religiösen nun aber nicht davon ab, sich die nationalistische Sicht auf die Geschichte der Kreuzzüge zu eigen zu machen, nur um sie anschließend zu globalisieren, das heißt zu verallgemeinern und weltweit als Erklärungsmuster anzuwenden. Während die nationalistische Interpretation der Kreuzzüge in Geschichte und Gegenwart ganz dem – räumlich und funktional klar begrenzten – arabischen Freiheitskampf gegen die Knechtschaft des Kolonialismus verpflichtet gewesen war, berechtigte in den Augen der Islamisten jedwede westliche Aggression und insbesondere jegliche Infiltration des Dar al-Islam, des „Hauses des Islam“, durch die „Ungläubigen“ rechtgläubige Muslime dazu, einen weltweiten dschihad anzustrengen. Im Anschluss an die Schriften von Sayyid Qutb, des vielleicht bedeutendsten Vordenkers des Islamismus, argumentierten sie, dass die Begriffe „Kreuzzug“ oder „Kreuzfahrer“ auf alle Arten von Angriff gegen den Islam weltweit angewandt werden könnten, die entweder von bekennenden Christen ausgeführt wurden oder von solchen, die in der jüdisch-christlichen Tradition standen oder auch nur einem ihrer Surrogate anhingen wie etwa dem Zionismus oder dem Marxismus. Tatsächlich seien nämlich der „internationale Zionismus“ und der „internationale Kommunismus“ nur zwei weitere ideologische Formen, hinter denen der westliche Imperialismus sein wahres Wesen verbarg. Dies nämlich sei das „Kreuzfahrertum“, eine Macht, weitaus älter als ihre zahlreichen Spielarten, die das große Ziel des alten christlichen Feindes – die endgültige Niederwerfung des Islam – immer wieder von Neuem zu erreichen suche. Neben militärischer Gewalt schloss die islamistische Definition des aggressiven westlichen „Kreuzfahrertums“ auch den Drang nach ökonomischer oder politischer Vormacht ein.
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Sogenannte Salafisten und Dschihadisten – die den militanten Flügel der islamistischen Bewegung bilden – berufen sich zudem auf die Schriften des Theoretikers Ibn Taimiya, eines charismatischen Gelehrten aus dem Mittelalter, dessen Eintreten für die Einheit seiner Religion als notwendige Bedingung des Sieges gegen die Ungläubigen durchaus den Ansichten ähnelt, die viele seiner christlichen Kontrahenten mit Bezug auf das Christentum hegten. Für Ibn Taimiya lag die oberste Priorität des dschihad seiner Zeit nicht darin, den Krieg über die Grenzen des Islam zu den Ungläubigen zu tragen, sondern vielmehr darin, den sunnitischen Islam von Häretikern und Andersgläubigen zu säubern. Solcherart nach innen gewandt, sollte der dschihad mit Gewalt eine neue, geeinte und gereinigte, Gott allein verpflichtete Gesellschaft herbeiführen. Erst wenn dieses Ziel erreicht wäre, sollte sich die Aufmerksamkeit der Muslime auf die Welt jenseits ihrer Grenzen richten. Aus diesem Grund waren die Dschihadisten ganz besonders empfindlich, was die Infi ltration, das von ihnen als provokant empfundene Eindringen von Ungläubigen in die islamische Welt anging; dies, so glaubten und glauben sie, beschmutzt den Islam. Noch nie, seitdem Allah sie flach gemacht, ihre Wüste erschaffen und sie mit Meeren umgeben hat, ist die Arabische Halbinsel von solchen Feindesmächten heimgesucht worden, wie die Armeen der Kreuzfahrer [gemeint sind die Truppen der Amerikaner, Anm. d. Verf.] es sind – sie breiten sich auf ihr aus wie die Heuschrecken, verzehren ihre Reichtümer und vernichten alles, was da grünt.
Auch bei der sowjetischen und der amerikanischen Invasion Afghanistans handelte es sich, dieser Lesart zufolge, um Kreuzzüge: Dies ist eine Schlacht der Muslime gegen das globale Kreuzfahrertum. … Gott, der uns seinen Schutz angedeihen ließ und uns bis zum endgültigen Sieg gegen die Sowjetunion hat unerschütterlich durchhalten lassen, wird uns auch nun wieder unterstützen, um Amerika auf demselben Boden und mit denselben Kämpfern zu schlagen.
In einem Krieg der Kulturen muss unser Ziel darin bestehen, unsere Nation im Angesicht des christlichen Kreuzzuges zusammenzuschweißen. … Dies ist ein Krieg, der immer wiederkehrt. Der erste Kreuzzug brachte uns Richard aus Britannien, Ludwig aus Frankreich und Barbarossa aus Deutschland. Heute sind die Anführer der Kreuzfahrerstaaten wieder herbeigeeilt, sobald [George W.] Bush das Kreuz emporgehoben hatte. Sie haben sich der Herrschaft des Kreuzes unterworfen.
Diese radikalislamistische Version einer neo-imperialistischen Kreuzzugsgeschichte war es, die in einigen muslimischen Gesellschaften Wurzeln geschlagen hatte, bevor sie um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert so plötzlich und so gewaltig nach außen zuschlug. Es steht außer Frage, dass sie einiges der übertriebenen und oft mals schlichtweg falschen Übernahme der Kreuzzugsideologie durch die (vor allem europäischen) Imperialisten des 19. Jahrhunderts verdankt, deren Rhetorik in der islamischen Welt allzu oft für bare Münze genommen worden ist. Der Westen kann auf diese Anfeindungen nicht
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adäquat reagieren, weil er sie nicht begreift – und in der Regel noch nicht einmal erkennt, wo die Quellen jener Sprache liegen, der sich die Islamisten bedienen. Als Kardinal Lavigerie im Jahr 1892 seinen wehrhaften Ritterorden auflöste, waren drei meiner vier Großeltern bereits auf der Welt. Und doch hat unsere heutige Gesellschaft vollkommen vergessen, vor wie kurzer Zeit noch Kreuzzugsideen in manchen europäischen Kreisen als intellektuell durchaus respektabel gelten konnten.
Gedächtnisschwund Gedächtnisschwund
Die Geschichte der Kreuzzüge ist voller Überraschungen. Eine davon besteht in der überraschenden Schnelligkeit, mit der die letzten Überreste der Bewegung dem Vergessen zum Opfer gefallen sind. Zu keiner Zeit hatte sich jedermann für den Kreuzzugsgedanken erwärmen können, doch sein Niedergang erfolgte dennoch sehr langsam. Selbst die Reformation und Gegenreformation hatten ihn nicht töten können, und auch die im Großen und Ganzen erfolgreichen Einwände nicht, die – wie im ersten Kapitel dieses Buches dargestellt – gegen die Prämissen eines Heiligen Krieges kraft göttlicher Autorität und die angebliche moralische Neutralität der Gewaltanwendung vorgebracht worden sind. Als die Kreuzzugsbewegung dann von einigen Gelehrten des 17. und 18. Jahrhunderts neu definiert und gewissermaßen in die ferne Vergangenheit abgeschoben wurde, schien sie in das Endstadium ihrer Entwicklung eingetreten, obgleich es zur selben Zeit noch Beispiele von Kreuzzugsaktivität gegeben hat. Meist beschränkten sich diese – zugegebenermaßen – auf die Päpste, die unmittelbar mit den Türken konfrontierten Nationen sowie all jene Familien, aus deren Reihen der Malteser- und der Deutsche Orden ihre Mitglieder rekrutierten. Doch selbst in den 1890er-Jahren sind wir noch auf einige Persönlichkeiten gestoßen – darunter ein Papst, der zu seiner Zeit als ein Neuerer galt –, die offenbar nichts dabei fanden, freiwillige Kämpfer in einen Bußkrieg unter päpstlicher Führung ziehen zu lassen. Und dann wurde die Ideologie des christlichen Heiligen Krieges innerhalb eines halben Jahrhunderts so vollständig verworfen, dass Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit dem Vergessen übergeben wurden. Zwei Weltkriege und menschliches Leiden in einer bis dahin nicht gekannten Größenordnung haben bestimmt ihren Anteil an dieser Entwicklung gehabt. Der intellektuelle Konsens beschränkte die Kreuzzüge auf das Mittelalter. Der Begriff „Kreuzzug“ freilich findet weiterhin Verwendung, wenn er auch in den meisten Fällen kaum mehr bezeichnet als eine mit Inbrunst geführte Kampagne für irgendein politisches oder religiöses Ziel. Und die westliche Zivilisation hat Ersatz gefunden, der auch nach dem Wegfall der Kreuzzugsideologie das Ausüben ideologisch motivierter Gewalt zur Erlangung religiöser, kultureller oder sogar (pseudo-)wissenschaft licher Ideale ermöglicht. Man denke nur an Nationalismus, Marxismus, Faschismus und Humanitarismus, die ihren Anhängern von universaler Bedeutung zu sein schienen – oder scheinen. Es ist bezeichnend, dass die Verfechter der südamerikanischen Befreiungstheologie der 1960er-Jahre anscheinend nie bemerkt haben, wie nahe sie in
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ihrem Denken ihren iberischen Vorläufern aus der Zeit der Kreuzzüge gekommen waren, obwohl gewisse Aspekte ihrer Theologie – etwa die Gewaltanwendung im Namen Christi und der Nächstenliebe oder auch die Vorstellung von einem Märtyrertod im Kampf – sie als Para-Kreuzfahrer erscheinen lassen. Die Männer, die sich in den Jahren 1890 / 1892 berufen fühlten, in das Institut des Frères Armés des Kardinals Lavigerie einzutreten, waren, soweit ich weiß, die letzten Kreuzfahrer. Im 20. Jahrhundert verschwand die Kreuzzugsbewegung nicht allein deshalb, weil sie untauglich geworden war – das gewiss auch –, sondern weil sie aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt wurde.
Anhang
Kommentierte Bibliografie zu Forschungsliteratur und Quellen Kommentierte Bibliografie zu Forschungsliteratur und Quellen
Diese Übersicht enthält die englischsprachige Forschungsliteratur, die dieser Darstellung zugrunde gelegen hat, zum Teil aber auch Forschungsliteratur in anderen Sprachen. Quellenübersetzungen (ins Englische) sind in einem eigenen Abschnitt aufgeführt. Sofern die von Jonathan Riley-Smith aufgeführten Werke ins Deutsche übersetzt worden sind, ist dies im Folgenden angegeben, oder es wird – bei Quellenausgaben – direkt eine deutsche Fassung des betreffenden Textes genannt. Bei mittelalterlichen Autoren richtet sich der angegebene Name nach der in der betreffenden Quellenedition verwendeten Form, um das Auffi nden der Literatur zu erleichtern; im Einzelfall weicht er damit von der in diesem Buch verwendeten Namensform ab.
Nachschlagewerke Bibliografien Die beste Kreuzzugs-Bibliografie ist noch immer Hans Eberhard Mayer, Bibliographie zur Geschichte der Kreuzzüge (1960), die der „Literaturbericht über die Geschichte der Kreuzzüge“ desselben Verfassers für die Jahre von 1958 bis 1967 ergänzt (Historische Zeitschrift, Sonderheft 3 [1969]). Zwischen 1967 und 1982 erschienene Werke enthält ein weiterer Nachtrag, den Mayer gemeinsam mit Joyce McLellan verfasst hat: Select Bibliography of the Crusades, in: A History of the Crusades, Bd. 6, hg. v. Kenneth M. Setton (1989). Vergleiche auch Hannes Möhring, Kreuzzug und Dschihad in der mediaevistischen und orientalistischen Forschung 1965–1985, Innsbrucker Historische Studien 10–11 (1988). Die Listen aktueller Veröffentlichungen und Vorstellungen laufender Forschungsvorhaben im Bulletin of the Society for the Study of the Crusades and the Latin East (erscheint als Teil der Zeitschrift Crusades) bieten eine gute Orientierung über die Publikationen der vergangenen Jahre. Im Bereich der islamischen Geschichte ist Jean Sauvaget, Introduction to the History of the Muslim East, überarbeitet von Claude Cahen (1965, nachgedr. 1982) noch immer von Nutzen. Auch die New Cambridge Medieval History, 7 Bde. (1995–2005), enthält aktuelle Bibliografien. Nachschlagewerke
Forschungen zur Geschichtsschreibung der Kreuzzüge Die beste Einführung in den aktuellen Stand der Forschung bietet Norman J. Housley, Contesting the Crusades (2006). Christopher J. Tyerman, The Debate on the Crusades, 1099–2010 (2011) enthält detaillierte Studien zum Werk diverser Kreuzzugshistoriker vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Tyermans Darstellung der Debatten des 20. und frühen 21. Jahrhunderts lohnt die Lektüre als Paradebeispiel historiografischer Voreingenommenheit. Giles Constable, The Historiography of the Crusades, in: The Crusades from the Perspective of Byzantium and the Muslim World, hg. v. Angeliki E. Laiou und Roy P. Mottahedeh (2001), ist noch immer nützlich. Ronnie Ellenblum gelangt in seinem Buch Crusader Castles and Modern Histories (2007) zu interessanten Ergebnissen.
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Scharfe Kritik an der spanischen Historiografie übt Luis García-Guijarro Ramos, Historiography and History: Medieval Studies on the Military Orders in Spain since 1975, in: The Military Orders, Volume 3. History and Heritage, hg. v. Victor Mallia-Milanes (2008). Enzyklopädien Zwei wertvolle Veröffentlichungen der letzten Jahre sind The Crusades. An Encyclopedia, hg. v. Andrew V. Murray, 4 Bde. (2006) und Prier et Combattre. Dictionnaire européen des ordres militaires au Moyen Âge, hg. v. Nicole Bériou und Philippe Josserand (2009). Beide Werke bieten auf dem aktuellen Forschungsstand wertvolle Einführungen in zahlreiche Aspekte der Kreuzzugsund Ritterordensgeschichte.
Überblickswerke Überblickswerke
Seitdem die Kreuzzugsforschung zu einer Modedisziplin geworden ist, haben viele Verlage sich entschlossen, Überblicksdarstellungen zur Kreuzzugsgeschichte auf den Markt zu bringen. Diese sind von unterschiedlicher Qualität. Die Zeiten, da Sir Steven Runciman, A History of the Crusades, 3 Bde. (1951–54) als Standardwerk gelten konnte, sind sicherlich vorbei. Runcimans opus magnum – auf Deutsch als Geschichte der Kreuzzüge zuletzt 1995 in einer einbändigen Sonderausgabe erschienen – wurde vor nunmehr über sechzig Jahren veröffentlicht und galt den Experten schon bei seinem Erscheinen als veraltet. Meine Generation hat es inspiriert, aber Runcimans Stil ist so manieriert, dass er vielen heutigen Studenten als beinahe unlesbar erscheint. Einen Versuch, Runcimans Werk zu ersetzen, stellt Christopher J. Tyerman, God’s War. A New History of the Crusades (2006) dar. Dabei handelt es sich um eine fachlich versierte, aktuelle und gut geschriebene Darstellung im Sinne einer „erzählten Geschichte“. Allerdings enthält Tyermans Buch nur äußerst gedrängte Betrachtungen der Ideen und Institutionen der Kreuzzugsbewegung und der Kreuzfahrerherrschaften des lateinischen Ostens, und über das 16. und 17. Jahrhundert bietet es nur wenig. Das Gemeinschaftswerk A History of the Crusades, hg. v. Kenneth M. Setton, 2. Aufl., 6 Bde. (1969–89) ist noch immer brauchbar; die einzelnen Beiträge sind allerdings von unterschiedlicher Qualität. Weitgefasste Überblicksdarstellungen finden sich auch in zwei von Jonathan Riley-Smith herausgegebenen Werken: The Atlas of the Crusades (1991, deutsch 1992 als Großer Bildatlas der Kreuzzüge) und The Oxford Illustrated History of the Crusades (1995, deutsch zuletzt 2004 als Illustrierte Geschichte der Kreuzzüge). Wahrscheinlich, um die vermuteten Interessenschwerpunkte ihrer Leserschaft zu „bedienen“, haben die Autoren vieler Bücher, die als umfassende Darstellungen des Kreuzzugsphänomens daherkommen, sich stark auf die Zeit bis zum Fall von Akkon 1291 konzentriert. Eine knappe und kompetente Einführung dieser Art bietet Nikolas Jaspert, Die Kreuzzüge, mittlerweile (2014) in der sechsten, aktualisierten Auflage. Eine meisterliche Behandlung der späteren Kreuzzüge bietet Norman J. Housley, The Later Crusades, 1274–1580: From Lyons to Alcazar (1992) dar. Auf Deutsch liegen neben der knappen Einführung von Peter Thorau, Die Kreuzzüge, 4. Aufl. (2013), die Überblicksdarstellungen von Norman Housley, Die Kreuzritter (2009), Christopher J. Tyerman, Die Kreuzzüge (2009) und Thomas Asbridge, Die Kreuzzüge, 4. Aufl. (2015), vor.
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Einzelthemen der Forschung Definition des Begriffs „Kreuzzug“ Die Debatte über die Defi nition des Begriffs „Kreuzzug“ rollen Norman J. Housleys Buch Contesting the Crusades (2006), Giles Constables Aufsatz „The historiography of the crusades“, in: The Crusades from the Perspective of Byzantium and the Muslim World, hg. v. Angeliki E. Laiou und Roy P. Mottahedeh (2001) sowie, sehr gewissenhaft, Christopher J. Tyerman in seiner Studie Debate on the Crusades, 1099–1210 (2011) auf. Die folgenden Titel können als repräsentativ für die diversen Interpretationsschulen gelten: – Traditionalismus: Hans Eberhard Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, 10., überarb. und erw. Aufl. (2005). – Generalismus: Carl Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (1935). – Popularismus: Gary Dickson, „The genesis of the Children’s Crusade (1212)“, in: ders., Religious Enthusiasm in the Medieval West: Revivals, Crusades, Saints (2000). – Pluralismus: Jonathan Riley-Smith, What Were the Crusades?, 4. Aufl. (2009, deutsch 2003 unter dem Titel Wozu heilige Kriege? Anlässe und Motive der Kreuzzüge). Einzelthemen der Forschung
Kreuzzugsideen Der Kreuzzugsideologie kann man sich auf zwei Arten nähern. Der erste Zugang führt über das Kirchenrecht. Das Standardwerk auf diesem Gebiet – auch wenn es mittlerweile eine Aktualisierung vertragen könnte – ist James A. Brundage, Medieval Canon Law and the Crusader (1969), daneben seine Aufsatzsammlung The Crusades, Holy War and Canon Law (1991). Ergänzend sollte Frederick Russell, The Just War in the Middle Ages (1975) konsultiert werden und außerdem ErnstDieter Hehl, Kirche und Krieg im 12. Jahrhundert (1980). Die zweite Herangehensweise nimmt die theologischen Hintergründe der Kreuzzugsbewegung in den Blick. Als bahnbrechend erwies sich hier die große Studie von Carl Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (1935), deren Augenmerk auf den Ursprüngen des Ersten Kreuzzuges liegt. Vgl. ergänzend dazu Hannes Möhring, Benzo von Alba und die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, in: Forschungen zur Reichs-, Papst- und Landesgeschichte, hg. v. Karl Borchardt und Enno Bünz, Bd. 1 (1998), sowie ders., Karl der Große und die Endkaiser-Weissagung: Der Sieger über den Islam kommt aus dem Westen, in: Montjoie. Studies in Crusade History in Honour of Hans Eberhard Mayer, hg. v. Benjamin Z. Kedar, Jonathan Riley-Smith und Rudolf Hiestand (1997). Dasselbe gilt für Jean Floris, La Guerre sainte: La formation de l’idée de croisade dans l’Occident chrétien (2001). Jonathan Riley-Smith beschreibt in seinem Aufsatz, Crusading as an act of love, History 65 (1980), wie es dazu kommen konnte, dass die Teilnahme am Kreuzzug schließlich als mildtätige Handlung galt. Benjamin Z. Kedar hat sich in seinem Buch Crusade and Mission (1984) mit dem Verhältnis von Kreuzzug und Konversionen auseinandergesetzt, und Norman Housley analysiert in Religious Warfare in Europe 1400–1536 (2002) die Grenzziehungen zwischen Kreuzzügen und anderen Religionskriegen. Die Forschung hat sich meist auf das 12. und das frühe 14. Jahrhundert konzentriert. H. E. John Cowdrey, Christianity and the morality of warfare during the first century of crusading, in: The Experience of Crusading. 1: Western Approaches, hg. v. Marcus Bull und Norman Housley (2003) hat das Forschungsfeld abgesteckt, doch die wichtigsten Beiträge zu diesem Aspekt der frühen Kreuzzugsgeschichte waren bislang Giles Constable, The place of the crusader in medieval society, Viator 28 (1998) und William Purkis, Crusading Spirituality in the Holy Land and Iberia c. 1095– c. 1187 (2008) sowie Susanna Throop, Crusading as an Act of Vengeance, 1095–1216 (2011). Zu den Theoretikern des späten 13. und des 14. Jahrhunderts siehe Sylvia Schein, Fideles Crucis: The Pa-
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pacy, the West, and the Recovery of the Holy Land 1274–1314 (1991), Jocelyn N. Hillgarth, Ramon Lull and Lullism in Fourteenth-Century France (1971) sowie Antony Leopold, How to Recover the Holy Land: The Crusade Proposals of the Late Thirteenth and Early Fourteenth Centuries (2000). Mit den Kreuzzugskritikern des 12. und 13. Jahrhunderts befasst sich Elizabeth Siberry, Criticism of Crusading 1095–1274 (1985). Philippe Buc verfolgt in seinem 2015 auf Deutsch erschienenen Buch Heiliger Krieg. Gewalt im Namen des Christentums (im Original Holy War, Martyrdom and Terror: Christianity, Violence, and the West) die Geschichte religiös motivierter Gewalt innerhalb des Christentums bis in unsere Tage und arbeitet dabei insbesondere die gegenwärtige Bedeutung des Kreuzzungsgedankens heraus. Zur Kreuzzugskritik im Mittelalter siehe Rudolf Hiestand, Gott will es! – will Gott es wirklich? Die Kreuzzugsidee in der Kritik ihrer Zeit (1998). Kreuzzugspredigten Die Ideen der Theoretiker wurden den Gläubigen in leicht fasslicher Form durch Predigten vermittelt. Analysen einzelner solcher Predigten bieten Penny J. Cole, The Preaching of the Crusades to the Holy Land, 1095–1270 (1991) sowie Christoph Maier, Preaching the Crusades: Mendicant Friars and the Cross in the Thirteenth Century (1994) sowie ders., Crusade Propaganda and Ideology: Model Sermons for the Preaching of the Cross (2000). Die radikaleren unter den Predigern behandelt Gary Dickson, Revivalism as a medieval religious genre, in: Journal of Ecclesiastical History 51 (2000). Liturgische Fragen Die Liturgie der römischen Kirche wurde – ihrem sprachlichen wie symbolischen Gehalt nach – ebenfalls genutzt, um die Gläubigen zu belehren und zu lenken. Wie im Fall der Predigtliteratur ist sie ein vergleichsweise neuer Gegenstand der Kreuzzugsforschung. Cristina Dondi, The Liturgy of the Canons Regular of the Holy Sepulchre of Jerusalem (2004) hat die Ausbreitung der Liturgie der Grabeskirche in andere Gegenden der Christenheit untersucht. Amnon Linders Studie Raising Arms: Liturgy in the Struggle to Liberate Jerusalem in the Late Middle Ages (2003) bietet eine erschöpfende Diskussion der diversen Rituale, mit denen die Kirche die Nöte des Heiligen Landes allgemein bekanntmachte und zur Teilnahme am Kreuzzug ermutigte. Die Kreuzzüge in der volkssprachlichen Literatur Die volkssprachlichen Literaturen verliehen den Ansichten und Empfi ndungen jener Menschen Ausdruck, an die sich die Kirche wendete. Grob gesprochen, lässt sich das Korpus dieser Literaturen in zwei Hälften unterteilen: zum einen die epischen Chansons, Heldendichtungen, die in den Kanon der höfischen Kultur eingingen; zum anderen Lieder und Gedichte. In der englischen Forschung ist zu diesem Thema vergleichsweise wenig gearbeitet worden, aber eine erste Orienterung bietet Michael Routledges Beitrag „Kreuzzugslieder“, in: Illustrierte Geschichte der Kreuzzüge, hg. v. Jonathan Riley-Smith (deutsch 2004). Siehe auch C. T. J. Dijkstra, La Chanson de croisade (1995), Samuel N. Rosenberg und Hans Tischler, Chanter m’estuet: Songs of the Trouvères (1981), David A. Trotter, Medieval French Literature and the Crusades (1100–1300) (1988) sowie Friedrich-Wilhelm Wentzlaff-Eggebert, Kreuzzugsdichtung des Mittelalters: Studien zu ihrer geschichtlichen und dichterischen Wirklichkeit (1960). Die von Ulrich Müller herausgegebene Anthologie Kreuzzugsdichtung liegt seit 2008 in ihrer 4. Aufl. vor und bietet mit einer Auswahl deutscher, französischer, lateinischer und italienischer Texte einen hervorragenden Einblick in die vielfältige Tradition der Kreuzzugsdichtung. Roswitha Wisniewski hat 1984 eine knappe Überblicksdarstellung mit dem Titel Kreuzzugsdichtung.
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Idealität in der Wirklichkeit vorgelegt. Zu einem durchaus anderen, positiveren Bild von einzelnen Muslimen vgl. Hannes Möhring, Der andere Islam. Zum Bild vom toleranten Sultan Saladin und neuen Propheten Schah Ismail, in: Die Begegnung des Westens mit dem Osten, hg. v. Odilo Engels und Peter Schreiner (1993). Eine islamische Perspektive bietet die Studie von Aleya Khattab, Das Bild der Franken in der arabischen Literatur des Mittelalters. Ein Beitrag zum Dialog über die Kreuzzüge (1989). Zum Europabild der Muslime vgl. Bernard Lewis, Die Welt der Ungläubigen. Wie der Islam Europa entdeckte (1983); Hannes Möhring, Konstantinopel und Rom im mittelalterlichen Weltbild der Muslime, in: Das geographische Weltbild um 1300. Politik im Spannungsfeld von Wissen, Mythos und Fiktion, hg. v. Peter Moraw (1989) und ders., Interesse und Desinteresse mittelalterlicher Muslime an Land und Leuten in Europa, Periplus 23 (2013). Kreuzzugswerbung und Motivation Zwei gelungene Studien über die Kreuzzugswerbung in England sind Simon Lloyd, English Society and the Crusade (1988), eine detaillierte und sehr informative Studie über die englische Kreuzzugsbewegung im 13. Jahrhundert, und Christopher J. Tyerman, England and the Crusades (1988), der die Reaktionen und Erfahrungen der englischen Bevölkerung vom Ersten Kreuzzug bis ins 16. Jahrhundert erschließt. Giles Constable, Medieval charters as a source for the history of the crusades, in: Crusade and Settlement, hg. v. Peter W. Edbury (1985), öff nete den Weg in die europäischen Urkundensammlungen, die als Quellen für die Motivation der Kreuzzugsteilnehmer zuvor weitgehend ignoriert worden waren. Maurice Keen, Chaucer’s knight, the English aristocracy and the crusade, in: English Court Culture in the Middle Ages, hg. v. Vincent J. Scattergood und James W. Sherborne (1983), wies auf die Fülle von Quellenmaterial über die englischen Kreuzfahrer des 14. Jahrhunderts hin. Einige Historiker befassen sich zur Zeit mit der Mentalität der Kreuzzugsteilnehmer. Eine grundlegende Einführung zu diesem Thema bietet Marcus Bull, Views of Muslims and of Jerusalem in miracle stories, c. 1000–c. 1200: reflections on the study of first crusaders’ motivations, in: The Experience of Crusading. Volume One. Western Approaches, hg. v. Marcus Bull und Norman J. Housley (2003). Die folgenden Titel stellen Beispiele für eine solche empathische Herangehensweise dar: Marcus Bull, Knightly Piety and the Lay Response to the First Crusade. The Limousin and Gascony, c. 970–c. 1130 (1993), Jonathan Riley-Smith, The First Crusaders 1095–1131 (1997), Caroline Smith, Crusading in the Age of Joinville (2006), Norman Housley, Fighting for the Cross. Crusading to the Holy Land (2008), sowie Nicholas Paul, To Follow in their Footsteps. The Crusades and Family Memory in the High Middle Ages (2012). Martin Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi. Identität, Feindbild und Fremderfahrung während der ersten Kreuzzüge (2011), geht neben den Selbst- und Feindbildern der frühen Kreuzfahrer auch auf deren Handlungsmotive sowie die kulturelle und soziale Vielfalt innerhalb der Kreuzfahrerheere ein. Frauen Zur Rolle der Frauen in der Kreuzzugsbewegung sind bislang nur wenige Studien erschienen – abgesehen von den Schwestern der Ritterorden, die im Folgenden mitbehandelt werden. Der Grund für die spärlichen Forschungen dürfte sein, dass allein die Ritterorden, insbesondere die Johanniter, genug Quellenmaterial für eingehendere Forschungen hinterlassen haben. Zu Frauen auf den Kreuzzügen selbst verfügen wir über die Darstellungen in den Bänden von Susan B. Edgington und Sarah Lambert (Hg.), Gendering the Crusades (2001), sowie Sabine Geldsetzer, Frauen auf Kreuzzügen 1096–1291 (2003).
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Finanzen Die Fähigkeit der Kreuzfahrer, sich selbst zu finanzieren, oder jene der Heerführer, ihre Gefolge zu versorgen, ist ein Thema von großer Bedeutung. Giles Constable, The financing of the crusades in the twelft h century, in: Outremer, hg. v. Benjamin Z. Kedar, Hans Eberhard Mayer und Raymond C. Smail (1982) hat den Ausgangspunkt für weitere Forschungen geschaffen, aber auch Simon Lloyd, English Society and the Crusade (1988) enthält einiges an Material. Zur Besteuerung der Kirche durch die Päpste vgl. die beiden Arbeiten von William E. Lunt, Papal Revenues in the Middle Ages, 2 Bde. (1934), und Financial Relations of the Papacy with England, 2 Bde. (1939–62). Eine zusammenfassende Übersicht gibt Hannes Möhring, Geld zum Kampf gegen Ungläubige. Die Finanzierung der Kreuzzüge und die Besteuerung des Klerus, in: Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer, hg. v. Uwe Schultz (1986). Land- und Seekriegführung (einschließlich der Befestigungsanlagen der Kreuzfahrerburgen und -ansiedlungen) Raymond C. Smails maßgebliche Studie zur Kriegführung im lateinischen Osten des 12. Jahrhunderts, Crusading Warfare (1097–1193) (1956), findet ihre Fortsetzung in Christopher Marshall, Warfare in the Latin East, 1192–1291 (1992). John France ließ seinem Buch Victory in the East. A Military History of the First Crusade (1994) die allgemeiner gehaltene Überblicksdarstellung Western Warfare in the Age of the Crusades, 1000–1300 (1999) folgen. Zu der vernichtenden Niederlage des Königreichs Jerusalem in der Schlacht von Hattin 1187 vgl. Peter Herde, Die Kämpfe bei den Hörnern von Hattin und der Untergang des Kreuzritterheeres (3. und 4. Juli 1187). Eine historisch-topographische Untersuchung, in: ders., Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze, Bd. 2,1 (2002). Zur Abwehrstrategie Saladins und der Mamluken vgl. Hannes Möhring, Die muslimische Strategie der Schleifung fränkischer Festungen und Städte in der Levante, Burgen und Schlösser 50,4 (2009). Schätzungen zu Heeresstärken und Verlustraten fi nden sich bei Jonathan Riley-Smith, Casualties and the number of knights on the First Crusade, Crusades 1 (2002), sowie James M. Powell, Anatomy of a Crusade, 1213–1221 (1986). Den Belagerungskrieg behandelt Randall Roger, Latin Siege Warfare in the Twelfth Century (1992); mit Seekriegführung und Logistik befasst sich John Pryor, Geography, Technology and War (1988), und ders., Logistics of Warfare in the Age of the Crusades (2006). Waffen und Rüstungen beschreibt David C. Nicolle, Arms and Armour of the Crusading Era 1050–1350, 2. Aufl., 2 Bde. (1999). Der Frage von Gefangennahme und Auslösung geht Yvonne Friedman in ihrer Studie Encounter between Enemies: Captivity and Ransom in the Latin Kingdom of Jerusalem (2002), nach. Vgl. außerdem Hannes Möhring, Zwei aiyūbidische Briefe an Alexander III. und Lucius III. bei Radulf de Diceto zum Kriegsgefangenenproblem, Archiv für Diplomatik 46 (2000). Es gibt derzeit keine gute Arbeit über die Seestreitkräfte der Johanniter auf Rhodos und Malta, obwohl Anne Brogini, Malte, frontière de chrétienté, 1530–1670 (2006) interessante Dinge zu sagen hat. Mehr ist dagegen über die militärischen Innovationen des Deutschen Ordens in Preußen und Livland geschrieben worden, siehe Sven Ekdahl, Horses and crossbows. Two important warfare advantages of the Teutonic Order in Prussia, in: The Military Orders. Vol. 2, Welfare and Warfare, hg. v. Helen Nicholson (1998) sowie die glänzende, aber unvollendete Darstellung durch Werner Paravicini, Die Preußenreisen des europäischen Adels, 2 Bde. (1989–95). Die Kriegführung auf der Iberischen Halbinsel behandeln detailliert Carlos de Ayala Martínez in seiner Studie der iberischen Ritterorden, Las órdenes militares hispánicas en la Edad Media (siglos XII–XV) (2003), und Enrique Rodríguez-Picavea, Los monjes guerreros en los reinos hispánicos: Las órdenes militares en la Península Ibérica durante la Edad Media (2008).
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Was die Kreuzfahrerburgen betrifft, so beginnt man wohl am besten mit Hugh Kennedy, Crusader Castles (1994). Die bislang umfangreichste Darstellung ist Paul Deschamps’ Les Châteaux des croisés en Terre Sainte, 3 Bde. (1934–77). Einen sehr schönen Sammelband über den Krak des Chevaliers hat Thomas Biller herausgegeben: Der Crac des Chevaliers. Die Baugeschichte einer Ordensburg der Kreuzfahrerzeit (2006). Vergleiche auch ders., Templerburgen (2014), sowie den durch Bilder und Inhalt beeindruckenden Sammelband Burgen und Städte der Kreuzzugszeit, hg. v. Mathias Piana (2008). Siehe auch Robert W. Edwards, The Fortifications of Armenian Cilicia (1987), Denys Pringle, Secular Buildings in the Crusader Kingdom of Jerusalem: An Archaeological Gazetteer (1997) sowie, zu Preußen, Tomasz Torbus, Die Konventsburgen im Deutschordensland Preußen (1998). Zu den Befestigungsanlagen der Stadt Rhodos siehe Albert Gabriel, La Cité de Rhodes, 1310–1522, 2 Bde. (1921–23). Siehe auch die Aufsätze von Anthony T. Luttrell, The later history of the Maussolleion and its utilization in the Hospitaller castle at Bodrum, in: The Maussolleion at Halikarnassos, Bd. 2 (1986), sowie: English contributions to the Hospitaller Castle at Bodrum in Turkey: 1407–1437, in: The Military Orders, Bd. 2, hg. v. Helen Nicholson (1998). Zu den Befestigungsanlagen von Malta siehe auch Stephen C. Spiteri, The Art of Fortress Building in Hospitaller Malta, 1530–1798: A Study of Building Methods, Materials, and Techniques (2008). Zur Belagerung von Malta im Jahr 1565 siehe Anne Brogini, 1565. Malte dans la tourmente: le grand siège de l’île par les Turcs (2011) sowie Stephen C. Spiteri, The Great Siege: Knights vs Turks, MDLXV [1565]. Anatomy of a Hospitaller victory (2005). Die byzantinischen Griechen Seit geraumer Zeit schon ist man in der Forschung zu einer weit realistischeren Einschätzung des byzantinischen Verhältnisses zu den Kreuzfahrern gelangt, als sie in Runcimans großer Kreuzzugsgeschichte noch vorherrschte. Siehe etwa Michael Angold, The Byzantine Empire, 1025–1204, 2. Aufl. (1997), Charles M. Brand, Byzantium Confronts the West, 1180–1204 (1968), Jonathan Harris, Byzantium and the Crusades (2003) sowie Ralph-Johannes Lilie, Byzanz und die Kreuzfahrerstaaten. Studien zur Politik des Byzantinischen Reiches gegenüber den Staaten der Kreuzfahrer in Syrien und Palästina bis zum Vierten Kreuzzug (1096–1204) (1981) und ders., Byzanz und die Kreuzzüge (2004). Vgl. dazu auch Hannes Möhring, Byzanz und die Kreuzfahrerstaaten, Historische Zeitschrift 234 (1982), sowie ders., Byzanz zwischen Sarazenen und Kreuzfahrern, in: Das Heilige Land im Mittelalter. Begegnungsraum zwischen Orient und Okzident, hg. v. Wolfdietrich Fischer und Jürgen Schneider (1982). Jonathan Shepard, When Greek meets Greek: Alexius Comnenus and Bohemond in 1097–8, Byzantine and Modern Greek Studies 12 (1988), und ders., Cross-purposes: Alexius Comnenus and the First Crusade, in: The First Crusade, hg. v. Jonathan Phillips (1997), haben das Bild von Kaiser Alexios I. Komnenos und dessen Haltung zum Ersten Kreuzzug nachhaltig verändert. Zu den Jahrhunderten nach 1204 siehe Kenneth M. Setton, The Papacy and the Levant (1204– 1571), 4 Bde. (1976–84), ein Werk, das eine Fülle an neuem Material enthält, durch weitgehend fehlende Analyse jedoch so gut wie unlesbar wird. Wesentlich zugänglicher sind Michael Angold, A Byzantine Government in Exile (1975), John W. Barker, Manuel II Palaeologus (1391–1425) (1969), Deno J. Geanakoplos, Emperor Michael Palaeologus and the West (1959) sowie Angeliki E. Laiou, Constantinople and the Latins: The Foreign Policy of Andronicus II, 1282–1328 (1972). Die Juden Zu den Judenverfolgungen durch aufbrechende Kreuzfahrer in den Jahren 1095 und 1096 ist viel geforscht worden; mittlerweile liegt nun auch eine ordentliche Edition der hebräischen Quellen samt deutscher Übersetzuung vor: Eva Haverkamp, Hebräische Berichte über die Judenverfolgun-
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gen während des Ersten Kreuzzugs (2005). Die folgenden Studien halte ich für die besten: Robert Chazan, European Jewry and the First Crusade (1987) und ders., God, Humanity and History. The Hebrew First Crusade Narratives (2000) sowie Jeremy Cohen, Sanctifying the Name of God. Jewish Martyrs and Jewish Memories of the First Crusade (2004). Judenverfolgungen gab es bei fast jedem Aufbruch eines neuen Kreuzzuges in den Osten. Einiges Material zu diesem Thema bietet der Band von Anna Sapir Abulafia (Hg.), Religious Violence between Christians and Jews: Medieval Roots, Modern Perspectives (2002). Der von Alfred Haverkamp herausgegebene Band Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge (1999) vereinigt zwölf Beiträge zu verschiedensten Aspekten der christlich-jüdischen Geschichte jener Zeit, darunter etwa das Bild der Juden in der Kreuzzugspropaganda, die ökonomischen Hintergründe der Kreuzzugspogrome oder die Frage der Zwangstaufen. Vgl. auch Hannes Möhring, Graf Emicho und die Judenverfolgungen von 1096, Rheinische Vierteljahrsblätter 56 (1992). Die Muslime Der Ausgangspunkt für eine Beschäft igung mit dem islamischen Blick auf die Kreuzzüge ist die Monografie von Carole Hillenbrand, The Crusades: Islamic Perspectives (1999), eine Darstellung der Kreuzzüge ins Heilige Land aus der Sicht der arabischen Quellen. Abgesehen von Francesco Gabrielis Sammlung übersetzter arabischer Quellen liegen auf Deutsch die folgenden Arbeiten über die Kreuzzüge aus muslimischer Sicht vor: Amin Maalouf, Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber (2001), und Peter M. Cobb, Der Kampf ums Paradies. Eine islamische Geschichte der Kreuzzüge (2015). Zu den gesellschaft lichen Hintergründen vgl. Shlomo D. Goitein, A Mediterranean Society, 6 Bde. (1967–93), das den Hauptakzent auf die jüdische Gemeinde in Ägypten legt, darüber hinaus aber eine Fülle an Material zum gesamten Nahen Osten bereithält. Ronnie Ellenblum, The Collapse of the Eastern Mediterranean. Climate Change and the Decline of the East, 950–1072 (2012) legt die verheerenden Auswirkungen des mittelalterlichen Klimawandels auf die Levante dar. Die spätere Wirtschaftsgeschichte behandelt Eliyahu Ashtor, Levant Trade in the Later Middle Ages (1983), sehr aufschlussreich zu den päpstlichen Embargos des frühen 14. Jahrhunderts. Einen Überblick über die Geschichte des Nahen Ostens gibt Peter M. Holt, The Age of the Crusades: The Near East from the Eleventh Century to 1517 (1986). Michael Brett, The Near East on the eve of the Crusades, in: La Primera Cruzada Novecientos años Después, hg. v. Luis GarcíaGuijarro Ramos (1997), betont die chaotische politische Lage, die in den beiden Kalifaten im späten 11. Jahrhundert geherrscht hat. In ders., Abbasids, Fatimids and Seljuqs, in: New Cambridge Medieval History, hg. v. David Luscombe und Jonathan Riley-Smith, Bd. 2 (2004), nimmt Brett die größeren Zusammenhänge in den Blick. Zu den Ayyubiden siehe R. Stephen Humphrey, From Saladin to the Mongols: The Ayyubids of Damascus 1193–1260 (1977), zu den Mamluken Robert Irwin, The Middle East in the Middle Ages: The Early Mamluk Sultanate 1250–1382 (1986). Die türkische Geschichte stellen Claude Cahen, Pre-Ottoman Turkey (1968), Stanford J. Shaw, History of the Ottoman Empire and Modern Turkey 1 (1976) sowie Halil Inalcik, The Ottoman Empire (1973) noch immer überzeugend dar. Zu den Assassinen siehe Marshall G. S. Hodgson, The Order of Assassins (1955). Bernard Lewis, Die Assassinen. Zur Tradition des religiösen Mordes im radikalen Islam (1989). Es gibt eine Reihe guter Arbeiten über einzelne Sultane: Nikita Elisséef, Nur ad-Din, 3 Bde. (1967); Anne-Marie Eddé, Saladin (2008); Malcolm C. Lyons und D. E. P. Jackson, Saladin. The Politics of the Holy War (1982); Hannes Möhring, Saladin. Der Sultan und seine Zeit 1138–1193 (2005); ders., Zwischen Joseph-Legende und Mahdi-Erwartung: Erfolge und Ziele Sultan Saladins
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im Spiegel zeitgenössischer Dichtung und Weissagung, in: War and Society in the Eastern Mediterranean, 7 th–15 th Centuries, hg. v. Yaacov Lev (1997); ders., Heiliger Krieg und politische Pragmatik: Salahadinus Tyrannus, Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 39 (1983). Hans L. Gottschalk, al-Malik al-Kamil von Ägypten und seine Zeit (1958); Peter Thorau, Sultan Baibars I. von Ägypten. Ein Beitrag zur Geschichte des Vorderen Orients im 13. Jahrhundert (1987). Den diplomatischen Beziehungen widmen sich Michael A. Köhler, Allianzen und Verträge zwischen fränkischen und islamischen Herrschern im Vorderen Orient (1991) sowie Peter M. Holt, Early Mamluk Diplomacy (1260–1290) (1995). Westliche Meinungen und Vorurteile über Muslime werden – wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise – in Norman Daniel, Islam and the West: The Making of an Image (1960; überarb. Aufl. 1993) und John Tolan, Saracens. Islam in the Medieval European Imagination (2002) untersucht. Die Mongolen Einen Überblick über die Geschichte der Mongolen und ihre Beziehungen zum Westen bieten Peter Jackson, The Mongols and the West, 1221–1410 (2005) und David O. Morgan, The Mongols (1986). Zum ersten Kreuzzug gegen die Mongolen siehe Peter Jackson, The crusade against the Mongols, Journal of Ecclesiastical History 43 (1991). Zum europäischen Mongolenbild vgl. Gian Andri Bezzola, Die Mongolen in abendländischer Sicht (1220–1270). Ein Beitrag zur Frage der Völkerbegegnungen (1974); Axel Klopprogge, Ursprung und Ausprägung des abendländischen Mongolenbildes im 13. Jahrhundert. Ein Versuch zur Ideengeschichte des Mittelalters (1993); Felicitas Schmieder, Europa und die Fremden. Die Mongolen im Urteil des Abendlandes vom 13. bis in das 15. Jahrhundert (1994); Karl-Ernst Lupprian, Die Beziehungen der Päpste zu islamischen und mongolischen Herrschern im 13. Jahrhundert anhand ihres Briefwechsels (1981).
Die Kreuzzüge in den Nahen Osten Der Erste Kreuzzug Zum Ersten Kreuzzug existieren fast so viele Arbeiten wie Überblicksdarstellungen zu den Kreuzzügen insgesamt. Die schnörkelloseste unter diesen Einzelstudien ist diejenige von Thomas Asbridge, The First Crusade. A New History (2004). Einige andere versuchen sich an neuen Akzentsetzungen, um bestimmte Thesen zu belegen. Beispiele hierfür liefern Peter Frankopan, der in The First Crusade. The Call from the East (2012) das Byzantische Reich in den Mittelpunkt der Darstellung rückt, und Jay Rubinstein, dessen Armies of Heaven. The First Crusade and the Quest for the Apocalypse (2011) uns glauben machen soll, der Erste Kreuzzug sei eine Form apokalyptischer Kriegführung gewesen. Vgl. zur Bedeutung von Endzeit-Erwartungen während der Kreuzzüge Hannes Möhring, Der Weltkaiser der Endzeit. Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung (2000). Was den geistesgeschichtlichen Hintergrund des 11. Jahrhunderts anbelangt, ist die Arbeit von Carl Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens (1935) immer noch sehr erhellend. Dasselbe gilt für H. E. John Cowdrey, Pope Gregory VII, 1073–1085 (1998). Die Bemühungen des byzantinischen Kaisers Alexios, den Westen zu mobilisieren, und seine Reaktionen auf den Ersten Kreuzzug untersucht Jonathan Shepard in zwei Aufsätzen: When Greek meets Greek: Alexius Comnenus and Bohemond in 1097–8, Byzantine and Modern Greek Studies 12 (1988); Cross-purposes: Alexius Comnenus and the First Crusade, in: The First Crusade, hg. v. Jonathan Phillips (1997).
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Die beste Biografie Papst Urbans II. stammt von Alfons Becker, Papst Urban II (1088–1099), 3 Bde. (1964–2012). Robert Somervilles Einzelstudien zu diversen Konzilen – Pope Urban II’s Council of Piacenza (2011); ders., The Council of Clermont (1095) and Latin Christian Society, Archivum historiae pontificiae 12 (1974), sowie ders., The Council of Clermont and the First Crusade, Studia gratiana 20 (1976) – sind noch immer von Bedeutung; H. E. John Cowdrey, Pope Urban II’s preaching of the First Crusade, History 55 (1970) ebenso. Beispielhaft für Versuche, Peter den Eremiten als Urheber des Ersten Kreuzzuges wieder ins Spiel zu bringen sind Ernest O. Blake und Christopher Morris, A Hermit goes to war: Peter and the origins of the First Crusade, Studies in Church History 22 (1984) sowie Jean Flori, Pierre l’Ermite et la Première Croisade (1999). Zu den europäischen Reaktionen auf Urbans Aufruf zum Kreuzzug vgl. Marcus Bull, Knightly Piety and the Lay Response to the First Crusade. The Limousin and Gascony, c. 970–c. 1130 (1993) und Jonathan Riley-Smith, The First Crusaders 1095–1131 (1997). Die Militärgeschichte des Ersten Kreuzzuges behandeln John France, Victory in the East. A Military History of the First Crusade (1994) und Jonathan Riley-Smith, Casualties and the number of knights on the First Crusade, Crusades 1 (2002). Zur Entwicklung der Kreuzzugsidee auf dem Marsch sowie im unmittelbaren Anschluss an den Ersten Kreuzzug siehe Jonathan Riley-Smith, The First Crusade and the Idea of Crusading (1986). Conor Kostick, The Social Structure of the First Crusade (2008) hat den Versuch einer marxistischen Deutung des Ersten Kreuzzuges vorgelegt. Das ist interessant und mutig, ohne mich zu überzeugen. Der Zweite Kreuzzug Jonathan Phillips, The Second Crusade. Extending the Frontiers of Christendom (2007) ist nun das Standardwerk. Giles Constable, The Second Crusade as seen by contemporaries, Traditio 9 (1953), ist allerdings immer noch lesenswert. Auf deutscher Seite sind ergänzend dazu zu nennen: Hubert Glaser, Das Scheitern des zweiten Kreuzzuges als heilsgeschichtliches Ereignis, in: Festschrift für M. Spindler, hg. v. D. Albrecht, A. Kraus, K. Reindel (1969); Martin Hoch, Jerusalem, Damaskus und der zweite Kreuzzug (1993). Der Dritte Kreuzzug Es gibt bislang keine überzeugende Gesamtdarstellung des Dritten Kreuzzuges. Neben den allgemeinen Überblicksdarstellungen müssen wir deshalb auf Biografien der Hauptprotagonisten zurückgreifen, etwa John B. Gillingham, Richard I (1999) oder Peter Munz, Frederick Barbarossa (1969). Jean Richard macht in seinem Aufsatz: 1187: Point de départ pour une nouvelle forme de la croisade, in: The Horns of Hattin, hg. v. Benjamin Z. Kedar (1992), einige interessante Beobachtungen. Zum Kreuzzug Kaiser Friedrichs I. vgl. jedoch vor allem Ekkehard Eickhoff, Friedrich Barbarossa im Orient. Kreuzzug und Tod Friedrichs I. (1977) sowie Rudolf Hiestand, „precipua tocius christianismi columpna“. Barbarossa und der Kreuzzug, in: Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers, hg. v. Alfred Haverkamp (1992). Den Dritten Kreuzzug aus muslimischer Sicht und den Abwehrkampf Saladins behandelt Hannes Möhring, Saladin und der Dritte Kreuzzug. Aiyubidische Strategie und Diplomatie im Vergleich vornehmlich der arabischen mit den lateinischen Quellen (1980). Der Vierte Kreuzzug Die meistgelesenen Bücher zum Vierten Kreuzzug sind Donald E. Queller und Thomas F. Madden, The Fourth Crusade: The Conquest of Constantinople, 2. Aufl. (1997) sowie, aus byzantinischer Sicht dargestellt, Michael Angold, The Fourth Crusade (2003). Meine eigene Darstellung orientiert
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sich allerdings an den Schlussfolgerungen der Essays aus dem Sammelband von Angeliki Laiou (Hg.), Urbs Capta. The Fourth Crusade and its Consequences (2005). Jean Longnon, Les Compagnons de Villehardouin (1978) über die Teilnehmer des Vierten Kreuzzuges ist noch immer von großem Interesse. Die beste Gesamtschau der Kreuzzugspolitik Papst Innozenz’ III. fi ndet sich in Helmut Roscher, Papst Innocenz III und die Kreuzzüge (1969). Ergänzend dazu vgl. Michael Menzel, Kreuzzugsideologie unter Innocenz III., Historisches Jahrbuch 120 (2000); Marco Meschini, Innozenz III. und der Kreuzzug als Instrument im Kampf gegen die Häresie, Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 61 (2005). Analysen von Innozenz’ Ketzerpolitik sowie seiner Haltung zur „baltischen Frage“ finden sich – auch zu seinem Nachfolger Honorius III. – in Iben Fonnesberg-Schmidt, The Popes and the Baltic Crusades 1147–1254 (2007) und Rebecca Rist, The Papacy and Crusading in Europe, 1198–1245 (2009). Siehe auch Christopher R. Cheney, Pope Innocent III and England (1976). Der Kinderkreuzzug Endlich gibt es eine wirklich brillante Studie über dieses seltsame Phänomen: Gary Dickson, The Children’s Crusade (2008). Der Fünfte Kreuzzug Der Fünfte Kreuzzug wird in James M. Powells Buch Anatomy of a Crusade, 1213–1221 (1986) diskutiert, das insbesondere zur päpstlichen Politik und Rekrutierung von Interesse ist. Der Kreuzzug Friedrichs II. Ronald Neumann, Untersuchungen zu dem Heer Kaiser Friedrichs II. beim Kreuzzug von 1228 / 29, Militärgeschichtliche Mitteilungen 54 (1995); Rudolf Hiestand, Friedrich II. und der Kreuzzug, in: Friedrich II., hg. v. Arnold Esch und Norbert Kamp (1996); Bodo Hechelhammer, Kreuzzug und Herrschaft unter Friedrich II.: Handlungsspielräume von Kreuzzugspolitik, 1215– 1230 (2003). Der Kreuzzug der Barone Michael Lower, The Barons’ Crusade. A Call to Arms and its Consequences (2005) liefert eine gelungene Untersuchung dieses Kreuzzuges. Die Kreuzzüge Ludwigs IX. des Heiligen von Frankreich Die originellste Arbeit zu Ludwig IX. und den Kreuzzügen ist William C. Jordan, Louis IX and the Challenge of the Crusade (1979). Die aus der Sicht der Kreuzzugsforschung beste Biografie des Königs ist Jean Richard, Saint Louis, roi du France féodale, soutien de la Terre Sainte (1983). Caroline Smith, Crusading in the Age of Joinville (2006) hat eine gute Arbeit zu Ludwigs Begleitern vorgelegt. Interessantes Material findet sich in Daniel Weiss, Art and Crusade in the Age of Saint Louis (1998) sowie in: Daniel Weiss and Lisa Mahoney (Hg.), France and the Holy Land (2004). Dirk Reitz, Die Kreuzzüge Ludwigs IX. von Frankreich, 1248 / 1270 (2005) bietet einen umfassenden Überblick über Ludwigs Kreuzzugsunternehmen. Papst Gregor X. und die Kreuzzüge Palmer A. Throop, Criticism of the Crusade (1940) bietet noch immer die beste Behandlung der Kreuzzugspolitik Gregors X. Aber die Schlussfolgerungen bezüglich der Kreuzzugskritik sind nicht haltbar.
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Die späteren Kreuzzüge ab 1274 Die beste Darstellung ist Norman J. Housley, The Later Crusades, 1274–1580: From Lyons to Alcazar (1992), die auf Kenneth M. Setton, The Papacy and the Levant (1204–1571), 4 Bde. (1976–84), aufbaut. Die Ideen und Aktivitäten von Kreuzzugsenthusiasten im Zentrum der lateinischen Christenheit des späten 15. Jahrhunderts haben sichtbar gemacht: Nancy Bisaha, Creating East and West (2004) und Norman J. Housley, Religious Warfare in Europe 1400–1536 (2002) und ders., Crusading and the Ottoman Threat 1453–1505 (2012). Zu den späteren Kreuzzügen vgl. außerdem Norman J. Housley, The Avignon Papacy and the Crusades, 1305–1378 (1986); Malcolm Barber, The pastoureaux of 1320, Journal of Ecclesiastical History 32 (1981); Maurice Keen, Chaucer’s Knight, the English aristocracy and the crusade, in: English Court Culture in the Middle Ages, hg. v. Vincent J. Scattergood und James W. Sherborne (1983); Sophia Menache, Clement V (1998); Ludger Th ier, Kreuzzugsbemühungen unter Papst Clemens V., 1305–1314 (1973); Paul Rousset, Un Huguenot propose une croisade: le projet de François de la Noue (1580–1585), Revue d’histoire écclesiastique suisse 72 (1978); Andrew C. Hess, The Battle of Lepanto and its place in Mediterranean history, Past and Present 57 (1972); Kenneth M. Setton, Venice, Austria and the Turks in the Seventeenth Century (1991).
Kreuzzüge an anderen Kriegsschauplätzen Die Iberische Halbinsel Die aktuellste Gesamtdarstellung bietet Simon Barton, A History of Spain, 2. Aufl. (2009). Spezifischer sind jedoch die Aufsätze von Richard A. Fletcher, Reconquest and crusade in Spain c. 1050– 1150, Transactions of the Royal Historical Society, 5th ser., 37 (1987), und Peter Linehan, The Synod of Segovia (1166), Bulletin of Medieval Canon Law NS 10 (1980). William Purkis, Crusading Spirituality in the Holy Land and Iberia c. 1095–c. 1187 (2008) enthält eine vorzügliche Analyse der frühen Entwicklung der Kreuzzugsideen. Vgl. außerdem Robert I. Burns, The Crusader Kingdom of Valencia, 2 Bde. (1967); ders., Islam under the Crusaders (1973); ders., Medieval Colonialism (1975); sowie ders., Muslims, Christians and Jews in the Crusader Kingdom of Valencia (1984); Richard A. Fletcher, Saint James’s Catapult: The Life and Times of Diego Gelmírez of Santiago de Compostela (1984) und Peter Linehan, The Spanish Church and the Papacy in the Thirteenth Century (1971). Die Reconquista ab 1274 behandelt Norman Housley, The Avignon Papacy und ders., The Later Crusades. Ihre Ausdehnung auf Nordafrika im 16. Jahrhundert beschreiben Andrew C. Hess, The Forgotten Frontier: A History of the Sixteenth-century Ibero-African Frontier (1978) und Kenneth Setton, The Papacy and the Levant. Zum Kreuzzugsgedanken auf der iberischen Halbinsel vgl. Alexander Pierre Bronisch, Reconquista und Heiliger Krieg. Die Deutung des Krieges im christlichen Spanien von den Westgoten bis ins frühe 12. Jahrhundert (1998). Forschungsliteratur über die spanischen Ritterorden fi ndet sich in dem Abschnitt zu den Ritterorden. Kreuzzüge an anderen Kriegsschauplätzen
Das Baltikum Eris Christiansen, The Northern Crusades (1980) kann noch immer als nützlicher Überblick gelten, zwei wichtige neuere Werke dazu sind: Iben Fonnesberg-Schmidt, The Popes and the Baltic Crusades 1147–1254 (2007) sowie Ane L. Bysted, Carsten Selch Jensen, Kurt Villads Jensen und
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John H. Lind, Jerusalem in the North. Denmark and the Baltic Crusades, 1100–1522 (2012). Norman Housley, The Avignon Papacy und ders., The Later Crusades gelangt zu interessanten Beobachtungen über die Kreuzzüge im Baltikum; dasselbe gilt für Maurice Keen, Das Rittertum (2002). Von besonderer Wichtigkeit ist nicht zuletzt die Geschichte des Deutschen Ordens. Arbeiten zu diesem Thema finden sich im Abschnitt zu den Ritterorden. Kreuzzüge gegen Häretiker und Gegner der Kirche Die bislang beste Studie zum Albigenserkreuzzug hat Michel Roquebert, L’Épopée Cathare, 3 Bde. (1970–86), vorgelegt. Eine kurze Einführung bietet Malcolm Barber, Die Katharer: Ketzer des Mittelalters (2008). Die päpstliche Katharerpolitik wird überzeugend dargelegt in Rebecca Rist, The Papacy and Crusading in Europe 1198–1245 (2009). Eine gute Einführung zu den Kreuzzügen gegen die Hussiten enthält der Beitrag von F. G. Heyman, The crusades against the Hussites, in: A History of the Crusades 3, hg. v. Kenneth M. Setton (1975). Siehe auch G. A. Holmes, Cardinal Beaufort and the crusade against the Hussites, English Historical Review 88 (1973). Eine interessante Behandlung gelingt auch Norman Housley, The Later Crusades (1992) und ders., Religious Warfare (2002). Das Standardwerk zu den politischen Kreuzzügen in Italien ist Norman J. Housley, The Italian Crusades (1982), fortgesetzt in ders., The Avignon Papacy. Siehe auch Simon Lloyd, ,Political Crusades in England‘, c. 1215–17 and c. 1263–5, in: Crusade and Settlement, hg. v. Peter W. Edbury (1985). Eine Synthese von Michel Roqueberts langjährigen Katharerforschungen liegt mittlerweile auch in deutscher Sprache vor: Die Geschichte der Katharer: Häresie, Kreuzzug und Inquisition im Languedoc (2012). Vergleiche außerdem Jörg Oberste, Der „Kreuzzug“ gegen die Albigenser. Ketzerei und Machtpolitik im Mittelalter (2003); M. Zerner-Chardavoine und H. Piéchon-Palloc, La croisade albigeoise, une revanche. Des rapports entre la quatrième croisade et la croisade albigeoise, Revue historique 541 (1982). Das 19. Jahrhundert Die beste Einführung zu dieser späten Epoche in der Geschichte der Kreuzzüge bietet Elizabeth Siberry, The New Crusaders. Images of the Crusades in the Nineteenth and Early Twentieth Centuries (2000). Diese Darstellung wird von Jonathan Riley-Smith, The Crusades, Christianity and Islam (2008) aufgegriffen und fortgeführt. Die Karriere und die Kreuzzugsideen des Kardinals Lavigerie werden in François Renault, Lavigerie, L’Esclavage Africain et l’Europe, 1868–92, 2 Bde. (1971) erschöpfend behandelt. Renault hat aber auch eine kürzer gefasste Biografie Lavigeries geschrieben, vgl. ders., Cardinal Lavigerie: Church man, Prophet and Missionary, tr. John O’Donohue (1994). Zu Kardinal Lavigerie liegt auf Deutsch vor: Heinz Gstrein, Der Karawanenkardinal: Charles Lavigerie, Kardinalerzbischof von Algier und Carthago, Primas von Afrika sowie Gründer der Weißen Väter (1982).
Die lateinischen Herrschaften in der Levante Edessa Monique Amouroux-Mourad, Le Comté d’Edesse (1988) sollte ergänzt werden durch Christopher MacEvitt, The Crusades and the Christian World of the East. Rough Tolerance (2008) mit neuem interessanten Material. Auf Deutsch liegt vor: Hansgerd Hellenkemper, Burgen der Kreuzritterzeit in der Grafschaft Edessa und im Königreich Kleinarmenien (1976).
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Kleinarmenien Eine Einführung bietet Thomas S. R. Boase (Hg.), The Cilician Kingdom of Armenia (1978). Auch Marie-Anna Chevalier, Les Ordres religieux-militaires en Arménie cilicienne (2009) lohnt die Lektüre. Neben dem oben für die Grafschaft Edessa aufgeführten Buch von Hellenkemper liegt in deutscher Sprache die Arbeit von Lisa Mayerhofer, Das Ende Kleinarmeniens im Mittelalter. Der Untergang des Königreichs Kilikien (1375) (2007) vor. Antiochia-Tripolis Die Grundlagen für alle weiterführende Forschung hat Claude Cahen, La Syrie du Nord à l’époque des croisades et la principauté franque d’Antioche (1940) gelegt. Daran anschließend Jean Richard, Le Comté de Tripoli sous la dynastie toulousaine (1102–1187) (1945) und Thomas S. Asbridge, The Creation of the Principality of Antioch (2000). Hans Eberhard Mayer, Varia Antiochena (1993) enthält eine Fülle von Material. Timo Kirschberger, Erster Kreuzzug und Ethnogenese. In novam formam commutatus – Ethnogenetische Prozesse im Fürstentum Antiochia und im Königreich Jerusalem (2015) untersucht die Entstehung eines „Wir-Gefühls“ unter den Lateinern der Levante. Jerusalem Die beste Einführung in die allgemeine Geschichte des Königreichs Jerusalem bietet in vielerlei Hinsicht noch immer Jean Richard, Le royaume latin de Jérusalem (1953). Hans Eberhard Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, 10., überarb. und erw. Aufl. (2005) bietet die Ansichten eines der besten Kenner der Materie. Joshua Prawer, The Latin Kingdom of Jerusalem (1972) steht im Zeichen der Kolonialismusdiskussion und ist inzwischen überholt. Weit lesenswerter ist die Sammlung von Aufsätzen in ders., Crusader Institutions (1980). Andrew V. Murray, The Crusader Kingdom of Jerusalem: A Dynastic History 1099–1125 (2000) ist für eine Beschäft igung mit der Frühzeit des Königreichs Jerusalem von Bedeutung. König Balduin IV. steht im Mittelpunkt von Bernard Hamilton, The Leper King and His Heirs. Baldwin IV and the Crusader Kingdom of Jerusalem (2000). Jonathan Riley-Smith, The Feudal Nobility and the Kingdom of Jerusalem, 1174–1277 (1973) ist auf das späte 12. und das 13. Jahrhundert konzentriert. Hans Eberhard Mayer hat die Aufmerksamkeit von der Politik- und Verfassungsgeschichte wieder auf die detaillierte Erforschung einzelner Herrschaften zurückgelenkt. Seine Aufsätze liegen in mehreren Sammelbänden vor: Hans Eberhard Mayer, Kreuzzüge und lateinischer Osten (1983); ders., Probleme des lateinischen Königreichs Jerusalem (1983) und ders., Kings and Lords in the Latin Kingdom of Jerusalem (1993). Der letztgenannte Band enthält – trotz seines englischen Titels – zahlreiche deutschsprachige Aufsätze. Steven Tibble, Monarchy and Lordships in the Latin Kingdom of Jerusalem, 1099–1291 (1989) kommt häufig zu denselben Ergebnissen. Susan Reynolds, Fiefs and vassals in twelft h-century Jerusalem: A view from the West, Crusades 1 (2002) kommt häufig zu denselben Ergebnissen, berücksichtigt meiner Meinung nach aber nicht den experimentellen Charakter der fränkischen Herrschaft in Palästina sowie das zögerliche Vorgehen der Kreuzfahrer bei der Errichtung ihrer Institutionen. Weitere wichtige Studien sowohl zur politischen Geschichte als auch zur Rechts- und Verwaltungsgeschichte des Königreichs Jerusalem sind: Benjamin Z. Kedar, On the origins of the earliest laws of Frankish Jerusalem: The Canons of the Council of Nablus, 1120, Speculum 74 (1999); Jonathan Riley-Smith, Further Thoughts on Baldwin II’s établissement on the confiscation of fiefs, in: Crusade and Settlement, hg. v. Peter W. Edbury (1985), sowie vom selben Verfasser: Government in Latin Syria and the commercial privileges of foreign merchants, in: Relations between East and West in the Middle Ages, hg. v. D. Baker (1973); Peter W. Edbury, Feudal obligations in the Latin East, Byzantion 47 (1977) sowie
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ders., John of Ibelin and the Kingdom of Jerusalem (1997) eine Vorstudie zu seiner Edition des Rechtsbuches des Johann von Ibelin, Grafen von Jaffa: John of Ibelin, Le Livre des Assises (2003); Marwan Nader, Burgesses and Burgess Law in the Latin Kingdoms of Jerusalem and Cyprus (1099– 1325) (2006). Hans Eberhard Mayer, Die Kanzlei der lateinischen Könige von Jerusalem, 2 Bde. (1996), eines der wichtigsten Werke zum Königreich Jerusalem, die seit den 1980er-Jahren erschienen sind, hat den Weg bereitet für Mayers Edition der Jerusalemer Königsurkunden, vgl. ders., Die Urkunden der lateinischen Könige von Jerusalem, 4 Bde. (2010). Zu den diplomatischen Aktivitäten der Könige im 12. Jahrhundert siehe Jonathan Phillips, Defenders of the Holy Land: Relations between the Latin East and the West, 1119–1187 (1996). Zur Adelskultur siehe David Jacoby, La Littérature française dans les états latins de la Méditerranée orientale à l’époque des croisades: diff usion et création, Actes du IXe Congrès International de la Société Rencesvals pour l’Étude des Épopées Romanes (1982). Zur Besiedlung und zum Verhältnis der Siedler zu den Einheimischen siehe das fruchtbare Buch von Ronnie Ellenblum, Frankish Rural Settlement in the Latin Kingdom of Jerusalem (1998). Dazu auch Cyril Aslanov, Languages in contact in the Latin East: Acre and Cyprus, Crusades 1 (2002); Benjamin Z. Kedar, The subjected Muslims of the Frankish Levant, in: Muslims Under Latin Rule, 1100–1300, hg. v. James M. Powell (1990); Hannes Möhring, Die Kreuzfahrer, ihre muslimischen Untertanen und die heiligen Stätten des Islam, in: Toleranz im Mittelalter, hg. v. Alexander Patchovsky und Harald Zimmermann (1998); Jonathan Riley-Smith, Government and the indigenous in the Latin kingdom of Jerusalem, in: Medieval Frontiers: Concepts and Practices, hg. v. David Abulafia and Nora Berend (2002); Daniella Talmon-Heller, The Cited Tales of the Wondrous Doings of the Shaykhs of the Holy Land, Crusades 1 (2002); Iris Shagrir, Naming Patterns in the Latin Kingdom of Jerusalem (2003). Zur Situation der Juden vgl. Joshua Prawer, The History of the Jews in the Latin Kingdom of Jerusalem (1988). Handel Die Tätigkeit europäischer Kaufleute wird in allgemeinen Darstellungen durchaus beschrieben; allerdings wäre ein weit gefasster Überblick über ihre Geschäfte und deren Bedeutung für die Kreuzzüge vonnöten. Die beste Einführung bieten Michel Balard, La Méditerranée médiévale. Espaces, itinéraires, comptoirs (2006) und ders., Les Latins en Orient (X e–XV e siècle) (2006). Siehe auch David Abulafia, Trade and crusade, in: Cross-cultural Convergencies in the Crusader Period, hg. v. Michael Goodich, Sophia Menache und Sylvia Schein (1995); Marie-Luise Favreau-Lilie, Die Italiener im Heiligen Land vom ersten Kreuzzug bis zum Tode Heinrichs von Champagne (1098– 1197) (1989); Eliyahu Ashtor, Levant Trade in the Later Middle Ages (1983). Der weitere Kontext des Nahen Ostens wird in der brillanten Darstellung von S. D. Goitein, A Mediterranean Society. The Jewish Communitites of the Arab World as Portrayed in the Documents of the Cairo Geniza, 6 Bde. (1967–99) beschrieben. Ergänzend dazu von deutscher Seite die schon älteren Arbeiten von Karl-Heinz Allmendinger, Die Beziehungen zwischen der Kommune Pisa und Ägypten im hohen Mittelalter (1967). Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, 1171–1517 (1965). Zur ökonomischen Bedeutung der Ritterorden siehe Roman Czaja (Hg.), Die Ritterorden in der europäischen Wirtschaft des Mittelalters (2003). Die lateinischen Patriarchate von Jerusalem und Antiochia Die beste Einführung in englischer Sprache ist Bernard Hamilton, The Latin Church in the Crusader States: The Secular Church (1980). Siehe auch Peter W. Edbury und John G. Rowe, William of Tyre (1988); Andrew Jotischky, The Perfection of Solitude: Hermits and Monks in the
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Crusader States (1995); Klaus-Peter Kirstein, Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem, von der Eroberung der Heiligen Stadt durch die Kreuzfahrer 1099 bis zum Ende der Kreuzfahrerstaaten 1291 (2002); Hans Eberhard Mayer, Bistümer, Klöster und Stifte im Königreich Jerusalem (1977); Jean Richard, La Papauté et les missions d’Orient au moyen âge (XIII e–XV e siècles) (1977). Zu Schulen und Gelehrten im lateinischen Osten, siehe – neben Andrew Jotischky’s The Perfection of Solitude – Benjamin Z. Kedar, Gerard of Nazareth: A neglected twelft h-century writer in the Latin East, Dumbarton Oaks Papers 37 (1983), Emilie Savage-Smith, New evidence for the Frankish study of Arabic medical texts in the crusader period, Crusades 5 (2006), Charles Burnett, Stephen, the disciple of philosophy, and the exchange of medical learning in Antioch, Crusades 5 (2006) sowie Piers Mitchell, Medicine in the Crusades. Warfare, Wounds and the Medieval Surgeon (2004). Zur Frage der Arabischkenntnisse vgl. Hannes Möhring, Zu der Geschichte der orienta lischen Herrscher des Wilhelm von Tyrus. Die Frage der Quellenabhängigkeiten, Mittellateinisches Jahrbuch 19 (1984), und zum negativen Saladinbild Wilhelms von Tyrus ders., Heiliger Krieg und politische Pragmatik: Salahadinus Tyrannus, Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 39 (1983). Kunst und Architektur Die beiden wichtigsten Veröffentlichungen zur Kunst der Kreuzfahrer stammen von Jaroslav Folda, The Art of the Crusaders in the Holy Land 1098–1187 (1995) und ders., Crusader Art in the Holy Land from the Third Crusade to the Fall of Acre, 1187–1291 (2005). Zur Sakralarchitektur siehe Denys Pringle, The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem: A Corpus, 4 Bde. (1993–2009), das definitive Repertorium sämtlicher Kirchenbauten des Königreichs. Camille Enlart, Les Monuments des croisés dans le royaume de Jérusalem: Architecture religieuse et civile, 2 Bde. (1925–28) ist immer noch ein gutes Hilfsmittel, was die Grafschaft Tripolis und das Fürstentum Antiochia anbelangt. Zur Architektur der Kreuzfahrer liegt zudem in deutscher Übersetzung der reich bebilderte Band von Paul Deschamps, Romanik im Heiligen Land. Burgen und Kirchen der Kreuzfahrer (1992) vor. Kirchen und Burgen des Deutschen Ordens behandelt Christofer Herrmann, Mittelalterliche Architektur im Preußenland. Untersuchungen zur Frage der Kunstlandschaft und -geographie (2007); siehe auch die unter „Land- und Seekriegführung“ genannte Literatur. Zu Münzen und Siegeln vgl. D. Michael Metcalf, Coinage of the Crusades and the Latin East, 2. Aufl. (1995); Hans Eberhard Mayer, Das Siegelwesen in den Kreuzfahrerstaaten (1978); ders., Die Siegel der lateinischen Könige von Jerusalem, bearb. v. Claudia Sode (2014); Gustave Schlumberger, Ferdinand Chalandon und Adrien Blanchet, Sigillographie de l’Orient latin (1943). Zypern Die beste Darstellung gibt Peter W. Edbury, The Kingdom of Cyprus and the Crusades, 1191–1374 (1991). Ergänzend empfehle ich Jean Richard, Chypre sous les Lusignans: Documents chypriotes des archives du Vatican (XIV e et XV e siècles) (1962); Nicholas Coureas, The Latin Church in Cyprus, 1195–1312 (1997) sowie ders., The Latin Church in Cyprus 1313–1378 (2010); Camille Enlart, Gothic Art and the Renaissance in Cyprus, übers. v. David Hunt (1987). Zur späteren Entwicklung auf Zypern siehe die Studie von Svetlana Bliznjuk, Die Genuesen auf Zypern, Ende des 14. und im 15. Jahrhundert. Publikation von Dokumenten aus dem Archivio Segreto in Genua (2005). Griechenland Die Geschichte des lateinischen Griechenland wird in mehreren Kapiteln in A History of the Crusades, hg. v. Kenneth Setton, Bde. 2–3, sowie in Kenneth Setton, The Papacy and the Levant,
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detailliert, aber wenig analytisch dargestellt. Siehe auch Philip Argenti, The Occupation of Chios by the Genoese and their Administration of the Island, 1346–1566, 3 Bde. (1958); Michel Balard, La Romanie génoise (XIIe-début du XVe siècle) (1978); Antoine Bon, La Morée Franque: Recherches historiques, topographiques et archéologiques sur la principauté d’Achaïe (1205–1430) (1969); Nicolas Cheetham, Mediaeval Greece (1981), Giorgio Fedalto, La chiesa latina in Oriente, 3 Bde. (1973– 78); Peter Lock, The Franks in the Aegean, 1204–1500 (1995); Jean Longnon, L’empire latin de Constantinople et la principauté de Morée (1949); Freddy Th iriet, La Romanie vénitienne au moyen âge (1959); Teresa Shawcross, The Chronicle of Morea (2009).
Die Ritterorden Die Ritterorden
Forschungsliteratur zu Feldzügen, Burgen und anderen Befestigungsanlagen fi ndet sich im Abschnitt „Land- und Seekriegführung“. Quellen sind weiter unten aufgeführt. Allgemein Ein hervorragendes Lexikon behandelt sämtliche mittelalterlichen Ritterorden: Prier et Combattre. Dictionnaire européen des ordres militaires au Moyen Âge, hg. v. Nicole Bériou und Philippe Josserand (2009). Dazu vielleicht ergänzend World Orders of Knighthood and Merit, hg. v. Guy Stair Sainty und Rafal Heydel-Mankoo, 2 Bde. (2006), das bis zur Gegenwart reicht. Eine gute Einführung zu den Ritterorden im Allgemeinen bieten die beiden Beiträge von Alan J. Forey und Anthony T. Luttrell in dem Band Illustrierte Geschichte der Kreuzzüge, hg. v. Jonathan Riley-Smith (deutsch zuletzt 2004). Siehe auch Alain Demurger, Die Ritter des Herrn. Geschichte der geistlichen Ritterorden (2003) und Alan J. Forey, The Military Orders (1992). Zu neueren Arbeiten, die sich mit mehr als einem Orden beschäft igen, gehören die Studien von Jochen Burgtorf, The Central Convent of Hospitallers and Templars. History, Organization, and Personnel (1099 / 1120– 1310) (2008); Marie-Anna Chevalier, Les Ordres religieux-militaires en Arménie cilicienne (2009); Adrian J. Boas, Archaeology of the Military Orders: A Survey of the Urban Centres, Rural Settlement and Castles of the Military Orders in the Latin East (c. 1120–1291) (2006); Jonathan Riley-Smith, Templars and Hospitallers as Professed Religious in the Holy Land (2010) sowie Myra Miranda Bom, Women in the Military Orders of the Crusades (2012). Als Überblicksdarstellungen in deutscher Sprache liegen zudem vor: Feliciano Novoa Portela und Carlos de Ayala Martínez (Hg.), Ritterorden im Mittelalter (2006); Josef Fleckenstein und Manfred Hellmann (Hg.), Die geistlichen Ritterorden Europas (1980). Die klassische, 1908 erschienene Studie von Hans Prutz, Die geistlichen Ritterorden, ihre Stellung zur kirchlichen, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des Mittelalters ist zuletzt 2012 nachgedruckt worden. Der von Roman Czaja verantwortete Band Die Ritterorden in Umbruchs- und Krisenzeiten (2011) steht beispielhaft für die Schriftenreihe Ordines militares, in der an der Universität Thorn (Toruń) Studien zur Geschichte der Ritterorden herausgegeben worden sind; seit 2012 erscheint die Reihe als Yearbook for the Study of the Military Orders. Die Templer Verlässliche Gesamtdarstellungen der Geschichte des Templerordens sind Malcolm Barber, The New Knighthood: A History of the Order of the Temple (1994, deutsch zuletzt 2010 als Die Templer. Geschichte und Mythos); sowie Alain Demurger, Les Templiers. Une chevalerie chrétienne au Moyen Âge (2005). Siehe auch Simonetta Cerrini, La Révolution des Templiers (2007). Als Einführungen auf Deutsch bieten sich Jürgen Sarnowsky, Die Templer (2009); Helen Nicholson, Die Templer.
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Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels (2011); Peter Dinzelbacher, Die Templer. Wissen, was stimmt (2010) an. Vergleiche jedoch vor allem Alain Demurger, Die Templer. Aufstieg und Untergang, 1120–1314 (2005). Ebenfalls von Demurger verfasst ist eine Biografie des letzten Templergroßmeisters, die auf Deutsch zuletzt 2015 unter dem Titel Der letzte Templer: Leben und Sterben des Großmeisters Jacques de Molay erschienen ist. Zu den Operationen der Templer im Orient siehe außerdem Pierre-Vincent Claverie, L’Ordre du Temple en Terre Sainte et à Chypre au XIII e siècle, 3 Bde. (2005). Das beste Buch zur Provinzialstruktur des Ordens ist noch immer Alan Forey, The Templars in the Corona de Aragon (1973). Siehe auch Evelyn Lord, The Knights Templar in Britain (2004). Neue und aufregende Perspektiven auf die Beziehungen zwischen den Komtureien der Templer und ortsansässigen Familien eröffnen Damien Carraz, L’Ordre du Temple dans la basse vallée du Rhône (1124–1312): Ordres militaires, croisades et sociétés méridionales (2005) und Jochen Schenk, Templar Families. Landowning Families and the Order of the Temple in France, c. 1120– 1307 (2012). Die Aufhebung des Templerordens im frühen 14. Jahrhundert hat Malcolm Barber, Der Templerprozess. Das Ende eines Ritterordens (2008) dargestellt. Die unorthodoxe Auffassung, das Schicksal der Templer sei zum Teil selbstverschuldet gewesen, vertritt Jonathan Riley-Smith, Were the Templars guilty?, in: Medieval Crusade, hg. v. Susan Ridyard (2004) und ders., The structures of the Orders of the Temple and the Hospital in c. 1291, ebd. Riley-Smith führt den Untergang der Templer auf die chaotischen Zustände zurück, die seiner Meinung nach im Orden geherrscht haben. Die orthodoxe Meinung hat daraufhin Alan Forey, Were the Templars guilty, even if they were not heretics or apostates?, Viator 42 (2011), mit Verve verteidigt. Die Hospitaliter / Johanniter Die zugänglichste Gesamtdarstellung der Geschichte des Ordens des Heiligen Johannes vom Spital zu Jerusalem bietet Henry Sire, The Knights of Malta (1994). Siehe auch die Darstellungen von Helen Nicholson, The Knights Hospitaller (2001); Jonathan Riley-Smith, Hospitallers (1999). Eine Untersuchung zum Wirken des Johanniterordens im Orient vor dem 14. Jahrhundert bietet Jonathan Riley-Smith, The Knights Hospitaller in the Levant, c. 1070–1309 (2012), das die frühere Monografie desselben Autors, The Knights of St John in Jerusalem and Cyprus, c. 1050–1310 (1967) ersetzt. Auch zur Geschichte des Johanniterordens gibt es eine deutschsprachige Einführung von Jürgen Sarnowsky, Die Johanniter. Ein geistlicher Ritterorden in Mittelalter und Neuzeit (2011). Siehe außerdem Mathis Mager, Krisenerfahrung und Bewältigungsstrategien des Johanniterordens nach der Eroberung von Rhodos 1522 (2014); Marc Sgonina, Die Johanniterballei Westfalen. Unter besonderer Berücksichtigung der Lebensformen der Zentralkommende Steinfurt und ihrer Membra (2014); Jyri Hasecker, Die Johanniter und die Wallfahrt nach Jerusalem (1480–1522) (2008). Zum Frauenorden der Johanniter siehe Anthony Luttrell und Helen Nicholson, Hospitaller Women in the Middle Ages (2006) sowie Myra Miranda Bom, Women in the Military Orders of the Crusades (2012). Insbesondere zur Güterverwaltung der Johanniter in Europa sowie zu den Beziehungen zwischen ihren Ordensprovinzen und den Regierungen in Europa bzw. dem Hauptquartier im Heiligen Land sind gute Arbeiten erschienen. Siehe etwa Judith Bronstein, The Hospitallers and the Holy Land. Financing the Latin East 1187–1274 (2005), die ein besonderes Augenmerk auf den Zentralkonvent in der Levante legt, sowie zu einigen westlichen Ordensprovinzen Pierre Bonneaud, Le Prieuré de Catalogne, le couvent de Rhodes et la couronne d’Aragon 1415–1447 (2004); Michael Gervers, Pro defensione Terre Sancte: The development and exploitation of the Hospitallers landed estate in Essex, in: The Military Orders, hg. v. Malcolm Barber (1994); Gregory O’Malley,
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The Knights Hospitaller of the English Langue 1460–1565 (2005) sowie Simon Phillips, The Prior of the Knights Hospitaller in Late Medieval England (2009). Die Besetzung der Insel Rhodos und des Dodekanes durch den Orden im 15. und frühen 16. Jahrhundert behandeln Jürgen Sarnowsky, Macht und Herrschaft im Johanniterorden des 15. Jahrhunderts (2001) und Nicolas Vatin, L’Ordre de Saint-Jean-de-Jérusalem, l’Empire Ottoman et la Méditerranée orientale entre le deux sièges de Rhodes (1480–1522) (1994). Anthony Luttrell wird demnächst eine Geschichte des Johanniterordens im 14. Jahrhundert vorlegen; einstweilen verweise ich auf seine Studie The Town of Rhodes, 1306–1356 (2003) und seine zahllosen Aufsätze zum Thema, von denen einige in vier Sammelbänden nachgedruckt worden sind: The Hospitallers in Cyprus, Rhodes, Greece and the West (1291–1440) (1978); Latin Greece, the Hospitallers and the Crusades, 1291–1400 (1982); The Hospitallers of Rhodes and their Mediterranean World (1992); The Hospitaller State on Rhodes and its Western Provinces, 1306–1462 (1999). Zur Besetzung Maltas durch die Johanniter vgl. Anne Brogini, Malte, frontière de chrétienté, 1530–1670 (2006) und Alain Blondy, L’Ordre de Malte au XVIII e siècle: Des dernières splendeurs à la ruine (2002). Roderick Cavaliero, The Last of the Crusaders (1960) ist noch immer eine fesselnde Lektüre. Vgl. auch: Emanuel Buttigieg, Nobility, Faith and Masculinity: The Hospitaller Knights of Malta, c. 1580–c. 1700 (2011) und Victor Mallia-Milanes (Hg.), Hospitaller Malta, 1530–1798: Studies on Early Modern Malta and the Order of St John of Jerusalem (1993). Zur Seekriegführung der Orden siehe die unter „Land- und Seekriegführung“ genannten Titel. Der Deutsche Orden Die besten Überblicksdarstellungen zum Deutschen Orden sind Udo Arnold (Hg.), 800 Jahre Deutscher Orden (1990), Hartmut Boockmann, Der Deutsche Orden: Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, 5. Aufl. (2012), Klaus Militzer, Die Geschichte des Deutschen Ordens, 2. Aufl. (2012). Auch zum Deutschen Orden liegt eine Einführung von Jürgen Sarnowsky, Der Deutsche Orden (2007) vor. Zum 13. Jahrhundert siehe Klaus Militzer, Von Akkon zur Marienburg: Verfassung, Verwaltung und Sozialstruktur des Deutschen Ordens, 1190–1309 (1999). Axel Ehlers, Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter (2007) analysiert die Nutzung des päpstlichen Ablasswesens durch den Orden. Zur Rekrutierung europäischer Adliger in die Deutschordensheere siehe Werner Paravicini, Die Preußenreise des Europäischen Adels, 2 Bde. (1989–95). Über Die Domkapitel des Deutschen Ordens in Preußen und Livland informiert ein 2004 von Radosław Biskup herausgegebener Band. Das Selbstbild der Ordensritter untersucht Marcus Wüst in seiner Dissertation Studien zum Selbstverständnis des Deutschen Ordens im Mittelalter (2013), während Hans Hettler in seinem 2014 erschienenen Buch Preußen als Kreuzzugsregion. Untersuchungen zu Peter von Dusburgs „Chronica terre Prussie“ in Zeit und Umfeld eine Einzelstudie zur Geschichtsschreibung des Ordens unternimmt. Beiträge zu verschiedenen Themen der Deutschordensgeschichte enthalten die von Bernhard Demel und Friedrich Vogel verantwortete Sammlung Der Deutsche Orden einst und jetzt. Aufsätze zu seiner mehr als 800jährigen Geschichte (1999), sowie der von Klaus Militzer herausgegebene Band Herrschaft, Netzwerke, Brüder des Deutschen Ordens in Mittelalter und Neuzeit (2012); Militzers eigene Aufsätze zum Deutschen Orden liegen unter dem Titel Zentrale und Region, hg. v. Udo Arnold (2015) gesammelt vor. Vgl. auch Bernhart Jähnig, Verfassung und Verwaltung des Deutschen Ordens und seiner Herrschaft in Livland (2011); Bernhard Demel, Der Deutsche Orden im Spiegel seiner Besitzungen und Beziehungen in Europa (2004). Marciej Dorna, Die Brüder des Deutschen Ordens in Preußen, 1228–1309. Eine prosopographische Studie (2012) steht beispielhaft für den Austausch deutscher, polnischer und baltischer Historiker bei der Erforschung des Deutschen Ordens.
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Die iberischen Ritterorden Die besten allgemeinen Darstellungen zu diesem Thema sind Carlos de Ayala Martínez, Las órdenes militares hispánicas en la Edad Media, siglos XII–XV (2003); Enrique Rodríguez-Picavea, Los monjes guerreros en los reinos hispánicos: Las órdenes militares en la Península Ibérica durante la Edad Media (2008) sowie zu Kastilien, Philippe Josserand, Eglise et pouvoir dans la Péninsule Ibérique: Les ordres militaires dans le royaume de Castille, 1252–1369 (2004). Die grundlegende Arbeit für Portugal, auf der alle weitere Forschung aufgebaut hat, ist Luís Adão da Fonseca, O Condestável D. Pedro de Portugal, a Ordem Militar de Avis e a Península Ibérica do seu tempo (1429–1466) (1982). Eine gute englischsprachige Einführung in das Thema bietet ders., The Portuguese military orders and the oceanic navigations: From piracy to empire (fifteenth to early sixteenth centuries), in: The Military Orders. Vol. 4, On Land and by Sea, hg. v. Judi Upton-Ward (2008). Ansonsten vgl. Alan J. Forey, The military orders and the Spanish reconquest in the twelft h and thirteenth centuries, Traditio 40 (1984), wiederabgedruckt in ders., Military Orders and Crusades (1994); Joseph F. O’Callaghan, The Spanish Military Order of Calatrava and its Affiliates (1975); L. P. Wright, The military orders in sixteenth- and seventeenth-century Spanish society, Past and Present 43 (1969). Eine umfassende Darstellung des Ordens von Calatrava bietet Bernd Schwenk, Calatrava. Entstehung und Frühgeschichte eines spanischen Ritterordens zisterziensischer Observanz im 12. Jahrhundert (1992). Kleinere Ritterorden Zum Lazarusorden siehe David Marcombe, Leper Knights (2003). Die Anfänge des Lazarusordens behandelt Kay Peter Jankrift, Leprose als Streiter Gottes. Institutionalisierung und Organisation des Ordens vom Heiligen Lazarus von Jerusalem von seinen Anfängen bis zum Jahre 1350 (1996), zum Schwertbrüderorden vgl. Friedrich Bennighoven, Der Orden der Schwertbrüder: Fratres milicie Christi de Livonia (1965). Zum englischen Orden vom Hospital des Heiligen Thomas zu Akkon siehe Alan J. Forey, The military order of St Thomas of Acre, English Historical Review 92 (1977).
Übersetzte Quellen zu den Kreuzzügen West- und mitteleuropäische Quellen Zwei Quellensammlungen zur Entwicklung des Kreuzzugsgedankens und zum Verlauf der Kreuzzüge bieten die Bände von Louise und Jonathan Riley-Smith, The Crusades, Idea and Reality, 1095–1274 (1981) sowie von Norman J. Housley, Documents on the Later Crusades, 1274–1580 (1996). Augenzeugenberichte vom Ersten Kreuzzug enthalten die folgenden Quellen: Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum, hg. und übers. v. Rosalind Hill (1962), das bald durch eine Neuedition und -übersetzung von Marcus Bull abgelöst werden wird; Raymond von Aguilers, Historia, übers. v. John H. und Laurita L. Hill (1968); Fulcher von Chartres, A History of the Expedition to Jerusalem 1095–1127, übers. v. Frances R. Ryan, hg. v. Harold S. Fink (1969). Siehe auch Albert von Aachen, Geschichte des ersten Kreuzzugs, übers. v. Herman Hefele, 2 Bde. (1923); Edward Peters, The First Crusade: The Chronicle of Fulcher of Chartres and Other Materials (1998). Zwei Hauptquellen zum Zweiten Kreuzzug, von denen die eine den Kriegsschauplatz Kleinasien, die andere die Geschehnisse in Portugal abdeckt, sind Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII in orientem, hg. und übers. v. Virginia G. Berry (1948), und De expugnatione LyxboÜbersetzte Quellen zu den Kreuzzügen
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nensi, hg. und übers. v. Charles W. David (1936, nachgedr. mit einer Einl. v. Jonathan Phillips 2001). Zum Dritten Kreuzzug siehe Ambroise, The Crusade of Richard Lion-Heart, übers. v. Merton J. Hubert und John L. La Monte (1941); Chronicle of the Third Crusade, übers. v. Helen J. Nicholson (1997); The Conquest of Jerusalem and the Third Crusade, übers. v. Peter W. Edbury (1996). Die Historia de expeditione Friderici imperatoris des sog. Ansbert ist ins Deutsche übersetzt in Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas 1187–1190. Bericht eines Augenzeugen, übers. v. Arnold Bühler, 2. Aufl. (2005). Im dortigen Anhang fi nden sich vier Briefe, darunter auch der angebliche Briefwechsel zwischen Barbarossa und Saladin von 1188. Die Epistola Frederici I. imperatoris expeditione sacra findet sich Lateinisch und Deutsch in: Italische Quellen über die Taten Kaiser Friedrichs I. in Italien und der Brief über den Kreuzzug Kaiser Friedrichs I., übers. v. Franz-Josef Schmale (1986). Zum Vierten Kreuzzug siehe Alfred J. Andrea, Contemporary Sources for the Fourth Crusade (2000); Capture of Constantinople: The Hystoria Constantinopolitana of Gunther of Pairis, übers. v. Alfred J. Andrea (1997); Joinville and Villehardouin, Chronicles of the Crusades, übers v. Caroline Smith (2008) – enthält die Schriften Die Eroberung Jerusalems von Gottfried von Villehardouin sowie die Vita des heiligen Königs Ludwig IX. des Johann von Joinville –; sowie Robert von Clari, The Conquest of Constantinople, übers. v. Edgar H. McNeal (1936). Zum Fünften Kreuzzug siehe Oliver von Paderborn, The Capture of Damietta, übers. v. John J. Gavigan (1948); Edward Peters’ Christian Society and the Crusades, 1198–1229 (1971). Zum ersten Kreuzzug Ludwigs des Heiligen vgl. den wunderbaren Augenzeugenbericht von Joinville, Das Leben des heiligen Ludwig, übers. v. Eugen Mayser (1969). Siehe auch Peter Jackson, The Seventh Crusade, 1244–1254. Sources and Documents (2007), eine Quellensammlung, die u. a. Auszüge aus einer wichtigen arabischen Quelle, dem Bericht des Ibn Wasil, bietet. Ein Beispiel für Kreuzzugsplanungen und Kreuzzugsmemoranden um 1300 ist Pierre Dubois, De recuperatione Terre Sancte (The Recovery of the Holy Land), übers. v. Walther I. Brandt (1956). Zum Angriff König Peters von Zypern auf Alexandria siehe Guillaume de Machaut, Capture of Alexandria, übers. v. Janet Shirley, mit einer Einl. und Anm. v. Peter W. Edbury (2001). Zum Albigenserkreuzzug siehe Pierre des Vaux-de-Cernay, Kreuzzug gegen die Albigenser. Die „Historia Albigensis“ (1212–1218), übers. v. Gerhard E. Sollbach (1996); The Chronicle of William of Puylaurens: The Albigensian Crusade and its Aftermath, übers. v. W. A. und M. D. Sibly (2003); The Song of the Cathar Wars: A History of the Albigensian Crusade / William of Tudela and an Anonymous Successor, übers. v. Janet Shirley (1996). Zu den Hussitenkriegen siehe The Crusade Against the Heretics in Bohemia, 1418–1437, übers. v. Thomas A. Fudge (2002). Zu den deutschen Kreuzzügen des 13. Jahrhunderts siehe Heinrich von Lettland, Livländische Chronik, neu übers. v. Albert Bauer (1959, nachgedr. 1975). Der lateinische Osten: Antiochia, Tripolis, Jerusalem Malcolm Barber und Keith Bate, Letters From the East. Crusaders, Pilgrims and Settlers in the 12th–13th Centuries (2010) haben ein hilfreiches Korpus von Briefen und anderen Quellen vorgelegt. Die frühe Geschichte von Antiochia beschreiben Radulf von Caen [Ralph of Caen], Gesta Tancredi, übers. v. Bernard S. und David S. Bachrach (2005) und Walter der Kanzler [Walter the Chancellor], The Antiochene Wars, übers. v. Thomas S. Asbridge und Susan B. Edgington (1999). Die frühe Geschichte des Königreichs Jerusalem beschreiben Albert von Aachen (siehe oben) und Fulcher von Chartres (siehe oben). Die chronistische Hauptquelle für das 12. Jahrhundert ist
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Kommentierte Bibliografie zu Forschungsliteratur und Quellen
Wilhelm von Tyrus [William of Tyre], A History of Deeds Done Beyond the Sea, übers. v. Emily A. Babcock und August C. Krey, 2 Bde. (1943). Repräsentativ für das 13. Jahrhundert ist die Darstellung durch Philipp von Novara [Philip of Novara], The Wars of Frederick II against the Ibelins in Syria and Cyprus, übers. v. John L. La Monte und Merton J. Hubert (1936); ders., Le Livre de Forme de Plait, übers. v. Peter W. Edbury (2009). Siehe auch Crusader Syria in the Thirteenth Century: The Rothelin Continuation of William of Tyre with Part of the Eracles or Acre Text, übers. v. Janet Shirley (1999); The „Templar of Tyre“ Part III of the Deeds of the Cypriots, übers. v. Paul Crawford (2003). Reisebeschreibungen und Pilgerberichte aus dem Heiligen Land hat die Palestine Pilgrims Text Society 1896 bis 1907 in 14 Bänden übersetzt; in vielen Fällen sind sie durch die Neuübersetzungen in dem Band Jerusalem Pilgrimage 1099–1185, übers. v. John Wilkinson, Joyce Hill und William F. Ryan (1988), zu ersetzen. Zypern und Griechenland Siehe The Assizes of the Lusignan Kingdom of Cyprus, übers. v. Nicholas Coureas (2002); Leontios Machairas, Recital Concerning the Sweet Land of Cyprus, hg. und übers. v. Richard M. Dawkins, 2 Bde. (1932); Crusaders as Conquerors: The Chronicle of Morea, übers. v. Harold E. Lurier (1964). Die Ritterorden Eine gute Quellensammlung zum Templerorden bietet The Templars. Selected Sources, übers. v. Malcolm Barber und Keith Bate (2002). Deren interne Gesetzgebung fi ndet sich in The Rule of the Templars, übers. v. Judi M. Upton-Ward (1992). Zwei wichtige Quellen zu den Ermittlungen, die der Aufhebung des Templerordens vorangingen, sind The Fall of the Templars in the Crown of Aragon, übers. v. Alan Forey (2001) und The Proceedings against the Templars in the British Isles, übers. v. Helen Nicholson, Bd. 2 (2011). Zum Hospitaliter- / Johanniterorden gibt es wesentlich weniger editiertes Material. Ihr internes Regelwerk für die Zeit bis zum frühen 14. Jahrhundert ist zu fi nden in dem Band The Rule, Statutes and Customs of the Hospitallers, 1099–1310, übers. v. Edwin J. King (1934). Der Bericht über die Belagerung von Rhodos im Jahr 1480 aus der Feder des Wilhelm Caoursin wurde schon zwei Jahre später ins Englische übersetzt als The dylectable newesse and tythinges of the glorious victorye of the Rhodyans agaynst the Turks, übers. v. Johan Kaye (1482). Es gibt eine moderne Edition von Henry W. Fincham, Order of St John of Jerusalem, Historical Pamphlets no. 2 (1926). Die Belagerung von Malta beschreibt Francisco Balbi di Corregio, The Siege of Malta, 1565, übers. v. Ernle Bradford (1965, nachgedr. 2005). Griechische Quellen Zum Ersten Kreuzzug siehe die Biografie ihres Vaters, des byzantinischen Kaisers Alexios, von Anna Komnene, Alexias, übers. v. Diether Roderich Reinsch (1996). Zum Vierten Kreuzzug siehe die Chronik des Niketas Choniates, Die Kreuzfahrer erobern Konstantinopel, übers. v. Franz Gabler (1958). Arabische Quellen Eine Auswahl bietet die Quellensammlung von Francesco Gabrieli, Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht (1973). Der wichtigste unter den bisher übersetzten Chronisten ist Ibn al-Athir, The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from al-Kāmil fī’l-ta’rīkh, übers. v. Donald S. Richards, 3 Bde. (2006–2008). Die Zeit bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts behandelt Ibn al-Qalanisi, The Damascus Chronicle oft he Crusades, übers. v. Hamilton A. R. Gibb (1932). Zu Saladin siehe Baha
Übersetzte Quellen zu den Kreuzzügen
451
ad-Din, The Rare and Excellent History of Saladin, übers. v. Donald S. Richards (1997); Imad adDin al-Isfahani, Conquête de la Syrie et de la Palestine par Saladin, übers. v. Henri Massé (1972). Eine Reihe editierter und ins Deutsche übersetzter Dokumente aus der Kanzlei Saladins bietet Horst-Adolf Hein, Beiträge zur ayyubidischen Diplomatik, Diss. (1968). Zum 13. Jahrhundert vgl. Abu-’l-Fida, The Memoirs of a Syrian Prince, übers. v. Peter M. Holt (1983); Ibn ʿAbd al-Zahir, Sirat al-Malik al-Zahir, teilw. hg. und übers. v. Syedah F. Sadeque (1956) sowie Ibn al-Furat, Ayyubids, Mamlukes and Crusaders, teilw. hg. und übers. v. Ursula und Malcolm C. Lyons, 2 Bde. (1971). Zu den Alltagsbeziehungen mit einzelnen Christen und Beschreibungen der Kreuzfahrerherrschaften siehe den auf persönlichen Eindrücken beruhenden Reisebericht des andalusischen Mekkapilgers Ibn Dschubair, Travels, übers. v. R. J. C. Broadhurst (1952); ders., Tagebuch eines Mekkapilgers, übers. v. Regina Günther (2004), und die Saladin gewidmeten (bzw. den Sultan in einem eigenen Kapitel als seinen Wohltäter preisenden) episodenhaften Erinnerungen des syrischen Emirs Usama ibn Munqidh, Ein Leben im Kampf gegen die Kreuzritterheere, übers. v. Gernot Rotter (1978), der trotz eines sehr bewegten Lebens ein hohes Alter erreichte. Der von Rotter gewählte Titel entspricht nicht dem Original und ist irreführend, weil z. B. viel häufiger von der Jagd als von den Kreuzfahrern die Rede ist und letztere nicht etwa im Mittelpunkt stehen. Die oben angegebene auszugsweise Übersetzung von Gabrieli ist näher am arabischen Text. Vorzuziehen ist in jeder Beziehung die französische Übersetzung: Usama ibn Munqidh, Des enseignements de la vie. Souvenirs d’un gentilhomme syrien du temps des Croisades, übers. v. André Miquel (1983). Verträge der Kreuzfahrer mit den Mamluken enthält Peter M. Holt, Early Mamluk Diplomacy (1260–1290): Treaties of Baibars and Qalawun with Christian Rulers (1995). Jüdische Quellen Übersetzungen der wichtigsten hebräischen Quellen zu den Pogromen, mit denen der Erste und der Zweite Kreuzzug einen so fürchterlichen Anfang nahmen, versammelt Shlomo Eidelberg, The Jews and the Crusaders: The Hebrew Chronicles of the First and Second Crusades (1977); allerdings sollte man bei der Lektüre beachten, dass die Entstehungszeit der einzelnen Texte sowie ihre genetische Beziehung zueinander in den letzten Jahren einer Neubewertung unterzogen worden sind. Vgl. neuerdings die Edition und deutsche Übersetzung von Eva Haverkamp, Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des Ersten Kreuzzugs (2005). Die Aktivitäten jüdischer Kaufleute im Orient werden durch eine Vielzahl von uns im Original erhaltenen Briefen deutlich, vgl. Letters of Medieval Jewish Traders, aus dem Arabischen übers. v. S. D. Goitein (1973).
Zeittafel Zeittafel
1095
März Juli (bis September 1096) 27. November Dezember (bis Juli 1096)
1096–1102 1099 15. Juli 1103 1107–1108 1108–1109 1114 1118 19. Dezember 1119–1120 1119 1120–1126
27. Juni
1126 1128–1129 1135
Mai
1139–1140 1144 1145
24. Dezember 1. Dezember
1146 1146–1147 1147
13. April
1147–1149 1147 1153 1157–1184 1157–1158 1158–1176
24. Oktober
Konzil von Piacenza Predigtreise Papst Urbans II. Aufruf zum Ersten Kreuzzug auf dem Konzil von Clermont Ausschreitungen gegen Juden in Frankreich, Deutschland und Böhmen Der Erste Kreuzzug Jerusalem fällt an die Kreuzfahrer Geplanter Kreuzzug Kaiser Heinrichs IV. Kreuzzug Bohemunds von Antiochia-Tarent Kreuzzug Bertrands von Saint-Gilles Katalanische Expedition auf die Balearen Rückeroberung von Saragossa durch König Alfons I. von Aragón Gründung des Templerordens Schlacht auf dem Blutfeld Kreuzzug des Papstes Calixt II. im Heiligen Land und auf der Iberischen Halbinsel Erster Beleg in den Quellen für eine Militarisierung des Hospitals des Heiligen Johannes zu Jerusalem Kreuzzug König Balduins II. von Jerusalem Das Konzil von Pisa verspricht allen, die sich an einem Feldzug gegen den Gegenpapst und die Normannen in Süditalien beteiligen, Kreuzzugsablässe zur Vergebung ihrer Sünden Kreuzzug in den Osten Edessa fällt an die Muslime Papst Eugen III. proklamiert durch seine Bulle Quantum praedecessores den Zweiten Kreuzzug Judenverfolgungen im Rheinland Bernhard von Clairvaux predigt den Zweiten Kreuzzug Papst Eugen III. erlaubt Kreuzzüge auf die Iberische Halbinsel und in das Gebiet nordöstlich der Elbe Der Zweite Kreuzzug Eroberung Lissabons Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel Mehrere Kreuzzugsaufrufe des Papstes führen zu einer Reihe kleiner und mittlerer Kriegszüge in den Osten Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel Gründung der ersten Ritterorden auf der Iberischen Halbinsel
Zeittafel 1163–1169 1169 1174
23. März 28. Oktober
1177 1187
25. November 4. Juli 2. Oktober 29. Oktober
1188
Januar
1189–1192 1190 1191 Juni 12. Juli 1192 1193–1230
2. September
1193 1197–1198 1198 August 1199
24. November Dezember
1202–1204 1202 1204 12.–15. April 9. Mai 1206 1208
14. Januar
1209 1209–1229 1212 17. Juli
453
Feldzüge König Amalrichs von Jerusalem in Ägypten Ägypten unterwirft sich Nur ad-Din Saladin übernimmt nach Nur ad-Dins Tod die Macht in Damaskus Kreuzzug Philipps von Flandern in das Heilige Land Schlacht von Montgisard Schlacht bei Hattin; vernichtende Niederlage des Königreichs Jerusalem durch die Truppen Saladins Eroberung Jerusalems durch Saladin Papst Gregor VIII. proklamiert durch seine Bulle Audita tremendi den Dritten Kreuzzug In England wird zur Finanzierung des Dritten Kreuzzuges der Saladin-Zehnte erhoben Der Dritte Kreuzzug Judenverfolgungen in England Richard I. Löwenherz von England besetzt Zypern Die Kreuzfahrer des Dritten Kreuzzuges erobern Akkon zurück Vertrag von Jaffa Livlandkreuzzug (auf dem Gebiet des heutigen Lettland) Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel Deutscher Kreuzzug nach Palästina Gründung des Deutschen Ordens Papst Innozenz III. ruft durch seine Bulle Post miserabile zum Vierten Kreuzzug auf Papst Innozenz III. proklamiert einen Kreuzzug gegen Markward von Annweiler in Italien Einführung von Kirchensteuern zur Finanzierung der Kreuzzüge Der Vierte Kreuzzug Gründung des Schwertbrüderordens Papst Innozenz III. erlaubt die Rekrutierung für den Livlandkreuzzug in einer geregelten Weise Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer des Vierten Kreuzzuges Balduin von Flandern wird zum ersten lateinischen Kaiser von Konstantinopel gewählt Dänischer Kreuzzug gegen Ösel (Saaremaa) Ermordung Peters von Castelnau, des päpstlichen Legaten für das Languedoc. Papst Innozenz III. ruft zum Albigenserkreuzzug auf Dänischer Kreuzzug Albigenserkreuzzug Kinderkreuzzug Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel Schlacht von Las Navas de Tolosa
454
Zeittafel
1213
April
1215
12. September November
1216
28. Oktober
1217–1229 1219 1225 1227 1228–1229 1229 18. Februar 12. April 1229–1253 1230–1245
1231 1232–1234 1237
1239–1240 1239–1241
1239 1240 1241 1242 1244 1248–1254 1248 1251 1254
5. April 11. Juli–23. August 17. Oktober
Papst Innozenz III. proklamiert durch seine Bulle Quia maior einen erneuten Kreuzzug Schlacht von Muret Das Vierte Laterankonzil erlaubt die regelmäßige Besteuerung der Kirche zu Kreuzzugszwecken und verabschiedet die Kreuzzugskonstitution Ad liberandam König Heinrich III. von England nimmt das Kreuz gegen englische Rebellen Der Fünfte Kreuzzug Dänischer Kreuzzug nach Estland Der Deutsche Orden wird nach Preußen gerufen Genehmigung eines Kreuzzuges gegen bosnische Häretiker (1234 erneuert) Kreuzzug Kaiser Friedrichs II. in das Heilige Land Der Deutsche Orden beginnt die Eroberung Preußens Jerusalem wird per Vertrag an die Christen zurückgegeben Mit dem Frieden von Paris endet der Albigenserkreuzzug Kreuzzug in Spanien durch Jakob I. von Aragón und Ferdinand III. von Kastilien Die Päpste Gregor IX. und Innozenz IV. legitimieren den ständigen Kreuzzug des Deutschen Ordens im Ostseeraum Kreuzzug Johanns von Brienne zur Unterstützung Konstantinopels Kreuzzug gegen die häretischen Stedinger in Friesland Der Deutsche Orden vereinigt sich mit den Schwertbrüdern Schwedischer Kreuzzug nach Finnland Kreuzzug zur Unterstützung Konstantinopels Kreuzzug der Barone unter Führung Thibauts von Champagne und Richards von Cornwall in das Heilige Land Proklamation eines Kreuzzuges gegen Kaiser Friedrich II. (1240 und 1244 erneuert) Dänischer Kreuzzug nach Estland Proklamation eines Kreuzzuges gegen die Mongolen (1243 und 1249 erneuert) Erster Prußenaufstand gegen den Deutschen Orden Schlacht am Peipussee Eroberung Jerusalems durch muslimische Truppen Schlacht von La Forbie (Harbiyah) Erster Kreuzzug Ludwigs IX. des Heiligen von Frankreich Kreuzzug gegen Kaiser Friedrich II. in Deutschland Erster Hirtenkreuzzug (Pastorellenkreuzzug) Kreuzzug gegen Preußen
Zeittafel 1255 1256–1258 1259 1260
3. September 23. Oktober 25. Juli
1261 1265–1266 1266 26. Februar 1268 18. Mai 23. August 1269–1272 1269 1271–1272 1274
18. Mai
1277 September 1282 30. März 1283–1302 1287 1288 1289 26. April 1290 1291
18. Mai
1302 1306–1522 1306–1307 1307 13. Oktober 1309
1309–1310 1310
455
In Italien werden Kreuzzüge gegen die Gegner des Papsttums gepredigt Krieg von Saint-Sabas in Akkon Schlacht von Pelagonia Schlacht von Durbe Zweiter Prußenaufstand Kastilischer Kreuzzug nach Marokko Schlacht von Ayn Dschalut Baibars wird Sultan von Ägypten Rückeroberung Konstantinopels durch die Griechen Kreuzzug Karls von Anjou nach Süditalien Schlacht von Benevent Antiochia wird von den Mamluken erobert Schlacht von Tagliacozzo Zweiter Kreuzzug Ludwigs IX. des Heiligen von Frankreich Aragonesischer Kreuzzug ins Heilige Land Englischer Kreuzzug unter dem Prinzen Eduard im Heiligen Land Das Zweite Konzil von Lyon erlässt das Kreuzzugsdekret Constitutiones pro zelo fidei Eine Gesandschaft Karls von Anjou erreicht Akkon Die Sizilianische Vesper Kreuzzug gegen Sizilianer und Aragonesen Kreuzzug der Alice von Blois in das Heilige Land Kreuzzug Johanns von Grailly in das Heilige Land Tripolis wird von den Mamluken erobert Kreuzzüge Odos von Grandson und der Norditaliener in das Heilige Land Die Hafenstadt Akkon wird von den Mamluken erobert; bis August werden die letzten christlichen Festungen im Landesinneren aufgegeben Die Muslime erobern die Insel Arwad von den Templern Die Johanniter herrschen über Rhodos Kreuzzug gegen die Anhänger des Fra Dolcino im Piemont Proklamation eines Kreuzzuges zur Unterstützung der Ansprüche Karls von Valois auf Konstantinopel Verhaft ung aller Templer in Frankreich Volkskreuzzug von 1309 Der Deutsche Orden verlegt sein Hauptquartier nach Preußen Der Johanniterorden verlegt sein Hauptquartier auf die Insel Rhodos Kastilischer und aragonesischer Kreuzzug in Spanien Kreuzzug gegen Venedig Johanniterkreuzzug auf Rhodos
456
Zeittafel
1311 1312
15. März 3. April 2. Mai
1314 1316 1317 1319 1320 1321
5. Juli
1323 1325 1328
1331 1332–1334 1340 30. Oktober 1342–1344 1344 28. Oktober 1345–1347 1345 1348 1349–1350 1353–1357 1359 1360 1365–1367 1365 1366 1383 1386
1390
10. Oktober
Schlacht von Halmyros Aufhebung des Templerordens Papst Clemens V. überträgt den größten Teil der Templerbesitzungen an die Johanniter Kreuzzug in Ungarn gegen Mongolen und Litauer (erneuert 1325, 1332, 1335, 1352 und 1354) Schlacht von Manolada Gründung des Ordens von Montesa Gründung des Christusordens Zweiter Hirtenkreuzzug Kreuzzug gegen die Gegner des Papsttums in Italien (1324 erneuert) Norwegischer Kreuzzug gegen die Russen in Finnland Kreuzzug in Polen gegen Mongolen und Litauer (erneuert 1340, 1343, 1351, 1354, 1355, 1363 und 1369) Aufruf zum Kreuzzug gegen den römisch-deutschen König Ludwig IV. Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel Aufruf zu einem neuen Kreuzzug in das Heilige Land Erste Kreuzzugsliga Kreuzzug gegen Häretiker in Böhmen Sieg der Kreuzfahrer in der Schlacht am Fluss Salado Ein Kreuzfahrerheer belagert Algeciras Planung eines Kreuzzuges gegen die Kanarischen Inseln Besetzung Smyrnas durch die Kreuzzugsliga Kreuzzug Humberts II., des Dauphins von Vienne, in das Heilige Land Genuesischer Kreuzzug zur Verteidigung von Kaffa (Feodossija) auf der Krim gegen die Mongolen Kreuzzug des Königs Magnus von Schweden gegen Finnland (1350 und 1351 erneuert) Ein Kreuzfahrerheer belagert Gibraltar Kreuzzug zur Rückgewinnung der Kontrolle über den Kirchenstaat in Italien Kreuzzugsliga im östlichen Mittelmeerraum Kreuzzug gegen Mailand (1363 und 1368 erneuert) Kreuzzug König Peters I. von Zypern Peter I. von Zypern erobert Alexandria und hält die Stadt sechs Tage lang Kreuzzug Amadeus’ von Savoyen nach Bulgarien und zu den Dardanellen Kreuzzug des Bischofs von Norwich gegen die Anhänger des Gegenpapstes Clemens VII. in Flandern Kreuzzug Johanns von Gent in Kastilien Union zwischen Polen und Litauen; Beginn der Christianisierung Litauens Kreuzzug gegen Mahdia in Nordafrika
Zeittafel 1396 1398 1399–1403 1402 1410 1420–1431 1426 1444 1453
1455 1456 1459–1460 1460 1464 1471 1472 1480 1481 1482–1492 1492 1493 1499–1510 1500 1513 1517 1520
1522 1529 1530–1798 1530 1535
457
Kreuzzug gegen Nikopolis (endet am 25. September mit einer Niederlage gegen die Osmanen) Kreuzzugsaufruf zur Verteidigung Konstantinopels (1399 und 1400 erneuert) Kreuzzug des Johann le Maingre, gen. Boucicaut, im östlichen Mittelmeergebiet Dezember Smyrna fällt an Timur Lenk (Tamerlan) 15. Juli Schlacht von Tannenberg Hussitenkreuzzüge 7. Juli Schlacht von Chirokitia auf Kreta Kreuzzug gegen Varna (am 19. November durch die Osmanen besiegt) 29. Mai Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 30. September Aufruf zu einem erneuten Kreuzzug in den Osten (1455 erneuert) Genuesischer Kreuzzug zur Verteidigung der Insel Chios Kreuzzug des heiligen Johannes Capistranus (erfolgreiche Verteidigung Belgrads gegen die Osmanen am 22. Juli) Kongress von Mantua 14. Januar Kreuzzugsaufruf durch Papst Pius II. 15. August Pius II. stirbt, während er in Ancona auf die Versammlung seines Kreuzfahrerheers wartet 31. Dezember Aufruf zu einem Kreuzzug in den Osten Kreuzzugsliga im östlichen Mittelmeerraum 23. Mai–Ende August Erfolglose Belagerung von Rhodos durch die Osmanen August Eroberung von Otranto durch die Osmanen 10. September Ein Kreuzfahrerheer erobert Otranto von den Osmanen zurück Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel 2. Januar Eroberung Granadas durch die Kreuzfahrer Kreuzzug in Ungarn gegen die Osmanen Spanischer Kreuzzug in Nordafrika; Eroberung von Brückenköpfen an der nordafrikanischen Küste 1. Juni Aufruf zu einem Kreuzzug gegen die Osmanen Kreuzzug gegen die Türken in Osteuropa proklamiert 11. November Aufruf zu einem Kreuzzug gegen die Osmanen Juni Die Könige Englands und Frankreichs treffen sich auf dem Field of the Cloth of Gold/Camp du Drap d’Or in Nordfrankreich, um einen erneuten Kreuzzug vorzubereiten Juli–18. Dezember Osmanische Belagerung von Rhodos, die mit dem Rückzug des Johanniterordens von der Insel endet 26. September–Oktober Erste Belagerung Wiens durch die Osmanen Herrschaft des Johanniterordens über die Insel Malta und (bis 1551) über das libysche Tripolis 2. Februar Proklamation eines Kreuzzuges gegen die Osmanen Juni–Juli Kreuzzug Kaiser Karls V. gegen Tunis
458
Zeittafel
1537–1538 1541 1550 1551
Oktober–November Juni–September 14. August
1560
Februar–31. Juli
1565 1570–1573 1570–1571 1571
19. Mai–8. September
7. Oktober
1573 1578 1588 1645–1669
11. Oktober
1683 1684–1697
14. Juli–12. September
1699 1792 1798 1890–1892
13. Juni
Kreuzzugsliga im östlichen Mittelmeerraum Kreuzzug Kaiser Karls V. gegen Algier Kreuzzug Kaiser Karls V. gegen Mahdia Die Johanniter/Malteser übergeben Tripolis den Osmanen Kreuzzug König Philipps II. von Spanien gegen Dscherba und Tripolis Erfolglose Belagerung Maltas durch die Osmanen Heilige (Kreuzzugs-)Liga im Mittelmeerraum aktiv Zypern fällt an die Osmanen Sieg der Liga unter Don Juan de Austria in der Seeschlacht von Lepanto Tunis zeitweilig von Don Juan de Austria besetzt Kreuzzug König Sebastians von Portugal gegen Marokko Die Spanische Armada (ein Kreuzzug gegen England) Osmanische Invasion und Eroberung Kretas (gegen die Verteidigung durch eine Kreuzzugsliga) Zweite Belagerung Wiens durch die Osmanen Eine Heilige (Kreuzzugs-)Liga beginnt die Rückereroberung des Balkans von den Osmanen Friede von Karlowitz Französische Besitzungen des Malteserordens werden im Zuge der Französischen Revolution beschlagnahmt Malta ergibt sich den Truppen Napoleons Kardinal Lavigerie gründet – mit der Unterstützung Papst Leos XIII. – das Institut Religieux et Militaire des Frères Armés du Sahara
Abkürzungen im Register Abkürzungen im Register
Abt Äbt. Bf. BR byz. Ebf. Fsm. Fst. Gbg. gen. Gf. Gft. Grf. Grm. Hl. Hm. Hr. HRR Hzg. Hzm. Kal. Kft. Kg. Kgr. Krd. Ks. lat. Mgf. Odm. OR orth. Pap. päp. Pat. Pr. röm. sld. Stn. Vct. Zar
Abt von Äbtissin von Bischof von Byzantinisches Reich byzantinischer Erzbischof von Fürstentum Fürst von Gebirge genannt Graf / Gräfin von Grafschaft Großfürst von Großmeister eines Ordens Heilige(r) Hochmeister (des Deutschen Ordens) Herr(in) von Heiliges Römisches Reich Herzog(in) von Herzogtum Kalif Kurfürst von König(in) von Königreich Kardinal Kaiser(in) lateinischer, lateinisches Markgraf von Ordensmeister Osmanisches Reich orthodoxer, orthodoxes Papst päpstlich(er) Patriach von Prinz von Römischer seldschukischer Sultan Vicomte von Zar von
Namen- und Ortsregister Aachen 263, 294 Abaqa (Ilchan) 373 Abbasiden 56, 57, 86, 138, 181, 182 Abdülhamid II. (Kal., Stn. OR) 421 Abraham (Patriarch) 51, 138 Abu ’l-Fida 451 Abu ‘Ali Ahmad ibn al-Afdal siehe Kutaifat Abu l-Hasan ‘Ali (Stn. Meriniden) 292, 368 Abu Yusuf Ya‘qub (Almohadenkal.) 292 Abukir, Bucht von 411 Achaia 295, 313, 318, 319, 365, 366 Achard von Saintes 108 Acharius von Sarmin 326 Achzib (Achziv) 336 Adana 98, 99, 115 Adhémar von Le Puy (Bf., päp. Legat) 59, 93, 102, 105, 130 Adrianopel (Edirne) 204, 219, 312, 316, 378 Adriatisches Meer 236 Ägäisches Meer 197, 312, 316, 318, 339, 360, 361, 365, 378, 386, 387, 391, 403, 405, 413 Ägidius von Saint-Gilles (Hl.) 60 Agnes von Courtenay 175, 176 Ägypten, Ägypter 34, 56, 58, 106, 107, 108, 112, 132, 148, 156, 166, 169, 172, 174, 179, 181, 182, 183, 184, 185, 191, 197, 207, 225, 226, 228, 232, 233, 235, 236, 238, 246, 247, 256, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 276, 277, 278, 279, 281, 285, 286, 299, 303, 304, 305, 306, 309, 317, 321, 323, 324, 331, 337, 338, 341, 342, 345, 346, 348, 349, 360, 364, 365, 371, 372, 377, 384, 392, 399, 410, 411, 412, 422, 436, 453, 455 Ahmad Schauqi 422 Aibak 337 Aidin 360, 371, 375, 376, 378 Aigeline von Burgund 74, 75 Aigues-Mortes 282, 284, 285, 303 Aimerich von Courron 108 ‘Ain al-Baqar 138, 139
Namen- und Ortsregister
‘Ain Dschalut 302, 337, 338, 340, 341 ‘Ain Kerem 118 Akaba (Stadt) 182; Golf von 177 Akkon 48, 116, 117, 133, 134, 135, 137, 138, 139, 141, 142, 143, 147, 148, 149, 152, 153, 154, 155, 156, 158, 159, 165, 167, 178, 183, 185, 191, 207, 220, 221, 222, 223, 224, 226, 227, 228, 233, 264, 265, 269, 270, 277, 278, 279, 286, 287, 288, 295, 301, 303, 305, 306, 307, 308, 321, 322, 327, 330, 331, 335, 336, 339, 340, 341, 343, 344, 345, 347, 348, 352, 354, 360, 371, 373, 430, 447, 448, 453, 455 Akehir 94, 98, 101, 103 al-‘Adil I. (Stn. Ägypten) 225, 232, 323 al-Amir (fatimidischer Kal.) 57 Alamut 337 Alanya 383 Alarcos 254, 255 al-Aschraf Khalil (Stn. Ägypten) 345 al-Aschraf Musa (Stn. Ägypten) 337 Alaşehir siehe Philadelphia al-Audscha 165 Albanien 90, 91, 196, 308, 317, 318, 319, 391, 392; siehe auch Epirus Albano siehe Heinrich von Marcy al-Bara (Stadt) 117, 129; Bf. von 117 Albert Eduard, Prince of Wales 36 Albert von Buxhövden (Bf. Livland, Riga) 244, 245, 246, 259 Albert von Jerusalem (Pat. Jerusalem) 142 Albi 252 Albigenser siehe Katharer Albrecht I. der Bär (Mgf. Brandenburg) 209 Albrecht III. (Hzg. Österreich) 355 Albrecht V. (Hzg. Österreich) 385 Albrecht von Preußen (Hm., Hzg. Preußen) 398 Alcácer do Sal 256 Aldebert IV. (Gf. La Marche) 223
Namen- und Ortsregister Aleppo 58, 101, 115, 163, 177, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 195, 286, 321, 323, 326, 337 Alexander II. (Pap.) 66 Alexander III. (Pap.) 212, 213, 434 Alexander IV. (Pap.) 302, 311 Alexander VI. (Pap.) 358, 391 Alexandretta (Iskenderun) 98, 99, 101, 183, 329 Alexandria 185, 232, 233, 235, 237, 238, 243, 244, 285, 321, 346, 347, 377, 383, 411, 449, 456 Alexios I. Komnenos (Ks. BR) 56, 58, 65, 88, 93, 94, 95, 96, 97, 101, 102, 103, 104, 111, 195, 203, 204, 240, 320, 435, 450 Alexios III. Angelos (Ks. BR) 235, 239, 240, 315 Alexios IV. Angelos (Ks. BR) 235, 237, 238, 239, 240 Alexios V. Dukas (Ks. BR) 240, 315 Alfons I. (Kg. Aragón) 193, 194, 212, 452 Alfons I. (Kg. Portugal) 201 Alfons VII. (Kg. Kastilien, León) 200, 201 Alfons VIII. (Kg. Kastilien, León) 254, 255, 256, 280, 368 Alfons IX. (Kg. Kastilien, León) 256 Alfons X. (Kg. Kastilien, León) 292, 317 Alfons XI. (Kg. Kastilien, León) 368 Alfons Jordan (Gf. Toulouse) 193, 201 Alfons von León (Hzg. Molina) 291 Alfons von Poitiers (Gf. Poitou, Toulouse) 254, 284, 303 al-Fula (Faba) 186 Algeciras 368, 456 Algerien 400, 413, 417, 419 Algier 390, 399, 409, 413, 415, 416, 458 al-Hakim (fatimidischer Kal.) 57, 67, 69, 121 Alhama 390 al-Hariri, Sayyid ‘Ali 421 ‘Ali (Schwiegersohn Mohammeds) 57, 139 ‘Ali al-Harawi 139 Alice von Blois 297, 455 Alix von Champagne (Kg. Zypern) 310, 328, 336 Alix von Frankreich (Gf. Vexin) 222 Alix von Montbéliard 331 al-Kamil, Muhammad II. (Stn. Ägypten) 266, 269, 309, 323
461
Allemand-Lavigerie siehe Lavigerie, CharlesMartial Allenby, General Sir Edmund (Vct.) 415 al-Mansura 267, 285 Almería 201, 209, 211, 390 Almodis de la Marche 92, 223 Almohaden 211, 212, 254, 255, 291, 292 Almoraviden 64, 193, 211 al-Mu‘azzam (Herrscher von Damaskus) 269 al-Muqtadi (abbasidischer Kal.) 86 al-Mustansir (fatimidischer Kal.) 87 Alois von Arras (Bf.) 203 Álora 390 Alp Arslan (sld. Stn.) 58 Alphandéry, Paul 42 Alvor 254 Amadeus III. (Gf. Savoyen) 201 Amadeus VI. (Gf. Savoyen) 377, 456 Amalfi 320 Amalrich I. (Kg. Jerusalem): 142, 163, 166, 174, 175, 176, 181, 185, 210, 453 Amalrich I. / II. (Kg. Zypern, Jerusalem) 310, 330, 331, 334, 345, 364 Amalrich VII. (Gf. Montfort-l’Amaury) 253, 277, 278 Amalrich von Tyrus 310, 344 Amselfeld (Kosovo polje) 378, 379 Anaklet II. (Gegenpapst) 194, 198 Anatolien 58, 94, 97, 101, 111, 203, 206, 337, 379, 383; siehe auch Kleinasien Ancona 389, 457 Andalusien 138, 194, 209, 255, 292, 368 Andreas (Hl.) 101, 420 Andreas II. (Kg. Ungarn) 264, 288 Andréville (Andravida) 313 Andronikos II. Palaiologos (Ks. BR) 319 Andronikos III. Palaiologos (Ks. BR) 375 Angers 60, 82, 192 Anjou 108, 169, 170, 171, 197, 214, 294, 295, 296, 297, 298, 300, 302, 303, 304, 305, 307, 308, 318, 319, 328, 342, 343, 344, 357, 365, 366, 367, 368, 455 Ankara 111, 378, 379 Anna (Hl.) 119 Anna Komnena 94, 450 ‘Annaba 399
462
Namen- und Ortsregister
an-Nasir Dawud (Herrscher in Transjordanien) 278, 323 an-Nasir, Muhammad (Stn. Ägypten) 255 Anselm II. (Bf. Lucca, Hl.) 66, 67 Anselm von Havelberg (Bf., päp. Legat) 203 Antalya 94, 206, 377, 389 Antiochia (Fst.) 39, 40, 106, 115, 116, 117, 118, 130, 131, 132, 141, 154, 161, 162, 163, 168, 169, 174, 178, 182, 188, 195, 205, 309, 323, 325, 326 Antiochia (Stadt) 56, 79, 94, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 115, 128, 129, 130, 133, 135, 136, 142, 153, 157, 168, 179, 180, 183, 184, 186, 194, 196, 198, 203, 206, 207, 208, 217, 220, 270, 302, 310, 321, 327, 328, 340, 341 Antonio I. Acciaiuoli (Hzg. Athen) 367 Antwerpen, Markgrafschaft 90 Apulien 91, 168, 196, 270, 295 AqSunqur al-Bursuqi 180 Aquitanien 110, 111, 112, 114, 207, 208, 223, 224, 254 Arabische Halbinsel 186, 324, 424 Aragón (Aragonien) 193, 209, 212, 249, 252, 255, 256, 291, 296, 297, 303, 308, 319, 345, 349, 359, 367, 372, 380, 389, 452, 454, 456 Aralsee 56 Aravasenke 184 Archipelagos, Herzogtum 312, 318, 365, 366 Ardres siehe Arnold II. Armenien, Armenier 57, 58, 98, 101, 115, 118, 128, 134, 135, 136, 153, 156, 172, 190, 198, 220, 305, 310, 325, 326 Arnold Amalrich (Ebf. Narbonne) 255 Arnold II. (Gf. Ardres) 109 Arnulf von Chocques (Pat. Jerusalem) 116, 119, 131, 132, 168, 186 Arnulf von Lisieux (Bf.) 203 ‘Arqa 106, 109, 162 Arsuf (Stadt und Herrschaft) 116, 117, 148, 157, 165, 183, 225, 278, 329, 330, 331, 339, 340, 341, 342, 364 Arta (Stadt) 366; Golf von 402 Artah 129, 181; Bf. von 130 Arthur I. (Hzg. Bretagne) 222 Artlenburg 209 Arudsch Barbarossa 399
Arwad 344, 352, 455 Aschdod 108 Aschtara 186 Asilah 108 Askalon 108, 116, 157, 167, 169, 174, 177, 182, 183, 185, 190, 191, 197, 224, 225, 227, 278, 279, 331 Askania-See (Iznik Gölü) 97 Asow siehe Tana as-Salih Ayyub (Stn. Ägypten) 323, 337 as-Salih Ismail (Stn. Damaskus) 278, 323, 324 as-Sinnabra 184 Assassinen (Nizariten, schiitische Sekte) 57, 179, 180, 183, 226, 258, 337, 436 Athanasios (Pat. Antiochia) 136 Atharib 115, 180 Athen (Hzm. und Stadt) 312, 318, 319, 365, 366, 367, 373, 379, 405 ‘Atlit 265, 340, 345 Attika 318 Augustinus von Hippo (Hl., Bf.) 51, 52, 65, 66 Avignon 253, 349, 369, 370, 372, 380, 381, 382, 389 Ayala, Felipe 52 Ayas (Yumurtalık) 153, 338, 363, 372 Ayyubiden 323, 324, 327, 337, 436 ‘Azaz 115 Azincourt 383 az-Zahir Ghazi (Hr. Aleppo) 326 Azzo Visconti 369 Ba‘albek 181, 323 Badajoz 291 Badr al-Dschamali (Wesir) 87 Baeza 211, 255 Bagdad (Kalifensitz und Stadt) 56, 57, 58, 86, 111, 258, 337, 338 Baghras 325, 326, 327 Bagnara 222 Baibars (Stn.) 41, 303, 338, 340, 341, 342, 455 Bait Nuba (Betenoble) 225, 226 Balderich von Bourgueil (Ebf. Dol) 114, 189 Balduin (Abt, Ebf. Caesarea) 119 Balduin Embriaco 342 Balduin I. (Kg. Jerusalem, Gf. Edessa) 78, 90, 91, 95, 98, 99, 100, 117, 118, 130, 131, 132, 133, 162, 163, 166, 167, 168, 184, 191
Namen- und Ortsregister Balduin I. (Ks. Lat. Kaiserreich) 215, 234, 238, 241, 243, 319, 453 Balduin II. (Gf. Hennegau) 103 Balduin II. (Kg. Jerusalem, Gf. Edessa) 118, 119, 146, 163, 164, 166, 168, 169, 170, 171, 172, 183, 184, 196, 197, 452 Balduin II. (Ks. Lat. Kaiserreich) 277, 281, 282, 315, 316, 317, 318, 319 Balduin III. (Kg. Jerusalem) 163, 171, 174, 185, 208 Balduin IV. (Kg. Jerusalem) 142, 175, 176, 185, 187, 442 Balduin V. (Kg. Jerusalem) 176, 185, 187, 342 Balduin von Boulogne siehe Balduin I. Balduin von Bourcq siehe Balduin II. Balearische Inseln 193, 256, 399, 452 Balian Garnier (Gf. Sidon) 331, 332, 336 Balian von Ibelin (Hr. Arsuf) 330, 340 Balian von Ibelin (Hr. Beirut) 336 Balian von Ibelin (Hr. Nablus) 186, 188, 223, 330, 332 Balkan 43, 47, 79, 87, 89, 94, 111, 203, 206, 219, 317, 378, 379, 381, 382, 383, 421, 458 Balten 47, 48, 53, 245, 354, 439, 447 Baltikum 33, 34, 38, 53, 148, 154, 212, 244, 245, 246, 253, 257, 287, 289, 290, 292, 352, 353, 354, 355, 356, 398, 439, 440, 441 Baniyas (am Jordan) 185 Baniyas (Syrien) 115, 183 Bańos 255 Bar 263, 278 Barada 208 Barbareskenkorsaren 399, 400, 401, 410 Barcelona (Stadt) 64, 303; Gf. von 64, 201 Bari 75, 90, 93, 227 Ba‘rin 180, 185 Basel 274 Basilius Bessarion (Krd.) 387 Batrun 344, 383 Bayezid I. (Stn. OR) 378 Bayezid II. (Stn. OR) 362 Baza 390 Beaufort (Stadt und Festung) 188, 278, 279, 340, 341 Beaujeu siehe Humbert V. (Gf. Beaujeu) Beauvais, Bf. von 223 Bedford 385
463
Beirut (Stadt) 106, 164, 182, 183, 184, 185, 228, 309, 331, 334, 335, 336, 344, 345, 383, 423; Bistum 133, 167, 224 Belek von Aleppo 163 Belen-Pass 99 Belgien 414, 416 Belgrad 87, 379, 397, 388, 394, 405, 457 Bellapais, Abtei 363 Belval, Kloster 73, 75 Belvoir 267 Benamejí 390 Benedikt von Nursia (Hl.) 69 Benedikt XII. (Pap.) 375, 376 Benedikt XIII. (Gegenpapst) 381 Benevent 295, 455 Berber 64, 292, 407 Berengar Raimund II. (Gf. Barcelona) 92 Berengaria von Kastilien 317 Berengaria von Navarra (Kg. England) 222 Bergen 191 Bernabò Visconti (Mailand) 369 Bernard (Familie aus Bré) 192 Bernhard von Clairvaux (Hl., Abt Clairvaux) 55, 146, 147, 192, 199, 200, 201, 210, 213, 231, 246, 411, 420, 452 Berta von Sulzbach (byz. Ks.) 204 Bertrand von Saint-Gilles (Gf. Toulouse, Tripolis) 162, 452 Bessarion siehe Basilius Bessarion (Krd.) Bet Guvrin 151 Bet Sche‘an 117, 264 Bethanien 123, 128, 172, 215 Bethesda (Jerusalem) 119 Bethlehem 106, 137, 138, 141, 155, 171, 197, 269, 278, 387; Geburtskirche 118, 121, 136 Béziers 252 Bilbeis 185 Birgitta von Schweden (Hl.) 55, 207, 354 Birtha (Birecik) 98, 180 Biskra 417, 418, 419 Bizerta 401 Blanca von Kastilien (Kg. Frankreich) 280, 282, 299 Blanche Garde (Tall as-Safiya) 167 Blutfeld, Schlacht auf dem 163, 169, 180, 184, 196, 452 Bodrum (Halikarnassos) 359, 361, 362
464
Namen- und Ortsregister
Bohemund I. (Fst. Antiochia) siehe Bohemund von Tarent Bohemund II. (Fst. Antiochia) 163 Bohemund III. (Fst. Antiochia) 181, 325 Bohemund IV. (Fst. Antiochia, Gf. Tripolis) 325, 326, 327, 330 Bohemund V. (Fst. Antiochia, Gf. Tripolis) 327, 341, 342 Bohemund VI. (Fst. Antiochia, Gf. Tripolis) 341, 342 Bohemund VII. (Fst. Antiochia, Gf. Tripolis) 342, 344 Bohemund von Tarent 78, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 100, 101, 102, 103, 105, 106, 111, 115, 117, 118, 130, 131, 132, 133, 163, 194, 195, 196, 209, 221, 326, 452 Böhmen 197, 355, 369, 384, 385, 452, 456 Boisgelin, Louis de 408 Bologna 75, 142, 402 Bonaventura (Nichte des Saliba) 134 Bonifatius I. (Mgf. Montferrat, Kg. Thessaloniki) 234, 235, 237, 238, 239, 241, 243, 312 Bonifatius VIII. (Pap.) 297, 349, 371, 372 Bonifatius IX. (Pap.) 380, 381, 382 Bonizo (Bf. Sutri) 66 Bonneuil-sur-Marne 305 Bosporus 88, 96, 111, 204, 206, 239, 378, 382 Boucicaut 348, 355, 382, 383, 457 Bougie 390 Bouillon 90 Boulogne 90, 170 Bourbon 104 Bourcq 76 Bourges 198 Bouvines 232, 263 Bozcaada siehe Tenedos Brabant 263 Brandi, Karl 405 Bré 192 Bremen 201, 293 Breslau (Wrocław) 384 Bretagne 82; Gf. von 276, 278 Brienne 373; Gf. von 247, 278, 316 Brindisi 269, 372 Broyes (Familie) 76 Bruno von Segni (Bf., päp. Legat) 59 Buda (Budapest) 377, 381, 387, 396, 405
Bulgarien, Bulgaren 36, 110, 191, 205, 219, 293, 312, 315, 316, 317, 346, 377, 378, 386, 414, 421, 456 Burgund 59, 75, 76, 111, 196, 199, 224, 234, 263, 278, 279, 284, 305, 365, 381, 385 Bursa 378 Byzantinisches Reich 56, 57, 58, 91, 94, 99, 103, 115, 118, 179, 182, 195, 196, 204, 234, 239, 240, 241, 244, 308, 311, 320, 365, 375, 377, 386, 435 Byzanz 208, 222, 237, 241, 243 Cäcilia von der Normandie (Äbtissin) 119 Caco (Qaqun) 305, 341 Caesarea 117, 119, 129, 157, 166, 183, 265, 269, 286, 305, 329, 331, 340, 341 Cagliari 304 Cahen, Claude 39, 40 Calais 392 Calatrava 212, 255 Calixt II. (Pap.) 76, 192, 193, 196, 198, 200, 452 Calixt III. (Pap.) 387, 388 Caltabellotta 297 Cambrai 90, 391 Campo de Montiel 291 Çankiri (Gangra) 111 Canterbury 221; 222, 223, 346 Caolfe (Nichte des Saliba) 134 Carafa, Oliviero (Krd., Ebf. Neapel) 389 Carcassonne 193, 252 Cassar, Girolamo 407 Castelbon siehe Roger Bernard III. Caterina Cornaro (Kg. Zypern) 363 Cem (Prinz OR) 362, 391 Cembalo (Balaklawa) 338 Centullus von Bigorre (Gf.) 193 Centurione II. Zaccaria (Fst. Achaia) 366 Cerdagne siehe Wilhelm-Jordan Ceschi, Johann Baptist (Grm. Malteser) 417, 420 Champagne 59, 72, 146, 192, 215, 220, 286, 305, 316, 454 Charlotte (Kg. Zypern) 363 Charroux (Familie) 223 Chartres 119, 195, 257 Chastel Hernaut 183
Namen- und Ortsregister Chastel Pèlerin 265, Chaucer siehe Geoff rey Chaucer Chaumont-en-Vexin 76 Cherchell 399 Chios 309, 365, 386, 396, 405, 457 Chirokitia 364, 457 Chorasan 56, 57 Choresmier 280, 323 Christian von Preußen (Bf.) 287, 288, 289 Cîteaux, Abtei 235 Civitate 66 Clairvaux, Abtei 146, 201 Clarembald von Vandeuil 89 Clemens III. (Gegenpapst) 63 Clemens IV. (Pap.) 303 Clemens V. (Pap.) 349, 351, 352, 371, 372, 456 Clemens VI. (Pap.) 376 Clemens VII. (Gegenpapst) 380, 456 Clemens VII. (Pap.) 394, 395, 401, 402 Clerkenwell 149 Clermont 59, 60, 73, 75, 76, 78, 83, 87, 92, 93, 110, 129, 194, 199, 452 Cloyes 257 Cluny 54, 59, 63, 76, 119 Coelestin III. (Pap.) 212, 227, 244, 254 Collo 399 Compiègne 234, Compostela siehe Santiago de Compostela Conder, Sir Claude 414 Conon von Béthune 234 Conques 69 Constantine (Algerien) 399 Corba von Thorigné 108 Córdoba 64, 211, 291 Çorlu 277 Corvey, Reichsabtei 203 Cospicua 409 Costentin, Anne Hilarion de (Gf. Tourville) 410 Courtenay 76, 361 Cresson (‘Ain Gozeh) 148 Cuthbert von Lindisfarne (Hl.) 69 Daibert (Ebf. Pisa, Pat. Jerusalem) 117, 118, 119, 129, 130, 131, 132, 133, 169 Damaskus, Damaszener 36, 106, 152, 169, 178, 179, 180, 181, 183, 184, 185, 186, 187, 197,
465
208, 269, 278, 279, 281, 286, 321, 323, 324, 337, 338, 341, 415, 421, 422, 453 Damiette (Dumyat) 185, 256, 264, 265, 266, 267, 285, 286, 297, 304 Dandanqan 57 Dänemark, Dänen 191, 201, 209, 211, 212, 245, 246, 247, 254, 293, 398, 453, 454 Daniel, Norman 38 Danischmend Ghazi 97, 115 Danischmendiden 111, 118, 194 Danzig (Gdańsk) 12, 245 Dardanellen 204, 219, 316, 317, 376, 378, 386, 405, 456 Dartmouth 209 Darum (Dair al-Balah) 133, 167, 177, 226 Darwisch, Mahmud 422, 423 Dauphiné 305 Davidsturm 117, 278 Delaborde, Henri 39 Delaville le Roulx, Joseph 39 Demmin 209 Derby, Gf. von 368 Deschamps, Paul 39 Despeńaperros, Pass von 255 Deutschland, römisch-deutsches Reich 38, 59, 61, 63, 69, 79, 83, 85, 88, 89, 90, 91, 110, 111, 151, 160, 190, 196, 197, 200, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 209, 218, 219, 220, 221, 227, 228, 229, 230, 235, 242, 244, 245, 246, 247, 252, 254, 258, 260, 262, 264, 265, 267, 268, 269, 282, 283, 287, 288, 289, 290, 291, 293, 294, 295, 298, 299, 348, 349, 351, 357, 368, 369, 372, 381, 384, 385, 386, 388, 389, 391, 392, 394, 397, 398, 400, 401, 414, 421, 422, 424, 452, 454 Diderot, Denis 34, 35, 37 Diego Gelmírez (Ebf. Santiago de Compostela päp. Legat) 194 Diego Velázquez 212 Diego von Osma (Bf., Hl.) 250 Dietrich von Elsass (Gf. Flandern) siehe Dietrich von Flandern Dietrich von Flandern 214, 215 Dietwin von Porto (Krd., Bf., päp. Legat) 203 Dijon 231 Dionysius (Hl.) 205 Dobin 209
466
Namen- und Ortsregister
Dobrin, Brüder von 287 Dodekanes 312, 358, 359 Dolcino, Fra 371, 455 Dolomieu, Déodat de 408 Dominik (Neffe des Saliba) 134 Dominikaner 52, 134, 135, 272, 276, 283, 289 Dominikus (Hl.) 55, 250 Donau 205, 382 Doryläum (Eskiehir) 108, 205, 378 Dósza, Georg (György) 388 Dover 301 Drogo von Nesle 89 Drusen 57, 128 Dschabala 154, 309 Dschammail 138 Dschazira 323 Dscherba 380, 400, 458 Dschingis Khan 290, 291 Dschisr asch-Schughur 178 Dschisr Banat Ya‘qub 182, 264 Dschubail (Byblos) 116, 344, 345; Bistum 133 Dubrovnik siehe Ragusa Duby, Georges 45 Düna 244, 290 Dupront, Alphonse 42 Durazzo (Dyrrhachion / Durrës) 90, 196, 392 Durbe 290, 354, 455 Durham 69 Ebro 194 Écry (Asfeld-la-Ville) 234 Edessa (Urfa) 98, 99, 100, 115, 118, 130, 167, 176, 177, 178, 179, 180, 184, 185, 198, 203, 205, 206, 208, 452; Erzbischof 129; Grafschaft 89, 115, 118, 162, 163, 167, 168, 172, 175, 176, 180, 181, 183, 198 Edirne siehe Adrianopel Edmund von Lancaster (Gf.) 295 Edremit, Golf von 375 Eduard I. (Kg. England) 207, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 371, 373, 455 Eduard II. (Kg. England) 373, 374 Eduard VII. (Kg. Großbritannien) siehe Albert Eduard, Prince of Wales Ehremar von Thérouanne (Pat. Jerusalem) 132
Elbe 190, 201, 209, 452 Eleonore von Aquitanien (Kg. Frankreich, England) 207, 208, 223, 224 Eleonore von Kastilien (Kg. England) 207 Elias I. (Gf. Maine) 190 Elija (Prophet) 142 Emicho von Flonheim (Gf.) 83, 88, 89 Emmerich (Kg. Ungarn) 236 Enfeh 344 England, Engländer 35, 36, 83, 88, 89, 90, 107, 148, 149, 160, 161, 170, 176, 191, 195, 200, 201, 209, 211, 217, 218, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 229, 247, 249, 250, 252, 254, 260, 265, 267, 268, 269, 277, 279, 283, 291, 293, 294, 295, 298, 303, 304, 305, 306, 308, 310, 346, 348, 349, 352, 355, 359, 362, 368, 372, 373, 375, 376, 379, 380, 381, 383, 384, 385, 391, 392, 395, 396, 398, 401, 413, 414, 453, 454, 457, 458 Enlart, Camille 39 Enrico Dandolo (Doge) 234, 237, 241, 243 Epernon 252 Ephesos 206 Epirus 295, 312, 314, 315, 318, 379 Érard de Valéry 297, 303 Erdmann, Carl 39, 42 Ermessens von Melgueil 92 Erturul Gazi (Prinz OR) 378 Eschiva von Bures (Fst. Galiläa) 186 Eschiva von Ibelin 310, 331 Eskihisar 206 Eskiehir siehe Doryläum Esseron 206 Este (Familie) 369 Estland 245, 246, 287, 355, 454 Étampes 203 Eu, Gf. von 381 Euböa 309, 312, 365, 376, 379, 389 Eugen III. (Pap.) 198, 199, 200, 201, 202, 203, 205, 209, 210, 213, 231, 246, 452 Eugen IV. (Pap.) 385 Euphrat 115 Eustachius II. (Gf. Boulogne) 90 Eustachius III. (Gf. Boulogne) 90, 117, 168, 170 Eustachius von Flandern 234 Ezzelino III. da Romano 295
Namen- und Ortsregister Faenza 369 Famagusta 312, 338, 363, 364, 403 Fatimiden (-kalifen) 56, 57, 67, 86, 87, 169, 181 Feodossija siehe Kaffa Ferdinand II. / III. / V. der Katholische (Kg. Aragón; Neapel; Kastilien, León) 389, 390, 391 Ferdinand III. (Hl., Kg. Kastilien, León) 256, 291, 292, 368, 414, 454 Ferdinand Sanchez (Infant von Aragón) 303 Ferdinand von Mallorca (Fst. Achaia) 365 Ferentino 268 Ferral 255 Ferrara 369 Fez 401 Fidentius von Padua (Franziskanerprovinzial im Hl. Land) 148 Fides (Hl.) 69 Finnland 245, 287, 353, 354, 454, 456 Fitero, Abtei 212 Flandern, Flamen 75, 76, 191, 263, 372, 374, 380, 456 Fleury, Abtei 69 Florenz von Hennegau (Fst. Achaia) 319, 365 Florenz von Holland 308 Florenz, Florentiner 295, 359, 367, 400 Foça (Phocaea) 365 Foggia 269 Foix, Gf. von 249 Folkmar (Priester) 84, 88, 89 Fraga 209 Francesco II. Ordelaffi 369 Franco, General Francisco 415 Frankfurt 200, 201, 204 Frankreich, Franzosen 34, 36, 37, 38, 39, 40, 42, 43, 45, 59, 60, 61, 68, 69, 76, 77, 79, 80, 83, 87, 88, 90, 92, 93, 97, 103, 110, 111, 119, 151, 116, 162, 170, 176, 191, 192, 194, 195, 196, 197, 198, 200, 203, 204, 205, 206, 209, 217, 218, 221, 224, 227, 234, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 255, 257, 260, 261, 262, 263, 267, 268, 276, 277, 281, 282, 283, 284, 286, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 307, 308, 348, 349, 351, 352, 355, 359, 362, 370, 372, 374, 375, 376, 377, 379, 380, 381, 382, 383, 385, 391, 392,
467
394, 395, 396, 400, 402, 405, 409, 410, 411, 412, 413, 415, 416, 421, 424, 452, 455, 457 Franz von Assisi (Hl.) 55, 247 Franziskaner 134, 135, 148, 283, 387, 388 Friaul 258 Friedrich I. (Gf. Montefeltro) 369 Friedrich I. (Kft. Brandenburg) 385 Friedrich I. Barbarossa (Ks. HRR) 218, 219, 220, 227, 229, 249, 414 Friedrich II. (Kg. Sizilien) 297 Friedrich II. (Kg. Sizilien, Jerusalem, Ks. HRR) 228, 247, 263, 267, 268, 269, 270, 276, 277, 279, 280, 282, 288, 293, 294, 295, 299, 309, 317, 327, 328, 330, 331, 334, 335, 336, 343, 366, 454 Friedrich III. (Ks. HRR) 391 Friedrich V. (Hzg. Schwaben) 221 Friesland 454 Fulcher von Chartres 89, 191 Fulko IV. (Gf. Anjou) 108 Fulko V. (Kg. Jerusalem, Gf. Anjou) 108, 163, 169, 170, 171, 172, 174, 183, 197, 214 Fulko von Chāteaurenard 72 Fulko von Neuilly 233 Fulko von Villaret (Grm. Johanniter) 358, 359 Fuller, Thomas 34 Fuwa 238 Gabarret, Vicomte von 193 Gabès, Golf von 400 Galata (Konstantinopel) 239 Galiläa 137, 138, 142, 160, 165, 176, 182, 184, 186, 187, 305, 309, 340; Fsm 157, 160, 162, 168, 185, 278 Gallipoli (Gelibolu) 219, 317, 377, 378 Garnier (Familie) 330 Gascogne 277, 349, 366, 380 Gaston IV. (Vct. Béarn) 193 Gaston IX. (Vct. Béarn) 368 Gattilusio (Familie) 365 Gaza 136, 182, 183, 278, 279, 324 Gedko (Gedeon) von Plock (Bf.) 287 Gelasius II. (Pap.) 193 Geldern siehe Wilhelm I. / III. Gelnhausen 227 Genezareth siehe See Genezareth Gentili, Alberico 52
468
Namen- und Ortsregister
Genua 75, 153, 197, 257, 284, 303, 309, 320, 322, 339, 364, 365, 371, 376, 379, 381, 382, 383, 400, 403 Geoff rey Chaucer 346 Georg (Hl.) 218, 397 Georg (Neffe des Saliba) 134 Georg Arrabi 134 Georgier 155 Gerald von Villers (Templer, Großkomtur von Frankreich) 352 Gerhard Garnier (Gf. Sidon) 174, 332 Gerhard von Nazareth 141 Gerhoch von Reichersberg 209 Ghibellinen 295, 369, 370 Gibbon, Edward 34, 37 Gibelin von Arles (Ebf., Pat. Jerusalem päp. Legat) 119, 132, 133 Gibraltar 368, 456 Gil Albornoz (Ebf. Toledo, Krd., päp. Legat) 369 Gilduin von Le Puiset (Abt Marienkloster im Kidrontal) 119, 168, 170, 171 Girona 296 Gisors 217 Gladstone, William Ewart 36 Glarentza siehe Killini Godehild von Tosny 91 Göksu siehe Saleph Göksun siehe Koksen Gottfried I. von Villehardouin (Fst. Achaia) 318 Gottfried II. von Villehardouin (Fst. Achaia) 318 Gottfried III. von Joinville 215 Gottfried IV. von Joinville 215 Gottfried V. von Anjou (Gf.) 170 Gottfried V. von Joinville 215 Gottfried von Beaulieu 282, 304 Gottfried von Bouillon (Hzg. Niederlothringen, Regent von Jerusalem) 90, 93, 95, 96, 98, 99, 100, 105, 107, 117, 118, 130, 131, 167, 169, 414, Gottfried von Charney 351 Gottfried von Donjon (Grm. Johanniter) 324 Gottfried von Hohenlohe (Hm.) 354 Gottfried von Langres (Bf.) 203, 205 Gottfried von Lusignan 223 Gottfried von Nantes (Bf.) 255
Gottfried von Sergines 301 Gottfried von Villehardouin (Chronist) 231, 234 Gotthard Kettler (Hzg. Kurland und Semgallen) 398 Gottschalk (Priester) 88, 89 Gourard, General Henri 415 Gozo 406 Grandpré, Gf. von 278 Gratian (Mönch und Rechtsgelehrter) 197, 198 Gravina 365 Gregor I. (Hl., Pap.) 80 Gregor VII. (Hl., Pap.) 54, 58, 59, 63, 66, 67, 90 Gregor VIII. (Pap.) 216, 453 Gregor IX. (Pap.) 154, 256, 269, 276, 277, 279, 288, 289, 291, 293, 294, 307, 454 Gregor X. (Pap.) 276, 298, 301, 306, 307, 389 Gregor XI. (Pap.) 370, 378, 379, 381 Gregor XIII. (Pap.) 404 Griechenland, Griechen 48, 88, 91, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 103, 111, 115, 121, 140, 155, 156, 185, 195, 196, 204, 205, 206, 208, 209, 237, 239, 240, 242, 243, 285, 298, 299, 302, 307, 311, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 320, 326, 338, 359, 360, 371, 373, 387, 391, 409, 413, 421, 455 Großarmenien 305 Großbritannien 36, 413, 415, 421 Grotius, Hugo 52 Grousset, René 39, 40 Guadix 194, 390 Guelfen 297 Guibert von Nogent (Abt) 71, 114, 189 Guido de la Roche (Hr. Athen) 318 Guido Embriaco (Hr. Dschubail) 320, 342 Guido II. Troussel 110 Guido II. von Dampierre-sur-l’Aube 170 Guido von Basainville (Seneschall Templer) 324 Guido von Le Puiset 170 Guido von Lusignan (Kg. Jerusalem) 176, 185, 186, 187, 220, 222, 223, 224, 226, 310, 311, 322, 332, 364 Guido von Rochefort 110 Guido von San Crisogono (Krd., päp. Legat) 203 Guido von Vaux-de-Cernay (Abt) 237 Günther von Rethel (Gf.) 171
Namen- und Ortsregister Habsburger 397, 398 Hadrian IV. (Pap.) 203, 213 Hadrian VI. (Pap.) 394 Hafsiden 380, 381 Hagenau 235 Hagenmeyer, Heinrich 39 Haifa 117, 118, 142, 160, 162, 183, 223, 340 Håkon IV. (Kg. Norwegen) 292 Halmyros 319, 366, 456 Hammamet 409 Hanona ben Horkenos 138 Harim 100, 181, 185 Hartmann von Dillingen-Kyburg (Gf.) 89 Hartwig I. (Gf. Stade, Ebf. Bremen) 244 Haternie (Hodierna, Tochter des Saliba) 134 Hattin 148, 187, 216, 224, 243, 255, 267, 324, 453 Hauran 186 Hebron 117, 137, 138, 160, 167 Hedschas 186 Hedwig von Anjou (hl., Kg. Polen) 357 Heiliges Römisches Reich 61, 384, 402, 405 Heinrich Arrabi 134 Heinrich der Löwe (Hzg. Sachsen, Bayern) 191, 201, 209, 212 Heinrich I. (Kg. England) 170, 195 Heinrich I. (Kg. Zypern) 328, 331, 334, 336, 337 Heinrich I. der Mutige (Hzg. Brabant) 238 Heinrich II. (Gf. Bar) 276, 277, 278, 381 Heinrich II. (Kg. England) 179, 211, 213, 217, 221, 222, 223 Heinrich II. (Kg. Frankreich) 395 Heinrich II. (Kg. Zypern, Jerusalem) 344, 345, 363, 364 Heinrich II. Zdik (Bf. Olmütz) 203 Heinrich III. (Kg. England) 247, 277, 279, 292, 295, 301, 303, 454 Heinrich IV. (Kg. England) 355, 362 Heinrich IV. (Ks. HRR) 63, 67, 90, 133, 197, 452 Heinrich V. (Kg. England) 355, 361, Heinrich V. (Ks. HRR) 170 Heinrich VI. (Ks. HRR) 219, 226, 227, 228, 229, 232, 235, 246, 247, 309 Heinrich VII. (Kg. England) 391 Heinrich VII. (Ks. HRR) 369
469
Heinrich VIII. (Kg. England) 392, 395 Heinrich von Champagne (Gf. Champagne, Kg. Jerusalem) 227, 310, 323 Heinrich von Dreux (Ebf. Reims) 276 Heinrich von Dschubail 364 Heinrich von Flandern (Ks. Lat. Kaiserreich) 234, 316 Heinrich von Grosmont (Hzg. Lancaster) 346 Heinrich von Lancaster siehe Heinrich V. Heinrich von Marcy (Krd., Bf. Albano) 218, 249 Heinrich von Straßburg (Bf.) 218 Heinrich von Susa siehe Hostiensis Helena (Hl., röm. Ks.) 123, 125, 127 Helvis von Ibelin (Hr. Sidon) 330, 336 Henry Beaufort (Krd., Bf. Winchester päp. Legat) 385 Henry Despenser (Bf. Norwich) 380 Herakleia Kybistra (Ereli / Konya) 98, 109, 111, 112 Heraklion siehe Candia Hermann von Peragors (Grm. Templer) 324 Hermann von Salza (Hm.) 288 Hernán Cortés 399 Hersendis (Ärztin) 207 Hethum I. (Kg. Kleinarmenien) 310, 341 Hildesheim 293 Holland siehe Wilhelm IV. (Gf. Holland) Hompesch, Ferdinand von (Grm. Johanniter) 410 Homs 116, 179, 181, 323, 373 Honorius II. (Pap.) 133, 171, 197 Honorius III. (Pap.) 142, 246, 253, 256, 258, 263, 268, 288, 293 Hormus 338 Hostiensis 271 Huete 211 Hugo I. (Gf. Champagne) 192, 313 Hugo I. (Gf. Vaudémont) 73, 75 Hugo I. (Kg. Jerusalem) siehe Hugo von Antiochia-Lusignan Hugo I. (Kg. Zypern) 310 Hugo II. (Kg. Zypern) 328, 332, 339 Hugo III. (Kg. Zypern) 311, 332 Hugo III. von Chartres (Vct.) 171 Hugo IV. (Hzg. Burgund) 277, 303 Hugo IV. (Kg. Zypern) 363, 373, 375
470
Namen- und Ortsregister
Hugo V. von Lusignan 92 Hugo VI. von Lusignan (Gf. La Marche) 92, 223 Hugo VIII. von Lusignan (Gf. La Marche) 181 Hugo IX. von Lusignan (Gf. La Marche) 223 Hugo von Amboise (Hugo von Chaumont-surLoire) 108, 109 Hugo von Antiochia-Lusignan (Kg. Zypern, Kg. Jerusalem) 328, 342, 343, 344 Hugo von Brienne (Gf.) 328 Hugo von Die (Ebf. Lyon) 75, 110 Hugo von Dschabala (Bf.) 198 Hugo von Le Puiset (Gf. Jaffa) 168, 169, 171, 172, 174 Hugo von Pairaud (Templer) 349 Hugo von Payens (Grm. Templer) 146, 171, 197 Hugo von Saint-Pol (Gf.) 238, 240, 241 Hugo von Vermandois (Gf.) 89, 90, 91, 93, 94, 95, 96, 97, 103, 110, 112 Humbert II. (Dauphin von Vienne) 346, 376, 456 Humbert V. (Gf. Beaujeu) 253, 276, 277 Humbert von Romans 55, 272, 273, 274, 282, 299 Hume, David 34 Humfred IV. von Toron 185, 222, 223 Hunin 341 Husn al-Akrad siehe Krak des Chevaliers Hussiten 48, 384, 385, 457; siehe auch Jan Hus Hyères 287 Ibelin (Familie) 311, 330, 331, 332, 334, 335, 336, 364 Iberische Halbinsel 11, 33, 38, 43, 47, 53, 64, 65, 92, 148, 154, 160, 191, 193, 194, 196, 200, 201, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 254, 256, 257, 258, 262, 282, 291, 292, 299, 307, 348, 351, 367, 452, 453, 456, 457 Ibn Dschubair 138 Ibn Hud (al-Mutawakkil) 291 Ibn Taimiya 424 Ibn Taschfin 64 Ida von Lothringen (Hl., Gf. Boulogne) 90 Île-de-France 76, 87 Imad ad-Din (Sekretär Sultan Saladins) 138
Imad ad-Din Zengi siehe Zengi Indien 321, 348, 414 Indischer Ozean 348 Innozenz II. (Pap.) 194, 199, 247 Innozenz III. (Pap.) 140, 229, 230, 231, 232, 235, 236, 238, 239, 240, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 272, 276, 287, 306, 314, 326, 342, 404, 453, 454 Innozenz IV. (Pap.) 271, 282, 289, 291, 294, 299, 336, 337, 353, 354, 454 Innozenz VI. (Pap.) 369, 376 Innozenz VIII. (Pap.) 390 Innozenz XI. (Pap.) 55, 405 Ionische Inseln 312 Ioveta (Jutta) (Äbt. Bethanien) 123, 172 Irak 57, 100, 111, 179, 180, 184 Iran 57, 100, 290, 323, 337, 338 Irene (Ks. BR) siehe Berta von Sulzbach Irene von Byzanz 235 Irland 294, 401 Isaak 51, 138 Isaak II. Angelos (Ks. BR) 219, 235, 239, 243, 316 Isaak Komnenos (Ks. Zypern) 222 Isabella I. (Kg. Jerusalem) 175, 176, 185, 186, 222, 223, 224, 227, 234, 310, 327, 328, 330, 342 Isabella I. (Kg. Kastilien, León) 389, 390 Isabella II. (Kg. Jerusalem) 269, 317, 327, 342 Isabella von Armenien (Kg. Kleinarmenien) 326 Isabella von Beirut (Hr. Beirut) 342, 343, 344 Isabella von Burgund 313 Isabella von Frankreich (Hl.) 280 Isabella von Villehardouin (Fst. Achaia) 318, 319, 365 Isabellona (Nichte des Saliba) 134 Iskenderun siehe Alexandretta Israel (Staat), Israelis 12, 40, 42, 138, 402, 423 Ivo (Hl., Bf. Chartres) 66, 190, 191 Iwan Assen II. (Zar Bulgarien) 293, 316, 317 Izmit siehe Nikomedia Jadwiga (Hl., Kg. Polen) siehe Hedwig von Anjou Jaén 211
Namen- und Ortsregister Jaffa 106, 107, 117, 131, 134, 135, 167, 169, 190, 224, 225, 226, 227, 269, 278, 279, 286, 309, 311, 331, 340, 341, 342, 453 Jagiełło siehe Jogaila Jakob (Patriarch) 138 Jakob I. (Kg. Aragón) 256, 291, 303, 454 Jakob I. (Kg. Zypern) 363, 364 Jakob II. (Kg. Aragón) 297, 372 Jakob II. (Kg. Mallorca) 365 Jakob II. (Kg. Zypern) 363 Jakob IV. (Kg. Schottland) 391 Jakob Vidal 329 Jakob von Ibelin (Gf. Jaffa) 330 Jakob von Molay (Grm. Templer) 349, 351, 353 Jakob von Vitry (Bf. Akkon) 48, 49, 53, 54, 136, 137, 155, 272 Jakobus (Hl.) 194 James Sandilands 398 Jan Hus 384 siehe auch Hussiten Jan Žižka 384 Janus (Kg. Zypern) 363, 365, 383 Jerez de la Frontera 291 Jericho 117, 160 Jerusalem (Königreich) 40, 116, 127, 132, 133, 142, 148, 154, 158, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 169, 171, 174, 175, 176, 179, 185, 186, 191, 211, 222, 224, 227, 228, 232, 238, 265, 266, 268, 270, 279, 286, 300, 305, 307, 308, 311, 313, 316, 323, 324, 326, 327, 328, 329, 330, 331, 334, 336, 339, 341, 342, 343, 348, 364, 414, 423, 453 Jerusalem 33, 34, 36, 42, 43, 53, 58, 60, 63, 64, 65, 67, 68, 69, 70, 72, 73, 76, 77, 78, 80, 84, 86, 86, 98, 103, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 155, 159, 160, 162, 168, 169, 171, 172, 179, 181, 183, 184, 185, 186, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 203, 204, 207, 208, 210, 211, 214, 215, 216, 218, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 229, 232, 233, 245, 249, 254, 258, 259, 265, 267, 268, 269, 270, 272, 277, 278, 279, 280, 282, 302, 305, 306, 309, 323, 335, 348, 353, 377, 378, 383, 386, 387, 397, 408, 415, 416, 422, 453, 454
471
Jesreel-Ebene 192 Jesuiten 408 Jin-Dynastie (Nordchina) 290 Joachim (Hl.) 119 Jogaila (Jagiełło) (Gft. Litauen, Kg. Polen) 357 Johann Embriaco 342 Johann Hunyadi (Woiwode von Siebenbürgen) 385, 387 Johann I. von Ibelin (Hr. Beirut) 330, 331 Johann I. / II. (Kg. Zypern, Jerusalem) 344 Johann II. (Kg. Frankreich) 377 Johann II. (Kg. Zypern) 363 Johann II. Le Maingre gen. Boucicaut 348, 355, 382, 383, 457 Johann II. von Ibelin (Hr. Beirut) 331, 332, 334, 335, 336, 342 Johann Ohnefurcht (Hzg. Burgund, Gf. Nevers) 382 Johann Ohneland (Kg. England) 247, 250, 263 Johann Tristan (Gf. Nevers, Valois) 304 Johann von Anjou (Gf. Gravina, Fst. Achaia) 365, 366 Johann von Brienne (Kg. Jerusalem, Ks. Lat. Kaiserreich) 264, 265, 267, 268, 293, 316, 317, 327, 334, 336, 454 Johann von Gaurelle 364 Johann von Gent (Hzg. Lancaster) 380, 456 Johann von Grailly 308, 455 Johann von Ibelin (Gf. Jaffa) 311, 330, 331, 336, 339, 341 Johann von Ibelin (Hr. Arsuf) 330, 339 Johann von Joinville (Biograf Ludwigs IX.) 215, 282, 283, 286, 303, 305, 331 Johann von Lancaster (Hzg. Bedford) Johann von Luxemburg (Kg. Böhmen) 355, 368, 369 Johann von Montfort (Hr. Tyrus) 332, 343 Johanna I. von Anjou (Kg. Neapel, Fst. Achaia) 366 Johanna von England (Kg. Sizilien) 222, 225 Johanna von Toulouse (Gf.) 254 Johannes Arrabi 134 Johannes der Täufer 50, 118, 120, 121, 138 Johannes II. Komnenos (Ks. BR) 196, 197 Johannes III. Dukas Vatatzes (Ks. BR / Nicäa) 316, 317
472
Namen- und Ortsregister
Johannes IV. (orth. Pat. Antiochia) 129, 130 Johannes V. Palaiologos (Ks. BR) 371, 377 Johannes Capistranus (Hl.) 55, 387, 457 Johannes von Mantua 66 Johannes XXII. (Pap.) 353, 369, 370, 373, 374, 375 Johannes XXIII. (Gegenpapst) 384 Johannitzes siehe Kalojan Assen Joigny, Gf. von 278 Joinville 263 Jolante von Brienne siehe Isabella II. Jolante von Flandern (Ks. Lat. Kaiserreich) 316 Jonas (Prophet) 138 Jordan 129, 150, 177, 185, 186, 264 Joscelin I. von Courtenay (Fst. Galiläa, Gf. Edessa) 168, 183 Joscelin II. von Courtenay (Gf. Edessa) 180 Joscelin III. von Courtenay (Gf. Edessa) 176 Joscius (Ebf. Tyrus) 317 Juan de Austria, Don 400, 403, 404, 458 Juan Fernández de Heredia (Grm. Johanniter) 366 Judäa 144, 228, 403 Judentum, Juden 79, 83, 84, 85, 88, 128, 129, 138, 139, 140, 143, 151, 153, 154, 156, 200, 284, 373, 452, 453 Julian Garnier (Gf. Sidon) 340 Julius II. (Pap.) 391 Julius III. 395 Jutta von Bethanien siehe Ioveta Kadiköy 239 Kafarlatha 180 Kafartab 106 Kaffa (Feodossija) 338, 376, 456 Kafr Sabt 187 Kahramanmara siehe Mara Kai Chosrau I. (Stn. Rum) 326 Kai Kobad I. (Stn. Rum) 326 Kairo 57, 86, 106, 169, 185, 186, 278, 338, 365, 411 Kalabrien 297 Kalocsa, Ebf. von 264 Kalojan Assen (Johannitzes, Zar Bulgarien) 315, 316 Kanalinseln 277 Kanarische Inseln 346, 368, 390, 456
Kap Orlando 297 Kar Kanna 138 Karak 182, 266 Karaman 220 Karl der Große (Ks.) 210 Karl I. (Kg. Spanien) siehe Karl V. (Ks. HRR) Karl I. von Anjou (Kg. Sizilien) 294, 295, 296, 298, 300, 302, 303, 304, 305, 307, 308, 455 Karl II. von Anjou (Kg. Neapel) 318, 319, 328, 342, 343, 344 Karl III. (Kg. Neapel, Fst. Achaia) 366 Karl III. / VII. (Kg. Spanien, Neapel) 409 Karl IV. (Kg. Frankreich) 374, 380, 381, 382 Karl V. (Ks. HRR) 392, 394, 396, 399, 400, 401, 402, 403, 405, 406, 457, 458 Karl VI. (Kg. Frankreich) 348, 380, 381, 382, 348 Karl VIII. (Kg. Frankreich) 391 Karl Martell 414 Karl von Flandern (Gf.) 169 Karl von Salerno (Fst., Kg. Neapel) 296 Karl von Valois (Gf. Valois, Anjou, Ks. Lat. Kaiserreich) 296, 319, 372, 455 Karmeliten 141, 363, 376 Karthago 304 Kaspisches Meer Kastilien 211, 212, 291, 349, 367, 368, 380, 389, 406, 456 Katalonien, Katalanen 64, 151, 193, 209, 319, 320, 365, 366, 367 Katharer 48, 248, 252, 371 Katharina (Tochter des Saliba) 134 Katharina II. die Große (russ. Zarin) 410 Katharina von Courtenay (Ks. Lat. Kaiserreich) 372 Katharina von Siena (Hl.) 55, 207 Katharina von Valois (Ks. Lat. Kaiserreich) 366 Kayseri (Caesarea) 99 Kefalonia 312, 366 Kefken 317 Kerboga (Eroberer von Mossul) 100, 101, 102 Kerkyra siehe Korfu Khair ad-Din Barbarossa 399, 402 Kibotos 88 Kilidsch Arslan I. (Stn.) 97
Namen- und Ortsregister Kilikien 58, 98, 100, 115, 130, 134, 153, 182, 220, 310, 325, 326, 338, 342, 363, 365, 372, 374, 376, 378 Kilikische Pforte 99 Killini (Glarentza) 365 Kiptschaktürken siehe Türken Kleinarmenien 227, 288, 302, 309, 310, 326, 371 Kleinasien 56, 58, 69, 79, 88, 89, 96, 97, 99, 103, 106, 113, 183, 203, 204, 206, 208, 210, 219, 220, 265, 307, 312, 315, 316, 346, 359, 375, 378, 400 Kleve, Gf. von 355 Kohler, Charles 39 Koksen (Göksun) 99 Köln 83, 87, 257 Komana (Kappadokien) 99 Königsberg 290, 357, 360 Konrad III. (röm.-dt. Kg.) 200, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 210, 229 Konrad IV. (von Hohenstaufen) (Hzg. Schwaben, Kg. Jerusalem, Sizilien) 294, 295, 299, 327, 328, 336 Konrad von Masowien (Hzg.) 287, 288 Konrad von Montferrat (Mgf., Kg. Jerusalem) 217, 220, 223, 224, 226, 234, 280, 310, 322 Konrad von Wittelsbach (Ebf. Mainz) 325 Konradin (Hzg. Schwaben) 295, 327, 328 Konstantin XI. Palaiologos (Ks. BR) 379 Konstantin der Große (röm. Ks.) 121, 123, 125 Konstantin Koloman 181 Konstantinopel (Istanbul; Stadt) 35, 56, 63, 65, 78, 87, 88, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 101, 103, 106, 110, 111, 117, 122, 142, 162, 195, 203, 204, 205, 206, 215, 219, 235, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 276, 277, 279, 281, 282, 295, 302, 312, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 338, 339, 346, 377, 378, 379, 382, 383, 384, 386, 389, 390, 396, 397, 400, 401, 402, 406, 415, 453, 454, 455, 457 Konstantinopel, Lateinisches Kaiserreich von 276, 277, 228, 241, 279, 282, 241, 279, 282, 312, 315, 317, 318, 319, 339, 365, 372 Konstanz 358, 384 Konstanze (Fst. Antiochia) 174 Konstanze von Hohenstaufen (Kg. Aragón, Sizilien) 296
473
Konya (Iconium) 98, 111, 204, 205, 218, 219, 220 Kopten 128 Korfu (Kerkyra) 196, 239, 318 Korinth 367, 382; Golf von 403 Koroni 312, 379, 391, 399, 406 Korykos 365, 377 Kos 359 Köse Dai 337 Krak de Montréal siehe Schaubak Krak des Chevaliers 41, 116, 178, 188, 270, 287, 327, 340, 341 Krakau 357 Kreta 34, 222, 309, 312, 365, 389, 396, 403, 405, 406, 409, 457, 458 Ksar-el-Kebir (Alcácer-Quibir) 401 Kubeiba 151 Kulmer Land 288, 289, 357 Kuriat-Inseln 381 Kutaifat siehe 169, 172 Kykladen 312 Kyrenia (Girne) 336 La Forbie (Harbiyah) 148, 280, 324, 454 La Gomera 390 La Marche, Gf. von 223, 263, 381 La Noue, François de 396 La Valette, Jean de gen. Parisot (Gm. Malteser) 406, 407 Ladislaus (Kg. Neapel) 366 Lambert von Arras (Bf.) 76 Langres 199, 205 Languedoc 68, 247, 249, 250, 251, 252, 253, 257, 258, 263, 276, 277, 298, 320, 453 Laparelli, Francesco 407 Lapseki 376 Larnaka 364 Las Navas de Tolosa 253, 255, 256, 280, 368, 453 Latakia (Laodicea) 100, 105, 115, 118, 131, 340, 344, 383 Latrun 225 Lavedan, Vicomte von 193 Lavigerie, Charles-Martial (Krd.) 415, 416, 417, 418, 420, 425, 426, 458 Le Mans 60 Le Puiset 76
474
Namen- und Ortsregister
Le Puy 59, 60 Leibniz, Gottfried Wilhelm 34 Leicester 252 Łękno; Kloster 287 Lemnos 387, 405 Leo I. (Kg. Kleinarmenien) 309, 310, 325, 326 Leo IX. (Pap.) 66 Leo X. (Pap.) 391, 392 Leo XIII. (Pap.) 416, 417, 420, 458 León 255 Leonardinus (Neffe des Saliba) 134 Leonhard (Neffe des Saliba) 134 Leonhard von Limoges (Hl.) 195 Leopold V. (Hzg. Österreich) 226 Leopold VI. (Hzg. Österreich) 247, 265 Lepanto (Nafpaktos) 379, 391, 400, 403, 409, 458 Lérida 209 Lérins, Abtei 72 Lesbos 365, 379, 382, 399 Lettland 453 Levante 36, 40, 43, 45, 47, 53, 78, 79, 95, 115, 116, 117, 118, 127, 128, 131, 140, 141, 148, 152, 183, 184, 197, 208, 209, 211, 228, 233, 257, 296, 298, 300, 301, 307, 308, 314, 320, 321, 322, 324, 325, 338, 339, 343, 348, 351, 414, 416, 421, 422 Libanon 39, 134, 414, 415, 422 Liegnitz 291 Lille 386 Limassol 358, 364 Limoges 60, 110 Limousin 76, 192 Lissabon 201, 209, 452 Litani 150, 177 Litauen 290, 346, 354, 357, 363, 456 Livland (~ Lettland), Liven 244, 245, 246, 251, 259, 287, 289, 290, 352, 355, 358, 398 Lombardei 110, 254, 348, 369, 370 London 149, 172, 301, 392 Lothringen 73, 75, 76, 88, 90, 97, 204, 283, 284, 355 Louis-Philippe I. (Kg. der Franzosen) 412, 413 Lübeck 245; Bf. von 293 Lucca siehe Anselm II. (Bf. Lucca, Hl.) Lucera 295
Lucia von Segni (Fst. Antiochia) 342 Lucia von Tripolis (Gf.) 344 Lucius III. (Pap.) 249 Ludwig I. (Gf. Clermont, Hzg. Bourbon) 374, 375, 381, 383, 400 Ludwig II. (Hzg. Bourbon) 348, 381, 383, 400 Ludwig II. (Kg. Böhmen, Ungarn) 394 Ludwig IV. der Bayer (Ks. HRR) 369, 370, 456 Ludwig VII. (Kg. Frankreich) 198, 199, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 210, 211, 213, 229 Ludwig VIII. (Kg. Frankreich) 247, 253, 263 Ludwig IX. der Heilige (Hl., Kg. Frankreich) 55, 198, 207, 215, 233, 235, 236, 254, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 287, 292, 294, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 337, 339, 399, 411, 413, 424, 454, 455 Ludwig XII. (Kg. Frankreich) 391 Ludwig von Blois (Gf.) 104, 234, 241 Ludwig von Burgund (Fst. Achaia) 365 Lurcy-le-Bourg 119 Lusignan 223, 244, 363 Luther, Martin 50, 392, 394, 395 Lüttich 90 Lydda (Lod) 116, 136, 137 Lyon 55, 75, 110, 117, 272, 277, 282, 284, 291, 294, 295, 306, 307, 352, 455 Lyonnais 305 Ma‘arat an-Numan 104, 105, 109, 115, 180 Mâcon, Bf. von 276; Gf. von 378 Madrid 394, 395, 405 Magdeburg 190, 209, 289 Magnus II. Eriksson (Kg. Schweden, Norwegen) 353, 354, 456 Mahdia 67, 380, 381, 383, 400, 456, 458 Mahón 399 Mähren 385 Mailand 75, 110, 369, 384, 391, 456; Ebf. von 110 Maimbourg, Louis 34 Maine siehe Elias I. (Gf. Maine) Mainz 83, 85, 89, 218, 228 Makedonien 312, 316, 319, 378 Málaga 194, 211, 390 Malagón 255 Malatya 97, 118
Namen- und Ortsregister Malikschah (sld. Stn.) 86 Mallorca 291 Malta 35, 179, 362, 363, 396, 398, 406, 407, 408, 409, 410, 411, 416, 417, 457, 458 Mamluken 302, 303, 337, 338, 344, 345, 363, 364, 371, 372, 455 Manasses von Hierges 174 Manfred (Fst. Tarent, Kg. Sizilien) 295, 295 Manfred (Hzg. Athen) 366, 367 Manfredi (Familie) 369 Mani 318 Manolada 365, 456 Mantua 369, 388, 394, 457 Manuel I. (Kg. Portugal) 391 Manuel I. Komnenos (Ks. BR) 136, 203, 204, 205, 206 Manzikert 58 Maraclea (Maraqiya) 344 Maraqiya siehe Maraclea Mara (Kahramanmara) 99, 115 Marco Sanudo siehe Marcos I. Marcos I. (Hzg. Archipelagos) 312 Mardsch Uyun 182 Margarete von Antiochia 332 Margarete von der Provence (Kg. Frankreich) 207 Margarete von Lusignan (Kg. Kleinarmenien) 310 Margarete von Tyrus (Hr. Tyrus) 342 Margarete von Ungarn (Ks. BR) 243 Margat (Marqab) 188, 270, 309, 327, 340, 344, 373 Maria (Hl.) 118, 119, 127, 137, 143, 399 Maria Arrabi 134 Maria I. (Kg. England) 398 Maria Komnena (Kg. Jerusalem) 175, 176, 186, 223, 330, 331 Maria Magdalena (Hl.) 123, 125, 127 Maria von Antiochia 328, 342 Maria von Montferrat (Kg. Jerusalem) 310, 316, 327 Marienburg (Malbork) 12, 353, 354, 356, 357, 358, 360 Mariza (Evros) 378 Marken 161, 369 Markward von Annweiler (Hzg. Romagna) 246, 247, 453
475
Marmarameer 312, 316 Marmoutier, Abtei 108 Marokko 211, 368, 401, 455, 458 Maroniten 128, 134, 414, 416 Marrakesch 64 Marseille 192, 221, 222, 257, 258, 278, 284, 303 Martha (Hl.) 123 Martin IV. (Pap.) 296 Martin V. (Pap.) 384 Martin von Pairis (Abt) 274 Märtyrer 48, 66, 113, 147 Mas Latrie, Louis de 39 Mas Latrie, René de 39 Maskana 187 Masud al-Bursuqi, Izz ad-Din 180 Mathilda von Boulogne (Gf.) 170 Mathilde von Bourcq 170 Mathilde von England (Ks. HRR) 170 Mathilde von Hennegau (Fst. Achaia) 365 Mathilde von Rethel 171 Mathilde von Tuszien (Gf.) 65, 66, 67, 90 Matteo I. Visconti 369 Matthäus Paris 277 Maximilian I. (Ks. HRR) 391, 392 Mayer, Hans Eberhard 40, 140, 171 Medea 399 Mehmed II. (Stn. OR) 379, 389 Meister aus Ungarn 299 Mekka 186 Melilla 390 Melisendis (Kg. Jerusalem) 108, 120, 123, 127, 170, 171, 172, 174, 197 Melisendis von Lusignan (Fst. Antiochia) 328 Memel 290 Menorca 201, 399 Mentesche 360, 371, 375, 378 Mequinenza 209 Meran, Hrz. von 264 Mergentheim 398 Meriniden 292 Meron 138 Mers el-Kebir 390 Merzifon 111 Mesopotamien 182, 323, 338 Messina 132, 222, 228, 403; Straße von 222 Methoni 312, 379, 391, 404, 406 Metz 84, 205, 283
476
Namen- und Ortsregister
Mexiko 399 Mézenc 80 Michael VIII. Palaiologos (Ks. BR) 318, 338 Michaud, Joseph François 37, 38, 40, 413, 422 Miliana 399 Milon I. von Montlhéry (Hr. Bray) 72, 110 Mindaugas (Kg. Litauen) 354 Minden, Bf. von 293 Misis (Yakapýnar) 98, 99, 115, 130; Ebf. von 129 Mistra 318, 365 Mohács 394, 396 Mohammed (Prophet) 57, 273, 324 Moissac, Abtei 68 Molina siehe Alfons von León (Hzg. Molina) Monchy, Dominique de (le chevalier d’Hocquincourt) 410 Monemvasia 318, 396, 402 Mongolen 48, 283, 290, 291, 301, 302, 310, 317, 323, 337, 338, 340, 341, 348, 354, 371, 373, 376, 378, 379, 383, 454, 456 Monreal del Campo 212 Monreale 305 Montecassino, Abtei 71, 93 Montefeltro siehe Friedrich I. (Gf. Montefeltro) Montenegro 421 Montferrat 234 Montfort (Burg) 269, 288, 305, 340 Montgisard 144, 182, 453 Montlhéry (Familie) 76, 78, 167, 168, 170, 171, 172, 174, 196, 198 Montpèlerin siehe Tripolis Montserrat 399 Morea siehe Peloponnes Moritz von Porto (päp. Legat) 131, 132 Morphia von Melitene (Kg. Jerusalem) 172 Mossul 56, 100, 139, 153, 179, 180, 181, 182, 183 Muhammad an-Nasir (almohadischer Kal.) 255 Muisse Arrabi (Ritter in Jaffa) 134 Münster 293 Murad I. (Stn. OR) 378 Murad II. (Stn. OR) 379, 386 Murcia 194, 292 Muret 253, 454 Muret, Marc Antoine 403
Mytilene 387 Nablus 117, 138, 140, 155, 160, 165, 169, 174, 185, 187, 264 Nafplio 369, 402 Nahr al-Kalb («Hundefluss») 106 Namur, Gf. von 90 Nancy 75, 416 Napoleon Bonaparte (Ks. der Franzosen) 409, 410, 411, 412, 458 Napoleon III. (Ks. der Franzosen) 414 Navarra 366 Naxos 312 Nayme (Schwester des Saliba) 134 Nazareth 127, 137, 141, 148, 264, 269, 309, 329, 340 Neapel (Königreich) 296, 365, 369, 372, 375, 379, 380, 389, 391, 392, 400 Neapel (Stadt) 295, 296, 391, 403, 412 Nelson, Lord Horatio 411 Nerio I. Acciaiuoli (Hzg. Athen) 367 Nessebar 346, 377 Neutra (Nitra) 88 Nevers 263, 278, 279, 381 Newski, Alexander (Fst. Nowgorod) 290 Nicäa (Iznik) 77, 88, 94, 96, 97, 106, 108, 109, 204, 205, 206, 293, 312, 314, 315, 316, 317, 318, 378 Nicholas Sabraham 346 Niederlande, Niederländer 209, 264, 293, 298, 381, 397, 398, 401 Niederlothringen siehe Gottfried von Bouillon Niklot (Fst. der Wenden) 209 Nikolaus (Neffe des Saliba) 134 Nikolaus IV. (Pap.) 299, 352 Nikolaus V. (Pap.) 386, 387 Nikolaus von Köln 257, 258 Nikomedia (Izmit) 111 Nikopolis (Nikopol) 378, 382, 383, 385, 457 Nikosia 311, 335, 363, 364, 365, 403 Niksar 111 Nil 181, 184, 185, 228, 233, 238, 265, 266, 267, 285, 377 Nîmes 60, 75 Niš 87, 204, 386 Nivelo von Fréteval 80, 81 Nizam al-Mulk (Wesir) 86
Namen- und Ortsregister Nizar (Fatimidenprinz) 57 Nizariten siehe Assassinen Nordafrika 43, 47, 53, 56, 64, 209, 211, 291, 292, 305, 348, 368, 390, 395, 396, 397, 398, 400, 401, 403, 404, 406, 422, 456, 457 Normandie, Normannen 63, 76, 91, 107, 130, 161, 170, 190, 194, 196, 202, 204, 217, 351, 452 Norwegen 353, 398 Norwich, Bf. von 456 Nowgorod 246, 353 Nur ad-Din (Stn. Aleppo, Damaskus) 180, 181, 182, 183, 185, 208, 337, 338, 453 Nürnberg 40, 385 Oder 212 Odo I. (Hzg. Burgund) 110 Odo von Burgund (Gf. Nevers; Hr. Bourbon) 104 Odo von Champlitte (Vct. Dijon) 313 Odo von Châteauroux (Krd., Bf. Tusculum) 283 Odo von Grandson 308, 374, 455 Odo von Montbéliard 278 Ögedei Khan 291 Oleguer von Tarragona (Hl., Ebf., päp. Legat) 193, 194 Oliver von Paderborn (Bf.) 264, 265 Olmütz siehe Heinrich II. Zdik (Bf. Olmütz) Oran 390, 109 Orhan I. (Stn. OR) 378 Orléans 142 Orontes 100, 102, 150, 177 Orschowa (Or‘ova) 381 Orsini (Familie) 366 Ösel (Saaremaa) 245, 453 Osman I. (Stn. OR) Osmanisches Reich, Osmanen 43, 319, 360, 362, 367, 371, 378, 379, 382, 383, 384, 385, 386, 389, 391, 394, 396, 401, 402, 404, 405, 410, 414, 421, 457, 458 Osnabrück 293 Österreich 264, 355, 409, 410 Ostia 59 Ostsee 43, 47, 246, 259, 287, 289, 293, 358, 410, 420, 454 Otranto 269, 389, 457
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Ottaviano degli Ubaldini (Krd.) 295 Otto III. (Mgf. Brandenburg) 235, 290 Otto IV. (Ks. HRR) siehe Otto von Braunschweig Otto (junger Gelehrter) 258 Otto de la Roche (Hr. Athen) 318 Otto von Braunschweig 263 Otto von Freising (Bf.) 210 Ottokar II. Pœemysl (Kg. Böhmen) 290 Ouargla 418 Paderborn 293 Palästina 33, 35, 40, 48, 56, 68, 78, 79, 85, 86, 89, 90, 95, 104, 108, 110, 111, 113, 116, 117, 119, 123, 128, 129, 130, 132, 133, 134, 136, 137, 140, 141, 142, 146, 147, 148, 149, 151, 152, 155, 157, 160, 161, 162, 163, 165, 168, 170, 171, 177, 187, 196, 197, 214, 216, 217, 220, 222, 224, 225, 227, 228, 229, 231, 232, 233, 236, 237, 251, 254, 256, 257, 259, 264, 268, 269, 270, 276, 277, 278, 279, 281, 283, 285, 286, 288, 293, 294, 296, 297, 299, 300, 301, 303, 305, 305, 306, 307, 308, 309, 311, 313, 317, 320, 321, 323, 328, 329, 330, 332, 335, 336, 337, 343, 345, 348, 354, 371, 372, 373, 411, 414, 415, 422, 453 Palermo 297, 305 Pannonhalma 88 Paphos 364 Paris 142, 253, 254, 257, 281, 282, 285, 299, 303, 304, 305, 313, 349, 352, 368, 374, 454; Bf. von 280; Nikolauskapelle 281; NotreDame, Kathedrale von 285, 305; SainteChapelle 282, 285; Saint-Germain-desPrès 375 Parma 305 Paschalis II. (Pap.) 67, 110, 131, 133, 190, 193, 195 Passavas 409 Patras 409; Golf von 403 Paul III. (Pap.) 399, 402 Paul IV. (Pap.) 396, 400, 402 Paul von Segni (Bf. Tripolis) 342 Paulus (Hl.) 50, 51, 194, 213, 231 Pedro Bordo de San Superano (Fst. Achaia) 366 Peipussee 290, 454
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Namen- und Ortsregister
Pelagius von Albano (Krd.) 265, 266, 267 Pelagonien 318 Peloponnes 295, 312, 313, 318, 319, 365, 366, 367, 378, 379, 384, 402, 404, 405, 406, 409; Peńon de Argel (Inselfestung) 390, 399 Pera 339 Perpignan 297 Persischer Golf 338 Peter Arrabi 134 Peter Bartholomäus 106 Peter der Emerit 76, 84, 87, 88, 89 Peter Dubois 348 Peter Fernandez (Infant von Aragón) 303 Peter I. (Kg. Kastilien) 368 Peter I. (Kg. Zypern) 233, 363, 364, 377, 378, 383, 456 Peter II. (Kg. Aragón) 252, 253, 255 Peter II. (Kg. Zypern) 363, 364 Peter III. (Kg. Aragón, Sizilien) 296 Peter Pillart 297 Peter Thomas (Hl., lat. Pat. Konstantinopel) 363, 376 Peter von Angoulęme (lat. Pat. Antiochia) 326 Peter von Blois 214 Peter von Capua (Krd., päp. Legat) 236, 237 Peter von Castelnau (päp. Legat) 250, 252, 453 Peter von Courtenay (Ks. Lat. Kaiserreich) 316 Peter von Dreux (Peter Mauclerc, Hzg. Bretagne) 276, 277, 278 Petrus (Hl.) 50, 64, 66, 194, 196, 213, 214, 230, 231, 404, 420 Petrus Venerabilis (Abt Cluny) 54, 194, 271 Philadelphia (Alaehir) 219 Philibert von Naillac (Grm. Johanniter) 382 Philipp de Villiers de l’Isle-Adam (Grm. Johanniter) 362 Philipp I. (Kg. Frankreich) 195 Philipp II. (Kg. Spanien) 395, 396, 400, 403, 458 Philipp II. August (Kg. Frankreich) 217, 218, 221, 222, 223, 224, 226, 228, 229, 230, 235, 250, 253 Philipp II. von Tarent (Fst. Achaia, Ks. Lat. Kaiserreich) 319, 365, 366, 373 Philipp III. (Kg. Navarra) 368 Philipp III. der Gute (Hzg. Burgund) 386
Philipp III. der Kühne (Kg. Frankreich) 296, 297, 304, 305, 306 Philipp IV. der Schöne (Kg. Frankreich) 307, 319, 344, 353, 371, 374 Philipp V. (Kg. Frankreich) 370, 374 Philipp VI. (Kg. Frankreich) 368, 374, 375, 376 Philipp von Anjou 318 Philipp von Antiochia (Kg. Kleinarmenien) 326 Philipp von Aubigny (Philip Daubeny) 277 Philipp von Bar 381 Philipp von Courtenay (Ks. Lat. Kaiserreich) 317 Philipp von Elsass (Gf. Flandern) 185, 210, 211, 215, 217, 453 Philipp von Ibelin (Bailli von Zypern) 331, 334 Philipp von Ibelin (Hr. Arsuf) 363 Philipp von Mézières 348, 383 Philipp von Montfort 336 Philipp von Novara 330 Philipp von Savoyen (Fst. Achaia) 319 Philipp von Schwaben (Hzg., röm.-dt. Kg.) 235, 237, 243 Philippa von Toulouse (Hzg. Aquitanien) 92 Piacenza 56, 58, 59, 63, 452 Piemont 371, 455 Pinto de Fonseca, Manuel (Grm. Malteser) 409 Pisa, Pisaner 67, 75, 117, 179, 193, 194, 247, 320, 322, 339, 380, 452 Pius II. (Pap.) 13, 387, 388, 389, 457 Pius IV. (Pap.) 400, 402 Pius V. (Hl., Pap.) 397, 403 Plaisance von Antiochia (Kg. Zypern) 328, 331, 339 Pleskau (Pskow) 290 Plovdiv 204, 219, 378 Poitiers 60, 110, 195, 349, 377 Poitou 223 Pole, Reginald (Krd.) 395 Polen 47, 201, 290, 291, 294, 354, 357, 358, 385, 405, 456 Pommern 212, 355, 357 Pons von Toulouse (Gf.) 92 Pons von Tripolis (Gf.) 163, 169 Pont-Echanfray 76
Namen- und Ortsregister Porto 209 Portugal 43, 63, 201, 212, 221, 255, 259, 349, 359, 400 Poujoulat, Jean-Joseph 413 Prag 84 Prawer, Joshua 39, 40, 42, 164 Preußen 43, 179, 245, 287, 288, 289, 290, 346, 347, 349, 352, 354, 355, 358, 359, 360, 362, 381, 383, 417, 454, 455 Preveza 402 Provence 76, 139, 192, 258, 287, 298, 320, 383 Prußen 289, 290, 357 Prutz, Hans 39 Pskow siehe Pleskau Pueblo (Colorado) 404 Pugin, Augustus 413 Pylos (Navarino) 391, 404 Pyrenäen 213, 253, 368 Qal’at al-Mudiq (Apamea) 185 Qalawun (Stn. Ägypten) 342, 344, 345 Quseir 188 Qutb, Sayyid 423 Qutuz siehe Saif ad-Din Qutuz Rabigh 186 Radulf der Zisterzienser 200 Radulfus Niger 250 Rafaniya 106 Ragusa (Dubrovnik) 386 Raimbaut von Vaqueiras (Troubadour) 238 Raimbold Croton 190, 191 Raimund Babin 364 Raimund Berengar I. (Gf. Barcelona) 92 Raimund Berengar III. (Gf. Barcelona) 193 Raimund II. Ruben (Fst. Antiochia) 325, 326 Raimund III. (Gf. Tripolis) 142, 176, 181, 185, 186, 187, 325, 332 Raimund IV. (Gf. Toulouse, Tripolis) 59, 92, 93, 95, 96, 97, 98, 101, 102, 104, 105, 106, 107, 111, 112, 116, 117, 118, 129, 162, 223 Raimund V. (Gf. Toulouse) 217 Raimund VI. (Gf. Toulouse) 250, 251, 252, 253 Raimund VII. (Gf. Toulouse) 253, 254 Raimund Roger (Gf. Foix) 249 Raimund Roger Trencavel (Vct. Albi, Béziers, Carcassonne, Razès) 252
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Raimund Serrat (Abt Fitero) 212 Raimund von Peńafort 262 Raimund von Poitiers (Fst. Antiochia) 141 Raimund von Toulouse siehe Raimund IV. (Gf. Toulouse, Tripolis) Rainald (ital. Adliger) 88 Rainald Garnier (Gf. Sidon) 332 Rainald von Châtillon 185, 186 Rainald von Montmirail 234 Rainer von Montferrat 234 Ramla 106, 116, 117, 129, 160, 309, 331 Raschid ad-Din Sinan 258 Ratzeburg, Bf. von 293 Ravanda 98, 99, 129 Razès 252 Regensburg 84, 204, 205, 218 Reggio Emilia 305 Reims 59, 90, 282, 351 Reval (Tallinn) 246 Rey, Emmanuel 39, 40 Rhein 410 Rheinland 42, 80, 87, 88, 209, 257, 258, 452 Rhodos 43, 179, 222, 346, 349, 353, 358, 359, 360, 362, 363, 371, 372, 373, 375, 376, 379, 380, 382, 383, 389, 391, 394, 396, 402, 403, 406, 407, 408, 409, 411, 413, 417, 455, 457 Rhone 59 Riant, Paul 39 Richard Filangieri (Hofmarschall HRR) Richard I. Löwenherz (Kg. England) 35, 36, 217, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 229, 230, 310, 414, 415, 424, 453 Richard II. (Kg. England) 380, 381 Richard von Cornwall (Gf. Cornwall, Poitou) 279, 280, 294, 331, 454 Ridwan von Aleppo 195 Riga 245, 246, 352 Robert der Mönch (Reims) 114, 189 Robert Guiskard (Hzg. Apulien) 91, 414 Robert I. von Flandern (Gf.) 195 Robert II. (Hzg. Normandie) 93, 95, 96, 106, 107, 116, 119, Robert II. von Flandern (Gf.) 67, 93, 95, 96, 97, 99, 100, 105, 107, 214 Robert von Anjou (Kg. Neapel) 365 Robert von Artois (Gf.) 285 Robert von Clary 240
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Namen- und Ortsregister
Robert von Courçon (Krd., päp. Legat) 263 Robert von Courtenay (Ks. Lat. Kaiserreich) 278, 316 Robert von Courtenay (Mundschenk des Kg. von Frankreich) 278 Robert von Paris (päp. Legat) 132 Robert von Rouen (Bf. Lydda) 116 Robert von Tarent (Fst. Achaia) 291 Robertson, William 34, 36 Rodez, Gf. von 263 Rodrigo Borgia (Krd.) 390; siehe auch Alexander VI. (Pap.) Roger Bernard III. (Vct. Castelbon) 368 Roger Borsa (Hzg. Apulien) 91 Roger I. (Gf. Sizilien) 63, 132 Roger II. (Gf., Kg. Sizilien) 194, 202, 203, 204, 205, 208 Roger Stanegrave, Sir 373 Roger von Salerno (Regent von Antiochia) 184, 196 Roger von San Severino (Gf.) 343 Röhricht, Reinhold 39 Rom 59, 63, 68, 69, 75, 90, 93, 132, 133, 134, 135, 142, 191, 193, 217, 236, 237, 238, 240, 244, 245, 255, 257, 262, 267, 275, 281, 294, 295, 297, 302, 306, 307, 308, 316, 342, 349, 358, 369, 370, 371, 380, 381, 386, 389, 390, 391, 394, 395, 399, 404, 409; Engelsburg 390; Lateranpalast 68; Petersdom / Basilika von St. Peter 389, 404; Vatikan 390 Romagna 369 Romano, Alberico da 295 Romanos IV. Diogenes (Ks. BR) 58 Ronda 390 Rorgo Fretellus 141 Rosette-Arm (Nildelta) 238 Rotes Meer 177, 182, 184, 186 Roussillon (Region) 351 Rudolf von Habsburg (Gf., Hzg. Österreich, Kg. HRR) 290, 307 Rudolf von Saint-Omer (Fst. Galiläa) 330, 331, 332, 334 Ruffo, Fabrizio (Krd.) 411 Rügen 212 Rumänien 381, 421 Rumseldschuken 97, 180, 181, 183, 218, 326, 337
Runciman, Sir Steven 36, 39 Russland 48, 290, 346, 354, 358, 410, 421, 456 Sabäer 154 Sachsen 201 Safed (Tzefat) 138, 148, 149, 267, 278, 287, 340, 341 Saff uriya (Zippori, Sepphoris) 186 Sagrajas siehe Zallaqa Sahara 417, 418 Saif ad-Din Qutuz (Stn. Ägypten) 338 Saint-Chaff re-du-Monastier (Le Monastiersur-Gazeille), Abtei 80 Saint-Denis, Abtei 205, 221, 257, 285, 305 Saint-Gilles, Abtei 59, 60, 251 Saint-Jean-en-Vallée, Abtei 119 Saint-Nicholas, Abtei 82 Saint-Sabas 339, 455 Saint-Valery 76 Saladin (Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub adDawînî; Stn. Ägypten und Syrien) 35, 36, 37, 123, 138, 181, 182, 185, 186, 187, 188, 192, 215, 219, 220, 224, 225, 226, 227, 232, 247, 254, 323, 329, 340, 415, 421, 422, 453 Salado 368, 369, 456 Salé 292 Saleph (Göksu) 220 Salerno 297 Saliba 134, 153 Salisbury, Gf. von 368 Salvatierra 255, 257 Samaria 107, 137, 165, 167 Samaritaner siehe Judentum, Juden Samosata (Samsat) 98 Samothrake 387 San Germano (Cassino) 268 Sancerre 220, 278 Sancho I. (Kg. Portugal) 254 Sancho III. (Kg. Kastilien) 212 Sancho VII. (Kg. Navarra) 255 Sandilands, Sir James (Johanniter) 398 Santa Fe 390 Santarém 201, 209 Santiago de Compostela 69 Saphadin siehe Al-Adil I. Saragossa (Zaragoza) 193, 194, 212, 452 Sardinien 295, 304, 409
Namen- und Ortsregister Save 87 Savoyen 305, 403 Schadschar ad-Durr 337 Schaizar 106 Schaubak 266 Schirkuh (Wesir) 181 Schleswig siehe Waldemar Knudsen (Pr. Dänemark, Bf. Schleswig, Ebf. Bremen) Schottland 294, 348, 398 Schwaben 88 Schwarzes Meer 317, 338, 339, 372, 376, 377, 378, 386 Schweden 246, 287, 293, 353, 397, 398 Schweiz 39, 410 Scott, Ridley 36 Scott, Sir Walter 35, 36, 37, 421, 422 Sebaste (Samaria) 137, 138 Sebastian I. (Kg. Portugal) 401, 458 See Genezareth 150, 160, 184, 186, 264 Sées, Bf. von 276 Segovia 211 Seldschuken siehe Türken Selim I. (Stn. OR) 362, 379, 392 Selim II. (Stn. OR) 396 Senglea 409 Sens 281; Ebf. von 351 Serbien 191, 218, 379, 421 Serres 316 Sestos 204 Setenil 390 Settedar (Schwägerin des Saliba) 134 Setton, Kenneth 39, 404 Sevilla 291, 292, 368 Sibylle von Anjou (Gf. Flandern) 214 Sibylle von Jerusalem (Kg.) 175, 176, 185, 186, 217, 220, 222, 223, 234, 327 Sibylle von Lusignan (Kg. Kleinarmenien) 310 Sidon 129, 133, 136, 166, 183, 184, 187, 191, 223, 224, 228, 264, 269, 278, 287, 288, 331, 333, 340, 345, 383 Siebenbürgen 385, 405 Siegfried von Feuchtwangen (Hm.) 354 Sierra de Segura 291 Sigebert von Gembloux 66, 67 Sigismund I. (Kg. Polen) 402 Sigismund von Luxemburg (Kg. Ungarn, Ks. HRR) 381, 384, 385
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Sigurd I. (Kg. Norwegen) 191, 414 Silivri 91 Silpius 100, 101 Silves 254 Simeon II. (orth. Pat. Jerusalem) 129 Simon IV. von Montfort (Gf. Leicester) 234, 237, 238, 252, 253, 277 Simon V. von Montfort (Gf. Leicester) 279, 303 Simon der Aussätzige 123 Simon von Joinville 215, 286 Simon von Tyrus (Ebf.) 263 Sinai 49, 186; Ebf. von 136 Sixtus IV. (Pap.) 389 Sizilien, Sizilianer 63, 161, 191, 202, 203, 217, 222, 227, 228, 233, 235, 247, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 305, 307, 308, 318, 319, 365, 366, 367, 372, 380, 400, 403, 408, 409, 455 Smail, Raymond C. (Otto) 40, 42 Smyrna (Izmir) 346, 359, 360, 376, 389, 456, 457 Soissons 234, 235 Soldaia (Sudak) 338 Sozopol 377 Spanien 53, 56, 63, 64, 66, 78, 129, 194, 196, 202, 211, 247, 251, 254, 255, 257, 259, 291, 292, 296, 346, 348, 368, 381, 391, 400, 403, 409, 413, 414, 415, 454, 455 Speyer 83, 85, 200 Split (Split) 264 Spoleto 396 St. Simeon (Samanda) 99 Stade siehe Hartwig I. (Gf. Stade, Ebf. Bremen) Stedinger Land 293, 454 Stenay 90 Stephan (Bruder des Saliba) 134 Stephan von Blois (Gf.) 93, 95, 96, 97, 101, 104, 110, 111, 112, 170 Stephan von Blois (Kg. England, Gf. Boulogne) 170 Stephan von Burgund (Gf. Mâcon und Vienne) 110, 112 Stephan von Chartres (Abt Saint-Jean-enVallée, Pat. Jerusalem) 119, 170, 171 Stettin 209 Stukeley, Sir Thomas 401
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Namen- und Ortsregister
Suarez, Francisco 52 Suff ren, Pierre André de 410 Sulaiman II. (Stn. Rumseldschuken) 326 Süleyman I. der Prächtige (Stn. OR) 362, 363, 379, 392, 396, 401 Sürüc 98, 180 Sutri siehe Bonizo (Bf. Sutri) Syrien 33, 36, 39, 41, 56, 57, 78, 79, 86, 97, 103, 106, 112, 128, 129, 130, 133, 136, 137, 140, 141, 157, 174, 177, 178, 180, 181, 182, 185, 187, 193, 196, 207, 208, 220, 265, 266, 297, 300, 303, 308, 309, 320, 321, 322, 323, 337, 338, 340, 345, 363, 364, 378, 392, 414, 415 Tabor 264 Täbris 338 Tachau (Tachov) 384 Tagliacozzo 295, 297, 455 Taima 186 Tallinn siehe Reval Tamerlan siehe Timur Lenk Tana (Asow) 338 Tanganjikasee 417 Tanger 401 Tankred (Regent von Antiochia) 92, 95, 96, 97, 98, 99, 106, 107, 115, 116, 117, 132, 160, 162, 184 Tankred von Lecce (Gf., Kg. Sizilien) 222 Tannenberg 357, 457 Tarent 247 Tarifa 386 Tarragona 64; Ebf. von 64, 193 Tarsus 56, 98, 99, 112, 115, 130; Ebf. von 129 Tartus (Tortosa in Syrien) 112, 116, 133, 162, 174, 188, 190, 327, 344, 345 Tatikios 94, 103 Taurusgebirge 99 Tayyibiten 57 Tedaldo Visconti 306 Tell al-Hara 182 Tell Baschir (Turbessel) 181 Tell Danith 184 Temüdschin siehe Dschingis Khan Tenedos (Bozcaada) 405 Tenes 399 Teruel 194 Theobald I. (Gf. Bar) 234
Theobald III. (Gf. Champagne) 234 Theobald IV. (Kg. Navarra, Gf. Champagne) 276, 277, 278, 279, 280 Theodoros I. Angelos Komnenos (Despot von Epirus byz. Gegenkaiser) 316, 317 Theodoros I. Laskaris (Ks. BR / Nicäa) 315, 316, 326 Theodoros I. Palaiologos (Despot von Mistra) 367, 382 Thessalien 312, 316, 317, 319 Thessaloniki 92, 93, 312, 316, 379 Thibaut von Ploasme 82, 454 Thomas Becket (Hl., Ebf. Canterbury) 179, 211 Thomas Morosini (lat. Pat. Konstantinopel) 314 Thomas Olivier siehe Oliver von Paderborn Thomas Palaiologos (Fst. Achaia, Despot von Mistra) 366 Thomas Totty von Thoroldeby 352 Thomas von Aquin (Hl.) 52, 55, 113 Thomas von Marle (1073–1130) 89 Thomas von Marle (gest. 1252 / 53) 277 Thomasinus (Neffe des Saliba) 134 Thoros (Fst. Edessa) 98 Thoros III. (Kg. Kleinarmenien) 310 Thrakien 92, 219, 277, 312, 315, 316, 317, 319, 378, 392 Tiberias 117, 137, 139, 160, 185, 186, 187, 208, 278 Tibnin 185 Timur Lenk (Tamerlan) 376, 379, 383, 457 Tinnis 267 Tlemcen 399 Toledo 63, 193, 212, 255, 369 Tolosa 255 Toron 228, 267, 269, 335, 341 Tortosa (Spanien) 201, 209 Tortosa (Syrien) siehe Tartus Toskana 370 Toulouse 92, 249, 252, 253, 254 Tours 60, 108 Transjordanien 166, 169, 172, 177, 182, 185, 278, 323 Trapani 296, 305 Trapezunt 315, 338, 379 Treviso, Mark 295
Namen- und Ortsregister Trient 394 Trier 84 Tripolis (Libanon) 106, 116, 118, 133, 134, 141, 161, 162, 163, 168, 174, 178, 179, 180, 182, 183, 186, 187, 188, 217, 220, 270, 278, 299, 302, 307, 308, 309, 320, 323, 325, 326, 327, 342, 344, 383, 455 Tripolis (Libyen) 202, 390, 400, 406, 407, 410, 457, 458 Trollope, Anthony 412 Troyes 146, 201 Tughrul (sld. Stn.) 57, 58 Tunesien, Tunesier 304, 305, 380, 409 Tunis 202, 297, 301, 304, 399, 400, 401, 413, 418, 457, 458 Turanschah (Stn. Ägypten) 337, 338 Turghut Ali (Dragut) 400 Türken 34, 36, 56, 57, 58, 63, 65, 86, 87, 98, 106, 112, 118, 179, 206, 220, 288, 337, 347, 358, 360, 362, 366, 371, 375, 376, 377, 378, 379, 381, 384, 385, 386, 387, 388, 389, 391, 393, 394, 395, 396, 397, 398, 399, 400, 401, 402, 403, 404, 405, 406, 413, 414, 417, 421, 425, 457 Turkmenen 56, 57, 58 Turkopolen 104, 179 Tusculum siehe Odo von Châteauroux (Krd., Bf. Tusculum) Tyrus 106, 133, 138, 153, 154, 155, 158, 165, 167, 169, 178, 183, 186, 197, 217, 220, 224, 226, 227, 228, 320, 321, 331, 335, 336, 339, 344, 345 Tzefat siehe Safed beda 211, 255 Uexküll (Ikíile) 244, 245 Ukraine 290, 354 Uludsch Ali Reis (osman. Admiral) 400 Ungarn 47, 87, 88, 203, 204, 218, 236, 239, 262, 264, 265, 277, 288, 291, 293, 294, 354, 379, 381, 385, 387, 391, 395, 399, 401, 402, 405, 456, 457 Unur (türkischer Herr von Damaskus) 181 Urban II. (Pap.) 55, 56, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 67, 69, 70, 71, 72, 73, 75, 76, 77, 84, 89, 92, 93, 108, 110, 117, 130, 194, 197, 198, 202, 213, 229, 320, 411, 452
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Urban III. (Pap.) 216 Urban IV. (Pap.) 290, 295, 302 Urban V. (Pap.) 377 Urban VI. (Pap.) 380 Usama ibn Munqidh 12, 139 Usküdar (Scutari) 239, 378 Valbette, Marquis de 410 Valence 110 Valencia 194, 291 Valletta 407, 408, 409, 410, 411 Valois 368 Valona (Vlora) 196 Varna 379, 386, 457; siehe auch Wladislaus von Varna (Kg. Ungarn) Vatikan siehe Rom Vaudémont siehe Hugo I. (Gf. Vaudémont) Venedig, Venezianer 127, 179, 196, 197, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 264, 281, 309, 312, 314, 315, 317, 318, 320, 321, 322, 338, 339, 343, 344, 354, 363, 364, 367, 369, 375, 376, 377, 379, 382, 384, 386, 388, 389, 390, 391, 392, 396, 402, 403, 404, 405, 455 Verden 293 Verdun, Bf. von 90; Grafschaft 90 Vernet, Horace 413 Verona 249 Vertot, René de 35 Vexin siehe Alix von Frankreich (Gf. Vexin) Vézelay 199, 218, 221, 222 Vienne 350, 374 Vignolo de’ Vignoli 258 Viktor II. (Pap.) 92 Viktor III. (Pap.) 59 Vilches 255 Villeneuve-l’Archevęque 281 Vincennes 281 Viollet-le-Duc, Eugène 413 Visconti (Familie) 369, 370 Vista (Nichte des Saliba) 134 Viterbo 198, 306 Vitoria, Francisco de 52 Vittoriosa 409 Vogüé, Melchior de 39 Voltaire (François-Mari Arouet) 34
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Namen- und Ortsregister
Wadi Araba siehe Aravasenke Wadi Faliq 165 Walachei 385 Waldemar Carpenel (Hr. Hebron, Jericho) 117, 160 Waldemar I. (Kg. Dänemark) 211 Waldemar II. (Kg. Dänemark) 245, 246 Waldemar Knudsen (Pr. Dänemark, Bf. Schleswig, Ebf. Bremen) 247 Waldenser 248 Wallonen 355 Walter III. (Gf. Brienne) 247 Walter Sans-Avoir («der Habenichts») 87, 88, 89 Walter V. (Gf. Brienne, Hzg. Athen) 319 Walter von Plettenberg (Landmeister des Deutschen Ordens in Livland) 358 Welf IV. (Hzg. Bayern) 110, 111, 112 Wenden 48, 190, 201, 209 Werner von Grez (Gf.) 117 Wernher von Kyburg (Gf.) 277 Wesseli 84 Wibald von Stablo (Abt Corvey) 203 Wien 204, 396, 398, 401, 405, 457, 458 Wieselburg 88 Wilhelm Embriaco 342 Wilhelm I. der Große (Gf. Burgund) 76, 192 Wilhelm I. von Bures (Fst. Galiläa) 168, 170, 171 Wilhelm I. / III. (Hzg. Geldern, Jülich) 255 Wilhelm II. (dt. Ks.) 36, 421, 422 Wilhelm II. (Kg. England) 190 Wilhelm II. (Kg. Sizilien) 217, 222 Wilhelm II. von Villehardouin (Fst. Achaia) 295, 318, 365 Wilhelm IV. (Gf. Holland) 355 Wilhelm V. (Gf. Jülich) 368 Wilhelm IX. (Hzg. Aquitanien und Gascogne) 110, 111, 112, 114 Wilhelm von Beaujeu (Grm. Templer) 343, 373 Wilhelm von Champlitte (Fst. Achaia) 313, 318
Wilhelm von Holland (röm.-dt. Gegenkönig) 294 Wilhelm von Melun («der Zimmermann») 89 Wilhelm von Mesen (Pat. Jerusalem) 172 Wilhelm von Montferrat (Gf.) 176, 223, 234 Wilhelm von Nevers (Gf.) 110, 111, 112 Wilhelm von Ploasme 82 Wilhelm von Saint-Pathus 282 Wilhelm von Salisbury (Gf.) 279 Wilhelm von Tyrus (Ebf., Kanzler von Jerusalem, Chronist) 141, 142, 171, 172, 175 Wilhelm von Valence (Gf. Pembroke) 373 Wilhelm-Jordan (Gf. Cerdagne, Tripolis) 162 Wilken, Friedrich 35 Winchester siehe Henry Beaufort (Krd., Bf. Winchester päp. Legat) Winrich von Kniprode (Hm.) 357 Wladislaus von Varna (Kg. Ungarn) 386 Władysław II. Jagiełło siehe Jogaila Worms 83, 85, 205, 227 Würzburg 228; Bf. von 197; Chronist 209 Yakapınar siehe Misis Ya‘qub al-Mansur (almohadischer Kal.) 254 Yaqut ar-Rumi (Geograf) 138 Yenişehir 100 Yorkshire 373, 383 Ypern 380 Zacharias (Hl.) 120 Zadar 236, 237, 239, 252 Zahara 390 Zakynthos (Zante) 366 Zallaqa (Sagrajas) 64 Zemun 87 Zengi (Emir von Aleppo und Mossul) 180, 198, 2088 Zerdan 180 Zweistromland siehe Mesopotamien Zypern 33, 129, 140, 184, 190, 222, 223, 226, 227, 236, 269, 284, 285, 299, 304, 310, 311, 312, 315, 328, 330, 331, 334, 335, 336, 337, 338, 342, 344, 345, 346, 349, 352, 358, 363, 364, 365, 372, 375, 376, 377, 379, 383, 396, 403, 411, 453, 456, 458
Über den Inhalt Kreuzzüge sind nicht nur die Kriegszüge im Nahen Osten, die vom 11. bis 13. Jahrhundert von Westeuropa aus zur Eroberung oder Verteidigung Jerusalems unternommen wurden. Kreuzzüge haben bis weit in die Neuzeit hinein auf vielen Kriegsschauplätzen in Europa stattgefunden. Das ist die anfangs so umstrittene wie großartige These, die Jonathan Riley-Smith – der Doyen einer pluralistischen Kreuzzugsgeschichte – stark macht. Von den Kreuzfahrerstaaten des Mittelalters über die Kreuzzüge im Baltikum bis zum Verschwinden der Kreuzzugs-Idee im 18. und 19. Jahrhundert breitet Riley-Smith hier ein großes Panorama der Kreuzzüge in all ihren historischen Variationen aus. Erstmals liegt dieses wegweisende Standardwerk jetzt auf Deutsch vor. Mit ausführlich kommentiertem Literaturverzeichnis.
Über den Autor Jonathan Riley-Smith ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Cambridge und Fellow des Emmanuel College. Er gilt international als einer der renommiertesten Historiker auf dem Gebiet der Kreuzzugsforschung. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte der Kreuzzüge, auf Deutsch erschien zuletzt: »Wozu heilige Kriege? Anlässe und Motive der Kreuzzüge«.
Jonathan Riley-Smith (1938–2016) war Professor für Kirchengeschichte an der Universität Cambridge und Fellow des Emmanuel College. Er gilt international als einer der renommiertesten Historiker auf dem Gebiet der Kreuzzugsforschung. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte der Kreuzzüge, auf Deutsch erschien zuletzt: „Wozu heilige Kriege? Anlässe und Motive der Kreuzzüge“.