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German Pages 258 [264] Year 1966
DIE K I R C H E N D E R W E L T • B A N D IV DIE KIRCHE V O N E N G L A N D U N D DIE A N G L I K A N I S C H E K I R C H E N GEMEINSCHAFT
DIE K I R C H E N DER W E L T B A N D IV
Herausgeber D.HANS HEINRICH D. F E R D I N A N D
HARMS SIGGt
D. H A N S H E I N R I C H D. G Ü N T E R
WOLF
WAGNER
DR. H A N F R I E D
KRÜGER
Gesamtredaktion: Dr. Gotthold Müller
DIE KIRCHE VON ENGLAND U N D DIE ANGLIKANISCHE KIRCHENGEMEINSCHAFT
Herausgegeben von Senior Hauptpastor D. DR. H A N S H E I N R I C H H A R M S
m EVANGELISCHES VERLAGSWERK
STUTTGART
Übersetzung aus dem Englischen von Dr. Günther Gaßmann
Erschienen 1966 im Evangelischen Verlagswerk GmbH, Stuttgart © Alle Rechte, einschließlich dem der Übersetzung vorbehalten Gesamtherstellung: Union Druckerei GmbH, Stuttgart Printed in Germany
INHALT
Hans Heinrich Harms, Vorwort I. George Every, Die Geschichte der Kirche von England II. Colin Dunlop, Bibel und Gebetbuch
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III. Norman Sykes, Apostolische Sukzession und Amt
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IV. E. L. Mascall, Anglokatholische Theologie
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V. F. J. Taylor, Die evangelikale Tradition in der Kirche von England VI. Peter Curgenven, Die Ausbildung zum geistlichen Amt
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VII. S. M. Gibbard, Die anglikanischen Ordensgemeinschaften . . 130 VIII. Stephen Neill, Die anglikanische Kirchengemeinschaft
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IX. R. W . Stopford, Das Verhältnis von Staat und Kirche. Der Einfluß der Kirche von England auf das öffentliche Leben in England 175 X . Stephen Neill, Die Kirche von England heute - ihre Probleme und Aufgaben 194 XI. H. M. Waddams, Die Beziehungen der Kirche von England zu anderen Kirchen 219 Anhang Ein statistischer Überblick von Gotthold Müller
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Literaturhinweise
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Übersichtskarte
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VORWORT
Mehr als dreißig Jahre sind vergangen, seitdem Friedrich SiegmundSchultze in der von ihm herausgegebenen „Sammlung von Selbstdarstellungen der christlichen Kirchen", „Ekklesia", den Band über die Kirche von England vorgelegt hat mit der besonders schönen „kurzen Darstellung der Kirche von England" des damaligen Bischofs von Chichester, G. K. A. Bell. Ein Vergleich der in jenem Bande angegebenen Literatur in deutscher Sprache mit den Literaturhinweisen am Ende dieses Buches macht deutlich, in welchem Maße die Kirche von England und die Anglikanische Kirchengemeinschaft deutschen Lesern in den vergangenen drei Jahrzehnten nähergebracht worden sind. Diese Tatsache ist sicherlich auch eine Folgeerscheinung der Ökumenischen Bewegung. W i r müssen unseren Gesprächspartner aus erster Hand kennenlernen, wenn wir ein sachliches, hilfreiches Gespräch über die Einheit der Kirche führen wollen. In der Christenheit kann es ja kein Kennenlernenwollen aus reiner Neugier geben, sondern jede anders geartete, in einer anderen Tradition stehende Erscheinungsform christlichen Glaubens und Lebens ist eine Herausforderung an die eigene Tradition und an die eigene Kirche. In diesem Sinn sind auch die freilich noch sehr zaghaften theologischen Gespräche zwischen Vertretern der Kirche von England und Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland zu verstehen. Wenn aber solche notwendigen Gespräche nicht nur das Vorrecht einiger weniger Eingeweihter bleiben sollen, müssen auch weitere Kreise die Möglichkeit haben, sich zuverlässig informieren zu können. Solcher Information soll das vorliegende Buch dienen, wie auch seinerzeit der Ekkleiia-Band diesem Ziel in hervorragender Weise gedient hat. Hatte Friedrich Siegmund-Schultze vor mehr als dreißig Jahren gute Gründe, im wesentlichen einen Verfasser zu bitten, die komplexe Erscheinung des Anglikanismus darzustellen, so haben die Herausgeber der Reihe „Die Kirchen der W e l t " ebenso gute Gründe, dasselbe Erscheinungsbild von mehreren, in ihren Auffassungen voneinander zum Teil sehr unterschiedenen Autoren beschreiben zu lassen. Daher kommen in diesem Band Vertreter extrem hochkirchlicher und extrem evangelikaler Haltung zu Wort wie auch Exponenten der zwischen diesen beiden Extremen innerhalb des Anglikanismus lebenden Meinungen. Hat man schon die Kirche Roms als eine complexio oppositorum beschrieben, so trifft diese Bezeichnung mit fast noch mehr Recht die Anglikanische
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Die Kirche von England
Kirche, und die Leser auch des vorliegenden Bandes werden am Ende die Frage haben, wie denn all das, was hier an Erscheinungsformen der Kirche von England dargestellt wird, in einer Kirche beieinander bleiben kann, in einer Kirche, die freilich mit ihren Spannungen lebt und sich nicht mit ihnen abfinden will. Stephen Neill beginnt seinen Beitrag über „Die Anglikanische Kirchengemeinschaft" mit dem Satz: „Es gibt in der Kirchengeschichte nichts Seltsameres als die Entwicklung der am stärksten national geprägten aller Kirchen, der Kirche von England, zu einer weltweiten Kirchengemeinschaft, deren Mitgliedschaft weit über den Bereich des britischen Commonwealth und der angelsächsischen Zivilisation hinausreicht" (S. 152). Man kann diesen Satz verstehen als die Äußerung eines in seine Kirche verhebten, vielleicht sogar in konfessionalistischer Weise verliebten Bischofs. Es gibt in der Kirchengeschichte Dinge, die noch seltsamer sind als das, was Bischof Neill als so besonders seltsam empfindet. Vielleicht gibt es aber tatsächlich unter den Konfessionskirchen keine seltsamere Erscheinung als eben die Anglikanische Kirchengemeinschaft, die nach dem Verständnis eines „Normaltheologen" - und hier macht es kaum einen Unterschied, ob dieser „Normaltheologe" in einer aus der Reformation hervorgegangenen Kirche oder der Kirche Roms oder der Orthodoxen Kirche lebt und denkt - gar nicht existieren dürfte. Und da sie offensichtlich doch existiert, gilt es, dem Geheimnis solcher Existenz auf die Spur zu kommen. In den folgenden Beiträgen scheint mir das Geheimnis an manchen Stellen dort sichtbar zu werden, wo von dem geistlichen Leben dieser Kirche mit ihrem Gebetbuch die Rede ist. Gerade in diesem Zusammenhang hat auch der Aufsatz von Peter Curgenven, „Die Ausbildung zum geistlichen Amt", S. nofF., seine ganz besondere Bedeutung. Friedrich Siegmund-Schultze hat in dem Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen Band die Sätze geschrieben: „Die Anglikanische Kirche ist unter den Kirchen, die ihre romfreie Gestalt dem Zeitalter der Reformation verdanken, die einzige, die das Prädikat .katholisch* stets für sich in Anspruch genommen hat. Keine Kirche ist ihrer Geschichte, ihrem Wesen und ihrer äußeren Struktur nach mehr geeignet, eine Brücke zwischen den Konfessionen zu bilden, als die Kirche von England" (S. 3). Die ökumenische Diskussion der vergangenen Jahrzehnte macht diese Feststellung fraglich. Auch andere Kirchen der Reformation haben sich immer als „katholisch" verstanden. Wie sollten sie auch anders, wenn sie sich nicht von vornherein als Sekte mißverstehen und also anderen verdächtig machen wollten! Und die Anglikanische Kirchengemeinschaft ist auch nicht nur als die Brückenkirche sichtbar geworden. Selbst der Ver-
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zieht auf ein verbindliches Verständnis der Apostolischen Sukzession verhehlt nicht, daß die Forderung nach dieser Sukzession sich mindestens ebenso hemmend erweisen kann wie etwa die Forderung nach der Lehreinheit, die manche Anglikaner anderen Reformationskirchen meinen vorwerfen zu müssen. Der Erzbischof von Canterbury hat bei seinem im März 1966 erfolgten Besuch in Rom mit Papst Paul VI. theologische Gespräche vereinbart. Solche Gespräche haben nur dann. Sinn und Verheißung, wenn die Bulle Leos XIII. „Apostolicae curae" vom 13. September 1896 (lateinischer Text im Auszug bei Carl Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, 4. Auflage, Tübingen 1924, Nr. 635, S. 4 9 i f . ; Henricus Denzinger, Enchiridion Symholorum, 26. Auflage, Freiburg 1947, Nr. 1963 ff., S. 551 ff. ; Auszüge in englischer Sprache in Henry Bettonson, Documenti of the Christian Church, Oxford University Press, London 1946, S. 382f.) auch erörtert wird. Es gibt zur Zeit in der Kirche Roms Bestrebungen, die Argumente Leos XIII. dadurch zu überwinden, daß man die Bulle nicht für eine unfehlbare päpstliche Lehräußerung ansieht und sich damit die Möglichkeit verschafft, die anglikanischen Weihen für gültig zu erklären. Sollte das eines Tages geschehen, wird die Anglikanische Kirchengemeinschaft den Charakter einer Brückenkirche kaum noch für sich in Anspruch nehmen können. Für den Fortgang kirchlicher Einigungsverhandlungen sind die zwischen Erzbischof Ramsey und Papst Paul VI. vereinbarten Verhandlungen von besonders großer Bedeutung. Die folgenden Beiträge sind von Kennern ihres Fachs geschrieben worden. Alle Autoren gehören der Kirche von England an und verantworten selbstverständlich ihre Meinungen ausschließlich selber. Der Herausgeber würde sich nicht zutrauen, Sätze wie die folgenden: „Die Bischöfe und Geistlichen sind gottesfürchtige und hart arbeitende Männer, obwohl nur wenige von ihnen in irgendeiner Weise bedeutende Gestalten sind", oder: „Die Kirche hat eine große Predigttradition, angefangen von Hugh Latimer in den Tagen der Reformation bis zu William Tempie und William Ralph Inge in unseren Tagen. Heute ist es aber tatsächlich so, daß es in der ganzen Kirche von England nicht einen Mann gibt, den man als wirklich großen Prediger bezeichnen könnte. Aber das ist nicht das Schlimme. Schlimm ist vielmehr, daß in den gewöhnlichen Gemeindegottesdiensten dem Gottesdienstbesucher so wenig gegeben wird", stehenzulassen, wenn sie nicht von einem Bischof der Kirche von England, der freilich selbst Ire ist, geschrieben worden wären (Stephen Neill, S. 194 und 212). Die Autoren stimmen keinen konfessionalistisch zu verstehenden Lobgesang auf ihre Kirche an, sondern sie mühen sich,
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ihre Kirche als eine in dieser Welt mit all ihren Unvollkommenheiten lebende Kirche darzustellen. Der Plan für diesen Band ist von Herrn Pastor Helmut Glatte, Köln, entworfen worden. Er hat auch mit den Autoren die ersten Verhandlungen geführt. - Die endgültige Übersetzung der im Original englisch geschriebenen Beiträge verantworten Herr Dr. theol. Günther Gaßmann und Frau Ursula Gaßmann, geborene Kahler, Heidelberg. Den drei Genannten gebührt besonderer Dank für ihre entsagungsvolle Arbeit. Hamburg, den 14. Oktober 1966 Hans Heinrich Harms
DIE GESCHICHTE DER KIRCHE V O N
ENGLAND
BROTHER GEORGE E V E R Y , S. S. M.
I. Die Isolierung Englands
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ritische Historiker, und vielleicht gerade anglikanische Kirchenhistoriker, neigen immer dazu, die Unterschiede zwischen der britischen und der kontinental-europäischen Geschichte vor dem 15. Jahrhundert zu übertreiben. Irische Missionare spielten eine große Rolle bei der Christianisierung Schottlands und Englands, aber auch bei der Ausbreitung des Evangeliums in Deutschland. Die Einteilung der Provinz von Canterbury durch Theodor von Tarsus (Erzbischof 669-690) in große Diözesen - sie waren viel größer als die in Italien und im Osten mit vielen Klöstern, die nur lose mit der Diözese verbunden waren, wurde Vorbild für ähnliche Ordnungen in Deutschland und in Skandinavien. Die englischen, deutschen und skandinavischen Kirchen im frühen Mittelalter waren sich stärker ihrer Bindungen an Rom bewußt als die Kirchen von Gallien und Spanien. Im großen Zeitalter der Reform des Papsttums im 12. und 13. Jahrhundert hatten der König von England und viele seiner Adeligen große Besitzungen in Frankreich, und viele normannische Abteien und Prioreien hatten Niederlassungen in England. Die normannischen Aristokraten waren mit Normannen in Süditalien verwandt; auch waren diese Beziehungen nicht auf die oberen Klassen beschränkt. Der englische Handel begann, Wolle und Wein aus der Gascogne und aus dem nördlichen Spanien nach England, Flandern und Deutschland zu hefern.
Die Isolierung Englands vom Kontinent geht zurück auf das Mißlingen zweier großangelegter Versuche, die Kronen Englands und Frankreichs zu vereinen, nämlich durch Edward III. in der Mitte des 14. und durch Heinrich V . und seine Brüder im 15. Jahrhundert. Der „hundertjährige Krieg", wie er in englischen Büchern genannt wird, war ein kostspieliger Fehlschlag und führte zu Unruhen im Innern Englands und zum Verlust von Guyenne im Jahre 1453. Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts blieben von den großen festländischen Besitzungen der englischen Krone nur noch Calais (bis 1558) und die Kanalinseln, die noch heute in englischer Hand sind, obwohl ihre Sprache französisch ist.
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Diese großen Niederlagen fielen zeitlich zusammen mit der Entwicklung einer einheitlichen englischen Sprache und einer spezifisch englischen Eigenart in den bildenden Künsten, besonders in der kirchlichen Architektur unserer spätgotischen Pfarrkirchen mit ihrem Reichtum an Schnitzwerk und bemaltem Glas. Ohne Zweifel hätte sich diese einheitliche englische Sprache und Kultur, die sich von der französischen und holländischen wesentlich unterscheidet, in ähnlicher Weise entwickelt, wenn die Verbindungen mit Bordeaux bestehen geblieben, aber nicht, wenn die Throne von England und Frankreich vereinigt worden wären. Die Niederlage der englischen Armeen in Frankreich, das Abreißen der Verbindung mit Aquitanien in einer im Fluß befindlichen formativen Periode unserer nationalen Entwicklung bestärkte nicht nur im englischen Volk ein Bewußtsein für die Unterschiede gegenüber Franzosen und Flamen in Sprache, Recht und Institutionen, sondern ließ es auch zurückhaltend gegenüber festländischen Allianzen und Abenteuern werden. Diese Zurückhaltung besteht auch heute noch. Die kirchliche Isolierung Englands begann zur selben Zeit. Die Bischöfe Englands und Deutschlands standen in gleicher Weise in Auseinandersetzungen mit der zentralisierten päpstlichen Bürokratie zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft der Päpste in Avignon. Beide Länder unterstützten die römischen Päpste während des großen Schismas. Beide beteiligten sich an den Bemühungen, das Schisma zu heilen und unterstützten auf dem Konzil von Konstanz eine Reformation „an Haupt und Gliedern". Aber in diesem kritischen Augenblick gingen ihre Wege auseinander. Die deutschen Bischöfe waren Reichsfürsten, denen es schwerfiel, eine gemeinsame Politik zu verfolgen, obwohl alle zu diesem Zeitpunkt die Macht des Papsttums zu begrenzen wünschten. Die englischen Bischöfe waren Untertanen eines mächtigen Königs und wirkten als Gruppe. Durch die königliche Politik wurden ihre Bemühungen von Reformen abgelenkt, die der Unterstützung durch die Universität von Paris und durch das Kardinalskollegium bedurfte. Daher zogen sie im September 1417 ihren Widerstand gegen eine sofortige Papstwahl zurück und brachten somit den Versuch zum Scheitern, der Macht des Papstes klare und dauernde Beschränkungen aufzuerlegen. Das Auseinandergehen im Verhalten von Engländern und Deutschen an diesem Punkt kann dazu dienen, die unterschiedlichen Rollen der beiden Episkopate in der Krisis der Reformation zu verdeutlichen. Die meisten englischen Bischöfe und ihre unmittelbaren Untergebenen waren Verbündete der Krone und der königlichen Gerichtshöfe gegen die feudale Gerichtsbarkeit halb-unabhängiger Adliger und gegen die Privilegien der Abteien und der religiösen Orden. Als die Monarchie der Tudors, unter-
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stützt durch die starke Gruppe der großen und kleinen Landedelleute und der städtischen Oberschicht, die in den königlichen Gerichten die Friedensrichter stellte, stark genug war, um planmäßig die Beschränkung aller anderen eigenständigen Rechtsvollmachten auf eine Übereinstimmung mit dem königlichen Gesetz und der königlichen Macht zu betreiben, waren die Bischöfe und die Konvokationen der beiden Provinzen nicht in der Lage, längeren und wirksamen Widerstand zu leisten. Sie waren Diener der Krone wie auch des Papstes. Nur einige von ihnen zeigten Sympathie für die neue Gelehrsamkeit der Renaissance, nur einige wenige für die neue Theologie der deutschen Reformation, aber mit nur wenigen Ausnahmen willigten sie in die Errichtung der königlichen Suprematie über alle Personen und in allen Rechtssachen ein. Durch die Gesetzgebung der Jahre 1532-35 wurde das kanonische Recht aller Autorität beraubt und dann bis zu einer geplanten Revision, die aber niemals stattfand, als ein Teil des englischen Rechtes wieder eingeführt. Dies war jedoch mit der Bedingung verbunden, daß in Zweifelsfällen stets das allgemeine vor dem kanonischen Recht gelten solle und daß die Konvokationen der beiden Provinzen niemals ohne königliche Erlaubnis an die Erzbischöfe zusammentreten und tätig sein dürften. Diese Unterordnung der kirchlichen unter die königliche Macht war nur indirekt mit der Reformation verbunden. Die Revolte gegen Rom in Deutschland und in der Schweiz schuf zweifellos eine Gelegenheit, die Schwäche des Papsttums auszunutzen. Aus dem kleinen Kreis der Freunde der deutschen Reformatoren erhielt der König einen Erzbischof von Canterbury, Thomas Cranmer, und eine kleine Gruppe von Reformern - zumeist Bischöfe - , die in der Abschaffung der römischen Autorität ein Mittel sahen, die Reformation der Kirche voranzutreiben. Doch die Auflösung der englischen Klöster und Mönchsorden (1536 bis 1540) geschah mit der Einwilligung von Bischöfen und Geistlichen, deren theologische Auffassungen konservativ waren. Die Bischöfe begrüßten das Verschwinden der Privilegien von Klöstern und Orden und den Zuwachs in ihren eigenen Reihen durch die Schaffung von fünf neuen Diözesen. Auch die Pfarrerschaft hatte durch die Auflösung der Mönchsorden Vorteile, weil dadurch für einige Jahre ihre Zahl beträchtlich anwuchs. Wenngleich gewiß nicht alle diese Veränderungen vom Volke begrüßt und friedlich hingenommen wurden, so besteht doch kein Zweifel, daß einflußreiche Kreise in der englischen Geistlichkeit und Laienschaft mit der königlichen Suprematie nicht unzufrieden waren. Das königliche Gewohnheitsrecht war faktisch das Recht der Landedelleute und der städtischen Körperschaften. Das kirchliche Recht des Königs, wie das
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kanonische Recht nun genannt wurde, lag in den Händen der Bischöfe und ihrer Kanzler, der Archidiakone und ihrer Beamten, der Pfarrgeistlichen und ihrer Kirchenvorsteher und wurde, mit bestimmten Ausnahmen, nach den althergebrachten Formen ausgeübt. Kriminelle Vergehen von Geistlichen wurden jetzt vor Laiengerichten verhandelt. Der Archidiakon wurde nicht mehr mit Fällen von Mord und Diebstahl behelligt, wenn er auch noch weiterhin mit Hausfrauen zu tun hatte, die über ihre Nachbarn klatschten, mit jungen Männern, die Mädchen in Unannehmlichkeiten brachten, und mit Familien, die sich v o m Gottesdienst fernhielten. Alle Ehefragen und alle Fälle im Zusammenhang mit Vermächtnissen und Erbschaften wurden bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vor den geistlichen Gerichtshöfen verhandelt; auch hörten Anklagen wegen Verleumdung und sittlicher Verfehlungen erst unmittelbar vor dem A u f k o m m e n der Oxford-Bewegung auf. Es gibt sogar viele Anzeichen dafür, daß diese im 17. Jahrhundert weit zahlreicher waren als im 15. Jahrhundert 1 . In diesem Sinne ist die Kontinuität der kirchlichen Regierungsgewalt und des kanonischen Rechtes in England eine unbestrittene historische Tatsache, über die man in den großen Sammlungen über die bischöfliche Verwaltung der Elisabethanischen Zeit und vor allem in Edmund Gibsons „ C o d e x Juris Canonici" (1713) und in kleineren Handbüchern über das Kirchenrecht, die ein notwendiger Bestandteil der Pfarrbibliotheken im 18. Jahrhundert waren, Näheres nachlesen kann. Nach der Reformation waren die Amtspersonen gewöhnlich Laien, und die Schwierigkeiten bei der Durchführung ihrer Entscheidungen nahmen ständig zu, da die Kirchenstrafen selbst weniger streng wurden und die weltlichen Gerichtshöfe immer weniger geneigt waren, die kirchlichen zu unterstützen. Dennoch blieb das alte System bis zum Jahre 1857 bestehen.
II. Die Krisis der Reformation Die Reformation in England war ein „ A k t des Staates", aber des Staates in Zusammenarbeit mit den Bischöfen. Unter der Regierung Heinrichs VIII. waren die Hauptförderer weiterer Veränderungen einige Bischöfe und vor allem Erzbischof Cranmer von Canterbury. Andere Bischöfe wiederum, die sich auf die konservativen Neigungen des Königs stützen 1
Vgl. A. H. Thompson, The English Clergy in the Later Middle Ages. Oxford 1947, S. 62 f.
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konnten, leisteten Widerstand. Liturgische Fragen und Lehrfragen wurden in Lehrbüchern versuchsweise erörtert. Eine autorisierte Übersetzung der Heiligen Schrift wurde veröffentlicht und verbreitet. An der Gottesdienstform wurde jedoch bis zum Tode Heinrichs VIII. im Jahre 1547 nur wenig geändert. Während der kurzen Regierung des jungen Königs Eduard VI. (1547-1553) beschleunigte man das Tempo der Reform. In schneller Folge nahm man Änderungen in der Liturgie vor. Predigten wurden veröffentlicht, u. a. die „Homily of Salvation" (1547), in denen die Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben entfaltet wurde, wenngleich in einer zurückhaltenden Form, die eher Melanchthons Apologie zum Augsburgischen Bekenntnis entsprach als der mehr direkten Sprache Luthers. Das Abendmahl in beiderlei Gestalt wurde 1548 eingeführt und den Geistlichen die Heirat erlaubt. Mehrere Theologen vom Kontinent, zumeist aus Süddeutschland, z. B . Martin Bucer und Peter Martyr Vermigli, kamen nach England und erhielten wichtige Lehrstühle an den Universitäten. Man begann, die durch die Schweizer Reformation aufgeworfenen Fragen zu diskutieren, und der Einfluß Zwingiis, der bereits - wenn auch etwas verhüllt - im ersten englischen Prayer Book von 1549 spürbar war, ist in der revidierten Fassung von 1552 und in den 42 Artikeln von 1553 deutlich erkennbar. Dieses zweite Stadium der englischen Reformation fand kraftvolle Unterstützung durch einige große Lords, die aus der Auflösung der Klöster Nutzen gezogen hatten und auf weitere Beute an kirchlichem Land hofften. Doch die meisten Laien waren durch die schnell aufeinanderfolgenden Änderungen im kirchlichen Gottesdienst verwirrt und beunruhigt. A n einigen Orten gab es Aufstände. In vielen anderen verzögerten die Ortspfarrer die Änderungen oder führten sie nur zum Teil durch, indem sie das Prayer Book von 1549 im Sinne der traditionellen Abendmahlslehre interpretierten und die alten Vorschriften der neuen Ordnung anpaßten. Das zweite Prayer Book von 1552, dessen Gestaltung bewußt solche Interpretationen erschweren sollte, wurde an vielen Orten überhaupt nicht benutzt. Eine Opposition allerdings, die bis zum Schisma führte, fand sich in der Regierungszeit Eduards kaum. Einige Bischöfe, die sich dem Fortgang der Reformation entgegenstellten, wurden abgesetzt und ins Gefängnis geworfen, aber andere behielten trotz ihrer konservativen Einstellung ihre Bistümer. Nur wenige Pfarrer zeigten Sympathie für die theologischen Ziele der reformfreudigen Bischöfe, wenn auch zweifellos viele einen englischen Gottesdienst begrüßten und nicht wenige von ihrer neuen Freiheit zu heiraten Gebrauch machten. Die Regierung der Königin Maria (1553-1558) brachte eine scharfe
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Die Kirche von England
Reaktion mit sich. Die neue Königin war die Tochter Heinrichs VIII. und der Katharina von Aragonien. Das Problem der Heirat ihrer Mutter mit dem König aufgrund einer päpsthchen Dispens, deren Gültigkeit in Frage stand, war der Anlaß für König Heinrichs Bruch mit Rom gewesen. Sie fühlte sich daher der Sache der Wiedervereinigung verpflichtet, da nur eine Versöhnung mit Rom ihre Legitimität herstellen konnte. Die Freilassung und Wiedereinsetzung jener konservativen Bischöfe, die unter der letzten Regierung eingekerkert worden waren, und die Rückkehr zu den Gottediensten in lateinischer Sprache, wie sie noch in der Regierungszeit Heinrichs VIII. üblich waren, stieß auf wenig Widerstand im Volk, doch die Auf hebung der Gesetze gegen die römische Autorität wurde durch die neuen Eigentümer klösterlichen und kirchlichen Besitzes verhindert, die entschlossen waren, ihren Gewinn nicht wieder preiszugeben. Die beiden Erzbischöfe und mehrere andere Bischöfe standen auf der Seite der Reformation. Während einige unter Druck widerriefen, wurden andere vor Gericht gestellt und verbrannt. Die Verbrennung von Ketzern in großer Zahl wurde ganz allgemein abgelehnt, sogar von solchen, die nur wenig für protestantische Auffassungen übrig hatten; auch die Heirat vieler Pfarrer brachte weitere Schwierigkeiten mit sich. Es gelang der neuen Regierung, die Kirche von England mit einem Episkopat zu versehen, der mit höchstens ein oder zwei Ausnahmen bereit war, die Wiederherstellung der päpstlichen Autorität voll und ganz zu unterstützen. Aber die Unruhe vieler Laien erhielt neue Nahrung durch die Heirat der Königin mit Philipp von Spanien, die das Land in ein enges Bündnis mit Habsburg bringen konnte. Die Ideen der Gegenreformation hatten keine Zeit, sich durchzusetzen. Der neue Erzbischof von Canterbury, Kardinal Pole, war ein zurückgekehrter Exulant, der mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertraut war. Seine Versuche, die Kirchenzucht und Lehre zu reformieren, stießen auf ähnlich hartnäckigen Widerstand, wie ihn Erzbischof Cranmer und die reformfreudigen Bischöfe erfahren hatten. Außerdem vertrat Papst Paul IV. (1555-1559; früher Kardinal Caraffa) eine völlig andere theologische Richtung als er. Während Pole die vermittelnde Theologie von Kardinal Contarini stark unterstützte, war Papst Paul IV. ein unversöhnlicher Gegner aller Kompromisse und zeigte sich mißtrauisch gegenüber den Zugeständnissen, die der Landadel der englischen Regierung abgerungen hatte, wie auch gegenüber den konservativen Bischöfen, die Heinrich VIII. unterstützt und ihr Amt unter Eduard VI. beibehalten hatten. Er hatte den Verdacht, daß Philipp und Maria, Pole und Karl V. ein Abkommen mit dem Feind in England und Deutschland planten.
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Das Problem der Thronfolge wurde schließlich verhängnisvoll für die Reaktion unter Maria. Die Königin hatte keine Kinder, ihre Ehe war unglücklich, und ihre Gesundheit verschlechterte sich. Das einzige neben Maria noch lebende Kind Heinrichs VIII. war die Tochter aus seiner Ehe mit Anne Boleyn, die künftige Elisabeth I. Kein Papst, am wenigsten Paul IV., konnte ihre Legitimität anerkennen, da diese Ehe geschlossen wurde, als Katharina von Aragon noch lebte, und zwar in direktem Widerspruch zu den päpstlichen Entscheidungen. Aber die andere Erbin, Maria Stuart, Königin der Schotten, hatte kurz zuvor den französischen Kronprinzen geheiratet. Eine Union mit Frankreich und Schottland war in englischen Augen schlimmer als eine Union mit Flandern und Spanien. Als Maria im November 1558 starb, war die Nachfolge Elisabeths unvermeidlich. Philipp selber drängte dazu, aus Furcht vor dem französischen Thronfolger. Dies aber brachte als notwendige Folge den Bruch mit Rom und die Wiederherstellung der königlichen Suprematie mit sich. Im Jahre 1559 wurde ebenso wie 1533 die Vereinigung der kirchlichen und der staatlichen Rechtsgewalt ohne großen Widerstand durchgeführt, aber die Ablehnung der konservativen Partei innerhalb der Geistlichkeit, die unter den früheren Regierungen den Bruch mit Rom, nicht aber die Reformation unterstützt hatte, zwang Königin Elisabeth, entschieden gegen alle (außer einem der) Bischöfe vorzugehen und ohne die Unterstützung der Konvokationen der beiden Provinzen zu handeln. Die Reformation unter Elisabeth wurde in erster Linie durch das Parlament durchgeführt, wogegen unter der Regierung König Eduards einige Reformmaßnahmen, zum Beispiel die Heirat der Geistlichen, die Billigung der Konvokation von Canterbury gefunden hatte und andere wahrscheinlich in der Konvokationen diskutiert worden waren. Während nun die Bischöfe aus der Regierungszeit Marias mit einer unbedeutenden Ausnahme sich weigerten, der Suprematie der Krone im ersten Regierungsjahr Elisabeths den Treueid zu schwören, fügte sich doch die große Mehrheit der Pfarrer ohne viel Widerstreben. Die Wiedereinführung eines englischen Prayer Book stieß auf stärkeren Widerstand. Das zweite Prayer Book aus der Zeit Eduards VI. diente als Grundlage, und einige wichtige Veränderungen, mehr im Ritual als im Wortlaut, wurden vorgenommen, um die Unterwerfung derjenigen Pfarrer zu erleichtern, die sich weigerten, die Hinwendung zur Theologie der Schweizer Reformatoren gutzuheißen, die in ihrer gemäßigteren Form zweifellos in der Struktur der Gottesdienstordnungen zum Ausdruck kam. Die Artikel von 1553 wurden 1563 in den Konvokationen überarbeitet.
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Die Geistlichen brauchten diese bis zum Jahre 15 71 - inzwischen hatte man weitere Änderungen vorgenommen - nicht zu unterschreiben. Von den Lutheranern wurden die 39 Artikel als calvinistisch bezeichnet. Andererseits behaupteten einige römisch-katholische Gelehrte im 17. und 18. Jahrhundert, zum Beispiel der Franziskaner Christopher Davenport2 und der gallikanische Geistliche Louis Dupin, daß sie fast alle wörtlich mit den Lehrentscheidungen des Tridentiner Konzils in Einklang gebracht werden könnten. Die Erklärung hierfür hegt darin, daß sie von Theologen ausgearbeitet und überarbeitet worden sind, die der Schweizer Reformation nahestanden, daß sie aber dann bereits 1553 abgeändert wurden, um eine Abkehr zu vieler konservativer Geistlicher zu vermeiden. Die Calvinisten in der Zeit unmittelbar nach Calvin waren mit ihrer wörtlichen Bedeutung nicht zufrieden und suchten sie daher durch zusätzhche Erklärungen zu erweitern. Die Calvinisten späterer Zeit behaupteten, sie in ihrem ursprünglichen und wörtlichen Sinn zu unterschreiben und verwarfen solche Erläuterungen, weil sie ihren Calvinismus herabminderten. Doch in den Auseinandersetzungen des 16. und 17. Jahrhunderts bedeutete der „wörtliche Sinn" der Artikel einfach das, was sie aussagten, im Unterschied zu allen Erläuterungen der Absichten ihrer Verfasser. III. Anglikaner und Puritaner
Die siebzig Jahre von 1571 bis 1641 sind die gestaltgebende Periode in der Geschichte der heutigen Kirche von England. Die Grundstruktur des liturgischen Gottesdienstes in den englischen Gemeinden nahm damals eine einheitliche Gestalt an, die bis in die Nachwirkungen der Oxfordbewegung hinein bestand. Der Morgengottesdienst begann mit „Mattins", einer auf alten Vorbildern beruhenden Gottesdienstform mit Psalmen, Schriftlesungen, Lobgesängen und Fürbitten. Daran schloß sich sonntags, mittwochs und freitags eine große Litanei an, die unter der Regierung Heinrichs VIII. erstmalig eingeführt worden war und in gewisser Hinsicht der alten Litanei des römischen Ritus am Abend vor Ostern und Pfingsten ähnelte. Dann folgte die Antekommunion mit Kollekten, Episteln und Evangelium, wie von alters her, danach das nicaenische Glaubensbekenntnis, eine Predigt oder Homilie und „das Gebet für die streitende Kirche". Nach den Schlußkollekten endete dann 2
Sonst Sancta Clara genannt. Sein Kommentar zu den Artikeln wurde 1865
von F. G. Lee neu herausgegeben.
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der Gottesdienst an vielen Sonntagen in vielen Kirchen. Viele, die aufgrund ihrer konservativen Einstellung die Messe eines „dissentierenden" römisch-katholischen Priesters besuchten, wenn sich eine Gelegenheit dazu bot, nahmen am Gottesdienst ihrer Pfarrkirchen teil, wo viele Priester die gleiche konservative Einstellung hatten, und fanden wenig oder nichts, woran sie, jedenfalls bis zur Stelle des Glaubensbekenntnisses und abgesehen von Auslassungen, Anstoß nehmen konnten. Die Psalmen, Gebete und Schriftlesungen fanden bei allen Richtungen Anklang. Die Predigten gaben auf beiden Seiten eher zu Kontroversen Anlaß, und an Abendmahlssonntagen spalteten sich die Gemeinden in diejenigen, die noch dablieben, um am Abendmahl nach der neuen Ordnung teilzunehmen, und diejenigen, die vorher weggingen, entweder weil sie aus Gewissensgründen dagegen waren, nach der neuen Ordnung zu kommunizieren, oder weil sie es wie ihre Väter und Großväter vorzogen, sich mit einer Osterkommunion oder mit dem vorgeschriebenen Minimum von drei Abendmahlsbesuchen im Jahr zu begnügen. Solche Anlässe zu Reibungen wurden in den Landgemeinden dadurch vermindert, daß man die vollen Abendmahlsgottesdienste auf acht, sechs oder vier Sonntage im Jahr beschränkte; aber in den Marktflecken waren monatliche Abendmahlsfeiern üblich, und in den Kathedralkirchen, in den CollegeKapellen der beiden Universitäten und in einigen Stadtkirchen in London waren wöchentliche Abendmahlsfeiern nicht ungewöhnlich. In solchen Orten konnten auch Abendmahlsfeiern an den großen Festtagen beibehalten werden. Abendmahlsfeiern an gewöhnlichen Wochentagen waren dagegen vor der Mitte des 19. Jahrhunderts sehr selten. Das Hauptproblem unter Elisabeth I. und den ersten beiden Stuartkönigen lag darin, die konservativ Eingestellten an die neue Gestalt des Gottesdienstes zu gewöhnen. Damals bemühten sich strenge Calvinisten, die Reformation nach dem Muster der „besten reformierten Kirchen" zu vollenden. Sie waren unduldsam gegen die Anwesenheit von „KryptoPapisten" in ihren Gottesdiensten und wünschten verbesserte Formen der Kirchenzucht, die es ihnen ermöglichen würden, das Heilige Abendmahl „unwissenden und anstößigen Personen" zu verweigern, die nie das wahre Wesen der evangelischen Lehre erfaßt hatten. Andere Geistliche, darunter auch die meisten Bischöfe, waren sehr darauf bedacht, großzügig mit denjenigen umzugehen, die zwischen der Reformation und der Gegenreformation schwankten. Daher ging der Hauptstreit in der anglikanischen Gruppe um „das Recht der kirchlichen Ordnung" und um „die gottesfürchtige Kirchenzucht" der „besten reformierten Kirchen". Theologische Fragen waren damit verbunden, denn Richard Hooker, der Vorkämpfer der Kirche von Eng-
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land, leugnete nicht nur die Bedeutung der Texte in der Apostelgeschichte und in den Briefen für die aktuellen kirchlichen Probleme, sondern er verteidigte auch die Idee des Naturrechtes und die Autorität von Tradition und Sitte. Er behauptete nicht, daß die alte katholische Gestalt der Kirchenleitung sakrosankt gewesen sei. Dafür waren die Änderungen, die in England vorgenommen worden waren, zu groß. Er verurteilte auch keineswegs die noch größeren Veränderungen auf dem Kontinent. Aber er weigerte sich, einen biblischen Maßstab zur Schaffung von Modellen für eine Kirchenordnung anzuerkennen und zog es vor, in seiner Untersuchung des Naturrechts bei der Idee des Rechtes als solchem einzusetzen. Hooker hatte sich eingehend mit Thomas von Aquin beschäftigt, der in seinen Augen der größte, wie Duns Scotus der „geistreichste", unter den Scholastikern war, aber über Rechtfertigung aus Glauben schreibt er wie ein gemäßigter Lutheraner, über das Abendmahl wie ein Calvinist, der andere Auffassungen weder ablehnen noch verdammen möchte. Er war darauf bedacht, sich nicht auf Fragen der Prädestination einzulassen. Diese wurden jedoch in anderen Kreisen diskutiert, während er an seinemWerk arbeitete (1593-1600). In England wie auf dem Kontinent gingen die Auseinandersetzungen über die Prädestination über die kirchlichen Grenzen hinweg und machten die Beziehungen aller Parteien zueinander im frühen 17. Jahrhundert nur noch verwickelter. Nicht alle anglikanischen Episkopalisten waren „Arminianer", genauso wenig wie alle französischen Gallikaner „Jansenisten" oder alle „Jansenisten" Gallikaner waren. Aber man kann allgemein sagen, daß der puritanische Eiferer für „die von Gott gewollte Kirchenzucht der besten reformierten Kirchen" auch im Blick auf die Prädestination zum Heil oder zur Verdammnis eine strikte Haltung einnahm, während weniger strenge Anglikaner, die in ihrem Verhalten gegenüber römisch-katholischen „Dissidenten" freundlicher gesinnt waren, sich auch eher bereit zeigten, dem freien Willen und der menschlichen Vernunft ein gewisses Recht auf Eigenständigkeit zuzuerkennen. Der große Bürgerkrieg erwuchs aus solchen Konflikten, als diese mit politischen Spannungen vermischt wurden, bei denen auf der einen Seite der König, die Geistlichkeit und die kleineren Adligen standen, die Frieden im Innern und nach außen wünschten, während auf der anderen Seite die aktiven und aggressiven Calvinisten, die städtische Oberschicht und die großen Landbesitzer eine Intervention im Dreißigjährigen Krieg, eine wirksame Besiedelung von Irland und Nordamerika und Angriffe auf die spanischen Kolonien forderten. Karl I. brüskierte seine Parlamente, weil er nicht in Deutschland eingreifen wollte, dies aber in Schottland
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tat, um einige kirchliche Ländereien und liturgische Formen des Gottesdienstes wiederherzustellen, die von den strengen Calvinisten, die in Schottland den Gang der Reformation bestimmt hatten, strikt abgelehnt wurden. Er sammelte die Royalisten, damit sie für Kirche und König gegen das Parlament und gegen die Schotten kämpften, da ein großer Teil des englischen Volkes das Prayer Book der puritanischen Predigt und den Frieden mit Spanien und Flandern Abenteuern in Norddeutschland oder Mittelamerika vorzog. Reichtum, Häfen, Kanonen und Verbündete waren auf Seiten des Unterhauses, aber der größere Teil Englands stand auf Seiten der Royalisten und Anglikaner und konnte nur durch das Schwert des nationalen Feindes, durch Schottland, zur Unterwerfung gezwungen werden. Dieses Schwert wurde dem englischen Parlament unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung gestellt, deren wichtigste die Reform der Kirche von England nach schottischem presbyterianischen Muster war. Solch ein Reformationsplan wurde denn auch durch die Westminstersynode vorbereitet, aber niemals völlig verwirklicht, außer in London, im südlichen Lancashire und einigen wenigen Teilen einiger anderer Grafschaften. Der König und seine Freunde wurden geschlagen, sie behielten aber sogar in der Niederlage noch eine gewisse Vollmacht zu Verhandlungen. Karl I. beharrte darauf, daß die presbyterianische Form der Kirchenordnung nochmals beraten werden müßte. Einige Schotten und englische Puritaner waren bereit, einen Kompromiß auf dieser Grundlage anzunehmen, der die Möglichkeit einer Integration von bischöflicher Ordnung und presbyterianischen Formen der Kirchenzucht durch eine neue Synode und ein neues Parlament offengelassen hätte. Aber das englische Heer griff ein, um eine Vereinbarung zu verhindern, die seine Dienste unnötig gemacht hätten und errichtete Ende 1648 eine Militärdiktatur. Diese hüllte ihre Macht in die äußeren Formen eines „Commonwealth", und König Karl I. wurde als Kriegsverbrecher enthauptet. Die Herrschaft der „neuen Musterarmee" dauerte elf Jahre. Z u keiner Zeit erfreuten sich die Offiziere des Heeres großer Unterstützung durch die Öffentlichkeit, aber die Royalisten waren erschöpft und nicht bereit, den Bürgerkrieg von neuem zu beginnen, und die gemäßigteren Elemente fürchteten einen Triumph der Königspartei, bei welchem alle, die gegen den König Krieg geführt hatten, wegen Hochverrat bestraft würden. Die alte Kirche von England war während dieser Periode geächtet. Ihre Bischöfe waren entweder tot oder abgesetzt oder in die Verbannung getrieben. Die Verwendung ihrer Liturgie wurde bei schweren Strafen untersagt. Viele ihrer Geistlichen, die wegen royalistischer Neigungen
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abgesetzt worden waren, lebten von der Mildtätigkeit besiegter, verarmter Landedelleute. Andere, und zwar die große Mehrheit, blieben in ihren Gemeinden, nahmen die neuen Bedingungen an und verpflichteten sich, der republikanischen Regierung zu gehorchen. Einige, aber nicht viele, hatten schon auf den „feierlichen Zusammenschluß und Bund" geschworen und versprochen, bei der Einführung der presbyterianischen Ordnung mitzuarbeiten. Aber abgesehen von einigen Orten, von denen London der bedeutendste war, hatten sie keine Gelegenheit, dieses Versprechen zu erfüllen. Die meisten von ihnen blieben im Herzen Episkopalisten, obwohl viele eine Vereinigung der bischöflichen Ordnung mit der presbyterianischen Kirchenzucht wünschten. Die Militärregierung war weder anglikanisch noch presbyterianisch. Sie wurde und wird allgemein als independentistisch oder kongregationalistich bezeichnet, und Cromwell selbst dachte zweifellos in dieser Richtung, und die meisten seiner Offiziere gehörten der einen oder anderen der kleineren puritanischen Gruppen an. Aber in ihrer Kirchenpolitik gab es keine Einheitlichkeit, außer in der Ablehnung des Prayer Book. Weder ermutigten sie noch verboten sie die Bildung von Presbyterien oder von Zusammenschlüssen von Pfarrern für Ordination und Kirchenzucht, aber sie wollten auch nicht deren Entscheidungen durchsetzen. Viele junge Geistliche, von denen nicht alle strenge Episkopalisten waren, zogen es daher vor, von einem der abgesetzten Bischöfe oder von einem der mit der Verwaltung der englischen Pfarreien betrauten irischen Bischöfe ordiniert zu werden und nicht von den Presbyterien, die keinen permanenten Status besaßen. IV. High Church und Low Church Die sporadische Anwendung der „gottesfürchtigen Kirchenzucht" durch puritanische Gemeinschaften und einzelne puritanische Geistliche in einer Vielfalt von Formen, die von Gemeinde zu Gemeinde und von einem Gebiet zum anderen verschieden waren, brachte endlosen Ärger für die Puritaner und ihre Gegner während der ganzen Periode des Commonwealth mit sich. Viele hofften, daß die Wiederherstellung der Monarchie, wie sie schließlich im Jahre 1660 geschah, zu einem verbesserten und reformierten System einer einheitlichen Kirchenordnung führen würde, in welcher jede Superintendentur ein Presbyterium und jeder Superintendent ein Weihbischof werden würde. Pläne dieser Art wurden vorgeschlagen und fanden nicht nur bei gemäßigten Presbyterianern, sondern auch bei bischöflich eingestellten Theologen Unterstützung, die die
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Ordnung der alten Kirche zur Zeit des Ignatius und Cyprian studiert hatten. Doch hiergegen erhob sich Widerstand, nicht nur von Seiten der Royalisten, die unter den vielfältigen puritanischen Bedrückungen gelitten hatten, sondern auch aus den Reihen independistischer Pfarrer, der Sekten und der Quäker. Die alte vorreformatorische Form des Kirchenregiments war wegen ihrer großen Schwäche behebt. Das royalistische Parlament setzte im Jahre 1661 nicht nur die Bischöfe wieder ein, sondern auch die geistlichen Gerichtshöfe, allerdings mit zwei Einschränkungen. Der königliche Gerichtshof „of High Commission", welcher zuweilen ihre Entscheidungen aufgehoben, sie häufiger aber bestätigt und durchgesetzt hatte, war 1641 abgeschafft worden und wurde nicht wieder errichtet. Und die kirchlichen Gerichtshöfe wurden ihres alten Rechtes beraubt, von den angeklagten Personen eine Aussage unter Eid zu verlangen. In diesem Fall wurde ihre Verfahrensweise dem englischen Recht angeglichen, aber es fehlte ihnen die Macht, ihre Entscheidungen in einer Zeit durchzusetzen, als die Kirchenstrafen ihren früheren Schrecken verloren hatten. Im August 1662 verließen zahlreiche puritanische Pfarrer ihre Gemeinden, weil sie sich nicht den Bischöfen und dem Prayer Book unterwerfen wollten. Einige von ihnen waren Independentisten, die sich in jedem Falle geweigert hätten, sich einem einheitlichen System der Kirchenleitung zu fügen. Eine größere Anzahl würde wahrscheinlich die Möglichkeit erwogen haben, sich mit einem Kompromiß abzufinden, der es ihnen ermöglichte, eine „Gemeindezucht" beizubehalten, ohne alle Exkommunikationen dem Urteil eines weitab wohnenden Diözesanbischofs zu überlassen, wenngleich sie noch andere Bedenken hinsichtlich liturgischer Fragen und des Problems der Ordination durch Presbyterien während des Commonwealth hatten. Viele bischöf lieh gesinnte Theologen hätten ihre Bedenken in der Frage der Kirchenzucht nach einigen organisatorischen Reformen nach dem Muster der Urkirche, mit kleineren Diözesen und einer engeren Verbindung der Pfarrgeistlichen mit dem Bischof in der Durchführung der Kirchenzucht, sicher aufgegeben. Aber andere, die „Freisinnigen" (Latitude men), teilten die allgemeine Abneigung der Laien gegenüber einem strengen und einheitlichen System der Kirchenstrafen; sie hätten jedoch andererseits gegenüber Bedenken hinsichtlich solcher Fragen wie dem Knien beim Abendmahl, der Anwendung des Kreuzeszeichens bei der Taufe, der genauen Befolgung des Prayer Book in der Liturgie des Gottesdienstes und der Anerkennung der durch Presbyterien vorgenommenen Ordinationen gewisse Zugeständnisse gemacht. Doch die „Vermittlungspläne" der Latitudinarier konnten die puritanischen Bedenken in Fragen der Kirchenzucht nicht überwinden.
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Wenn auch ein Ausgleich nicht möglich war, so erwies sich doch irgendeine Form der Toleranz gegenüber den protestantischen Dissenters als eine politische Notwendigkeit. König Karl II., der persönlich den römischen Katholiken zuneigte, wenngleich er sich erst auf dem Sterbebett Rom unterstellte, wünschte einige oder alle Gesetze aufzuheben, durch die die Wirksamkeit christlicher Gemeinschaften, die sich von der Kirche von England getrennt hatten, eingeschränkt wurde. Aber dies legte den keineswegs unbegründeten Verdacht nahe, daß er und sein Bruder, der künftige Jakob II., welcher von 1673 an erklärter römischer Katholik war, ihre Toleranz dazu benutzen wollten, die ,,Elisabethanische Regelung" (Elisabethan Settlement) zu untergraben. Die kurze Regierungszeit Jakobs II. (1685-1688) gab reichlich Anlaß zu protestantischen Befürchtungen und zwang die Anglikaner und die presbyterianischen Puritaner, einen letzten Versuch zur Beilegung ihrer Differenzen zu machen. Die Erfolgsaussichten hierfür waren nicht gering, denn im Jahre 1688 hatten die Presbyterianer viel von ihrem Eifer für eine allgemeine Anwendung der reformierten Kirchenzucht verloren und wären mit einigen liturgischen Zugeständnissen, mit einem Entgegenkommen (durch supplementäre oder konditionale Reordination) hinsichtlich der Gültigkeit der durch Presbyterien vollzogenen Ordinationen und mit einigen Reformen in der Praxis der geistlichen Gerichtshöfe, deren Fehler und Mißbräuche allgemein kritisiert wurden, zufrieden gewesen. Aber die Flucht des Königs vor einem allgemeinen Aufstand schuf eine neue Situation. Im Jahre 1689 wurde Jakob II., der aus dem Lande geflohen war, des Thrones für verlustig erklärt und sein junger Sohn von der Thronfolge ausgeschlossen. Seine älteste Tochter, Maria II., und deren calvinistischer Gatte, Prinz Wilhelm von Oranien, wurden als gemeinsame Herrscher proklamiert. Eine Duldung der Katholiken kam jetzt nicht mehr in Frage. Aber die protestantischen Dissenters einschließlich der Quäker erhielten die Erlaubnis, eigene Gottesdienststätten zu bauen; diese wurden genehmigt unter der Bedingung (von der nur die Quäker ausgenommen waren), daß ihre Geistlichen den dogmatischen Teil der anglikanischen 39 Artikel anerkennen sollten. Ein Vergleichs Vorschlag für die Presbyterianer wurde ausgearbeitet und diskutiert, aber dann abgelehnt, zum Teil auch wegen der anglikanischen Verärgerung über das Ergebnis der Entwicklung in Schottland, wo die presbyterianische Partei die Führung in der Revolution übernahm, während die schottischen Bischöfe zu denen gehörten, die sich weigerten, König Jakob abzusetzen. Entscheidender für die Zukunft war jedoch die Spaltung innerhalb der Kirche von England zwischen denjenigen, die den neuen Herrschern den Treueid ver-
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weigerten - hierzu gehörten der Erzbischof von Canterbury und sechs andere Bischöfe - und der Mehrheit der englischen Geistlichen, die die Revolution, wenn auch zögernd, als den einzigen W e g anerkannten, ihr Land und ihre Kirche vor den Gefahren einer katholischen Dynastie zu bewahren. Dies führte zu weiteren Spaltungen innerhalb der Kirche von England. Auf der einen Seite standen diejenigen, die eine Vereinigung mit den Presbyterianern und anderen protestantischen Nonkonformisten wünschten, und zwar so bald wie möglich und auf jeder irgendwie annehmbaren Grundlage, bevor das Land mit einer Kette von freikirchlichen Kapellen überzogen war. Demgegenüber war die andere Gruppe in erster Linie darauf bedacht, die Einheit der anglikanischen Kirche zu erhalten. Ihr gelang es auch, jede Diskussion in den Konvokationen über Änderungen im Prayer Book zu verhindern. Sie konnte jedoch nicht eine Spaltung zwischen „jurors" (d. h. die den Treueid leisteten) und „nonjurors" (d. h. den Eidesverweigerern) abwenden, die die Kirche von England hundert Jahre lang schwächte. Aus diesen Spaltungen gingen die Gruppen der High Church und der Low Church hervor. Die Anhänger der High Church, die unter den Pfarrern die vorherrschende Gruppe waren, kritisierten die den protestantischen Freikirchlern gewährte Freiheit, die in ihrer praktischen Auswirkung die Zunahme eines unkirchlichen Elements offenbarte. Im Grunde war dieses Element schon seit dem Bürgerkrieg stark angewachsen, aber seine volle Stärke wurde jetzt von denjenigen erkannt, die in den vergangenen Jahren angenommen hatten, daß jeder, der nicht in der Kirche war, entweder ein Freikirchler oder ein römischer Katholik sei. Das Anwachsen eines unitarischen Einflusses unter einigen Presbyterianern und Latitudinariern innerhalb der anglikanischen Geistlichkeit gab Anlaß zu weiteren Befürchtungen. „High-church-men" (d. h. Anhänger der High-Church-Gruppe) begannen, für eine eigene Reform der Kirchenzucht einzutreten. Sie versuchten, die alte Maschinerie der Konvokation, der Diözesansynode und des Disziplinargerichts des Archidiakons zu benutzen, um nicht nur gegen lockeren Lebenswandel, sondern auch gegen Irrlehre vorzugehen. Die Bischöfe waren vorsichtiger. Nur einige von ihnen waren Latitudinarier, die im Verdacht eines dogmatischen Liberalismus standen, aber sie alle verhielten sich der politischen Regelung von 1689 gegenüber so loyal, daß sie gegen einVorgehen, das die Unterschiede zwischen Anglikanem und Nonkonformisten vertiefte, eine Abneigung hatten. Die meisten von ihnen betrachtete man als „Low-churchmen" (d. h. Anhänger der Low Church), da sie für Mäßigung eintraten und keine hochgeschraubten kirchlichen Ansprüche unterstützten.
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D i e „ L o w - c h u r c h - m e n " waren für allgemeine gute Beziehungen unter den Protestanten. D i e „High-church-men" befaßten sich mehr mit Wiedervereinigungsplänen, nicht nur zwischen den „jurors" und „ n o n jurors", sondern auch zwischen der bischöflichen Kirchenordnung und der presbyterianischen Kirchenzucht. D i e schottischen Episkopalisten bildeten immer noch eine mächtige Gruppe, deren Widerstand gegen die neue O r d n u n g in Kirche und Staat seit 1689 durch Zugeständnisse gegenüber ihren kirchlichen Auffassungen hätte gemildert w e r d e n können. D e r Plan einer Vereinigung zwischen englischem und schottischem Parlament sollte nach Meinung der H i g h Church den W e g dazu freimachen. Einige „High-church-men" hofften auch, die englischen und schottischen „nonjurors" mit der protestantischen T h r o n f o l g e durch umfassendere Wiedervereinigungspläne zwischen Anglikanern, Lutheranern und einigen reformierten Kirchen zu versöhnen. Diese Pläne wurden in Preußen und in der Schweiz erwogen, die A n r e g u n g k a m jedoch v o n Leibniz und der mit ihm befreundeten Kurfürstin Sophia. Sie w a r v o n 1701 an die anerkannte Erbin des englischen Thrones nach Königin Anna (1702-1714), der letzten der anglikanischen Stuarts 3 . A b e r es w a r für die „ H i g h - c h u r c h - m e n " schwer, das Streben nach einer engeren Verbindung mit den deutschen Protestanten zu vereinbaren mit der Zurückhaltung gegenüber den englischen und schottischen Presbyterianern und dem Bestehen darauf, daß nur Kommunikanten der Kirche v o n England das Recht besäßen, an der Regierung des Landes beteiligt zu werden. D u r c h die politischen Meinungsverschiedenheiten in ihrer Mitte w u r d e die Sache noch komplizierter. D i e eine Richtung sah der Thronfolge der Hannoveraner voller Hoffnung entgegen, während die andere letzten Endes den Sohn Jakobs II. einem deutschen K ö n i g v o r gezogen hätte, selbst w e n n er Katholik geblieben wäre. In den Jahren 1706 und 1707 gelang es den schottischen Presbyterianern, in die „ U n i o n s akte" (Act of Union) Garantien für ihr eigenes Kirchenregiment einzufügen, die nicht ohne die Zustimmung Schottlands abgeändert werden durften. D i e einzige Hoffnung, dies wieder rückgängig zu machen, lag in einem Wechsel der weltlichen Regierung. Daher waren die schottischen Episkopalisten und die englischen Anhänger der H i g h C h u r c h zunehmend bereit, den Argumenten gegen die Ä m t e r und Sakramente der Prote-
3 Vgl. E. Benz, Bischofsamt und apostolische Sukzession im deutschen Protestantismus. Stuttgart 1953, S. 17-32, 43-45 und 229-232; auch N.Sykes, Daniel Ernst Jablonski and the Church of England. London 1950, und mein eigenes Buch, The High Church Party 1688-1718. London 1956, S. 113-119 und 140-146,
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stanten auf dem Kontinent zuzustimmen, wonach gegen diese dasselbe vorgebracht werden kann, was bereits früher aufgrund altkirchlicher Grundsätze gegen die Ordinationen der englischen Nonkonformisten gesagt worden ist. Aus diesen und anderen Gründen standen die Hannoveraner den High-Church-Tories ablehnend gegenüber. Als sie im Jahre 1714 an die Regierung kamen, ersetzten sie jene durch Low-ChurchWhigs. Die Pläne der High-Church-Partei für eine Reform der KirchenZucht wurden nach einer großen Kontroverse über die kirchliche Vollmacht zur Exkommunikation in den Jahren 1717 bis 1719 zu den Akten gelegt. Die Konvokation von Canterbury, die seit 1700 ziemlich regelmäßig zusammengetreten war, wenn auch die Sitzungen recht stürmisch verliefen, kam von 1717 bis 1853 (abgesehen von zwei kurzen Sitzungsperioden 1741/1742) nicht mehr zusammen. Die Geistlichkeit blieb im 18. Jahrhundert in ihrer Mehrheit in politischen Fragen auf Seiten der Tories. Zugleich war sie auch der High-ChurchPartei zugetan, und zwar in dem Sinne, daß sie den Nonkonformisten feindlich gesinnt war und den Whig- und Low-Church-Bischöfen und der Theologie der Latitudinarier kritisch gegenüberstand. Auch beharrte sie mit Nachdruck auf ihrer höheren Stellung gegenüber ihren nonkonformistischen Rivalen und oft, wenn auch nicht immer, gegenüber jenen kontinentalen Protestanten, die nicht der Segnungen eines bischöflichen Amtssystems teilhaftig wurden. Der königlichen Familie und ihren deutschen Freunden stand man im allgemeinen mißtrauisch gegenüber, ausgenommen in den Kreisen der Low Church und in einer kleinen Gruppe von Evangelikaien, die mit den Methodisten in der großen Erweckung einer persönlichen Glaubenshaltung, die mit Wesleys Verkündigung im Jahre 1739 und danach begann, zusammenarbeiteten. Wesley und seine Freunde gehörten ursprünglich zur High-ChurchPartei; sie setzten sich stärker für eine Reform der Kirchenzucht ein und waren strikter in ihrer Einstellung gegenüber den Freikirchlern, als die meisten ihrer Glaubensbrüder. Als sie aber anfingen, Laienprediger einzusetzen, und nicht nur die bischöflichen Ermahnungen, sondern auch die Grenzen der Pfarreien unbeachtet ließen, verärgerten sie den gewöhnlichen Pfarrer, der, wenn er ein Mann der High Church war, keine Neigung zeigte, Unterschiede zwischen Methodistenpredigern und nonkonformistischen Pfarrern zu machen. Wesley selber hielt bis zu seinem Lebensende an einigen seiner hochkirchlichen Grundsätze fest und schätzte auch nicht die Zusammenarbeit mit Nonkonformisten; aber jene Geistlichen, die der methodistischen Bewegung in der einen oder anderen Form nahestanden (denn nicht alle Methodisten waren Wesleyaner), mußten notgedrungen ihre Ansichten in der Frage der Zu-
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sammenarbeit mit anderen aufrichtigen Christen ohne Rücksicht auf ihren kirchlichen Status revidieren. Daher gingen sie, ohne in irgendeinem anderen Sinn Latitudinarier zu sein, von der Seite der High Church auf die der Low Church über. Im 18. Jahrhundert waren es nur wenige, aber sie bildeten den Kern einer neuen und starken Gruppe.
V. Evangelikaie und Traktarianer
Die alte High-Church-Partei war protestantisch in dem Sinne, daß sie mit einem von den Reformern überkommenen Prayer Book und den Glaubensartikeln zufrieden war und der mittelalterlichen und neueren römisch-katholischen Entwicklung ablehnend gegenüberstand. Aber die hochkirchliche Theologie gab Anlaß zu protestantischer Kritik, da in ihr die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben wenig betont und in einigen wichtigen Punkten abgemildert wurde, z. B. in Handbüchern wie „The Whole Duty of Man", das erstmalig 1662 erschien und immer wieder neu gedruckt wurde, und auch die reformierte Prädestinationslehre im allgemeinen in einem arminianischen Sinne interpretiert wurde. Außerdem hielten die „High-church-men", jedenfalls in der Theorie, an der Autorität der Kirchenväter fest, die von den anglikanischen Theologen des 17. Jahrhunderts besonders gepriesen worden waren, und sie beriefen sich auf die Autorität der Väter nicht nur gegen die unitarische Kritik an den Grundlehren orthodoxer Theologie, sondern auch gegen die Ansprüche der protestantischen Nonkonformisten, ein geistliches Amt zu besitzen, das den gleichen Status innehat wie das in der Kirche von England bewahrte dreifache Amt der Bischöfe, Priester und Diakone. Die Oxfordbewegung entstand aus dieser alten High-Church-Position, als die Stellung der Kirche von England in steigendem Maße von sozialen und politischen Entwicklungen bedroht wurde, die die Grundfesten der alten Agrargesellschaft erschütterten. Die industrielle Revolution breitete sich zuerst im Norden und in den sogenannten „Midlands" aus, in Gebieten also, in denen die Freikirchen besonders stark waren. Viele der erfolgreichen Fabrikanten waren Kongregationalisten, Quäker oder Unitarier, besonders in Lancashire und Birmingham. Außerdem traf die nicht zuletzt durch industrielle Veränderungen bewirkte Bevölkerungsbewegung mit dem Anwachsen der methodistischen Bewegung und mit der Ausbreitung der evangelikalen Erweckung unter den Kongregationalisten und Baptisten zusammen. Alle diese Gruppen, und besonders die Methodisten, waren weit beweglicher als die Kirche von England und
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konnten schneller den Bedürfnissen der neuen Situation entsprechen. Ein Zustrom an irischen Arbeitern ließ auch das römisch-katholische Element in allen großen Industriegebieten, am stärksten in Lancashire und London, beträchtlich anwachsen. Die Wandlungen hatten zur Folge, daß um das Jahr 1832, als die große „Reform Bill" das politische Gleichgewicht veränderte, die Kirche von England nur noch mit der Zugehörigkeit eines Teiles der Bevölkerung rechnen konnte. Überdies war sie schon seit langem in die beiden Parteien der High Church und der Low Church gespalten. Das Wachsen der evangelikalen Bewegung innerhalb ihrer eigenen Reihen schuf nun eine dritte Partei, die bald stark genug sein sollte, um die Latitudinarier aus der Führung dessen, was man immer noch „Low Churchmanship" nannte, zu verdrängen. Der „Low-church-man" des 18. Jahrhunderts war ein liberaler Latitudinarier, weitherzig in der Auslegung der Vorschriften des Prayer Book, tolerant gegenüber protestantischen Freikirchlern und oft bis zu einem gewissen Grade einverstanden mit der unitarischen Kritik an der orthodoxen Theologie. Der „Low-church-man" des 19. Jahrhunderts war im allgemeinen evangelikal, nicht unbedingt ein Calvinist, aber doch bewußt protestantisch, ein Verehrer von Luther und Calvin (wenn er auch wenig von ihrer theologischen Lehre verstanden haben mag) und vor allem darauf bedacht, den protestantischen Charakter der Kirche von England zu erhalten. Die Tradition der Latitudinarier wurde, wenn auch mit anderen Hauptgesichtspunkten, von einer neuen Richtung, den „Broad-church-men", weitergeführt, die den weitreichenden und allumfassenden Charakter der Kirche von England beizubehalten wünschten. Sie waren jetzt nicht mehr so sehr an Bündnissen mit den Freikirchen interessiert, sondern mehr an einem Frieden mit dem liberalen Geist im weltlichen Denken, an einer Anpassung der Theologie an die neuen philosophischen Einflüsse und an einem Widerstand gegen die dogmatische Starrheit, wie sie den „High-church-men" und den Evangelikaien gemeinsam war. Die Bewegung der Traktarianer begann in Oxford und in einigen Landpfarrhäusern, wo geistig wache Pfarrer sich den Einflüssen öffneten, die von den Oxforder Colleges ausgingen. Die unmittelbare Gefahr lag nach Meinung der Oxfordleute in der Politik der Whig-Regierung, die die „Reform Bill" von 1832 durchgesetzt hatte. Die Whigs wollten die Universitäten und die öffentlichen Ämter allmählich den Bürgern aller religiösen Bekenntnisse oder auch Bekenntnislosen öffnen. Bis zu jener Zeit konnte niemand Student in Oxford oder Kandidat für einen höheren akademischen Grad in Cambridge sein, wenn er nicht die 39 Artikel unterschrieb. Nahezu alle „Fellows" und „Tutors" (d. h. aka-
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demische Lehrer) von Oxford und Cambridge mußten gemäß den Satzungen ordinierte Pfarrer der Kirche von England sein. Jetzt war der Einfluß der Nonkonformisten stark genug, diese Schranken zu durchbrechen, und auch die Katholiken konnten ihre Ansprüche anmelden. Die „High-church-men" waren es nicht gewohnt, dem Staat Widerstand zu leisten. Die älteren Geistlichen einschließlich der Bischöfe waren nicht sehr beweglich bei der Suche nach Möglichkeiten, sich gegen die neuen Übergriffe auf die Stellung der Kirche von England zu wehren. Einige jüngere Pfarrer zeigten mehr Mut und blickten zurück auf die Zeit der „nonjurors", als Bischöfe aus politischen Gründen aus ihren Amtern entfernt wurden und einige ihrer Pfarrer ihnen dennoch die Treue gehalten hatten. Die Betonung der apostolischen Sukzession in Tract I (1833) war an sich nichts Neues. Neu war dagegen der ungestüme Anspruch, daß das Martyrium nötig sein könne, daß die Nachfolger der Apostel auch dann noch apostolische Männer seien, wenn ihnen alles genommen würde-außer ihrer apostolischen Funktion. Eine Trennung von Kirche und Staat wurde eher gewünscht als gefürchtet, damit die Kirche frei sein könne, wirklich Kirche zu sein und nicht „the establishment" (d. h. eine vom Staat mit Vorrechten ausgestattete öffentliche Einrichtung; d. Ubers.). Es war unvermeidlich, daß diese Vorstellungen nicht nur zu einer neuen Herausstellung der apostolischen Sukzession als einer ununterbrochenen Kette übertragener sakramentaler Vollmacht führte, die als solche unabhängig ist von der eigentlichen Besetzung der bischöflichen Ämter. Noch wichtiger war die damit verbundene Kritik am Verhältnis zwischen Kirche und Staat seit der Reformation. Auch das war nichts völlig Neues. Angriffe gegen die Auswirkungen der königlichen Suprematie begannen bereits in den Tagen der „nonjurors". Aber jetzt wurde die Suprematie selbst angegriffen, etwa von Hurrell Froude, der Erzbischof Thomas Becket in hohen Tönen pries und Erzbischof Thomas Cranmer als einen schwachen Charakter attackierte, dessen Willfährigkeit gegenüber den tyrannischen Übergriffen der weltlichen Macht die Freiheit der Kirche zerstört habe. Die Kritik der Traktarianer an den Reformatoren ließ auf Elemente in ihrer Lehre aufmerksam werden, die kaum als protestantisch angesehen werden konnten. Die Wiedergeburt durch die Taufe war eine traditionelle hochkirchliche - und auch lutherische - Lehre. Aber Pusey stellte in seinem „Tract on Baptism" (1835) die Buße als die „zweite Grundsäule" in der alten Kirche stark heraus. Beichte und Absolution, in der Kirche von England seit der Reformation wenig praktiziert, wurden jetzt in der Predigt als Gnadenmittel hervorgehoben, die dem reuigen Sünder nicht vorenthalten werden sollten. Die Pflicht des Priesters, das Abendmahl
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dem notorischen Sünder und denjenigen, die ihren Nachbarn gegenüber keine Nächstenliebe zeigten, zu verweigern, war in der Tat schon seit langem betont worden. Aber in der neuen gesellschaftlichen Situation, wo er nicht mehr aus der Beichte die Laster und Streitigkeiten seiner Gemeindeglieder kannte, hatte der gewissenhafte Pfarrer gute seelsorgerliche Gründe, über den Segen der Absolution zu predigen, wenn er auch klugerweise einräumen würde, daß weder Gesetz noch Sitte die Privatbeichte zur Bedingung für die Zulassung zum Abendmahl machten. Die evangelikale Erneuerung persönlicher Religiosität hatte bereits eine Zunahme in der Häufigkeit der vollen Feier des Abendmahls wie auch Ansätze zur Abhaltung der Abendmahlsfeier am frühen Morgen gezeitigt. Das Fasten vor dem Abendmahl war von frommen Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts als eine gute Sitte empfohlen worden. Die Frühgottesdienste gingen zum Teil auf veränderte Familiengewohnheiten und das Aufkommen des englischen Frühstücks in den oberen und mittleren Klassen zurück, zum Teil auch auf die Unterschiede in den Familien zwischen frommen Müttern und Töchtern, die evangelikal und traktarianisch eingestellt waren, und den Ehemännern und Brüdern, die-wie ihre Väter-jedem Enthusiasmus skeptisch gegenüberstanden und kein Verlangen danach hatten, häufiger als bisher zum Abendmahl zu gehen. Das Familienfrühstück konnte nicht bis nach dem Morgengottesdienst verschoben werden, und so ging die fromme Tochter allein zum Frühgottesdienst und besuchte nach dem Frühstück noch einmal die Kirche zusammen mit der Familie. Mit typisch englischer Zurückhaltung fürchtete sie, ihre Frömmigkeit den anderen aufzudrängen, wenn sie bis zu einem späteren Zeitpunkt fastete, oder wenn sie zum Abendmahl zurückblieb, während die anderen nach Hause gingen. Die Rückkehr zu häufigeren Abendmahlsfeiern auf beiden Flügeln der Kirche von England, nicht aber in der nüchternen Mitte, führte zur Frage der Realpräsenz und der Anbetung im Abendmahl. Auch hier wird man keineswegs sagen können, daß die Lehre der Traktarianer keine Vorläufer seit der Reformation gehabt hätte. Anglikanische Theologen im 17. und 18. Jahrhundert kannten die patristischen Zeugnisse für eine Realpräsenz in den Abendmahlselementen vor der Kommunion. Aber im allgemeinen hatten sie es ängstlich vermieden, sich auf irgendeine Lehre von der Konsubstantiation festzulegen und sich auch vor einer negativen Beurteilung der Abendmahlstheologie Calvins oder der englischen Reformer gehütet. Die Traktarianer waren weit freimütiger in ihrer Kritik am Calvinismus. Während die Anglikaner früherer Zeiten eine gewisse Zurückhaltung gezeigt hatten, sich zur Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben zu bekennen, gingen nun die Trak-
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tarianer, vor allem Newman, zum Gegenangriff über und übten strenge Kritik an der lutherischen Lehre, obwohl diese Kritik im allgemeinen nicht auf einer genauen Kenntnis Luthers selbst beruhte, sondern auf der pietistischen Darstellung seiner Lehre, die in der evangelikalen und der methodistischen Bewegung vorherrschte. Bis 1841 standen die älteren Führer der High Church mit wenigen Ausnahmen der traktarianischen Bewegung im allgemeinen freundlich gegenüber. Es gab vieles in den Auffassungen dieser jungen „Highchurch-men", was kaum annehmbar und möglicherweise für den Frieden der Kirche gefährlich war; aber ihre Irrtümer waren kleine Sünden im Vergleich mit den Irrtümern der Evangelikaien, der „Low-churchmen", der Latitudinarier und Liberalen. Die Leiter der Oxforder Colleges waren weniger freundlich gesinnt, da sie fürchteten, durch die Verbindung von Oxford mit heftigen Angriffen auf die von den Whigs vorgenommenen kirchlichen Ernennungen und Maßnahmen zur Kirchenreform mit der Regierung in Streit verwickelt zu werden. Aber die Bischöfe hielten mit ihrem Urteil zurück, bis im Jahre 1841 Newman im Tract 90 von neuem das Argument von Davenport und Dupin vertrat, daß die 39 Artikel keineswegs unvereinbar mit den Lehrentscheidungen von Trient seien. Diesmal gab es weniger Einschränkungen, und die tour de force schien besonders anstößig zu sein bei einem Verfasser, der heftig die Verpflichtung aller Studenten von Oxford verteidigt hatte, die Artikel zu unterschreiben. Damals begannen die Bischöfe gegen die elastischen Interpretationen anglikanischer Lehrdokumente durch Romfreunde, Evangelikaie und Liberale Stellung zu nehmen. Newman unterbrach die Reihe der „Tracts for the Times", die mit kurzer Unterbrechung seit 1833 erschienen waren. Er begann bereits an der Ubereinstimmung seiner eigenen Auffassung mit der der High-ChurchPartei zu zweifeln, und die weiteren Ereignisse gaben diesen Zweifeln neue Nahrung. Zwei Jahre später gab er sein Pfarramt an St. Mary's in Oxford auf, und im Oktober 1845 erfolgte sein Übertritt zu Rom. Viele andere taten dasselbe in den Monaten davor und danach. In den Jahren 1846 und 1847 konnte es fast scheinen, als ob die Oxfordbewegung zu einem plötzlichen Ende gekommen sei. Die High-ChurchPartei war von oben bis unten zerrissen durch Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Traktarianer. Waren die Oxfordleute Verräter an der anglikanischen Tradition, oder waren es diejenigen, die in den Grundsätzen fest blieben? Die Partei sammelte sich wieder unter der Führung von Bischof Henry Phillpotts von Exeter (der die Evangelikaien im Jahre 1847 herausforderte, indem er sich weigerte, einen calvinistischen Geistlichen in die Pfründe von Brampford Speke in seiner Diözese ein-
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zusetzen) und von Bischof Samuel Wilberforce von Oxford. Aber Phillpotts wie Wilberforce zeigten große Zurückhaltung in ihrem Verhalten gegenüber den Traktarianern. Einerseits beschützten sie traktarianische Pfarrer vor ultra-protestantischen Angriffen gegen einige High-Church-Bräuche. Andererseits lehnten sie religiöse Neuerungen ab, besonders auch den Gebrauch von Andachtsbüchern, die aus römischkatholischen Quellen übersetzt und überarbeitet worden waren. Von 1847 bis 1874. war die Whig- oder Liberale Partei ununterbrochen führend und fast immer an der Regierung. Die Einstellung der Regierung und der Krone war gegen alle „High-church-men". Besonders nach 1855, als Lord Palmerston Premierminister war, hatten die Evangelikaien den größten Anteil an den königlichen Patronatsstellen, vor allem an den Bischofsämtern. „Broad-church-men" wurden ebenfalls bevorzugt, dagegen besaß die High-Church-Partei bis 1866 fast keine Freunde im engeren Kreis der Regierung. Sie war immer noch gespalten in traktarianische und vor- oder antitraktarianische Gruppen und verlor wahrscheinlich auch Boden an die Evangelikaien, obwohl das Anwachsen der evangelikalen Partei in dieser Zeit zum Teil auf die unter Geschäftsleuten bestehende Tendenz zurückzuführen ist, bei zunehmendem geschäftlichen Erfolg die Freikirchen zu verlassen und sich wieder der Staatskirche anzuschließen. Im Jahre 1850 entschied das „Gorham-Urteil" durch den Rechtsausschuß des Staatsrates, der jetzt das höchste Gericht in kirchlichen Angelegenheiten war, den Streit in Brampford Speke gegen Bischof Phillpotts und zugunsten des evangelikalen Pfarrers, der auf der Einsetzung in die Pfründe bestanden hatte. George Cornelius Gorham wurde aufgrund der Autorität von Erzbischof Sumner, des ersten evangelikalen Primas von England, eingesetzt und eingeführt. Phillpotts weigerte sich als Diözesanbischof, ihn anzunehmen und ging bis zu der Erklärung, daß er mit seinem Erzbischof nicht in Kirchengemeinschaft stehe. Andere, darunter Archidiakon Manning, der spätere Kardinal, und Archidiakon Robert Wilberforce, der Bruder des Bischofs von Oxford und vielleicht der fähigste traktarianische Theologe, traten aus Protest zu Rom über. Solche Konversionen dauerten noch einige Jahre an und führten zu Unruhe und Sorge unter den konservativen „High-church-men". Doch in einer überraschenden Weise begannen die Auswirkungen der traktarianischen Lehre in der ganzen High-Church-Partei spürbar zu werden; in den Landgemeinden durch häufigere Abendmahlsfeiern und durch die Einführung des täglichen Morgen- und Abendgebets in den Kirchen; in den Stadtgemeinden, besonders in London und einigen anderen Industriezentren, durch Änderungen in den gottesdienstlichen Formen, so zum
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Beispiel durch gesungene Abendmahlsfeiern, durch die Wiedereinführung von Meßgewändern und durch Änderungen in der Stellung des Zelebranten beim Heiligen Abendmahl.
VI. Ritualismus und Liberalismus
Der Ritualismus war eine Bewegung, die vom Traktarianismus zu unterscheiden ist. Seine Ursprünge Hegen nicht in Oxford, sondern in Cambridge, w o im Jahre 1839 die „Camden Society" gegründet und nach William Camden, einem der großen Altertumsforscher der Elisabethanischen Zeit, benannt wurde. Im Jahre 1845/1846 wurde sie umgeformt zur „Ecclesiological Society", die ihre Gruppen im ganzen Land hatte. Die „Ekklesiologie" (hier im Sinne von „Kirchenbaukunde" und den damit zusammenhängenden Fragen verstanden; d. Übers.) war ein Sproß der romantischen Erneuerung in der Literatur und in den Künsten. Eine neue Begeisterung für das Mittelalter wurde in Gutshäusern und Landpfarrhäusern durch die Romane von Sir Walter Scott und durch die Dichtung von Wordsworth, Coleridge, Southey und Keats gefördert. Viele Traktarianer mißbilligten die zeremoniellen Neuerungen, und keineswegs befanden sich alle Anhänger der „Ekklesiologie" in völliger Ubereinstimmung mit den theologischen Auffassungen der Oxfordbewegung. Es bestand aber doch eine natürliche Verbindung zwischen der Restauration mittelalterlicher Kirchen in einen Zustand, der ihrer ursprünglichen Gestalt ähnlich war, dem Bau neuer Kirchen im gotischen Stil und einer neuen Betonung zweier Vorschriften im Prayer Book: „Die Chorräume sollen so bleiben, wie sie in vergangenen Zeiten gewesen sind. Dabei ist zu bemerken, daß der Schmuck (ornaments) der Kirche und ihrer Geisdichen jederzeit bei ihrem Dienst genauso beibehalten und gebraucht werden soll, wie es in dieser Kirche von England durch die Autorität des Parlaments im zweiten Jahr der Regierung König Eduards VI. festgesetzt wurde." Diese Vorschriften wurden zuerst im Jahre 1559 eingeführt und in späteren Überarbeitungen wiederholt. Die „Ekklesiologisten" konnten mit Recht annehmen, daß man 1559 unter „vergangenen Zeiten" die Zeit vor der Reformation verstand. Hinsichtlich der zweiten Vorschrift befanden sie sich auf unsicherem Boden, denn „das zweite Jahr der Regierung König Eduards VI." ist an sich zweideutig. Während die Bearbeiter des Prayer Book von 1559 höchstwahrscheinlich seine Bestimmungen in der Fassung von 1549 beizubehalten beabsichtigten, war doch das „zweite Jahr" in der Tat schon
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vorüber, bevor diese „durch die Autorität des Parlaments" durchgesetzt wurden. Andererseits konnte eingewandt werden, daß offizielle Erklärungen während der Regierungszeit Elisabeths I. nach 1559 Verordnungen über gottesdienstliche Gewänder niedergelegt hatten, die nicht mit denen von 1548 oder 1549 übereinstimmten. Die alten Meßgewänder waren an einigen Orten tatsächlich bis zur Zeit von Erzbischof Laud, kurz vor dem Bürgerkrieg, in Gebrauch gewesen, aber es ist unwahrscheinlich, daß eindeutige Belege für ihren Gebrauch zwischen 1660 und 1850 beigebracht werden können. Der Buchstabe des Gesetzes sprach für die „Ritualisten", wie sie in diesen Auseinandersetzungen von nun an genannt wurden. Aber die meisten Kirchenjuristen bemühten sich sehr, Gründe zu finden, um ihnen diesen Vorteil zu verwehren und zumindest an der Rechtmäßigkeit der herrschenden Sitte festzuhalten. Weitere rechtliche Schwierigkeiten kamen hinzu, als die Ritualisten dieselben beiden Vorschriften heranzogen, um die Wiedereinführung vieler mittelalterlicher Ornamente und Zeremonien zu verteidigen, vor allem auch die nach Osten gewandte Stellung des Zelebranten beim Abendmahl, dem an anderer Stelle im Prayer Book ausdrücklich vorgeschrieben wurde, an der nördlichen Seite des Altars zu stehen. Diese ritualistischen Auseinandersetzungen waren unlösbar mit einer anderen Frage verstrickt, die die Autorität des Rechtsausschusses des Staatsrates in kirchlichen Angelegenheiten betraf. Dieser Gerichtshof war 1833 an die Stelle des „Court of Delegates" als oberste Berufungsinstanz für die Ausübung der königlichen Suprematie getreten. Die „Delegierten" waren kirchliche und weltliche Juristen gewesen, die für jeden Fall ad hoc ernannt wurden, um Berufungen gegen die Entscheidungen der Provinzgerichte von Canterbury und York zu verhandeln. Da die weltlichen Juristen sich auf die kirchlichen Juristen verließen und die letzteren oft jung und unerfahren und daher nicht willens waren, die Entscheidungen ihrer erfahrenen Kollegen in Frage zu stellen, entstanden nur wenig Konflikte bei wichtigen Fragen und gar keine bei solchen, die sich auf die Lehre bezogen. Daher hat niemand, obwohl im Grunde die „Delegierten" als „ein weltlicher Gerichtshof" bezeichnet werden konnten, über ihre Arbeit Klage geführt. Dagegen wurde der „Rechtsausschuß", ein ständiger Gerichtshof, in dem Bischöfe nur als Beisitzer tätig waren, in seinen Verhandlungen von den Richtern beherrscht, die im weltlichen Recht ausgebildet waren. In dem bereits erwähnten Gorham-Fall (1847-1850) hatte das Provinzialgericht der High-Church-Tradition in der Frage der Wiedergeburt durch die Taufe zugestimmt, während der „Rechtsausschuß" zugestand, daß eine calvinistische Auslegung der anglikanischen Bekenntnisschriften zugelassen worden war und auch
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jetzt zugelassen werden konnte. Weitere Konflikte kamen hinzu, als der Häresie verdächtige liberale Pfarrer durch das Provinzialgericht (Court of Arches) verurteilt und vom „Rechtsausschuß" freigesprochen wurden. In Fragen des Rituals waren die Entscheidungen des „Rechtsausschusses" nicht sehr konsequent und erregten Kritik auch bei denjenigen, die keineswegs die Autorität des Gerichtes anfochten. Aber da sich die High-Church-Partei immer deutlicher gegen die Entscheidung von Lehrfragen durch weldiche Richter aussprach, entwickelte der Gerichtshof zwangsläufig eine strengere Haltung gegen die Ritualisten. Ein weiterer Grund für ein gewisses Durcheinander in den rechtlichen Fragen lag im Niedergang des berufsmäßigen Studiums des Kirchenrechts. Im Jahre 1857 verloren die kirchlichen Gerichte ihre alte Rechtsprechung in Ehesachen und in Fällen, die sich auf Testamente und Vermächtnisse bezogen. Ihre Rechtsprechung über die Laien bei moralischen Vergehen wurde niemals formal abgeschafft, jedoch durch Parlamentsgesetze in den Jahren 1787, 1813 und 1855 so geschwächt und eingeschränkt, daß sie (schon vor 1831) praktisch unwirksam geworden war. Durch andere Parlamentsgesetze wurden besondere Gerichte eingesetzt, die Disziplinarfälle der Geistlichkeit auf verschiedenen Gebieten zu verhandeln hatten. Das alles hatte zur Folge, daß um 1870 das Kirchenrecht mehr zu einem Amateurstudium als zu einem Berufsstudium geworden war, zu einem Geschäftszweig, auf dem sich weltliche Richter mehr aus persönlichen als aus beruflichen Gründen betätigten. Finanziell waren sie nicht mehr daran interessiert; folglich verschwanden manche Mißstände. Andererseits wurden sie nun stärker durch ihre persönlichen Ansichten und Gefühle in religiösen Angelegenheiten beeinflußt. Die evangelikale Partei, die jetzt gut und wirksam organisiert war, verlangte Maßnahmen, um gegen den Ritualismus durch einen weiteren besonderen Gerichtshof vorzugehen, der durch eine Parlamentsakte errichtet werden sollte. Doch dabei stieß man auf unerwartete Schwierigkeiten. Die Sturmzentren ritualistischer Neuerungen waren Industriegemeinden in London und in den großen Provinzstädten, in denen Priester voller Hingabe bemüht waren, ihr Bestes für die Armen zu tun. Solche Pfarrer mußten oft eigenartige Bündnisse eingehen, so zum Beispiel mit christlichen Sozialisten, deren theologische Neigungen, wenigstens dem äußeren Anschein nach, weniger traditionell bestimmt waren als ihre eigenen, wie auch mit anderen Sozialreformern, Ärzten, Lehrern und Sozialwissenschaftlem, die kein Verhältnis zu ihren kirchlichen Auffassungen hatten. Doch solche Männer achteten ihre selbstlose Hingabe an ihre seelsorgerlichen Aufgaben, ohne Hoffnung auf Beförderung, und man konnte sich darauf verlassen, daß sie Maßnahmen gegen diese
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Pfarrer verurteilten und verhindern würden. Gewiß war die liberale Meinung im viktorianischen England zu merkwürdigen Inkonsequenzen fähig, w o es um Rom und romfreundliche Tendenzen ging. Doch zu Verfolgungsmaßnahmen ließ sie sich nicht allzu schnell hinreißen. Von 1866 an machte es der wachsende Einfluß von Gladstone, dessen persönliche Sympathien den „High-church-men" galten, der liberalen Partei unmöglich, den Ritualismus zu unterdrücken. Das „Public Worship Regulation Act" wurde im Jahre 1874 von einer konservativen Regierung vorgelegt und erlassen, war jedoch in der Debatte so verändert und verstümmelt worden - nicht nur durch Gladstones Opposition, sondern auch durch die unbestimmte Haltung des „Broad-Church"-Erzbischofs Tait, der darauf bestand, daß jeder Bischof bei jedem Verfahren in seiner eigenen Diözese ein Vetorecht haben müsse - , daß es als Waffe praktisch nutzlos war. Die wenigen Strafverfahren nach diesem Gesetz dienten nur dazu, die Sympathie der Allgemeinheit für die Ritualisten zu fördern. Die eigentliche Bedeutung dieser Krise lag in dem Wechsel, den sie in der politischen und gesellschaftlichen Einstellung der englischen „Highchurch-men" herbeiführte. Die High-Church-Partei war von Anfang an mit der konservativen Richtung verbunden gewesen. Die Tories waren „die Männer der Kirche von England", die „Church Cavaliers" (Kirchlichen Royalisten), während die Whigs die Verbündeten der Nonkonformisten und ihrer Low-Church-Freunde waren. Die Oxfordbewegung begann als ein Protest gegen die Gesetzgebung der Whigs, gegen eine Reform der Kirche und der Universitäten. Doch im Jahre 1871 wurden drastische Verordnungen für eine Universitätsreform durch einen liberalen Premierminister durchgesetzt, der selber ein „High-church-man" mit traktarianischen Neigungen war. 1868 hatte derselbe Premierminister, Gladstone, die Kirche von Irland vom Staat gelöst und ihr Stiftungsvermögen enteignet. Einige „High-church-men" unterstützten diese beiden Maßnahmen, andere leisteten hartnäckig Widerstand. „Highchurch-men" in Oxford, einschließlich Pusey, waren bereit, sich ganz für die Verwirklichung der Reformen einzusetzen und einen anglikanischen Sauerteig in einer Universität zu erhalten, die nicht länger ausschließlich anglikanisch war. Diese neuen Beziehungen wirkten sich auch auf ihre Haltung gegenüber geistigen Fragen aus. Sie waren nicht mehr so fest davon überzeugt, daß alle Veränderungen falsch seien, und sie begannen mit größerer Teilnahme die theologischen Auffassungen der christlichen Sozialisten wie F. D . Maurice und Charles Kingsley zur Kenntnis zu nehmen. Durch ihr Eintreten für die arbeitenden Klassen hatten diese Männer bereits in den fünfziger Jahren Zustimmung bei einigen „High-church-men" gefunden.
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Maurice kam aus einer unitarischen Familie und hatte Cambridge noch vor dem Aufkommen der Oxfordbewegung ohne einen akademischen Grad verlassen. Er wurde Anglikaner und studierte weiter in Oxford, wo er unter dem Einfluß von S. T. Coleridge stand, dem Philosophen und Dichter, der als erster Engländer Kant ernsthaft studiert hatte. Coleridge und seine Freunde paßten viele Jahre lang in keine der vorgegebenen Kategorien der englischen kirchlichen Szene hinein. Sie waren gegen die Philosophie und Volkswirtschaftslehre der englischen Utilitaristen. Sie lehnten Locke und den Empirismus des 18. Jahrhunderts ab und bekannten ihre Loyalität gegenüber der Bibel, dem Prayer Book und den Glaubensartikeln. Aber sie sprachen zustimmend von den neuen deutschen Philosophen, hielten sich nicht sehr an die überlieferten Vorstellungen von der Inspiration der Heiligen Schrift, wandten sich gegen die traktarianische Sicht der Reformation und gegen die evangelikale Deutung des Protestantismus. Sie schienen daher „Broad-church-men" zu sein. Aber im Unterschied zu denjenigen, die diesen Namen auf sich anwandten, nahmen sie die Theologie ernst. Vor allem Maurice zeigte in seinen Schriften eine ungeheure Weite an Kenntnissen, und zwar nicht nur der Kirchenväter, sondern auch der Scholastiker und Reformatoren. Maurice war zu seinen Lebzeiten eine isolierte Gestalt gewesen, die ständig mit allen kirchlichen Parteien Streit hatte. Doch nach seinem Tode im Jahre 1872 wurde deutlich, daß sein Einfluß durch die Vermittlung derer, die seine grundlegenden Ansichten geteilt hatten - besonders F. J. A. Hort, Theologieprofessor in Cambridge, Charles Kingsley, Prediger und Romanschriftsteller, und R. H. Hatton, Herausgeber des „Spectator" - , in der Tat die Reihen der High-Church-Partei tief durchdrungen hatte. Die „High-church-men" waren um so mehr bereit, seine Schriften anzunehmen, als sie kaum Gründe für eine konservative Einstellung hatten. Sehr wenige von ihnen nahmen jetzt höhere Stellungen ein. Die meisten waren Gemeindepfarrer in Schwierigkeiten oder Dozenten und Studentenpfarrer (in Colleges), die wegen ihrer Ansichten nicht aufsteigen konnten. „High-church-men" hatten immer behauptet, daß die Bibel kein leichtverständliches Buch sei. Sie waren der Meinung, daß die Bibel von allen gelesen werden solle, daß sie aber einer genauen Erklärung bedürfe. In den siebziger und achtziger Jahren gingen sie langsam und ohne größere Krise vom Fundamentalismus Puseys zum „Liberalen Katholizismus" über, den Charles Gore und Scott Holland von Hort, Westcott und Lightfoot, den großen kritischen Exegeten in Cambridge, und von Maurice gelernt hatten. Die Veröffentlichung von „Lux Mundi" im Jahre 1889 erregte einigen Protest seitens der älteren
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Leute. Aber die allgemein zustimmende Aufnahme des Buches durch die kirchliche Presse und die Öffentlichkeit beweist, daß die entscheidende Wendung bereits vollzogen war. VII. Liberaler Katholizismus und Evangelikaiismus
Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts begann die High-ChurchPartei in der Kirche von England, sich deutlich von den Spaltungen zu erholen, die zuerst durch die Oxfordbewegung und dann durch den Ritualismus entstanden waren. Die ritualistischen Neuerungen waren bis dahin noch nicht annähernd eine so allgemeine Erscheinung, wie sie es seither geworden sind, aber es war bereits klar, daß sie dort, wo sie bestanden, nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten. Große Verschiedenheiten im Gottesdienst mag man bedauern, aber sie konnten nicht ausgemerzt werden durch eine Rückkehr zu den klaren Grundsätzen der ersten Traktarianer und ihrer Vorläufer im 18. Jahrhundert. Die Zeit ritualistischer Auseinandersetzungen vor Gericht endete mit dem Lincoln-Urteil im Jahre 1890, bei dem der Erzbischof von Canterbury der Richter und der Bischof von Lincoln der Angeklagte war. Dann folgte eine Zeit versuchsweiser Vorstöße, einschließlich der immer wieder hinausgeschobenen Ernennung einer königlichen Kommission, während der die Notwendigkeit einer Revision des Prayer Book und anderer Grundschriften sich immer deutlicher zeigte. Andererseits bestand kein Zweifel daran, daß die Mehrheit der „High-church-men" der Bibelkritik nicht mehr feindlich gegenüberstand. Die Minderheit, die in ihrer Theologie konservativ blieb, wurde immer mehr mit jenem Element in der anglokatholischen Bewegung gleichgesetzt, das seinen Widerstand gegenüber Entscheidungen des Rechtsausschusses in Fragen des Rituals und der Lehre so weit steigerte, daß es die Gültigkeit der Parlamentsgesetze bestritt, die den Gottesdienst der Kirche von England in der Zeit der Reformation umgewandelt hatten. Diese anglikanischen „Papisten" behaupteten und behaupten noch immer, daß ihr kirchenrechtlicher Gehorsam den Gesetzen der vorreformatorischen Kirche gilt, wenn sie auch nicht ganz so weit gehen, sich der Quelle des Rechts in der Westkirche vor der Reformation zu unterwerfen. Ihre Zahl war und ist auch heute schwer zu schätzen. Ihr Einfluß auf die Kirche von England als ganze ist dadurch beschränkt, daß sie sich, außer in bestimmten Krisenmomenten, nicht an anglikanischen Kontroversen beteiligen; aber ihre Existenz sollte nicht übersehen werden. Die Evangelikaien waren in ihrer Haltung gegenüber der Bibelkritik
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ebenfalls uneins, aber die Unterschiede in diesem Punkt begannen erst nach der Veröffentlichung von „Lux Mundi" im Jahre 1889 aufzubrechen. Der liberale Evangelikalismus war in hohem Maße das Ergebnis von Problemen der missionarischen Ausbildung, die um die Jahrhundertwende im Zusammenhang mit dem großen Aufschwung der Missionstätigkeit in den britischen überseeischen Besitzungen entstanden. In der Entwicklung der anglikanischen Missionen spielten die Evangelikaien von Anfang an eine Rolle, die in keinem Verhältnis zu ihrer Zahl stand. Die „Church Missionary Society" leistete bereits große Arbeit und erfuhr weitreichende Unterstützung, bevor die evangelikale Partei zu einem großen Machtinstrument in der Kirchenpolitik wurde, und diese Unterstützung nahm ständig weiter zu, auch nachdem die Macht des militanten Evangelikalismus ihren Höhepunkt überschritten hatte. Viele, die nach Übersee gingen, predigten weiterhin ein schlichtes Evangelium von der Erlösung durch das sühnende Werk unseres Herrn Jesu Christi, das im Glauben an die Verheißungen Gottes, wie sie wörtlich in der Heiligen Schrift offenbart sind, angenommen wird. Andere fanden das Problem, die englische evangelikale Religion einer afrikanischen oder indischen Umwelt anzupassen, wesentlich komplizierter, als sie erwartet hatten, und waren daher in zunehmendem Maße bereit, nicht nur von den deutschen und amerikanischen Missionaren zu lernen, deren Auffassung beweglicher war, sondern auch von „High-church-men" ihrer eigenen Kirche, die den gleichen Schwierigkeiten, manchmal sogar in denselben Diözesen in Indien und Japan, gegenüberstanden. Denn wenngleich viele Missionen von einer bestimmten kirchlichen Richtung getragen wurden, anglokatholisch in Njassaland, Tanganjika und Rhodesien, evangelikal in Uganda und Mombasa, so war dies doch nicht überall der Fall. Probleme missionarischer Zusammenarbeit zwischen Evangelikaien und „High-church-men" waren ein wichtiger Faktor, um die letzteren schon sehr früh in die ökumenische Bewegung hineinzubringen. Das Vorhandensein eines anglokatholischen Elementes auf der Weltmissionskonferenz von 1910 war von entscheidender Bedeutung. Einerseits trug die Anwesenheit der Anglokatholiken dazu bei, unter den konservativeren Evangelikaien, nicht nur in der Kirche von England, Mißtrauen gegenüber ökumenischer Zusammenarbeit aufkommen zu lassen. Andererseits halfen sie dabei, die Tür offenzuhalten für die Ostkirchen und die Diskussion über die Wiedervereinigung der Kirchen in einen Rahmen zu stellen, der nicht ausschließlich liberal war, der das Bemühen um Glauben und Kirchenverfassung mit einschloß und so auch den Blick für die römisch-katholische Frage freihielt. Ein gemeinsames Interesse an der ökumenischen Bewegung, das beson-
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ders durch die Sommerkonferenzen der Christlichen Studentenbewegung in Swanwick gefördert wurde, trug dazu bei, die liberalen Evangelikaien und die liberalen Anglokatholiken in den Jahren vor und nach dem ersten Weltkrieg zusammenzuführen. In der Bewegung für „Life and Liberty" suchten sie nach Möglichkeiten, durch die die Kirche von England ihre Bekenntnisschriften modifizieren und den Bereich ihres liturgischen Gottesdienstes erweitern könnte, ohne dabei eine strenge Gleichförmigkeit zu erzwingen. Das „Enabling Act" von 1919 enttäuschte die Hoffnungen der eifrigsten Förderer dieser Bewegung, aber es schuf doch ein Organ, durch das Änderungen in den die Kirche betreffenden Gesetzen durch eine repräsentative Versammlung von Geistlichen und Laien vorbereitet werden können. Einige waren gewiß enttäuscht, daß die Gesetzesvorlagen der „Church Assembly" noch durch Parlamentsausschüsse überprüft werden sollten und, falls sie dort auf Kritik stießen, dem Feuer einer Parlamentsdebatte ausgesetzt würden. Größere Verstimmung gab es damals über Fragen des Wahlrechts für Wahlen zu den Diözesankonferenzen, die die Mitglieder für das „Haus der Laien" wählen. Aber die „Church Assembly" ist eine feste Einrichtung geworden, deren Vorlagen und Beschlüsse mit wenigen Ausnahmen ohne weitere Diskussion im Parlament ein Teil des englischen Rechts werden. Die einzigen, wichtigen Ausnahmen sind bisher die Gesetzesvorlagen für die Revision des Prayer Book in den Jahren 1927 und 1928 gewesen. Die damit verbundenen Fragen sind noch so lebendig, daß sie sich noch nicht für eine historische Darstellung eignen. Soviel scheint jedoch sicher zu sein, daß die Kirche von England die Freiheit wünscht, ihre Liturgie und Ordnung zu revidieren und sich mit anderen christlichen Gemeinschaften zu vereinigen, wenn sich hierfür eine Möglichkeit bietet. Keine politische Partei möchte heute die Verbindung zwischen Kirche und Staat lösen, denn die Labour Party hat nicht das alte Bündnis zwischen linken Liberalen und den mehr militanten Elementen im englischen und walisischen Nonkonformismus übernommen. Das verbreitete Vorurteil gegen Ritualismus und „High Churchmanship", das dazu beigetragen hat, die Revision des Prayer Book 1927 und 1928 zu verhindern, hat seitdem viel von seinem Einfluß auf das öffentliche Leben verloren. Die ökumenische Bewegung hat viele Anhänger in der jüngeren Generation der Freikirchen gefunden, die ihren eigenen protestantischen Grundsätzen treu bleibt, aber nicht mehr danach strebt, sich in die Angelegenheiten der Kirche von England einzumischen. Andererseits wünscht keine der großen kirchlichen Richtungen, die Kirche von England dem weltlichen Denken anzugleichen, wie es die „Broad-church-men" in der Mitte des 19. und ihre „modernistischen" Erben im ersten Viertel des
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20. Jahrhunderts taten. Der theologische Liberalismus, der in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts stark ausgeprägt war, hat seitdem in England wie auch auf dem Kontinent viel von seiner Kraft verloren. Dennoch wird das britische Parlament kaum großen Reformen in der Ordnung und in der Gestalt des Gottesdienstes zustimmen, die in der „Church Assembly" nur eine knappe Mehrheit erhalten haben. Eine allgemeine Zustimmung ist notwendig für die Reform des Kirchenrechts und der kirchlichen Gerichtshöfe, die jetzt im Mittelpunkt der Debatte steht, wie auch für die Reform des liturgischen Gottesdienstes, eine Sache, die erneut aufgenommen werden wird 4 , wenn die Frage der rechtlichen Ordnung einer befriedigenden Lösung zugeführt werden kann. Die Evangelikaien wie die Anglokatholiken sind in den letzten dreißig Jahren in ihrer Haltung weniger liberal und mehr theologisch geworden; aber während sie vor fünfzehn Jahren sich voneinander wegzubewegen schienen, sind jetzt Zeichen für eine Annäherung erkennbar, wie zum Beispiel in dem Maß an Übereinstimmung im Blick auf die Bedingungen für eine Abendmahlsgemeinschaft mit der Kirche von Südindien, w o die im Jahre 1947 erfolgte Vereinigung vorher und auch später Gegenstand ernsthafter Auseinandersetzungen war. Das Problem der Bedingungen für eine Abendmahlsgemeinschaft ist eng verknüpft mit dem Problem der Kirchenzucht. Wenn Hurrell Froude, der entschiedenste unter den Traktarianern, sagte: „Wenn eine Nationalkirche eine Kirche ohne Kirchenzucht bedeutet, dann ist mein Argument für die Kirchenzucht ein Argument gegen eine Nationalkirche... Laßt uns die Wahrheit sagen und dem Teufel widerstehen; laßt uns eine nationale Kirche aufgeben und laßt uns eine wirkliche Kirche haben" 6 , dann wiederholte er unbewußt die Argumente nicht nur der „High-church-men" im frühen 18. Jahrhundert, sondern auch der Puritaner und Methodisten. Der Einwand besteht immer noch, daß alle Systeme einer „gottesfürchtigen Kirchenzucht" dem zögernden Christen die Tür verschließen. Das Problem der Kirche von England besteht immer wieder darin, ihr Wissen um die seelsorgerliche Verantwortung für die ganze Gemeinschaft mit einem wachsenden Gefühl persönlicher Verantwortung unter ihren Geistlichen und Laien für die Durchführung der gemeinsam getroffenen Entscheidungen zu verbinden. 4 6
Das ist inzwischen geschehen (d. Übers.). R. W . Church, The Oxford Movement. London 1891, S. 47.
BIBEL UND GEBETBUCH RIGHT R E V . C . DUNLOP D.D., BISHOP
I
m „Encyclical Letter" der Lambeth-Konferenz von 1948 findet sich eine Stelle, die kontinentalen Theologen seltsam erscheinen mag. „Innerhalb dieser Mannigfaltigkeit (der anglikanischen Kirchengemeinschaft) ist es wesentlich, eine solche Einheit des Glaubens und der Ordnung zu erhalten, die die Einheit ihrer Bestimmung und ihres Geistes bewahren wird. Wir finden den maßgebenden Ausdruck jenes Glaubens und jener Ordnung im .Allgemeinen Gebetbuch' (Book of Common Prayer) zusammen mit dem .Ordinal'. Dieses Buch ist das Erbe der ganzen Gemeinschaft, und indem es revidiert worden ist, damit es den Bedürfnissen der verschiedenen Kirchen entspricht, stellt es unsere Grundlage der liturgischen Ordnung, des Gottesdienstes und der Lehre dar, die überall bewahrt werden soll." Dieses Verständnis ist kennzeichnend für den Anglikanismus des 20. Jahrhunderts. Die Kirche von England besitzt ihre „Articles of Religion", ein Dokument des 16. Jahrhunderts, durch das ihre Stellung einerseits gegenüber der Kirche von Rom und andererseits gegenüber extremeren Formen des Protestantismus bestimmt wird, und dem ihre Geistlichen immer noch ihre Zustimmung geben müssen. Heute sehen jedoch nur wenige englische Geistliche in den „Artikeln" ein grundlegendes Element im Leben der Kirche; die große Mehrheit versteht sie als ein wichtiges historisches Dokument, welches die Auseinandersetzungen einer vergangenen Zeit widerspiegelt, das aber für die heutigen Probleme weitgehend irrelevant ist. Sehr viel anders steht es mit dem Allgemeinen Gebetbuch. Was sich uns heute als Anglikanismus darstellt, ist gewachsen und gestaltet durch den Gottesdienst des Gebetbuches, und so groß auch die Verschiedenheiten innerhalb der Kirche von England sein mögen, so hält doch die überwiegende Mehrheit ihrer Kinder in Treue und tiefer Zuneigung am „Englischen Gebetbuch" fest. Diesem Buch und den in ihm enthaltenen Gottesdienstformen müssen wir uns zuwenden, wenn wir die englische Kirche verstehen wollen. Die Titelseite von Erzbischof Cranmers erstem Gebetbuch aus dem Jahre 1559, dem unsere heutige revidierte Ausgabe von 1662 weitgehend entspricht, lautet: „Das Buch des gemeinsamen Gebets (Common Prayer) und der Verwaltung der Sakramente und der anderen liturgischen
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Ordnungen und Formen der Kirche: wie sie in der Kirche von England benutzt werden." Hier haben wir die Grundlage des anglikanischen Gottesdienstes. Alle mittelalterlichen Gottesdienstformen sind reformiert worden. Englisch trat an die Stelle des Lateinischen, eine einheitliche Form für das ganze Land ersetzte die in den Diözesen herrschende Vielfalt, das Brevier der Geistlichkeit wurde durch das Allgemeine Gebetbuch der ganzen Kirche abgelöst. Aber Cranmer hat nicht eine völlig neue Ordnung geschaffen, wie er es in seiner Vorrede und in seiner Anmerkung „über die Zeremonien, warum einige abgeschafft und einige beibehalten wurden" zum Ausdruck bringt. Sein Grundsatz ist die Wiederherstellung der schriftgemäßen und ursprünglichen Schlichtheit mit dem Hauptzweck, die Menschen durch ihren Gottesdienst im Glauben aufzuerbauen: aber sein ganzes Werk ist durch die Ehrerbietung gegenüber den alten Formen geprägt. Ordnungen und Formen, welche einer göttlichen und guten Ordnung dienen, werden beibehalten, „denn in einem solchen Falle sollten die Menschen lieber vor ihnen Achtung haben wegen ihres Alters, wenn sich ihr Streben mehr auf Einheit und Einmütigkeit richtet als auf Neuerung und Neuerungssucht, was immer vermieden werden möge (genauso sollte es mit der wahren Darlegung von Christi Religion geschehen)". Der einzige Prüfstein, nach dem Cramner zu urteilen und zu handeln bereit war, war die Heilige Schrift, die er sein ganzes Leben hindurch studiert hat. Es war dieses Studium, zusammen mit seinem Wissen um die bestehenden Mißbräuche, und nicht seine weitgehende Kenntnis der Reformen auf dem europäischem Kontinent, das seine liturgischen Reformen bestimmte und der englischen Kirche ein Gebetbuch gab, welches gewiß reformiert war, aber dennoch in seinem Aufbau wie in seinem Ethos grundlegend katholisch war. Revidiert im Jahre 1552 und dann noch einmal im Jahre 1662, bleibt es die Grundlage für den Gottesdienst der Kirche von England, und wir müssen nun versuchen, seinen wesentlichen Gehalt zu beschreiben. Das Prayer Book beginnt mit einer „Ordnung für das Morgen- und Abendgebet, zum täglichen Gebrauch das ganze Jahr hindurch", obwohl die Bezeichnung aus dem Jahre 1549 als „Mattins" und „Evensong" in den Tabellen der Schriftlesungen bewahrt wird und im allgemeinen Sprachgebrauch noch fortlebt. Diese bilden zusammen das „gemeinsame Gebet" der Kirche, und die Ermahnung am Anfang macht es deutlich, daß sie dazu bestimmt sind, Gemeindegottesdienst zu sein und nicht nur besondere Andachten der Geistlichen im Sinne des Breviers, dem sie ja entstammen. Ihr Aufbau sah im Jahre 1549 folgendermaßen aus:
Bibel und Gebetbuch Mattins
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Evensong
Gebet des Herrn
Gebet des Herrn
Versikel (Wechselverse)
Versikel
Venite (Ps. 95)
Psalmen
Psalmen
Alttestamentliche Lesung
Alttestamentliche Lesung
Magnificat (Luk. 1, 4 6 - 5 5 )
Tedeum oder (in der Fastenzeit) Benedicite Neutestamentliche Lesung N u n c Dimittis Neutestamentliche Lesung Benedictus (Luk. 1, 68-79)
(Luk. 2, 2 9 - 3 2 )
Kyrie
Kyrie
Apostolisches Glaubensbekenntnis
Apostolisches Glaubensbekenntnis
Gebet des Herrn
Gebet des Herrn
Versikel und Responsorien
Kollekte für den T a g
Kollekte für den T a g
Kollekte für den Frieden
Kollekte für den Frieden
Kollekte um Gnade
Kollekte um Gnade
Alles Material für diese gemeinsamen Gottesdienste wurde den mittelalterlichen Gottesdienstformen entnommen, aber Cranmer hat gekürzt, vereinfacht und der Psalmodie wie den Schriftlesungen wieder eine kontinuierliche Form gegeben. Die Psalmen sind so eingeteilt, daß sie alle im Laufe eines Monats einmal gesprochen oder gesungen werden. Die Bibel wird - jedesmal ein volles Kapitel - so gelesen, daß fast das ganze Alte Testament im Laufe des Jahres einmal und das Neue Testament dreimal gelesen wird. Die Kollektengebete sind aus dem Lateinischen in Cranmers treffende und rhythmische englische Prosa, deren Schönheit unübertroffen bleibt, übertragen worden. Diesen einfachen Gottesdienstformen Heß Cranmer seit 1552 eine Ermahnung (Exhortation) und ein Sündenbekenntnis mit Absolution vorangehen. Auch stellte er das Kyrie und das Glaubensbekenntnis um und gab dadurch dem Gebet des Herrn eine größere Würde und dem Wortteil einen geeigneten Schluß, indem die biblische Offenbarung im Glaubensbekenntnis zusammengefaßt wird. Schließlich wurde im Jahre 1662 ein dritter Teil hinzugefügt, der aus den Gebeten für den Herrscher und die königliche Familie, für die Kirche und ihre Diener und besonderen Fürbitten und Dankgebeten bestand. Der Sinn des Gottesdienstes in seiner heutigen Form wird durch die einleitende Ermahnung gut erläutert: Wir versammeln uns und kommen zusammen, „um Dank zu sagen für die großen Wohltaten, die wir aus Gottes Händen empfangen haben, um Ihn würdig zu preisen, Sein heiliges Wort zu hören und um jene Dinge zu bitten, die für den Leib und für die Seele heilsam und nötig sind". So erhielt die Kirche von England eine Form des alten Offiziums, welche
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ein wesentlicher Teil der englischen gottesdienstlichen Tradition geworden ist. Geschichtlich gesehen, ist die Ordnung für das Morgen- und Abendgebet in der Tat Cranmers bedeutendste Leistung. Der Einfluß des Gebetbuches auf die große Masse der englischen Geistlichen und Theologen seine ganze Geschichte hindurch war vor allem der Einfluß dieser „Gemeinsamen Gebete", das bedeutet aber in erster Linie der Einfluß der Bibel. Zweifellos lag dies in der Absicht der „Reformer". Die Vorrede wiederholt dasselbe Thema immer wieder. Durch das häufige Lesen und die Betrachtung von Gottes Wort sollen die Geistlichen zur Frömmigkeit und zur heilsamen Lehre angeregt werden, und durch das tägliche Hören der in der Kirche verlesenen Heiligen Schrift soll das Kirchenvolk ständig zunehmen in der Erkenntnis Gottes und immer mehr erfüllt werden mit der Liebe zur wahren Religion. „Hier habt ihr", so sagtCranmer, „eine Ordnung für das Gebet und für das Lesen der Heiligen Schrift, die dem Geist und Willen der Väter der Kirche entspricht..., und nichts wird zu lesen verordnet als allein das reine Wort Gottes, die Heilige Schrift oder was mit derselben übereinstimmt" So findet das anglikanische Verständnis des Amtes als des Amtes des Wortes und der Sakramente im Gottesdienst seinen abgewogenen Ausdruck. Die Heilige Schrift nimmt im Allgemeinen Gebetbuch mehr Raum ein als in irgendeiner anderen Liturgie; die Beibehaltung des Offiziums als eines Gottesdienstes des Wortes Gottes neben der Feier des Heiligen Abendmahls ist der besondere Schatz der Kirche von England. Dadurch sind im Laufe der Jahrhunderte die Menschen nicht nur mit der Bibel vertraut gemacht worden, sondern das Wort Gottes hat auch einen Ehrenplatz in den Herzen und Sinnen der Menschen erhalten, was dazu führte, daß sie auch in den Häusern die Bibel lasen - ein charakteristisches Merkmal englischen Lebens bis hin zum Ende des 19. Jahrhunderts. Man hat darauf hingewiesen, daß in allen Jahrhunderten sowohl vor als auch nach der Reformation die englische Frömmigkeit mehr biblisch und ethisch als von Natur aus sakramental geprägt war. Sie sieht in der Heiligen Schrift nicht in erster Linie einen Beweis für die Lehre, sondern eine Anleitung zum Leben. So konnte Tyndale, der erste Ubersetzer der englischen Bibel aus dem Urtext, schreiben, daß er sein Werk tat, „nicht um irgendeine Sekte zu gründen, sondern aus Barmherzigkeit und Mideid mit der Finsternis meiner Mitbrüder und um sie zu der Erkenntnis Christi zu führen". Strype sagt in seiner Biographie Cranmers über die erste Einführung der englischen Bibel: „Es war wunderbar zu sehen, mit welcher Freude das Buch Gottes aufgenommen wurde, nicht nur von den gelehrten Leuten, sondern allgemein in ganz England, von allen schlichten und einfachen Leuten, und mit welchem Eifer Gottes
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W o r t gelesen wurde. Jeder, der dazu in der Lage war, kaufte sich das B u c h oder las fleißig darin oder sorgte dafür, daß andere es vorlasen." Treffend umschreibt Professor Ratcliffe das Ethos des M o r g e n - und Abendgebetes mit dem Zitat: „ D e i n W o r t ist meines Fußes Leuchte." Die englische Reformation war vor allen Dingen schriftbezogen in ihrer inneren Kraft und schriftbezogen in ihrer Zielsetzung. Die Bibel - und nicht der Kelch und der Hostienteller-wird dem englischen Ordinanden bei der Ordination als Zeichen seines geistlichen Amtes übergeben. W e n n w i r v o n den täglichen Gottesdiensten zur Feier des Heiligen Abendmahls übergehen, so ist das zugleich ein Ubergang von dem, was verhältnismäßig unbestritten ist, zu dem, was heute im Mittelpunkt des liturgischen Interesses in der Kirche von England steht. In den modernen liturgischen Untersuchungen wird heute anerkannt, daß Cranmer, w i e er selbst behauptete, erstens konsequent war in seinen liturgischen Reformen; zweitens, daß er trotz der Weite seiner eigenen Studien notwendigerweise an die westliche Tradition gebunden war, in der er stand; und drittens, daß er angesichts der theologischen Schlußfolgerungen, zu denen er sich unerbittlich durchgerungen hatte, eine unvergleichlich gute Arbeit geleistet hat. D o m . Gregory D i x , der Cranmers theologische Schlußfolgerungen sehr scharf kritisierte, kann v o n dessen liturgischer Arbeit sagen: „Verglichen mit den schwerfälligen und formlosen liturgischen Ordnungen, w i e sie in anderen Ländern entwickelt wurden, w a r die Ordnung von 1 5 5 2 das Meisterstück eines Künstlers. Cranmer gab ihr die edle Form eines großartigen Werkes der Literatur, aber er tat noch mehr. Als ein W e r k liturgischer Sachkenntnis ist sie erstrangig, wenn man erst einmal ihre Intention verstanden hat. Sie ist nicht ein planloses Bemühen, einen katholischen Ritus umzuformen, sondern der einzige wirkungsvolle Versuch, der je unternommen wurde, um der Lehre von der .Rechtfertigung allein aus Glauben* liturgischen Ausdruck zu verleihen." U n d diese Ordnung aus dem Jahre 1 5 5 2 stellt in ihren wesentlichen Teilen auch heute den Abendmahlsgottesdienst der Kirche von England dar. Es ist daher wesentlich, Cranmers W e r k im Zusammenhang mit seinen theologischen Überzeugungen zu sehen. U m das Jahr 1546 war er soweit, die Grundlehren der Reformation anzunehmen, die Überordnung der Heiligen Schrift, die Rechtfertigung allein aus Glauben, den unmittelbaren Zugang der einzelnen Seele zu Gott durch Christus. Er hatte die Lehre v o m Meßopfer aufgegeben als eine Herabwürdigung der V o l l ständigkeit des Erlösungswerkes Christi, w i e auch das Verständnis des Sakraments als eines opus operatum. In seiner Antwort an Bischof Gardiner von Winchester unterscheidet er deutlich zwischen dem Opfer Christi, welches er für uns Gott dargebracht hat, durch das Christus auch uns
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seinem Vater dargebracht hat, und einer anderen Gestalt des Opfers, „welches nicht uns mit Gott versöhnt, sondern von denen dargebracht wird, die mit Christus versöhnt sind, damit wir unsere Pflichten Gott gegenüber bezeugen und uns Gott gegenüber dankbar erweisen. Daher soll es ein Opfer des Lobes, des Preises und des Dankes genannt werden." Es ist ebenfalls deutlich, daß er nicht nur die mittelalterliche Lehre von der Transsubstantation aufgegeben hat, sondern auch nicht anerkannte, daß der Leib und das Blut Christi in den Elementen realiter gegenwärtig seien. Aber vor allem war Cranmer überzeugt, daß das Herzstück des Heiligen Abendmahls die Kommunion sei, und es war sein Ideal, die Kommunion an jedem Sonntag zur Norm des englischen Gottesdienstes zu machen. Z u diesem Zweck fügte er dem Abendmahlsgottesdienst und nicht den täglichen Gottesdiensten die Predigt wieder als einen wesentlichen Teil des Gottesdienstes ein. Cranmer ging also mit festumrissenen Überzeugungen an die Neugestaltung des englischen Abendmahlsgottesdienstes heran. Aber es ist bezeichnend für seine Arbeit, daß er im Jahre 1549 immer noch als Ausgangspunkt das mittelalterliche „Sarum rite" (eine ursprünglich in Salisbury verwendete Liturgie, die darum .Sarumburensis' genannt wurde, woraus sich als Kurzform ,Sarum' bildete; Anmerkung des Redaktors) nimmt und dessen Aufbau beibehält: Introitus, Kyrie, Gloria, Kollekte, Epistel, Evangelium, Glaubensbekenntnis, Predigt, Offertorium; alles behält seine alte Reihenfolge und in der Übersetzung vieles von seiner ursprünglichen Form. Dies gilt auch für die Einleitung zum Sakramentsteil. Das eucharistische Gebet jedoch wird von ihm umgeschrieben und neugestaltet. Zuerst kommt die Fürbitte für die Kirche, dann die Einsetzungsworte und schließlich das Gedächtnis der Passion und die Selbstdarbringung der Kirche; den Abschluß bildet das Gebet des Herrn. Wir werden noch hierauf zurückkommen. Der Gottesdienst geht dann weiter mit einer völlig neuen Vorbereitung auf die Kommunion mit Sündenbekenntnis und Absolution; und die Kommunion erfolgt mit den Worten: „Der Leib unseres Herrn Jesu Christi, der für dich gegeben ist..., das Blut unseres Herrn Jesu Christi, das für dich vergossen ist..., bewahre deinen Leib und deine Seele zum ewigen Leben." Nach der Kommunion folgt ein Dankgebet, und der Gottesdienst schließt mit dem Segen. Neben der Neuordnung, durch welche eine viel klarere Gedankenfolge erreicht wird als im früheren Messkanon, ist vor allem der Gebrauch einer Opfersprache mit den bereits erwähnten klaren Unterscheidungen Cranmers von besonderer Bedeutung. A m Ende des eucharistischen Gebets sagt der Pfarrer: „Christus, unser Osterlamm, ist für uns ein für allemal dargebracht worden, als Er an Seinem Leibe unsere
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Sünden an das Kreuz trug; denn Er ist das wahre Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt trägt: darum laßt uns ein frohes und heiliges Mahl mit dem Herrn halten." Im Zentrum des eucharistischen Gebets sichert der Satz „durch Sein eines Opfer, einmal dargebracht" die Vollständigkeit des Werkes Christi. Dennoch fährt das Gebet nach den Einsetzungsworten fort: „Wofür, o Herr und himmlischer Vater, nach der Verordnung Deines geliebten Sohnes, unseres Heilandes Jesus Christus, wir, Deine demütigen Knechte, Dich preisen und hier vor Deiner göttlichen Majestät mit diesen Deinen heiligen Gaben das Gedächtnis feiern, welches Dein Sohn uns zu tun geboten hat", und bittet Gott, „dieses unser Lob- und Dankopfer anzunehmen", bringt dann das Opfer der anbetenden Kirche dar, „daß es ein vernünftiges, heiliges und lebendiges Opfer für Dich sein möge" und bittet, daß diejenigen, die es würdig empfangen, „zu einem Leib mit Deinem Sohn, Jesus Christus, gemacht werden". Schließlich ist bemerkenswert, daß die Einsetzungsworte durch eine Epiklese eingeleitet werden:, ,Höre uns, o barmherziger Vater, wirflehenDich an, und mit Deinem Heiligen Geist und Wort wollest Du diese Deine Gaben und Geschöpfe, Brot und Wein, segnen und heiligen, daß sie für uns Leib und Blut Deines geliebten Sohnes Jesus Christus sein mögen." Zweifellos war Cranmer persönlich überzeugt, daß diese konservative und schöne Überarbeitung des traditionellen Ritus all das bewahrte, was gut war und gleichzeitig die Einsichten der Reformation in angemessener Weise zum Ausdruck brachte und einfügte. Aber diese Ordnung befriedigte nicht die radikaleren „Reformer", und Konservative wie Gardiner konnten sie immer noch im Sinne der alten Lehren interpretieren. Darum wurde sie im Jahre 1552 tiefgreifend umgestaltet. Die drei Teile des eucharistischen Gebets wurden voneinander getrennt. Die Fürbitte für die Kirche (das Gebet für die Verstorbenen und das Gedächtnis der Heiligen wurden eliminiert) wurde unmittelbar hinter das OfFertorium gestellt, das Gedächtnis der Passion wurde herausgenommen, und die Selbstdarbringung der Kirche mit ihrem Hinweis auf „dieses unser Lobund Dankopfer" wurde ein Gebet im Rahmen der Postkommunion. Der zentrale Teil blieb bestehen, aber ohne die Epiklese; und damit die Kommunion unmittelbar auf die Einsetzungsworte folgen konnte - ihre besondere Bedeutung als das Herzstück der ganzen Handlung wurde so unterstrichen - , wurde die Vorbereitung so umgestellt, daß sie der Konsekration unmittelbar voranging. Wichtig ist noch, daß neue Spendeformeln eingeführt wurden. „Nimm' hin und iß' dieses zum Gedächtnis, daß Christus für dich gestorben ist, und genieße ihn in deinem Herzen durch Glauben mit Danksagung." „Trinke dieses zum Gedächtnis, daß Christi Blut für dich vergossen ist, und sei dankbar." Da auch die Ge-
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böte am Anfang des Gottesdienstes (eine „kontinentale" Neuerung) eingeführt worden waren, wurde das Kyrie in ein Responsorium umgewandelt, und das Glorie, welches nun nicht mehr in diesen Textzusammenhang hineinpaßte, wurde so umgestellt, daß es den letzten Teil des Lobgebetes bildete. Auf diese Weise erhielt die Kirche von England innerhalb von drei Jahren zwei Ordnungen des Abendmahlsgottesdienstes. Historische B e dingungen erzwangen, wie wir sehen werden, die Annahme der zweiten Form unter der Regierung Elisabeths I. mit nur einer größeren Änderung - der Verbindung der beiden Spendeformeln. Es war auch diese Form, die 1662, nach dem „Commonwealth", wieder eingeführt wurde, mit neuen liturgischen Anweisungen, nach denen der Liturg das Brot brechen und seine Hände auf den Kelch legen soll. Allmählich gewann diese Form die Zuneigung der Engländer, und ihre Neuerungen erwiesen sich als annehmbar. So ermöghcht es die Aufteilung des langen eucharistischen Gebets in seine drei Bestandteile der Gemeinde, einem jeden von ihnen ohne übermäßige Anstrengung andächtig zu folgen; auch sah man in der Stellung der Selbstdarbringung der Kirche nach dem sakramentalen Empfang von Christi Leib und Blut durch die Kommunikanten eine sinnvolle Anordnung. Spätere Generationen sprachen sogar von „unserer unvergleichlichen Liturgie". Und dennoch haben in der ganzen nachreformatorischen Geschichte der Kirche von England viele ihrer treuen Söhne sehnsüchitg auf Cranmers erste Ordnung des Abendmahls mit ihrer auf Gott hin ausgerichteten Betonung zurückgeblickt. Die schottischen Gebetbücher von 1637 und 1764 (und durch sie das Gebetbuch der amerikanischen Episcopal Church) sind durch die Ordnung tief beeinflußt worden, wie auch in neuerer Zeit die anglikanischen Gebetbücher in Südafrika, Indien, Pakistan, Burma, Ceylon und Japan. Aber in England kam der Versuch, sie wiederherzustellen, zu spät. Bei der Revision des Gebetbuches im Jahre 1928 wurde im Grunde die Ordnung von 1549 (mit der Ausnahme, daß die Epiklese auf das Gedächtnis der Passion folgte) als Alternative zu der Ordnung von 1662 erlaubt. Daß diese Revision nicht angenommen wurde, ist zum Teil auf die konservative religiöse Haltung der Laien, zum Teil auch darauf zurückzuführen, daß die eigentliche Entscheidung für die Kirche von England nicht mehr in einer Wahl zwischen ihren eigenen historischen Ordnungen liegen konnte. Beide Ordnungen entstammen der liturgischen Tradition des Westens, wenngleich durch die Einsichten der Reformation grundlegend umgeformt, während die liturgische Forschung ihr Hauptinteresse dem Gottesdienst der Alten Kirche zuwandte. In diesem - allen theologischen Richtungen gemeinsamen-Interesse hegt die Hoffnung für die Zukunft.
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Auf diesen Unterschied zwischen den theologischen Richtungen innerhalb der Kirche wurde in diesem Kapitel bisher nicht eingegangen, da dieses Thema an anderer Stelle behandelt wird. Er ist jedoch für das Verständnis der Bibel wie auch des Gebetbuches im kirchlichen Leben Englands so wichtig, daß eine kurze historische Studie seiner Entwicklung unumgänglich ist. Als erstes muß erwähnt werden, daß die Reformationszeit in England tatsächlich über hundert Jahre gedauert hat. Eine feste Ordnung wurde erst 1662 erreicht, und während jener Periode wurden die Möglichkeiten der Reform in hohem Maße von der starken Hand der Regierung kontrolliert. In der Regierungszeit Heinrichs VIII. erreichte die gegen das Papsttum gerichtete Bewegung, die in England schon seit Wiclif stark ausgeprägt war, ihren Höhepunkt, obwohl der Anlaß zum Bruch mit Rom die politisch begründete Weigerung des Papstes war, die vom König gewünschte Nichtigkeitserklärung seiner Ehe auszusprechen. Als die Kirche von England den Bereich der Jurisdiktion Roms verließ, kam sie unvermeidlich, das brachten die damaligen Verhältnisse mit sich, in den Machtbereich des Königs, der dazu überging, geistliche und politische Macht in seinen Händen zu vereinigen. Die Konvokationen waren gezwungen, den Anspruch Heinrichs anzuerkennen, daß er das oberste (irdische) Haupt der Kirche und der Geistlichkeit von England sei, wenn auch mit dem Vorbehalt „so weit es das Gesetz Christi erlaubt", und ihre Vollmacht, kirchliche Rechtsbestimmungen zu erlassen, wurde königlicher Erlaubnis und Revision unterstellt. Zudem war Heinrich, der wegen seiner Schrift gegen Luther vom Papst den Titel eines „Verteidigers des Glaubens" erhalten hatte, zu konservativ, um mehr als nur sehr beschränkte Reformmaßnahmen zu erlauben. Eine englische Litanei, eine englische Bibel (die bezeichnenderweise das Werk von Verbannten war, Tyndale und Coverdale), ein Kapitel des Neuen Testaments, das auf englisch nach dem Tedeum im Morgengottesdienst und dem Magnifikat im Abendgottesdienst gelesen wurde - das war alles, was in seiner Regierungszeit möglich war. Bei seinem Tode ging die eigentliche Regierung in die Hände raubgieriger und gewissenloser Adliger über. Diese Periode stellt wohl einen Tiefpunkt in der englischen Geschichte dar; dennoch gaben uns die Regierungsjahre Eduards VI. (1547-1553) die Gebetbücher von 1549 und 1552 und das Ordinal von 1550. Von 1553 bis 1559 unterstellte sich England unter Maria Stuart erneut der päpstlichen Jurisdiktion und führte die alten Formen des Gottesdienstes wieder ein. Es wurde mit allen Mitteln versucht, die Reformation in den Feuern von Smithfield zu vernichten. Ihre Führer, wie Cranmer, Ridley und Latimer, endeten auf dem Scheiterhaufen, während andere auf den Kontinent flohen, nach Straßburg oder Genf. Während
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dieser Zeit richtete sich der Kampf also gegen Rom. Aber auf Maria folgte ihre protestantische Schwester, Elisabeth I., die bis zu ihrem Tode im Jahre 1603 ihr Volk mit starker Hand einte und beherrschte. Damit erreichen wir das zweite Stadium der englischen Reformation, den Kampf um die Vorherrschaft innerhalb einer Reformationskirche. Das zweite Gebetbuch aus der Zeit Eduards VI. war, wie wir sahen, mit nur einer größeren Veränderung wieder eingeführt worden: sein Gebrauch und seine strikte Befolgung im Gottesdienst wurden durch eine Parlamentsakte zur Pflicht gemacht. Keine weitere Reform wurde beabsichtigt; sie wäre auch nicht geduldet worden. Aber mit der Thronbesteigung Elisabeths war auch die Rückkehr der unter Maria geflüchteten Theologen verbunden, die nun von Genf stark beeinflußt waren. Zudem brachten diese die Genfer Bibel mit - das Neue Testament von 1557, die ganze Bibel von 1560, alles in moderner Schrift gedruckt, in Verse eingeteilt und durchgehend im Sinne von Genf kommentiert. Für sie war das „Elisabethan Setdement" etwas, was auf halbem Wege stehengeblieben war. Das Gebetbuch duldeten sie nur als eine Zwischenregelung, und der Presbyterianismus galt ihnen als die einzig angemessene Form der KirchenVerfassung. Die Kirche von England war von außen durch Rom bedroht und von innen durch den Puritanismus. Gegen die Ansprüche Roms verfaßte der gelehrte Bischof Jewel von Salisbury „Die Apologie der Kirche von England", in welcher er es unternahm, „deutlich zu machen, daß Gottes heiliges Evangelium, die Bischöfe der ersten Jahrhunderte und die Alte Kirche auf unserer Seite stehen, und daß wir nicht ohne gerechte Ursache die anderen verlassen haben, sondern vielmehr zu den Aposteln und zu den alten katholischen Vätern zurückgekehrt sind." Gerade dies wurde das grundlegende Argument der anglikanischen Väter - die an erster Stelle stehende Berufung auf die Heilige Schrift als entscheidendes Kriterium und die ergänzend hinzutretende Berufung auf die Tradition der Alten Kirche. Auf dieser Grundlage stehen auch die 39 Artikel (die im wesentlichen das Werk Cranmers sind, dann aber unter Elisabeth überarbeitet wurden), wie die folgenden Auszüge zeigen werden. Artikel VI. Von der Allgenügsamkeit der Heiligen Schrift für das Heil „Die Heilige Schrift enthält alles, was zum Heil notwendig ist, so daß, was darin nicht zu lesen steht und daraus nicht bewiesen werden kann, niemandem als Glaubensartikel oder als etwas Heilsnotwendiges auferlegt werden darf. Unter dem, was wir die Heilige Schrift nennen, verstehen wir diejenigen kanonischen Bücher des Alten und Neuen Testaments, an deren Autorität in der Kirche nie ein Zweifel bestanden hat."
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Artikel VIII. Von den drei Symbolen „Die drei Symbole, das Nizänische, das des Athanasius und dasjenige, welches gewöhnlich das Apostolische Glaubensbekenntnis genannt wird, müssen unter allen Umständen angenommen und geglaubt werden, denn sie können durch die sichersten Zeugnisse der Schrift bewiesen werden." Artikel XX. Von der Vollmacht der Kirche „Die Kirche hat das Recht, liturgische Ordnungen und Formen festzusetzen und hat Vollmacht in Glaubensstreitigkeiten; doch ist es der Kirche nicht erlaubt, etwas anzuordnen, was dem geschriebenen Worte Gottes entgegen ist." Artikel XXXIV.
Von den kirchlichen Überlieferungen
„Es ist nicht notwendig, daß Traditionen und feierliche Formen überall dieselben und völlig gleich sind; denn sie sind immer mannigfaltig gewesen und können je nach den Verschiedenheiten der Länder, Zeiten und Sitten geändert werden, wenn nichts gegen Gottes Wort angeordnet wird. Wer nach seinem eigenen Willen die Traditionen und feierlichen Formen der Kirche, die nicht wider das Wort Gottes streiten und öffentlich angeordnet und bestätigt sind, bewußt und öffentlich verletzt, sollte öffentlich getadelt werden." Auf dem Boden dieser Überlegungen haben die großen Theologen des 16. und 17. Jahrhunderts, die „Elizabethan and Caroline Divines", das Gebetbuch als mit der Heiligen Schrift übereinstimmend verteidigt; das heißt: es ist gegründet auf solche Lehren, die aus der Bibel bewiesen werden können. Die Puritaner forderten demgegenüber einen schriftgemäßen Gottesdienst unter ganz anderen Vorzeichen, indem sie die direkte Autorität der Schrift für alle kirchlichen Einrichtungen, Gottesdienstordnungen und feierlichen Formen lehrten. So wurden von ihnen sogar der Gebrauch des Kreuzeszeichens bei der Taufe oder der Ring bei der Trauung als nicht schriftgemäß und abergläubisch abgelehnt. Entscheidender noch war ihre Ablehnung des bischöflichen Amtssystems, da dieses sich nicht in ihrem Sinne direkt aus dem Neuen Testament beweisen läßt. Mit diesem Biblizismus war eine sehr heftige Abneigung gegen Rom verbunden. So war man in der Liturgie sogar gegen Lobgesänge, (die, wie das Magnificat, auf biblischen Texten beruhen), nur weil sie im Mittelalter verwendet worden waren; und auf dem Gebiet äußerer Formen lehnte man sogar die Benutzung des Chorhemdes als eines „papistischen Fetzens" ab. Die Puritaner waren stark, sowohl im Parlament und an den Universitäten, als auch im ganzen Volke, wo sie
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gewissermaßen durch den calvinistischen Kommentar zur Genfer Bibel vertreten waren. Diese Bibel war so beliebt, daß zwischen 1560 und 1644 nicht weniger als 140 Ausgaben erschienen und sie noch lange nach Erscheinen der offiziellen „Authorized Version" von 1611 die Bibel für den Hausgebrauch blieb. Während der Regierungszeit Elisabeths war daher die Kirche von England in der Verteidigung, und es bedurfte des Einsatzes der persönlichen Autorität Elisabeths, um ihre Parlamente davon zurückzuhalten, die kirchliche Ordnung zu zerstören. Gegen Ende ihrer Regierungszeit tat Richard Hooker für seine Kirche gegenüber dem Puritanismus das, was Jewel in gleicher Sache gegenüber Rom getan hatte. Seine „Laws of Ecclesiastical Polity" rechtfertigten die Rechtmäßigkeit der anglikanischen Berufung auf die Heilige Schrift, die noch unterstützt wurde durch eine zusätzliche Berufung auf die Grundsätze von Recht und Vernunft. So wurden zu einem kritischen Zeitpunkt ihrer Geschichte nach zwei Fronten hin die Prinzipien herausgestellt, die seither für die englische Kirche bezeichnend sind - der Vorrang der Heiligen Schrift im Bereich der Lehre, eine dem untergeordnete Berufung auf die Tradition der Alten Kirche und eine Berufung auf die durch wohlfundierte wissenschaftliche Arbeit bestimmte Vernunft. Schließlich erwies sich jedoch die Kluft zwischen Canterbury und Genf als zu weit, als daß sie überbrückt werden konnte. In seinen beiden Formen, dem Presbyterianismus und dem Independentismus, stellte sich der Puritanismus außerhalb der Kirche von England und triumphierte für einige Zeit während des „Commonwealth", als es ihm gelang, die bischöfliche Verfassung abzuschaffen und von 1644 bis 1660 das Gebetbuch zu verbieten. In der Kirche von England aber erfüllte der Geist Jewels und Hookers auch weiterhin ihre Nachfolger, die „Caroline Divines", wie sie genannt wurden - Männer wie Erzbischof Laud und Lancelot Andrews, Jeremy Taylor und John Cosin - , die dem Puritanismus eine tiefe Frömmigkeit gegenüberstellten, eine gelehrte, auf die Schrift gegründete, katholische und doch zugleich reformatorische Frömmigkeit. Es waren Männer, die mit Begeisterung der englischen Liturgie anhingen. So kann Jeremy Taylor schreiben: „Die Liturgie der englischen Kirche hat so viele und so bedeutende Vorzüge, daß sie sich nicht nur über die Gottesdienstformen anderer Kirchen erhebt, sondern bei vielen gutgesinnten Leuten eine wahre Liebe zur Liturgie überhaupt erwecken konnte." Aus dem Wirrwarr der Streitigkeiten erwuchs eine echte Liebe zur englischen Liturgie es wurde sogar behauptet, sie sei die beste, die es je in einer christlichen Kirche gegeben habe. Aber die „Caroline Divines" unterschieden sich doch in mancher Hinsicht von Cranmer und sogar von Jewel. Ebenso wie Cranmer weigerte Jewel sich, die Vorstellung eines eucharistischen
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Opfers Christi zu akzeptieren. Als Erwiderung auf den römischen Vorwurf, daß „ihr Christus nicht wirklich Gott, seinem Vater, darbringt", kann er antworten: „Nein, weder wir können ihn so darbringen, noch könnt ihr es, auch gab euch Christus keinen Auftrag, ein solches Opfer zu vollziehen... Christus bringt sich selbst seinem Vater dar..., aber kein Geschöpf ist imstande, ihn darzubringen." Dagegen kann Jeremy Taylor, überzeugt, mit dem Gebetbuch vollständig übereinzustimmen, dennoch Folgendes schreiben: „Da Christus für immer Priester im Himmel ist und sich doch nicht von neuem opfern kann, aber nicht ohne ein Opfer Priester sein könnte und darum durch täglichen Dienst und Fürbitte sein Opfer vor Gott darstellt und sich selbst als geopfert darbringt, so tut er dies auf Erden durch das Amt seiner Diener. Er wird Gott dargebracht, d. h. er wird durch Gebete und durch das Sakrament Gott als geopfert dargestellt oder dargeboten, was in der Tat eine Feier seines Todes ist..." Daraus folgt, daß die Feier dieses Opfers an ihrem Teil ein Mittel ist, das eigentliche Opfer allen denen zuzuwenden, für die es zuerst bestimmt war. Es trägt dienenden Charakter und durch die Zuwendung ist es ein Mittel der Sühne, es ist eucharistisch, es ist eine Huldigung und ein Akt der Anbetung und erlangt für uns und für die ganze Kirche alle Segnungen des Opfers, das jetzt zelebriert und zugewendet wird. Hier erreicht der Anglikanismus des 17. Jahrhunderts seine Grenze; nur wenige Theologen unterstrichen den auf Gott gerichteten Aspekt der Liturgie in so extremer Weise, aber betont wurde er auch von den anderen, die daher für sich selber das Gebetbuch von 1549 dem von 1552 vorgezogen hätten. Es waren Theologen dieser Schule, wenngleich sie selber Schotten waren, die 163 7 - wenn auch ohne Erfolg - das Gebetbuch in der Form von 1549 in Schottland einzuführen versuchten. In England jedoch war eine solche Rückwendung zum Jahre 1549 undenkbar; nicht einmal im Jahre 1662, als bei der Wiedereinsetzung Karls II. die Bischöfe es sich leisten konnten, die puritanischen Argumente hinwegzufegen. Denn inzwischen war die Ordnung von 1552 (wie sie im Jahre 1559 überarbeitet worden war) zur englischen Liturgie geworden; man hatte auf Kosten des Ausscheidens der Puritaner eine gewisse Stabilität erreicht. Dagegen war der Versuch gescheitert, ein einheitliches Kirchenwesen auf der Grundlage der bischöflichen Verfassung und des Gebetbuches zu bewahren. Selbst als das Prayer Book im Jahre 1662 wieder eingeführt und durch eine Parlamentsakte gesetzlich sanktioniert wurde, wurden die „Nonkonformisten" anfänglich geduldet und später öffentlich anerkannt. Rückblickend können wir sagen, daß es in einer von solch großen Erschütterungen erfüllten Periode kaum anders hätte sein können. Das rechte Gleichgewicht von Ordnung und Freiheit ist niemals leicht zu
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bewahren, am wenigsten in einer Zeit des Ubergangs und im Bereich der Religion, wo die tiefsten Empfindungen der Menschen beteiligt sind; selbst wenn Bischof Sanderson in seiner Vorrede zu dem Gebetbuch von 1662 behaupten konnte, „daß es immer die Weisheit der Kirche von England gewesen ist, die rechte Mitte zu halten zwischen den beiden Extremen einer zu großen Starrheit im Verweigern und einer zu großen Beweglichkeit in der Zulassung von Abweichungen gegenüber ihrer offiziellen Liturgie." Das karolinische Ideal, welches am klarsten vielleicht bei Erzbischof Laud zu sehen ist, war nach Charles Smyth „eine geordnete Freiheit", die er so bestimmt: „Der zweifache Grundsatz, eine geordnete Einheitlichkeit in der äußeren Form des Gottesdienstes gemäß der Lehre und Kirchenzucht der Kirche von England beizubehalten als Grundlage und Bedingung einer weitreichenden Freiheit theologischen Denkens." Wenngleich die Kirche von England die Puritaner verloren hatte und es ihr in dieser Hinsicht nicht gelungen war, ein einheitliches Kirchenwesen zu sichern, so hat sie doch jenes Ideal für sich selbst übernommen, und darin hegt ihre Stärke. Der Anglikanismus des 18. Jahrhunderts ist eine Religion des Gebetbuches, die einen klaren Glauben und oft eine tiefe Frömmigkeit gefördert hat; sie bewahrte die Kirche, wie es die Liturgie immer tut, vor den Tendenzen einer Zeit, die innerhalb des Nonkonformismus große Teile des Presbyterianismus ins Unitariertum abgleiten ließen. Wenn also gesagt wird, daß der Anglikanismus in der Zeit nach der Reformation eine Religion des Gebetbuches ist, so muß eine solche Feststellung erläutert werden; denn weder Cranmers Ideal noch das der „Caroline Divines" wurde zur Norm des anglikanischen Gottesdienstes. Cranmer hatte die Feier des Heiligen Abendmahls an jedem Sonntag vorgesehen, der das Morgengebet und die Litanei vorausgingen. Aber im Bemühen, jede Feier wirklich zu einem Kommunionsgottesdienst zu machen, verbot er durch seine Anweisungen eine nichtkommunizierende Teilnahme an der Abendmahlsfeier. Die Engländer waren jedoch auf einen solchen Bruch mit der jahrhundertealten Tradition nicht vorbereitet. Da sie daran gewöhnt waren, nur einmal im Jahr zu kommunizieren, konnten sie weder durch liturgische Anordnungen noch durch eine Parlamentsakte veranlaßt werden, häufiger am Abendmahl teilzunehmen. Das Höchste, was erreicht werden konnte - sogar als Königin Elisabeth selber nach Canterbury kam oder als Laud Präsident des St. John's College in Oxford war war ein Kommunionsgottesdienst einmal im Monat und die Verpflichtung, dreimal im Jahr zu kommunizieren. An den anderen Sonntagen bestand der Gottesdienst aus dem Morgengebet und der Litanei und den sogenannten „Table Prayers",
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d. h. dem Abendmahlsgottesdienst bis zur Stelle der Vorbereitung auf die Kommunion. Natürlich können die Menschen nicht aus einem noch so vollkommenen Gebetbuch leben, sondern nur aus dem lebendigen Glauben, dessen Ausdruck die Liturgie ist. Solange die Menschen die englische Liturgie auch nur mit einem gewissen Maß an Aufrichtigkeit benutzten, wurde der Glaube im Sinne der Orthodoxie vor Irrlehre geschützt. Doch das muß nicht notwendig der lebendige Glaube sein, von dem Cranmer in der Homilie „ V o m Heil der Menschheit" („Of the Salvation of Mankind") schrieb. Jener Glaube wurde selbst von einem so treuen Sohn der Kirche von England wie John Wesley, der ihrer Liturgie tief zugetan war, in dieser Kirche nicht gefunden. Es gibt in der Tat ein Element des Pietismus in der Evangelikaien Bewegung (Evangelical Revival), das etwas Neues in der Kirche von England darstellt, und es ist müßig zu behaupten, der Evangelikaiismus des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts sei identisch gewesen mit dem Glauben, wie ihn Cranmer verstand. Aber er hat in diesem Glauben seine Wurzeln und stimmt mit ihm überein, und als ein Ergebnis der evangelikalen Predigt wurde das Gebetbuch erneut zu etwas Lebendigem und zu einem Ausdrucksmittel evangelikaler Frömmigkeit. In den evangelikalen Gemeinden erhielt das Heilige Abendmahl erstmalig wieder seinen rechtmäßigen Platz, indem es am frühen Morgen gefeiert wurde; es waren evangelikale Theologen, wie Charles Symeon, die erneut im Gebetbuch den Ausdruck ihres Glaubens und die Quelle ihres geistlichen Lebens fanden. Die evangelikale B e wegung hat in der Tat einen noch tiefergreifenden Einfluß auf die Geschichte des Gebetbuches ausgeübt, denn von ihr ging die große Missionsbewegung des 19. Jahrhunderts aus, durch welche die anglikanische Kirche und ihre Liturgie in überseeische Länder gelangte und die im Laufe der Zeit auf der Grundlage des Gebetbuches eine starke liturgische Tradition in den jungen Kirchen auf dem Missionsfelde aufbaute. Wenn heute erkannt wird, daß die Pioniere zu streng, zu westlich, zu wenig aufgeschlossen gegenüber den möglichen Beiträgen der einheimischen Kulturen waren, und wenn heute ihre Arbeit überall eine Neuorientierung erfährt, so haben sie doch die Grundlagen geschaffen für jene liturgische Struktur, die heute die Glieder der Anglikanischen Gemeinschaft untereinander verbindet. Aber wenn die Evangelikalen im Gebetbuch den wahren Ausdruck des Glaubens fanden, aus dem heraus sie lebten, so gilt dies andererseits auch für die hochkirchlichen Traktarianer. Einige, wie Laud im 17. Jahrhundert, hätten sich damit begnügt zu sagen: „Ich werde meinerseits niemals bestreiten, daß die Liturgie der Kirche von England verbessert werden
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kann, aber ich bin sicher, daß sie auch leicht verschlechtert werden kann." Die Traktarianer konnten - und taten es auch - sich auf die hochkirchliche Einstellung der „Caroline Divines" berufen; und auf liturgischem Gebiet ging es ihnen darum, der Kirche von England nicht nur größeres Ansehen und Ehrerbietung, sondern auch Licht und Farbe und würdige äußere Formen und Zeremonien wiederzugeben. Heute erkennen die meisten englischen Theologen an, daß sie ihnen zu großer Dankbarkeit verpflichtet sind. Aber wieder lebte der Streit auf, und wie im 17. Jahrhundert mißlang der Versuch, den status quo durch rechtliche Sicherungen aufrechtzuerhalten. Die strenge Uniformität brach in dem Maße auseinander, wie die anglo-katholische Bewegung zuerst versuchte, die englische Liturgie unter Einbeziehung der Ordnung von 1549 auszuweiten, ihr Teile aus dem römischen Meßbuch einzuflicken oder nachtridentinisches römisches Zeremoniell einzuführen. Eine solche Situation erregte überall Unruhe, und eine königliche Kommission - ein typisch englischer Notbehelf - wurde 1904 ernannt und erstattete 1906 Bericht. Sie zählte eine Reihe von „besonders schwerwiegenden und bedeutsamen" anglo-katholischen Praktiken auf - Einschiebung von Gebeten und Zeremonien aus dem Meßkanon, Aufbewahrung der geweihten Elemente, was zur Anbetung und Benediktion führte, Abendmahlsfeiern, bei denen nicht kommuniziert wurde - Praktiken, die nicht weitergeführt werden sollten; aber sie erkannte auch an, daß „die den öffentlichen Gottesdienst in der Kirche von England betreffende gesetzliche Regelung für das religiöse Leben der heutigen Generation zu eng ist. Durch sie wird unnötigerweise viel von dem verurteilt, was ein großer Teil des Kirchenvolkes, einschließlich vieler zutiefst gläubiger Menschen, schätzt; auch sind modernes Denken und Fühlen gekennzeichnet durch eine Beachtung äußerer Formen, durch einen Sinn für die Würde des Gottesdienstes und eine Wertschätzung der Kontinuität der Kirche, was in dieser Weise zu der Zeit nicht so empfunden wurde, als die gesetzliche Regelung ihre gegenwärtige Gestalt erhielt." Dies hatte zur Folge, daß die Konvokationen an die Aufgabe der Revision herangingen, um die erforderliche Flexibilität und auch eine Grundlage für eine angemessene Form der Kirchenzucht zu schaffen; diese Arbeit wurde jedoch erst nach dem 1. Weltkrieg vollendet. Inzwischen brach über die Kirche von England „die Flut des Protestantismus" herein, wie es Bischof Stephen Neill, ein wenig unglücklich, genannt hat. Unter „protestantisch" versteht er: „Weg vom katholischen Ideal einer universalen anbetenden Kirche, welche unbeirrt durch das liturgische Jahr hindurchschreitet, und hin zu dem Verständnis, das in jeder Gemeinde eine Sammlung hungriger Einzelwesen sieht, die nach Erbauung rufen."
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Einige Gemeindepfarrer glaubten, die Freiheit zu haben, Lesungen und Psalmen selbst auszuwählen, damit diese zum Thema der Predigt passen, oder die Lesungen und Psalmen auf ein Minimum zu kürzen. In dieser Lage wurde im Jahre 1927 die Revision des Gebetbuches von den Konvokationen und der neu konstituierten „Kirchenversammlung" (Church Assembly) angenommen; ein notwendiges Verfahren, da auch das Gebetbuch von 1662 Bestandteil der „Uniformitätsakte" war. Doch das Parlament lehnte die Vorlage ab. Leicht überarbeitet, wurde sie im Jahre 1928 nochmals vorgelegt und wieder abgewiesen. Man wird sagen können, daß dies niemals geschehen wäre, wenn die Vorschläge die Zustimmung der großen Mehrheit der englischen Theologen gehabt hätten. Aber das revidierte Gebetbuch wurde von beiden Richtungen innerhalb der Kirche entschieden abgelehnt. Die extremen Anglokatholiken schätzten es nicht wegen seines Liberalismus, wegen seines Versuches, die Reservation der (Abendmahls-)Elemente allein auf die Krankenkommunion zu beschränken, und wegen seines Abgehens von der westlichen Form, indem nach den Einsetzungsworten beim Abendmahl eine Epiklese vorgesehen war. Die mehr konservativen Evangelikaien waren andererseits mit der Ordnung von 1662 zufrieden und betrachteten die Revision in Richtung auf eine abgewandelte Form des Ersten Gebetbuches von 1549 als einen Verrat an der Reformation. Auch besteht kein Zweifel daran, daß die antiklerikale und protestantische Einstellung der Engländer im Unterhaus einen echten Ausdruck fand. Für die Kirche war die Situation zutiefst entwürdigend, und die Bischöfe sahen sich veranlaßt, Abweichungen vom offiziellen Gebetbuch, die sich innerhalb der Grenzen des Buches von 1928 hielten, für völlig vereinbar mit der Treue zur englischen Kirche anzusehen, durch deren Konvokationen und Kirchenversammlung das Buch genehmigt worden war. Doch jetzt, nach 30 Jahren, hat sich die Lage grundlegend geändert. Theologen aller Richtungen - einige Randsiedler ausgenommen - haben die „Vielfalt in Einheit" (comprehensiveness) als ein echtes anglikanisches Ideal akzeptiert. Das frühere Ideal der Einheitlichkeit (uniformity) gibt es nicht mehr, und die englischen Theologen bemühen sich bewußt darum, einander zu verstehen und voneinander zu lernen. Aber auch in noch anderer Hinsicht stehen wir einer neuen Situation gegenüber. Die liturgischen Studien haben seit den zwanziger Jahren außerordentliche Fortschritte gemacht. Wir wissen jetzt sehr viel mehr über die Liturgie in der Alten Kirche, als Cranmer und seine Zeitgenossen wissen konnten, und die anglokatholischen Gelehrten sind sich in einer Weise der Tatsache bewußt, daß die mittelalterliche Kirche in vielen von den ursprünglichen Formen abgewichen war, wie dies ihre Vorläufer, die Ritualisten des 19.
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Die Kirche von England
Jahrhunderts, niemals sein konnten. Heute wird die englische Liturgie nicht vom mittelalterlichen oder tridentinischen Standpunkt aus kritisiert, sondern im Lichte der Praxis der Urkirche. Was heute gewünscht und wahrscheinlich auch gerne gewährt wird, ist die Freiheit zu Experimenten innerhalb eines vorgegebenen Rahmens. Daneben steht das Bemühen um eine biblische Theologie, um so von der Heiligen Schrift her zu einer Neudurchdenkung überkommener Auffassungen zu gelangen. Das Kriterium für eine Liturgie, so hat man gesagt, liegt darin, ob sie verständlich ist oder nicht, und was für eine Art von Verständnis sie hat, wenn man sie an biblischen Grundsätzen mißt. Und drittens gibt es in der Kirche von England ein neues Verständnis von der Kirche als dem Leib Christi und ihrer organischen Beziehung zur Gesellschaft, in die sie hineingestellt ist. Bestimmend für das Interesse einer großen Gruppe von Geistlichen, Anglokatholiken wie Evangelikalen, ist weder die gesprochene Abendmahlsfeier am frühen Morgen mit ihrer kleinen Zahl von treuen Abendmahlsgästen noch die gesungene Hochmesse mit ihrer Handvoll kranker und ältlicher Kommunikanten, sondern der GemeindeAbendmahlsgottesdienst (Parish Communion), ein gesungener Gottesdienst mit Predigt, angereichert durch Lieder, an dem ganze Familien teilnehmen sollen, wenn auch nur die Konfirmierten das Abendmahl empfangen können; ein Abendmahlsgottesdienst, der in erster Linie als gemeinschaftliche Handlung des ganzen Leibes verstanden wird, als die Liturgie des königlichen Priestertums, an der jeder Anteil hat. Alle diese Entwicklungen berechtigen zu großen Hoffnungen für die Zukunft. Doch ein grundlegendes liturgisches Problem bleibt bestehen. Die Kirche ist eine lebendige Kirche, sie hat Gottes Werk in einer Zeit größerer Umbrüche als derjenigen des 16. Jahrhunderts zu tun, sie hat eine evangelistische Aufgabe, welche größer ist als irgendeine, vor die sie sich jemals gestellt sah. Heute stehen die weitaus meisten Männer und Frauen außerhalb ihrer Kirchen, sie haben einen begrenzten Wortschatz, sie sind wenig vertraut mit der Sprache der Bibel und oft ohne Gefühl für die Herrlichkeit der unvergleichlichen englischen Prosa eines Cranmer. Für viele von ihnen redet das Gebetbuch in einer unbekannten Sprache. Alle Einflüsse des modernen Lebens erschweren einen Zugang zu ihm: Kino und Femsehen mit ihrer passiven Unterhaltung, die Massenpresse mit ihrem Reiz für Sensationen, hundertfach auf einer Seite, die Eintönigkeit der Alltagsarbeit und die oft triste Umgebung. Gewiß hat die Kirche da noch einen Platz, wo es um die besonderen Ereignisse im Leben dieser Menschen geht. Siebzig Prozent von ihnen sind kirchlich getauft, die Mehrzahl wird dort getraut und nach der Ordnung des Gebetbuches beerdigt, aber oft genug finden sie sowohl den Abendmahls-
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gottesdienst als auch das Morgen- und Abendgebet im Grunde unverständlich. Die liturgische Arbeit unserer Reformer im 16. Jahrhundert war, wenngleich sie notwendigerweise theologisch bedingt war, im wesentlichen seelsorgerlich und praktisch, mehr auf die Religion als auf ein System der Lehre ausgerichtet. Für sie ist das „Evangelium Christi nicht ein zeremonielles Gesetz, sondern eine Religion, um Gott in der Freiheit des Geistes zu dienen". So ist heute in einer Zeit, wo die Notwendigkeit für den Gottesdienst von der großen Mehrzahl der Engländer nicht mehr anerkannt wird, der grundlegende Auftrag der Kirche pastoraler und evangelistischer Art. Ihre liturgische Aufgabe wird nicht durch biblische Studien oder ein neues Verständnis des gottesdienstlichen Lebens der Alten Kirche gelöst. Sie hat für das 20. Jahrhundert das zu tun, was Cranmer für das 16. Jahrhundert getan hat. Sie muß es den Engländern ermöglichen, verstehend am Gottesdienst teilzunehmen, der Gottes eigene Offenbarung an die Menschen verkörpert, und sie muß es ihnen ermöglichen, Gott mit dem, was heute ihre Muttersprache ist, zu bitten und zu loben.
APOSTOLISCHE SUKZESSION UND AMT R E V . PROFESSOR D R . N O R M A N SYKES ( f 1 9 6 1 )
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om Beginn der Reformation an hat die Kirche von England das dreifache Amt des Bischofs, Priesters und Diakons bewahrt. So heißt es im Vorwort zum „Ordinal", das im Jahre 1550 erstmalig erschien und 1552 revidiert wurde: „Allen, welche die Heilige Schrift und die Kirchenväter sorgfältig lesen, ist es eine bekannte Tatsache, daß es seit der Zeit der Apostel folgende Ordnungen des geistlichen Amtes in der Kirche Christi gegeben hat: Bischöfe, Priester und Diakone. Diese Ämter wurden von jeher für so ehrwürdig geachtet, daß sich niemand vermessen durfte, irgendeins von ihnen zu verwalten, ohne daß er zuvor berufen, erprobt, geprüft und als ein solcher anerkannt worden wäre, welcher die dazu erforderlichen Eigenschaften besäße, und ohne daß er zugleich öffentlich unter Gebet mit Handauflegung durch rechtmäßige Amtsgewalt bestätigt und ins Amt eingesetzt wäre. Und damit nun diese Ämter in der Kirche von England fortgeführt und ehrerbietig gebraucht und geachtet werden mögen, soll niemand (wenn er nicht bereits Bischof, Priester oder Diakon ist) eines von diesen ausüben, wenn er nicht gemäß der hier nachstehenden Form berufen, erprobt, geprüft und ins Amt eingesetzt worden ist." Ein Teil dieser Vorrede wurde bei der Revision des Ordinals im Jahre 1662 etwas geändert, so daß es nun heißt: „Niemand soll als rechtmäßiger Bischof, Priester oder Diakon in der Kirche von England angesehen oder anerkannt werden oder bevollmächtigt sein, irgendeins der genannten Ämter zu verwalten, wenn er nicht gemäß der liier nachstehenden Form berufen, erprobt, geprüft und ins Amt eingesetzt worden ist oder schon früher bischöfliche Konsekration oder Ordination empfangen hat." Somit schreibt die für den Bereich der Kirche von England geltende Ordnung allen, die in das geistliche Amt eintreten möchten, die bischöfliche Ordination vor. Das Ordinal selbst verlangt für jedes der drei Ämter Handauflegung mit Gebet, danach wird dem Bischof und Priester die ganze Heilige Schrift, dem Diakon das Neue Testament überreicht. Auch legt die Ordnung des Ordinals besonderen Nachdruck auf den seelsorgerlichen Charakter des Amtes. Weiterhin wurde bei der Thronbesteigung Elisabeths I. (1558) sorgfältig darauf geachtet, daß die Konsekration von Matthew Parker zum Erzbischof von Canterbury (die am Sonntag, dem 17. Dezember 1559, in der Kapelle des Lambeth-Palastes stattfand) dem kirchlichen und staatlichen Recht gemäß vollzogen wurde, damit in der Kirche von England
Apostolische Sukzession und Amt