Die Insiderinformation bei Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursauswirkung [1 ed.] 9783428556083, 9783428156085

Die Untersuchung widmet sich der Deutung der Lafonta-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und der Analyse ihrer Fo

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German Pages 305 Year 2019

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Die Insiderinformation bei Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursauswirkung [1 ed.]
 9783428556083, 9783428156085

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 131

Die Insiderinformation bei Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursauswirkung

Von

Julian Spatz

Duncker & Humblot · Berlin

JULIAN SPATZ

Die Insiderinformation bei Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursauswirkung

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 131

Die Insiderinformation bei Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursauswirkung

Von

Julian Spatz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15608-5 (Print) ISBN 978-3-428-55608-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85608-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Sommersemester 2018 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis zum 30. September 2018 Berücksichtigung finden. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., bin ich nicht nur aufgrund der großartigen Unterstützung und Förderung meines Dissertationsvorhabens zu tiefstem Dank verpflichtet. Neben einem stets „offenen Ohr“ für einen wissenschaftlichen Austausch während der Entstehung der Arbeit und der Einräumung aller inhaltlichen Freiheiten verdanke ich ihm eine schöne und lehrreiche Zeit am Lehrstuhl für Ausländisches und Internationales Privatrecht, Abt. II, die ich immer in guter Erinnerung behalten werde. Ihm danke ich auch für die äußerst rasche Erstellung des Erstgutachtens. Herzlich danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Boris Paal, M.Jur., für die ebenfalls außerordentlich schnelle Verfassung des Zweitgutachtens. Den Herren Professoren Dr. Holger Fleischer, LL.M., Dr. Hanno Merkt, LL.M., und Dr. Gerald Spindler danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Schriftenreihe. Großer Dank gebührt ferner dem Land Baden-Württemberg für die großzügige finanzielle Förderung dieser Arbeit. Herrn Dr. Jan Klett, LL.M., Frau Dana Rolofs, Herrn Boris Waschkowski, LL.M., und Herrn Dr. Moritz Weidemann, LL.M., danke ich für wertvolle Diskussionen, kritische Anmerkungen und die Durchsicht des Manuskripts. Der größte Dank gebührt schließlich meinen Eltern. Ihnen danke ich für die ausnahms- und bedingungslose Unterstützung, für Zeit und Mühe, Motivation und Ratschlag, und all dies während der Zeit der Promotion und weit darüber hinaus. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Düsseldorf, im September 2018

Julian Spatz

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Problemaufriss und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Kapitel 1 Historische Entwicklung und ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

28

A. Historie des deutschen und europäischen Insiderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Insiderrichtlinie und WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Marktmissbrauchsrichtlinie und Anlegerschutzverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . 32 III. MMVO, Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation sowie das Erste und Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts als Ziel des Marktmissbrauchsrechts . . . . . 36 II. Teilaspekte eines funktionsfähigen Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Institutionelle Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Operationale Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Allokative Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Bedeutung von Informationen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts . . . . 41 1. Information als funktionsnotwendiges Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Information als vertrauensbildendes Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3. Informationsasymmetrien und informationsbedingtes Marktversagen . . . . . . . . 44 4. Information als preisbildendes Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Kernaussagen der ECMH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) Informationseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Fundamentalwerteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc) Bedingungen der Kapitalmarkteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 dd) Formen der ECMH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (1) Schwache Form der ECMH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (2) Halbstrenge Form der ECMH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (3) Strenge Form der ECMH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 ee) Empirie zur ECMH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

10

Inhaltsverzeichnis b) Kritik an der ECMH: Die Behavioral Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Beschränkte Rationalität und systematische Irrationalitäten . . . . . . . . . . 56 bb) Limits of arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Stellenwert der ECMH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 d) Positive Effekte von Informations- und Fundamentalwerteffizienz für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds im Insiderrecht und im Recht der Adhoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Effizienz des Marktes durch Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität . . . . . . . 64 a) Regulierung durch MMVO und WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Deregulierung des Insiderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Der verständige Anleger in Art. 7 Abs. 4 MMVO als Einfallstor der ökonomischen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Deskriptiv-konkretisierende Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Kapitalmarkttheoretische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Der verständige Anleger als Personifizierung des Kapitalmarkts im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Herleitung des Auslegungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Ermittlung der Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Anerkennung der probability/magnitude-Formel durch die Judikaturen von EuGH und BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Kritik an der kapitalmarkttheoretischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Untauglichkeit der Kapitalmarkttheorie als absoluter Auslegungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Keine Anerkennung der probability/magnitude-Formel durch die Judikaturen von EuGH und BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. An tatsächlichem Kapitalmarkt und nutzenmaximierendem Verhalten orientierte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Vereinbarkeit der kapitalmarkttheoretischen Auslegung mit geltendem Recht 82 a) Ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Wortlaut der MMVO und ihrer Erwägungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Vereinbarkeit der kapitalmarkttheoretischen Auslegung mit dem verständigen Anleger des EuGH und des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 d) Zweck der kapitalmarkttheoretischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) Realitätsferne der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Bewusste Abstraktion von realen Marktteilnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . 87 cc) Folgenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 e) Praktikabilität der unterbreiteten Auslegungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Inhaltsverzeichnis

11

Kapitel 2 Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den Vereinigten Staaten von Amerika

91

A. Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Insiderhandelsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Common law der Einzelstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Bundesstaatliche Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) § 10(b) des Securities Exchange Act und rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Cady, Roberts & Co. und Texas Gulf Sulphur: Die equal access theory 95 cc) Chiarella und Dirks: Die fiduciary duty theory und die Haftung von tippees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 dd) O’Hagan: Die misappropriation theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ee) Schutz der Gesellschaft durch § 16(b) des Securities Exchange Act . . . 98 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Ad-hoc-Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) § 10(b) des Securities Exchange Act und rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) § 13(a)(1) und § 13(l) des Securities Exchange Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Regulation Fair Disclosure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) Listing rules der Wertpapierbörsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Kurserheblichkeit und Kursspezifität im US-Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Kurserheblichkeit – material information? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Entwicklung des materiality-Standards in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 103 aa) Die Ursprünge in TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc. und Basic, Inc. v. Levinson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Der reasonable investor test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) Ungewisse Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (3) Die fraud-on-the-market theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Bestätigung und Konkretisierung des materiality-Standards durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (1) Bedeutung der significance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Absage an einen bright-line-Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (3) Der reasonable investor der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Die Kritik des materiality-Standards in der US-amerikanischen Literatur 112 aa) Das Verständnis des durch die Rechtsprechung begründeten reasonable investor-Standards in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Der Markt als Aggregat und professionelle Anleger als Adressaten der Veröffentlichung von Unternehmensdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 cc) Plädoyer für ein realitätsnäheres Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

12

Inhaltsverzeichnis 2. Kursspezifität im US-amerikanischen Insiderrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Vage Aussagen und die puffery doctrine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Beurteilungsperspektive des reasonable investor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Ausgangspunkt der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Tatbestandliche Reichweite von materiality und Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . . . 123 1. Weiterer Anwendungsbereich der Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Engerer Anwendungsbereich der Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Intention des Verordnungsgebers und Systematik des Gesetzes . . . . . . . . . . 124 b) Restriktive Auslegung durch die Theorie des Handelsanreizes . . . . . . . . . . . 125 III. Übertragbarkeit der Erkenntnisse zur materiality auf die Auslegung des verständigen Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Der reasonable investor und der verständige Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Der reasonable investor als Personifizierung des Kapitalmarkts – eine Vorgabe für Art. 7 Abs. 4 MMVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Uneinheitliches Verständnis von Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Konzeptionelle Übertragbarkeit ins deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Inkonsequente Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Konsequente Interpretation von Kurserheblichkeit und haftungsbegründender Kausalität eines etwaigen Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . 130 3. Erfordernis der Kursspezifität als eigenständiges Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . 132 IV. Gemeinsame Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Kapitel 3 Das Lafonta-Urteil des EuGH und seine Bedeutung für die Auslegung von Art. 7 MMVO

134

A. Das Lafonta-Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. Rechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Verdeckter Beteiligungsaufbau mittels Derivat-Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Ziel des verdeckten Beteiligungsaufbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Verdeckter Beteiligungsaufbau mittels cash settled total return equity swaps 140 aa) Rechtliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Aus der wirtschaftlichen Logik resultierende Erwerbsmöglichkeit . . . . 142 2. Relevanz für die Beteiligungspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Relevanz für das Insiderhandelsrecht und die Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . 145

Inhaltsverzeichnis

13

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung und ihrer Implikationen für Kursspezifität und Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Aussagekraft der Entscheidung für Kursspezifität und Kurserheblichkeit . . . . . . . 147 II. Kursspezifität nach der Lafonta-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Inhalt der Aussage des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Stand der Forschung zum Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ . . . 150 a) Gegenwärtige oder zukünftige Umstände und Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Kursspezifität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Bewertung der Aussagen des EuGH zum Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Systematik und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4. Das Verhältnis von Kursspezifität und Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Eigenständigkeit der Kursspezifität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Europarechtlich determinierte Unabhängigkeit der Voraussetzungen . . . 157 bb) Begrenzungsfunktion für mittelbar betreffende Informationen . . . . . . . . 160 b) Kursspezifität als Bestandteil der Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Erkenntnisse des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Rechtsvergleichender Blick auf Großbritannien: Der Fall Massey v. FSA 162 bb) Auffassungen im französischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Dogmatischer Vergleich mit den Vereinigten Staaten von Amerika: Kursspezifität als Äquivalent der puffery doctrine? . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (1) Kerngedanke von Kursspezifität und puffery doctrine . . . . . . . . . . . 164 (2) Entscheidungserheblichkeit unspezifischer Informationen? . . . . . . . 165 (3) Von Rechts wegen unerhebliche vage Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . 166 d) Kursspezifität als redundante Vorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5. Die Beantwortung der Vorlagefrage im Fall Lafonta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 III. Kurserheblichkeit nach der Lafonta-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Inhalt der Aussage des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Keine Beschränkung auf gegenteilige mögliche Kursauswirkungen . . . . . . . 171 b) Sich gegenseitig ausgleichende Kursreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Stand der Forschung zum Tatbestandsmerkmal der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Prognosebeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 c) Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Generelle Einordnung von Volatilitätsinformationen als Insiderinformationen 178 a) Verständnis der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

14

Inhaltsverzeichnis b) Bewertung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Negative Folgen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts . . . . . . . 180 (1) Implikationen des Auslegungskanons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Entmaterialisierung durch Pragmatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (3) Kontraproduktive Expansionstendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Stärkung der Anlegergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4. Volatilitätsinformationen als Insiderinformationen für von der volatilen Aktie abhängige Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Verständnis der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Bewertung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 5. Analyse der Urteilsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Folgen der unterschiedlichen Deutungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Schlussanträge des Generalanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Insiderrechtliches Anlegerleitbild des EuGH und Charakteristikum der Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Der verständige Anleger des EuGH als Händler? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Informationelle Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 cc) Verknüpfung von Wissensvorsprung, Vermögensvorteil und dem Nachteil Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 d) Verzicht auf das Merkmal des Handelsanreizes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen in den Anwendungsbereich von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Gesichtspunkte des Funktionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Konkretisierung des Funktionsschutzziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. (Mittelbare) Steigerung der operationalen und allokativen Effizienz durch informations- und fundamental effiziente Börsenkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Direkte und indirekte Anteilsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) Systematische und unsystematische Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 d) Portfoliotheorie und CAPM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 e) Unsystematische Risiken in der Rechtssache Lafonta . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 f) Bedeutung der Volatilitätsinformation für die volatile Aktie . . . . . . . . . . . . . 205 g) Bedeutung der Volatilitätsinformation für das von der volatilen Aktie abhängige Derivat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Informationsüberflutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Publizitätskosten als Wettbewerbsfaktor des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . 209 b) Informationsüberflutung und Behavioral Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 c) Operationale Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Restriktives Verständnis der Lafonta-Entscheidung zur Schonung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Inhaltsverzeichnis

15

II. Gesichtspunkte des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Anlegerschutz als (mittelbares) Ziel von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

212

a) Kein Schluss von der grundsätzlichen Funktionsbestimmung auf die Schutzgesetzeigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Funktionsbestimmung von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . 213 aa) Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 cc) Folgerungen für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Konkretisierung des Anlegerschutzziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Optimierung der Anlageentscheidung durch Publizierung firmenspezifischer Volatilitätsinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Restriktives Verständnis als Mindestmaß des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . 219 b) Volatilitätsinformation als Spekulationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Volatilitätsinformation als Handelshemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 d) Informationsüberflutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4. Stornierung oder Änderung von Aufträgen (Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO) . . . . . . 226 5. Extensives Verständnis der Lafonta-Entscheidung zur Förderung des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III. Erkenntnisse des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Maßstab der US-amerikanischen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Maßstab der SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Maßstab der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 d) Berücksichtigung dogmatischer und struktureller Unterschiede . . . . . . . . . . 232 2. Rechtsvergleichender Blick auf Großbritannien: Der Fall Massey v. FSA . . . . . 232 IV. Auflösung des Zielkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Rangverhältnis zwischen den Schutzfunktionen im Insiderrecht und im Recht der Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) These des ausschließlichen Funktionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Nach kapitalmarktrechtlichem Regelungskontext zu differenzierender grundsätzlicher Funktionsdualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht als Mittel zur Herstellung von Vertragsparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 d) Stufenverhältnis von Funktions- und Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Intensität der funktionsschutzmindernden Wirkung eines extensiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Relativierung der funktionsschutzmindernden Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) Abhängigkeit der Intensität der Negativfolgen vom Verlust der tatbestandsbegrenzenden Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Abhängigkeit der Intensität der Negativfolgen von der Summe unvorhersehbarer Marktreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

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Inhaltsverzeichnis b) Tatbestandliche Vereinbarkeit des extensiven Verständnisses de lege lata . . 246 aa) Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (1) Überschreitung der Volatilitätsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (2) Theorie des Handelsanreizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (a) Verkaufsanreiz hinsichtlich der volatilen Aktie aufgrund des gesteigerten Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (3) Handelshemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (a) Keine Notwendigkeit einer Verhaltensänderung . . . . . . . . . . . . . 249 (b) Ergänzung der Theorie des Handelsanreizes . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (c) Erfordernis der „Erheblichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb) Erfordernis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 c) Folgerung für die Intensität der funktionsschutzmindernden Wirkung eines extensiven Verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Intensität der anlegerschutzmindernden Wirkung eines restriktiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Chancengleichheit durch Ermöglichung informierter Anlageentscheidungen 255 b) Ungerechtfertigter Wissensvorsprung zum Vorteil des Insiders und zum Nachteil des Handelspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) Minderung des Bedürfnisses für Anlegerschutz durch Portfoliodiversifizierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 d) Abhängigkeit der Intensität der Negativfolgen von der Summe unvorhersehbarer Marktreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 e) Folgerung für die Intensität der anlegerschutzmindernden Wirkung eines restriktiven Verständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4. Vorzugswürdiges Verständnis unter Berücksichtigung von Rangverhältnis und Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Bedeutung der Auslegungsfrage für das Verständnis von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Logischer Schluss des restriktiven Verständnisses aus monofunktionaler Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 c) Kurserheblichkeit als Mischkonzept aus Tatsachen und rechtlichen Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 d) Vorrang des Anlegerschutzes im Fall Lafonta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 e) Praxistauglichkeit des aufgezeigten Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 f) Konformität des aufgezeigten Ansatzes aus rechtsvergleichender, nationalrechtlicher und europarechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Vorzugswürdigkeit unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten . . . . . . 267 bb) Vorzugswürdigkeit in Anbetracht der Rechtsprechung von BGH und EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (1) Konformität der Lafonta-Entscheidung mit der IKB-Entscheidung

268

Inhaltsverzeichnis

17

(2) Kombination der Lafonta-Entscheidung und der IKB-Entscheidung 269 (3) Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Lafonta-Entscheidung und der IKB-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (4) Vorzugswürdigkeit in Anbetracht der Rechtsprechungshistorie des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 cc) Vorzugswürdigkeit in Anbetracht der zentralen Wertungen des europäischen Insiderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. Abs. AcP AEUV a.F. AG Am. Econ. Rev. AMF Anh. AnSVG Ariz. L. Rev. Art. BaFin Banking L. J. Barb. BB Begr. Beschl. BFuP BGB BGBl. BGH BGHZ BKR BörsG BT-Drucks. B. U. L. Rev. Bus. Law. BVerfG Cardozo L. Rev. Case W. Res. L. Rev. Cass. com. CB CCZ CF CFR Cir. CMLJ Colum. Bus. L. Rev. Colum. L. Rev.

anderer Ansicht Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) American Economic Review Autorité des Marchés Financiers Anhang Anlegerschutzverbesserungsgesetz Arizona Law Review Artikel Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen Banking Law Journal Barbour’s New York Supreme Court Reports Betriebs-Berater Begründung Beschluss Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Börsengesetz Drucksachen des Deutschen Bundestages Boston University Law Review Business Lawyer Bundesverfassungsgericht Cardozo Law Review Case Western Reserve Law Review Arrêts de la Cour de cassation, chambre civile, section commerciale Compliance-Berater Corporate Compliance Zeitschrift Corporate Finance Code of Federal Regulations Circuit Capital Markets Law Journal Columbia Business Law Review Columbia Law Review

Abkürzungsverzeichnis Cornell L. Rev. DB D.D.C. Del. J. Corp. L. DStR Duke L. J. EBOR ECMH ESMA EU EuR EUV EuZW EWG EWiR f./ff. F.2d F.3d FASB FAZ FiMaNoG FinMFG Fn. FS FSA F.Supp. F.Supp.2d GA Ga. L. Rev. GWR Harv. Bus. L. Rev. Harv. L. Rev. HGB i.E. Int. Econ. Rev. i.V.m. J. Bank. & Fin. J. Bus. & Tech. L. J. Comp. Corp. L. & Sec. Reg. J. Corp. Fin. J. Corp. L. JCP E JCP G J. Econ. Perspect. J. Fin. J. Fin. Econ.

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Cornell Law Review Der Betrieb United States District Court, District of Columbia Delaware Journal of Corporate Law Deutsches Steuerrecht Duke Law Journal European Business Organization Law Review Efficient Capital Market Hypothesis European Securities and Markets Authority Europäische Union Europarecht (Zeitschrift) Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende/fortfolgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Financial Accounting Standards Board Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarktnovellierungsgesetz Finanzmarktförderungsgesetz Fußnote Festschrift Financial Services Authority Federal Supplement Federal Supplement, Second Series Generalanwalt Georgia Law Review Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Harvard Business Law Review Harvard Law Review Handelsgesetzbuch im Ergebnis International Economic Review in Verbindung mit Journal of Banking & Finance Journal of Business & Technology Law Journal of Comparative Corporate Law and Securities Regulation Journal of Corporate Finance Journal of Corporation Law Juris-Classeur Périodique – La Semaine Juridique – Édition Entreprise et Affaires Juris-Classeur Périodique – La Semaine Juridique – Édition Générale Journal of Economic Perspectives Journal of Finance Journal of Financial Economics

20 J. L. & Econ. J. Monetary Econ. J. Polit. Econ. JZ KapMuG Ky. L. J. lit. LMK Loy. U. Chi. L. J. Mass. Mich. L. Rev. MiFID MiFIR Minn. L. Rev. MMVO m.w.N. N.E. NJW Nr. NStZ Nw. U. L. Rev. NYSE N.Y. Sup.Ct. NZG OLG Q. J. Econ. RabelsZ RdF RegE Regulation FD Rev. Fin. RLDA Rn. Rs. RTDF S. SA S.Ct. S.D.N.Y. S. E.C. / SEC Stan. L. Rev. St. John’s J. Legal Comment. Sup. Ct. Econ. Rev. TCC TRS Tul. L. Rev. U.C. Davis L. Rev.

Abkürzungsverzeichnis Journal of Law & Economics Journal of Monetary Economics Journal of Political Economy Juristenzeitung Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Kentucky Law Journal littera Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung Loyola University Chicago Law Journal Massachusetts Michigan Law Review Markets in Financial Instruments Directive Markets in Financial Instruments Regulation Minnesota Law Review Marktmissbrauchsverordnung mit weiteren Nachweisen North Eastern Reporter Neue Juristische Wochenschrift Nummer(n) Neue Zeitschrift für Strafrecht Northwestern University Law Review New York Stock Exchange New York Supreme Court Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Quarterly Journal of Economics Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Finanzinstrumente Regierungsentwurf Regulation Fair Disclosure Review of Finance Revue Lamy Droit des Affaires Randnummer Rechtssache Revue Trimestrielle de Droit Financier Seite Société Anonyme Supreme Court Reporter United States District Court, Southern District of New York Securities and Exchange Commission Stanford Law Review St. John’s Journal of Legal Commentary Supreme Court Economic Review Tax and Chancery Chamber Total Return Swap Tulane Law Review U. C. Davis Law Review

Abkürzungsverzeichnis U. Chi. L. Rev. UCLA L. Rev. UK U. Kan. L. R. UKUT U. Miami L. Rev. Unterabs. U. Pa. J. Bus. & Emp. L. U. Pa. L. Rev. Urt. U.S./US U.S.C.A. v. Va. L. Rev. Vand. L. Rev. Var. vgl. Wash. & Lee L. Rev. Wash. U. L. Q. WM Wm. & Mary L. Rev. WpAIV WpHG WpÜG WuB ZBB ZfbF ZfPW ZGR ZHR Ziff. ZIP ZRP

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University of Chicago Law Review UCLA Law Review United Kingdom University of Kansas Law Review United Kingdom Upper Tribunal University of Miami Law Review Unterabsatz University of Pennsylvania Journal of Business and Employment Law University of Pennsylvania Law Review Urteil United States; United States Reports United States Code Annotated von/vom; versus Virginia Law Review Vanderbilt Law Review Variante vergleiche Washington and Lee Law Review Washington University Law Quarterly Wertpapier-Mitteilungen William and Mary Law Review Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung I. Problemaufriss und Ziel der Untersuchung Die Auslegung des Tatbestands der Insiderinformation (Art. 7 Marktmissbrauchsverordnung1 – MMVO) verlangt dem Rechtsanwender einen komplexen Balanceakt ab. Zum einen gilt es, die Vorzugswürdigkeit einer extensiven oder restriktiven Auslegung der Tatbestandsmerkmale nicht lediglich in Anbetracht des Verbots von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 14 MMVO) zu beurteilen. Gleichzeitig ist es erforderlich, die hiermit verbundenen Folgen vor dem Hintergrund der ebenfalls an den Tatbestand der Insiderinformation anknüpfenden Ad-hoc-Publizitätspflicht (Art. 17 MMVO) zu betrachten, die eine andere Bewertung rechtfertigen kann. Bei der Bestimmung der Reichweite dieser Veröffentlichungspflicht ist wiederum dem abnehmenden Grenznutzen von Informationen2 und den widerstreitenden Interessen der Betroffenen hinreichend Rechnung zu tragen, mithin zwischen Informationsüberflutung und Informationsbedürfnis der Marktteilnehmer sowie berechtigten Interessen der Emittenten sorgfältig abzuwägen. Daneben tritt das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und einer Vorhersehbarkeit von Ge- und Verboten, das in Anbetracht zivilrechtlicher (vgl. § 97 Wertpapierhandelsgesetz – WpHG), strafrechtlicher (vgl. § 119 WpHG) und ordnungsrechtlicher (vgl. §§ 6 Abs. 6 – 9, 120 WpHG) Sanktionen für den Verstoß gegen Vorschriften des Marktmissbrauchsrechts besonders transparent wird. Andererseits kann ein Spannungsverhältnis zwischen dem durch Art. 1 MMVO postulierten Anlegerschutz und dem in Erwägungsgrund 2 der MMVO statuierten Ziel, effiziente und reibungslos funktionierende Kapitalmärkte zu gewährleisten, auftreten. Dieses muss schonend aufgelöst werden, damit die konfligierenden Schutzzwecke jeweils größtmögliche Wirkung entfalten können. In Anbetracht der Vielschichtigkeit der bei der Auslegung des Insiderrechts zu berücksichtigenden Interessen verwundert es nicht, dass der EuGH des Öfteren mit diesbezüglichen Auslegungsfragen im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren befasst wird.3 1 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EG Nr. L 173 vom 12. Juni 2014, S. 1. 2 Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 115. Siehe näher zu den Folgen der Informationsüberflutung unten, Kapitel 3, C.I.3. 3 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387; EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 =

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Einleitung

Prima facie hat die Lafonta-Entscheidung des EuGH ausschließlich die Auslegung des ersten Tatbestandsmerkmals der Insiderinformation zum Gegenstand – der präzisen Natur der Information.4 Jean-Bernard Lafonta, damaliger Vorstandsvorsitzender der französischen Wendel SA, drohte ein Bußgeld in Höhe von 1,5 Millionen Euro wegen unterlassener Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung. Lafonta verteidigte sich mit dem Argument, mangels Vorhersehbarkeit der Richtung der Kursentwicklung bei Veröffentlichung der Information fehle es dieser an der erforderlichen Präzision, sodass keine Insiderinformation vorgelegen habe.5 Der französische Kassationshof setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 1 Nr. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG6 (Marktmissbrauchsrichtlinie) und Art. 1 Abs. 1 ihrer Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG7 dahingehend auszulegen seien, dass die Einstufung einer Information als präzise verlange, dass im Vorhinein erkennbar sei, in welche Richtung sich die Kurse bewegen würden.8 Der Gerichtshof (vgl. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EUV) verneinte die Frage9 und ließ außerdem verlauten, eine derartige Information könne auch von einem verständigen Anleger als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung genutzt werden10 – eine Aussage, die sich

AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708; EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227; EuGH, Urt. v. 10. 05. 2007 – Rs. C-391/04 (Oikonomikon/Georgakis), NZG 2007, 749 = AG 2007, 542 = EuZW 2007, 572; EuGH, Urt. v. 22. 11. 2005 – Rs. C-384/02 (Grøngaard/Bang), NJW 2006, 133 = ZIP 2006, 123 = NZG 2006, 60 = EuZW 2006, 25. 4 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 29. 5 Vgl. zum gesamten Sachverhalt das Urteil des Kassationshofs, Cass. com., 26. 11. 2013 – 12-21361, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/initRechJuriJudi.do (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018); vgl. ferner die Sachverhaltsangaben in der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = NZG 2015, 432 f. = ZIP 2015, 627, 628 = EuZW 2015, 387 f. und in den Schlussanträgen des Generalanwalts (GA) Wathelet, Schlussanträge v. 18.12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 7 ff. (abrufbar bei juris); siehe ferner unten, Kapitel 3, A.I. 6 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 vom 12. April 2003, S. 16. 7 Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EG Nr. L 339 vom 24. Dezember 2003, S. 70. 8 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 20. 9 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 38. 10 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 34.

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ausweislich Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG, der nunmehr in Art. 7 Abs. 4 MMVO aufgegangen ist, auf die Kurserheblichkeit der Information bezieht. Die Entscheidung des EuGH verdeutlicht einmal mehr die Schwierigkeit, die divergierenden Gesichtspunkte in ein Gleichgewicht zu bringen. Sollte der EuGH die Vorhersehbarkeit der Richtung der Kursauswirkung als unerheblich für das Vorliegen einer Insiderinformation eingeordnet haben, wäre fraglich, wie sich der Anwendungsbereich von Insiderverbot und Ad-hoc-Publizität sinnvoll begrenzen ließe. Wurde die vom EuGH betonte Anlegergleichbehandlung teuer durch eine Ausweitung des Tatbestands der Insiderinformation erkauft, die neben Rechtsunsicherheit auch ein Übermaß an zu veröffentlichenden Informationen und eine Schwächung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte mit sich bringt?11 Die Tragweite der Entscheidung ist bisher unklar. Noch verstärkt wird die Rechtsunsicherheit durch die Frage, inwiefern der EuGH durch seine Bezugnahme auf den verständigen Anleger eine rechtsverbindliche Aussage über die Auslegungsfrage hinaus getroffen hat. Deren Deutung hängt wiederum stark davon ab, wie der abstrakte Rechtsbegriff des „verständigen Anlegers“ auszufüllen ist. Die Einordnung dieser Ausführungen wird zusätzlich durch das uneinheitlich beurteilte Verhältnis der Voraussetzung der Kursspezifität einer Information zum Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit verkompliziert. In jedem Fall mutet es paradox an, dass sich der EuGH zu einer Auslegungsfrage (Art. 267 Abs. 1 lit. a) AEUV) derart auslegungsbedürftig äußert. Diese Unklarheit bietet nicht nur Anlass für eine umfassende Untersuchung des Urteils, die auf eine Herausarbeitung des vorzugswürdigen Verständnisses der Entscheidung abzielt. Sie dient auch als Anstoß für eine Hinterfragung des derzeitigen Forschungsstands zur Voraussetzung der Kursspezifität und des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit, die unter Einbeziehung des rechtshistorischen und ökonomischen Hintergrunds von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität sowie rechtsvergleichenden Gesichtspunkten zu einer Klärung des Tatbestands der Insiderinformation beitragen und bei dem oben beschriebenen Balanceakt die Mitte finden will.

II. Gang der Untersuchung Zu diesen Zwecken gliedert sich die Untersuchung in drei Teile. Zunächst werden in einem ersten Teil die für die Untersuchung der Lafonta-Entscheidung und die Auslegung des Tatbestands der Insiderinformation notwendigen Grundlagen erarbeitet. Hierfür soll die rechtshistorische Entwicklung des deutschen und europäischen Insiderrechts nachgezeichnet werden. Das Hauptaugenmerk gilt in diesem Teil dem ökonomischen Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität. Ausgehend 11 So Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; ähnlich Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238; Zetzsche, AG 2015, 381, 384 ff.

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vom gesetzgeberischen Ziel integrierter, effizienter und transparenter Kapitalmärkte wird der Beitrag der Information als Anknüpfungspunkt von Insiderverbot und Adhoc-Publizitätspflicht zur Gewährleistung dieser Zwecke untersucht. Der Zusammenhang zwischen Marktmissbrauchsrecht und der korrekten Börsenpreisbildung führt zu einer Auseinandersetzung mit Aussagen, Prämissen, Empirie und Kritik an der Kapitalmarkteffizienzhypothese (Efficient Capital Market Hypothesis, ECMH). Anschließend wird beleuchtet, inwieweit die ökonomische Theorie in den Regelungen des Marktmissbrauchsrechts verankert ist. Wertvolle Erkenntnisse für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Insiderinformation lassen sich aus einem rechtsvergleichenden Blick auf das Insiderrecht der Vereinigten Staaten von Amerika gewinnen. Der dortigen insiderrechtlichen Regelungssystematik und dem Tatbestand des Insiderhandelsverbots ist daher das zweite Kapitel gewidmet. Nach einer Betrachtung der richterrechtlichen Entwicklung der insiderrechtlichen Dogmatik und einer Darstellung der Rechtsquellen von Insiderhandelsverboten und Ad-hoc-Publizitätspflichten bildet die Frage, inwiefern im US-amerikanischen Insiderrecht mit den Erfordernissen der Kursspezifität und der Kurserheblichkeit vergleichbare Tatbestandsmerkmale existieren, den Gegenstand der Untersuchung. Hierbei erfolgt eine umfassende Auseinandersetzung mit dem durch die Rechtsprechung in Form des reasonable investor test konkretisierten materiality-Standard, der seine europarechtliche Entsprechung im Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit findet. Die anschließende Untersuchung der rechtswissenschaftlichen Literatur, die sich mit dem reasonable investor beschäftigt, lässt parallel zum hiesigen Forschungsstand bezüglich des verständigen Anlegers weitreichende konzeptionelle Unklarheiten erkennen. Die hierauf folgende Suche nach einem US-amerikanischem Pendant zum Erfordernis der Kursspezifität zeigt auf, dass mittels einer durch die Rechtsprechung entwickelten Doktrin vergleichbare Erwägungen wie im europäischen Marktmissbrauchsrecht angestellt werden. Abschließend sollen die Erkenntnisse dieser Analyse für die Auslegung des Marktmissbrauchsrechts fruchtbar gemacht und für die Herausarbeitung des vorzugswürdigen Verständnisses der Lafonta-Entscheidung herangezogen werden. Hierfür werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen herausgearbeitet und die konzeptionelle Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse kritisch hinterfragt. Das dritte Kapitel gilt der Analyse, Deutung und Hinterfragung der LafontaEntscheidung des EuGH und bildet den Schwerpunkt der Untersuchung. Zunächst werden Sachverhalt und Urteil dargestellt sowie die rechtlichen Hintergründe beleuchtet. Daraufhin erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Beantwortung der Vorlagefrage durch den EuGH. In diesem Zusammenhang wird auf die Problematik eingegangen, inwiefern das Erfordernis der Kursspezifität gegenüber der Kurserheblichkeit eine eigene Abgrenzungswirkung entfaltet. Daraufhin wird der Widerhall der für das Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit relevanten Ausführungen des Urteils in der rechtswissenschaftlichen Literatur betrachtet. Die höchst unterschiedlichen Deutungsvarianten werden sodann auf ihre Konformität mit den Ur-

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teilsgründen überprüft. Von wegweisender Bedeutung ist die Charakterisierung der durch die Rechtssache Lafonta aufgeworfenen Fragen als kapitalmarktrechtlicher Zielkonflikt. Dementsprechend wird in einem ersten Schritt unter Gesichtspunkten des Funktionsschutzes, des Anlegerschutzes und unter Berücksichtigung rechtsvergleichender Erkenntnisse aufgezeigt, welche Aspekte für eine bestimmte Deutungsvariante der Entscheidung sprechen. Da die schonende Auflösung des konstatierten Widerstreits das Ziel der Untersuchung darstellt, wird in einem zweiten Schritt das Ausmaß gewürdigt, in dem die jeweiligen Deutungsvarianten zu einer Minderung der Schutzfunktionen führen. Hierbei wird ein Konzept entwickelt, welches die zuvor ermittelten kontraproduktiven Effekte auf ein Mindestmaß reduziert und damit wesentlich zur schonenden Auflösung des Zielkonflikts beitragen kann. Das hierdurch herausgearbeitete vorzugswürdige Verständnis der LafontaEntscheidung wird anschließend hinsichtlich seiner Praktikabilität und Konformität aus rechtsvergleichender, nationalrechtlicher und europarechtlicher Perspektive hinterfragt und damit hinreichend abgesichert. Die Schlussbetrachtung zieht aus den erarbeiteten Ergebnissen allgemeine Folgerungen für das Erfordernis der Kursspezifität und die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit. Zugleich werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst.

Kapitel 1

Historische Entwicklung und ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität Grundgedanke des Regulierungskonzepts, welches dem europäischen Kapitalmarktrecht zugrunde liegt, ist die Annahme, dass der Abbau von Informationsasymmetrien und die Beförderung fundierter, freiverantwortlicher Anlageentscheidungen für effiziente und transparente Finanzmärkte erforderlich sind.1 Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts setzt voraus, dass Investitionskapital seiner ertragreichsten Verwendung zugeführt werden kann.2 Informationsasymmetrien können dementsprechend zu einer Fehlallokation von Kapital führen.3 Zudem schürt Marktmissbrauch Misstrauen unter den Marktteilnehmern (vgl. Erwägungsgrund 2 der MMVO) und kann hierdurch einen Abzug von Liquidität verursachen.4 Hinzu kommt, dass durch Bereitstellung von Informationen Anleger vor Fehldispositionen geschützt und in die Lage versetzt werden können, informierte, nutzenmaximierende Entscheidungen zu treffen.5 Da Markttransparenz als funktioneller Grundbaustein integrer Finanzmärkte durch Marktmissbrauch konterkariert wird, gilt es, diesen zu unterbinden. Durch das Zusammenwirken von Publizitätspflichten und Insiderverboten, dem Verbot von Marktmanipulation und Vorschriften zur Durchsetzung der statuierten Ge- und Verbote gewährleistet das europäische Marktmissbrauchsrecht die wesentlichen Instrumente des Informationsparadigmas.6 Auf europäischer Ebene wurde die Notwendigkeit der informationellen Gleichstellung der Marktteilnehmer und der Verhinderung von Sondervorteilen Einzelner bereits im Segré-Bericht aus dem Jahr 1966 betont, in dem auch die Idee einer ge-

1 Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 14 Rn. 14.78 f.; Schön, in: FS Canaris, 2007, S. 1991, 1194, 1206. 2 Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 5. 3 Grohmann, Das Informationsmodell, 2006, S. 61. 4 Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 14 Rn. 14.79. 5 Grohmann, Das Informationsmodell, 2006, S. 59. 6 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 358 f., 363 f. im Hinblick auf das Marktmissbrauchsrecht der Marktmissbrauchsrichtlinie und des WpHG. Dieses Regulierungskonzept liegt auch der MMVO zugrunde.

A. Historie des deutschen und europäischen Insiderrechts

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meinschaftsweiten Regelung des Insiderhandels erstmalig Erwähnung fand.7 Nachdem der europäische Gesetzgeber die Insiderproblematik etwas mehr als 20 Jahre später erstmalig durch Verabschiedung der Insiderrichtlinie8 einer Regelung unterwarf, stützt sich das Marktmissbrauchsrecht mit Geltung der MMVO seit dem 3. Juli 2016 nunmehr auf eine in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlage (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV). Durch dieses erste Kapitel soll das rechtshistorische und ökonomische Fundament für die Analyse der Lafonta-Entscheidung, ihre Deutung und Hinterfragung gelegt werden. Die Untersuchung beginnt mit einer Nachvollziehung der Entwicklungsgeschichte eines zunächst unverbindlichen Systems der Selbstregulierung zu einer auf die Integration der Finanzmärkte abzielenden, sachlich weitreichenden Rechtsverordnung. Das Hauptaugenmerk gilt daraufhin den verschiedenen Aspekten des durch den europäischen Gesetzgeber postulierten Ziels funktionsfähiger Kapitalmärkte. Neben den erarbeiteten ökonomischen Grundlagen wird sodann die ECMH im Zusammenhang mit dem Marktmissbrauchsrecht betrachtet, wobei der Begriff des „verständigen Anlegers“ in Art. 7 Abs. 4 MMVO im Mittelpunkt stehen soll.

A. Historie des deutschen und europäischen Insiderrechts Der Weg von der ersten Erwähnung einer gemeinschaftsweiten Regelung der Insiderproblematik bis hin zur heute geltenden MMVO ist von der Bedeutungszunahme der Kapitalmärkte, der Notwendigkeit der Anpassung des Rechts an technologische Entwicklungen und der Finanzmarktintegration gekennzeichnet.

I. Insiderrichtlinie und WpHG Während das Insiderproblem im Segré-Bericht nur am Rande tangiert wurde, enthielt der Vorschlag über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft aus dem Jahr 1970 erstmalig eine gemeinschaftsweite Regelung des Insiderhandels.9 Nach dem Scheitern dieses Vorschlags wurde zunächst auf Basis der unverbindlichen

7 Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Der Aufbau eines europäischen Kapitalmarkts, 1966, S. 263 f. 8 Richtlinie 89/592/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG Nr. L 334 vom 18. November 1989, S. 30. 9 Vgl. Art. 82 des Vorschlags einer Verordnung (EWG) des Rates über das Statut für europäische Aktiengesellschaften vom 30. Juni 1970, Abl. EG Nr. C 124 vom 10. Oktober 1970, S. 1, 18 f.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

europäischen Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen10 die Ausarbeitung der Insiderrichtlinie entwickelt.11 Als diese am 13. November 1989 verabschiedet wurde, waren in fast allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bereits zuvor verbindliche Regelungen gegen den Insiderhandel erlassen worden.12 In Deutschland hat die Kodifikation insiderrechtlicher Bestimmungen dahingegen eine vergleichsweise junge Historie.13 So findet das Insiderhandelsverbot im USamerikanischen Recht schon seit dem Jahre 1934 in Form von § 10(b) des Securities Exchange Act, der als Reaktion auf den Börsencrash 1929 eingeführt wurde, eine gesetzliche Grundlage.14 Demgegenüber brauchte der deutsche Gesetzgeber mehr als 60 Jahre länger, um insiderrechtliche Bestimmungen in Gesetzesform zu gießen.15 Mit der Verabschiedung des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes16 (2. FinMFG) am 26. 7. 1994, aufgrund dessen das WpHG erlassen wurde, setzte Deutschland die Vorgaben der Insiderrichtlinie sowie der Beteiligungstransparenzrichtlinie17 der Europäischen Union um.18 Damit wurde hierzulande das System der Selbstregulierung abgelöst, das als weitestgehend unzureichend empfunden wurde.19 Dieses war am 13. November 1970 von einer Börsensachverständigenkommission in Form von „Empfehlungen zur Lösung der sog. Insider-Probleme“ eingeführt und in den Folgejahren weiter ergänzt worden, nachdem mit zunehmender Bedeutung der Kapitalmärkte für die Unternehmensfinanzierung auch ein verstärktes Interesse am 10

Empfehlung der Kommission vom 25. Juli 1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen, ABl. EG Nr. L 212 vom 20. August 1977, S. 37, Textänderungen in ABl. EG Nr. L 294 vom 18. November 1977, S. 28. 11 Hopt, ZGR 1991, 17, 20; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, Vor § 12 Rn. 9 f.; Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 3. 12 So etwa seit 1970 in Frankreich, seit 1980 in Großbritannien, seit 1986 in Portugal, seit 1987 in Dänemark, seit 1988 in Spanien und Griechenland, seit 1989 in den Niederlanden und Belgien, vgl. Hopt, ZGR 1991, 17, 51 ff.; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 2, 6; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 21. 13 Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 1; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 1. 14 Hierzu ausführlich unten, Kapitel 2, A.I. 15 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 1, 4. 16 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26. Juli 1994, BGBl. I Nr. 48 vom 30. Juli 1994, S. 1749. 17 Richtlinie 88/627/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Dezember 1988 über die bei Erwerb oder Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 348 vom 17. Dezember 1988, S. 62. 18 BT-Drucks. 12/6679, S. 1; U. Weber, BB 1995, 157; Schwark/Zimmer, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 3. 19 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 6; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 12. Zu den möglichen Bedingungen einer funktionierenden Selbstregulierung Merkt, in: Bumke/Röthel, Autonomie im Recht, 2017, S. 167, 177 ff.

A. Historie des deutschen und europäischen Insiderrechts

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Zustand der deutschen Wertpapiermärkte ins öffentliche Bewusstsein gedrungen war.20 Die Geltung dieser Empfehlungen, denen kein Rechtsnormcharakter zukam, war von der eigenen vertraglichen Anerkennung abhängig.21 Neben diesem komplizierten System vertraglicher Bindung22 und inhaltlichen Unzulänglichkeiten der Regelung lässt sich das Scheitern der Selbstregulierung auf die Initiative des europäischen Richtliniengebers zum Erlass der Insiderrichtlinie und den Druck der internationalen Märkte zurückführen.23 In Anbetracht dessen, dass trotz der erheblichen Kritik an den Insiderregeln als Selbstregulierungsmaßnahme auch bei der Reform des Börsengesetzes 1975 keine verbindliche Regelung zum Insiderhandel getroffen wurde,24 verwundert die Einschätzung mancher nicht, die Empfehlungen hätten mitunter der Vorbeugung einer strengeren Gesetzgebung gedient.25 Jedenfalls bedurfte es tatsächlich der europarechtlichen Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers zur Umsetzung der 1989 erlassenen Insiderrichtlinie, um auch in Deutschland einen verbindlichen Regelungskomplex zu normieren.26 Ein solcher war nicht nur in Anbetracht der Tatsache, dass für die Verabschiedung der Richtlinie lediglich eine Mehrheitsentscheidung notwendig war, unausweichlich geworden.27 Auch war es wohl der Sorge um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Finanzplätze geschuldet, dass der Widerstand gegen eine gesetzliche Lösung der Insiderproblematik überwunden und die Insiderrichtlinie am 13. November 1989 verabschiedet werden konnte.28

20 Assmann, AG 1994, 196, 197; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 8 f. 21 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 3. 22 Als wesentliche Schwäche der Insiderregeln wurde deren begrenzte Wirkung infolge der freiwilligen privatrechtlichen Konstruktion ausgemacht, vgl. Caspari, ZGR 1994, 530, 531; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 12. Weitere Nachweise zu den kritischen Stimmen finden sich bei Assmann, AG 1994, 196, 197 Fn. 18; kritisch auch Bremer, BB 1971, 803, 804 f. 23 Merkt, in: Bumke/Röthel, Autonomie im Recht, 2017, S. 167, 174 f. 24 Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 2; Assmann, AG 1994, 196, 197. 25 So Will, NJW 1973, 645; Assmann, AG 1994, 196, 197; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 2; Schwark/Zimmer, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 2. 26 Ähnlich Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 4; Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 3. 27 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 22 f.; Hopt, ZGR 1991, 17, 22. 28 Hopt, ZGR 1991, 17, 21 f.; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, Vor § 12 Rn. 11; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 14 Rn. 27.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

II. Marktmissbrauchsrichtlinie und Anlegerschutzverbesserungsgesetz Wirtschaftliche und technologische Entwicklungen machten früh eine effektivere Bekämpfung des Marktmissbrauchs und die Schließung von Regelungslücken erforderlich.29 Diese Ziele sollten durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und ihre Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG erreicht werden. Für einen gesamtheitlichen Schutz der Marktintegrität empfand es der europäische Gesetzgeber als notwendig, neben dem Insiderhandelsverbot auch das Verbot der Marktmanipulation europarechtlich in einer einheitlichen Richtlinie zu normieren (vgl. die Erwägungsgründe 11 und 12 der Marktmissbrauchsrichtlinie).30 Nachdem die Marktmissbrauchsrichtlinie und ihre Durchführungsrichtlinie im Jahr 2003 an die Stelle der Insiderrichtlinie getreten waren, trat im Jahr 2004 zu deren Umsetzung ins deutsche Recht das Anlegerschutzverbesserungsgesetz31 (AnSVG) in Kraft.32 Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Vorschriften der Insiderüberwachung lediglich partiell erweitert und verbessert, ohne dass ihr materieller Regelungsgehalt im Wesentlichen angetastet worden wäre.33 Das AnSVG brachte indes auch weitreichende inhaltliche Änderungen mit sich. So sahen beispielsweise §§ 13 Abs. 1, 14 WpHG a.F., die auf der Vorgabe der Insiderrichtlinie beruhten, eine tatbestandliche Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsidern vor.34 Während für den Primärinsider, der einen unmittelbaren Zugang zu Insiderinformationen besitzt und über solche verfügt, ein Erwerbs- und Veräußerungsverbot, ein Weitergabeverbot und ein Empfehlungsverbot galt, unterlagen Dritte, die Kenntnis von der Insidertatsache hatten (Sekundärinsider, § 14 Abs. 2 WpHG a.F.), insiderrechtlich lediglich dem Erwerbs- und Veräußerungsverbot.35 Diese in der Insiderrichtlinie angelegte Schutzlücke wurde durch Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie geschlossen, der die beiden zuvor nicht erfassten Verbotstatbestände nunmehr auch auf Sekundärinsider erstreckte.36 Bedeutung erlangt diese Differenzierung de lege lata 29

Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 13 Rn. 6; Lutter/ Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 35 Rn. 35.2. 30 Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 35 Rn. 35.2; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 9. 31 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28. Oktober 2004, BGBl. I Nr. 65 v. 29. Oktober 2004, S. 2630. 32 Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Auflage 2017, Vorbemerkungen zu Insiderdelikten Rn. 3; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 9. 33 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 27; Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 4. 34 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 4; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 14 Rn. 2. 35 Assmann, AG 1994, 196, 204. 36 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 33; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 9.

A. Historie des deutschen und europäischen Insiderrechts

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insbesondere auf Rechtsfolgenseite hinsichtlich der Ahndung eines etwaigen Verbotsverstoßes als Straftat oder Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 119, 120 WpHG.37 Zudem kann sie auch durch die Neuregelung des Art. 8 Abs. 4 MMVO wieder tatbestandlich relevant werden. Darüber hinaus wurde infolge des AnSVG durch eine Neudefinition des Begriffs des „Insiderpapiers“ in § 12 WpHG a.F., der Normierung der Strafbarkeit des Versuchs des Insiderhandels (vgl. nunmehr § 119 Abs. 4 WpHG) und der Ersetzung des Begriffs der „Insidertatsache“ durch denjenigen der „Insiderinformation“ der Anwendungsbereich der Insiderüberwachung erweitert.38 Auch brachte die Novelle eine engere Verknüpfung des Verbots von Insidergeschäften und der Ad-hoc-Publizitätspflicht mit sich, indem fortan beide Tatbestände einheitlich an den Begriff der „Insiderinformation“ anknüpften.39 Zuvor enthielt die Publizitätspflicht des § 15 Abs. 1 WpHG a.F. weitere Tatbestandsvoraussetzungen, die über das Vorliegen einer Insidertatsache nach § 13 WpHG a.F. hinausgingen.40

III. MMVO, Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation sowie das Erste und Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz Die Beeinflussung des Finanzmarkts durch rechtliche, kommerzielle und technologische Entwicklungen bewegten den europäischen Gesetzgeber bereits im Jahr 2014 zur Ersetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie (vgl. Erwägungsgrund 3 der MMVO). Neben den durch die Rechtsform der Richtlinie eröffneten Umsetzungsspielräumen verdeutlichten auch die Finanzmarktkrise und die Eigendynamik des globalen Kapitalmarkts die Notwendigkeit der Stärkung des Vertrauens in die Marktintegrität durch einen einheitlicheren und stärkeren Rechtsrahmen (vgl. Erwägungsgrund 4 der MMVO).41 Die MMVO vom 16. April 2014 gilt in wesentlichen Teilen seit dem 3. Juli 2016 (Art. 39 Abs. 2 MMVO). Der europäische Gesetzgeber ist damit seinen Zielen, ein 37 Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Auflage 2017, Vorbemerkungen zu Insiderdelikten Rn. 4; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 4; Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, KMG, Stand 06/2007, § 13 WpHG Rn. 2. 38 Siehe hierzu und zu weiteren Änderungen durch das AnSVG Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Auflage 2017, Vorbemerkungen zu Insiderdelikten Rn. 4; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 33. 39 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 9; vgl. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 9; vgl. Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 5. 40 Ausführlich Fürhoff, AG 2003, 80; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 9 Fn. 14. 41 Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Auflage 2017, Vorbemerkungen zu Insiderdelikten Rn. 6 f.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten (Erwägungsgrund 4 der MMVO) sowie für stärker integrierte Finanzmärkte ein single rulebook und letztlich eine Kapitalmarktunion zu schaffen,42 einen weiteren Schritt nähergekommen. Flankiert wird die MMVO von der Richtlinie 2014/57/EU43 über strafrechtliche Sanktionen für Marktmanipulation und Insidergeschäfte, die die Mitgliedsstaaten zur Einführung strafrechtlicher Sanktionen bei schwerwiegenden Fällen des Marktmissbrauchs verpflichtet (vgl. die Erwägungsgründe 8 und 10 sowie Art. 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6, 7 der Richtlinie 2014/57/EU). Insgesamt ermöglichen die Neuregelungen eine drastisch verschärfte Ahndung von Verstößen gegen das Marktmissbrauchsrecht.44 Seiner in Bezug auf die Richtlinie 2014/57/EU bestehenden Umsetzungspflicht ist Deutschland durch die Verabschiedung des Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes45 (FiMaNoG) vom 30. Juni 2016 nachgekommen. Die MMVO entfaltet dahingegen unmittelbare Geltung in den Mitgliedsstaaten der EU. Wesentliche Regelungsbereiche des WpHG wie das Insiderrecht (§§ 12 WpHG a.F.), die Vorschriften zu Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG a.F.) und Eigengeschäften von Führungskräften („directors’ dealings“, § 15a WpHG a.F.) sowie das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG a.F.) werden nicht mehr durch das WpHG, sondern unmittelbar durch die MMVO geregelt. Die MMVO führt zu einer Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs des Marktmissbrauchsrechts, die sich besonders im Bereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht, der Veröffentlichungspflicht für Eigengeschäfte von Führungskräften sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen auswirkt (vgl. Art. 2 Abs. 1, 17 Abs. 1 Unterabs. 3, 19 Abs. 4, 18 Abs. 7 MMVO).46 Das Verbot von Insidergeschäften betreffend nimmt Art. 9 MMVO nunmehr bestimmte legitime Handlungen aus dem Anwendungsbereich der Art. 8 und 14 MMVO heraus. Zudem wurde das 42 Vgl. etwa das Grünbuch der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion vom 18. Februar 2015, KOM(2015) 63 final. 43 Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl. EG Nr. L 173 vom 12. Juni 2014, S. 179. Sofern im Fortgang der Untersuchung von der „Marktmissbrauchsrichtlinie“ die Rede ist, ist hiermit die Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) gemeint. 44 Poelzig, NZG 2016, 492 ff.; Krause, CCZ 2014, 248, 258 ff. 45 Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG) vom 30. Juni 2016, BGBl. I Nr. 31 v. 1. Juli 2016, S. 1514. 46 Während im Bereich des Insiderverbots aufgrund der überschießenden Umsetzung der Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber bereits zuvor der Freiverkehr vom Anwendungsbereich erfasst war (§ 12 S. 1 Nr. 1 Var. 3 WpHG a.F.), unterlagen Emittenten im Freiverkehr bis zur Geltung der MMVO lediglich etwaigen anlassbezogenen Publizitätspflichten der jeweiligen Börsen. Siehe zum Ganzen von der Linden, DStR 2016, 1036 f.; Krause, CCZ 2014, 248, 249 f.; Klöhn, AG 2016, 423, 426; Graßl, DB 2015, 2066 f.

A. Historie des deutschen und europäischen Insiderrechts

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Insiderverbot tatbestandlich ausgeweitet. Fortan gilt auch die „Nutzung von Insiderinformationen in Form der Stornierung oder Änderung eines Auftrags in Bezug auf ein Finanzinstrument, auf das sich die Informationen beziehen, […] als Insidergeschäft, wenn der Auftrag vor Erlangen der Insiderinformationen erteilt wurde“ (Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO). Relevant kann dieses Verbot etwa beim Beteiligungsaufbau an börsennotierten Gesellschaften werden, wenn der Bieter im Rahmen einer due diligence-Prüfung bei der Zielgesellschaft nach Erteilung eines Auftrags Insiderinformationen erlangt, die eine Abänderung oder Stornierung des Auftrags nahelegen würden.47 Aufgrund des zunehmenden Tätigwerdens des europäischen Gesetzgebers auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts wurden weitere Änderungen und Streichungen von Regelungen des WpHG erforderlich.48 Daher trat am 3. Januar 2018 das Zweite FiMaNoG49 in wesentlichen Teilen in Kraft, welches die erforderlichen Änderungen umgesetzt und zu einer neuen Nummerierung des WpHG geführt hat.50 Da sich die MMVO in wesentlichen Bereichen an die alte Rechtslage anlehnt, kann regelmäßig auf die bisherige Auslegung der entsprechenden Normen zurückgegriffen werden.51 Der derzeitige Forschungsstand zum Tatbestand der Insiderinformation lässt sich dementsprechend grundsätzlich auf Art. 7 MMVO übertragen.52 Die Lafonta-Entscheidung und ihre Folgen für die Auslegung des Insiderrechts erlangen damit auch im neuen Marktmissbrauchsrecht Bedeutung.53

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Krause, CCZ 2014, 248, 251; Klöhn, AG 2016, 423, 432; Graßl, DB 2015, 2066, 2067. Vgl. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/10936, S. 191. 49 Zweites Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) vom 23. Juni 2017, BGBl. I Nr. 39 v. 24. Juni 2017, S. 1693. 50 RegE 2. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/10936, S. 191. 51 Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 9; Kumpan, DB 2016, 2039. Dementsprechend wird fortan grundsätzlich für die Auslegung der Vorschriften der MMVO auf Rechtsprechung, Verwaltungspraxis und wissenschaftliche Literatur zur Rechtslage vor Geltung der MMVO zurückgegriffen, als würden sich die Quellen auf Rechtsnormen der MMVO beziehen. Sofern sich die Ausführungen auf die neue Rechtslage nicht übertragen lassen, wird ausdrücklich darauf hingewiesen. 52 Kumpan, DB 2016, 2039, 2045; Klöhn, AG 2016, 423; Graßl, DB 2015, 2066, 2067. 53 Zu weiteren Änderungen durch die MMVO siehe ausführlich Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 250 ff. Ein Überblick findet sich ferner bei von der Linden, DStR 2016, 1036 ff.; Krause, CCZ 2014, 248 ff.; Klöhn, AG 2016, 423 ff.; Graßl, DB 2015, 2066 ff. 48

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität Für die Auslegung kapitalmarktrechtlicher Regulierungen, besonders aber für das Verbot von Insiderhandel und die Ad-hoc-Publizitätspflicht ist es unabdingbar, das abstrakte Ziel der Gewährleistung effizienter Kapitalmärkte näher zu konkretisieren. Der Sinn und Zweck des Marktmissbrauchsrechts erschließt sich erst vor dem Hintergrund der Bedeutung öffentlich bekannter Informationen für die Effizienz von Kapitalmärkten und die korrekte Preisbildung dort gehandelter Finanzinstrumente.

I. Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts als Ziel des Marktmissbrauchsrechts Die Wahrung der Funktionsfähigkeit und Integrität der organisierten Kapitalmärkte wurde nicht nur vom nationalen Gesetzgeber in den Begründungen der Regierungsentwürfe zum 2. FinMFG und zum AnSVG als maßgebliches Regelungsziel betont.54 Sie war auch bestimmender Zweck für den europäischen Richtliniengeber bei der Normierung der Insider- und der Marktmissbrauchsrichtlinie.55 Auch die MMVO erkennt das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Anlegervertrauen in ihren Erwägungsgründen als Bedingungen für ökonomisches Wachstum und Wohlstand an.56 Diese Funktionsfähigkeit ist Voraussetzung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft und dient damit der Finanzierung der Wirtschaftssubjekte.57 Sie ist von maßgeblicher Bedeutung für den Haushalt der öffentlichen Hand sowie die Sicherung der privaten Altersversorgung.58 Ein Ziel von Insiderrecht59 und Ad-hoc-Publizität60 ist deshalb der institutionelle Funktionsschutz des Kapitalmarkts. 54 Begr. RegE 2. FinMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33 ff.; vgl. auch Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 26. 55 Vgl. die Erwägungsgründe 3 bis 6 der Insiderrichtlinie sowie Erwägungsgrund 12 der Marktmissbrauchsrichtlinie und Erwägungsgrund 2 der MMVO. 56 Erwägungsgrund 2 der MMVO. 57 Begr. RegE 2. FinFMG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33; Erwägungsgründe 2 und 3 der Insiderrichtlinie; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 14; Caspari, ZGR 1994, 530, 532. 58 Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, 2005, S. 21. 59 Siehe aus dem kaum überschaubaren Schrifttum etwa Hopt, ZGR 1991, 17, 26 f.; Hopt/ Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 4; Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 337 ff., 490; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 131 ff.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 8, 12; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 14, § 14 Rn. 9; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 33 ff.; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 4; Pananis, in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Auflage 2015, § 38 WpHG Rn. 4; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 01/2006,

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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Einen wesentlichen Beitrag zum reibungslosen Funktionieren der Wertpapiermärkte leistet die Stärkung des Vertrauens der Anleger in die Marktintegrität.61 Das Anlegervertrauen beruht auf der Zusicherung und Gewährleistung der Gleichstellung der Marktteilnehmer und wird gefährdet, wenn ein Kreis von Anlegern durch Insidergeschäfte Vorteile gegenüber anderen Anlegern erlangt.62 Nur in dem Wissen der informationellen Gleichstellung der Anleger und des Schutzes gegen die unrechtmäßige Verwendung von Insiderinformationen investieren die Marktteilnehmer ihr Kapital in den Markt.63 Daher wird die Existenz des Insiderhandelsverbots zum Wettbewerbsfaktor für die Attraktivität der Finanzplätze: Der Anleger wird sein Kapital nur an demjenigen Marktplatz investieren, an dem er sich fair behandelt fühlt.64 Insofern dient das Insiderhandelsverbot als „Gütesiegel“ des Kapitalmarkts, auf das in Anbetracht der Internationalisierung der Wertpapiermärkte weder ein nationaler Kapitalmarkt, noch eine zu verwirklichende Kapitalmarktunion ver-

Vor § 12 WpHG Rn. 16; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, Vor § 12 Rn. 49; Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 35 Rn. 35.17; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.458; Caspari, ZGR 1994, 530, 532; Hopt, ZGR 1991, 17, 26. Andere diskutierte Geltungsgründe des Insiderrechts sind der Schutz des von einer Wertpapierspekulation betroffenen Emittenten sowie der Schutz von Unternehmen vor Treuepflichtverletzungen durch Insider, vgl. Caspari, ZGR 1994, 530, 533; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 132; Grunewald, ZBB 1990, 128, 130 f. Zum Anlegerschutz als Ziel von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität siehe unten, Kapitel 3, C.II.1., IV.1. 60 Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 133; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 286 ff.; Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 490; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 53; Voß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 15 Rn. 14; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 7 ff.; i.E. auch Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 39 ff.; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 10 Rn. 3; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 15 Rn. 27; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.234. 61 Vgl. die Erwägungsgründe 2, 23, 24, 32, 35, 44, 47, 55 und 58 der MMVO; siehe ferner die Erwägungsgründe 4 bis 6 der Insiderrichtlinie; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 14. Kritisch zum Vertrauens-Argument Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 34 ff., der den Schutz des Anlegervertrauens als „Argumentationsersatz“ bezeichnet, da hiermit die tatsächliche Schutzwürdigkeit des Vertrauens gerade nur behauptet, nicht aber begründet würde. 62 Begr. RegE 2. FinMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33; Erwägungsgründe 5 und 6 der Insiderrichtlinie; Erwägungsgrund 24 der MMVO. 63 EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227, Rn. 61; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, Vor § 12 Rn. 14, Caspari, ZGR 1994, 530, 533. 64 Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.458; Caspari, ZGR 1994, 530, 533. Kritisch zum Fairness-Argument Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 27 ff.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

zichten kann, wenn der Finanzplatz einen internationalen Geltungsanspruch behaupten möchte.65 Sowohl die Marktmissbrauchsrichtlinie als auch die MMVO betonen in ihren Erwägungsgründen die Zielsetzung der Regelung, „effiziente“ Finanzmärkte zu schaffen.66 Die Förderung der Kapitalmarkt- oder Finanzmarkteffizienz wird dementsprechend teilweise als „Meta-Ziel“ der Regulierung ausgemacht.67 Den Ausgangspunkt einer am Sinn und Zweck des Marktmissbrauchsrechts orientierten Auslegung, die den Grundbaustein für die Herausarbeitung des vorzugswürdigen Verständnisses der Lafonta-Entscheidung legen soll, muss dementsprechend die Konkretisierung dieser abstrakten Maßstäbe bilden.

II. Teilaspekte eines funktionsfähigen Kapitalmarkts Funktionsfähige Märkte sind effiziente Märkte. Diese müssen Anlegern und Emittenten ein infrastrukturelles Fundament bieten. Die Attraktivität und Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes wird insbesondere vom Bestehen etwaiger Handelshemmnisse bestimmt. Der Grad an Effizienz des Kapitalmarkts ist schließlich mitunter maßgeblich von seiner Kapitalaufbringungs- und Kapitallenkungsfunktion abhängig.68 Die Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten wird nach ihren verschiedenen Funktionsbedingungen typischerweise in die Teilaspekte der institutionellen, der operationalen und der allokativen Effizienz untergliedert. 1. Institutionelle Effizienz Die institutionelle Effizienz beschreibt das Vorhandensein von Grundvoraussetzungen eines wirksamen Marktmechanismus.69 Der Markt muss gewisse Bedingungen erfüllen, um per se als Kapitalmarkt funktionsfähig zu sein. Hierzu zählen zunächst einige allgemeine Voraussetzungen,70 wie der ungehinderte Zugang von Emittenten und Anlegern zum Markt sowie deren ungehinderter 65 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 01/2006, Vor § 12 WpHG Rn. 12; Assmann, AG 1994, 196, 201. 66 Vgl. Erwägungsgrund 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie und die Erwägungsgründe 2 und 19 der MMVO. 67 Vgl. Sester, ZGR 2009, 310. 68 Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15 WpHG Rn. 6. 69 Kübler, AG 1977, 85, 89; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Auflage 2017, Vor § 104 Rn. 76; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.148; vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 14 Rn. 14.13. 70 So Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, Vor § 104 Rn. 76.

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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Rückzug aus demselben.71 Darüber hinaus muss der Markt standardisierte und damit fungible Anlagetitel bereitstellen.72 Von entscheidender Bedeutung für die Investitionsentscheidung der Anleger an einem bestimmten Markt ist zudem dessen Liquidität oder Aufnahmefähigkeit.73 Liquidität beschreibt die Möglichkeit, Finanzinstrumente schnell und mit geringem Kostenaufwand kaufen und verkaufen zu können, ohne hierdurch spürbare Preisauswirkungen zu verursachen.74 Je liquider der Kapitalmarkt, desto höher das Marktvolumen sowie die Zahl der Investoren (Tiefe des Marktes) und desto größer die Vielfalt des Marktangebots (Breite des Marktes).75 Die Zusammenschau dieser Faktoren mit der Preisstabilität des Marktes spiegelt wieder, inwieweit die institutionelle Effizienz verwirklicht ist.76 Besondere Bedeutung für die institutionelle Effizienz eines Kapitalmarkts haben darüber hinaus dessen operationale und allokative Markteffizienz.77 Die drei Funktionsbedingungen der Kapitalmarkteffizienz stehen daher miteinander in Wechselwirkung.78 2. Operationale Effizienz Transaktionshindernisse stehen der Effizienz des Kapitalmarkts bereits begrifflich entgegen. Die Minimierung von Kosten der Anlagevermittlung und der Kapitalverschaffung – also von Transaktionskosten – wirkt sich dementsprechend förderlich auf die operationale Effizienz des Kapitalmarkts aus.79 Hinsichtlich der Informationskosten können Akquisitions-, Verifizierungs- und Verwertungskosten unterschieden werden.80 Die kapitalmarktrechtliche Publizität ermöglicht die Minderung von Transaktionskosten, da hierdurch die Informationsbeschaffungskosten der Marktteilnehmer entfallen, die zum Zwecke einer fundierten Kauf- oder Ver71

Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 300. Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.150; Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, 2005, S. 23. 73 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.148 f. 74 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 720 (2006); Sester, ZGR 2009, 310, 341. 75 Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, Vor § 104 Rn. 90. 76 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 300; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 26. 77 Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, Vor § 104 Rn. 76. 78 Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 43; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 301. 79 Hopt, Gutachten für den 51. Deutschen Juristentag (1976), S. G 49; Kohl/Kübler/Walz/ Wüstrich, ZHR 138 (1974), 1, 16; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 42; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 300 f.; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 23; vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 14 Rn. 14.13. 80 Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 13. 72

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

kaufsentscheidung aufgewendet werden müssten.81 Verifizierungs- und Verwertungskosten können durch inhaltliche Informationsstandards beeinflusst werden.82 Für den Emittenten stehen neben der Zulassungsgebühr und den Kosten für die Zulassungsfolgepflichten auch solche für die Pflichtveröffentlichungen im Vordergrund.83 Die Senkung der aufgezeigten Kosten steigert die Renditen sowie die Akzeptanz des Marktes und weckt die Bereitschaft von Investoren zur Kapitalanlage.84 3. Allokative Effizienz Von zentraler Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ist die effiziente Zusammenführung von Angebot und Nachfrage. Der Markt muss das Anlagekapital ungehindert dorthin führen, wo es unter marktrationalen Aspekten die effizienteste Verwendung findet.85 Ein allokativ effizienter Markt lässt das Kapital dahin fließen, wo der dringendste Bedarf hierfür besteht und zugleich die höchste Rendite bei ausreichender Sicherheit der Anlage erzielt wird.86 Die allokative Effizienz betrifft also die Steuerungsfähigkeit des Kapitalmarkts.87 Sie dient so als Selektionsmechanismus für attraktive Investitionen auf der einen und unrentable Anlagen auf der anderen Seite und fördert dadurch das volkswirtschaftliche Wachstum: Die attraktivste Rendite werden grundsätzlich nur diejenigen Unternehmen bieten können, die auf den Gütermärkten am erfolgreichsten sind.88 Im Hinblick auf die Allokationseffizienz zeigt sich mitunter die erwähnte Wechselwirkung der drei Funktionsbedingungen: Bei steigender Breite und Tiefe des Marktes kann dieser das Kapital effizienter allozieren. Auch die operationale 81 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.166; Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 13. 82 Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 13. 83 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.164 f. 84 Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, Vor § 104 Rn. 89; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.163; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 43; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 300 f. 85 Hopt, Gutachten für den 51. Deutschen Juristentag (1976), S. G 48; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 43; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172; Lutter/Bayer/ J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 14 Rn. 14.13; Lehmann, in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Auflage 2018, IntFinMarktR Rn. 3; Beck, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 1 BörsG Rn. 2; Gunßer, Ad-hoc-Publizität, 2008, S. 35. 86 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.168; Kübler, AG 1977, 85, 89; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 301; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 25; Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich, ZHR 138 (1974), 1, 17. 87 Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage 1997, § 1 Rn. 24; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, Vor § 104 Rn. 74. 88 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 369; vgl. Mendelson, 1 J. Comp. Corp. L. & Sec. Reg. 49, 50 f. (1978).

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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Effizienz ist notwendige Voraussetzung der Steuerungseffizienz, denn je niedriger die Transaktionskosten sind, desto weniger Hindernisse hemmen die Investition des Anlegers am Kapitalmarkt89 und desto eher kann der Markt seine volkswirtschaftliche Funktion erfüllen, dem Emittenten das benötigte Kapital zufließen zu lassen.

III. Bedeutung von Informationen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts Die Information lässt sich im ökonomischen Kontext als „zweckorientiertes Wissen“ bezeichnen, dessen Zweck in der Entscheidungsvorbereitung oder -verbesserung besteht und das deshalb Entscheidungsrelevanz besitzt.90 Informationsasymmetrien sind dem Kapitalmarkt inhärent. Sie bestehen nicht nur zwischen Anlegern und Emittenten als Marktgegenseiten, sondern auch zwischen Anlegern untereinander. Die besondere Relevanz von Informationen für den Kapitalmarkt wird transparent, wenn man sich vergegenwärtigt, dass letztere keine Handelsplätze für überprüfbare Erzeugnisse, sondern vielmehr für „diskontierte Hoffnungen und abgezinste Geldversprechen“ sind.91 Seinen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts leistet das Insiderrecht, indem es die Insiderinformation zum zentralen Anknüpfungspunkt erklärt, Geschäfte mit derlei Informationen verbietet und Emittenten verpflichtet, sie unverzüglich dem Markt zugänglich zu machen. Dabei lässt sich die Bedeutung der Offenlegung von Informationen durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht aus vielfältigen Perspektiven beleuchten, die sich nicht durchweg trennscharf unterscheiden lassen und miteinander in Wechselwirkung stehen. 1. Information als funktionsnotwendiges Element Die Informierung des Anlegerpublikums ist von wesentlicher Bedeutung, um die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu gewährleisten.92 Aus institutioneller Hinsicht müssen Marktmechanismen geschaffen werden, die die Anleger mit den notwendigen Informationen versorgen und sie von der Breite und Tiefe des Marktes in Kenntnis setzen. Hierfür ist ein effizientes System für Informationsproduktion und -übermittlung notwendig.93 Dies gilt in gleicher Weise im Hinblick auf die operationale Funktionsfähigkeit des Marktes, da sowohl ein Mangel als auch ein Überfluss 89

Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 43 Fn. 56. Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998, S. 108; vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 334. 91 Fleischer, Gutachten für den 64. Deutschen Juristentag (2002), S. F 23; vgl. Mülbert/ Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 24. 92 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306. 93 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 307. 90

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

an Informationen ein Transaktionshindernis darstellt; es ist daher Aufgabe der Publizitätsinstrumente, für eine operational effiziente und maßvoll eingependelte Übermittlung von Information zu sorgen.94 Darüber hinaus helfen Veröffentlichungspflichten dabei, agency-Kosten zu reduzieren, die den Anlegern im Zusammenhang mit dem Sammeln, Authentifizieren und Analysieren von Informationen anfallen.95 Insbesondere für die Gewährleistung einer effizienten Kapitalallokation bedarf es einer informierten Anlageentscheidung, schließlich setzt die Auswahl der ertragreichsten und zugleich risikoärmsten Anlage durch den Marktteilnehmer seine Einschätzung der mit der Investition verbundenen Risiken und deren Vergleichbarkeit mit anderen Anlagealternativen voraus.96 Durch Informationen muss er in die Lage versetzt werden, attraktive von unrentablen Anlagen zu unterscheiden und durch diese Selektion letztlich die volkswirtschaftliche Hauptfunktion des Kapitalmarkts zu fördern. Denn hierdurch wird das zur Verfügung stehende Kapital der profitabelsten Gesellschaft zugeleitet.97 Andernfalls kommt es mangels einer hinreichenden Risikoeinschätzung zu einer falschen Bewertung der Anlage, was suboptimale Transaktionen und die Fehlallokation von Ressourcen nach sich zieht.98 Die Allokationseffizienz profitiert daher von einem informierten Anlegerpublikum.99 Darüber hinaus entfalten die auf den Sekundärmärkten festgestellten Preise vielfältige Signal- und Lenkungsfunktionen: Der Börsenkurs erlaubt der Unternehmensleitung Rückschlüsse hinsichtlich der Bedingungen für eine gegenwärtige Platzierung von Finanzierungstiteln auf dem Primärmarkt.100 Dementsprechend kann der Vorstand anhand der Preise der am Sekundärmarkt gehandelten Finanzinstrumente die relevanten Kapitalkosten für bevorstehende Investitionsentscheidungen ermitteln.101 2. Information als vertrauensbildendes Instrument Anlegervertrauen ist ein grundlegender Baustein für das Funktionieren der Märkte. Das Marktmissbrauchsrecht zielt im besonderen Maße auf Systemvertrauen 94

Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 307. Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 479 (2015). 96 Hopt, Gutachten für den 51. Deutschen Juristentag (1976), S. G 50; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 308; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 43; Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage 1997, § 1 Rn. 24; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 23. 97 Vgl. Brudney, 93 Harv. L. Rev. 322, 341 (1979); Dennis, 25 Wm. & Mary L. Rev. 373, 375 (1984). 98 Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 289. 99 Mendelson, 1 J. Comp. Corp. L. & Sec. Reg. 49, 51 (1978). 100 Schweizer, Insiderverbote, 1997, S. 37 f. 101 Schweizer, Insiderverbote, 1997, S. 37 f.; vgl. Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998, S. 142. 95

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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ab, welches seine vertrauensfördernde Wirkung durch institutionelle Vorkehrungen gewährleistet, die von den Marktteilnehmern anerkannt und befolgt werden und deren verhaltenssteuernde Funktion von ihnen vorausgesehen werden kann.102 Betrachtet man die Erwägungsgründe der MMVO, so lässt sich das Vertrauen der Marktteilnehmer als ein zentrales Element des europäischen Marktmissbrauchsrechts ausmachen.103 Einen wesentlichen Beitrag zur Gewährleistung des Marktvertrauens leistet das Insiderrecht, indem es die Erzielung ungerechtfertigter Vorteile zum Nachteil Dritter verbietet.104 Durch einen wirksamen Schutz vor Marktmissbrauch wird das Vertrauen der Anleger in die Marktintegrität hergestellt.105 Die Geeignetheit des Vertrauensprinzips als Geltungsgrund des Insiderrechts wird teilweise hinterfragt, weil hiermit keine Aussage darüber verbunden ist, weshalb dieses Anlegervertrauen auf das Verbot des Insiderhandels berechtigt ist.106 Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass sich die Daseinsberechtigung des Vertrauensgrundsatzes erst im Kontext mit dem Prinzip der informationellen Chancengleichheit erschließt und hierdurch eine Konkretisierung erfährt. Die Anleger dürfen darauf vertrauen, dass sie den gleichen Zugang zu Informationen besitzen, die für ihre Anlageentscheidung als entscheidungserheblich einzuordnen sind.107 Hiervon geht Erwägungsgrund 24 S. 3 der MMVO aus und eben an diese Informationen knüpft Art. 7 Abs. 4 MMVO an, der die Einordnung entscheidungserheblicher Informationen als Insiderinformationen bewirkt. Die zweite Säule vertrauensbildender Maßnahmen stellt die Schaffung von Transparenz dar,108 ihr Mittel ist Information.109 Das europäische Marktmissbrauchsrecht bedient sich hierzu der Statuierung einer Ad-hoc-Publizitätspflicht in Art. 17 MMVO, um dem Markt Insiderinformationen zu offenbaren und das Informationsniveau schnellstmöglich zu nivellieren. Hierdurch wird Insidergeschäften die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit genommen und die Anleger werden in die Lage versetzt, Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen auf gleichem Informationsstand zu treffen.110 Auch ermöglicht die Informationstransparenz eine präventive und repressive Einflussnahme von (potentiellen) Aktionären auf die Unterneh102

Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 9. Die Worte „Vertrauen“, „Vertraulichkeit“ oder „Marktvertrauen“ werden in zahlreichen Erwägungsgründen der MMVO erwähnt, vgl. die Erwägungsgründe 2, 23, 24, 32, 35, 44, 47, 55 und 58 der MMVO. 104 Vgl. Erwägungsgrund 23 der MMVO. 105 Fleischer, Gutachten für den 64. Deutschen Juristentag (2002), S. F 28. 106 So Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 34 ff. 107 Grund hierfür ist, dass das Recht schützend durch die Herstellung von Vertragsparität eingreift, wenn diese durch Machtungleichgewichte gestört ist. Hierzu ausführlich unten, Kapitel 3, C.IV.1.c). 108 Vgl. Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 54. 109 Allgemein zur Vertrauensschutzfunktion der Unternehmenspublizität siehe Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 348 ff. 110 Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 394. 103

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

mensführung durch entry/exit und voice.111 Diese Anlegergleichbehandlung,112 also die Chancengleichheit der Anleger auf Informationszugang,113 ist die Basis des durch Transparenz geschaffenen Vertrauens. Wird es erschüttert, besteht die Gefahr, dass sich Anleger vom Kapitalmarkt zurückziehen – der Abzug von Kapital mündet in Wohlfahrtsverlusten.114 Der vertrauensbildende Zweck der Information hat wiederum positive Effekte auf die Unterfunktionen des Funktionsschutzziels. Das Anlegervertrauen in die Stabilität des Marktes und seine Integrität ist eine unabdingbare Voraussetzung für die institutionelle und die allokative Effizienz115 und kann als Vorabbedingung der institutionellen und allokativen Effizienz bezeichnet werden: Vertrauen selbst ist eine notwendige Marktbedingung, die für den Marktzugang oder Marktaustritt und die Investitionsentscheidung des Anlegers von entscheidender Bedeutung ist. Preisintegrität legt den Grundstein für eine effektive Kapitalallokation.116 Die Stärkung des Anlegervertrauens bezweckt mithin letztlich Effizienzsteigerungen durch die Verhinderung von Marktversagen,117 die Reduktion von Transaktionskosten und die Steigerung von Liquidität durch Beförderung der Investitionsbereitschaft der Marktteilnehmer.118 3. Informationsasymmetrien und informationsbedingtes Marktversagen Die asymmetrische Informationsverteilung unter den Marktteilnehmern, individuelle Entscheidungsprobleme sowie gesamtwirtschaftliche Probleme unter Unsicherheit sind Gegenstand der Informationsökonomik (economics of information).119 Sie beschäftigt sich mit der Marktunsicherheit, also der Unsicherheit und Unkenntnis als endogener Größe, die durch das Verhalten der Marktteilnehmer beeinflusst

111

Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 393. Fleischer, Gutachten für den 64. Deutschen Juristentag (2002), S. F 28. 113 Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 394; vgl. Pananis, WM 1997, 460. 114 Kritisch zu diesem Argument Schweizer, Insiderverbote, 1997, S. 46 ff. 115 Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 43; vgl. Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15 WpHG Rn. 7; vgl. allgemeiner Schacht, Das Insiderhandelsverbot bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, 2002, S. 160: „[…] Vertrauen ist das Vehikel des Funktionsschutzes, das nicht durch Insiderhandel beeinträchtigt werden soll.“; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 83: „Institutionelle Effizienz schließlich besteht dann, wenn die allgemeinen Funktionsvoraussetzungen des Marktes gesichert sind. Hierzu gehört auch das Vertrauen der Investoren in Stabilität und Integrität des Marktes.“ 116 Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 393. Näher hierzu unten, Kapitel 1, B.III.4.d). 117 Hierzu sogleich, Kapitel 1, B.III.3. 118 Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 14. 119 Grundlegend Stigler, 69 J. Polit. Econ. 213 ff. (1961); Hopf, Informationen, 1983, S. 21, 28; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 279; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306. 112

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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wird.120 Die Informationsökonomik wird regelmäßig im Zusammenhang mit der Neuen Institutionenökonomik genannt,121 die sich von den der neoklassischen Wirtschaftstheorie zugrunde liegenden Prämissen vollkommener Rationalität und vollkommener Information der Marktteilnehmer löst, um eine größere Realitätsnähe für sich zu beanspruchen.122 In diesem Zusammenhang widmete sich die grundlegende Untersuchung Akerlofs den Folgen, die die Informationsasymmetrie zwischen Anbietern und Nachfragern für den Markt mit sich bringen kann.123 Da die informierte Anlageentscheidung notwendige Bedingung der Selektion zwischen Anlagen unterschiedlicher Qualität ist, kann ein Informationsungleichgewicht zu einer „Fehlauswahl“ (adverse selection) führen. Exemplarisch bedient sich Akerlof eines Gebrauchtwagenmarkts, dem „market for lemons“124. Ausgangspunkt ist die Grundannahme, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt nur vier Arten von Wagen existieren: neue und alte sowie gute und schlechte, wobei neue wie auch alte Wagen sowohl von guter als auch von schlechter Qualität sein können. Weiterhin wird angenommen, dass die Nachfrager nicht in der Lage sind, zwischen der unterschiedlichen Qualität der Güter zu differenzieren.125 Allerdings kann der Eigentümer die Qualität seines erworbenen Gutes mit fortschreitender Zeit präziser einschätzen. Hieraus erwächst ihm auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein Informationsvorsprung gegenüber dem Nachfrager, dem die Möglichkeit einer Beurteilung des Angebots weiterhin versagt bleibt. Als Konsequenz wird sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein Durchschnittspreis für die in120 Hirshleifer/Riley, 17 J. Econ. Lit. 1375, 1376 f. (1979); Hopf, Informationen, 1983, S. 21, 29; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 279. 121 Teilweise wird die Informationsökonomik neben principal-agent-Theorie, propertyrights-Theorie und Transaktionskostentheorie als Bestandteil der Neuen Institutionenökonomik eingeordnet, vgl. Hogreve, Dienstleistungsgarantien, 2007, S. 61 ff. Andernorts wird die Informationsökonomik ebenfalls als Teil der Neuen Institutionenökonomik, aber gleichzeitig als Fundament der vorab genannten übrigen Ansätze verstanden, vgl. Sandstede, Verhandlungen unter Unsicherheit, 2010, S. 57. Nach Fleischer ist die Neue Institutionenökonomik mit der Informationsökonomik in vielfältiger Hinsicht „verwoben“, vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 131. Der Informationsökonomik ihrerseits werden wiederum diverse sich ergänzende Ansätze zugeordnet, die sich im Wesentlichen mit der Notwendigkeit von Institutionen zur Regulierung von Informationsproblemen und dem Bedürfnis nach gesetzlichen Publizitätspflichten auseinandersetzen, vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 212 ff.; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 279 ff. 122 Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 12 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 208 f.; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 276 ff. Vgl. zu den Grundannahmen der Neuen Institutionenökonomik Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Auflage 2010, S. 2 ff. 123 Siehe zur adverse selection und zu folgendem vielzitierten Beispiel Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 ff. (1970). 124 Der Begriff „lemons“ wird in den USA in diesem Zusammenhang metaphorisch für Autos von niedriger Qualität verwendet, vgl. Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488, 489 (1970). 125 Dementsprechend wird das von Akerlof vorgestellte Model informationsbedingten Marktversagens dem Qualitätsunsicherheits-Ansatz zugeordnet, vgl. Hopf, Informationen, 1983, S. 30 ff.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

homogenen Güter einpendeln, der der durchschnittlichen Qualität der Güter entspricht. Da sich auf einem solchen Markt überdurchschnittliche Qualität nicht im Marktpreis niederschlägt, wandern Anbieter überdurchschnittlicher Qualität von diesem ab, was die Durchschnittsqualität des Marktes konsequent weiter senkt. Es tritt folglich eine adverse selection ein, bei dem sich nur die Händler von jeweils schlechterer Qualität am Markt behaupten. Letztlich pendelt sich ein Marktgleichgewicht von so geringer Qualität ein, dass die Nachfrage infolgedessen unterbleibt; es kommt zum Zusammenbruch des Marktes. Da Anleger regelmäßig aufgrund hoher Transaktionskosten nicht in der Lage sind, Informationsrisiken zu eliminieren,126 können systematische Informationsungleichgewichte zwischen Emittenten und Investoren sowie Anlegern untereinander nicht ohne Weiteres beseitigt werden. Als Folge droht dem Markt schlimmstenfalls ein Zustand adverser Selektion. Durch Informationsasymmetrien wird Misstrauen unter den Anlegern geschürt und diese werden zum Marktaustritt bewegt, sodass es schließlich zu informationsbedingtem Marktversagen kommen kann.127 4. Information als preisbildendes Instrument Der kapitalmarktrechtliche Selektionsmechanismus wird von der informierten Anlegerentscheidung getragen, für die die Renditeerwartung und das Risiko der Anlage entscheidende Maximen sind. Sammlung und Auswertung aller für diese Einschätzung notwendigen öffentlich bekannten Informationen übersteigen die Leistungsfähigkeiten des individuellen Anlegers freilich bei Weitem. Ausgehend von der Prämisse informations- und fundamental effizienter Märkte erübrigt sich dieser Aufwand indes durch einen Blick auf den Börsenkurs des entsprechenden Wertpapiers. Damit sich ein Markt steuerungseffizient verhalten kann, müssen Wertpapierkurse die Erfolge und Misserfolge auf den Gütermärkten schnellstmöglich widerspiegeln.128 Diese müssen sich in den Preisen des Finanzinstruments niederschlagen. Die Inkorporation aller entscheidungsrelevanten Informationen in die Preise von Finanzinstrumenten wird folglich als notwendige Voraussetzung eines allokativ effizienten Kapitalmarkts erachtet.129 Einen wesentlichen Beitrag zur korrekten Preisbildung leistet die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 MMVO,130 126

Assmann, ZBB 1989, 49, 60. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306; Assmann, ZBB 1989, 49, 60; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172 f.; vgl. Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 5. 128 Informationseffizienz kann als notwendige Vorabbedingung der Allokationseffizienz verstanden werden, vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 215 Fn. 132. Zu einer genaueren Untersuchung dieses Zusammenhangs siehe unten, Kapitel 1, B.III.4.d). 129 Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996, S. 100. 130 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 147. Vgl. ferner zur Preisbildungsfunktion, Durchsetzungsfunktion, Informationsfunktion und Steuerungsfunktion der Unternehmenspublizität Merkt, ZfbF Sonderheft 55 (2006), 24, 50 f. 127

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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indem sie den Emittenten zur baldmöglichsten Veröffentlichung von kurserheblichen Informationen verpflichtet. Die Frage, inwiefern der Preis eines Finanzinstruments relevante Informationen reflektiert, beantwortet die ECMH. a) Kernaussagen der ECMH Nach den Lehren der ECMH spiegeln Wertpapierkurse in einem vollkommenen Markt131 jederzeit alle verfügbaren Informationen vollständig wider.132 Effiziente Märkte agieren dementsprechend als kontinuierlicher Preisanpassungsmechanismus.133 Der in diesem Sinne ideale Markt zeichnet sich durch seine Informationseffizienz und seine Fundamentalwerteffizienz aus.134 aa) Informationseffizienz Die Informationseffizienz betrifft den Mechanismus des Marktes, Informationen schnellstmöglich in den Börsenkurs „einzupreisen“ mit der Folge, dass die bekanntgewordene Information sich im Marktpreis widerspiegelt und die Arbitragemöglichkeit135 der Marktteilnehmer bezüglich dieser Informationen eliminiert ist.136 Anleger können daher nicht erwarten, auf der Grundlage der Kenntnis von öffentlich bekannten Informationen den „Markt zu schlagen“.137 Auf einem informationseffi131 Die ECMH beruht auf neoklassischen Annahmen vollkommener Märkte, vgl. Hopf, Informationen, 1983, S. 40. 132 Aus dem kaum überschaubaren Schrifttum zur ECMH grundlegend Fama, 25 J. Fin. 383 ff. (1970); Fama, 46 J. Fin. 1575 ff. (1991); Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 558 (1984); Stout, 28. J. Corp. L. 635, 639 ff. (2003); Stern/Chew, Corporate Finance, 4. Auflage 2003, S. 10 ff.; vgl. Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, 11. Auflage 2014, S. 319 ff.; Kiehling, DStR 1992, 476 ff.; Veil, ZHR 167 (2003), 365, 377 f.; Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 39. 133 Kiehling, DStR 1992, 476. 134 Terminologisch wird vielerorts nicht zwischen diesen beiden Aspekten der ECMH differenziert. Stattdessen werden alle Aussagen der ECMH unter dem Begriff der „Informationseffizienz” behandelt, siehe hierzu Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 18 Fn. 84. 135 Arbitrage beschreibt das gewinnbringende Ausnutzen von Preisdifferenzen durch simultanen Kauf und Verkauf von Gütern, vgl. Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 372. 136 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 16; Kraakman, 88 Colum. L. Rev. 891, 898 Fn. 22 (1988); Stout, 81 Va. L. Rev. 611, 646 (1995); Stout, 28. J. Corp. L. 635, 639 f. (2003); Wang, 19 U.C. Davis L. Rev. 341, 344 ff. (1986); vgl. Stern/Chew, Corporate Finance, 4. Auflage 2003, S. 10. 137 Stout, 28. J. Corp. L. 635, 640 (2003); Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 77. Diese Aussage ist gleichwohl in gewissem Maße zu relativieren, da ansonsten keinerlei Anreiz für Anleger bestünde, auf Grundlage der entsprechenden Information am Markt zu handeln und die Information infolgedessen in den Marktpreis zu inkorporieren. Dementsprechend wird die These vertreten, auf den Märkten existierten hinreichende Gewinnmöglichkeiten, um eine kleine professionelle Anlegergruppe von Arbitrageuren zu tragen („efficient degree of inefficiency“). Der durchschnittliche Anleger könne hingegen keine Gewinne aus dem Handeln am

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

zienten Kapitalmarkt verhält sich die Preisbildung, als ob kursrelevante138 Informationen sofort allen Marktteilnehmern bekannt würden und als ob diese sofort entsprechend ihren individuellen Anlagestrategien diejenigen Dispositionen träfen, die aufgrund des veränderten Informationsstandes notwendig geworden sind.139 Die Informationseffizienz trifft mithin eine Aussage darüber, mit welcher Geschwindigkeit sich Informationen in den Preisen niederschlagen.140 bb) Fundamentalwerteffizienz Noch nicht beantwortet ist hiermit die Frage, ob die so von den Marktpreisen erzeugten Signale an die Marktteilnehmer inhaltlich richtige Aussagen über den Wert eines Finanzinstruments treffen. Führen die Marktmechanismen zu einer fundamental zutreffenden Bewertung des Finanzinstruments, die dessen tatsächlichen Wert reflektieren, verhält sich der Kapitalmarkt fundamental effizient.141 Dabei muss die Richtigkeit der Bewertung stets in Bezugnahme auf ein Modell beurteilt werden, das Aussagen darüber trifft, wie Marktteilnehmer die Informationen zur Preisevaluation verwenden.142 Besondere Bedeutung für die Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt hat dabei das auf der Portfolio-Theorie143 aufbauende Capital Asset Pricing Model (CAPM) erlangt.144

Markt auf Grundlage der Information erzielen. Siehe hierzu Stout, 28. J. Corp. L. 635, 640 Fn. 24 (2003). Allgemein zur Unmöglichkeit informationseffizienter Märkte Grossman/Stiglitz, 70 Am. Econ. Rev. 393 ff. (1980). 138 Vorliegend werden die Begriffe „Kursrelevanz“ und „Kurserheblichkeit“ synonym für die „Eignung einer Information zur erheblichen Kursbeeinflussung“, also das vierte Tatbestandsmerkmal des Art. 7 MMVO, verwendet. 139 So prägnant zusammengefasst von Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 16. Für eine formale Darstellung der Informations- und Fundamentalwerteffizienz siehe Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 78 ff. 140 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 559 f. (1984); Stout, 28. J. Corp. L. 635, 640 (2003). 141 Stout, 28 J. Corp. L. 635, 640 f. (2003); Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 78. Adolff bezeichnet diesen Aspekt der ECMH als Allokationseffizienz, vgl. Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 16 ff. 142 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 17; Stout, 28. J. Corp. L. 635, 641 (2003); vgl. Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 89. 143 Grundlegend zur Portfolio-Theorie Markowitz, 7 J. Fin. 77 (1952). Näher hierzu unten, Kapitel 3, C.I.2. 144 Grundlegend Sharpe, 19 J. Fin. 425 (1964); Lintner, 20 J. Fin. 587 (1965); Mossin, 34 Econometrica 768 (1966). Siehe ausführlich zum CAPM Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 289 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 354 ff.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 81 ff.; Berk/De Marzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 350 f., 387 ff.; Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 25 ff. Näher hierzu unten, Kapitel 3, C.I.2.

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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Verhält sich der Kapitalmarkt fundamental effizient, dient der Börsenkurs als bestmögliche Evaluation der erwarteten Zahlungsströme (cash flows).145 Das „vollständige Widerspiegeln“ aller Informationen im Kurs eines Finanzinstruments kann folglich umformuliert werden als Identität zwischen dem existenten Gleichgewichtspreis und dem Gleichgewichtspreis der sich ergeben würde, wenn jedermann Kenntnis von der Information hätte.146 Während ein informationseffizienter Kapitalmarkt also schnell auf die neue Information reagiert, ist die Reaktion des fundamental effizienten Marktes darüber hinaus auch zutreffend.147 Informationseffizienz ist dementsprechend zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung der Fundamentalwerteffizienz.148 cc) Bedingungen der Kapitalmarkteffizienz Die informationelle und fundamentale Effizienz des Kapitalmarkts unterliegen nach dem Modell der ECMH diversen Prämissen. Bedingung der Kapitalmarkteffizienz ist ein Markt, in dem keine Transaktionskosten existieren, alle Informationen allen Marktteilnehmern kostenlos zur Verfügung stehen und homogene Erwartungen hinsichtlich der Auswirkungen aktueller Informationen auf die momentanen Kurse und zukünftige Preisverteilungen herrschen.149 Nach dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Eugene F. Fama handelt es sich hierbei zwar um hinreichende, aber nicht um notwendige Bedingungen.150 Denn nach der ECMH wird sich der Kapitalmarkt trotz der Tatsache, dass keine perfekten Marktbedingungen wie die sofortige und kostenlose Verfügbarkeit von Informationen für alle Marktteilnehmern existieren, so verhalten, als ob diese vorliegen würden.151 Aus der Sicht der verhaltensökonomischen Forschung handelt es sich hierbei um höchst realitätsferne Annahmen. So nennt der Finanz- und Verhaltensökonom Andrei Shleifer als Voraussetzungen, von denen jede einzelne für sich genommen zur Kapitalmarkteffizienz führt, die Rationalität aller Anleger, voneinander unabhängige und sich gegenseitig ausgleichende Irrationalitäten der Anleger und das Prinzip der Arbitrage.152

145 Vgl. Kraakman, 88 Colum. L. Rev. 891, 898 (1988); Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 781; ähnlich Stout, 2. J. Corp. L. 635, 640 (2002 – 2003). 146 Gilson/Kraakmann, 70 Va. L. Rev. 549, 557 f., 565 (1984). 147 Stout, 81 Va. L. Rev. 611, 646 f. (1995). 148 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 18. 149 Fama, 25 J. Fin. 383, 387 (1970). 150 Fama, 25 J. Fin. 383, 387 (1970). 151 Gilson/Kraakmann, 70 Va. L. Rev. 549, 552 f. (1984); vgl. Fama, 25 J. Fin. 383, 387 f. (1970). 152 Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 2 ff.; vgl. Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 352 ff.; vgl. Dunbar/Heller, 31 Del. J. Corp. L. 455, 474 f. (2006); vgl. ferner Cunningham, 59 Wash. & Lee L. Rev. 767, 772 f. (2002).

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

Grundlage der ECMH ist die rational choice theory.153 Ihr entspringt der homo oeconomicus als positives Verhaltensmodell der Ökonomik, ein abstrahierendes Konstrukt, nach dem das Individuum bei uneingeschränkt rationaler154 Verhaltensweise persönliche Nutzenmaximierung anstrebt.155 Zwar treffen in der Realität nicht alle Marktteilnehmer ausnahmslos rationale Anlageentscheidungen. Die ECMH unterliegt aber der Annahme, dass der Markt zumindest in seiner Gesamtheit eine rationale Bewertung der Finanzinstrumente vornimmt, bei dem sich einzelne Irrationalitäten der Marktteilnehmer gegenseitig kompensieren.156 Markteffizienz setzt also nicht zwangsläufig ausschließlich rational handelnde Anleger voraus, sondern nur sich gegenseitig ausgleichende Irrationalitäten.157 Darüber hinaus nimmt die ECMH an, dass professionelle Anleger durch Arbitrage die Preise von Finanzinstrumenten wieder ihren Fundamentalwerten annähern, wenn uninformierte Anleger (noise trader)158 diese durch ihr Handeln voneinander entfernt haben.159 Die Arbitrageure160 könnten beinahe vollständig verhindern, dass noise trader durch ihr Investitionsverhalten beherrschende Entscheidungsanomalien die Kurse von ihrer fundamentalen Basis entfernen.161 Denn die professionellen Marktteilnehmer könnten aus ihrer Überlegenheit gegenüber den uninformierten Anlegern, die aus einer besseren Informationslage, einer präziseren Prognosefähigkeit und ihrer Rationalität resultiert, Kapital schlagen und systematisch finan-

153 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 89; vgl. Teigelack, Finanzanalysen, 2009, S. 71. 154 Siehe zum Begriff der „Rationalität“ im Zusammenhang mit dem homo oeconomicus Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Auflage 2012, S. 96 ff.; Hower-Knobloch, Directors’ Dealings, 2007, S. 114 f. 155 Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 10; Teigelack, Finanzanalysen, 2009, S. 71. Siehe ausführlich zum homo oeconomicus Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Auflage 2012, S. 95 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 84 ff. 156 Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 353; vgl. Gilson/ Kraakmann, 70 Va. L. Rev. 549, 579 ff. (1984); Shleifer, Inefficient Markets; 2000, S. 2 ff.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 85; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 353; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 79; Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 136. 157 Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 354. 158 Grundlegend Black, 41 J. Fin. 529 ff. (1986). 159 Vgl. Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135, 148 (2002); Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 80; Cunningham, 59 Wash. & Lee L. Rev. 767, 773 (2002); Ross/Westerfield/ Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 354; Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1499 (2013). Siehe auch Newman/Herrmann/Ritts, 20 J. Corp. L. 571, 574 (1995): „Competition among these professional traders to uncover new information and profit from it by rapidly trading large holdings of securities is the method by which new information is almost instantaneously reflected in the market price of any given stock.“ 160 Der Begriff „Arbitrageur“ wird vorliegend synonym mit professionellen, informierten Marktteilnehmern verwendet, vgl. auch Grossman/Stiglitz, 70 Am. Econ. Rev. 993 (1980). 161 Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 138.

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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ziellen Nutzen ziehen.162 Die durch uninformierte Anleger verursachten Preisstörungen gleichen sich wiederum gegenseitig aus, zugleich ziehen sich die noise trader infolge ihrer Verluste an professionelle Anleger aus dem Markt zurück.163 Es erfolgt also ein „darwinscher Prozess natürlicher Auslese“164, wodurch der Einfluss professioneller Marktteilnehmer auf den Börsenkurs gemehrt wird.165 dd) Formen der ECMH Die Hypothese, der Wertpapierkurs reflektiere Informationen, ermöglicht eine weitere Differenzierung anhand des Umfangs der verarbeiteten Informationen. Demzufolge werden in der Forschung die schwache, halbstrenge und strenge Form der ECMH unterschieden.166 (1) Schwache Form der ECMH Gemäß der schwachen Form der ECMH reflektieren die aktuellen Börsenpreise all diejenigen Informationen, die sich aus den vergangenen Kursen und Kursentwicklungen ergeben.167 Aus historischen Börsenkursen lassen sich daher keine besseren Kursprognosen ableiten als aus dem heutigen Kurs; die Erzielung systematischer Überrenditen durch technische Aktienanalyse ist infolgedessen ausgeschlossen.168 Kursbewegungen in einer Periode sind unabhängig von der Kursentwicklung in der folgenden Periode, der Börsenpreis folgt einem random walk.169 (2) Halbstrenge Form der ECMH Nach der halbstrengen Form der ECMH spiegeln die aktuellen Kurse nicht lediglich die Kursentwicklung der Vergangenheit wider, sondern inkorporieren 162

Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 133. Klöhn, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 85; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 80; Gilson/ Kraakmann, 70 Va. L. Rev. 549, 581 ff. (1984); Dunbar/Heller, 31 Del. J. Corp. L. 455, 475 (2006). 164 So Gilson/Kraakmann, 70 Va. L. Rev. 549, 583 (1984). 165 Klöhn, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 85; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 80. 166 Grundlegend Fama, 25 J. Fin. 383 (1970). 167 Fama, 25 J. Fin. 383, 388 (1970); Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 436; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 87; Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 39; Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 8; Fleischer, ZHR 167 (2003), 365, 378; Vaupel, WM 1999, 521, 525; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 62; Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996, S. 101. 168 Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 87; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 93; Kiehling, DStR 1992, 476. 169 Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, 11. Auflage 2014, S. 321 ff.; Steiner/Bruns/ Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 40. 163

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

darüber hinaus sämtliche öffentlich zugänglichen Informationen.170 Hieraus folgt, dass auch die Erzielung systematischer Überrenditen durch Fundamentalanalyse ausgeschlossen ist.171 Konsequenz dieser Hypothese ist, dass grundsätzlich nur Marktteilnehmer mit Kenntnis von Insiderinformationen den „Markt schlagen“ können172 und es der regulierenden Instrumente des Insiderrechts bedarf, um die Chancengleichheit zwischen den Anlegern wiederherzustellen. Damit alle öffentlich zugänglichen Informationen in Börsenpreisen reflektiert werden, ist es nicht zwingend notwendig, dass alle Marktteilnehmer von ihnen Kenntnis nehmen und infolgedessen die entsprechenden Transaktionen vollziehen. Viele Anleger werden nicht die erforderliche Expertise mit sich bringen, um aus gewissen öffentlichen Informationen, wie solchen über die Buchführung aus Pflichtveröffentlichungsberichten der Unternehmen, die richtigen Schlüsse zu ziehen.173 Ausreichend ist, dass eine Minderheit informierter und professioneller Marktteilnehmer existiert, deren Transaktionsvolumen so hoch ist, dass sich die Börsenpreise infolge ihrer Handelsaktivitäten entsprechend anpassen.174 Obwohl Informationen nicht unverzüglich und kostenlos allen Marktteilnehmern zugänglich sind, verhält sich der Markt nach den Grundsätzen der ECMH daher so, als wäre dies der Fall.175 Die Personifizierung eines effizienten Kapitalmarkts im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH, auf dem zugleich die von Shleifer zusammengefassten Bedingungen dieser Hypothese erfüllt sind, wäre ein Marktteilnehmer, der auf der Grundlage und in Kenntnis aller öffentlich verfügbaren Informationen eine vollkommen rationale Bewertung des Werts von Finanzinstrumenten vornimmt.176

170

Fama, 25 J. Fin. 383, 388 (1970); Stout, 28. J. Corp. L. 635, 640 Fn. 24 (2003); Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1048; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 436; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 88; Vaupel, WM 1999, 521, 525; Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 39; Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 8; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 94; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 63; Teigelack, Finanzanalysen, 2009, S. 77. 171 Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 88; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 94. Gleichwohl ist es selbstverständlich möglich, durch geschickte Diversifizierung und Strukturierung des Risikos eines Portfolios den „Markt zu schlagen“, vgl. Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 357 f.; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 94 f. 172 Keown/Pinkerton, 36 J. Fin. 855 (1981); Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 41. 173 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 569 (1984); Kripke, 28 Bus. Law. 631, 632 ff. (1973). 174 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 569 ff. (1984); Fama, 25 J. Fin. 383, 387 f. (1970); O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 95 f. 175 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 552 (1984). 176 So Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 354; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 78.

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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(3) Strenge Form der ECMH Die strenge Form der ECMH unterstellt, dass jederzeit sämtliche verfügbaren Informationen im Börsenpreis zum Ausdruck kommen, also auch solche Informationen, zu denen nur eine gewisse privilegierte Gruppe, wie beispielsweise die Unternehmensführung oder andere Mitarbeiter der entsprechenden Gesellschaft, Zugang haben.177 Logische Folge eines derart verstandenen effizienten Kapitalmarkts ist, dass Anleger selbst aus Transaktionen auf der Grundlage von Insiderinformationen keinen Gewinn erzielen könnten, da sich diese bereits im Kurs widerspiegeln.178 ee) Empirie zur ECMH Zu den einzelnen Formen der ECMH wurden zahlreiche empirische Untersuchungen vorgenommen, um deren Plausibilität und Realitätsnähe kritisch zu prüfen.179 Nahezu Einigkeit besteht dahingehend, dass die Hypothese eines im strengen Sinne effizienten Kapitalmarkts für tatsächliche Finanzmärkte nicht zutrifft.180 Insider können aus dem Handel mit Finanzinstrumenten auf Grundlage ihres Informationsvorsprungs zweifelsohne Gewinne erzielen.181 Zur empirischen Verifizierung der schwachen Form der ECMH wurde mitunter der Versuch unternommen, die random walk-Hypothese zu belegen: Ist der Schluss von vergangenen auf zukünftige Kursentwicklungen unmöglich, spiegeln sich die

177 Fama, 25 J. Fin. 383 (1970); Stout, 28. J. Corp. L. 635, 640 Fn. 24 (2003); Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 88; Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 8; Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996, S. 102; Steiner/Bruns/ Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 39; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 63. Zum Informationsparadoxon bei vollkommener Kapitalmarkteffizienz im strengen Sinne vgl. Grossman/Stiglitz, 66 Am. Econ. Rev. 246, 250 (1976). 178 Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 780; Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 357; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1049; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 96; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 63; Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 41. 179 Im Folgenden werden die gewonnen Erkenntnisse in der gebotenen Kürze rekapituliert. Eine umfangreiche Darstellung der Empirie zur ECMH findet sich bei Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 96 ff. 180 Finnerty, 31 J. Fin. 1141, 1148 (1976); Fama, 46 J. Fin 1575 (1991); Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 63; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 97; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 89; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 445; Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 42. 181 Vgl. Finnerty, 31 J. Fin. 1141, 1148 (1976); Seyhun, 16 J. Fin. Econ. 189 (1986); Seyhun, 35 J. L. & Econ. 149 (1992); Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 781.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

historischen Kurse im gegenwärtigen Kurs bereits vollständig wider.182 Da sich kein Schema finden ließ, mit dem sich aus vergangenen Börsenkursen eindeutig auf den zukünftigen Preisverlauf schließen lässt, werden die empirischen Erkenntnisse in weiten Teilen der Forschung als mit der schwachen Form der ECMH konsistent eingeordnet.183 Abweichend hiervon sprechen neuere Untersuchungen gegen die Geltung eines reinen random walk-Prozesses, wofür sich etwa zeitliche Renditemuster wie der Januar-Effekt anführen lassen.184 Insbesondere durch event studies und die Untersuchung professional gemanagter Investmentfonds wurde versucht, die halbstrenge Form der ECMH zu verifizieren. Im Rahmen der erstgenannten Ereignisstudien wurde gemessen, wie schnell die Preise von Finanzinstrumenten auf gewisse kurserhebliche Informationen wie die Ankündigung einer Dividendenausschüttung, eine Unternehmensübernahme oder makroökonomische Informationen reagieren.185 Hierzu wird die um die Marktrendite bereinigte und durch das Ereignis verursachte Überrendite (abnormal return) isoliert gemessen und untersucht, wie die Veröffentlichung der in Bezug genommenen Information den abnormal return des Finanzinstruments beeinflusst.186 Zahlreiche Studien belegen dabei, dass die Kursreaktionen auf die Veröffentlichung kurserheblicher Informationen sehr schnell erfolgen, der Markt sich also informationseffizient im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH verhält.187 Indes existieren auch Ereignisstudien, die an der Effizienz der Märkte zweifeln lassen, da sie nahelegen, dass die Kurse nicht sofort alle relevanten Informationen umgehend reflektieren.188 Ein Beispiel hierfür stellt die erhebliche Reaktion des Börsenkurses auf einen von der Zeitung The New York Times veröffentlichten Artikel zu einem Durchbruch in der Krebsforschung dar, obwohl der wesentliche Inhalt des Artikels bereits fünf Monate zuvor in Fachzeitschriften und der populären Presse veröf-

182

Vgl. hierzu ausführlich Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 103 f. Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 358 ff.; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 97; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 63 f. 184 Vgl. Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 43 f.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 146 f. 185 Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, 11. Auflage 2014, S. 325; Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 7; vgl. Fama/Fisher/Jensen/Roll, 10 Int. Econ. Rev. 1 (1969); Patell/Wolfson, 13 J. Fin. Econ. 223 (1984), Keown/Pinkerton, 36 J. Fin. 855 (1981); MacKinlay, 35 J. Econ. Lit. 13 (1997); Dennis, Wm. & Mary L. Rev. 373, 378 (1983 – 1984). 186 Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 361 ff.; Brealey/Myers/ Allen, Corporate Finance, 11. Auflage 2011, S. 325 f.; Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 121. 187 Keown/Pinkerton, 36 J. Fin. 855, 866 (1981); Patell/Wolfson, 13 J. Fin. Econ. 223, 250 (1984); vgl. Fama, 46 J. Fin. 1575, 1601 f. (1991); Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 446; Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 123; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 97 f.; Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 8. 188 Vgl. Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 361. 183

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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fentlicht worden war.189 Hinzu kommt, dass durch diese Ereignisstudien zwar Aussagen über die Informationseffizienz des Marktes getroffen werden können, eine Verifizierung der Fundamentalwerteffizienz des Marktes ist hiermit aber in aller Regel nicht verbunden.190 Weitere Versuche zur Überprüfung der halbstrengen Form der ECMH verglichen die erzielte Rendite professionell gemanagter Investmentfonds mit dem Index: Auf einem effizienten Markt im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH dürfte es selbst für professionelle Investmentfondsmanager unmöglich sein, auf der Basis öffentlich bekannter Informationen überdurchschnittliche Renditen zu erzielen.191 Tatsächlich existieren hierzu empirische Untersuchungen, die belegen, dass diese Investmentfonds keine besseren Renditen erzielen, als die allgemeine Marktrendite.192 Diese Erkenntnisse tragen ebenfalls die Hypothese von effizienten Märkten im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH.193 Gleichwohl sind auch diese empirischen Studien nicht unangreifbar. So wird teilweise gegen sie vorgebracht, das Ergebnis der Durchschnittsrenditen der untersuchten gemanagten Fonds werde durch einige erheblich unterdurchschnittliche Investmentfonds nach unten verschoben, dahingegen gebe es durchaus professionelle Fonds, die entgegen der halbstrengen Form der ECMH den „Markt schlagen“ könnten.194 Problematisch hinsichtlich der empirischen Untersuchung der ECMH ist weiterhin die Tatsache, dass deren Aussagen über die zutreffende Bewertung eines Finanzinstruments stets auf ein Modell wie das CAPM Bezug nehmen, das Annahmen über die rationalen Erwartungen der Marktteilnehmer macht.195 Mit dem Test der ECMH ist somit zugleich ein Test des zugrunde gelegten Kapitalmarktmodells verbunden (joint-hypothesis-Problem), sodass sich bei Nichtbestätigung der Testhypothese sowohl die Ineffizienz des Marktes als auch die Unrichtigkeit des in Bezug genommenen Kapitalmarktmodells erweisen könnte.196

189

Huberman/Regev, 56 J. Fin. 387 ff. (2001). Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 123 ff. 191 O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 98; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 64; Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 362. 192 Jensen, 23 J. Fin. 389 (1968); Malkiel, 50 J. Fin. 549 (1995); Carhart, 52 J. Fin. 57 (1997); Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 781; Veil, ZHR 167 (2003), 365, 378 Fn. 62. 193 Malkiel, 50 J. Fin. 549, 571 (1995); Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 363; Veil, ZHR 167 (2003), 365, 378 Fn. 62. 194 Hendricks/Patel/Zeckhauser, 48 J. Fin. 93, 122 (1993); vgl. Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 65. 195 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 16; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 89. 196 Klock, 50 Ga. L. Rev. 769, 801 f., 805 (2016); Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 89; Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996, S. 104 f.; Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 43 f.; Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 101, 109 f. 190

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

Zieht man Bilanz, ist festzuhalten, dass zwar einige empirische Untersuchungen den Schluss auf die Existenz effizienter Märkte im schwachen und im halbstrengen Sinne zulassen, die ECMH jedoch letztlich einer unmittelbaren empirischen Überprüfung nicht zugänglich ist.197 b) Kritik an der ECMH: Die Behavioral Finance Gestützt auf empirische Untersuchungen und tatsächliche Phänomene werden die der ECMH zugrunde liegenden Prämissen und damit die Hypothese selbst von der verhaltenswissenschaftlichen Kapitalmarktforschung in Zweifel gezogen.198 Diese als Behavioral Finance bezeichnete Strömung lässt sich prägnant „als ein auf kognitionspsychologische Kenntnisse gestützter Angriff auf die […] Grundannahmen der Effizienzhypothese“199 bezeichnen. aa) Beschränkte Rationalität und systematische Irrationalitäten Nicht haltbar ist nach den Vertretern der Behavioral Finance die Grundannahme der ECMH, Anleger verhielten sich rational, zumindest würden sich Irrationalitäten aber gegenseitig ausgleichen.200 Im Gegenteil diversifizieren Anleger häufig ihr Portfolio nicht hinreichend, verkaufen gewinnbringende Anlagen und halten an verlustbringenden fest, anstatt durch gezielte Anlagestrategien die eigene Steuerlast zu minimieren.201 Aufgrund dieser Irrationalitäten halten die Anhänger der Behavioral Finance den Prozess individueller Entscheidungsfindung für ausschlaggebend, der im Hinblick auf die Annahmen der Portfolio- und Kapitalmarkttheorie

197 So auch Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 101, 109 f., vgl. auch Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 65. 198 Siehe aus dem kaum überschaubaren Schrifttum die Nachweise bei Klock, 50 Ga. L. Rev. 769, 790 Fn. 125 (2016). Ein prägnanter Überblick über die häufig erforschten Heuristiken und Urteilsverzerrungen, die unter den Bezeichnungen loss aversion, cognitive conservatism, representativeness und investor overconfidence bekannt sind, findet sich bei Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev 135, 144 ff. (2002). Ausführlich zu systematischen Entscheidungsfehlern und Anomalien Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 94 ff. 199 So Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 81. Siehe ausführlich zur Entwicklung der Behavioral Finance und der Kritik an den entscheidungstheoretischen Grundlagen der klassischen Finanzierungstheorie Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S. 575 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 80 ff.; Klöhn, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 83 ff. sowie ein Überblick zu weiteren kritischen Ansätzen, der die ECMH losgelöst von kognitionspsychologischen Aspekten hinterfragt bei Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 360 f. 200 Vgl. Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 364 f. 201 Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 10; Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 364; vgl. ferner Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 149. Zu letztgenanntem disposition effect grundlegend Shefrin/Statman, 40 J. Fin. 777 ff. (1985).

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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erhebliche Abweichungen aufweise.202 So verletzen Anleger systematisch entscheidungstheoretische Grundlagen der klassischen Finanzierungstheorie,203 insbesondere in Form der fehlerhaften Wahrnehmung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen sowie bei der Bestimmung ihrer Präferenzen, weshalb Anleger größere Risiken auf sich nehmen, um Verluste zu vermeiden, als um Gewinne zu erzielen (Verlustaversion).204 Auch bewerten sie kurzfristige Entwicklungen von Daten vorschnell als repräsentativ für zukünftige ungewisse Entwicklungen, anstatt zuvor hinreichend zwischen Zufall und einem selbst konstruierten Muster zu differenzieren.205 Die Unterstellung vollkommener Rationalität der Marktteilnehmer ignoriert daher den lediglich eingeschränkten Informationszugang des Einzelnen,206 seine individuell beschränkte Verarbeitungsfähigkeit207 sowie seine Unfähigkeit, ökonomische Entscheidungen unbeeinflusst von Emotionen zu fällen.208 Anleger verhalten sich also nicht selten irrational – allerdings gleichen sich diese Irrationalitäten auch nicht wie von der ECMH unterstellt gegenseitig aus, sondern treten teilweise systematisch zu Tage.209 Unterstützung finden diese Antithesen durch tatsächliche Ereignisse, die sich durch die ECMH und ihre Grundannahmen nicht erklären lassen. Häufig zitiertes Beispiel ist in diesem Kontext der „Schwarze Montag“ am 19. Oktober 1987, an dem der Dow Jones fast 23 Prozent fiel, ohne dass Informationen bekannt geworden wären, die einen derartigen Börsencrash hätten erklären können.210 Als Erklärung werden teilweise massenpsychologische Phänomene wie Überreaktionsphänomene angeführt.211 202 Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 66 f.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 145. 203 Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 11; vgl. exemplarisch zur prospect theory Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263 ff. (1979); Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, 11. Auflage 2014, S. 333; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 152 ff. 204 Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 143 f. Zur Verlustaversion siehe Kahneman/ Tversky, 47 Econometrica 263, 268 f. (1979). 205 Dieses Prinzip wird als representativeness bezeichnet, siehe Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 11; Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 364 f.; vgl. Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, 11. Auflage 2014, S. 333. 206 Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 112. 207 Vgl. Daniel/Hirshleifer/Teoh, 49 J. Monetary Econ. 139, 143 (2002); Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 112; Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 142. 208 Vgl. Daniel/Hirshleifer/Teoh, 49 J. Monetary Econ. 139, 143 (2002); Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 142. 209 Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 12; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 98; Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1500 (2013); Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 360; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 82; Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 364 f. 210 Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 45; Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 369; Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 20; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 99 f.; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 67.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

bb) Limits of arbitrage Folgt man dem Erklärungsmodell der ECMH, hindern allerdings auch systematische Irrationalitäten der Marktteilnehmer nicht die fundamentale Effizienz des Marktes, da in diesem Fall das Prinzip der Arbitrage korrigierend eingreift.212 Gegen diese Grundannahme der ECMH richtet sich der zweite zentrale Kritikpunkt der Behavioral Finance mit der Feststellung, dass den Möglichkeiten professioneller Marktteilnehmer zur Arbitrage Grenzen gesetzt sind (limits of arbitrage).213 Die limitierte Möglichkeit professioneller Marktteilnehmer, Arbitragegewinne zu erzielen, resultiert aus verschiedenen mit der Arbitrage verbundenen Risiko- und Kostenfaktoren. Zum einen existiert ein mit der Arbitrage verbundenes fundamentales Risiko dergestalt, dass der Fundamentalwert einer ursprünglich unterbewerteten Aktie durch ein nach Aktienerwerb auftretendes Ereignis sinkt, sodass der niedrige Kurs infolge des Ereignisses gerechtfertigt ist.214 Schließt der Arbitrageur nicht zugleich ein hedging-Geschäft mit einem perfekten Substitut der entsprechenden Aktie, kann er das fundamentale Risiko nicht vollständig eliminieren.215 Der Arbitrageur spekuliert also nicht nur darauf, dass sich die Preisdifferenz von Fundamentalwert und Börsenpreis wieder schließt und er infolgedessen die bestehenden Preisdifferenzen gewinnbringend auszunutzen kann, sondern zusätzlich darauf, dass keine das Wertpapier oder dessen Emittenten betreffenden kurserheblichen Ereignisse eintreten, die seine Strategie konterkarieren.216 Ein weiteres mit der Arbitrage verbundenes Risiko, das vielerorts als noise trader risk bezeichnet wird,217 wird beeinflusst vom Anlagehorizont des Marktteilnehmers. Sein Erfolg hängt davon ab, dass er die bestehenden Preisdifferenzen in einer gewissen Zeitspanne gewinnbringend realisieren kann, da er in der Regel keinen unendlichen Anlagehorizont hat.218 Insbesondere aufgrund anfallender Transaktionskosten durch Kommissionen, die Geld/Brief-Spanne sowie Such- und Informationskosten219 besteht die Neigung von Arbitrageuren, kurze Anlagehorizonte anzu211

Vgl. Steiner/Bruns/Stöckl, Wertpapiermanagement, 10. Auflage 2012, S. 45. Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 137 ff. 213 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 126; Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1500 (2013). 214 Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 149; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 126. 215 Hierzu ausführlich Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 13 f.; Shleifer/Summers, 4 J. Econ. Perspect. 19, 21 (1990); Abreu/Brunnermeier, 66 J. Fin. Econ. 341, 342 (2002). 216 Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 149; Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 731 (2006); vgl. Shleifer/Summers, 4 J. Econ. Perspect. 19, 21 (1990). 217 De Long/Shleifer/Summers/Waldmann, 98 J. Polit. Econ. 703, 705 (1990); Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 15; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 127. 218 Shleifer/Summers, 4 J. Econ. Perspect. 19, 21 (1990); Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 150. 219 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 133. 212

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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streben.220 Hinzu kommen agency-Probleme,221 die zu einer institutionellen Beschränkung222 der Arbitrage führen. Typischerweise agieren professionelle Marktteilnehmer, oftmals organisiert als institutionelle Anleger wie Investmentfonds, mit von Investoren zur Verfügung gestelltem Kapital am Kapitalmarkt.223 Dementsprechend müssen sich Arbitrageure vor ihren Investoren in regelmäßigen und oftmals kurzen Intervallen für die Performance ihrer Anlagestrategie rechtfertigen.224 Daher existiert das Risiko, dass sich der spread – also die von den noise tradern hervorgerufene Fehlbewertung – innerhalb des Anlagehorizonts des Arbitrageurs weiter ausdehnt.225 Denn wenn noise trader ein Finanzinstrument infolge ihrer irrationalen pessimistischen Einschätzung heute unterbewerten, muss der Arbitrageur damit rechnen, dass sich diese Fehlbewertung morgen noch verschärfen kann.226 Aufgrund des principal-agent-Verhältnisses kann der Arbitrageur in einer solchen Situation seine Positionen oftmals nicht mehr halten, da die Investoren im Hinblick auf den drohenden Verlust ihr Geld zurückziehen, obwohl sich die Arbitragegewinnmöglichkeit weiter ausgedehnt hat.227 Bei einem kurzen Anlagehorizont kann der Arbitrageur daher gezwungen sein, seine Positionen mit großem Verlust zu liquidieren.228 Auf den Punkt gebracht lässt sich dieses Dilemma mit den Worten des bedeutenden Ökonomen John Maynard Keynes beschreiben: „Markets can stay irrational longer than you can stay solvent.“229 Ist Arbitrage sowohl kostenintensiv als auch risikoreich und deshalb limitiert, steigt der Reiz professioneller Marktteilnehmer, den sich vom Fundamentalwert gelösten Trend der noise trader auszunutzen – also bei steigenden Kursen Aktien zu kaufen, den Preis dadurch weiter in die Höhe zu treiben und die Wertpapiere in Antizipation dieses Musters im optimalen Zeitpunkt gewinnbringend zu veräußern

220

Shleifer/Summers, 4 J. Econ. Perspect. 19, 21 (1990). Hierzu ausführlich Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 129 ff. 222 So Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 150 Fn. 687. 223 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 130. 224 Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 29; Shleifer/Summers, 4 J. Econ. Perspect. 19, 21 (1990). 225 Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 14; Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 366; De Long/Shleifer/Summers/Waldmann, 98 J. Polit. Econ. 703, 705 (1990); Shefrin, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1401, 1416 (2013); Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 150; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 127. 226 De Long/Shleifer/Summers/Waldmann, 98 J. Polit. Econ. 703, 705 (1990). 227 Shleifer/Vishny, 52. J. Fin. 35, 37 (1997); Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 150; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 130. 228 Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 28; De Long/Shleifer/Summers/Waldmann, 98 J. Polit. Econ. 703, 705 (1990); Shefrin, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1401, 1416 (2013); Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 150. 229 Zitiert nach Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 366. 221

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

(positive feedback trading).230 Kurzfristig nähren professionelle Marktteilnehmer dadurch Kursblasen, anstatt ihnen entgegenzuwirken.231 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die in großem Umfang empirisch verifizierten Antithesen der Behavioral Finance das Fundament der ECMH erheblich erschüttern. Anleger handeln nicht ausnahmslos rational, ihre Irrationalitäten können zudem systematischer Natur sein. Die Arbitragemöglichkeit professioneller Marktteilnehmer unterliegt darüber hinaus zahlreichen Beschränkungen. Eine in diesem Sinne unvollkommene Arbitrage ist allerdings „auch nur ein unvollkommenes Korrektiv für systematische Verzerrungen des Preisbildungsprozesses.“232 c) Stellenwert der ECMH In Anbetracht der zahlreichen Antithesen, die sich gegen die entscheidungstheoretischen Grundlagen der ECMH und des CAPM richten, stellt sich die Frage, welche Aussagekraft diesen beigemessen werden kann. Die Behavioral Finance stellt zwar zahlreiche Prämissen der ECMH zu Recht in Frage und kann sich dabei auf kognitionspsychologische Erkenntnisse stützen, bietet allerdings selbst keine Lösung für das gefundene Problem der „Unterkomplexität“233 der ECMH. So existiert bisher kein einzelnes und in sich geschlossenes Kapitalmarktmodell für die Preisbildung am Kapitalmarkt, das die angeführten behavioristischen Erkenntnisse berücksichtigt.234 Dementsprechend treten die Lehren der Verhaltensökonomik nicht an die Stelle der Theorie rationaler Erwartungen und der ECMH, sondern dienen ihrer Ergänzung um eine weitere Perspektive.235 Ein Fehler wäre es demzufolge, die ECMH als eine Theorie zu verstehen, die eine tatsächliche Darstellung des Marktgeschehens im Sinne einer objektiven Richtigkeitsgewähr für sich beansprucht.236 Hierfür konnte die Behavioral Finance zu viele empirisch belegte Antithesen vorbringen, die verdeutlichen, dass sowohl der rationale Anleger als auch das Modell der Arbitrage, wie sie der ECMH zugrunde liegen, 230

De Long/Shleifer/Summers/Waldmann, 45 J. Fin. 379, 380 (1990); Shleifer/Summers, 4 J. Econ. Perspect. 19, 28 (1990); Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 152; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 126. 231 Shleifer/Summers, 4 J. Econ. Perspect. 19, 28 (1990); Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 152. 232 Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 149. 233 So fasst Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 359 die kritischen Stimmen zur ECMH zusammen. 234 Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 68; Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 144; Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135, 153 (2002); Sester, ZGR 2009, 310, 326; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 363; vgl. Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. 1, 58 f., 73 (2004). 235 Klöhn, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 98; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 148 f. 236 Vgl. Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 67.

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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den tatsächlichen Gegebenheiten des Kapitalmarkts nicht vollständig gerecht werden. Hinzu kommt, dass zumindest die strenge Variante der ECMH als widerlegt gilt237 und die Verwirklichung von Kapitalmarkteffizienz im schwachen oder halbstrengen Sinne stark von den Eigenheiten und tatsächlichen Rahmenbedingungen des nationalen Kapitalmarkts abhängt.238 Da der fundamental richtige Aktienpreis von der Diskontierung zukünftiger cash flows aus der Aktie abhängt, die ex ante unbekannt sind und daher prognostiziert werden müssen, lässt sich ein „objektiv richtiger Preis“ der Aktie nicht finden.239 Der „wahre Wert“ des Finanzinstruments lässt sich nach der ECMH daher nur als Gleichgewichtspreis beschreiben, den der Markt zu diesem Zeitpunkt auf Grundlage aller vorhandenen Informationen durch Angebot und Nachfrage bestimmt.240 Impliziert wird also nicht mehr und nicht weniger, als dass der Marktpreis eines Finanzinstruments die präziseste Vorausberechnung seines Werts auf Grundlage aller verfügbaren Informationen ist.241 Die ECMH wie auch ihre halbstrenge Variante verstehen sich selbst als Modell, das – trotz seiner Schwächen – zumindest zwei simple, aber für die weitere Untersuchung wichtige Schlüsse zulässt. Einerseits können sich nicht öffentlich bekannte Informationen schwerlich im Marktpreis des Finanzinstruments niederschlagen mit der Folge, dass dieser nicht den fundamentalen Wert des Finanzinstruments widerspiegelt; andererseits sind zur Beseitigung dieser Divergenzen effiziente Voraussetzungen für den Kapitalmarkt zu schaffen.242 Die Reichweite von Ge- und Verboten des insiderrechtlichen Regelungskomplexes ist daher in Abhängigkeit von ihrem Nutzen für die Kapitalmarkteffizienz und die Funktionsbedingungen des Marktes zu bestimmen. d) Positive Effekte von Informations- und Fundamentalwerteffizienz für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts Die vorangegangenen allgemeinen Erwägungen hinsichtlich des Beitrags der Information für die Funktionsfähigkeit des Marktes lassen sich im Hinblick auf die Informations- und Fundamentalwerteffizienz präzisieren. Das Ergebnis zeigt: In237

Siehe oben, Kapitel 1, B.III.4.a)ee). O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 100; vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 216. In Deutschland gilt zumindest die schwache Form der Kapitalmarkteffizienz als belegt, vgl. Vaupel, WM 1999, 521, 525; Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996, S. 105 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 216, 392. Zu den vom Sixth Circuit des US Court of Appeals im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der fraud-on-themarket theory enumerierten Voraussetzungen eines effizienten Marktes siehe Freeman v. Laventhol & Horwath, 915 F.2d 193, 199 (6th Cir. 1990). 239 Adolff, Unternehmensbewertung, 2001, S. 80 f.; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 67 f.; Klock, 50 Ga. L. Rev. 769, 772 f. (2016). 240 Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 68; vgl. Dennis, 25 Wm. & Mary L. Rev. 373, 380 (1984). 241 Klock, 50 Ga. L. Rev. 769, 771 (2016). 242 So Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 69. 238

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

formationseffizienz und fundamentale Effizienz lassen sich aus verschiedenen Gründen als erstrebenswerte Zielvorgaben des Kapitalmarktrechts begreifen. Auf einem informationseffizienten Kapitalmarkt werden neue Informationen unverzüglich in den Börsenpreisen inkorporiert. Dies senkt das Risiko von Liquiditätsanbietern, von informierten Marktteilnehmern übervorteilt zu werden und führt damit letztlich zur Reduzierung von Handelskosten,243 da sich Liquiditätsanbieter das aus den Informationsasymmetrien resultierende Risiko durch eine Erhöhung der Geld/Brief-Spanne kompensieren lassen.244 Ebenfalls besteht die Gefahr, dass sie die Liquidität des Marktes reduzieren, indem sie weniger Finanzinstrumente kaufen und verkaufen, um hierdurch ihr Risiko zu verringern.245 Spiegelbildlich reduzieren Utilitäts- oder Liquiditätshändler246 wie Portfolioinvestoren ihren Handel, indem sie ihr Portfolio für längere Zeitperioden halten, um die Geld/Brief-Spanne nicht zu häufig entrichten zu müssen.247 Die verringerte Bereitschaft von Marktteilnehmern, Kapital zu investieren, erhöht die Kapitalkosten der Emittenten.248 Ist den Marktteilnehmern das Risiko zu hoch, investieren sie überhaupt nicht mehr im betreffenden Markt und reduzieren so dessen Volumen.249 Zwar mag ein kausaler Schaden einzelner Anleger aufgrund von Insiderhandel selten nachweisbar sein, jedoch tragen alle Marktteilnehmer die erhöhten Transaktionskosten.250 Da Informationseffizienz somit einer Reduzierung der Liquidität entgegenwirkt und Handelskosten senkt, deutet dies auf eine Korrelation zwischen Informationseffizienz und institutioneller wie auch operationaler Effizienz hin. Gleiches gilt hinsichtlich des Abbaus von Informationsasymmetrien durch die Schaffung fundamental effizienter Preise. Diese senken die Informationskosten der Anleger und verhindern dadurch Marktaustritte und Marktversagen.251

243 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 42; vgl. Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 728 (2006). 244 Armour et al., Principles of Financial Regulation, 2016, S. 184; Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 728 (2006); Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 298; Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 394; Krauel, Insiderhandel, 2000, S. 56 f.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 42; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 3; vgl. Hopt, ZGR 1991, 17, 27: „Insiderhandel [wirkt] wie eine Steuer auf Effektengeschäfte […].“ 245 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 92. 246 Dieser Begriff ist leicht missverständlich und darf nicht mit dem des Liquiditätsanbieters verwechselt werden, vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 87 Fn. 185. 247 Georgakopoulos, 49 U. Miami L. Rev. 671, 703 ff. (1995); Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 727 f. (2006). 248 Armour et al., Principles of Financial Regulation, 2016, S. 184; Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 395; vgl. Hopt, ZGR 1991, 17, 27. 249 Gunßer, Ad-hoc-Publizität, 2008, S. 42. 250 Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 13 Rn. 3. 251 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306.

B. Ökonomischer Hintergrund von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität

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Auch geht die Europäische Kommission davon aus, dass dem Kurs von Wertpapieren eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung von Kosten und Volumen des Kreditmarkts und der angemessenen Besicherung von Bankkrediten zukommt.252 Hiermit ist der Zusammenhang zwischen informationeller, fundamentaler und allokativer Effizienz angesprochen. In der Tat bietet sich der Schluss an, fundamentale und allokative Effizienz synonym zu begreifen, da der Börsenkurs eines Marktes, an dem sich die Preisbildung ausschließlich an Risiko und Ertrag der Aktie orientiert, den Anlegern die bestmögliche Verwendung ihrer Mittel signalisiert.253 Effizientere Preise müssten demnach zu einer effizienteren Ressourcenallokation führen.254 Gleichwohl bereitet es Schwierigkeiten, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen informations- und fundamental effizienten Märkten und einer effektiven Kapitalallokation herzustellen. Zweifelhaft ist, inwiefern sich ein Zusammenhang zwischen effizienten Wertpapierpreisen und der Kapitalallokation empirisch belegen lässt.255 Zwar lässt sich vorbringen, die Existenz von bewertungsrelevanten Informationen, die im Preis des Finanzinstruments noch nicht reflektiert werden, maximiere die Gefahr der Fehlallokation.256 Akkurate Börsenkurse verbessern die Qualität der Entscheidung zwischen neuen Investitionen.257 Da dem Sekundärmarkt allerdings keine Kapitalbeschaffungsfunktion zukommt, haben Emittenten auch nicht unmittelbar an fundamentalwertrelevanten Preisen teil.258 Eine Auswirkung des allokativen Selektionsmechanismus auf Unternehmen zeigt sich aber gerade dann, wenn der Kapitalmarkt profitablen Gesellschaften Wachstumsmöglichkeiten eröffnet. Allerdings ist die Funktionsfähigkeit des Sekundärmarkts unabdingbare Voraussetzung für die Möglichkeit des Emittenten, im Primärmarkt langfristiges Risikokapital generieren zu können.259 Denn die fundamental effiziente Preisbildung auf dem Sekundärmarkt beeinflusst Emissionsbedingungen und Kapitalkosten auf dem Primärmarkt und führt das Kapital dort denjenigen Emittenten zu, die das Kapital am

252 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG-Vertrag betreffend den vom Rat angenommenen gemeinsamen Standpunkt im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 14. August 2002, SEK(2002) 889 endg., S. 2. 253 So Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 16 f. 254 So etwa Barry, 129 U. Pa. L. Rev. 1307, 1317 (1981); Wu, 68 Colum. L. Rev. 260, 264 (1968); Fox, 70 Va. L. Rev. 1005, 1025 (1984); Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 17. 255 So Sester, ZGR 2009, 310, 335 m.w.N. Vgl. aber die Nachweise bei Fox/Morck/Yeung/ Durnev, 102 Mich. L. Rev. 331, 366 ff. (2003 – 2004). 256 Schweizer, Insiderverbote, 1996, S. 38. 257 Fox/Morck/Yeung/Durnev, 102 Mich. L. Rev. 331, 367 (2003 – 2004). 258 Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 37; vgl. Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998, S. 142; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 42. 259 Sester, ZGR 2009, 310, 333.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

ertragreichsten verwenden.260 Erfolgreiche Emittenten reduzieren ihre Eigenkapitalkosten, da sie für ihre Aktien verhältnismäßig mehr Kapital einwerben können.261 Mit anderen Worten können Emittenten aus fundamental effizienten, hohen Börsenkursen buchstäblich Kapital schlagen, indem sie von verbesserten Konditionen auf dem Kreditmarkt profitieren oder ihr Eigenkapital durch eine Kapitalerhöhung stärken.262 Anlegervertrauen, Preisintegrität und kapitalmarktrechtliches Gleichbehandlungsgebot bilden folglich die Voraussetzung für möglichst niedrige Kapitalaufnahmekosten.263 Damit sind zumindest mittelbare Allokationswirkungen infolge fundamentalwerteffizienter Preise denkbar.264

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds im Insiderrecht und im Recht der Ad-hoc-Publizität Das Marktmissbrauchsrecht nimmt diese ökonomischen Zielvorgaben auf. Der zweite Erwägungsgrund der MMVO betont die Notwendigkeit von Marktintegrität für einen integrierten, effizienten und transparenten Finanzmarkt. Die Effizienz des Marktes – die sich wie im oben beschriebenen Sinne durch seine institutionelle, operationelle und insbesondere allokative Effizienz auszeichnet – wird von der MMVO ausdrücklich als Regelungsziel aufgegriffen.

I. Effizienz des Marktes durch Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität a) Regulierung durch MMVO und WpHG Die insiderrechtlichen Mittel zur Herstellung der Effizienz des Marktes wurden bereits angesprochen: Marktintegrität und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts werden mitunter durch das Zusammenwirken von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc260 Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15 WpHG Rn. 7; Gunßer, Ad-hoc-Publizität, 2008, S. 38; vgl. Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998, S. 142, Voß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 15 Rn. 18. 261 Barry, 129 U. Pa. L. Rev. 1307, 1317 (1981); kritisch hierzu Stout, 87 Mich. L. Rev. 613, 644 ff. (1988). 262 Barry, 129 U. Pa. L. Rev. 1307, 1317 (1981); Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 42; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 37; a.A. Stout, 87 Mich. L. Rev. 613, 644 ff. (1988). 263 Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 395. 264 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 42; Gunßer, Ad-hoc-Publizität, 2008, S. 38; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 37; vgl. Zimmer/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15 WpHG Rn. 7; vgl. Brinckmann, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 16 Rn. 7.

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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Publizitätspflicht gewährleistet, die beiderseits an das Vorliegen einer Insiderinformation anknüpfen. Dem Tatbestand des Art. 7 MMVO kommt insoweit die Aufgabe zu, diejenigen Informationen zu erfassen, die unter den herausgearbeiteten ökonomischen Maßstäben schnellstmöglich dem Kapitalmarkt zugänglich zu machen sind, weil ihre Veröffentlichung die Effizienz des Marktes befördert. Der insiderrechtliche Regelungskomplex der MMVO gewährleistet die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts in den Art. 7 ff. MMVO. Hinzu treten die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 119, 120 WpHG. Das Kernstück des Insiderrechts stellt das Verbot von Insidergeschäften in Art. 14 MMVO dar.265 Während dieser Verbotstatbestand nach traditioneller Auffassung insbesondere dem Anlegerschutz dienen sollte,266 geht die heute überwiegende Auffassung davon aus, dass das Insiderhandelsverbot den Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts bezweckt und reflexartig individuelle Rechtsgüter schützt.267 Als Bindeglied zwischen beiden Aspekten fungiert das Vertrauen der Anleger in ihre Chancengleichheit,268 dessen Untergrabung wie gesehen schlimmstenfalls zum Marktaustritt der Anleger führen kann. Das Insiderhandelsverbot steigert mithin das Marktvolumen und erhöht hierdurch langfristig die Kapitalmarktliquidität.269 Die Chancengleichheit der Anleger wird im negativen Sinne geschützt, indem durch das Verbot der Verwertung von Informationsvorsprüngen das Informationsverwertungspotential nivelliert wird.270 In teleologischer Hinsicht muss das Insiderhandelsverbot dementsprechend diejenigen Handlungen erfassen, die das Vertrauen der Anleger in ihre Chancengleichheit beim Zugang zu relevanten Informationen beeinträchtigen.271 Die einheitliche Anknüpfung an den Begriff der „Insiderinformation“ durch Art. 14 i.V.m. Art. 8 MMVO und Art. 17 MMVO führt zu einer „Zweispurigkeit des europäischen Insiderrechts“272 : Das Insiderhandelsverbot wird durch die Ad-hocPublizitätspflicht nach Art. 17 MMVO flankiert und ergänzt, die die Chancengleichheit im positiven Sinne durch Gewährleistung eines allgemein höheren Informationsstandes schützt.273 Durch Art. 17 MMVO wird sowohl die Transparenz 265 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 14 Rn. 1; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 01/2006, § 14 WpHG Rn. 2. 266 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 14 Rn. 6 f. 267 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 14 Rn. 9; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 137; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 14 Rn. 10. Zum Verhältnis von Funktionsschutz und Anlegerschutz im Insiderrecht und im Recht der Ad-hoc-Publizität siehe ausführlich unten, Kapitel 3, C.IV.1. 268 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 137. 269 Haar, in: FS Hopt, 2010, S. 1865, 1879. 270 Tippach, Das Insider-Handelsverbot, 1995, S. 24; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 06/2007, § 15 Rn. 5. 271 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 138. 272 Langenbucher, AG 2016, 417, 419. 273 Pananis, WM 1997, 460; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 06/2007, § 15 Rn. 5.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

verbessert und damit die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts erhöht als auch schnellstmöglich das Informationsniveau des Marktes angeglichen, um präventiv Insidergeschäften entgegenzuwirken.274 In Ergänzung zur Regelpublizität trägt die Ad-hoc-Publizitätspflicht zur korrekten Kursbildung bei.275 Vor dem Hintergrund der ECMH ist sie das zentrale Instrument zur Gewährleistung von Fundamentalwerteffizienz und Informationseffizienz.276 Denn wenn Art. 17 Abs. 1 MMVO normiert, der Emittent habe ihn unmittelbar betreffende Insiderinformationen „so bald wie möglich“ bekanntzumachen, bezweckt dies eine schnellstmögliche Inkorporation der Information in den Kurs des Finanzinstruments. Hierdurch wird dem Prinzip der informationellen Chancengleichheit Rechnung getragen, da der Preis der Aktie dem objektiven Unternehmenswert entspricht und die Anleger diesen dadurch anhand der tatsächlichen Unternehmenssituation beurteilen können.277 Die dem Kapitalmarkt häufig unterstellte halbstrenge Informationseffizienz soll mit Hilfe der Ad-hocPublizität dem „Ideal“ der strengen Informationseffizienz weitestmöglich angenähert werden.278 Begreift man das Anlegervertrauen als Bestandteil institutioneller Effizienz,279 fördert Art. 17 MMVO alle Aspekte eines funktionsfähigen Kapitalmarkts.280 Insbesondere leistet die Norm Wesentliches für den oben beschriebenen „darwinschen Ausleseprozess“. Der Markt evaluiert die Unternehmensentwicklung durch die Inkorporation neuer Informationen in den Preis des Finanzinstruments. Indem sich diese Bewertung auf die Kapitalbeschaffungskosten des Emittenten auf dem Primärmarkt auswirkt, fördert die Ad-hoc-Publizität mittelbar die Allokationseffizienz des Marktes.281 Darüber hinaus sinken Informations-, Konditionenund Substanzrisiko des individuellen Anlegers.282 Ebenfalls der Erhöhung der Markttransparenz sowie der Anlegergleichbehandlung dient die in Art. 19 MMVO normierte Regelung zu Eigengeschäften von 274 Näher zur Funktion der Ad-hoc-Publizitätspflicht Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 286 ff.; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 50 ff. 275 Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 24 f.; vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 289; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15 WpHG Rn. 7. 276 Vgl. Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 25 f. 277 Vgl. GA Maduro, Schlussanträge v. 25. 05. 2004 – Rs. C-384/02 (Grøngaard/Bang), Celex-Nr. 62002CC0384, Rn. 28 (abrufbar bei juris). 278 Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15 WpHG Rn. 7; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 26; D. Schneider, DB 1993, 1429, 1429 f. 279 So wohl auch Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 26. 280 Vgl. oben, Kapitel 1, B.III.1. 281 Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998, S. 142; Zimmer/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15 WpHG Rn. 7; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 26. 282 Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 31. Siehe zu den einzelnen Anlegerrisiken Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 288 ff.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 40 f.

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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Führungskräften, einer Mitteilungspflicht für directors’ dealings.283 Aufgrund des Informationsvorsprungs der Personen, die beim Emittenten Führungsaufgaben wahrnehmen, entfalten deren Geschäfte mit Wertpapieren des Emittenten eine Indizwirkung für den Kapitalmarkt.284 Art. 19 MMVO ermöglicht insofern informierte Transaktionsentscheidungen285 und die Verringerung von Informationsasymmetrien, indem der Wissensvorsprung von Unternehmensinsidern einer zeitlichen Begrenzung unterworfen wird.286 Zugleich wird mittelbar dem Insiderhandel und der Marktmanipulation vorgebeugt und dadurch die Marktintegrität gestärkt.287 Der Prävention dient auch die in Art. 18 MMVO normierte Pflicht zur Führung von Insiderlisten, da die Normadressaten den Informationsfluss von Insiderinformationen nachvollziehen können, eine Abschreckungsfunktion gegenüber Personen mit Insiderwissen erfüllt wird und zugleich die Aufsichtsbehörde ihrer Überwachungsfunktion besser nachgehen kann.288 Komplettiert wird das Recht der Insiderüberwachung durch § 27 WpHG, der der Aufdeckung von Insiderdelikten und deren Strafverfolgung dient.289 § 28 WpHG sichert ergänzend die Integrität der Aufsicht selbst.290 Die Straf- und Bußgeldvorschriften im 17. Abschnitt des WpHG gewährleisten die Durchsetzung der Gebote und Verbote und ahnden Verstöße mit empfindlichen Sanktionen.291 b) Deregulierung des Insiderrechts Während sich Vertreter der Behavioral Finance gegen die ECMH und ihre Grundannahmen richten, war es insbesondere der Jurist und Universitätsprofessor Henry G. Manne, welcher als einer der Begründer der ökonomischen Analyse des Rechts gilt, der die Daseinsberechtigung des gesamten Insiderrechts unter ökonomischen Gesichtspunkten in Frage stellte. Seine Thesen für die Deregulierung des 283 Kumpan, AG 2016, 446, 448; Fleischer, NJW 2002, 2977, 2978; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 178. 284 Begr. RegE 4. FinMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 87; Neusüß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 15a Rn. 1; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 178; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.276. 285 Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15a Rn. 20; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15a WpHG Rn. 12. 286 Kumpan, AG 2016, 446, 448. 287 Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 178. 288 Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 179; Neusüß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 15b Rn. 1. 289 Neusüß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 16 Rn. 1, § 16b Rn. 1; Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010 § 16 WpHG Rn. 3. 290 Neusüß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 16 Rn. 1, § 16a Rn. 1. 291 Zimmer/Cloppenburg, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 38 WpHG Rn. 1.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

Insiderrechts wurden im Jahr 1966 in seinem Buch „Insider Trading and the Stock Market“ veröffentlicht.292 Neben dem Vorbringen der Verfechter einer Deregulierung des Insiderhandels, dieser stelle ein Verbrechen ohne Opfer dar293 und könne als Vergütungsmechanismus des Unternehmensmanagements dienen,294 wurde vor allem der Nutzen des Insiderhandels für die Kapitalmarkteffizienz betont. Das im gegebenen Zusammenhang bedeutendste Argument Mannes, das im amerikanischen rechtswissenschaftlichen Schrifttum einige Unterstützung erhielt, ist die Annahme, Insiderhandel sei ein der Publizitätspflicht überlegenes System der Einarbeitung von Informationen in den Marktpreis und fördere die Informationseffizienz des Kapitalmarkts.295 Dies ergebe sich aus dem in der Natur der Sache liegenden privilegierten Informationszugang der Insider, deren Professionalität und dem Anreiz, aus ihrem Sonderwissen Kapital zu schlagen296 – Insiderhandel sei daher die schnellste und präziseste Methode, die Information in den Börsenkurs einzupreisen.297 Outsider würden die Transaktionen von Insidern vor der Veröffentlichung neuer Informationen als Signalwirkung wahrnehmen, entsprechend auf dieses Preissignal reagieren und damit letztlich die Allokationseffizienz des Marktes fördern.298 Insiderhandel sei also ein flexibles Mittel des Emittenten, dem Markt Informationen zu vermitteln.299 Diese in Teilen der Wissenschaft geäußerten Forderungen nach einer Deregulierung des Insiderhandels fanden nicht nur wegen der Notwendigkeit eines ungehinderten und gleichberechtigten Informationszugangs aller Anleger, sondern auch aufgrund der mangelnden Stichhaltigkeit der vorgebrachten Thesen kein Gehör bei 292 Grundlegend Manne, Insider Trading and the Stock Market, 1966. Eine prägnante Zusammenfassung der in besagtem Buch wesentlichen Thesen Mannes sowie die Replik findet sich bei Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 93 ff. 293 Vgl. Manne, Insider Trading and the Stock Market, 1966, S. 61; vgl. Bainbridge, 52 Wash. & Lee L. Rev. 1189, 1238 ff. (1995); Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 99 ff., 114 f. Zu den denkbaren Schäden des Insiderhandels siehe Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1052 f.; Hopt, AG 1995, 353, 354. 294 Manne, Insider Trading and the Stock Market, 1966, S. 138 ff.; Carlton/Fischel, 35 Stan. L. Rev. 857, 861 ff. (1983); D. Schneider, DB 1993, 1429, 1434 f. Vgl. zu diesem Argument und seiner Widerlegung Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 102 ff.; Hopt, AG 1995, 353, 354 ff.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 102 ff. Ausführlich zu Pro und Contra des Insiderhandels Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 834 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1051 ff. 295 Vgl. Manne, Insider Trading and the Stock Market, 1966, S. 60 ff.; vgl. Carlton/Fischel, 35 Stan. L. Rev. 857, 868 (1983); Wu, 68 Colum. L. Rev. 260, 266, 269 (1968); vgl. hierzulande auch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 01/2006, Vor § 12 WpHG Rn. 7, für den gleichwohl im Ergebnis die negativen gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen einer Deregulierung überwiegen. 296 Wu, 68 Colum. L. Rev. 260, 266 (1968). 297 Vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 96. 298 Vgl. Manne, Insider Trading and the Stock Market, 1966, S. 77 ff.; vgl. Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 107. 299 Carlton/Fischel, 35 Stan. L. Rev. 857, 868 (1983).

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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den jeweiligen Gesetzgebern. Gegen das Argument, Insidergewinne könnten als Leistungsanreiz des Managements dienen, ihre unternehmerische Risikobereitschaft steigern und so einen Gleichlauf der Interessen von Unternehmensleitung und Aktionären bewirken, spricht bereits die Tatsache, dass das Management nicht nur aus seinen Erfolgen, sondern auch aus seinen Misserfolgen profitieren könnte.300 Der Vorstand kann sowohl aus dem Kauf als auch aus dem Verkauf von Aktien seines Emittenten Gewinne erzielen, die Richtung der Wertenwicklung der Aktie seines Emittenten ist für ihn daher in diesem Zusammenhang irrelevant (Gefahr des moral hazard).301 Führt man sich daneben vor Augen, dass die Vernichtung eines Börsenwerts wesentlich leichter ist, als seine Schaffung,302 verliert das Argument endgültig an Durchschlagskraft – wie auch Manne selbst fast 40 Jahre nach dem Erscheinen seines Werks einräumen musste.303 Auch die Behauptung, Insiderhandel trage zur Informationseffizienz bei und sorge für eine schnellere Reflektion der Informationen im Marktpreis, vermag nicht zu überzeugen. Zunächst werden Insider von der Möglichkeit, auf der Grundlage ihres Wissensvorsprungs Gewinne am Kapitalmarkt zu erzielen, so lange wie möglich Gebrauch machen.304 Insider werden sowohl aus opportunistischen Gründen wie auch aufgrund ihrer limitierten finanziellen Möglichkeiten nur selten durch ihr Handelsvolumen Kurse beeinflussen.305 Ihrem Interesse läuft die Informationseffizienz des Marktes also gerade zuwider. Hinzu kommt, dass die erhoffte Signalwirkung vom Empfängerhorizont der Outsider betrachtet werden muss, die am anonymen Börsenmarkt zunächst Insider als solche identifizieren müssen, um bei einer etwaigen Änderung des Marktpreises zwischen „Rauschen im Markt“ und einer tatsächlichen Änderung des Fundamentalwerts infolge kursrelevanter Informationen differenzieren zu können.306 Hieraus offenbart sich eine weitere Gefahr des Insiderhandels für die Kapitalmarkteffizienz. Sie ist von der Anwesenheit gewisser Marktteilnehmer abhängig, die kursrelevante Informationen suchen, analysieren und auf dieser Grundlage Anla300

Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1056; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 102 ff.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 102 ff., 118. 301 Ausubel, 80 Am. Econ. Rev. 1022, 1026 (1990); Hopt, AG 1995, 353, 355; Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1056; vgl. Cox, 1986 Duke L. J. 628, 651 f. (1986): „Therefore, rather than driving managers to be risk preferring, the free-market proponents’ solution enables managers to hedge on any decision and thereby become gainneutral.“ 302 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 118, vgl. Ausubel, 80 Am. Econ. Rev. 1022, 1026 (1990). 303 Manne, 31 J. Corp. L. 167, 170 f. (2005). 304 Brudney, 93 Harv. L. Rev. 322, 334 Fn. 43 (1979); Ausubel, 80 Am. Econ. Rev. 1022, 1026 (1990); Hopt, AG 1995, 353, 357 f. 305 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 109. 306 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 109.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

geentscheidungen treffen, um Arbitragemöglichkeiten auszunutzen und die Preise durch ihr Handeln wieder ihren Fundamentalwerten annähern.307 Diese Art Marktteilnehmer, zu denen professionelle Investoren wie institutionelle Anleger, Vermögensverwalter, Analysten und andere professionelle Marktakteure zählen und die terminologisch unter dem Begriff der information trader308 oder Informationshändler309 typologisiert werden können, sind von entscheidender Bedeutung für den Preisbildungsprozess.310 Professionelle Marktteilnehmer können allerdings nicht unterscheiden, ob die Preisdifferenzen von noise tradern oder Insidern herrühren.311 Angenommen, ein Analyst kommt auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu dem Schluss, der Börsenpreis eines Finanzinstruments reflektiere seinen wahren Wert. Verkauft nun ein Insider auf der Basis von Insiderwissen das Finanzinstrument mit der Folge, dass der Preis der Aktie sinkt, wird der Analyst diesen Preisverfall als Unterbewertung des Finanzinstruments einschätzen und dieses infolgedessen erwerben. Der Preis des Finanzinstruments wird indes weiterhin fallen, sodass der Analyst mit öffentlicher Bekanntgabe der Information realisieren muss, dass er entgegen seiner Erwartung ein überbewertetes Finanzinstrument erworben hat. Ist Insiderhandel also omnipräsent, werden diejenigen Marktteilnehmer, die für eine korrekte Preisbildung am Kapitalmarkt unabdingbar sind, den Markt verlassen.312 Teilweise wurde auch mit dem Argument an der Sinnhaftigkeit des Insiderrechts gezweifelt, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität würden lediglich die Chancen von Unternehmensinsidern auf sogenannte Marktinsider, also professionelle Anleger wie Wertpapierspezialisten, Investmentfonds oder andere Finanzintermediäre verlagern, die die erforderliche Sachkenntnis zur Analyse sowie Be- und Verwertung komplexer öffentlich zugänglich gemachter Informationen mitbringen.313 Indes vernachlässigt dies die Tatsache, dass auch das Anlegerpublikum mittelbar durch Marktinsider von der Information profitieren kann, weil diese ihnen als Informationsintermediäre dienen.314 Darüber hinaus bezweckt das Marktmissbrauchsrecht nicht, durch die Statuierung einer Pflicht zur Veröffentlichung kursrelevanter Informationen ein Gleichgewicht an Expertise herzustellen, welche von den Marktteilnehmern nur noch durch ihre Anlageentscheidung umgesetzt werden müsste. Das schützenswerte Vertrauen der Anleger bezieht sich lediglich auf die Gleichheit ihrer Chancen, Nutzen aus besagten Informationen zu ziehen. Rege307 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 85, 88; vgl. Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 569 ff. (1984); siehe ferner oben, Kapitel 1, B.III.4.a)cc). 308 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 723 (2006). 309 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 85. 310 Vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 88. 311 Siehe zu folgendem Beispiel Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 733 f. (2006). 312 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 734 (2006); Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 372 f. 313 Vgl. D. Schneider, DB 1993, 1429, 1430; Schweizer, Insiderverbote, 1997, S. 47. 314 Vgl. Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 88 f.

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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lungsziel ist mithin nicht die Herstellung materieller Gleichheit, sondern die Gewährleistung formeller Gleichheit im Sinne der formalen Eröffnung gleicher Möglichkeiten zur Verwirklichung individueller Ziele.315

II. Der verständige Anleger in Art. 7 Abs. 4 MMVO als Einfallstor der ökonomischen Theorie Als einer der „Schlüsselbegriffe“ des Marktmissbrauchsrechts gilt der verständige Anleger im Sinne des Art. 7 Abs. 4 MMVO, der teilweise als Einfallstor der ökonomischen Theorie in den Tatbestand der Insiderinformation verstanden wird.316 Nur, wenn er die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde, ist diese kurserheblich und bei Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen unverzüglich der Öffentlichkeit bekanntzugeben, vgl. Art. 17 Abs. 1 MMVO. Die Auslegung des Begriffs des „verständigen Anlegers“ sollte also darauf abzielen, diesem diejenigen „Testfragen“ zu unterstellen, die zu einer Subsumtion von nach den Regelungszielen des europäischen Gesetzgebers zu erfassenden Informationen unter den Tatbestand des Art. 7 MMVO führen.317 Im überwiegenden Teil der Literatur wird versucht, dem Begriff durch eine Umschreibung der Eigenschaften des verständigen Anlegers beizukommen, sodass aus der genannten Definition keine eindeutigen Schlüsse auf ökonomische Implikationen gezogen werden. Dahingegen existieren andere Stimmen in der Literatur, die für eine Auslegung dieses Merkmals auf wirtschaftswissenschaftlicher Grundlage plädieren.318 1. Deskriptiv-konkretisierende Auslegung Im überwiegenden Teil des Schrifttums, in dem versucht wird, den Rechtsbegriff des „verständigen Anlegers“ deskriptiv anhand einer Bestimmung seiner Attribute auszufüllen, werden insbesondere zwei Eigenschaften intensiv diskutiert: der Grad seiner Professionalität und das Maß seiner Rationalität.319

315

Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 86; Klöhn, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 633, 647. 316 Langenbucher, AG 2016, 417; vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 366 ff.; vgl. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 102 f. 317 So auch Langenbucher, AG 2016, 417, 419. 318 Soweit im Folgenden eine Auseinandersetzung mit dem Merkmal des „verständigen Anlegers“ erfolgt, soll hierdurch vornehmlich der wirtschaftswissenschaftliche Kontext dieses Rechtsbegriffs herausgearbeitet werden. Vgl. zum folgenden ferner Langenbucher, AG 2016, S. 419 ff. 319 Vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 266, 269 ff.

72

Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

Insbesondere einige Stimmen in der älteren Literatur hielten die Professionalität eines durchschnittlichen verständigen Anlegers für maßgebend.320 Die Beurteilungsperspektive bestimme sich demzufolge nach dem mutmaßlichen Durchschnitt des am Markt vertretenen Publikums.321 Hierfür wurde mitunter das Argument der Einheit der Rechtsordnung ins Feld geführt. Auch in anderen zivilrechtlichen wie strafrechtlichen Tatbeständen (Prospekthaftung, § 264a StGB) werde auf den verständigen, durchschnittlichen Anleger abgestellt.322 Letztlich ist aber nicht zu übersehen, dass hierdurch ein auslegungsbedürftiger Begriff mit einem anderen ersetzt wird, der seinerseits der näheren Konkretisierung bedarf.323 Hierbei stößt man bei der Bestimmung des Wissens, das der durchschnittliche Anleger im Gegensatz zum Börsenfachmann besitzt, allerdings schnell an seine Grenzen.324 Dementsprechend geht die überwiegende Meinung davon aus, der verständige Anleger sei ein mit den Marktgegebenheiten vertrauter und mit Kenntnis aller verfügbaren Informationen ausgestatteter Anleger.325 Daher komme es für die Ermittlung der Kurserheblichkeit darauf an, dass die Beurteilung aus der Perspektive eines börsenkundigen und rationalen Marktteilnehmers erfolge.326 320

Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 1995, § 13 Rn. 65; Caspari, ZGR 1994, 530, 540; Dickersbach, Das neue Insiderrecht, 1995, S. 92 f., 170; Pananis, Insidertatsache, 1998, S. 112 ff.; Matusche, in: Herrmann/Berger/Wackerbarth, Bank- und Wirtschaftsrecht, 1997, S. 100, 114. 321 Pananis, Insidertatsache, 1998, S. 113 f. 322 Vgl. Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 57. 323 Ähnlich Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 57; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 66. 324 Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 66. 325 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 41; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 4. 2009 – 20 Kap 1/08, ZIP 2009, 962, 966; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Ziff. III.2.1.4, S. 33; Pawlik, in: KK-WpHG, 2007, § 13 Rn. 87; Assmann, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 58; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 141; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 10 Rn. 22; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 66; Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Auflage 2013, § 13 WpHG Rn. 109; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.500; Gunßer, Ad-hoc-Publizität, 2008, S 65 f.; vgl. Klawitter/Schlitt, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 3. Auflage 2013, § 38 Rn. 29; ähnlich Veil, ZBB 2006, 162, 163 f., 167 („angemessen informiert […]“); ähnlich Loesche, Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, 1998, S. 137; C. Schröder, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Auflage 2015, X 2 Rn. 148; Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, § 107 Rn. 27; vgl. nunmehr aber Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55. 326 OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 4. 2009 – 20 Kap 1/08, ZIP 2009, 962, 966; Veil, ZBB 2006, 162, 163 f., 167; vgl. Klawitter/Schlitt, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 3. Auflage 2013, § 38 Rn. 29.

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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Maßgebliche Bedeutung sowohl für das Verständnis der Kurserheblichkeit als auch für die Analyse des Lafonta-Urteils erlangt ferner die Frage der Rationalität des verständigen Anlegers. Das OLG Stuttgart stellt hierzu fest, dass der rationale Anleger seine Anlageentscheidung an der im Hinblick auf die ihm vorliegenden verlässlichen Informationen zu prognostizierenden künftigen Ertragskraft des Emittenten orientiere und stellt den verständigen Anleger dabei in den Gegensatz zum spekulativen Anleger.327 Auch in der Literatur wird teilweise angenommen, das Adjektiv „verständig“ nehme rein spekulative Anlageentscheidungen aus dem Anwendungsbereich heraus, bei denen eine bloße Hoffnung auf ungewöhnliche Kursgewinne bestehe.328 Der verständige Anleger ziehe regelmäßig vernünftige Schlussfolgerungen und handele rational.329 Sein Verhalten sei darauf gerichtet, bei kleinstmöglichem Risiko die größtmögliche Rendite zu erzielen.330 Weitgehend Einigkeit besteht mittlerweile hinsichtlich der Frage, wann die Information geeignet ist, den Kurs des Finanzinstruments „erheblich“ zu beeinflussen. Hiervon sei auszugehen, wenn die Information einen erheblichen Kauf- oder Verkaufsanreiz auf den verständigen Anleger ausübe (Theorie des Handlungs- oder Handelsanreizes).331 2. Kapitalmarkttheoretische Auslegung Einen eindeutigen Kontext zwischen dem Begriff des „verständigen Anlegers“ und der ökonomischen Theorie stellt eine kapitalmarkttheoretische Auslegung332 her, indem Prämissen und Aussagen der ECMH, die als regulierungstheoretischer Hintergrund des Marktmissbrauchsrechts erblickt wird,333 unmittelbar für die Auslegung des Rechts herangezogen werden.

327 OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 4. 2009 – 20 Kap 1/08, ZIP 2009, 962, 966; so auch Gunßer, Ad-hoc-Publizität, 2008, S. 65 f. 328 Schwark/Zimmer, in: KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 47. 329 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 142a; vgl. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 152. 330 Schwark/Zimmer, in: KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 47. 331 Statt aller Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 159. Siehe ausführlich unten, Kapitel 3, B.III.2.a). 332 So Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 149; vgl. Krause/Brellochs, AG 2013, 309, 314. 333 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 350, 352, 363 f.; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 38; vgl. ferner Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 47, der sich gleichwohl nicht der kapitalmarkttheoretischen Auslegung zuordnen lässt.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

a) Der verständige Anleger als Personifizierung des Kapitalmarkts im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH aa) Herleitung des Auslegungskonzepts Für die Konkretisierung des Rechtsbegriffs „verständiger Anleger“ zieht diese Ansicht Erkenntnisse der US-amerikanischen Rechtswissenschaft heran, deren Dogmatik die Richtlinie 2003/124/EG wie auch die MMVO eindeutig rezipierten.334 So übernehme nicht nur die Definition der Kurserheblichkeit beinahe identisch den durch die US-Rechtsprechung definierten materiality-Standard,335 auch würden dem verständigen Anleger in den Erwägungsgründen 1 und 2 der Richtlinie 2003/124/EG, nunmehr aufgegangen in den Erwägungsgründen 14 und 15 der MMVO, in Übereinstimmung mit der US-Rechtsprechung die Attribute eines effizienten Marktes im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH zugeordnet.336 Nach Erwägungsgrund 14 der MMVO stützen verständige Investoren „ihre Anlageentscheidungen auf Informationen, die ihnen vorab zur Verfügung stehen (Ex-ante-Informationen). Die Prüfung der Frage, ob ein verständiger Investor einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis im Rahmen seiner Investitionsentscheidung wohl berücksichtigen würde, sollte folglich anhand der Ex-ante-Informationen erfolgen.“ Erwägungsgrund 15 der MMVO besagt: „Im Nachhinein vorliegende Informationen (Ex-post-Informationen) können zur Überprüfung der Annahme verwendet werden, dass die Ex-ante-Informationen kurserheblich waren, sollten allerdings nicht dazu verwendet werden, Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die vernünftige Schlussfolgerungen aus den ihnen vorliegenden Ex-ante-Informationen gezogen hat.“ Nach der Charakterisierung der Erwägungsgründe handele der verständige Anleger also rational und kenne alle öffentlich bekannten Informationen.337 Daraus wird von Vertretern dieses Ansatzes gefolgert, der verständige Anleger sei nichts anderes, als die Personifizierung eines effizienten Marktes im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH.338 Dieser könne kein mit bestimmten Eigenschaften ausge334 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 369 ff.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 275. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG wurde im Wesentlichen inhaltsgleich in Art. 7 Abs. 4 MMVO übernommen. 335 Hierzu ausführlich unten, Kapitel 2, A.II.1.a). 336 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 370 f.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 274; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55. 337 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371. Laut Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 274 Fn. 349 spreche Erwägungsgrund 14 der MMVO zwar nicht ausdrücklich von „allen“, sondern nur von „den“ öffentlich bekannten Informationen, hiermit seien jedoch alle öffentlich bekannten Informationen gemeint. 338 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 377; Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, § 13 Rn. 250; Klöhn, WM 2014, 537; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 271 ff.; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 102 f.; wohl auch Teigelack, BB 2016, 1604, 1606; ähnlich Newman/Herrmann/Ritts, 20 J. Corp. L. 571, 590 (1995), die eine

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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stattetes Individuum sein, sondern die Verkörperung des wie oben beschriebenen Marktes als Aggregat.339 Exakt nach dessen Gesetzen handele der Informationshändler, sodass dem Wertpapierhandelsrecht340 die Aufgabe zukomme, einen kompetitiven Markt für Informationshändler zu schaffen.341 Anleger würden hierdurch zwar „preisgeschützt“, da ihnen in effizienten Märkten durch einen Blick auf den Börsenkurs mittelbar alle kurserheblichen Informationen vermittelt würden.342 Bezweckt sei indes einzig der Schutz des fundamentalwertorientierten Informationshändlers – das Informationsparadigma vermittle also Anlegerschutz durch Marktschutz.343 bb) Ermittlung der Kurserheblichkeit Für das Verständnis der Kursrelevanz bedeutet dies, dass diese davon abhängt, ob die Information in einem effizienten Markt Kurse erheblich bewegt, weil sie zu einer anderen Beurteilung des Fundamentalwerts des Finanzinstruments führt.344 Neben der Änderung der erwarteten ausschüttungsfähigen Zahlungsströme kann ein neuer Fundamentalwert auch auf einem geänderten Risikograd beruhen, da sich dieser im Diskontierungszinssatz widerspiegelt.345 Daneben können außerdem gewisse handelsbezogene Informationen kurserheblich sein, bei denen sich die Arbitragemöglichkeit statt aus einer überlegenen Einschätzung des Fundamentalwerts aus der besseren Kenntnis von Handelsbedingungen ergibt.346 Die Erheblichkeitsschwelle bestimmt sich mithilfe der Theorie des Handelsanreizes, sodass maßgeblich ist, dass der durch die Ausnutzung der Insiderinformation erwartete Profit die damit verbundenen Kosten übersteigt.347 Zur

konsequente Anwendung der ECMH bei fraud-on-the-market-Fällen fordern, sodass das Tatbestandsmerkmal der materiality aus der Perspektive eines professionellen Anlegers zu beurteilen sei, dessen Umschreibung im Wesentlichen dem von Klöhn in Bezug genommenen Informationshändler gleichkommt. 339 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 277; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55. 340 Diese Aussagen Klöhns lassen sich auf das Marktmissbrauchsrecht der MMVO übertragen. 341 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 358, 376 bezugnehmend auf Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711 (2006); so auch Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 34. 342 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 358. 343 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 358, 383. 344 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 377; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 271; Hopt/ Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55. 345 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 260; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 192. Näher hierzu unten, Kapitel 3, C.I.2.d). 346 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 301. 347 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 211 ff.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

Bestimmung des erwarteten Profits ist eine Prognose der durch die Insiderinformation hervorgerufenen Kursauswirkung erforderlich. Ein Kursausschlag ist zu erwarten, wenn neue Informationen zu einer anderen Einschätzung des mit einem risikoadjustierten Zinssatz diskontierten Gegenwartswerts der ausschüttungsfähigen Zahlungsströme führen.348 Ist von einer möglichen Kursauswirkung die Rede, so beschreibt dies eine von gegebenenfalls vielen Kursreaktionen mit unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten.349 Dies erklärt sich daraus, dass eine Zukunftsprognose über nicht stets vorhersehbare Marktreaktionen notwendig ist.350 Die Unsicherheit, die durch die divergierenden möglichen Kursreaktionen und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten hervorgerufen wird, lässt sich durch die Varianz ausdrücken.351 Sie dient als Maß für die Streuung der Zufallsrendite um ihren Erwartungswert.352 Die Rendite lässt sich hierbei als auf das investierte Kapital bezogene Summe aus Dividenden und Kurssteigerungen begreifen.353 Der Erwartungswert einer Rendite drückt eine statistische Maßzahl aus, mit der sich die in der nächsten Periode im Mittel erzielbare Rendite darstellen lässt.354 Während die Varianz die erwartete quadratische Abweichung vom Erwartungswert beschreibt, ist die Standardabweichung (Volatilität) ihre Quadratwurzel.355 Sie misst die wahrscheinliche Abweichung einer zukünftigen Rendite von der erwarteten Rendite und dient als Kriterium der Risikobeurteilung einer Einzelaktie,356 weil sie ein Maß für die Unsicherheit der Auswirkungen zur Verfügung stellt.357 Die erwartete Rendite lässt sich als gewichteter Mittelwert der möglichen Renditen bestimmen, wobei die Gewichtung den Eintrittswahrscheinlichkeiten entspricht.358 Welche Kursreaktion zu erwarten ist, berechnet der verständige Anleger mithin durch die Multiplikation jeder möglichen Kursreaktion mit ihrer Eintritts-

348

Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 260. Vgl. Klöhn, NZG 2015, 809, 811. 350 Klöhn, NZG 2015, 809, 811. 351 Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 129; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 269; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 238; Klöhn, ZIP 2014, 945, 946; Klöhn, NZG 2015, 809, 811. 352 Spremann, Wirtschaft, Investition und Finanzierung, 5. Auflage 2002, S. 292 f.; Trautmann, Investitionen, 2. Auflage 2007, S. 119. 353 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 318. 354 Pankoke/Petersmeier, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 111. 355 Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 323; Ross/Westerfield/Jaffe, Corporate Finance, 7. Auflage 2005, S. 255. 356 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 316. 357 Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 129. 358 Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 322; Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 128. 349

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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wahrscheinlichkeit und der anschließenden Addition dieser Erwartungswerte.359 Kurserheblich ist die Information, wenn die so errechnete erwartete Kursreaktion lohnend erscheint und deshalb erheblich im Sinne des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MMVO ist.360 Die Kurserheblichkeit bezeichnet im ökonomischen Kontext also einen Erwartungswert,361 der durch die kapitalmarkttheoretische Auslegung auf die juristische Dogmatik übertragen wird, indem danach gefragt wird, wie ein fundamentalwertorientierter Informationshändler als Stellvertreter des Kapitalmarkts auf die Kenntnis der Information reagieren würde. cc) Anerkennung der probability/magnitude-Formel durch die Judikaturen von EuGH und BGH Bei der hiermit umschriebenen Methode zur Bestimmung der Kurserheblichkeit handele es sich letztlich um die aus der US-amerikanischen Rechtswissenschaft bekannte probability/magnitude-Formel.362 Dementsprechend sehen sich die Vertreter der kapitalmarkttheoretischen Auslegung durch die Judikaturen zur Rechtssache Geltl bestätigt, in denen EuGH363 und BGH364 die probability/magnitudeFormel zumindest für die Kursrelevanz zukünftiger Endereignisse und gegenwärtiger Zwischenschritte implizit anerkannt hätten.365 Für ein derartiges Verständnis 359

Vgl. ausführlich zu dieser Berechnung Spremann, Wirtschaft, Investition und Finanzierung, 5. Auflage 2002, S. 292 f.; Trautmann, Investitionen, 2. Auflage 2007, S. 119; Klöhn, ZIP 2014, 945, 947; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 166; Klöhn, NZG 2015, 809, 811; Teigelack, BB 2016, 1604, 1606; ähnlich Fleischer, NZG 2007, 401, 405. 360 Vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 190 ff.; Klöhn, ZIP 2014, 945, 947; vgl. Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 54 ff. 361 Klöhn, ZIP 2014, 945, 946 f.; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 192. 362 Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1901; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 234; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 198, 204, 217; Teigelack, BB 2016, 1604, 1606. 363 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 55; vgl. Klöhn ZIP 2012, 1885, 1891; Schall, ZIP 2012, 1286, 1288; Bingel, AG 2012, 685, 690; Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 13 Rn. 54; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 100, 129; wohl auch Hitzer, NZG 2012, 860, 862; a.A. Bachmann, DB 2012, 2206, 2209; Koch/Widder, BB 2012, 1820, 1821; Mennicke, ZBB 2013, 244, 248; Brellochs, ZIP 2013, 1170, 1172. 364 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 25; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 199; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 102; wohl auch Wilsing/Goslar, DStR 2013, 1610, 1611; a.A. Mennicke, ZBB 2013, 244, 248; Brellochs, ZIP 2013, 1170, 1172; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 248; differenzierend Ihrig/Kranz, AG 2013, 515, 516 f. 365 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 199; so auch Teigelack, BB 2016, 1604, 1606; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 100 ff.; a.A. Mennicke, ZBB 2013, 244, 248; Brellochs, ZIP 2013, 1170, 1172.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

zumindest des BGH lässt sich dessen Verweis auf Klöhn366 und Schall367 verstehen,368 die den EuGH zuvor in dieser Weise gedeutet hatten.369 Da die Beurteilung eines gegenwärtigen Umstands beinahe immer davon abhänge, welche Auswirkungen dieser Umstand in der Zukunft haben wird,370 gewinnt der probability/magnitudeTest bei einer derartigen Deutung der Judikaturen auf der Ebene der Kursrelevanz maßgebliche Bedeutung. b) Kritik an der kapitalmarkttheoretischen Auslegung aa) Untauglichkeit der Kapitalmarkttheorie als absoluter Auslegungsmaßstab Zwar erkennen auch Schwark und Kruse in der für die Entstehung der Richtlinie 2003/124/EG maßgeblichen Stellungnahme des Committee of European Securities Regulators (CESR)371 eine Anlehnung an das Modell des homo oeconomicus,372 sehen hierin mangels eines subsumtionsfähigen Handlungskonzepts aber gerade keinen absoluten Maßstab für die Auslegung des Begriffs des „verständigen Anlegers“.373 Dieses ökonomische Verhaltensmodell diene zur Analyse bestimmter Situationen im Hinblick auf deren Effizienz und damit wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntniszielen, die nicht mit den eigenständigen Aufgaben gleichzusetzen seien, die dem verständigen Anleger als Modellmenschen der Rechtswissenschaft zukämen.374 Für die abschließende Beurteilung der Kurserheblichkeit werden die Aktienpreismodelle der Kapitalmarkttheorie von dem überwiegenden Teil des Schrifttums als untauglich erachtet.375 366

Klöhn, ZIP 2012, 1885, 1891. Schall, ZIP 2012, 1286, 1288. 368 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 25. 369 So Brellochs, ZIP 2013, 1170, 1172; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 199 Fn. 246; Wilsing/Goslar, DStR 2013, 1610, 1611. 370 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 198. 371 Das Committee of European Securities Regulators (CESR) war ein Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden und wurde am 1. Januar 2011 durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) ersetzt. 372 Die in Bezug genommene Stellungnahme CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, December 2002, Ref: CESR/02-089d führt in Ziff. 27 Fn. 1 aus: „A reasonable investor is a person that thinks and behaves in a rational way.“ 373 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 48. 374 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 48. 375 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 48; vgl. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 149; Pellens/Fülbier, DB 1994, 1381, 1384; Wölk, AG 1997, 73, 79; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, 2000, S. 185; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 173; 367

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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bb) Keine Anerkennung der probability/magnitude-Formel durch die Judikaturen von EuGH und BGH Dementsprechend wird teilweise bezweifelt, dass sich der Geltl-Entscheidung des EuGH eine ausdrückliche Anerkennung der probability/magnitude-Formel im Rahmen der Kurserheblichkeit entnehmen lasse.376 Auch sieht etwa Mennicke nicht die Anwendbarkeit der probability/magnitude-Formel für die Beurteilung der Kursrelevanz eines Zwischenschrittes durch den Geltl-Beschluss des BGH bestätigt, denn eine solche Anerkennung gehe mit der Zugrundelegung jenes Anlegerleitbildes einher, das die kapitalmarkttheoretische Auslegung der Modellwelt eines vollkommen rationalen Marktes entnehme.377 Nach dem BGH müsse ein Anleger bei der Kursrelevanz zwar generell „den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Ereignisses“ berücksichtigen, sodass dies auch gelte, „wenn eine präzise Information über einen eingetretenen Umstand vorliegt, der auf ein künftiges Ereignis hinweist, und der Anleger insoweit den möglichen künftigen Verlauf abschätzen muss […].“378 Hierin könne aber nicht die Anerkennung der probability/ magnitude-Formel für die Ermittlung der Kursrelevanz gesehen werden, da der BGH den Grad der Wahrscheinlichkeit (probability) und die Auswirkung (magnitude) mit keinem Wort miteinander ins Verhältnis setze, von der Notwendigkeit ihrer Multiplikation spreche oder andeute, eine geringe Wahrscheinlichkeit könne durch eine hohe Auswirkung des Ereignisses kompensiert werden und umgekehrt.379 Festgestellt worden sei lediglich, dass „alle tatsächlichen Umstände“380 in die Beurteilung einbezogen werden müssten, sodass nicht lediglich Auswirkungen und Eintrittswahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse zu beachten wären, sondern vielmehr eine Gesamtschau aller für den Anleger relevanten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen sei.381

vgl. ferner den Verweis des BGH auf die vorstehende Kommentierung von Mennicke und Jakovou in seinem IKB-Urteil, BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 44. 376 Koch/Widder, BB 2012, 1820, 1821; Bachmann, DB 2012, 2206, 2209; Mennicke, ZBB 2013, 244, 248. 377 Mennicke, ZBB 2013, 244, 249; so auch Brellochs, ZIP 2013, 1170, 1172. 378 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 25. 379 Mennicke, ZBB 2013, 244, 248; Brellochs, ZIP 2013, 1170, 1172; Herfs, DB 2013, 1650, 1653. 380 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 30. 381 Mennicke, ZBB 2013, 244, 248.

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

3. An tatsächlichem Kapitalmarkt und nutzenmaximierendem Verhalten orientierte Auslegung Folgt man anderen Stimmen in der Literatur, liegt dem Insiderrecht ein realistischeres Leitbild des verständigen Anlegers zugrunde, welches zusätzlich das Marktgeschehen in den Fokus nimmt.382 Während sich der value trader ausschließlich am Fundamentalwert von Finanzinstrumenten orientiert, sei für den verständigen Anleger als information-oriented technical trader auch von Bedeutung, ob sich aus gegebenen Informationen auf zukünftiges Marktverhalten schließen lasse, um auch aus Marktübertreibungen oder Kursausschlägen, deren Richtung unklar ist, Insidergewinne zu erzielen.383 Für diese Deutung lässt sich der Normtext anführen, der nicht verlangt, dass der verständige Anleger einen Kursanstieg für wahrscheinlich hält, sondern fordert, dass er die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde.384 So möchte Bachmann die Ausführungen des CESR, eine Information sei spezifisch genug, um einen Schluss auf ihre Auswirkung auf die Kurse zuzulassen, „when the piece of information was such that it is likely to be exploited immediately on the market – i. e. that as soon as the information became known, market participants would trade on the basis of it“385

im oben beschriebenen Sinne verstanden wissen.386 Auch derjenige sei „verständig“ im Sinne des nunmehr in Art. 7 Abs. 4 MMVO aufgegangenen § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG a.F. und handele rational, der sich am prognostizierbaren irrationalen Verhalten anderer ausrichte.387 Zumindest mit letztgenannter Annahme befindet sich Bachmann in Gesellschaft mit höchstrichterlicher Rechtsprechung, da der BGH in seinem IKB-Urteil entschied, der ver382

Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 603. Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 603; vgl. Langenbucher, AG 2016, 417, 419 f. 384 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 603. 385 Market Abuse Directive: Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market, July 2007, Ref: CESR/06-562b, Ziff. 1.8. 386 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 603 Fn. 24. Die durch Bachmann in Bezug genommene Passage des CESR bezieht sich allerdings nicht auf die Kurserheblichkeit, sondern auf das Erfordernis der Kursspezifität. 387 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 603. Diese Auffassung teilen freilich auch Autoren, die dem deskriptiv-konkretisierenden Ansatz zuzuordnen sind, siehe etwa Waldhausen, Die adhoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 269; Mennicke, ZBB 2013, 244, 249; Mennicke/ Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 142a; vgl. S. Schröder, Die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, 2011, S. 41; Pawlik, in: KK-WpHG, 2007, § 13 Rn. 87, 91, der aber gleichzeitig davon ausgeht, dass der verständige Anleger als homo oeconomicus zu verstehen sei, welcher irrationale Übertreibungen des Marktes in seine Anlageentscheidung miteinbeziehe, um hieraus Gewinne zu erzielen. Kritisch hierzu Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 284 ff.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 48 Fn. 190. 383

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ständige Anleger habe auch irrationale Reaktionen anderer Marktteilnehmer zu berücksichtigen.388 Aus der Perspektive der streng kapitalmarkttheoretischen Auslegung tangieren jedoch (selbst vorhersehbare)389 irrationale Reaktionen Dritter den verständigen Anleger nicht, denn der effiziente Markt reagiert lediglich auf Informationen, die den Fundamentalwert des Finanzinstruments beeinflussen.390 Die Subsumtion einer derartigen Information unter den Tatbestand der Insiderinformation konterkariere den Zweck von Ad-hoc-Publizität und Insiderhandelsverbot, da sich der Börsenpreis des betreffenden Finanzinstruments hierdurch weiter von seinem Fundamentalwert entferne, ergo kontraproduktive Auswirkungen auf Transparenz und Effizienz des Marktes die Folge seien.391 In die Richtung des BGH weisen indes auch andere Stimmen aus der rechtswissenschaftlichen Literatur. So spricht sich mitunter Mennicke gegen die Deutung der europarechtlichen Erwägungsgründe aus, der verständige Anleger sei die streng rationale Verkörperung der Modellwelt eines vollkommen effizienten Marktes.392 Soweit ex ante vorhersehbar, entspreche es gerade der Vernunft des börsenkundigen und verständigen Anlegers, neben rationalen Gesichtspunkten auch real-tatsächliche Besonderheiten des Einzelfalles als Teil der Grundlage der Anlageentscheidung zu berücksichtigen, wozu auch begrenzt rationale Reaktionen oder Markttendenzen zählten.393 Ein verständiger Anleger habe bei seiner Anlageentscheidung daher auch eine etwaige Verlustaversion der Marktteilnehmer oder eine erhöhte Kursvolatilität zu berücksichtigen.394

388 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 44. 389 Bezüglich der Berücksichtigung vorhersehbarer irrationaler Verhaltensweisen noch offen Klöhn, AG 2012, 345, 349 f. 390 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 380 f.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 285; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 106 ff. 391 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 381 f.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 284 ff. 392 Mennicke, ZBB 2013, 244, 249; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 142a; so wohl auch Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 269, der anführt, die Beurteilungsperspektive des börsenkundigen und vernünftigen professionellen Marktteilnehmers führe nicht dazu, dass bei der Einschätzung der Kursrelevanz lediglich Umstände zu berücksichtigen seien, die nach wissenschaftlichen Grundsätzen für die Bewertung von Aktien von Bedeutung sind. 393 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 142a; Oechsler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band 2, 2007, S. 165; Waldhausen, Die ad-hocpublizitätspflichtige Tatsache, 2002, S. 269. 394 Mennicke, ZBB 2013, 244, 249; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 142a.

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4. Vereinbarkeit der kapitalmarkttheoretischen Auslegung mit geltendem Recht a) Ökonomische Analyse des Rechts Ausgangspunkt der Analyse von Ansätzen, die die Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers mit Hilfe wirtschaftswissenschaftlicher Theorien bestimmen möchten, muss die Frage nach der Legitimität ökonomischer Aspekte bei der Ausfüllung eines Rechtsbegriffs sein. Denn wenn die kapitalmarkttheoretische Auslegungsvariante die Erfüllung des Tatbestands des Art. 7 MMVO maßgeblich davon abhängig machen möchte, ob ein effizienter Markt im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH auf die Information reagieren würde, überträgt sie eine ökonomische Theorie zur Erklärung der Kursbildung am Kapitalmarkt auf ein Tatbestandsmerkmal, an dessen Bejahung weitreichende rechtliche und wirtschaftliche Folgen geknüpft sind. Die Zulässigkeit der Berücksichtigung ökonomischer Argumente im Rahmen der Gesetzgebung und Auslegung ist Gegenstand einer Kontroverse in der rechtswissenschaftlichen Literatur, deren Protagonisten teils für ein diesbezügliches Monopol des Gesetzgebers eintreten,395 teils hingegen auch der Rechtsprechung und dem Rechtsanwender die Möglichkeit der Einbeziehung ökonomischer Argumente bei der Gesetzesauslegung zugestehen wollen.396 Die Gesetzesauslegung ist anerkanntermaßen jedoch dann für ökonomische Überlegungen offen, wenn die effiziente Gestaltung designiertes Regelungsziel des Gesetzgebers ist.397 Insbesondere im Marktmissbrauchsrecht als einem Bereich des Kapitalmarktrechts, der maßgeblichen Anteil an der Funktionsfähigkeit des Marktes hat und der ersichtlich auf die Förderung und Gewährleistung eines effizienten Finanzmarkts (vgl. Erwägungsgrund 2 der MMVO) abzielt, können ökonomische Erwägungen zwar nicht außer Betracht bleiben. Indes dürfen ökonomische Parameter keine absoluten Maßstäbe darstellen.398 Vielmehr muss die Auslegung offen für andere Wertungsgesichtspunkte sein, die mit ökonomischen Implikationen durchaus in Konflikt stehen können.399 Nicht jede Norm oder Gerichtsentscheidung lässt sich ökonomisch nachvollziehen und rechtfertigen.400 395 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Auflage 2015, S. 426 ff., S. 454 ff., S. 486 ff. 396 Vgl. Schäfer/Ott, JZ 1988, 213, 214 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Auflage 2012, S. XL; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 424 ff.; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 433 ff. Siehe ferner die Nachweise bei Möllers, AcP 208 (2008), 1, 6. Einen Überblick über die Diskussion bietet Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 430 ff. 397 Möllers, AcP 208 (2008), 1, 6; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 434; vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Auflage 2015, S. 487. 398 Möllers, AcP 208 (2008), 1, 6; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 135 f. 399 Möllers, AcP 208 (2008), 1, 6; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 136. 400 Wagner, AcP 206 (2006), 352, 425.

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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Ist somit die prinzipielle Zugänglichkeit des Marktmissbrauchsrechts für eine Argumentation auf Grundlage ökonomischer Gesichtspunkte zu bejahen, führt dies freilich noch nicht zu einer Entscheidung des Gesetzes für oder gegen einen spezifischen Ansatz. b) Wortlaut der MMVO und ihrer Erwägungsgründe Hinsichtlich der Frage, inwiefern dem verständigen Anleger de lege lata tatsächlich die Attribute eines effizienten Marktes im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH zugeschrieben werden, ist eine gewisse Zurückhaltung geboten. Während die Vorschrift des Art. 7 Abs. 4 MMVO insoweit offen ist und nicht wesentlich weiterhilft, ergibt sich im Rahmen der Wortlautauslegung bei einem Blick auf die Erwägungsgründe der MMVO neben deren zweifelhafter normativer Bedeutung401 das Problem einer streckenweise unglücklich formulierten deutschen Textfassung.402 Ausdrücklich bestimmen weder Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2003/124/EG, noch der diesem im Wesentlichen entsprechende Erwägungsgrund 14 der MMVO, dass der verständige Investor alle öffentlichen Informationen kennt. Gleichwohl war zur alten Rechtslage überwiegend anerkannt, dass der verständige Anleger mit der Kenntnis aller verfügbaren Informationen ausgestattet ist,403 wobei hierfür teilweise auf Erwägungen der Bestimmtheit404 und andernorts auf den Normtext der Erwägungsgründe verwiesen wurde.405 Namentlich Klöhn schließt aus der Formulierung, der verständige Anleger treffe seine Anlageentscheidung auf Grundlage „der“ öffentlich bekannten Informationen (vgl. Erwägungsgrund 1 Satz 2 der Richtlinie 2003/124/EG) darauf, der verständige Anleger kenne alle öffentlich bekannten Informationen.406 Auch die Wendung in Erwägungsgrund 14 Satz 1 der MMVO, 401 Vgl. hierzu Köndgen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 3. Auflage 2015, § 6 Rn. 48 ff. 402 Klöhn, AG 2016, 423, 424 f. Allgemein zu sprachlichen, terminologischen, stilistischen, systematischen und weiteren Defiziten der MMVO Simons, AG 2016, 651 ff. 403 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 169; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Ziff. III.2.1.4., S. 33; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, Ziff. III.2.1.4., S. 35; vgl. die weiteren Nachweise bei Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 58 Fn. 2. 404 Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 66; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 58 Fn. 2. 405 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 169. 406 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371; dem folgend Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 102 f. Zwar spricht der Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2003/124/EG nicht von „öffentlich bekannten Informationen“, sondern von „verfügbare[n]“ und „vorliegenden“ Informationen, für Anleger ohne Insiderwissen sind dies indes lediglich Informationen, die bereits öffentlich bekannt sind, vgl. Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55. In Erwägungsgrund 14 der MMVO tauchen die Begriffe „verfügbare“ und „vorliegenden“ nicht mehr auf. Dieser Streichung sollte indes keine Bedeutung beigemessen werden. So spricht die englische Version der MMVO weiterhin von „available information“, vgl. die englische Version des Erwägungsgrunds 14 der MMVO:

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wonach verständige Anleger „ihre Anlageentscheidungen auf Informationen“ stützen, sei im Sinne eines „auf alle Informationen“ zu verstehen.407 Dieser Schluss ist indes keineswegs zwingend, denn gleichermaßen könnte aus der Bestimmung, verständige Investoren stützten sich auf Informationen, „die ihnen“ vorab zur Verfügung stehen (vgl. Erwägungsgrund 1 Satz 1 der Richtlinie 2003/124/EG sowie Erwägungsgrund 14 Satz 1 der MMVO408) gefolgert werden, der verständige Anleger beziehe nur ihm persönlich bekannte, nicht aber dem Markt zur Verfügung stehende Informationen in seine Anlageentscheidung mit ein. Naheliegend ist, dass der Richtlinien- und Verordnungsgeber mit diesen Erwägungsgründen vornehmlich die ex ante-Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers festlegen wollte. Auch die in Art. 7 Abs. 4 MMVO erfolgte Charakterisierung des Anlegers als „verständig“ bedeutet keine Festlegung auf den Maßstab eines perfekt rationalen homo oeconomicus. Der Wortlaut der Erwägungsgründe der Richtlinie 2003/124/EG, der MMVO und von Art. 7 MMVO ist mithin konform mit einer kapitalmarkttheoretischen Interpretation, aber auch für eine andere Auslegung offen. c) Vereinbarkeit der kapitalmarkttheoretischen Auslegung mit dem verständigen Anleger des EuGH und des BGH Auch die bis zum Lafonta-Urteil409 ergangene Judikatur des EuGH und des BGH zum Insiderrecht lässt sich nicht konsequent einem spezifischen Auslegungsansatz zuordnen.410 Besonders die Rechtssache Geltl wurde in der Literatur als Bestätigung der kapitalmarkttheoretischen Auslegung bemüht. Das IKB-Urteil des BGH lässt dahingegen daran zweifeln, dass der BGH ein derartiges Anlegerleitbild vertritt. Die Rechtssache Geltl wirft an zwei Stellen die Frage auf, ob die Rechtsprechung implizit Stellung für eine kapitalmarkttheoretische Auslegung bezogen haben könnte. Der Verweis auf die „möglichen Auswirkungen“ und den „Grad der Wahrscheinlichkeit“ durch den EuGH411 erinnert zweifelsohne an die von der USamerikanischen Rechtsprechung herangezogene probability/magnitude-Formel. „Reasonable investors base their investment decisions on information already available to them, that is to say, on ex ante available information. Therefore, the question whether, in making an investment decision, a reasonable investor would be likely to take into account a particular piece of information should be appraised on the basis of the ex ante available information […].“ 407 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 169. 408 Auch die englische Version bestimmt in Erwägungsgrund 14 Satz 1 der MMVO: „Reasonable investors base their investment decisions on information already available to them […].“ 409 Zu den Implikationen der Lafonta-Entscheidung für die Auslegung des Maßstabs des verständigen Anlegers siehe unten, Kapitel 3, C.IV.4. sowie die Schlussbetrachtung. 410 So auch Langenbucher, AG 2016, 417, 420. 411 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 55.

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Zwar würde die Etablierung dieses Konzepts noch keine Bestätigung der kapitalmarkttheoretischen Auslegung darstellen,412 da eine solche auch nicht vom US Supreme Court vertreten wird.413 Gleichwohl hätte das Gericht hiermit deren wesentliches Mittel zur Bestimmung der Kurserheblichkeit höchstrichterlich anerkannt. Da der EuGH jedoch an keiner Stelle von einer Multiplikation beider Faktoren spricht, bleibt das Urteil insoweit vage. Ebenso wenig setzt der BGH414 Wahrscheinlichkeit und Auswirkung ausdrücklich „miteinander in Verhältnis“415. Die Bezugnahme auf Klöhn und Schall lässt allerdings in der Tat den Schluss einer Anerkennung der probability/magnitude-Formel für die Kurserheblichkeit von Zwischenschritten zu. Auch der Generalanwalt Mengozzi geht in seinen Schlussanträgen zum Geltl-Urteil des EuGH offenbar davon aus, dem europäischen Insiderrecht liege das Leitbild eines mit Kenntnis aller veröffentlichten Informationen ausgestatteten Anlegers zugrunde.416 Indem Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG verlange, dass der verständige Anleger die fragliche Information „als Hinweis auf den wahrscheinlichen Eintritt eines Ereignisses oder einer Reihe von Umständen“ werten müsse, spiele die Richtlinie im Grundsatz auf das total-mix-Kriterium der US-Rechtsprechung an,417 das an die Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Informationen anknüpft.418 Offensichtlich teilt der EuGH dieses Verständnis der Richtlinie, wenn er ausführt: „Wie dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/124 zu entnehmen ist, stützen zwar verständige Investoren ihre Anlageentscheidungen auf alle verfügbaren Ex-ante-Informationen […].“419 Hierdurch stellt der Gerichtshof gerade nicht auf die dem Anleger zugänglichen, sondern auf alle ex ante verfügbaren Informationen ab.420 Lassen sich also sowohl das Geltl-Urteil des EuGH als auch der Beschluss des BGH in einer mit der kapitalmarkttheoretischen Auslegung konformen Weise deuten, steht dies im Widerspruch zum IKB-Urteil des BGH, das sich in ein rein 412

A.A. wohl Mennicke, ZBB 2013, 244, 249. Siehe unten, Kapitel 2, A.II.1. 414 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 25. 415 Vgl. Mennicke, ZBB 2013, 244, 248; Brellochs, ZIP 2013, 1170, 1172. 416 Vgl. GA Mengozzi, Schlussanträge v. 21. 3. 2012 – Rs. C-19/11, CelexNr. 62011CC0019, Fn. 15 (abrufbar bei juris); vgl. die Deutung von Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371 Fn. 129. 417 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 96 S.Ct. 2126; 48 L. Ed. 2d 757 (1976). 418 GA Mengozzi, Schlussanträge v. 21. 3. 2012 – Rs. C-19/11, Celex-Nr. 62011CC0019, Fn. 15 (abrufbar bei juris); Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371 Fn. 129. 419 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 55 (Hervorhebung durch den Verfasser). 420 Hierauf stellt wohl auch Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371 Fn. 130 sowie Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 169 Fn. 198 ab. 413

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

fundamentalwertorientiertes Konzept nicht einzufügen scheint. Denn die hier durch den BGH vorgenommene Erweiterung der für den verständigen Anleger entscheidungserheblichen Informationen um irrationale Marktreaktionen kann zu negativen Folgen für die Effizienz des Kapitalmarkts führen.421 Trifft der verständige Anleger seine Entscheidung grundsätzlich nur auf der Basis fundamentalwertrelevanter Informationen, müssten Gewinnchancen durch die Ausnutzung von Marktirrationalitäten ausgeblendet werden. Hinzu kommt, dass der BGH den verständigen Anleger in Anlehnung an Stimmen aus der Literatur422 als einen „[…] mit den Marktgegebenheiten vertraute[n], börsenkundige[n]“423 Anleger charakterisiert und diesen hierdurch mit individuellen Merkmalen eines Marktakteurs umschreibt, die zu einer Auslegung des verständigen Anlegers als Personifizierung des Kapitalmarkts nicht passen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich das Konzept des verständigen Anlegers als Marktaggregat im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH in die Rechtsprechung des EuGH vor dem Ergehen der Lafonta-Entscheidung einfügen lässt, während die Judikatur des BGH nicht durchweg konform mit dieser Auslegungsvariante erscheint. Die Entscheidung für eines der unterbreiteten Leitbilder lässt sich der Judikatur allerdings nicht deutlich entnehmen. d) Zweck der kapitalmarkttheoretischen Auslegung aa) Realitätsferne der Auslegung Ein wesentlicher Kritikpunkt an der kapitalmarkttheoretischen Auslegung bildet die Abstraktion ihrer Prämissen von der Realität. Nicht nur die Auseinandersetzung mit der theoretischen Plausibilität der ECMH, sondern auch empirische Erkenntnisse lassen daran zweifeln, dass reale Kapitalmärkte die Bedingungen der Kapitalmarkteffizienz erfüllen.424 Handeln einzelne Anleger regelmäßig irrational und treten gewisse Irrationalitäten systematisch auf, scheint es den tatsächlichen Gegebenheiten zu widersprechen, die Kurserheblichkeit anhand einer Beurteilungsperspektive zu bestimmen, die streng rational handelnde Marktteilnehmer unterstellt.425 Dementsprechend liegt der Schluss Mennickes nahe, gerade der verständige Anleger dürfe sich gegenüber vorhersehbaren real-tatsächlichen Besonderheiten wie massenpsychologischen Phänomenen oder der Verlustaversion von Anlegern nicht

421

Vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 380 ff. Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 58; Pawlik, in: KK-WpHG, 2007, § 13 Rn. 87. 423 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 41. 424 Siehe oben, Kapitel 1, B.III.4.a)ee) sowie B.III.4.b); vgl. ferner Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 140 ff. 425 Vgl. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 142a. 422

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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verschließen. Hieraus ließe sich folgern, ein Anleger sei unverständig, wenn er die Irrationalitäten Dritter bei seiner Anlageentscheidung ausblenden würde. bb) Bewusste Abstraktion von realen Marktteilnehmern Von zentraler Bedeutung für die Einordung des kapitalmarkttheoretischen Konzepts eines „verständigen Anlegers“ ist, dass es die Beurteilungsperspektive bewusst von den tatsächlichen Gegebenheiten des Kapitalmarkts abstrahiert.426 Dementsprechend ist es irrelevant, ob es rationalem Verhalten entspräche, im Zuge individueller Nutzenmaximierung auch aus Irrationalitäten Dritter Gewinne zu erzielen. Ebenso unerheblich ist es, inwieweit der verständige Anleger ein auf Kapitalmärkten tatsächlich agierendes Individuum realitätsnah nachzeichnet. Handelt der verständige Anleger wie ein effizienter Kapitalmarkt im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH, handelt er mit dem Ziel der Optimierung der Effizienz des Kapitalmarkts.427 Durch die Berücksichtigung irrationaler Tendenzen bei der Subsumtion unter Art. 7 Abs. 4 MMVO besteht aber die Gefahr negativer Auswirkungen auf Effizienz und Transparenz des Marktes, da eine etwaige Ad-hoc-Mitteilung den zu erwartenden Kursausschlag noch verstärken könnte, sodass sich der Marktpreis weiter von seinem Fundamentalwert entfernt.428 cc) Folgenorientierung Aus den vorstehenden Gründen ist für die Einordung von Informationen als entscheidungserheblich für den verständigen Anleger nach dem kapitalmarkttheoretischen Konzept ausschließlich relevant, welche Folgen die Einbeziehung der Information in den Anwendungsbereich von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität für die Effizienz des Kapitalmarkts hat. Im Mittelpunkt der Auslegung steht deshalb der übergeordnete Zweck von Ad-hoc-Publizität und Insiderhandelsverbot, die Kapitalmarkteffizienz zu fördern.429 Dieser Gedanke der Folgenorientierung lässt einen wichtigen Schluss hinsichtlich der kapitalmarkttheoretischen Auslegung zu, der sich vor dem Hintergrund der ökonomischen Analyse des Rechts430 erklärt. Diese erhebt für sich den Anspruch, Folgenbewertungen auf theoretischer Grundlage vornehmen 426

Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 113. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 380; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 39 f., 88, Art. 7 Rn. 271. 428 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 381; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 286. 429 Vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 383; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 34 f. 430 Ähnlich Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 169 ff., der weitergehend zwischen der ökonomischen Analyse des Rechts und economic transplants differenziert und die kapitalmarkttheoretische Auslegung der letztgenannten Methodik zuordnet, da sie lediglich positive Aussagen der Ökonomie transferiere, anstatt diese an einem Effizienzkriterium zu messen. 427

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

zu können.431 Ihre normativen Aussagen beziehen sich auf das Kriterium der Allokationseffizienz, deren Erreichung als wünschenswerter sozialer Zustand erachtet wird.432 Sie hinterfragt die Rationalität und Gerechtigkeit von Normen unter dem Gesichtspunkt der Allokationseffizienz und trifft in diesem Zusammenhang Aussagen darüber, welche von mehreren Entscheidungen sozial wünschenswert und vorzugswürdig ist und dementsprechend auch vom Recht getroffen werden sollte.433 Unbestrittenermaßen weisen zahlreiche Annahmen der Mikroökonomie einen hohen Abstraktionsgrad auf und blenden so ein „wesentliches Stück Realität“ aus.434 Eine der empirischen Erkenntnisse der Behavioral Finance war es, dass auch professionelle Anleger durch positive feedback trading-Strategien den vom Fundamentalwert gelösten Trend der noise trader ausnutzen435 – mit anderen Worten irrationales Verhalten anderer Marktteilnehmer bei ihrer Anlageentscheidung berücksichtigen würden. Dieser Umstand ist aus der Perspektive der kapitalmarkttheoretischen Auslegung aber zu vernachlässigen, da die Auslegung des normativen Begriffs „verständiger Anleger“ lediglich ein Mittel zum Zweck darstellt. Ebenso erfolgt die Schaffung eines kompetitiven Marktes für Informationshändler, welche von der kapitalmarkttheoretischen Auslegung gefördert werden soll, nicht um seiner selbst willen, sondern weil dies eine notwendige Voraussetzung für die Gewährleistung und Förderung effizienter Kapitalmärkte ist.436 Das kapitalmarkttheoretische Anlegerkonzept bezweckt eine folgenorientierte Auslegung im Sinne der ökonomischen Analyse des Rechts. Sein Ziel ist neben der Gewährleistung institutioneller Effizienz und der Senkung von Transaktionskosten insbesondere die mittelbare Beförderung der Allokationsfunktion durch informations- und fundamental effiziente Wertpapierpreise, mithin die effizienteste Gestaltung des insiderrechtlichen Regelungskomplexes.437 e) Praktikabilität der unterbreiteten Auslegungsmaßstäbe Die mangelnde Realitätsnähe des Ansatzes, der den verständigen Anleger als Marktaggregat verstehen will, birgt gleichzeitig Vorteile in praktikabler Hinsicht. 431

Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 214. Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 215. 433 Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 215. 434 Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 219. 435 Siehe oben, Kapitel 1, B.III.4.b)bb); so auch Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 380, 376 Fn. 148 m.w.N. 436 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 719 (2006): „Information traders are the agents who render markets efficient.“; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 383, 386 f.; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 88: „Informationseffizienz entsteht, weil Informationshändler am Markt sind.“; vgl. auch Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 34 f. 437 Vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 39 f., 88; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 383: „Der verständige Anleger wird nicht um seiner selbst willen geschützt, sondern weil er das entscheidende Rad in dem Mechanismus ist, der zu Markteffizienz führt.“ 432

C. Verankerung des ökonomischen Hintergrunds

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Die Einordnung des verständigen Anlegers als fundamentalwertorientierten personifizierten Markt erleichtert die Subsumtion unter Art. 7 Abs. 4 MMVO, da ein derartig objektiv-genereller Maßstab indifferent gegenüber individuellen Eigenschaften und Merkmalen ist, den Sachverständigenbeweis vor Gericht erleichtert und die Aufstellung gewisser Vermutungswirkungen ermöglicht.438 Dahingegen erhöht die Einbeziehung irrationaler Marktreaktionen in den Kreis der für den verständigen Anleger entscheidungserheblichen Informationen zweifelsohne die Rechtsunsicherheit.439 Die aus dem IKB-Urteil gefolgerte Notwendigkeit für Unternehmen, fortlaufend vorhandene Informationen daraufhin überprüfen zu müssen, ob sie aufgrund eines hochsensiblen Marktes – wie dem im IKBUrteil relevanten subprime-Markt – zu einem gewissen Zeitpunkt erhebliche Kursrelevanz erlangen könnten,440 trägt nicht zur Konturierung des Tatbestands bei. Neben der vom BGH offen gelassenen Frage, mit welchem Inhalt der Begriff der „Irrationalität“ zu füllen ist, wird der Gewinn an Realitätsnähe durch die Öffnung des Tatbestands für irrationale Denk- und Verhaltensweisen mit einem Verlust an Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit erkauft.441 Andererseits entbehrt der kapitalmarkttheoretische Ansatz nahezu vollständig442 an ausfüllungsbedürftigen Wertungselementen, die der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung tragen könnten. f) Zusammenfassung Der Rechtsanwender steht folglich vor der Wahl zwischen einem subsumierbaren Konzept, das ein vergleichsweise hohes Maß an Rechtssicherheit bietet, dafür aber Wertungselemente genauso außer Betracht lässt, wie Implikationen der Behavioral Finance und einer realitätsnäheren Betrachtungsweise, deren konsequente Anwendung allerdings zu kontraproduktiven Nebeneffekten für die Effizienz des Kapitalmarkts führen kann. Der Insiderrichtlinie, der Marktmissbrauchsrichtlinie und der MMVO sind kein klares Votum für einen spezifischen Ansatz zu entnehmen. Das Marktmissbrauchsrecht ist vielmehr offen für unterschiedliche Konzepte des verständigen Anlegers. Dementsprechend verwundert auch die diesbezüglich vage und inkonsequente Rechtsprechung nicht, die der Praxis bisher ebenfalls keine klaren Maßstäbe an die Hand geben konnte. Letztendlich ist die Beantwortung dieser Frage vom gesetzgeberischen Leitbild abhängig: Entscheidend ist, ob dieses bezweckt, unter Inkaufnahme etwaiger Effizienzdefizite den gleichen Zugang der Anleger zu entscheidungsrelevanten Infor438

Hierzu ausführlich Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 377 ff. Klöhn, AG 2012, 345, 349. 440 Müller-Michaels, BB 2012, 537, 538. 441 Klöhn, AG 2012, 345, 349; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55. 442 A.A. Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, § 13 Rn. 255. 439

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Kap. 1: Historie und ökonomischer Hintergrund des Insiderrechts

mationen zu maximieren, oder ob das ausschließliche Ziel des Gesetzgebers die Optimierung der Effizienz des Marktes darstellt. Zur Konkretisierung des Rechtsbegriffs des verständigen Anlegers, dessen Auslegung für das Verständnis der Lafonta-Entscheidung von wegweisender Bedeutung ist, sollen neben den Zielen von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität auch rechtsvergleichende Erwägungen beitragen. Gleichzeitig erlaubt eine genauere Analyse der Lafonta-Entscheidung allgemeine Rückschlüsse auf das europarechtliche Leitbild des verständigen Anlegers,443 die es im Fortgang der Untersuchung herauszuarbeiten gilt.

443 Zu den aus der Untersuchung abgeleiteten Folgerungen für den Maßstab des verständigen Anlegers siehe unten, Kapitel 3 sowie die Schlussbetrachtung.

Kapitel 2

Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den Vereinigten Staaten von Amerika Insbesondere bei einem vergleichsweise jungen Rechtsgebiet wie dem des Kapitalmarktrechts ist ein Blick auf ausländische Rechtsordnungen vielversprechend, um aus dortigen Erkenntnissen sowie aus Gemeinsamkeiten und Unterschieden Schlussfolgerungen für die Auslegung des eigenen Rechts ziehen zu können. In Anbetracht der Tatsache, dass das Kapitalmarkt- und Insiderrecht in der angloamerikanischen Rechtsordnung auf eine weitaus längere Geschichte zurückblickt und durch seine Vorreiterrolle starken Einfluss auf das europäische Marktmissbrauchsrecht genommen hat, erscheint ein rechtsvergleichender Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika naheliegend. Hierbei soll sich die Untersuchung neben einem Überblick über das Regelungsgefüge auf die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Fragen konzentrieren, inwiefern das Vorliegen einer Insiderinformation im US-amerikanischen Recht an Voraussetzungen geknüpft ist, die mit der Kursspezifität und Kurserheblichkeit vergleichbar sind und welches Verständnis solchen Erfordernissen zugrunde liegt. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen schließlich für die Herausarbeitung des vorzugswürdigen Verständnisses der Lafonta-Entscheidung herangezogen werden und gleichzeitig eine allgemeine Hilfestellung bei der Auslegung des Tatbestands der Insiderinformation nach europäischem Recht bieten.

A. Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität in den USA I. Systematik Das US-amerikanische Marktmissbrauchsrecht weist im Vergleich zu seinem europäischen Pendant wesentliche konzeptionelle Unterschiede auf. Anders als in Art. 14 i.V.m. Art. 8 MMVO und Art. 17 MMVO erfolgt hier nicht per se ein spiegelbildliches Eingreifen von Insiderverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht durch eine einheitliche Anknüpfung an den Begriff der „Insiderinformation“, obgleich es häufig zu tatbestandlichen Überschneidungen von Veröffentlichungspflichten und Verbotstatbeständen kommen kann.

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

1. Insiderhandelsverbote a) Common law der Einzelstaaten Das US-amerikanische Verbot des Insiderhandels ist durch ein Zusammenspiel diverser Regelungsbereiche gekennzeichnet. Vor dem Einsetzen bundeseinheitlicher Regulierung spielte das einzelstaatliche common law, das weitestgehend als liberal empfunden wird, eine gegenüber heute bedeutendere Rolle.1 Ein wesentlicher Grund hierfür mag sein, dass die im frühen 20. Jahrhundert im Recht der Einzelstaaten entwickelten Haftungstheorien vornehmlich face-to-face transactions im Blick hatten, sodass sich beim anonymen Börsenhandel zwischen Insider und Anleger mangels einer duty to disclose bei einem bloßen Verschweigen von Insiderwissen grundsätzlich keine Haftungsgrundlage ergab.2 Stellvertretend für diese Sichtweise steht der Präzedenzfall Goodwin v. Agassiz, bei dem die Klage eines Anlegers gegen die Geschäftsführung eines Bergbauunternehmens zurückgewiesen wurde, nachdem diese vor dem Kauf von Aktien des Klägers an der Börse ihre Kenntnis von der Möglichkeit eines erheblichen Kupfervorkommens nicht offengelegt hatten.3 Das Gericht führte dabei zunächst aus, dass die Unternehmensgeschäftsführung grundsätzlich keine treuhänderische Position gegenüber individuellen Anlegern innehabe4 und spielte damit auf die von einigen Gerichten anerkannte majority rule an.5 Nach Statuierung dieses Grundsatzes stellte das Gericht indes klar, dass Umstände denkbar seien, aus denen sich eine Aufklärungspflicht auch gegenüber einem Anleger ergeben könnte, wenn dieser von dem Vorstand persönlich aufgesucht wird.6 Auch hierin wird eine Referenz auf eine prominente Haftungstheorie – die special circumstances rule – erblickt,7 die im Jahr 1909 vom US Supreme Court zugrunde gelegt wurde.8 Obwohl die Geschäftsführung beim Börsenhandel mit Anlegern im Grundsatz keiner Pflicht zur Veröffentlichung wesentlicher Informationen unterliege, könne eine solche Pflicht aus besonderen Umständen dennoch entstehen.9 Im Fall Goodwin v. Agassiz setzte das Gericht die persönliche Transaktion in Kontrast zum anonymen Börsenhandel: Hier lägen nach 1 Vgl. Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 273 f.; Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 551; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1058. 2 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1060 ff.; Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 273 ff. 3 Goodwin v. Agassiz, 186 N.E. 659 ff. (Mass. 1933). 4 Goodwin v. Agassiz, 186 N.E. 659, 660 (Mass. 1933). 5 Vgl. hierzu Carpenter v. Danforth, 52 Barb. 581, 589 (N.Y. Sup.Ct. 1868); Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 274. 6 Goodwin v. Agassiz, 186 N.E. 659, 661 (Mass. 1933). 7 So Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 842; Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 276. 8 Strong v. Repide, 213 U.S. 419, 29 S.Ct. 521 (1909). 9 Strong v. Repide, 213 U.S. 419, 431, 29 S.Ct. 521, 525 (1909).

A. Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität in den USA

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der Meinung des Gerichts die erforderlichen besonderen Umstände zur Begründung einer Aufklärungspflicht nicht vor.10 Da die bundesstaatliche Regulierung des Insiderhandels als Reaktion auf den Börsencrash 1929 in etwa zeitgleich mit dem eben genannten Präzedenzfall einsetzte, verschob sich der Fokus des Insiderrechts auf die Bundesebene und ließ die Entwicklung des einzelstaatlichen common law stagnieren, sodass wohl zumindest im Hinblick auf Börsentransaktionen die im Fall Goodwin v. Agassiz statuierte Rechtsauffassung im Recht der Bundesstaaten vorherrschend geblieben ist.11 b) Bundesstaatliche Gesetzgebung Nach der durch den Börsencrash ausgelösten Depression galt es, das verloren gegangene Vertrauen der Anleger in die Integrität des Kapitalmarkts wiederzugewinnen.12 Das US-Insiderrecht verfolgte dementsprechend von Beginn der bundesstaatlichen Regulierung an als primäres Regelungsziel den Schutz individueller Anleger, welcher mitunter auch der disclosure philosophy13 zugrunde liegt.14 aa) § 10(b) des Securities Exchange Act und rule 10b-5 1934 erließ der Kongress den Securities Exchange Act, mit dem auch die USWertpapieraufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) geschaffen wurde. Den Kern des bundeseinheitlichen Insiderverbots bildet § 10(b) des Securities Exchange Act, der eine Blankettnorm darstellt, die betrügerisches Verhalten im Zusammenhang mit dem Aktienhandel verbietet.15 Dementsprechend wird Insiderhandel nach US-amerikanischer Dogmatik als Betrug verstanden, bei dem der Insider durch das Verschweigen von Informationen gegen eine Aufklärungspflicht verstößt.16 So besagt § 10(b) des Securities Exchange Act: 10

Vgl. Goodwin v. Agassiz, 186 N.E. 659, 661 (Mass. 1933); Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 276 f. 11 Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 278. Gleichwohl existiert in einer Minderheit der Mitgliedsstaaten unabhängig vom Vorliegen besonderer Umstände bei face-toface transactions eine allgemeine Pflicht zur Offenlegung aller wesentlichen nicht öffentlichen Informationen, vgl. Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 842; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1062. 12 Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 147; Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 280. 13 Vgl. hierzu Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 117 ff. 14 Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 174; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 562; vgl. Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 280; vgl. Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 338 (2016). Vgl. auch die Ausführungen des Richters Blackmun im Namen des Supreme Court im Fall Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 230, 108 S.Ct. 978, 982 (1988): „The 1934 Act was designed to protect investors against manipulation of stock prices.“ 15 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1066 f. 16 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 52.

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA „It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by the use of any means or instrumentality of interstate commerce or of the mails, or of any facility of any national securities exchange […] (b) To use or employ, in connection with the purchase or sale of any security registered on a national securities exchange or any security not so registered, or any securities-based swap agreement any manipulative or deceptive device or contrivance in contravention of such rules and regulations as the Commission may prescribe as necessary or appropriate in the public interest or for the protection of investors.“17

In § 10(b) des Securities Exchange Act findet sich also kein ausdrückliches Verbot des Insiderhandels. Gleichwohl bildet diese Norm die Grundlage des amerikanischen Insiderverbots, was insbesondere auf die praktisch bedeutende rule 10b-5 zurückzuführen ist, durch die die SEC von ihrer in § 10(b) des Securities Exchange Act vorgesehenen Ermächtigung zum Erlass konkretisierender Vorschriften Gebrauch gemacht hat.18 Doch auch bei Erlass von rule 10b-5 war es nicht die ursprüngliche Intention, hiermit dem Insiderhandel auf dem Sekundärmarkt zu begegnen.19 Vielmehr stand die Verhinderung des gezielten Inverkehrbringens von schlechten Nachrichten zur Kurssenkung und des darauffolgenden Erwerbs des betreffenden Finanzinstruments im Mittelpunkt,20 indem durch rule 10b-5 normiert wurde: „It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by the use of any means or instrumentality of interstate commerce, or of the mails, or of any facility of any national securities exchange, (a) To employ any device, scheme, or artifice to defraud, (b) To make any untrue statement of a material fact or to omit to state a material fact necessary in order to make the statements made, in the light of the circumstances under which they were made, not misleading, or (c) To engage in any act, practice, or course of business which operates or would operate as a fraud or deceit upon any person, in connection with the purchase or sale of any security.“21

17

15 U.S.C.A. § 78j. Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 574; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1066 f.; Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 149; Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 281; Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 845. Mittlerweile wurde rule 10b-5 im Hinblick auf die Frage, ob für die Haftung des Insiders der Besitz der Information genügt, durch rule 10b-5-1 konkretisiert, vgl. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 130. 19 Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 281; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1067. 20 Soderquist/Gabaldon, Securities Law, 4. Auflage 2011, S. 151; Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 574 f.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1067. 21 17 C.F.R. § 240.10b–5. 18

A. Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität in den USA

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Das moderne Insiderhandelsverbot, welches auch den Börsenhandel ohne unmittelbaren persönlichen Kontakt zwischen den Parteien erfasst, ist vielmehr das Ergebnis von Administrativhandlungen der SEC und durch Präzedenzfälle geschaffenen Richterrechts.22 Rule 10b-5 bildet insofern den Ausgangspunkt des gesamten insiderrechtlichen Anlegerschutzes.23 Insbesondere die Rechtsprechung sorgte für eine zunehmende Konturierung der sich allgemein gegen Betrug richtenden Vorschriften in Richtung des modernen Insiderverbots. bb) Cady, Roberts & Co. und Texas Gulf Sulphur: Die equal access theory Von entscheidender Bedeutung für die Erweiterung des Insiderhandelsverbots über die Fälle von face-to-face transactions hinaus war das Verwaltungsverfahren der SEC gegen Cady, Roberts & Co., in dem die SEC einen Verstoß gegen rule 10b-5 im Zusammenhang mit einer Transaktion am anonymen Börsenmarkt bejahte.24 In casu stellte die SEC die auch für die Publizitätspflicht bedeutende disclose or abstain rule auf, wonach ein Insider wesentliche, bisher unveröffentlichte Informationen über ein Unternehmen offenzulegen habe, sofern er mit Wertpapieren dieses Unternehmens Handel treiben wolle – anderenfalls müsse er vom Handel absehen.25 Maßgeblich hänge die Anwendung von rule 10b-5 von zwei Elementen ab: Es müsse eine Beziehung existieren, aufgrund derer dem Handelnden ein direkter oder indirekter Zugang zu Informationen eröffnet werde, die ausschließlich für Gesellschaftszwecke verfügbar sein sollten und eine dieser Sachlage inhärente Unfairness, die daraus resultiere, dass eine Partei in Kenntnis der Tatsache, dass seinem Geschäftspartner diese Information unzugänglich ist, einen Vorteil aus dieser ziehe.26 Die von der SEC in Cady, Roberts & Co. vertretene Rechtsauffassung wurde wenige Jahre später durch den US Court of Appeals for the Second Circuit in der Rechtssache SEC v. Texas Gulf Sulphur gerichtlich bestätigt.27 Nicht nur wurde die disclose or abstain rule bundesgerichtlich anerkannt, auch manifestierte das Gericht

22

Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 281. Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, 2000, S. 39. 24 In re Cady, Roberts & Co., 40 S. E.C. 907 (1961). Vgl. zur ausdrücklichen Anwendung von rule 10b-5 auf den Börsenhandel auch Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848 (2d Cir. 968). 25 In re Cady, Roberts & Co., 40 S. E.C. 907, 911 (1961). Es besteht insofern also keine abstrakte Offenlegungspflicht, vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1068. Zur disclose or abstain rule siehe Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 578 ff.; Krause/Brellochs, AG 1995, 173, 177. 26 In re Cady, Roberts & Co., 40 S. E.C. 907, 912 (1961). 27 Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833 (2d Cir. 1968). 23

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

die equal access theory als Haftungsprinzip,28 wonach rule 10b-5 auf der gerechtfertigten Annahme der Anleger beruhe, dass diese gleichen Zugang zu wesentlichen Informationen erhielten.29 Infolge dieser extensiven Auslegung wurde jeder, der sich in Besitz von Insiderinformationen befand, der disclose or abstain rule unterworfen.30 cc) Chiarella und Dirks: Die fiduciary duty theory und die Haftung von tippees Der hierdurch erheblich erweiterte Anwendungsbereich des Insiderrechts wurde im Jahr 1980 vom Supreme Court in der Rechtssache Chiarella v. United States wieder eingeschränkt.31 Der Supreme Court betonte die Notwendigkeit einer Offenlegungspflicht für die Einordung eines Verschweigens von wesentlichen Informationen als Betrug, welche aus einem Treue- oder Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen könne.32 Eine generelle, aus dem bloßen Besitz von wesentlichen, nicht öffentlichen Informationen resultierende Pflicht zwischen allen Marktteilnehmern, von Transaktionen auf Grundlage dieser Informationen abzusehen, könne weder dem Gesetzeswortlaut, noch der Historie von § 10(b) des Securities Exchange Act entnommen werden.33 Damit verwarf der Supreme Court die equal access theory und manifestierte die fiduciary duty theory an ihrer Stelle.34 Im Hinblick auf die in den 1980er Jahren zunehmenden Insiderhandelsaktivitäten im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen sah sich die SEC zum Handeln gezwungen.35 Als Antwort auf die Verengung des Anwendungsbereichs durch den Fall Chiarella erließ die SEC auf Grundlage des § 14(e)-3 des Securities Exchange Act rule 14e-3, um Gesetzeslücken im Bereich des Insiderhandels bei öffentlichen Übernahmeangeboten zu schließen, die durch die restriktive Auslegung des Supreme 28

Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 290 f.; Schacht, Das Insiderhandelsverbot bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, 2002, S. 97 f.; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 38. 29 Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848 f.; 851 f. (2d Cir. 968). 30 Das Gericht führte in Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848 (2d Cir. 968) aus: „Thus, anyone in possession of material inside information must either disclose it to the investing public, or, if he is disabled from disclosing it in order to protect a corporate confidence, or he chooses not to do so, must abstain from trading in or recommending the securities concerned while such inside information remains undisclosed.“ 31 Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 100 S.Ct. 1108 (1980). 32 Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 230, 100 S.Ct. 1108, 1115 (1980). 33 Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 233 ff., 100 S.Ct. 1108, 1117 f. (1980). 34 Schacht, Das Insiderhandelsverbot bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, 2002, S. 98 f.; Schweizer, Insiderverbote, 1997, S. 74 f. 35 Vgl. Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 297.

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Court entstanden waren.36 Dementsprechend erfordert rule 14e-3, die an den Besitz von material information im Zusammenhang mit einem Übernahmegebot anknüpft, für die Erfüllung des Tatbestands nicht das Vorliegen einer Treuepflicht.37 In den Folgejahren wurde die fiduciary duty theory weiter konkretisiert. So entwickelte der Supreme Court in der Rechtssache Dirks v. SEC38 Kriterien für die abgeleitete Haftung von Outsidern, die von Insidern auf Grundlage ihrer Insiderinformationen einen Hinweis erhalten („tippee“).39 Da der tippee anders als der Insider, der gegenüber der Gesellschaft und ihren Anteilsinhabern einer Treuepflicht unterliegt, typischerweise selbst nicht in einer solchen Beziehung steht,40 bereitete die Begründung der Haftung eines solchen Outsiders nach der expliziten Verwerfung der equal access theory konzeptionelle Schwierigkeiten, denen der Supreme Court zu begegnen hatte.41 Seine Haftung, so entschied der Supreme Court, solle daher davon abhängen, dass der Insider zu seinem persönlichen Vorteil wissentlich seine Treuepflicht verletzt habe und der tippee hiervon Kenntnis hatte oder dies zumindest hätte wissen müssen.42 Das Gericht hielt damit am Erfordernis einer Treuepflichtverletzung fest und statuierte ein derivatives Konzept für die Haftung von Outsidern. dd) O’Hagan: Die misappropriation theory Die Rechtsprechungsentwicklung von der Rechtssache SEC v. Texas Gulf Sulphur bis zur Entscheidung Dirks v. SEC macht den bereits erwähnten Balanceakt zwischen der Gewährleistung eines möglichst gleichen Informationsniveaus der Anleger durch die equal access theory als Haftungsprinzip und der Verhinderung einer zu weiten Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Insiderrechts durch das Erfordernis einer Treuepflichtverletzung des Insiders transparent. In die Mitte dieser beiden Positionen fiel die Sachlage im Fall U.S. v. O’Hagan.43

36 Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 297; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1082. Näheres zu rule 14e-3 findet sich bei Schacht, Das Insiderhandelsverbot bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, 2002, S. 107 ff. 37 Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 298. 38 Dirks v. Securities and Exchange Commission, 463 U.S. 646, 103 S.Ct. 3255 (1983); jüngst bestätigt durch Salman v. United States, 137 S.Ct. 420 (2016), insbesondere hinsichtlich des Erfordernisses der Erlangung eines persönlichen Vorteils des Insiders durch eine Schenkung an nahestehende Dritte als tippees. 39 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1079; Hall, 44 U. Kan. L. Rev. 867, 873 (1996). 40 Dirks v. Securities and Exchange Commission, 463 U.S. 646, 655, 103 S.Ct. 3255, 3261 f. (1983). 41 Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 294. 42 Dirks v. Securities and Exchange Commission, 463 U.S. 646, 659 ff., 103 S.Ct. 3255, 3264 f. (1983); Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 620; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1079. 43 United States v. O’Hagan, 521 U.S. 642, 117 S.Ct. 2199 (1997).

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James Herman O’Hagan hatte, nachdem er im Rahmen seiner Tätigkeit als Partner einer Anwaltssozietät von dem Vorhaben einer Unternehmensübernahme durch einen Mandanten seiner Sozietät erfahren hatte, eine Vielzahl an Finanzinstrumenten des target erworben.44 Er selbst war in die Beratung der Bietergesellschaft bei der Transaktion allerdings nicht eingebunden gewesen.45 Mangels einer Treuepflicht zu diesem Unternehmen oder seinen Aktionären konnte eine Haftung nicht auf Grundlage der klassischen fiduciary duty theory hergeleitet werden, auch kam eine Haftung als tippee nicht in Betracht. Der Supreme Court statuierte neben der fiduciary duty theory die misappropriation theory,46 um derlei missbilligtes Handeln von corporate outsidern zu erfassen.47 Hiernach könne eine Haftung nach § 10(b) des Securities Exchange Act und rule 10b-5 auch daraus resultieren, dass der Handelnde vertrauliche Informationen für eigene Zwecke missbraucht und eine Treuepflicht gegenüber seinem Prinzipal verletzt, indem er ohne eine Offenlegung gegenüber dem Prinzipal einen Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten auf Grundlage von Informationen vornimmt, die ausschließlich dem Prinzipal zustehen.48 Die US-amerikanische Dogmatik des Insiderrechts wurde hiermit um eine weitere – wenn auch nicht unbestrittene49 – Haftungstheorie ergänzt. ee) Schutz der Gesellschaft durch § 16(b) des Securities Exchange Act Ebenfalls ohne den Insiderhandel ausdrücklich zu untersagen, trägt eine weitere Norm des Bundesrechts zu dessen Prävention bei: § 16(b) des Securities Exchange Act bezweckt durch die Abschöpfung des aus dem Insidergeschäft gewonnenen Profits, diesem den Anreiz zu nehmen.50 Die am ehesten vergleichbare Regelung des europäischen Rechts findet sich in Art. 19 MMVO, der Mitteilungspflichten bei directors’ dealings statuiert, aber keine Regelung zur Gewinnabschöpfung enthält. Der vornehmlich auf Anlegerschutz abzielende § 10(b) des Securities Exchange Act wird durch § 16(b) des Securities Exchange Act ergänzt, indem officers, directors und Großaktionäre zum Schutz der Gesellschaft, deren Anteile von ihnen gehandelt 44

United States v. O’Hagan, 521 U.S. 642, 647 f., 117 S.Ct. 2199, 2205 (1997). United States v. O’Hagan, 521 U.S. 642, 647 f., 117 S.Ct. 2199, 2205 (1997). 46 Vgl. aber bereits die Ausführungen des Richters Burger für die Anwendung der misappropriation theory in seiner dissenting opinion im Fall Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 240., 100 S.Ct. 1108, 1121 (1980): „[…] a person who has misappropriated nonpublic information has an absolute duty to disclose that information or to refrain from trading.“ Siehe ferner United States v. Carpenter, 791 F.2d 1024 (2d Cir. 1986) sowie die Bestätigung der Entscheidung durch den Supreme Court durch Carpenter v. United States, 484 U.S. 19, 108 S.Ct. 316 (1987). Kritisch zur misappropriation theory Painter/Krawiec/Williams, 84 Va. L. Rev. 153 ff. (1998); Brodsky/Kramer, 20 Cardozo L. Rev. 41 ff. (1998). 47 Vgl. United States v. O’Hagan, 521 U.S. 642, 652 f., 117 S.Ct. 2199, 2207 (1997); Schacht, Das Insiderhandelsverbot bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, 2002, S. 103. 48 United States v. O’Hagan, 521 U.S. 642, 652 f., 117 S.Ct. 2199, 2207 (1997). 49 Vgl. Steinhauer, Insiderhandelsverbot, 1999, S. 158 ff. m.w.N. 50 Taylor, 39 Ariz. L. Rev. 1315, 1317 (1997). 45

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werden, short-swing trading profits an die Gesellschaft abführen müssen.51 Hierzu knüpft die Norm eine Pflicht zur Gewinnabführung an kurzfristige Wertpapieranund -verkäufe, da bei diesen eine Vermutung dafür besteht, dass die Transaktion auf Grundlage von Insiderinformationen erfolgte.52 c) Zwischenergebnis Dem Insiderhandel wird nach dem US-Recht folglich durch ein Zusammenwirken diverser Regelungen begegnet. In deren Mittelpunkt steht das allgemeine Verbot betrügerischen Verhaltens am Kapitalmarkt, welches durch jahrzehntelange Rechtsprechung seine Konturen erhalten hat. Anders als im Marktmissbrauchsrecht hängt die Anwendbarkeit des US-amerikanischen Insiderrechts also nicht von der Existenz einer Insiderinformation als zentralem Anknüpfungspunkt ab. Maßgeblich ist nach dem modernen dogmatischen Verständnis des § 10(b) des Securities Exchange Act und der rule 10b-5 vielmehr die Verletzung einer Treuepflicht des Insiders gegenüber der Gesellschaft oder des misappropriators gegenüber seinem Prinzipal. Flankierend hinzu treten rule 14e-3, die die im insiderrechtlichen Kontext besonders bedeutsamen M&A-Transaktionen in den Fokus nimmt sowie § 16(b) des Securities Exchange Act, der vornehmlich den Schutz der Gesellschaft bezweckt. 2. Ad-hoc-Publizitätspflichten „Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman.“53 Diese von Louis D. Brandeis vor über einem Jahrhundert herangezogene Metapher steht stellvertretend für die disclosure philosophy, die nicht nur dem Securities Act von 1933 zugrunde liegt, sondern sich auch in weiten Teilen des Securities Exchange Act von 1934 widerspiegelt.54 a) § 10(b) des Securities Exchange Act und rule 10b-5 Während nach der MMVO die Kehrseite des Insiderhandelsverbots nach Art. 14 MMVO die Ad-hoc-Publizitätspflicht aus Art. 17 MMVO darstellt, die bei Vorliegen einer den Emittenten unmittelbar betreffenden Insiderinformation grundsätzlich spiegelbildlich einsetzt, sieht die auf rule 10b-5 fußende disclose or abstain rule keinen derartigen Gleichlauf vor. Eine hieraus ableitbare Offenlegungspflicht trifft den Insider – nicht den Emittenten – vielmehr erst dann, wenn er 51 Siehe ausführlich zu § 16(b) des Securities Exchange Act Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1113 ff.; Hazen, Securities Regulation, 6. Auflage 2009, S. 535 ff.; Soderquist/Gabaldon, Securities Law, 4. Auflage 2011, S. 175 ff. 52 Heinrich, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, § 15a Rn. 25; Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 651 f. 53 Brandeis, Other People’s Money, 1914, S. 92. 54 Loss/Seligman, Securities Regulation, 5. Auflage 2004, S. 36 ff.

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sich der Transaktion nicht enthält.55 Sieht der Insider aber von dem Geschäft ab, trifft ihn nach der Auffassung des Supreme Court auch keine aus rule 10b-5 abzuleitende Veröffentlichungspflicht: „[A] duty to disclose under § 10(b) does not arise from the mere possession of nonpublic market information.“56 Eine aus rule 10b-5 resultierende duty to speak existiert nach der half-truth rule aber insofern, als freiwillige Angaben des Emittenten gegenüber dem Kapitalmarkt vollständig und nicht irreführend sein dürfen.57 Darüber hinaus trifft die Gesellschaft eine duty to correct, sobald sie davon Kenntnis erlangt, dass von ihr veröffentlichte Darstellungen bereits zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe falsch oder irreführend waren.58 Ebenfalls kann sie eine duty to update treffen, wenn eine ursprünglich korrekte Veröffentlichung infolge später eintretender Ereignisse oder Entwicklungen irreführend, falsch oder unvollständig geworden ist.59 b) § 13(a)(1) und § 13(l) des Securities Exchange Act Anlassbezogene, originäre Publizitätspflichten können sich insbesondere aus bundesrechtlichen Vorschriften und den konkretisierenden Verordnungen der SEC ergeben. So verpflichtet § 13(a)(1) des Securities Exchange Act, der insbesondere als Ergänzung der periodischen Publizitätspflicht des Emittenten aus § 13(a)(2) des Securities Exchange Act dient,60 Emittenten, Angaben über den Emittent selbst und seine Wertpapiere auf einem „vernünftig aktuellen“61 Stand zu halten.62 Diese Veröffentlichungspflicht wurde mit Erlass von § 13(l) des Securities Exchange Act in ihrer Reichweite erweitert und hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Einsetzens modi-

55 Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 578; Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 177. 56 Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 235, 100 S.Ct. 1108, 1118 (1980). 57 Vgl. Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur, 401 F.2d 833, 861 f. (2d Cir. 1968); Block/Barton/Garfield, 40 Bus. Law. 1243, 1250 f. (1985); Oesterle, 20 Cardozo L. Rev. 135, 143 f. (1998); Huang, 13 Sup. Ct. Econ. Rev. 99, 112 (2005); Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 7. 58 Vgl. Backman v. Polaroid Corp., 910 F.2d 10, 16 f. (1st Cir. 1990); Oesterle, 20 Cardozo L. Rev. 135, 147 (1998); Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 644; Loss/Seligman, Securities Regulation, 5. Auflage 2004, S. 958 ff.; Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 177; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 572. 59 So die Auffassung des Third Circuit des US Court of Appeals in der Rechtssache Greenfield v. Heublein, 742 F.2d 751, 758 (3rd Cir. 1984); Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 644 f.; Oesterle, 20 Cardozo L. Rev. 135, 148 (1998); Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 7; a.A. aber der Seventh Circuit des US Court of Appeals, vgl. Stransky v. Cummins Engine Company, Inc., 51 F.3d 1329, 1332 (7th Cir. 1995); Gallagher v. Abbott Laboratories, 269 F.3d 806, 810 f. (7th Cir. 2001). 60 Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 177. 61 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 4. 62 Vgl. 15 U.S.C.A. § 78 m; § 13(a)(1) Securities Exchange Act.

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fiziert.63 § 13(l) des Securities Exchange Act dient der Umsetzung von § 409 des Sarbanes-Oxley Act von 2002 und stellt durch die Statuierung einer laufenden Veröffentlichungspflicht für wesentliche Informationen die mit Art. 17 MMVO am ehesten vergleichbare Regelung dar.64 Die Norm sieht real time issuer disclosures vor, die den Emittenten zur sofortigen Publizierung wesentlicher Veränderungen seiner Finanzlage oder Geschäftstätigkeit verpflichten: „Each issuer reporting under subsection (a) of this section or section 78o(d) of this title shall disclose to the public on a rapid and current basis such additional information concerning material changes in the financial condition or operations of the issuer […].“

In Konkretisierung der § 13(a)(1) und § 13(l) des Securities Exchange Act hat die SEC in rule 13a-11 das Formblatt Form 8-K (current report) erlassen, das in seinem Anwendungsbereich die Publizitätspflicht auslösenden Sachverhalte in Form von triggering events65 enumerativ aufzählt.66 c) Regulation Fair Disclosure Dem Bestreben der SEC, durch das Prinzip des full and fair disclosure ein level playing field für die Anleger zu schaffen und hiermit deren Vertrauen in die Integrität des Kapitalmarkts zu stärken, lief die Praxis selektiver Informationsweitergabe von Emittenten an Analysten stark zuwider.67 Um dieser Problematik wirksam begegnen zu können, führte die SEC eine weitere Offenlegungspflicht in Form der Regulation Fair Disclosure (Regulation FD) ein, da an die Verletzung von rule 10b-5 infolge der Dirks-Entscheidung des Supreme Court erhöhte Anforderungen gestellt waren.68 Diese Regelung, die im Gegensatz zum heutigen dogmatischen Verständnis des amerikanischen Insiderverbots auf dem Prinzip des gleichberechtigten Informationszugangs beruht,69 normiert vergleichbar mit der Vorschrift des Art. 17 Abs. 8 MMVO eine Pflicht des Emittenten, „material nonpublic information“70 inhaltsgleich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, falls diese an einen bestimmten Personenkreis übermittelt wurde.71 Die Beeinträchtigung etwaiger Geheimhaltungs63

Soderquist/Gabaldon, Securities Law, 4. Auflage 2011, S. 165. Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 565. 65 Vgl. Soderquist/Gabaldon, Securities Law, 4. Auflage 2011, S. 124. 66 Hazen, Securities Regulation, 6. Auflage 2009, S. 317 f.; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 5; Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 177; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 567; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 39. 67 Daly/Del Giorno, 16 St. John’s J. Legal Comment. 457, 457 f. (2002); Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 296. 68 Mudd, 80 Wash. U. L. Q. 971, 972 (2002); Fleischer, ZGR 2009, 505, 515 f.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 17 Rn. 461. 69 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 17 Rn. 461. 70 Vgl. 17 C.F.R. § 243.100(a). 71 Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 566. 64

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interessen des Emittenten durch die Statuierung dieser Veröffentlichungspflicht ist hier insofern abgemildert, als dass die Regulation FD, die an den materiality-Standard72 anknüpft, Fälle erfasst, bei denen der Eingriff in diese Interessen infolge der Weitergabe der Information durch den Emittenten gerechtfertigt erscheint.73 d) Listing rules der Wertpapierbörsen Schließlich können sich anlassbezogene Publizitätspflichten aus dem Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten74 und den listing rules der Wertpapierbörsen ergeben.75 So enthalten Beispielsweise die Bestimmungen der New York Stock Exchange (NYSE) Regelungen, die die gelisteten Gesellschaften zur Veröffentlichung von Informationen verpflichten, von denen vernünftigerweise zu erwarten ist, dass sie den Markt für ihre Aktien wesentlich beeinflussen werden.76 Regelmäßig enthalten die listing rules aber Tatbestände, die einen vorübergehenden Aufschub der Veröffentlichung zulassen.77 Auch können Privatanleger wegen eines Verstoßes gegen Börsenrichtlinien keine Schadensersatzansprüche geltend machen.78 Ein Verstoß gegen diese Regelungen hat aber nicht ausschließlich Sanktionen der jeweiligen Wertpapierbörse zur Folge, da hier auch § 21(d) und § 32(a) des Securities Exchange Act anwendbar sind; zudem kommt ein gleichzeitiger Verstoß gegen rule 10b-5 in Betracht.79

II. Kurserheblichkeit und Kursspezifität im US-Insiderrecht Während das US-amerikanische Insiderrecht aufgrund des offen formulierten Betrugstatbestands vornehmlich durch den Wandel der durch die Rechtsprechung vertretenen Haftungskonzepte gekennzeichnet ist, steht im europäischen Marktmissbrauchsrecht und dem dort expressis verbis formulierten Insiderhandelsverbot 72

Hierzu sogleich, Kapitel 2, A.II.1. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 146. 74 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 3. 75 Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 175 f.; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 471; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 3. 76 Vgl. NYSE Listed Company Manual § 202.05: „A listed company is expected to release quickly to the public any news or information which might reasonably be expected to materially affect the market for its securities.“ 77 Vgl. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 147 f.; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 576 f. 78 Vgl. Jablon v. Dean Witter & Co., 614 F.2d 677, 680 f. (9th Cir. 1980); Winterrowd v. David Freedman and Co., Inc., 724 F.2d 821, 823 (9th Cir. 1984); In re Verifone Securities Litigation, 11 F.3d 865, 870 (9th Cir. 1993); Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 148; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 577; Gruson/ Wiegmann, AG 1995, 173, 176. 79 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 20. 73

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die Auslegung der Tatbestandsmerkmale wohl eher im Vordergrund. Indes ist auch die Konkretisierung des Merkmals der materiality im Tatbestand der rule 10b-5 nicht weniger problematisch. 1. Kurserheblichkeit – material information? Im europäischen Marktmissbrauchsrecht ist das Erfordernis der Kurserheblichkeit einer Information das zentrale Tatbestandselement der Insiderinformation, das häufig über das Eingreifen von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität entscheidet. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich das insbesondere in der deutschen Privatrechts- und Wirtschaftsordnung häufig auftretende Amerikanisierungsphänomen80 auch in der europäischen Gesetzgebung in Gestalt des Marktmissbrauchsrechts wiederfindet. a) Entwicklung des materiality-Standards in der Rechtsprechung aa) Die Ursprünge in TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc. und Basic, Inc. v. Levinson Die auf rule 10b-5 fußende disclose or abstain rule trifft den Insider nur im Hinblick auf wesentliche Informationen (material information). Auch knüpfen Publizitätspflichten wie die Regulation FD an den Begriff der materiality an, während für andere Veröffentlichungspflichten, wie diejenige aus Form 8-K, je nach Kontext der Veröffentlichungspflicht differenziert werden muss, ob die Verwendung des Begriffs material anhand des von rule 10b-5 bekannten Maßstabs zu konkretisieren ist.81 (1) Der reasonable investor test Die Entwicklung eines klar definierten materiality-Standards beschäftigt das höchste US-amerikanische Gericht dementsprechend bereits seit über vierzig Jahren. Der bis heute von der Rechtsprechung herangezogene Maßstab wurde vom Supreme Court erstmals im Recht der Stimmrechtsvollmachten etabliert:82 „An omitted fact is material if there is a substantial likelihood that a reasonable shareholder would consider it important how to vote. […] [T]here must be a substantial likelihood that the disclosure of the omitted fact would have been viewed by the reasonable investor as having significantly altered the ,total mix‘ of information made available.“83 80

Siehe hierzu sowie zu einzelnen Grundsatz- und Praxisproblemen der Amerikanisierungstendenzen im Recht des Unternehmenskaufs Merkt, in: FS Sandrock, 2000, S. 657 ff. 81 Siehe hierzu sowie ausführlich zu einzelnen Publizitätspflichten Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 137 ff. 82 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1073. 83 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 449, 96 S.Ct. 2126, 2132 (1976).

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Diese im Fall TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc.84 zu rule 14a-9 statuierte Formel wird mittlerweile in allen kapitalmarktrechtlichen Kontexten verwendet,85 nachdem der Supreme Court diesen Maßstab im Fall Basic, Inc. v. Levinson86 ausdrücklich für den insiderrechtlichen Kontext des § 10(b) des Securities Exchange Act und rule 10b-5 herangezogen hatte.87 Damit entscheidet die Frage, ob ein verständiger Anleger eine Information bei seiner Anlageentscheidung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit berücksichtigen würde, darüber, ob die Information dem materiality-Standard genügt. Der Supreme Court legt der Frage der Wesentlichkeit einer Information damit einen objektiven Maßstab zugrunde.88 Diese Formel ist nicht nur die Übersetzung des für den insiderrechtlichen Kontext wesentlichen Teils des in TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc. begründeten Maßstabs – beinahe Wortgleich lautet die Konkretisierung der Kurserheblichkeit in Art. 7 Abs. 4 MMVO.89 Der europäische Gesetzgeber hat den durch den US Supreme Court entwickelten materiality-Standard unverkennbar in Art. 7 Abs. 4 MMVO implementiert.90 Nach den Maßstäben des US Supreme Court ist also ausschlaggebend, dass sich bei Offenlegung der Tatsache das Gesamtbild der dem Investor zur Verfügung stehenden Informationen bedeutend geändert hätte.91 Die Frage der Wesentlichkeit hängt damit auch vom Kontext der Information ab.92 Dabei ist nicht entscheidend, dass der Anleger bei Kenntnis der Information mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sein Verhalten geändert hätte, sondern dass die Informationen in seinen Erwägungen tatsächlich Bedeutung erlangt haben würde.93 Die Information muss mithin ein relevantes Abwägungskriterium für die Anlageentscheidung darstellen, sie muss im Rahmen dieses Prozesses als erheblicher Faktor Berücksichtigung finden. Zweck des Erfordernisses ist es, diejenigen im Wesentlichen unbrauchbaren Informationen 84

TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 96 S.Ct. 2126 (1976). Soderquist/Gabaldon, Securities Law, 4. Auflage 2011, S. 167. 86 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 108 S.Ct. 978 (1988). 87 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 232, 108 S.Ct. 978, 983 (1988). 88 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 445, 96 S.Ct. 2126, 2130 (1976). 89 Art. 7 Abs. 4 MMVO lautet: „Für die Zwecke des Absatzes 1 […] sind unter „Informationen, die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs von Finanzinstrumenten […] spürbar zu beeinflussen“ Informationen zu verstehen, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.“ 90 Vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013) 349, 371 zu Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG. Zur grundsätzlichen Anlehnung des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit an den materiality-Standard siehe ferner die Nachweise unten, Kapitel 2, Fn. 216. 91 Vgl. Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 178. 92 M. V. Sachs, 81 Tul. L. Rev. 473, 485 f. (2006 – 2007). 93 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 439, 449, 96 S.Ct. 2126, 2128, 2132 (1976); vgl. ferner Hannam v. The Financial Conduct Authority [2014] UKUT 0233 (TCC), Rn. 116: „The information has to be sufficiently material that it may have an effect on [the decisions of a reasonable investor].“ 85

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herauszufiltern, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung selbst als Bestandteil einer größeren Anzahl von Faktoren nicht als erheblich betrachten würde.94 Das Gericht weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Notwendigkeit hin, den materiality-Standard nicht zu niedrig anzusetzen, verleite ein Minimalstandard die Unternehmensführung doch dazu, Anleger mit einem Übermaß an trivialen Informationen zu überfluten. Dies würde nur schwerlich zur Ermöglichung informierter Anlageentscheidungen beitragen.95 Aus diesem Grund wurde vom Supreme Court zur Bestimmung der materiality auch nicht an den in der Rechtssache Mills v. Electric Auto-Lite Company96 begründeten weiten „mightTest“97 angeknüpft, sondern dem engeren „would-Test“98 aus TSC der Vorzug gewährt.99 (2) Ungewisse Ereignisse Da der Fall Basic, Inc. v. Levinson die Nichtveröffentlichung von Übernahmeverhandlungen zum Gegenstand hatte, musste sich das Gericht mit den Auswirkungen ungewisser und zukünftiger Unternehmensereignisse auf die Investitionsentscheidung verständiger Anleger auseinandersetzen.100 Der Supreme Court entschied, dass in derlei Fällen die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses in Bezug zu den erwarteten Auswirkungen des Ereignisses in Anbetracht der Gesamttätigkeit des Unternehmens zu setzen sei, um die materiality der besagten Information zu beurteilen.101 Damit wurde die bereits aus dem Urteil Texas Gulf Sulphur bekannte probability/magnitude-Formel102 von der höchsten gerichtlichen Instanz der Vereinigten Staaten anerkannt. Allerdings führt nach der Rechtsprechung des Ninth Circuit auch ein potentiell schwerwiegender Verlust einer Gesellschaft

94 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 448 f., 96 S.Ct. 2126, 2132 (1976); Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 234, 108 S.Ct. 978, 985 (1988). 95 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 448 f., 96 S.Ct. 2126, 2132 (1976); Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 231, 108 S.Ct. 978, 983 (1988). 96 Mills v. Electric Auto-Lite Company, 396 U.S. 375, 90 S.Ct. 616 (1970). 97 Vgl. Mills v. Electric Auto-Lite Company, 396 U.S. 375, 384, 90 S.Ct. 616, 621 (1970): „Where the misstatement or omission in a proxy statement has been shown to be ,material‘, as it was found to be here, that determination itself indubitably embodies a conclusion that the defect was of such a character that it might have been considered important by a reasonable shareholder who was in the process of deciding how to vote.“ 98 Vgl. TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 449, 96 S.Ct. 2126, 2132 (1976): „An omitted fact is material if there is a substantial likelihood that reasonable shareholder would consider it important how to vote.“ 99 Zu diesen Begriffen und der Rechtsprechungsentwicklung siehe Klöhn, ZIP 2014, 945, 948. 100 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 226 ff., 108 S.Ct. 978, 981 ff. (1988). 101 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 238, 108 S.Ct. 978, 987 (1988). 102 Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 849 (2nd Cir. 968).

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nicht zu einer Offenlegungspflicht, sofern der Verlust nur eine verschwindend geringe Eintrittswahrscheinlichkeit aufweist.103 Diese Ausführungen führen die Problematik vor Augen, die mit der Beurteilung von künftigen, ungewissen Ereignissen verbunden sind. In der Literatur wird insbesondere darauf hingewiesen, dass dieser scheinbar präzisen Formel eine subjektive Perspektive anhafte und sie tatsächlich sehr unbestimmt sei.104 Einerseits sei nicht ersichtlich, welche Wahrscheinlichkeit und welcher Grad an Auswirkung notwendig sind, um von der materiality der Information ausgehen zu können.105 Andererseits existiere stets das Risiko, dass die materiality – insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit und Auswirkung eines Ereignisses – bei einer ex post simulierten ex ante-Betrachtung anders beurteilt werde.106 Die Frage, welche Informationen der verständige Anleger bei seiner Anlageentscheidung als wichtig erachten würde, formuliert der Supreme Court damit mittelbar als Frage des Erwartungswerts und legt damit eben jene Berechnung zugrunde, die Börsenanalysten bei der Bewertung von Informationen und ihrer Relevanz für die Kurse im Börsenmarkt verwenden.107 Wie angekündigt setzt das Gericht für die nähere Konkretisierung des verständigen Anlegers damit hohe Maßstäbe an. Gleichwohl spricht sich der Supreme Court ausdrücklich gegen einen bright-lineTest108 aus und statuiert für den materiality-Standard stattdessen einen sich an den konkreten Fakten des Einzelfalls orientierenden Maßstab. Zugleich lehnt der Supreme Court die Heranziehung des agreement-in-principle-Tests zur Bestimmung der materiality bei Unternehmensübernahmen ab, wonach eine Information erst dann wesentlich ist, wenn sich die Parteien über Preis und Struktur der Transaktion geeinigt haben.109 Durch die Anerkennung des probability/magnitude-Tests erklärt das Gericht zwar implizit den Erwartungswert zu einem für den verständigen Anleger entscheidenden Parameter und legt der Beurteilungsperspektive damit eine Determinante zugrunde, die auch die Anlageentscheidung eines Informationshändlers maßgeblich bestimmen würde. Zum einen zieht der Supreme Court in Basic, Inc. v. Levinson die probability/magnitude-Formel aber explizit nur im Hinblick auf ungewisse Ereignisse heran. Zum anderen stellt er mit Ablehnung einer bright-line rule klar, dass es 103

Vgl. Abromson v. American Pacific Corp., 114 F.3d 898, 902 (9th Cir. 1997). Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 285. 105 Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 285. 106 Madden, 10 J. Bus. & Tech. L. 217, 234 ff. (2015); Bainbridge, Corporate Law, 2. Auflage 2009, S. 285. Generell zu hindsight bias bei der rechtlichen Würdigung von Umständen Rachlinski, 65 U. Chi. L. Rev. 571 ff. (1998). 107 Palmiter/Partnoy, Corporations, 2010, S. 815. 108 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 236, 108 S.Ct. 978, 986 (1988). Hiernach lässt sich unter einer bright-line rule ein klar definierter Standard verstehen, der an objektive Kriterien anknüpft und wenig bis keinen Auslegungsspielraum im Einzelfall zulässt. 109 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 232 ff., 108 S.Ct. 978, 984 ff. (1988). 104

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für die Bestimmung der materiality stets auf die Fakten des Einzelfalls ankommen müsse. E contrario kann sich die Bestimmung der materiality nach der Auffassung des Supreme Court nicht in der Berechnung des Erwartungswerts erschöpfen. Diese Aussagen sprechen dafür, dass der reasonable investor des Supreme Court nicht als Personifizierung des Kapitalmarkts ausgelegt werden kann.110 (3) Die fraud-on-the-market theory Die Annahme, dass der Börsenkurs auf einem öffentlichen und entwickelten Kapitalmarkt durch die verfügbaren wesentlichen Informationen bestimmt wird,111 spielt nach der Rechtsprechung des Supreme Court bei einer anderen Tatbestandsvoraussetzung des Schadensersatzanspruchs aus rule 10b-5 eine Rolle – dem Vertrauen (reliance). Bei einer Transaktion am anonymen Börsenmarkt wird es dem Kläger oftmals schwer fallen zu beweisen, dass er sich bei seiner Transaktionsentscheidung auf die vom Beklagten unrichtig oder unvollständig veröffentlichte Information verlassen hat.112 In prozessualer Hinsicht stünde das Erfordernis, von jedem einzelnen Kläger den vollen Beweis der reliance zu verlangen, der Möglichkeit einer Sammelklage entgegen.113 Nach der fraud-on-the-market theory wird in Anlehnung an die ECMH114 angenommen, dass die Preise an effizienten Kapitalmärkten alle öffentlich bekannten Informationen widerspiegeln, sodass widerlegbar vermutet wird, dass der Geschädigte auf diesen ungestörten Preisbildungsmechanismus und die Inkorporation aller wesentlichen Informationen in den Börsenpreis vertraut hat.115 Diese Implementierung einer ökonomischen Theorie in den 110 So auch Padfield, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 339, 346 f. (2008), der auf die Ausführungen des Ninth Circuit in No. 84 Employer-Teamster v. America West Holding, 320 F.3d 920, 934 (9th Cir. 2003) verweist; a.A. Booth, 38 Del. J. Corp. L. 517, 529 ff. (2013); Klöhn, ZHR 177 (2013) 349, 369 ff.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 275. 111 Vgl. Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 241, 108 S.Ct. 978, 989 (1988). 112 Vgl. Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 593. 113 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 242, 108 S.Ct. 978, 989 (1988). 114 Der Supreme Court enthält sich in seinem Basic-Urteil allerdings einer Entscheidung über die Rezeption einer spezifischen Theorie, vgl. Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 248, 108 S.Ct. 978, 992 Fn. 28 (1988). Dies wurde durch den Supreme Court in der HalliburtonEntscheidung nochmals ausdrücklich betont, vgl. Halliburton Co. v. Erica P. John Fund, Inc., 134 S.Ct. 2398, 2410 (2014). 115 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 241 ff., 108 S.Ct. 978, 988 ff. (1988); vgl. zuletzt Halliburton Co. v. Erica P. John Fund, Inc., 134 S.Ct. 2398, 2402 ff. (2014); Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1090; Hazen, Securities Regulation, 6. Auflage 2009, S. 473 ff.; Gevurtz, Corporation Law, 2. Auflage 2010, S. 593 ff. In Fällen des pflichtwidrigen Verschweigens wesentlicher Informationen scheidet ein Vertrauen mangels Offenlegung der Informationen aus, sodass hier auf das Tatbestandsmerkmal der reliance verzichtet wird. Siehe zur reliance und zu letztgenannter Ausnahme Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1090 f. Kritisch zur fraud-on-the-market theory im Hinblick auf die Erkenntnisse der Behavioral Finance etwa Dunbar/Heller, 31 Del. J. Corp. L. 455, 455 ff. (2006). Siehe zu den konzeptionellen Ungereimtheiten und deren Folgen des in Basic, Inc. statuierten Verständnisses der fraud-on-the-market theory sowie dem konzeptio-

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rechtlichen Tatbestand sorgte in der Rechtssache Basic, Inc. v. Levinson für Uneinigkeit bei den Richtern des Supreme Court. In seinem teilweisen dissent führte Richter White, gefolgt von Richter O’Connor aus, es obliege nicht dem Gericht, zu beurteilen, mit welcher Theorie die Funktionsweise des Kapitalmarkts treffend zu umschreiben sei.116 bb) Bestätigung und Konkretisierung des materiality-Standards durch die Rechtsprechung (1) Bedeutung der significance „As we clarify today, materiality depends on the significance the reasonable investor would place on the withheld or misrepresented information.“117 Dieser in Basic, Inc. v. Levinson gesetzte Maßstab wurde in den Folgejahren von den Gerichten übernommen. Der hier statuierte materiality-Standard, der davon ausgeht, die Wesentlichkeit (materiality) der Information hänge von der Bedeutung (significance) ab, die der verständige Anleger der Information beimesse, konfrontiert den Leser mit einem zirkulären Sprachgebrauch:118 Verwendet das Gericht das Wort significance als Synonym zum Begriff der materiality oder kommt dem Begriff konkretisierende Bedeutung zu? Die Hoffnung auf eine Klarstellung des Verhältnisses der Attribute der significance und der materiality durch Entscheidungen der Folgejahre wurde weitestgehend enttäuscht. Während die Ausführungen des First Circuit in Hill v. Gozani119 teilweise den Eindruck eines synonymen Verständnisses von materiality und significance erwecken,120 scheint das Gericht hiermit an anderer Stelle121 den Grad der

nellen Wandel durch Halliburton Co. v. Erica P. John Fund, Inc. im Jahr 2014 Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 684 ff. 116 Vgl. Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 254 f., 108 S.Ct. 978, 995 (1988): „The Congress, with its superior resources and expertise, is far better equipped than the federal courts for the task of determining how modern economic theory and global financial markets require that established legal notions of fraud be modified. In choosing to make these decisions itself, the Court, I fear, embarks on a course that it does not genuinely understand, giving rise to consequences it cannot foresee. For while the economists’ theories which underpin the fraudon-the-market presumption may have the appeal of mathematical exactitude and scientific certainty, they are – in the end – nothing more than theories which may or may not prove accurate upon further consideration. […] I doubt that we are in much of a position to assess which theories aptly describe the functioning of the securities industry.“ 117 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 240, 108 S.Ct. 978, 988 (1988). 118 Madden, 10 J. Bus. & Tech. L. 217, 224 (2015). 119 Hill v. Gozani, 638 F.3d 40 (1st Cir. 2011). 120 Vgl. Hill v. Gozani, 638 F.3d 40, 57 (1St. Cir. 2011): „The complaint’s allegations regarding the Medicare 10 % rule and the company’s sales growth are sufficient to demonstrate a significant probability that the noted risks would materialize and that the effect of those risks on the company’s future would be significant.“

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Auswirkung einer Information zu umschreiben.122 Andere Entscheidungen legen ein Verständnis im Sinne von „wichtig“ oder „bedeutend“ nahe.123 Im Ergebnis lässt sich ein tautologischer Gebrauch des Begriffs significant feststellen, der den materialityStandard nur wenig nuanciert, ohne im Wesentlichen zu einer Konkretisierung des Maßstabs beizutragen.124 (2) Absage an einen bright-line-Standard Dem Supreme Court bot sich im Jahr 2011 in der Entscheidung Matrixx Initiatives, Inc. v. Siracusano125 die Gelegenheit, mehr Klarheit zu schaffen. In dieser Hinsicht beschränkte sich das Gericht allerdings darauf, in Fortsetzung zu seiner Rechtsprechung in Basic die Etablierung einer bright-line rule ausdrücklich abzulehnen. In casu hing der Verstoß eines Pharmaunternehmens gegen § 10(b) des Securities Exchange Act maßgeblich von der Frage ab, ob dieses zur Veröffentlichung negativer Ereignisberichte verpflichtet gewesen wäre, die auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einem Medikament des Pharmaunternehmens und dem Verlust des Geruchssinns hindeuteten.126 Der Supreme Court sprach sich gegen die von Seiten des Pharmaunternehmens vorgebrachte Auffassung aus, mangels statistischer Signifikanz der Daten des Ereignisberichts fehle es an der materiality der Information.127 Die statistische Signifikanz sei keineswegs irrelevant für die Frage der Wesentlichkeit einer Information, indes sei sie nicht in jedem Fall entscheidend.128 Der Supreme Court bestätigte damit sein wertungsoffenes einzelfallbezogenes Verständnis der materiality. Dieser liegt ein Konzept zugrunde, in welchem sowohl Tatsachen als auch rechtliche Erwägungen eine Rolle spielen.129 In Über121

Vgl. Hill v. Gozani, 638 F.3d 40, 59 (1St. Cir. 2011): „In neither Cooperman nor the present case was the undisclosed information insignificant; both involved something material to the investment decision and both predicted that significant risks would materialize from the course the company ultimately chose. But in neither case did the undisclosed opinion even approach the widely-accepted certainty of failure or the comprehensive cover-up in Lormand or Cabletron.“ 122 Madden, 10 J. Bus. & Tech. L. 217, 224 f. (2015). 123 Vgl. Goldman v. Belden, 754 F.2d 1059, 1067 (2nd Cir. 1985); Ganino v. Citizens Utilities Company, 228 F.3d 154, 162 (2nd Cir. 2000); Helwig v. Vencor, Inc., 251 F.3d 540, 563 (6th Cir. 2001); City of Monroe Employees Retirement System v. Bridgestone Corporation, 399 F.3d 651, 679 f. (6th Cir. 2005); vgl. Madden, 10 J. Bus. & Tech. L. 217, 227 f. (2015). 124 Madden, 10 J. Bus. & Tech. L. 217, 243 (2015). 125 Matrixx Initiatives, Inc. v. Siracusano, 131 S.Ct. 1309 (2011). 126 Matrixx Initiatives, Inc. v. Siracusano, 131 S.Ct. 1309, 1311 (2011). 127 Matrixx Initiatives, Inc. v. Siracusano, 131 S.Ct. 1309, 1318 ff. (2011). 128 Matrixx Initiatives, Inc. v. Siracusano, 131 S.Ct. 1309, 1321 (2011): „Something more is needed, but that something more is not limited to statistical significance and can come from ,the source, content, and context of the reports,‘ […].“ 129 Vgl. etwa Ganino v. Citizens Utilities Company, 228 F.3d 154, 162 (2nd Cir. 2000): „Therefore, whether an alleged misrepresentation or omission is material necessarily depends on all relevant circumstances of the particular case. Materiality is a mixed question of law and fact.“

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einstimmung hierzu waren bereits zuvor Entscheidungen von Circuit Courts ergangen, wonach sich die materiality im Zusammenhang mit der Rechnungslegung nicht allein auf mathematischer Basis bestimmen lasse, da etwaige Falschdarstellungen auch in anderweitiger Hinsicht Bedeutung für die Anleger erlangen könnten.130 Gleichwohl stellt der finanzielle Ertrag aus einer Beteiligung selbstredend das Hauptinteresse des Anlegers dar.131 Insbesondere derartige Fakten, die nach vernünftigen und objektiven Erwägungen den Wert der Aktien des Unternehmens beeinflussen könnten, sind wesentlich im Sinne des amerikanischen Insiderrechts.132 (3) Der reasonable investor der Rechtsprechung Zur näheren Bestimmung des Begriffs des reasonable investor tragen die Urteile des Supreme Court nur wenig133 bei. Losgelöst vom insiderrechtlichen Kontext wurde der reasonable investor in einem Urteil des District Court for the District of Columbia wenig überraschend dergestalt umschrieben, dass dieser sich von einem Aktienkauf im Gegenzug eine Rendite oder einen Vorteil erwarte.134 Im Gegensatz zum dogmatischen Konzept der MMVO, die Insiderhandelsverbot und Ad-hocPublizität grundsätzlich im Gleichlauf vom Vorliegen einer Insiderinformation abhängig macht, ist nach der US-amerikanischen Dogmatik nicht vornehmlich entscheidend, ob der reasonable investor erhebliches Interesse an der Information hat, sondern vielmehr, ob überhaupt eine Publizitätspflicht – beispielsweise aus einer duty to correct – besteht.135 Die amerikanische Rechtsprechung war und ist in Fortführung des in Basic für den reasonable investor etablierten Standards bemüht, keine zu niedrigen Maßstäbe anzusetzen. So ist dieser nach den Ausführungen verschiedener Circuit Courts mit den ökonomischen Bedingungen vertraut,136 ihm ist bekannt, dass Geld einen

130 Vgl. In re Westinghouse Securities Litigation, 90 F.3d 696, 714 f. (3rd Cir. 1996); Hazen, Securities Regulation, 6. Auflage 2009, S. 461 m.w.N. Siehe auch die Sicht der SEC zur Einbeziehung quantitativer Parameter in die Beurteilung der materiality, SEC Staff Accounting Bulletin No. 99, 17 CFR Part 211 (12. 8. 1999): „But quantifying, in percentage terms, the magnitude of a misstatement is only the beginning of an analysis of materiality; it cannot appropriately be used as a substitute for a full analysis of all relevant considerations. […] The [Financial Accounting Standards Board (,FASB‘)] also considered whether an evaluation of materiality could be based solely on anticipating the market’s reaction to accounting information. The FASB rejected a formulaic approach to discharging ,the onerous duty of making materiality decisions‘ in favor of an approach that takes into account all the relevant considerations.“ 131 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1074. 132 Kohler v. Kohler Co., 319 F.2d 634, 642 (7th Cir. 1963). 133 Vgl. aber Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 234, 108 S.Ct. 978, 985 (1988). 134 Colorado Springs Production Credit Ass’n v. Farm Credit Admin., 695 F.Supp. 15, 21 (D.D.C. 1988). 135 In re Time Warner Inc. Securities Litigation, 9 F.3d 259, 267 (2nd Cir. 1993). 136 Vgl. In re Donald J. Trump Casino Securities Lit., 7 F.3d 357, 377 (3rd Cir. 1993).

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Zeitwert besitzt137 und er hat ein Verständnis von Diversifizierung.138 In der Entscheidung Chock Full O’Nuts Corp., v. Finkelstein139 geht der District Court von der Rationalität der Marktteilnehmer aus, indem das Gericht ihnen ein Verhalten im Sinne von Adam Smith’s Modell des economic man unterstellt.140 In eine ähnliche Richtung geht eine Entscheidung des Court of Appeals for the First Circuit, in der das Gericht ausführte, in einem fraud-on-the-market-Fall sei der hypothetische reasonable investor, aus dessen Perspektive die materiality zu beurteilen sei, der Markt selbst, da es der Markt und nicht ein einzelner Anleger sei, der den Preis einer öffentlich gehandelten Aktie bestimme.141 Gleichwohl lohnt für die Auseinandersetzung mit der Frage der Übertragbarkeit dieser Aussagen auf das europäische Marktmissbrauchsrecht eine nähere Betrachtung des Kontextes, in denen der Court of Appeals die Ausführungen tätigte, als deren Ausgangspunkt sich die fraud-on-the-market theory erweist. Wie bereits erörtert reicht es hiernach hinsichtlich des Erfordernisses der reliance aus, wenn der Geschädigte darlegt, er habe auf das ungestörte Funktionieren des Preisbildungsmechanismus vertraut. Im soeben angeführten Urteil des First Circuit in der Rechtssache Shaw v. Digital Equipment Corp. bezog das Gericht seine Erwägungen auf ein Urteil des District Court for the Northern District of California, welcher seinerseits ausführte, dass die fraud-on-the-market theory die Ermittlung der Täuschung eines individuellen Anlegers auf die Prüfung der Täuschung des Kapitalmarkts als solchen verlagere.142 Das letztgenannte Gericht fuhr fort: „Hence, the theory not so much eliminates the reliance requirement as subsumes it in the fraud-on-the-market analysis. In the same way, the theory also subsumes the inquiry into materiality, causation and damages. For if a misleading or fraudulent disclosure or omission could have had no effect on the security’s market price, the information cannot have been material.“143

Dem Gericht geht es folglich darum, die Tatbestandsmerkmale nach den Grundsätzen der fraud-on-the-market theory zu subsumieren. Ist nach diesen Grundsätzen ein Vertrauen auf die Integrität des Preisbildungsmechanismus des Marktes ausreichend, ist es folgerichtig, im Rahmen der materiality danach zu fragen, ob eben jener Markt, der den Preis reguliert, die Information als wesentlich erachtet und sie deshalb in den Börsenkurs eingepreist hätte. Der Third Circuit ließ in seinem Urteil In re Burlington Coat Factory Securities Litigation verlauten, im Zusammenhang mit einem „effizienten“ Markt ließe sich das 137 138 139 140 141 142 143

Levitin v. Painewebber, Inc., 159 F.3d 698, 702 (2nd Cir. 1998). Dodds v. Digna Securities, Inc., 12 F.3d 346, 351 (2nd Cir. 1993). Chock Full O’Nuts Corp., v. Finkelstein, 548 F.Supp. 212 (S.D.N.Y. 1982). Chock Full O’Nuts Corp., v. Finkelstein, 548 F.Supp. 212, 219 (S.D.N.Y. 1982). Shaw v. Digital Equipment Corp., 82 F.3d 1194, 1218 (1st Cir. 1996). In re Verifone Securities Litigation, 784 F.Supp. 1471, 1479 (N.D.Cal. 1992). In re Verifone Securities Litigation, 784 F.Supp. 1471, 1479 (N.D.Cal. 1992).

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Konzept der materiality dahingehend verstehen, dass es darauf ankomme, dass die Information den Aktienkurs des Unternehmens ändere.144 Dies sei der Fall, da in effizienten Märkten Informationen, die für verständige Anleger von Bedeutung seien, unverzüglich in den Börsenkurs inkorporiert würden.145 Auch hier erfolgte die Ersetzung des verständigen Anlegers mit der Reaktion des Marktes allerdings unter Bezugnahme auf ein Urteil,146 in dem das Gericht seine Überlegungen im Kontext der fraud-on-the-market theory entwickelte.147 b) Die Kritik des materiality-Standards in der US-amerikanischen Literatur aa) Das Verständnis des durch die Rechtsprechung begründeten reasonable investor-Standards in der Literatur Das von den US-Gerichten gezeichnete Bild des reasonable investor wird in der jüngeren amerikanischen rechtswissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert und überwiegend kritisch beurteilt.148 Teilweise wird nach der Analyse der Rechtsprechung durch das jüngere Schrifttum „Verständigkeit“ (reasonableness) mit ökonomischer Rationalität gleichgesetzt: Verständige Anleger würden aus der Sicht der Gerichte ihre Transaktionen unter Ausblendung von Optimismus analysieren und nüchtern die hiermit verbundenen Risiken kalkulieren.149 Noch weitergehend wird der reasonable investor der Rechtsprechung danach als der idealisierte, vollkommen rationale homo oeconomicus der neoklassischen Ökonomie verstanden, der die Fähigkeit besitzt, alle öffentlich bekannten Informationen zu verarbeiten und auszuwerten, um so bei langem Anlagehorizont seine Rendite zu maximieren.150 Andere sehen hierin lediglich die Umschreibung eines rationalen, aber nicht professionellen 144

In re Burlington Coat Factory Securities Litigation, 114 F.3d 1410, 1425 (3rd Cir. 1997). So auch unter Bezugnahme auf die Burlington-Entscheidung Oran v. Stafford, 226 F.3d 275, 282 (3rd Cir. 2000); In re Merck & Co. Securities Litigation, 432 F.3d 261, 274 (3rd Cir. 2005). 145 In re Burlington Coat Factory Securities Litigation, 114 F.3d 1410, 1425 (3rd Cir. 1997). 146 Shaw v. Digital Equipment Corp., 82 F.3d 1194 (1st Cir. 1996). 147 Vgl. Shaw v. Digital Equipment Corp., 82 F.3d 1194, 1218 (1st Cir. 1996): „Review of vaguely optimistic statements for immateriality as a matter of law may be especially robust in cases involving a fraud-on-the-market theory of liability. In such cases, the statements identified by plaintiffs as actionable misleading are alleged to have caused injury, if at all, not through the plaintiffs’ direct reliance upon them, but by dint of the statements’ inflating effect on the market price of the security purchased.“ 148 A.A. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 266, 275. 149 Hoffman, 90 Minn. L. Rev. 537, 538, 542 (2005 – 2006); ähnlich Huang, 13 Sup. Ct. Econ. Rev. 99, 111 (2005); vgl. Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 339 (2016). Siehe ferner M. V. Sachs, 81 Tul. L. Rev. 473 (2006 – 2007), die kritisch ausführt, der vorherrschende Standpunkt des verständigen Anlegers sei derjenige einer „[…] savvy person who grasps market fundamentals“, oder Black, die zusammenfassend feststellt, Gerichte würden Anlegern ein hohes Maß an Rationalität unterstellen, vgl. Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1494 f. (2013). 150 Lin, 60 UCLA L. Rev. 678, 695 (2013); Lin, 95 B. U. L. Rev. 461 ff. (2015) m.w.N.; Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 350 (2016).

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Kapitalmarktteilnehmers.151 Ähnlich fällt das Verständnis derjenigen aus, die das Bild der SEC vom reasonable investor in den Blick nehmen, die hiermit den typischen retail investor umschreiben würde – keinen hochintelligenten Fondsmanager, sondern eine gewöhnliche Person, die Geld am Kapitalmarkt anlegt.152 Insbesondere in der älteren Literatur wird der verständige Anleger der Rechtsprechung dahingegen teilweise als „idealisierter Amateuranleger“153 oder als Gemenge einer vielfältigen Anzahl von unterschiedlichsten Anlegern154 verstanden. Der vorangegangene Überblick verdeutlicht nicht nur ein teilweise höchst unterschiedliches Verständnis des reasonable investor durch Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur.155 Ein weiterer Blick offenbart auch eine uneinheitliche Bewertung und mitunter hieraus gezogene divergente Schlussfolgerungen für die künftige Auslegung des Standards. Versucht man, die verschiedenartigen Ansätze zuzuordnen, ergeben sich Parallelen mit dem hiesigen Meinungsstand. Mit Unterschieden im Detail lassen sich diejenigen Ansätze, die den Maßstab des reasonable investor mit einem idealisierten Marktteilnehmer auszufüllen versuchen, von denjenigen trennen, die für ein realitätsnäheres Konzept des verständigen Anlegers plädieren.156 bb) Der Markt als Aggregat und professionelle Anleger als Adressaten der Veröffentlichung von Unternehmensdaten Verschiedene Ansätze in der US-amerikanischen Literatur konzentrieren ihre Überlegungen maßgeblich auf die Preisbildung am Kapitalmarkt, um hieraus ein Konzept für die Auslegung des reasonable investor abzuleiten. Dementsprechend 151

Rose, Vanderbilt Law Research Paper No. 17-05, 1, 20 f., abrufbar unter https://ssrn.com/ abstract=2840993 (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018): „[…] a rational but nonprofessional participant in the capital markets.“ 152 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1481 (2013); ähnlich Padfield, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 339, 345 (2008); Padfield, 61 Case W. Res. L. Rev. 143, 155 (2010). 153 Newman/Herrmann/Ritts, 20 J. Corp. L. 571, 578 (1995). 154 Vgl. Simmonds/Sagat/Ronen, 81 Ky. L. J. 123, 127 f. (1992); Dennis, 25 Wm. & Mary L. Rev. 373, 384 (1984); Padfield, 61 Case W. Res. L. Rev. 143, 155 (2010); Padfield, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 339, 365 (2008) mit Verweis auf zwei Gerichtsurteile aus den Jahren 1943 und 1949. 155 Vgl. Padfield, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 339, 365 (2008): „[…] the definition of ,reasonable investor‘ for purposes of securities regulation is far from settled – stretching from ,sophisticated‘ to ,average‘ to ,naïve‘ […]“; Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 466 (2015): „In the many decades since the birth of the modern financial regulatory framework, regulators, scholars, and courts have not universally agreed upon the identity and defining characteristics of the reasonable investor.“ 156 Rose, Vanderbilt Law Research Paper No. 17-05, 1, 21 ff., abrufbar unter https://ssrn. com/abstract=2840993 (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). Weitere Ansätze, die sich schwerlich einer der beschriebenen Positionen klar zuordnen lassen, finden sich etwa bei Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. 1, 64 ff. (2004); Padfield, 61 Case W. Res. L. Rev. 143, 180 ff. (2010); Horwich, 67 Bus. Law. 1 ff. (2011).

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rücken professionelle Anleger und der Markt als Preisbildungsmechanismus in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Rechtsprechung des Supreme Court zeichne „zwei Gesichter“ der materiality: Während das Gericht zwar anführe, die Bedeutung der Information müsse sich nicht zwangsläufig in einer Änderung des Handelns eines verständigen Anlegers niederschlagen, verlange es gleichzeitig, dass die Information das Verhalten jedenfalls einiger Anleger bestimmen müsse, da die materiality jedenfalls zu bejahen sei, wenn Auswirkungen auf den Börsenkurs festgestellt werden könnten.157 Dieser scheinbare Widerspruch zwischen der Fokussierung auf einen individuellen, verständigen Anleger einerseits und auf das Kollektivhandeln einer Vielzahl solcher Anleger andererseits sei mit dem Konzept des verständigen Anlegers in Einklang zu bringen, nach dem zwar nicht alle, aber eben einige Anleger auf die neuen Informationen reagieren müssten.158 Letztlich ersetzt ein derartiges Verständnis den Begriff des „verständigen Anlegers” also mit dem Markt als Aggregat,159 bei dem es ausreicht, dass diejenigen Anleger mit hinreichenden Analysekapazitäten, Sachverstand und Marktmacht die Information in den Börsenkurs inkorporieren. Damit wird die Auswirkung auf den Börsenkurs mit der materiality gleichgesetzt, sodass bei mangelnder Preisauswirkung eine Vermutung dafür bestehen solle, dass die Information nicht material sei und den total mix der Informationen nicht geändert habe.160 Die materiality einer Information sei in einem solchen Fall aber noch nicht ausgeschlossen.161 In der älteren Literatur wird teilweise die inkonsequente Handhabung der Prämissen der ECMH in fraud-on-the-market-Fällen bemängelt.162 Das Abstellen auf den reasonable investor im Sinne eines idealisierten Laien am Kapitalmarkt verkürze die Beweislast des Klägers auf die Darlegung von Preisschwankungen am Kapitalmarkt.163 Notwendig sei daher, im Rahmen der materiality auf diejenigen Marktteilnehmer abzustellen, die die Kapazitäten und Marktmacht innehaben, Preise zu bewegen: Maßgeblich müsse für die von institutionellen Investoren dominierten Märkte sein, dass sich die Information auf die Anlageentscheidung von professionellen Marktteilnehmern auswirke und sich deren Bewertung der Aktie ändere.164 157

Booth, 38 Del. J. Corp. L. 517, 518 f. (2013). Booth, 38 Del. J. Corp. L. 517, 518 f. (2013); ähnlich Dennis, 25 Wm. & Mary L. Rev. 373, 419 (1984). 159 So wohl auch die Folgerung von Rose, Vanderbilt Law Research Paper No. 17-05, 1, 21 ff. Fn. 80, abrufbar unter https://ssrn.com/abstract=2840993 (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 160 Booth, 38 Del. J. Corp. L. 517, 530 ff., 554 (2013). 161 Booth, 38 Del. J. Corp. L. 517, 530 ff., 565 (2013) unter Bezugnahme auf TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 449, 96 S.Ct. 2126, 2132 (1976). 162 Newman/Herrmann/Ritts, 20 J. Corp. L. 571 ff. (1995). 163 Newman/Herrmann/Ritts, 20 J. Corp. L. 571, 578 f. (1995). 164 Newman/Herrmann/Ritts, 20 J. Corp. L. 571, 572 ff., 583 f. (1995); wohl auch Roussel, 51 Vand. L. Rev. 1049, 1059 Fn. 39, 1079 (1998). Ohne expliziten Bezug auf den materiality158

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Die Anwendung der ECMH zur Bestimmung der materiality beschränke die Ermittlung auf die Fragen, zu welchem Zeitpunkt die Information einer hinreichenden Anzahl an Marktteilnehmern zur Verfügung stand und ob diese ihrer Bedeutung nach den Gleichgewichtspreis der Aktie beeinflusst hätte.165 Ein weiterer Ansatz differenziert hinsichtlich der Auslegung der materiality nach den denkbaren Konzepten des verständigen Anlegers anhand der für die Anlegertypen maßgeblichen Methoden zur Bewertung von Aktien.166 Erfasst der materialityStandard mit dem Begriff des reasonable investor auch irrationale Anleger und damit die gesamten Marktteilnehmer, um die realen Gegebenheiten besser zu reflektieren und nicht ausschließlich rationale Anleger zu privilegieren, ließe sich die materiality einer Information hauptsächlich anhand der Reaktion des Marktpreises beurteilen.167 Verlangt man Anlegern hingegen Selbstschutz durch Diversifizierung ab und sieht die primäre Funktion des Kapitalmarktrechts in der Verhinderung betrügerischen Verhaltens, welches die Funktion effizienter Märkte hemmt, rückt der rationale Anleger in den Fokus.168 Aus dessen Beurteilungsperspektive wäre für die Wesentlichkeit einer Information nicht der Börsenkurs maßgeblich, vielmehr müsse sich der Standard danach ausrichten, inwiefern die Methoden zur Fundamentalanalyse durch eine etwaige Falschdarstellung beeinflusst wären.169 Denn diese Bewertungsmethoden erkennen die Möglichkeit eines vom Markt nicht reflektierten, der Aktie innewohnenden Werts an und erlauben daher die Beurteilung der Auswirkungen einer Falschdarstellung unter Außerachtlassung irrationaler Marktreaktionen und anderer zufälliger Ereignisse, die den Börsenkurs der betreffenden Aktie beeinflusst haben könnten.170 Zumindest im Zusammenhang mit Falschdarstellungen, die die Finanzlage des Unternehmens betreffen, sei die letztgenannte Perspektive vorzugwürdig, wobei eine Haftung nur bei quantitativ umfangreichen Falschdarstellungen einsetzen solle.171 Für ein wie von dieser Meinungsgruppe verstandenes Anlegerkonzept lässt sich die effektive Steuerung unternehmerischer Veröffentlichungspflichten anführen. Schenkt der Großteil der Privatanleger Unternehmensveröffentlichungen keine Beachtung und verlässt sich stattdessen darauf, dass professionelle Marktteilnehmer Informationen verarbeiten, auf deren Grundlage handeln und so für eine zutreffende Bewertung des Kurses sorgen, muss es für die Interpretation und Bedeutung von Standard sehen auch Goshen und Parchomovsky die essentielle Aufgabe des Kapitalmarktrechts darin, einen kompetitiven Markt für fähige, professionelle Anleger und Analysten („information traders“) zu schaffen, vgl. Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711 (2006). 165 Dennis, 25 Wm. & Mary L. Rev. 373, 381, 411 (1984). 166 Vgl. Park, 34 J. Corp. L. 513, 531 ff. (2009). 167 Park, 34 J. Corp. L. 513, 537 (2009). 168 Park, 34 J. Corp. L. 513, 537 (2009). 169 Park, 34 J. Corp. L. 513, 537 f. (2009). 170 Park, 34 J. Corp. L. 513, 534 (2009). 171 Park, 34 J. Corp. L. 513, 519, 538 (2009).

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Unternehmensveröffentlichungen auch auf den Blickwinkel letzterer ankommen.172 In normativer Hinsicht würde hierdurch vermieden, Privatanlegern entgegen den Lehren der Portfoliotheorie einen Anreiz zur Investition in einzelne, ausgewählte Aktien zu geben.173 cc) Plädoyer für ein realitätsnäheres Konzept Eine mit den Merkmalen des homo oeconomicus umschriebene Beurteilungsperspektive des reasonable investor statuiert einen generalisierenden Maßstab, der dem Kapitalmarkt Marktteilnehmer mit homogener Risikopräferenz, Rationalität, Intelligenz und Verarbeitungsfähigkeit unterstellt. Dieses Paradigma, so wird in der amerikanischen rechtswissenschaftlichen Literatur bemängelt, sei infolge seiner Realitätsferne und Unterkomplexität ein defizitäres Konzept zum Schutz eines tatsächlich höchst heterogenen Anlegerpublikums.174 Teilweise wird der durch TSC und Basic etablierte Standard als rechtspolitisches Ergebnis einer Ära verstanden, die von verschiedenen Entscheidungen zur Erleichterung von Sammelklagen, ökonomischen Einflüssen und durch eine Antipathie gegenüber Privatklagen gekennzeichnet sei.175 Um den sozialen Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden, die gerade den Schutz unterdurchschnittlich gebildeter Marktteilnehmer verlangten, sei für derartige Anleger in ineffizienten Märkten ein alternativer materiality-Standard aus dem Blickwinkel des least sophisticated investor anzusetzen.176 Auch andernorts wird auf die Dissonanzen zwischen dem theoretischen Konzept eines homogenen verständigen Anlegerpublikums und der tatsächlich existierenden Vielfalt von reasonable investors, irrational investors, active investors, sophisticated investors und entity investors hingewiesen.177 Diese undifferenzierte Prämisse habe zu Regulierungen geführt, die zum Schutz des heterogenen Anlegerpublikums des realen Kapitalmarkts unzureichend seien.178 Nicht nur existierten zahlreiche Anleger, die ihre Anlageentscheidung unabhängig von Fundamentalwerten träfen, auch habe die jüngste Finanzkrise gezeigt, dass selbst die Anlegergruppe des sogenannten 172 Rose, Vanderbilt Law Research Paper No. 17-05, 1, 21, abrufbar unter https://ssrn.com/ abstract=2840993 (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 173 Rose, Vanderbilt Law Research Paper No. 17-05, 1, 22, abrufbar unter https://ssrn.com/ abstract=2840993 (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018); so auch Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1505 f. (2013). 174 Vgl. M. V. Sachs, 81 Tul. L. Rev. 473 ff. (2006 – 2007); Lin, 95 B. U. L. Rev. 461 ff. (2015). 175 Ausführlich M. V. Sachs, 81 Tul. L. Rev. 473, 486 ff. (2006 – 2007). 176 M. V. Sachs, 81 Tul. L. Rev. 473, 476, 503 ff. (2006 – 2007). Zum Ausgleich des verringerten materiality-Standards schlägt Sachs eine Erhöhung der Anforderungen des scienterElements vor, vgl. M. V. Sachs, 81 Tul. L. Rev. 473, 504 ff. (2006 – 2007). 177 Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 466 ff. (2015). 178 Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 476 ff. (2015).

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„smart money“, also eben jene Anleger, die durch Arbitrage die Marktpreise wieder ihren Fundamentalwerten annähern sollen, gegenüber den Verhaltensmustern gewöhnlicher Anleger nicht resistent sei.179 Der moderne Kapitalmarkt habe sich durch Fortschritte der Informationstechnologie grundlegend in Sachen Handelsgeschwindigkeit, Menge an verfügbaren Informationen, Transparenz und Komplexität geändert; künstliche Intelligenz und algorithmische Programme hätten zu Entwicklungen am Markt geführt, die viele Vorteile, aber auch Risiken mit sich brächten.180 Als angemessene Reaktion der Regulierung auf diesen neuen Markt wird der Vorschlag unterbreitet, der Finanzmarktregulierung eine neue Anlegertypologie – the algorithmic investor – zugrunde zu legen, eine Teilmenge der anerkannten Anlegertypen und qualifizierten institutionellen Anlegern.181 Dies führe nicht nur zu einer gezielteren Regulierung, sondern auch zu einem differenzierteren und dynamischen Verständnis der materiality.182 Diese Ansätze haben gemein, dass sie allesamt für die Aufgabe des generalisierenden Konzepts eines reasonable investor eintreten und de lege ferenda für eine Ersetzung dieser Perspektive mit einem differenzierteren Maßstab plädieren. De lege lata rückt dahingegen die Auslegung der Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers in den Fokus. So wird unter der Prämisse, die SEC lege ihrem Anlegerleitbild den retail investor zugrunde, ein Umdenken hinsichtlich der Frage eingefordert, welche Informationen dieser Anleger tatsächlich bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde.183 Ausgehend von der Portfoliotheorie sollten verständige Anleger in ein diversifiziertes Portfolio investieren, anstatt Geld in einzelne Aktien anzulegen.184 Da jede individuelle Aktie basierend auf ihrem Verhältnis zum gesamten Portfolio ausgewählt wird, sei das einzige, was ein gewöhnlicher und durchschnittlicher Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen sollte, ob die Information das Verhältnis der betroffenen Aktie und seinem Investmentportfolio beeinflusse.185 Darüber hinaus finden sich in der jüngeren Literatur zahlreiche Stimmen, die spezifisch auf Grundlage der Lehren der Behavioral Finance auf die Realitätsferne des Konzepts eines reasonable investor hinweisen.186 Trotz der vielfältigen Er179

Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 480 f. (2015). Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 487 ff. (2015). 181 Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 499 f. (2015). 182 Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 501, 516 (2015). 183 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1480 ff. (2013). 184 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1482 (2013). 185 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1482 f. (2013). Als Konsequenz der Annahme, dass der Großteil der Kapitalmarktinformationen für den verständigen Anleger tatsächlich vollkommen irrelevant sei und der Tatsache, dass das amerikanische Insiderhandelsverbot die Struktur eines Betrugstatbestandes innehat, schlägt Rapp vor, das Tatbestandsmerkmal der materiality für Ansprüche aufgrund eines Betrugs gewöhnlicher Anleger für obsolet zu erklären. 186 Siehe etwa Hoffman, 90 Minn. L. Rev. 537, 538, 545 ff. (2005 – 2006); Shefrin, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1401, 1404 ff. (2013); Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493 ff. (2013); 180

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kenntnisse der kognitionspsychologischen Forschung existieren allerdings große Schwierigkeiten, diese normativ im Rahmen eines subsumtionsfähigen Maßstabs fruchtbar zu machen. Während beispielsweise die Einbeziehung von puffery187 in den materiality-Standard der Tatsache besser gerecht werden könnte, dass sich Anleger leicht von überzogenem Optimismus leiten lassen, sprechen die Erkenntnisse über die begrenzte Rationalität von Anlegern und deren beschränkte Aufmerksamkeitsspanne eher dafür, durch ein engeres Verständnis der materiality die den Anlegern zur Verfügung gestellte Menge an Informationen zu reduzieren.188 Die rechtliche Fiktion des reasonable investor, so lautet eine Analyse auf behavioristischer Grundlage, sei letztlich einem überschießenden richterrechtlichen Leitbild geschuldet, das Marktteilnehmer zu verständigen Anlageentscheidungen anhalten solle.189 Im Hinblick auf die fraud-on-the-market theory wird teilweise angeführt, dass der verständige Anleger in Anbetracht der Vielfalt und Komplexität der verfügbaren Informationen und der Schwierigkeiten, diese selbstständig zu bewerten, den Aktienkurs trotz der Lehren der Behavioral Finance vernünftigerweise als Indikator für den Wert der Aktie behandeln könne.190 Der behavioristische Ansatz dürfe nicht zu einer Schwächung des Anlegerschutzes führen, da Anleger für ihre Altersvorsorge und andere kostspielige Unterfangen gezwungen seien, ihr Geld auf dem Kapitalmarkt zu investieren.191 Gerade der mangelnde Schutz insbesondere ungebildeter Anleger mache aber ein Überdenken des künstlichen Konstrukts des reasonable investor erforderlich.192 Daher wird teilweise vorgeschlagen, experimentelle Forschungsergebnisse zum menschlichen Verhalten für die Frage heranzuziehen, welche Informationen für Anleger tatsächlich von Bedeutung sind.193 Vergleichbar mit der Diskussion um die richtige Handhabung des IKB-Falls in Deutschland existieren auch in der US-amerikanischen Literatur Überlegungen zu der Frage, welche Folgen irrationale Marktreaktionen für die Einordnung einer Falschdarstellung als Verstoß gegen Vorschriften des Insiderhandelsverbots haben. Einerseits ließe sich annehmen, dass die unrichtige Darstellung zwar material sei, die vgl. Huang, 13 Sup. Ct. Econ. Rev. 99, 111 ff. (2005); Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. 1, 61, 71 (2004); vgl. ferner Padfield, 61 Case W. Res. L. Rev. 143, 169 ff. (2010); Dunbar/Heller, 31 Del. J. Corp. L. 455, 471, 483 ff. (2006). 187 Näher hierzu unten, Kapitel 2, A.II.2.a). 188 Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. 1, 61 (2004). 189 Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1505 f. (2013). 190 Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1504 (2013). 191 Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1507 (2013). Siehe auch die Feststellung von Klock, 50 Ga. L. Rev. 769, 792 (2016), bezüglich der Kritik gegen die ECMH als Grundlage der fraudon-the-market theory: „There is an irony in this hostility because without the efficient market hypothesis, there would be no fraud-on-the-market doctrine, and securities class actions would not be practical. Securities class actions, however, are the primary weapon in the arsenal of investor protection.“ 192 Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1507 (2013). 193 Hoffman, 90 Minn. L. Rev. 537, 607 (2005 – 2006).

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noise trader hierauf aber überreagiert hätten und so die Preise höher trieben, als diese sich vernünftigerweise entwickeln würden.194 In Fällen, in denen die Falschdarstellung nicht dazu dienen sollte, Anleger zu schädigen, solle eine overreaction defense in Betracht gezogen werden, die auf der Erwägung beruht, dass das Vertrauen auf eine derartige Information unverständig wäre und mithin eine Entschädigung ausscheiden müsse.195 Würde andererseits den Anlegern der Schutz des Rechts aufgrund ihrer irrationalen Reaktion auf die Fehlinformation mit dem Argument versagt, dass verständige Anleger hiervon nicht tangiert worden wären, wäre dies eine schlagkräftige Verteidigungsmöglichkeit bei der Ausbeutung von Anlegern in Situationen, in denen diese typischerweise zu heuristischen Verhaltensweisen neigen.196 Um der Marktpreisintegrität wenigstens nahe zu kommen, bedürfe es einer Definition der materiality, die ihrem Sinn nach dem Marktverhalten gleichkomme, auch wenn dieses heuristisch sei.197 2. Kursspezifität im US-amerikanischen Insiderrecht? Während kein Zweifel daran bestehen kann, dass die materiality zumindest im Wesentlichen seine europarechtliche Entsprechung in der Kurserheblichkeit einer Information findet, ist prima facie im US-Recht kein Pendant für das Erfordernis der Kursspezifität ersichtlich. a) Vage Aussagen und die puffery doctrine Hinweise darauf, dass eine Falschdarstellung mangels Spezifität der Aussage den Tatbestand von rule 10b-5 nicht erfüllt, finden sich in der amerikanischen Rechtsprechung. Allerdings wird hier die Spezifität einer Aussage als Bestandteil der materiality eingeordnet. Von Rechts wegen unwesentlich sind hiernach „[…] loosely optimistic statements that are so vague, so lacking in specificity, or so clearly constituting the opinions of the speaker, that no reasonable investor could find them important to the total mix of information available.“198

Diese Ausführungen lassen sich mit der durch die Rechtsprechung etablierten puffery doctrine199 in Verbindung bringen, wonach zu vage, werbende oder über194

Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135, 183 (2002). Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135, 183 Fn. 198 (2002). 196 Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135, 184 f. (2002). 197 Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135, 186 (2002). 198 Shaw v. Digital Equipment Corp., 82 F.3d 1194, 1217 (1st Cir. 1996); vgl. ferner Raab v. General Physics Corp., 4 F.3d 286, 290; Hazen, Securities Regulation, 6. Auflage 2009, S. 464 m.w.N. 199 Die Ursprünge der puffery doctrine werden auf das Rechtsprinzip caveat emptor zurückgeführt, wonach der Käufer Ware vor dem Kauf auf seine Beschaffenheit zu untersuchen hat, sodass der Verkäufer für erkennbare Mängel nicht haftbar ist, wenn der Käufer seine 195

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

triebene Äußerungen als puffery einzuordnen und daher immaterial sind.200 Vornehmlich geht es hierbei allerdings – anders als bei der Kursspezifität im Marktmissbrauchsrecht – um vage Aussagen, die die Attraktivität einer Leistung oder eines Produkts steigern sollen.201 Analysten und Arbitrageure würden sich zur Bestimmung des Werts eines Finanzinstruments nicht auf bloße optimistische Äußerungen, sondern auf Fakten verlassen; der Markt schenke denjenigen Prognosen am meisten Glauben, die sich auf präzise Tatsachenaussagen stützen könnten.202 Vage Aussagen, die Unternehmenswachstum prognostizierten, hätten aber keine Auswirkungen auf den Börsenkurs einer Aktie und seien nicht spezifisch genug, einen Betrug am Kapitalmarkt zu konstituieren.203 Als material könnten aber auch pauschalisierende zukunftsbezogene Äußerungen zu beurteilen sein, wenn sie mit spezifischen Fakten untermauert würden.204 Stets müssten material representations solchen Aussagen gegenübergestellt werden, die wie Meinungsäußerungen, Motive und Intentionen oder generelle Äußerungen von Optimismus durch eine subjektive Bewertung gekennzeichnet sind.205 Dies bedeutet freilich nicht, dass sich das Unternehmen seines Haftungsrisikos entledigen kann, sofern nur die Geschäftsführung ihre Aussagen als Meinungsäußerungen tätigt. Vielmehr können bewusst unwahre Meinungsäußerungen zur Haftung führen; darüber hinaus existiert stets die Möglichkeit, dass die Aussage eine ausdrückliche oder konkludente Falschdarstellung einer Tatsache enthält.206

Obliegenheit verletzt, vgl. Padfield, 61 Case W. Res. L. Rev. 143, 170 f. (2010); Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 337 (2016). 200 Huang, 13 Sup. Ct. Econ. Rev. 99, 112 (2005). Siehe zur Einordnung von Aussagen als puffery durch die Rechtsprechung etwa Cohen v. Koenig, 25 F.3d 1168, 1172 (2nd Cir. 1994); Searls v. Glasser, 64 F.3d 1061, 1066 (7th Cir. 1995); San Leandro Emergency Med. Plan v. Philip Morris, 75 F.3d 801, 811 (2nd Cir. 1996); Eisenstadt v. Centel Corp., 113 F.3d 738, 746 (7th Cir. 1997); Parnes v. Gateway 2000, Inc., 122 F.3d 539, 547 (8th Cir. 1997); In re Advanta Corp. Securities Litigation, 180 F.3d 525, 538 (3rd. Cir. 1999); Rombach v. Chang, 355 F.3d 164, 174 f. (2nd Cir. 2004); In re Hutchinson Technology, Inc. Securities Litigation, 536 F.3d 952, 960 f. (8th Cir. 2008); In re Aetna, Inc. Securities Litigation, 617 F.3d 272, 283 f. (3rd Cir. 2010). Kritisch zur puffery doctrine etwa Padfield, 61 Case W. Res. L. Rev. 143, 169 ff. (2010); differenzierend Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 350 ff. (2016). 201 Padfield, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 339, 351 (2008). 202 Raab v. General Physics Corp., 4 F.3d 286, 290 (4th Cir. 1993). 203 Hillson Partners Ltd. Partnership v. Adage, Inc., 42 F.3d 204, 211 (4th Cir. 1994); Parnes v. Gateway 2000, Inc., 122 F.3d 539, 547 (8th Cir. 1997); In re Hutchinson Technology, Inc. Securities Litigation, 536 F.3d 952, 960 f. (8th Cir. 2008). Vgl. aber die von Crimmins angeführten jüngeren Fälle, in denen die SEC augenscheinlich unspezifische oder auf Spekulationen beruhende Informationen als material einordnete, Crimmins, 2013 Colum. Bus. L. Rev. 330, 342 f. (2013). 204 Vgl. Roussel, 51 Vand. L. Rev. 1049, 1059 f. Fn. 40 (1998). 205 EP Medsystems, Inc. v. Echocath, Inc., 235 F.3d 865, 872 (3rd. Cir. 2000); In re Aetna, Inc. Securities Litigation, 617 F.3d 272, 283 (3rd. Cir. 2010). 206 Hazen, Securities Regulation, 6. Auflage 2009, S. 464.

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung

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b) Beurteilungsperspektive des reasonable investor Auffällig ist, dass bei der Subsumtion der voranstehenden vagen Äußerungen unter rule 10b-5 stets die Frage im Vordergrund steht, ob der reasonable investor sich bei seiner Anlageentscheidung auf eine derart unspezifische Aussage gestützt und ob die Information sein Gesamtbild der verfügbaren Informationen geändert hätte. Daher würden Fälle, die im europäischen Marktmissbrauchsrecht unter dem Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ und dem Erfordernis der Kursspezifität erörtert werden, im US-Recht am Maßstab der materiality gemessen.

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung I. Ausgangspunkt der Untersuchung Ausgehend von dem konkreten Sachproblem als Angelpunkt der Rechtsvergleichung und dem methodischen Grundprinzip der Funktionalität207 sollen nun zunächst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verglichenen Rechtsordnungen in Augenschein genommen werden, um hieraus Erkenntnisse für die strukturelle Übertragbarkeit der untersuchten Ansätze zu gewinnen und einen Mehrwert für die eigene Rechtsordnung schöpfen zu können. Die gemeinsame Problematik, der amerikanisches wie auch europäisches Marktmissbrauchsrecht zu begegnen versuchen, ist schnell ausgemacht: Beide Rechtsordnungen haben die Zielsetzung, schädliche Effekte des Insiderhandels für die Funktionsfähigkeit der Märkte und deren Marktteilnehmer weitestmöglich zu verhindern. Im Ausgangspunkt gemein ist den Rechtsordnungen ferner die Herausforderung, das Bedürfnis des Kapitalmarkts nach Informationen und das Vertrauen seiner Marktteilnehmer in dessen Integrität in einen schonenden Ausgleich mit den Geheimhaltungsinteressen der Emittenten und der Gefahr eines information overload, der den Markt sowie seine Unternehmen belastet und Anleger überfordert, zu bringen. Diese Schwierigkeit ist im US-amerikanischen Recht insofern entschärft, als dass nicht wie im europäischen Marktmissbrauchsrecht infolge der einheitlichen Anknüpfung an den Begriff der „Insiderinformation“ das Insiderhandelsverbot und die Ad-hoc-Publizitätspflichten grundsätzlich gleichzeitig einsetzen.208 Das funktionale Äquivalent des ausdrücklichen Verbots von Insidergeschäften in Art. 14 MMVO bildet im US-amerikanischen Recht die allgemeine Blankettnorm des § 10(b) des Securities Exchange Act und ihre Konkretisierung in rule 10b-5. Trotz ihrer gemeinsamen Zielsetzung ist bei der Berücksichtigung der Erkenntnisse des Rechtsvergleichs der unterschiedlichen dogmatischen Ausgestaltung Rechnung zu tragen, infolge derer der europäische Verbotstatbestand vornehmlich als Markt207 208

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Auflage 1996, S. 33. So auch Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 149.

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

delikt209 bezeichnet wird, während Insiderhandel nach US-amerikanischem Verständnis als Betrug einzuordnen ist. Seit dem Chiarella-Urteil ist der bloße Besitz von unveröffentlichten, wesentlichen Informationen im US-Recht keine hinreichende Bedingung für die Auslösung des Insiderhandelsverbots. Erforderlich ist nach der fiduciary duty theory und der ergänzend hinzutretenden misappropriation theory die Existenz einer Treuepflicht oder einer sonstigen Sonderbeziehung.210 Eine solche ist im europäischen Marktmissbrauchsrecht gerade nicht erforderlich, sodass als dessen tragendes Grundprinzip in Anlehnung an die amerikanischen Haftungstheorien teilweise die equal access theory ausgemacht wird,211 während andere Stimmen eine derartige Einordnung als nicht zielführend erachten.212 Zwar wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die im US-amerikanischen Insiderrecht entwickelten Haftungstheorien primär die Folge der dogmatischen Konzeption des Insiderhandels als Betrug sind.213 Gleichwohl lassen sich aus dem Verzicht des europarechtlichen Modells auf das Erfordernis einer Sonderbeziehung Rückschlüsse auf die gesetzgeberische Intention zur tatbestandlichen Reichweite ziehen. Dies gilt umso mehr, nachdem die ursprüngliche, in der Insiderrichtlinie angelegte tatbestandliche Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsidern durch die Marktmissbrauchsrichtlinie im Jahr 2003 grundsätzlich aufgehoben wurde, um die Verbotstatbestände auf Sekundärinsider zu erweitern.214 Bei den folgenden rechtsvergleichenden Erwägungen soll es allerdings nicht lediglich darum gehen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Rechtsordnungen auszumachen, sondern vielmehr auch darum, verschiedene Lösungen unter gemeinsamen Perspektiven zu sehen.215 209

Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 46 ff.; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 128; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, Vor § 12 Rn. 47; vgl. Erwägungsgrund 7 der MMVO. 210 Vgl. Schacht, Das Insiderhandelsverbot bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, 2002, S. 141. 211 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 38 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH; K.-P. Weber, Insiderrecht, 1999, S. 197 f.; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 130, die gleichwohl anmerkt, eine solche Einordnung führe in der Sache nicht weiter. 212 Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 16; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, Vor § 12 Rn. 46; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 130. 213 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 130. 214 Siehe oben, Kapitel 1, A.II. Vgl. aber nunmehr Art. 8 Abs. 4 MMVO. 215 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Auflage 1996, S. 43. Hierbei soll weitestmöglich vermieden werden, Ergebnisse bereits erfolgter rechtsvergleichender Untersuchungen zu rekapitulieren. Für eine Untersuchung des Insiderhandelsverbots im Zusammenhang mit öffentlichen Übernahmeangeboten siehe Schacht, Das Insiderhandelsverbot bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, 2002, S. 93 ff. Rechtsvergleichende Erwägungen, die sich schwerpunktmäßig mit der Rechtsfolgenstruktur des Insiderrechts in den

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung

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II. Tatbestandliche Reichweite von materiality und Kurserheblichkeit Während die prinzipielle Vergleichbarkeit des materiality-Standards mit dem Tatbestandsmerkmal der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“ nur schwerlich in Frage gestellt werden kann,216 ist hiermit noch nicht zwangsläufig eine Aussage über einen Gleichlauf der Reichweite der Tatbestandsmerkmale verbunden. 1. Weiterer Anwendungsbereich der Kurserheblichkeit So wird teilweise vertreten, die Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers sei weiter als ihr US-amerikanisches Pendant, da hier – anders als hinsichtlich der materiality – seit der Geltung der MMVO Unklarheit darüber herrsche, inwiefern die wahrscheinliche Auswirkung einer Veröffentlichung auf den Marktpreis von Relevanz sei.217 Die MMVO bringe hinsichtlich des Konzepts der Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung eine dezente Veränderung gegenüber der Marktmissbrauchsrichtlinie mit sich, da nur bei letzterer durch das CESR klargestellt wurde, dass der Maßstab des verständigen Anlegers lediglich zur Bestimmung der Art von Informationen habe beitragen sollen, die für die Beurteilung der Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung zu berücksichtigen seien.218 Während die Marktmissbrauchsrichtlinie Durchführungsrichtlinien untersagt habe, ihre Kerninhalte zu modifizieren (vgl. Art. 17 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie), sei unter der Geltung der MMVO unsicher, ob die wahrscheinliche Kurauswirkung einer Veröffentlichung weiterhin Bestandteil der Beurteilung bleibe.219 2. Engerer Anwendungsbereich der Kurserheblichkeit Diesem Gedanken ist zuzugestehen, dass das Tatbestandsmerkmal der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“, das der Information bereits begrifflich ein Potential zur erheblichen Auswirkung auf den Börsenkurs abverlangt, durch eine Testfrage konkretisiert wird, die ausgegangen von ihrem Wortlaut weiter ist, als der zu konkretisierende Begriff.220 Denn während Art. 7 Abs. 1 lit. a) MMVO verlangt, USA und Europa sowie der Behandlung von Zwischenschritten im Zusammenhang mit der materiality auseinandersetzen, finden sich bei Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 121 ff. 216 Vgl. etwa Greene/Schmid, 2013 Colum. Bus. L. Rev. 369, 399 (2013); Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 180 ff.; Pawlik, in: KK-WpHG, 2007, § 13 Rn. 86; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 265, 275; Klöhn, ZHR 177 (2013) 349, 371; Loesche, Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, 1998, S. 118; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 131. 217 Panasar/Dalvi/Martin/Silverman/Flow, 134 Banking L. J. 26, 33 f. (2017). 218 Panasar/Dalvi/Martin/Silverman/Flow, 134 Banking L. J. 26, 33 Fn. 8 (2017). 219 Panasar/Dalvi/Martin/Silverman/Flow, 134 Banking L. J. 26, 33 Fn. 8 (2017). 220 Vgl. Zetzsche, AG 2015, 381, 384.

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

dass die betreffende Information geeignet sein muss, Kurse erheblich zu beeinflussen, hängt es gerade von der Auslegung des Begriffs des „verständigen Anlegers“ ab, ob dieser auch Informationen ohne erhebliches Kursbeeinflussungspotential als entscheidungserheblich erachten würde. a) Intention des Verordnungsgebers und Systematik des Gesetzes Naheliegend ist gleichwohl der gegenteilige Schluss. Denn zum einen ist in Anbetracht der Übernahme der Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers aus Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG in Art. 7 Abs. 4 MMVO und der fast wörtlichen Entsprechung von Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2003/124/EG mit Erwägungsgrund 14 der MMVO nicht davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber durch die MMVO insoweit inhaltliche Abweichungen bezweckte.221 Zum anderen steht Art. 7 Abs. 4 MMVO ausweislich seines Wortlauts und seiner Systematik nicht etwa als alternativer Standard neben dem Erfordernis der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“, sondern dient dessen Konkretisierung. Umgekehrt wird man jedenfalls vom Wortlaut als Ausgangspunkt betrachtet dem materiality-Standard einen weiteren Anwendungsbereich beimessen müssen.222 Dieser verlangt begrifflich zunächst nur die Wesentlichkeit der Information und definiert diese anschließend als Information, bei der eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein verständiger Anleger diese bei seiner Entscheidung berücksichtigen würde.223 Auch wenn kein Zweifel daran besteht, dass die Auswirkung der Veröffentlichung einer Information auf den Marktpreis im US-Recht ein Faktor ist, den es bei der Beurteilung der materiality zu berücksichtigen gilt,224 ergibt sich die Relevanz des Kursbeeinflussungspotentials im europäischen Insiderrecht bereits aus dem engeren Wortlaut des Tatbestandsmerkmals und dessen systematischem Verhältnis zu dem als Konkretisierung dienenden Maßstab des verständigen Anlegers. Teilweise wird zwar davon ausgegangen, dass der Maßstab des verständigen Anlegers aus Art. 7 Abs. 4 MMVO das Merkmal der Kurserheblichkeit vollständig ersetzt.225 Doch selbst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses käme dem europäischen Standard keine größere, sondern wohl eher eine identische Reichweite zu. 221 So auch Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 190; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 16 ff., 264; de Boer, CB 2016, 147; vgl. Kumpan, DB 2016, 2039, 2045. Dies bezieht sich nur auf die Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers, da das durch die MMVO erstmals normierte Verbot der Stornierung oder Änderung eines Auftrags in Art. 8 MMVO freilich eine tatbestandliche Erweiterung des Verbotstatbestands mit sich bringt. 222 So i.E. auch Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 291; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 131. 223 Vgl. Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 231 f., 108 S.Ct. 978, 983 (1988). 224 Panasar/Dalvi/Martin/Silverman/Flow, 134 Banking L. J. 26, 33 f. (2017). 225 Vgl. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 94 m.w.N.

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung

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b) Restriktive Auslegung durch die Theorie des Handelsanreizes Dass der materiality-Standard zumindest weiter als derjenige der Kurserheblichkeit angelegt ist, wird auch in Anbetracht der Aussagen des Supreme Court in seinem TSC-Urteil deutlich, wonach es lediglich darauf ankomme, dass die Informationen in den Erwägungen des Anlegers tatsächlich Bedeutung erlangt haben würde, während nach deutscher Auslegung von der ganz herrschenden Meinung226 ein Handelsanreiz gefordert wird.227 In der Tat suggeriert das statuierte Erfordernis eines Handelsanreizes im Zusammenhang mit der Perspektive eines verständigen Anlegers, dass dieser beim Vorliegen eines lohnend erscheinenden Geschäfts sein Verhalten ändern würde, wollte er sich nicht dem Vorwurf irrationalen Verhaltens aussetzen. In Anbetracht des Gesetzeswortlauts ist dieses Ergebnis keineswegs zwingend. Denn weder die Formulierung in Art. 7 Abs. 1 MMVO, die gerade keine erhebliche Kursbeeinflussung, sondern die Eignung der Information hierzu verlangt, noch der Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 MMVO, wonach der verständige Anleger die Information „wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde“, erfordern eine wahrscheinlich durch die Information ausgelöste Verhaltensänderung. Verständigem Verhalten entspricht es dem Wortsinn und Telos zufolge auch, der Information über ein gewisses Ereignis oder über dessen Eintrittswahrscheinlichkeit in persönlichen Erwägungen tatsächliche Bedeutung beizumessen und diese anschließend dafür zu nutzen, unter Berücksichtigung der individuellen Risikopräferenz von einem Verhalten abzusehen.228

III. Übertragbarkeit der Erkenntnisse zur materiality auf die Auslegung des verständigen Anlegers 1. Der reasonable investor und der verständige Anleger Die mit der Ausfüllung des reasonable investor-Standards verbundenen Schwierigkeiten sind gekennzeichnet durch widerstreitende Interessen. Insbesondere die Judikatur meidet im Hinblick auf die Ermöglichung von Einzelfallgerechtigkeit einen Maßstab, dessen Reichweite sich „overinclusive or underinclu226

Siehe die Nachweise unten, Kapitel 3, Fn. 231, 232, 233. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 131 mit Verweis auf TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 439, 449, 96 S.Ct. 2126, 2128, 2132 (1976). 228 Vgl. TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 449, 96 S.Ct. 2126, 2132 (1976): „It does not require proof of a substantial likelihood that disclosure of the omitted fact would have caused the reasonable investor to change his vote. What the standard does contemplate is a showing of a substantial likelihood that, under all the circumstances, the omitted fact would have assumed actual significance in the deliberations of the reasonable shareholder.“ 227

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

sive“229 darstellt, mithin zwangsläufig zu restriktiv oder zu extensiv ist, wohingegen sich auf Seiten der Emittenten ein starkes Praxisbedürfnis nach verlässlichen Maßstäben abzeichnet.230 Für die europäische Rechtsordnung besteht ein großer Anreiz, der Auflösung dieses Widerstreits durch die Rezeption gefestigter Maßstäbe unter Verweis auf die ungleich längere kapitalmarktrechtliche Erfahrung der amerikanischen Rechtsordnung beizukommen. In Anbetracht der Rezeption des reasonable investor-Standards durch das europäische Marktmissbrauchsrecht lassen sich aus dem Verständnis der materiality grundsätzlich Schlussfolgerungen für die Auslegung der Kurserheblichkeit und den Beurteilungsmaßstab des verständigen Anlegers ziehen. Hierbei muss jedoch der unterschiedlichen dogmatischen Ausgestaltung sowie der Reichweite von Tatbestandsmerkmalen und Anwendungsbereich der Insiderhandelsrechte hinreichend Rechnung getragen werden. 2. Der reasonable investor als Personifizierung des Kapitalmarkts – eine Vorgabe für Art. 7 Abs. 4 MMVO? Nicht nur aus diesen Gründen bestehen zahlreiche Schwierigkeiten bei der Übertragung eines Konzepts als bestimmendes Dogma der Kurserheblichkeit, das den verständigen Anleger als Alter Ego eines effizienten Marktes im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH begreift. a) Uneinheitliches Verständnis von Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur im US-amerikanischen Recht Zunächst existieren in der amerikanischen Rechtsprechung zwar einzelne Urteile der Circuit Courts, die den reasonable investor zumindest als personifizierten Kapitalmarkt auslegen.231 Diese Entscheidungen dienen dem Konzept des verständigen Anlegers als Personifizierung eines effizienten Kapitalmarkts im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH als wesentliche Vorlage.232 Gleichwohl ist es zweifelhaft, ob die Gerichte mit plakativen Umschreibungen wie in der Entscheidung Chock Full O’Nuts Corp., v. Finkelstein233 das Informationsinteresse des reasonable investor auf fundamentalwertrelevante Informationen beschränken wollten.234

229

Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 236, 108 S.Ct. 978, 986 (1988). Rose, Vanderbilt Law Research Paper No. 17-05, 1, 3, abrufbar unter https://ssrn.com/ab stract=2840993 (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 231 Siehe oben, Kapitel 2, A.II.1.a)bb)(3). 232 Vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013) 349, 370 f. 233 Chock Full O’Nuts Corp., v. Finkelstein, 548 F.Supp. 212, 219 (S.D.N.Y. 1982). 234 So Klöhn, ZHR 177 (2013) 349, 370 Fn. 124; a.A. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 165 Fn. 560. 230

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung

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Entscheidend hinzu kommt, dass eine ausdrückliche höchstrichterliche Rezeption eines Konzepts des verständigen Anlegers als Alter Ego eines Marktes im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH durch den Supreme Court nicht erfolgt ist. Im Hinblick auf die fraud-on-the-market theory hat der Supreme Court im Jahr 2014 nochmals betont, dass sich das Gericht bereits in seinem Urteil zur Rechtssache Basic, Inc. v. Levinson eines Standpunkts hinsichtlich der unter Ökonomen geführten Diskussion über die Kapitalmarkteffizienz enthalten habe.235 Auch spricht die konsequente Zurückhaltung der Rechtsprechung gegenüber der Statuierung eines bright-line-Tests und die hieraus ableitbare Präferenz einer einzelfallabhängigen Betrachtungsweise236 eher gegen die Vereinbarkeit eines solchen Verständnisses mit der ständigen US-amerikanischen Rechtsprechung.237 Während im überwiegenden amerikanischen rechtswissenschaftlichen Schrifttum wohl Einigkeit darüber herrscht, dass das Anlegerleitbild der Rechtsprechung im Allgemeinen von der Prämisse eines hohen Maßes an Rationalität ausgeht, besteht gleichwohl nicht nur ein uneinheitliches Verständnis im Detail,238 sondern es existieren auch unterschiedliche Auffassungen zu einem diesbezüglichen Reformbedarf.239 Insbesondere bestehen, teilweise mit Verweis auf Erkenntnisse der Behavioral Finance, besonders in der jüngeren Literatur höchst divergierende Vorstellungen, welcher Maßstab zur Bestimmung der materiality vorzugswürdig ist. Argumentativ wird gegen die Statuierung eines Maßstabs, der sich an idealisierter Rationalität orientiert, nicht selten die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes des gesamten heterogenen Anlegerpublikums ins Feld geführt. Auch wenn das USamerikanische Insiderhandelsverbot dogmatisch als Betrug gegenüber individuellen Marktteilnehmern konzipiert ist und hier der Anlegerschutz im Hinblick auf die Bedeutung insbesondere der kollektiven Vermögensanlage für die private Altersvorsorge240 konzeptionell und funktionell eine stärkere Rolle einnimmt, muss auch das europäische Marktmissbrauchsrecht diese Schutzfunktion bei der Auslegung miteinbeziehen.241

235

Halliburton Co. v. Erica P. John Fund, Inc., 134 S.Ct. 2398, 2410 (2014); dies bezweifelnd Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 688 m.w.N. 236 Siehe oben, Kapitel 2, A.II.1.a)bb)(2). 237 A.A. Booth, 38 Del. J. Corp. L. 517, 529 ff. (2013); Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 369 ff.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 275; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55. 238 Vgl. Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 356 (2016): „[…] the courts’ definition of a ,reasonable investor‘ is broad and inconsistent.“ 239 Siehe oben, Kapitel 2, A.II.1.b). 240 Vgl. Zetzsche, Prinzipien der kollektiven Vermögensanlage, 2015, S. 427; Assmann, ZBB 1989, 49, 59. 241 Siehe ausführlich unten, Kapitel 3, C.IV.

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

b) Konzeptionelle Übertragbarkeit ins deutsche Recht Wesentlich für die Frage der konzeptionellen Übertragbarkeit des aus verschiedenen Urteilen ableitbaren Anlegerleitbilds ist die Einbeziehung des Kontextes, in dem die Gerichte ihre Ausführungen tätigten. Die vorangestellte Analyse verschiedener Urteile der Circuit und District Courts, die den verständigen Anleger teilweise als Alter Ego des Marktes verstehen, legt nahe, dass die Gerichte bei der Überlegung, der verständige Anleger müsse in einem effizienten Kapitalmarkt der Markt selbst sein, die fraud-on-the-market theory als Grundlage ihrer Überlegungen erachten. Am deutlichsten wird dies in den Ausführungen des District Court for the Northern District of California in seinem Urteil zu In re Verifone Securities Litigation, welcher das Tatbestandsmerkmal der materiality nach den Grundsätzen der fraudon-the-market theory subsumieren möchte.242 Die Argumentation des Gerichts legt nahe, dass es nicht unproblematisch ist, ein derartiges Verständnis der materiality aus seinem dogmatischen Kontext zu lösen. Denn diese Auslegung durch die Gerichte zeigt sich doch zumindest durch Verweis auf andere Entscheidungen stets in einem Gesamtkonzept, als dessen Ausgangspunkt sich die fraud-on-the-market theory erweist. Damit wäre aber zugleich die Frage aufgeworfen, inwiefern sich die fraud-on-themarket theory in die deutsche Rechtsordnung übertragen lässt, nach der sich zivilrechtliche Schadensersatzansprüche infolge einer unterlassenen Veröffentlichung von Insiderinformationen oder einer Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen richten. Während diese Theorie im US-amerikanischen Recht im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs des Anlegers bei der reliance zu verorten ist, wird sie im deutschen Recht für das Erfordernis haftungsbegründender Kausalität virulent, welches Schadensersatzansprüche nach §§ 97, 98 WpHG, 826 BGB voraussetzen. aa) Inkonsequente Rechtsprechung des BGH Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zur Informationsdeliktshaftung aus § 826 BGB aufgrund unlauterer Beeinflussung des Sekundärmarktpublikums reicht es für den Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität im deutschen Recht aber gerade nicht aus, dass das allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung enttäuscht wurde.243 Der BGH hat damit im Rahmen des § 826 242 Vgl. In re Verifone Securities Litigation, 784 F.Supp. 1471, 1479 (N.D.Cal. 1992). Siehe ausführlich oben, Kapitel 2, A.II.1.a)bb)(3). 243 BGH, Urt. v. 9. 5. 2005 – II ZR 287/02 (EM.TV), ZIP 2005, 1270, 1274; BGH, Beschl. v. 28. 11. 2005 – II ZR 80/04 (Comroad I), ZIP 2007, 681, Rn. 9 ff.; BGH, Beschl. v. 15. 2. 2006 – II ZR 246/04 (Comroad II), ZIP 2007, 679, Rn. 8; BGH, Beschl. v. 26. 6. 2006 – II ZR 153/05 (Comroad III), ZIP 2007, 326, Rn. 4 f.; BGH, Urt. v. 4. 6. 2007 – II ZR 147/05 (Comroad IV), ZIP 2007, 1560, Rn. 13 ff.; BGH, Urt. v. 4. 6. 2007 – II ZR 173/05 (Comroad V), ZIP 2007, 1564, Rn. 13 ff.; BGH, Urt. v. 7. 1. 2008 – II ZR 229/05 (Comroad VI), ZIP 2008, 407,

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung

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BGB – teilweise ausdrücklich244 – die Übertragung der fraud-on-the-market theory im Hinblick auf die befürchtete Ausweitungstendenz selbst für den Fall abgelehnt, dass der Anleger lediglich den Kursdifferenzschaden liquidieren möchte.245 Dies ist für die Übertragung der Aussagen der US-Gerichte zum Verständnis des reasonable investor auf die europarechtliche Dogmatik insofern problematisch, als dass der BGH mit der Ablehnung der fraud-on-the-market theory im Rahmen des § 826 BGB bereits dem Ausgangspunkt der Überlegung, an die die Auslegung des reasonable investor als Personifizierung des Marktes durch die amerikanischen Circuit und District Courts anknüpft, eine klare Absage erteilt hat. Andererseits hat der BGH im IKB-Fall hinsichtlich des § 37b WpHG a.F. implizit anerkannt, dass es für die Geltendmachung eines Kursdifferenzschadens auf die Kausalität zwischen Ad-hoc-Mitteilung und individueller Anlageentscheidung nicht ankommen könne.246 Die Rechtsprechung zeichnet hinsichtlich der Übertragbarkeit dieser Grundsätze also ein uneinheitliches Bild. Diese inkonsequente Rechtsprechung wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Vielerorts wird insbesondere für ein differenzierteres Vorgehen anhand der liquidierten Schadensart plädiert. So wird im Rahmen des § 826 BGB überwiegend davon ausgegangen, dass es nur dann auf die Beeinflussung der konkreten Anlageentscheidung ankommen dürfe, wenn der Anleger den Vertragsabschlussschaden geltend mache und eine Rückgängigmachung des Aktiengeschäfts verlange.247 Wolle der Anleger dahingegen lediglich den Kursdifferenzschaden liquidieren, muss nach einigen Stimmen die Darlegung der Preiskausalität, also der Kausalität zwischen fehlerhafter Kapitalmarktinformation und Beeinträchtigung des Marktpreises, ausreichen,248 während andere immerhin ein Vertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung verlangen.249 Eine ähnliche Diskussion existiert im Zusammenhang mit

Rn. 15 ff.; BGH, Urt. v. 7. 1. 2008 – II ZR 68/06 (Comroad VII), ZIP 2008, 410, Rn. 15 ff.; vgl. ferner BGH, Urt. v. 4. 6. 2013 – VI ZR 288/12, ZIP 2013, 1429, Rn. 25. 244 BGH, Beschl. v. 28. 11. 2005 – II ZR 80/04 (Comroad I), ZIP 2007, 681, Rn. 11; BGH, Beschl. v. 15. 2. 2006 – II ZR 246/04 (Comroad II), ZIP 2007, 679, Rn. 8; BGH, Beschl. v. 26. 6. 2006 – II ZR 153/05 (Comroad III), ZIP 2007, 326, Rn. 5; BGH, Urt. v. 4. 6. 2007 – II ZR 147/05 (Comroad IV), ZIP 2007, 1560, Rn. 16; BGH, Urt. v. 4. 6. 2007 – II ZR 173/05 (Comroad V), ZIP 2007, 1564, Rn. 16. 245 BGH, Beschl. v. 15. 2. 2006 – II ZR 246/04 (Comroad II), ZIP 2007, 679, Rn. 9. 246 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 53, 67. 247 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 37b, 37c Rn. 46; Sethe, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, §§ 37b, 37c Rn. 148; Möllers, NZG 2008, 413, 414; Wagner, ZGR 2008, 495, 529. 248 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 37b, 37c Rn. 47; Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, §§ 37b, c Rn. 478; Möllers, NZG 2008, 413, 415; Wagner, ZGR 2008, 495, 529. 249 Sethe, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, §§ 37b, 37c Rn. 149.

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

den §§ 97, 98 WpHG, in deren Rahmen die Übertragbarkeit dieser Grundsätze erörtert wird.250 bb) Konsequente Interpretation von Kurserheblichkeit und haftungsbegründender Kausalität eines etwaigen Schadensersatzanspruchs Konsequent erscheint es daher nur, wenn neben der Auslegung des verständigen Anlegers als Personifizierung des Kapitalmarkts gleichzeitig die Grundsätze der fraud-on-the-market theory in die Kausalitätserwägungen etwaiger Schadensersatzansprüche miteinbezogen würden.251 In diesem Fall müsste sich die Rechtsprechung aber nicht lediglich näher mit der genauen dogmatischen Ausgestaltung des Konzepts der fraud-on-the-market theory im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität, wahlweise verstanden als Preiskausalität oder als Vertrauen in die Integrität der Preisbildung, auseinandersetzen.252 Hier stellt sich zudem die Frage, ob der Wortlaut des § 98 WpHG den Verzicht auf ein konkretes Vertrauenserfordernis tatbestandlich überhaupt zulässt.253 Darüber hinaus wäre die Anwendung dieser Theorie auf Ansprüche zu beschränken, die sich auf Ersatz des Kursdifferenzschadens richten, da einerseits die fraud-on-the-market theory auch in der US-amerikanischen Rechtsprechung mit der Ersatzfähigkeit des Kursdifferenzschadens verbunden ist254 und andererseits ein Verzicht auf das Erfordernis einer konkreten Vertrauensbetätigung im Falle der Liquidation des Vertragsabschlussschadens kaum zu rechtfertigen wäre.255 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die fraud-on-the-market theory im US-Recht abgesehen von der besseren Handhabung der Darlegungslast im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der reliance256 vor allem vor dem rechtspolitischen Hintergrund, die Durchführung von Sammelklagen zu erleichtern, be250

Siehe den Überblick bei Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 692 ff. So freilich Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 704 ff., der sowohl bezüglich der §§ 37b, 37c WpHG a.F. (nunmehr §§ 97, 98 WpHG), als auch bei § 826 BGB für eine Anwendung der fraud-on-the-market theory im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität, verstanden als Konzept der Preiskausalität, plädiert und die Ansprüche auf den Ersatz des Kursdifferenzschadens begrenzt. 252 Siehe hierzu Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 676 ff. 253 Verneinend Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, §§ 37b, 37c Rn. 32; Buck-Heeb/ Dieckmann, AG 2008, 681, 691; Longino, DStR 2008, 2068, 2071; bejahend Sethe, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, §§ 37b, 37c Rn. 98; Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 696, der darüber hinaus davon ausgeht, § 37c WpHG a.F. verlange noch nicht einmal das Vertrauen des Anlegers auf die Integrität der Marktpreisbildung. 254 Soderquist/Gabaldon, Securities Law, 4. Auflage 2011, S. 168; Fleischer, BB 2002, 1869, 1872; Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 696; Weichert, Der Anlegerschaden, 2008, S. 184; vgl. etwa Green v. Occidental Petroleum Corp., 541 F.2d 1335, 1344 (9th Cir. 1976); Wool v. Tandem Computers Inc., 818 F.2d 1433, 1436 f. (9th Cir. 1987). 255 Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 696. 256 Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, §§ 37b, c Rn. 358 f. 251

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung

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trachtet werden muss.257 Gerade in Deutschland hat der kollektive Rechtsschutz jedoch weder die US-amerikanische class action als Vorbild,258 noch eine hiermit vergleichbare Bedeutung, wie die Erfahrungen seit der Einführung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) zeigen.259 Europaweit bestehen vielfältige Formen des kollektiven Rechtsschutzes mit uneinheitlichen gegenständlichen Anwendungsbereichen,260 was eine konsistente Übertragung der Doktrin zusätzlich erschwert. Damit ist die Übertragung eines Konzepts auf die europäische Rechtsordnung, das den verständigen Anleger als Alter Ego des Kapitalmarkts begreift, aus rechtsvergleichenden Erwägungen nicht gänzlich unproblematisch. Zweifelhaft bleibt zudem, ob eine solche Auslegung bereits im US-amerikanischen Insiderrecht mit der ablehnenden Haltung des Supreme Court im Hinblick auf die Statuierung einer brightline rule vereinbar ist. Auch besteht selbst im Rahmen des Anlegerkonzepts, das einige Circuit Courts zugrunde zu legen scheinen, keine endgültige konzeptionelle Klarheit darüber, ob diese den verständigen Anleger nun mit der Marktpreisreaktion des realen Kapitalmarkts gleichsetzen wollen, mit der Folge, dass die Heuristiken irrationaler Anleger berücksichtigt würden, oder ob letztere bei der Bestimmung der materiality ausgeblendet werden sollen, sodass sich das Konzept an dem Modell eines effizienten Kapitalmarkts im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH orientieren würde.261 Im Ergebnis müsste eine solche Auslegung jedenfalls mit einer Berücksichtigung der fraud-on-the-market theory im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität einhergehen. Denn dann wäre der Börsenkurs nicht lediglich Bezugspunkt der Kurserheblichkeit, sondern gleichsam Bezugspunkt haftungsbegründender Kausalität.262 Ob dies de lege lata mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar wäre, wird jedoch uneinheitlich beurteilt. Darüber hinaus ist kaum davon auszugehen, dass der BGH in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Informationsdeliktshaftung aus § 826 BGB die fraud-on-the-market theory für die haftungsbegründende Kausalität bei Schadensersatzansprüchen anerkennt. 257 Mahoney, 78 Va. L. Rev. 623, 662 (1992); Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 766 (2006); Booth, 38 Del. J. Corp. L. 517, 570 (2013); vgl. Klock, 50 Ga. L. Rev. 769, 783 (2016); vgl. Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. 851, 891 f. (1992). 258 Begr. RegE KapMuG, BT-Durcks. 15/5091, S. 17; Montag, ZRP 2013, 172, 174. 259 Vgl. Kranz, NZG 2017, 1099: „[…] wenig praxistauglich […]“; Hoffmann, Die USamerikanische Securities Fraud Class Action, 2009, S. 117 ff. 260 Vgl. Montag, ZRP 2013, 172, 173; Stadler, ZfPW 2015, 61, 66 ff. 261 Freilich erübrigt sich diese Differenzierung, sofern man die Ausführungen der Circuit Courts dahingehend versteht, dass sie die amerikanischen Kapitalmärkte als ausnahmslos effizient im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH erachten, da sich hiernach die Irrationalitäten Einzelner gegenseitig kompensieren und Arbitrageure die Werte von Finanzinstrumenten ihren Fundamentalwerten wieder annähern, sofern diese durch noise trader voneinander entfernt worden sind. Siehe hierzu oben, Kapitel 1, B.III.4.a)cc). 262 Letztere verstanden im Sinne des Konzepts der Preiskausalität.

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Kap. 2: Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität in den USA

3. Erfordernis der Kursspezifität als eigenständiges Merkmal Indem sich die Definition der Kursspezifität in Art. 7 Abs. 2 S. 1 MMVO zu ihrer näheren Bestimmung der Formulierung bedient, Informationen müssten „[…] spezifisch genug [sein], um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente […] zuzulassen“, bedient sie sich hierbei einer Testfrage, die ebenso in den Erwägungen eines verständigen Anlegers eine Rolle spielen würde. Da für die Eignung einer Information zur erheblichen Kursbeeinflussung entscheidend ist, dass dieser die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde (vgl. Art. 7 Abs. 4 MMVO), wäre für die Einordnung einer Information durch den verständigen Anleger als relevant oder irrelevant für seine Anlageentscheidung ebenfalls ausschlaggebend, wie spezifisch oder vage, gewiss oder ungewiss sich diese darstellt. Das US-amerikanische Insiderrecht kennt kein eigenständiges Erfordernis der Kursspezifität. Unspezifische, vage Aussagen werden stattdessen vom Anwendungsbereich der disclose or abstain rule ausgenommen, indem im Rahmen der puffery doctrine danach gefragt wird, ob sich der reasonable investor bei seiner Anlageentscheidung auf eine derartige Information stützen würde. Damit sind prima facie keine Informationen ersichtlich, die sich nicht auch unter Verzicht auf das Merkmal der Kursspezifität unter den reasonable investor test subsumieren lassen würden.

IV. Gemeinsame Perspektiven Trotz der aufgezeigten konzeptionellen Schwierigkeiten bietet das erörterte Konzept, das den verständigen Anleger als Personifizierung eines effizienten Marktes im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH versteht, zahlreiche Vorzüge, die im Rahmen des ökonomischen Teils bereits umfassend erörtert wurden. Allem voran ist dies die These, dass jene Auslegung im Grundsatz ausschließlich fundamentalwertrelevante Daten zum Parameter der Publizitätspflicht macht und damit ein wesentliches Ziel des Kapitalmarkt- und Marktmissbrauchsrechts – die Funktionsfähigkeit des Marktes – am effektivsten fördert, da die Preise von Finanzinstrumenten schnellstmöglich ihrem Fundamentalwert angenähert werden und die fundamentale Effizienz zumindest mittelbar mit der Allokationseffizienz des Marktes korreliert.263 Auf der anderen Seite steht jedoch nicht nur das Bedürfnis der Rechtsprechung, Einzelfallgerechtigkeit ermöglichen zu können und die hieraus ableitbare Tendenz der Judikatur zu einem wertungsoffenen Tatbestand. Die kritischen Stimmen in der jüngeren amerikanischen Literatur machen deutlich, dass es insbesondere der Schutz 263

Vgl. ausführlich Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 42.

B. Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Betrachtung

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eines heterogenen Anlegerpublikums ist, den es in die Wertung miteinzubeziehen gilt. Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Kursspezifität haben die rechtsvergleichenden Erwägungen gezeigt, dass das eigens statuierte Erfordernis aufgrund des reasonable investor test im US-amerikanischen Insiderrecht obsolet ist. Diese rechtsvergleichenden Erkenntnisse sollen bei der fortlaufenden Untersuchung herangezogen werden.

Kapitel 3

Das Lafonta-Urteil des EuGH und seine Bedeutung für die Auslegung von Art. 7 MMVO Die Vorhersehbarkeit der Richtung der Kursauswirkung einer Information auf ein Finanzinstrument erlaubt es ihrem Inhaber, noch vor öffentlichem Bekanntwerden der Information zu antizipieren, wie er diese gewinnbringend verwerten kann. Fehlt dem Anleger umgekehrt dieses Wissen, bedarf ein etwaiger Vertragspartner desselben dem ersten Anschein nach keines Schutzes vor Übervorteilung, wenn der Inhaber der Information aus dieser nicht ableiten kann, ob es eines Kaufs oder eines Verkaufs des Finanzinstruments bedarf, um aus der Information einen Nutzen ziehen zu können. Andererseits verlangt das Versprechen des Gesetzgebers, dass alle Anleger einander gleichgestellt sind, umfassende Transparenz hinsichtlich entscheidungserheblicher Informationen. Unterbleibt die Veröffentlichung einer Information mangels Bestimmbarkeit der Richtung der Kursentwicklung, obwohl die Anleger erfahrungsgemäß erheblich auf sie reagieren würden, wird den Marktteilnehmern suggeriert, es sei kein Umstand eingetreten, der für ihre Anlageentscheidung von Bedeutung sein könnte. Emittenten wären von ihrer Veröffentlichungspflicht befreit, sofern sie darlegen könnten, dass die Richtung der Kursentwicklung aufgrund der Komplexität und mangels eindeutiger empirischer Erfahrungswerte nicht prognostiziert werden kann. Die Rechtssache Lafonta ist Kennzeichen des eingangs beschriebenen Balanceakts. Auf der Grundlage des rechtshistorischen, rechtsvergleichenden, vor allem aber des rechtsökonomischen und teleologischen Hintergrunds sollen die verschiedenen zu berücksichtigenden Belange in diesem Hauptteil miteinander in Einklang gebracht werden. Ausgehend von einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der Entscheidung des EuGH und deren Widerhall in der Rechtsliteratur werden die relevanten Interessen herausgearbeitet und unter Wertungsgesichtspunkten gewichtet. Schließlich gilt es, den Widerstreit schonend aufzulösen und hierdurch das vorzugswürdige Verständnis der Lafonta-Entscheidung herauszuarbeiten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen für die allgemeine Dogmatik des Insiderrechts fruchtbar gemacht werden.

A. Das Lafonta-Urteil des EuGH

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A. Das Lafonta-Urteil des EuGH I. Sachverhalt Gegenstand des vom EuGH zu entscheidenden Falles war ein Rechtsstreit zwischen dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Wendel SA, Jean-Bernard Lafonta, und der französischen Finanzaufsichtsbehörde Autorité des Marchés Financiers (AMF).1 In den Jahren 2006 und 2007 schloss die Wendel SA mit vier Kreditinstituten Verträge über total return swaps (TRS), denen als Basiswert Aktien des Baustoffhersteller-Unternehmens Saint-Gobain SA zugrunde lagen. Die Abwicklung der TRS sollte nach Ende der vereinbarten Laufzeit oder vorweggenommen auf Initiative der Wendel SA hin eintreten. Die Verträge legten hierbei beiderseitig Verpflichtungen fest, die zwar ausschließlich monetärer Natur waren, der Wendel SA aber eine wirtschaftliche Beteiligung an Saint-Gobain ermöglichten.2 Die Kreditinstitute sicherten ihre Positionen durch den Erwerb von insgesamt 85 Millionen Aktien des Saint-Gobain-Konzerns ab. Im Zusammenhang mit dem Abschluss der TRS erhielt die Wendel SAvon den beteiligten Kreditinstituten und einem weiteren Kreditinstitut Finanzierungszusagen, die in ihrer Gesamthöhe dem Volumen der TRS nahekamen. Am 3. 9. 2007 beschloss die Wendel SA, eine Umwandlung der wirtschaftlichen Beteiligung an Saint-Gobain in physischen Anteilserwerb zu vollziehen. Die Wendel SA erwarb daher schrittweise insgesamt mehr als 66 Millionen Aktien, die 17,6 Prozent des Gesellschaftskapitals von Saint-Gobain entsprachen und zeigte der AMF ab dem 26. 9. 2007 die Überschreitung der jeweiligen beteiligungstransparenzrechtlichen Meldeschwellen an. Nach Abschluss einer Untersuchung der Transaktion kam die AMF insbesondere aufgrund des Zusammenfalls des Abschlusses der TRS und der Finanzierungszusagen der Banken zu dem Schluss, dass die Wendel SA von Anfang an beabsichtigt hatte, eine erhebliche Beteiligung am Kapital der Saint-Gobain SA zu erwerben und dass der Erwerb der TRS mit eben jenem Ziel durchgeführt worden sei. Die AMF warf daher der Wendel SA und ihrem Vorstandsvorsitzenden Jean-Bernard Lafonta vor, der Öffentlichkeit nicht spätestens am Tag des Abschlusses sämtlicher TRS, die den Beteiligungserwerb an Saint-Gobain ermöglichen sollten, die wesentlichen Merk-

1

Vgl. zum Sachverhalt das Urteil des Kassationshofs, Cass. com., 26. 11. 2013 – 12-21361, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/initRechJuriJudi.do (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018); vgl. ferner die Sachverhaltsangaben in der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627, 628 = NZG 2015, 432 f. sowie in den Schlussanträgen des Generalanwalts (GA) Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 7 ff. (abrufbar bei juris). 2 Dies ergibt sich zwar nicht aus den Sachverhaltsangaben des EuGH, dafür aber aus denjenigen des vorlegenden Gerichts, vgl. Cass. com., 26. 11. 2013 – 12-21361, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/initRechJuriJudi.do (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018).

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

male der Transaktion mitgeteilt zu haben.3 Darüber hinaus stellte die AMF einen Verstoß gegen die Pflicht fest, bereits vor Eintritt der Verpflichtung der Wendel SA, die Überschreitung der 5-Prozent-Schwelle bekannt zu geben, die Insiderinformation über die Vornahme dieser finanziellen Transaktion zur Ermöglichung eines erheblichen Beteiligungserwerbs an Saint-Gobain ad-hoc zu veröffentlichen. Herr Lafonta wehrte sich gegen das ihm auferlegte Bußgeld und gegen die ablehnende Entscheidung des Berufungsgerichts Cour d’appel de Paris, bei dem er Klage auf Nichtigerklärung erhoben hatte, mit einer Kassationsbeschwerde. Er brachte in diesem Zusammenhang vor, eine Information könne nur dann als präzise angesehen werden, wenn sie demjenigen, der über sie verfüge, eine Vorhersage ermögliche, in welche Richtung sich der Aktienkurs ändern würde, wenn die Information öffentlich bekannt werde. Nur dann ermögliche die Information eine Entscheidung über Kauf oder Verkauf der betreffenden Aktie und vermittle einen Vorteil gegenüber den anderen Marktteilnehmern. So sei es im zu entscheidenden Fall unmöglich gewesen, vorherzusagen, ob die Aktien der Wendel SA durch Offenlegung des Beteiligungserwerbs an Saint-Gobain gestiegen oder gefallen wären. Nach Ansicht der AMF lasse sich eine solche Auslegung dem Wortlaut der Richtlinien 2003/6/EG und 2003/124/EG nicht entnehmen. Das maßgebliche Unterscheidungskriterium zwischen präziser und unpräziser Information sei die Möglichkeit ihrer Auswirkung auf den Markt. Die Cour de Cassation setzte unter diesen Umständen das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor.

II. Urteil des EuGH Nachdem der EuGH zunächst die Ziele der Marktmissbrauchsrichtlinie – die Stärkung der Integrität der Märkte und des Vertrauens der Anleger – rekapituliert, definiert er den Begriff der „Insiderinformation“ und unterteilt ihn in seine vier Tatbestandsmerkmale.4 Anschließend führt er aus, dass die Insiderinformation wegen ihres nicht öffentlich bekannten präzisen Charakters und ihrer Eignung, den Kurs der fraglichen Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, dem Insider einen Vorteil zu allen anderen Marktteilnehmern verschaffe, denen sie unbekannt ist.5

3 Eine diesbezügliche, über die Anforderungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht hinausgehende Veröffentlichungspflicht kann sich aus Art. 223-6 Règlement Général de l’AMF ergeben, der eine spezielle Publizitätspflicht für kursrelevante Finanztransaktionen enthält, vgl. Klöhn, NZG 2015, 809, 810 Fn. 17; Krause/Brellochs, AG 2013, 309, 327 f. 4 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 21 ff. 5 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 25.

A. Das Lafonta-Urteil des EuGH

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Der EuGH weist auf seine Entscheidung im Geltl-Urteil6 hin, wonach die in Art. 1 der Richtlinie 2003/124/EG erläuterten beiden wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Begriffs der „Insiderinformation“ voneinander unabhängig seien und Mindestvoraussetzungen darstellten, von denen jede erfüllt sein müsse, damit eine Information als Insiderinformation im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG angesehen werden kann. Bevor der EuGH weitere Ausführungen macht, stellt er ausdrücklich klar, dass die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage ausschließlich Klarstellungen zum ersten wesentlichen Tatbestandsmerkmal der Definition des Begriffs der „Insiderinformation“ betreffe, nämlich der präzisen Natur dieser Information.7 In Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet führt der Gerichtshof weiter aus, dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG lasse sich nicht entnehmen, dass „präzise“ Informationen nur solche sein könnten, mit denen sich bestimmen lasse, in welche Richtung sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente oder der sich darauf beziehenden derivativen Finanzinstrumente ändern würde. Auch nach dem Telos der Begriffe sei es ausreichend, dass die Information hinreichend konkret oder spezifisch ist, um als Beurteilungsgrundlage für die Kursauswirkung des Gegenstands der Information auf die entsprechenden Finanzinstrumente dienen zu können. Die Bestimmung solle lediglich vage oder allgemeine Informationen ausschließen, die keine Schlussfolgerung hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkung auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente zuließen.8 Dem Vortrag Lafontas zur allgemeinen Systematik von Art. 1 der Richtlinie 2003/124/EG, die Präzision einer Information müsse dem Besitzer eine Vorhersage über die Richtung der Kursentwicklung ermöglichen, da er nur hieraus ein Kauf- oder Verkaufssignal folgern und einen daraus folgenden Marktvorteil erlangen könne, erteilt der EuGH eine Absage. Hierzu führt er aus, dass Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG9 ebenso wie ihr Art. 1 Abs. 110 nicht verlangten, dass es die Infor6 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708. 7 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 28 f. 8 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 30 f. 9 Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 2003/124/EG: „Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist unter einer ,Insider-Information, die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente spürbar zu beeinflussen‘ eine Information gemeint, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.“ 10 Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2003/124/EG: „Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist eine Information dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

mation erlaube, die Richtung zu bestimmen, in die sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente ändern wird. Eine erteilte Information könne von einem verständigen Anleger als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung genutzt werden und somit der in Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie aufgestellten Bedingung genügen, auch wenn diese Information es nicht erlaube, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen.11 Hinsichtlich des Ziels der Marktmissbrauchsrichtlinie rezipiert der Gerichtshof erneut die Aussagen des Generalanwalts und konstatiert, dass die von Herrn Lafonta vorgetragene Auslegung der Zielsetzung der Richtlinie widerspreche. Aufgrund der hohen Komplexität der Finanzmärkte sei eine exakte Einschätzung der Richtung, in die sich die Kurse von Finanzinstrumenten ändern können, besonders diffizil. Der Besitzer einer Information dürfe sich nicht durch die Schutzbehauptung, eine Vorhersage der Auswirkung einer Information auf ein Finanzinstrument in eine bestimmte Kursrichtung sei unmöglich, seiner Publizitätspflicht entledigen – mit dem Ziel, so von der Information zu profitieren.12 Schließlich sieht der EuGH seine Argumentation auch durch die Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2003/124/EG bestätigt und beantwortet die Vorlagefrage schlussendlich dahingehend, dass die Einstufung einer Information als präzise nicht verlange, dass aus ihr mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass sich ihr potentieller Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung auswirken wird, wenn sie öffentlich bekannt werden.13

III. Rechtlicher Hintergrund Da die Umgehung von Beteiligungstransparenzvorschriften das Ziel des Gesetzgebers konterkariert, informierte Anlageentscheidungen zu ermöglichen sowie das Anlegervertrauen zu stärken und damit sowohl den Anlegerschutz als auch die Funktionsfähigkeit der Märkte zu erhöhen,14 reiht sich die Rechtssache Lafonta in Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.“ 11 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 33 f. 12 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 35 f. 13 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 37 f. 14 Vgl. Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in

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eine Vielzahl spektakulärer Fälle ein, die schließlich zu europaweiten Reformen der Investitionstransparenz führten.15 Ob sich die Richter des EuGH im Fall Lafonta dazu veranlasst fühlten, dem verdeckten Beteiligungsaufbau durch die Einordnung der Transaktion als Insiderinformation publikumswirksam entgegenzutreten, mag dahinstehen. In jedem Fall behalten die getätigten Ausführungen über die Fälle des verdeckten Beteiligungsaufbaus hinaus Bedeutung. 1. Verdeckter Beteiligungsaufbau mittels Derivat-Strukturen Die Herstellung von Transparenz durch Mitteilung des Erwerbs einer wesentlichen Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft bei Überschreitung der Schwellenwerte (vgl. § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG) hat in der Regel eine für die Bietergesellschaft unliebsame Folge: Der Aktienkurs der Zielgesellschaft steigt. Hieraus erklärt sich die Attraktivität spezieller Gestaltungsmöglichkeiten von Unternehmensübernahmen, die einen solchen Kursanstieg vermeiden. Der Bieter wird oftmals versuchen wollen, unter Umgehung der kapitalmarktrechtlichen Publizitätsvorschriften im Vorfeld eines öffentlichen Übernahmeangebots einen erheblichen Stimmrechtsanteil an der Zielgesellschaft zu erwerben. Bei diesem Vorgehen spricht man von einem verdeckten Beteiligungsaufbau oder „Anschleichen“.16 Die dem Anteilserwerb an Saint-Gobain zugrunde liegende Transaktion hatte einen derartigen verdeckten Beteiligungsaufbau zum Gegenstand. Durch den Abschluss von swap-Verträgen, als deren underlying Aktien von Saint-Gobain dienten, konnte die Wendel SA eine Transaktionsgestaltung wählen, aus deren wirtschaftlicher Logik zwar eine Erwerbsmöglichkeit resultierte,17 die aber gleichwohl nicht zur Auslösung einer Meldepflicht führte. Denn nach französischem Recht erfassten die damaligen Vorschriften der Beteiligungspublizität eine solche Konstruktion nicht.18

Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 vom 31 Dezember 2004, S. 38. 15 Vgl. den Überblick bei Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 20 Rn. 97 ff. 16 Eichner, ZRP 2010, 5; Baums, ZIP 2010, 2374, 2375. Daneben wird die Bezeichnung „creeping in“ für den Aufbau einer Mehrheitsbeteiligung unter Vermeidung eines Pflichtangebots verwendet. Siehe hierzu sowie zum creeping in aus internationaler Sicht Merkt, NZG 2011, 561 ff. Die Strategie des „Anschleichens“ im oben beschriebenen Sinne wird auch als „creeping takeover“ bezeichnet, siehe hierzu Emmenegger, in: FS Hopt, 2010, S. 1763. 17 Vgl. Begr. RegE Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BT-Drucks. 17/3628, S. 19; Krause, AG 2011, 469, 477. 18 Klöhn, NZG 2015, 809, 810; Kalss/Nicolussi, NJW 2015, 1665; vgl. Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 20 Rn. 113.

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a) Ziel des verdeckten Beteiligungsaufbaus Neben der Reduzierung der Gesamtkosten der Übernahme durch eine möglichst lange Geheimhaltung des Beteiligungsaufbaus19 birgt der geheime Positionsaufbau auch einen beträchtlichen Startvorteil in sich, da er konkurrierende Angebote unwahrscheinlicher macht (toehold-Effekt).20 Solche werden in Anbetracht der Vorbeteiligung des Bieters riskanter und somit weniger attraktiv,21 wodurch sich die Erfolgschance des bevorstehenden Übernahmeangebots des „Anschleichers“ erhöht, der aufgrund seiner erheblichen Beteiligung mit einer gesprächsbereiteren Zielgesellschaft in Verhandlungen tritt.22 b) Verdeckter Beteiligungsaufbau mittels cash settled total return equity swaps Insbesondere die Vielzahl an Finanzderivaten bot in der Vergangenheit Gelegenheit, das tatbestandliche Eingreifen der damals noch lückenhaften Beteiligungspublizitätsvorschriften zu verhindern. Zweifelhafte Popularität haben dabei Derivatkonstruktionen in Form von cash settled total return equity swaps23 erlangt, die in der Praxis häufig die rechtliche Konstruktion eines verdeckten Beteiligungsaufbaus ermöglichten.24 aa) Rechtliche Ausgestaltung Im Allgemeinen hat ein swap-Geschäft den Austausch von cashflows nach Maßgabe einer vereinbarten Formel zum Gegenstand.25 Beim cash settled total return equity swap verpflichtet sich typischerweise eine Bank, einem Investor sämt19

Cascante/Topf, AG 2009, 53; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405. Fleischer, ZGR 2008, 185, 206 f.; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 405. 21 Cascante/Topf, AG 2009, 53. 22 Cascante/Topf, AG 2009, 53. 23 Nach britischer Terminologie ist für diese Art des Finanzderivats ebenfalls der Begriff contracts for difference (CfD) gebräuchlich, vgl. Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 457; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Eichner, ZRP 2010, 5; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60 Fn. 77. Der equity swap (auch Aktienswap oder asset swap) ist streng genommen von einem TRS zu unterscheiden. Zwar sehen beide swaps den Ausgleich von Wertveränderungen des Referenzaktivums vor, jedoch bezieht sich der equity swap stets auf Aktien oder Aktienindizes, während der TRS als Gesamtrisiko-swap darüber hinaus auch der Absicherung für Darlehen und Schuldverschreibungen dienen kann. Besonders in der englischen Terminologie werden jedoch beide swaps als total return swap bezeichnet. Vgl. hierzu Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, § 114 Rn. 26. 24 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60. 25 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 457; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022; Jahn/ Reiner, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 114 Rn. 6; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60. 20

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liche Kursgewinne eines Basiswerts gegenüber einem vorab festgelegten Referenzkurs einschließlich Dividenden auszubezahlen und etwaige Bezugsrechte an diesen weiterzuvermitteln.26 Die Bank erhält dagegen vom Investor einen Ausgleich für etwaige am Stichtag im Vergleich zum Referenzkurs eingetretene Kursverluste.27 Daneben wird sie, da sie infolge dieser Konstruktion selbst keinerlei wirtschaftliches Interesse an der Wertentwicklung hat, für den Abschluss des swaps eine Gebühr oder Zinszahlung verlangen.28 Eine solche Vereinbarung bestand auch zwischen der Wendel SA und den an der Transaktion beteiligten Banken: In casu verpflichtete sich die Wendel SA gegenüber den Banken zur Entgeltzahlung, während sie von diesen den Betrag der mit den Aktien von Saint Gobain verbundenen Dividenden erhielt.29 Der Investor erwirbt bei dieser Konstruktion selbst keine Aktie und erhält auch keinen Realerfüllungsanspruch (physical settlement), sondern kann von der Bank nach Geschäftsbeendigung nur Barausgleich verlangen (cash settlement).30 Wirtschaftlich betrachtet wird hingegen derselbe Effekt erzielt, wie bei einer direkten Investition in den Basiswert.31 Insofern wird von einer „synthetischen Beteiligung“ gesprochen.32 Gegenüber dem tatsächlichen Erwerb einer Aktie als Basiswert bringt diese Konstruktion allerdings einen erheblichen Vorteil mit sich: Der Investor muss zum Zeitpunkt des Abschlusses des swap-Geschäfts bei der Bank lediglich einen Betrag von zwischen 5 bis 10 Prozent des Basiswerts als Sicherheit hinterlegen, sodass er von einer starken Hebelwirkung (leverage) profitieren kann.33 Dem potentiellen Bieter erlaubt das swap-Geschäft, die Gesamtkosten der Übernahme zu verringern. Denn nach Veröffentlichung des Übernahmeangebots partizipiert der Investor über die Barausgleichspflicht der Bank vom steigenden Aktienkurs des Zielunternehmens und vermindert dadurch de facto den Preis der Übernahme.34 26 Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681; Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 457 f.; Meyer/ Kiesewetter, WM 2009, 340, 345; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296. Diese Verpflichtung wird terminologisch auch als „short“ gehen bezeichnet, vgl. C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. 27 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 292; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681. In diesem Fall geht der Investor „long“. 28 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 458; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 292. 29 Siehe hierzu die ausführlichen Angaben zum Ausgangsrechtsstreit in den Schlussanträgen des GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 8 (abrufbar bei juris). 30 Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345. 31 Eichner, ZRP 2010, 5; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296. 32 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Mick, DB 1999, 1201, 1202; vgl. ferner C. Schröder, GPR 2015, 246 in Bezug auf die Beteiligung der Wendel SA an Saint-Gobain. 33 Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Eichner, ZRP 2010, 5; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023. 34 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 460.

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bb) Aus der wirtschaftlichen Logik resultierende Erwerbsmöglichkeit Die Bank wird zur Absicherung ihres Kursrisikos (hedging) eine entsprechende Zahl der Referenzaktien physisch erwerben35 oder das Kursrisiko durch den Abschluss weiterer Derivate an den Kapitalmarkt weiterreichen.36 Obwohl ein Anspruch auf Erwerb der Referenzaktien nicht besteht, hat die Bank einen starken Anreiz, die vorgehaltenen Aktien bei einem öffentlichen Übernahmeangebot des Investors an diesen abzugeben.37 Denn hat der Basiswert einen Kursgewinn erzielt und die Bank ist deshalb barausgleichspflichtig, kann sie durch Verkauf der Aktien an den Investor an Erfüllungs Statt leisten.38 Darüber hinaus wird die Bank regelmäßig nicht bereit sein, zukünftig das Kursrisiko der Referenzaktien zu tragen.39 Bei großen Aktienpaketen wird sie schon deshalb auf die einfachste Möglichkeit zurückgreifen, den gesamten Bestand an den Investor zu veräußern.40 Zudem wird die Bank sich oftmals aufgrund eines gentlemen’s agreement veranlasst fühlen, dem Investor Realerfüllung anzubieten.41 Der künftige Bieter kann also damit rechnen, dass ihm bei Beendigung des swap-Geschäfts die Referenzaktien angedient werden.42 Von dieser sich aus der wirtschaftlichen Logik der Transaktionsstruktur ergebenden Erwerbsmöglichkeit profitierte auch die Wendel SA: Da die swap-Verträge Verpflichtungen zum Barausgleich enthielten, sicherten sich die Kreditinstitute durch den Erwerb von Saint-Gobain-Aktien gegen das Risiko eines Preisanstiegs ab. Die Wendel SA konnte hierdurch eine „synthetische Beteiligung“ in erheblichem Umfang aufbauen, ohne der Beteiligungspublizität unterworfen zu sein, welche sie

35 Eichner, ZRP 2010, 5; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 61. 36 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 458; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503. 37 Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682. 38 C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2024; ähnlich Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 461; Teichmann/Epe, WM 2010, 1477, 1478. 39 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 458. 40 Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682; Eichner, ZRP 2010, 5. 41 Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 404; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 60; Holfter, Übernahme durch Anschleichen, 2012, S. 164 f.; auf den „kaufmännischen Anstand“ rekurrieren U. H. Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 7. 42 Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 459. Hinzu kommt, dass die swap-Verträge regelmäßig eine Vereinbarung enthalten, die dem Investor die vorzeitige Kündigung und Abwicklung des Geschäfts erlaubt. Der Investor kann hierdurch frei über den Zeitpunkt des physischen Aufbaus von Aktienbeständen verfügen, vgl. hierzu Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 292. Auch die swap-Verträge zwischen der Wendel SA und den Kreditinstituten beinhalteten eine solche Vereinbarung, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 8 (abrufbar bei juris).

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anschließend in einen physischen Anteilserwerb durch Übernahme der von den Kreditinstituten gehaltenen Saint-Gobain-Aktien umwandelte.43 2. Relevanz für die Beteiligungspublizität Nicht nur die französischen Beteiligungspublizitätsvorschriften waren im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends lückenhaft. Auch hierzulande44 rückte der verdeckte Beteiligungsaufbau durch Fälle wie Schaeffler/Continental45 und Porsche/ VW46 in den Fokus des Gesetzgebers. Insbesondere die erstgenannte Übernahme löste eine umfangreiche Diskussion über die Verschärfung der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz aus.47 Die damaligen Beteiligungsvorschriften erfassten den Positionsaufbau mittels cash settled total return equity swaps nach überwiegender Ansicht nicht.48 § 25 WpHG a.F. verlangte ausdrücklich ein „Recht“ des Inhabers auf Erwerb der Aktien. Ein solches gewähren cash settled equity-Derivate indes nicht, da sie auf Barausgleich gerichtet sind.49 Eine Zurechnung des Haltens von Aktien durch die Banken für Rechnung des Bieters aufgrund von cash settled total return equity swaps nach §§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG, 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG wurde von der überwiegenden Auffassung ebenfalls abgelehnt.50 43

Vgl. die Sachverhaltsangaben im Urteil des Kassationshofs, Cass. com., 26. 11. 2013 – 12-21361, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/initRechJuriJudi.do (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 44 Vgl. ferner die Übersicht über internationale Fälle bei Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 455. 45 Siehe zum Sachverhalt dieser Übernahme durch „Anschleichen“ mittels cash settled total return equity swaps Habersack, AG 2008, 817; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 404; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022. 46 Siehe zu Sachverhalt und Aufarbeitung der „Übernahmeschlacht“, bei der Porsche die Übernahme von VW durch Aktien und cash settled options anstrebte, Möllers, NZG 2014, 361 ff. 47 Vgl. etwa Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681; Eichner, ZRP 2010, 5; Fleischer/ Schmolke, NZG 2009, 401; Brandt, BKR 2008, 441; Habersack, AG 2008, 817. 48 In diese Richtung Brandt, BKR 2008, 441, 445; Renz/Rippel, BKR 2008, 309, 312; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 404; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681, 682; Meyer/ Kiesewetter, WM 2009, 340, 345; C. Weber/Meckbach, BB 2008, 2022, 2023; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 296; Eichner, ZRP 2010, 5, 6; Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 469 m.w.N; a.A. U. H. Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 562 ff., U. H. Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 7 f. 49 Erfasst sind damit insbesondere Derivate wie futures und Optionen, deren Abwicklung bei Ausübung durch physische Übertragung von Aktien zu vollziehen ist, vgl. Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 475. 50 Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401, 404; Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454, 464 ff.; Brandt, BKR 2008, 441, 445; Schiessl, Der Konzern 2009, 291, 295 f. Hiergegen bezieht Habersack dezidiert in einem für Continental erstellten und der BaFin vorgelegten Rechtsgutachten Stellung, vgl. auch Habersack, AG 2008, 817, 818 ff. Die Zurechnung ebenfalls

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Um den Umgehungspraktiken des „Anschleichens“ einen Riegel vorzuschieben, fügte der deutsche Gesetzgeber durch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz51 in Form von § 25a WpHG a.F. einen weitgefassten Auffangtatbestand in das System der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz ein.52 Die „Antwort des deutschen Gesetzgebers auf den Fall Schaeffler/Continental“53 folgte durch die Einführung der Fallgruppe des § 25a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG a.F., der sämtliche Instrumente mit Barausgleich erfasste.54 Damit wurden insbesondere finanzielle Differenzgeschäfte und cash settled equity swaps sowie call-Optionen und futures/forwards mit cash settlement der Beteiligungspublizität unterstellt.55 Im Zuge der Umsetzung56 der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie57 wurde die Publizitätspflicht für sämtliche meldepflichtigen Instrumente in § 25 WpHG a.F. verankert, § 25a WpHG a.F. enthielt dahingegen eine Meldepflicht für die Summe der nach § 21 und § 25 WpHG a.F. gehaltenen Anteile.58 Wurde zuvor für die Meldepflicht auf ein Ermöglichen eines Aktienerwerbs abgestellt, kommt es nunmehr auf die Erzielung einer gleichen wirtschaftlichen Wirkung der Instrumente an. Inhaltliche Änderungen im Hinblick auf die erfassten Finanzinstrumente sind dadurch gleichwohl nicht intendiert.59 Durch das Zweite FiMaNoG wurde die Numbejahend Zetzsche, EBOR 10 (2009), 115, 140; Schanz, DB 2008, 1899, 1902 ff.; C. Weber/ Meckbach, BB 2008, 2022, 2026 ff. 51 Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vom 5. April 2011, BGBl. I Nr. 14 vom 7. April 2011, S. 538. 52 Vgl. Begr. RegE Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, BT-Drucks. 17/3628, S. 17; Heinrich, in: KK-WpHG, 4. Auflage 2014, § 25a Rn. 6; Wackerbarth, ZIP 2010, 1527; Labudda, in: JVRB, WpHG, 2015, § 25a Rn. 24. 53 So Merkner/Sustmann, NZG 2010, 681. 54 Begr. RegE Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz BT-Drucks. 17/3628, S. 20. 55 Labudda, in: JVRB, WpHG, 2015, § 25a Rn. 24; Heinrich, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, § 25a Rn. 38. 56 Vgl. das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 20. November 2015, BGBl. I Nr. 46 vom 25. November 2015, S. 2029. 57 Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG, ABl. EG Nr. L 294 vom 6. November 2013, S. 13. 58 Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, BT-Drucks. 18/5010, S. 36. 59 Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, BT-Drucks. 18/5010, S. 46; Brellochs, AG 2016, 157, 165.

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merierung des WpHG geändert, sodass der Inhalt des § 25 WpHG a.F. fortan in § 38 WpHG geregelt ist; § 25a WpHG a.F. wurde durch § 39 WpHG ersetzt. Durch diese Erweiterung der Meldetatbestände, die mitunter der Verhinderung eines verdeckten Beteiligungsaufbaus diente,60 wurde die Möglichkeit des „Anschleichens“ an Unternehmen kontinuierlich zurückgedrängt. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die BaFin sich den Charakter des § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG als Auffangtatbestand zu Nutze machen wird, um jedwedes „Instrument“ im Sinne der Norm, das einen verdeckten Beteiligungsaufbau ermöglichen könnte, unter den Tatbestand zu subsumieren.61 Mithin sind heute nur schwerlich Konstruktionen vorstellbar, die die kapitalmarkrechtliche Beteiligungspublizität konterkarieren und einen verdeckten Anteilsaufbau ermöglichen könnten.62 3. Relevanz für das Insiderhandelsrecht und die Ad-hoc-Publizität Die fortdauernde Relevanz der Lafonta-Entscheidung könnte in Anbetracht der Tatsache, dass die Novellierung der Meldetatbestände auf dem geregelten Markt nunmehr zu einer vermeintlich lückenlosen Beteiligungspublizität führt und die Regulierung der Beteiligungstransparenz europaweit ausgedehnt wurde, durchaus in Frage gestellt werden. Dieser Schluss wäre indes aus dreierlei Gründen verfehlt: Erstens ist es auch jenseits der Fälle des verdeckten Beteiligungsaufbaus denkbar, dass sich ein Adressat der Ad-hoc-Publizitätspflicht mit dem Argument verwehrt, mangels Vorhersehbarkeit der Richtung des Kursverlaufs habe keine Insiderinformation vorgelegen.63 Auch sind Einzelfälle nicht ausgeschlossen, bei denen trotz erheblicher Varianz an Kursreaktionen keine positive oder negative Rendite zu erwarten ist, weil sich die Erwartungswerte der möglichen Kursreaktionen gegenseitig ausgleichen. So kann etwa der Rücktritt des Vorstandsmitglieds eines Unternehmens und dessen Ersetzung mit einem neuen Vorstandsmitglied von den Anlegern höchst unterschiedlich beurteilt werden.64 Während die einen ihre Aktien verkaufen, weil sie den bisherigen Unternehmenserfolg mit der Person des scheidenden Vorstands verbanden, mögen die anderen aufgrund des Personalwechsels eine Hoffnung auf Innovation und Erschließung neuer Märkte hegen, der sie zum Erwerb der Aktie veranlasst. 60

Vgl. etwa die Erwägungsgründe 9, 10 und 11 der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie. 61 Brellochs, AG 2016, 157, 166. 62 Weidemann, NZG 2016, 605, 610; Brellochs, AG 2016, 157, 158; Veil, ZHR 177 (2013), 427, 432 f. 63 Vgl. CESR Market Abuse Consultation Feedback Statement, Ref.: CESR/02-287b, Rn. 23. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht ist durch das kapitalmarktrechtliche Transparenzregime nicht gesperrt, vgl. Klöhn, ZIP 2014, 945, 952 m.w.N. 64 Vgl. zu diesem Beispiel GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 51 (abrufbar bei juris).

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Zweitens erlangt die Lafonta-Entscheidung über den Fall des verdeckten Beteiligungserwerbs hinaus für das Verständnis des Tatbestands der Insiderinformation Bedeutung. Denn die Ausführungen des EuGH wie auch die Reaktionen auf die Entscheidung in der Literatur spiegeln das dogmatische Verständnis von Kursspezifität und Kurserheblichkeit unmittelbar wider und erlauben dadurch eine kritische Hinterfragung desselben. Drittens können Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht auch für den intransparenten und nur eingeschränkt regulierten Wertpapierhandel in dark pools, in welche sich Handelsaktivitäten in den letzten Jahren teilweise verlagert haben,65 von Relevanz sein.66 Dies gilt umso mehr, als dass zahlreiche dark pools, deren Handelsaktivitäten als over-the-counter-Geschäfte behandelt werden, infolge der europäischen Vorgaben durch MiFID II67 und MiFiR68 eine Zulassung als multilaterales Handelssystem oder systematischer Internalisierer beantragen müssen69 und die Regelungen der MMVO ausweislich ihres Art. 2 Abs. 1 lit. b) und c) auch für Finanzinstrumente gelten, die in einem multilateralen Handelssystem oder in einem organisierten Handelssystem gehandelt werden sowie für Finanzinstrumente, die zum Handel in einem multilateralen Handelssystem zugelassen sind oder für die ein entsprechender Zulassungsantrag gestellt wurde. Auch der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht wurde ausweislich Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 MMVO deutlich ausgeweitet. Sie gilt fortan auch bei Instrumenten, die nur auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, für Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem in einem Mitgliedstaat erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem in einem Mitgliedstaat beantragt haben. Während das neue Marktmissbrauchsrecht in Deutschland folglich auch Freiverkehrsemittenten erfasst,70 nimmt § 33 Abs. 4 WpHG durch die Beschränkung auf Emittenten, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt (vgl. § 2 Abs. 11 WpHG) zugelassen sind, den Anteilserwerb an Freiverkehrsemittenten aus dem Anwendungsbereich der Betei65 In Europa werden derzeit wohl ca. 5 Prozent des Wertpapierhandels über dark pools abgewickelt; in den USA macht der Anteil an über dark pools abgewickelten Wertpapiergeschäften schätzungsweise knapp über 10 Prozent des Gesamtumsatzes im Wertpapierhandel aus; vgl. Kasiske, BKR 2015, 454, 455. 66 Vgl. Kasiske, BKR 2015, 454 f., 457, wobei besonders beim elektronischen frontrunning das Augenmerk der öffentlichen Bekanntheit und Kurserheblichkeit der Information gilt. 67 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 211/61/EU, ABl. EG Nr. L 173 vom 12. Juni 2014, S. 349. 68 Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EG Nr. L 173 vom 12. Juni 2014, S. 84. 69 Kasiske, BKR 2015, 454, 455. 70 von der Linden, DStR 2016, 1036; de Boer, CB 2016, 147; Kumpan, DB 2016, 2039, 2040; Klöhn, AG 2016, 423, 426.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

147

ligungspublizität heraus.71 Aus der Lafonta-Entscheidung lassen sich damit auch weiterhin Schlussfolgerungen für das Insiderhandelsverbot und die Ad-hoc-Publizitätspflicht ziehen, die beide an Art. 7 MMVO anknüpfen.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung und ihrer Implikationen für Kursspezifität und Kurserheblichkeit I. Aussagekraft der Entscheidung für Kursspezifität und Kurserheblichkeit Art. 267 Abs. 1 lit. b) AEUV eröffnet nationalen Gerichten die Möglichkeit, entscheidungserhebliche Fragen hinsichtlich der Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zulässiger Gegenstand der Vorlagefrage sind somit alle Handlungen der in Art. 13 Abs. 1 EUV genannten Organe und damit das gesamte sekundäre Unionsrecht.72 Inhalt der Vorlagefrage, die der französische Kassationshof dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegte, war die Auslegung von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG sowie von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG, mithin des Tatbestandsmerkmals der „präzisen Information“. Die wohl kontroversesten Reaktionen in der rechtswissenschaftlichen Literatur löste die Lafonta-Entscheidung gleichwohl hinsichtlich der Frage aus, inwieweit das Urteil Stellung zum Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit genommen hat. Die Uneinigkeit ist auf einen vermeintlichen Widerspruch in den Ausführungen des EuGH zurückzuführen, der zunächst feststellt, „die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage“ beziehe sich „ausschließlich auf Klarstellungen zum ersten wesentlichen Tatbestandsmerkmal der Definition des Begriffs „Insider-Information“ […], nämlich der präzisen Natur dieser Information“,73 um kurz darauf im Rahmen seiner systematischen Argumentation Ausführungen zu Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG74 zu machen,75 der durch die 71

Zimmermann, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 21 Rn. 22. Ehricke, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 267 AEUV Rn. 19; Wegener, Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 267 AEUV Rn. 10. 73 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 29. 74 Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG: „Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist unter einer ,Insider-Information, die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente spürbar zu beeinflussen‘ eine Information gemeint, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.“ 72

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Statuierung der Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers der Konkretisierung der Kurserheblichkeit dient. In Anbetracht der ausdrücklichen Klarstellung des EuGH zum Inhalt der Vorlagefrage wird teilweise vertreten, der Gerichtshof habe lediglich eine Entscheidung zum Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ getroffen.76 Die Aussagekraft der Lafonta-Entscheidung würde sich demnach auf den Gegenstand der Auslegungsfrage beschränken. Andererseits dient der vom EuGH bei seiner Argumentation in Bezug genommene verständige Anleger – und dies gilt sowohl für Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG, als auch für Art. 7 Abs. 4 MMVO – zweifelsohne gerade der Konkretisierung des vierten Tatbestandsmerkmals der Insiderinformation. Der überwiegende Teil des Schrifttums misst den Ausführungen des EuGH demzufolge auch für das Merkmal der Kurserheblichkeit Bedeutung bei.77 In der Tat entspricht die Vorgehensweise des EuGH seiner Praxis, über die Vorlagefrage hinausgehende Feststellungen zu treffen.78 Mag der EuGH den Gegenstand der Frage des vorlegenden Gerichts auch ausdrücklich klargestellt haben, ändert dies nichts an der Einordnung seiner gleichwohl getätigten Ausführungen. Entscheidend ist, dass insbesondere die Argumentation des EuGH mit der Zielsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie nahezu gegenstandslos wäre, würde man den Aussagen keine Relevanz für die Kurserheblichkeit beimessen. Der Möglichkeit eines Emittenten, durch die Vorgabe von Unsicherheit hinsichtlich der Richtung der Kursentwicklung seiner Veröffentlichungspflicht entgehen zu können,79 wäre der EuGH dann nicht wirksam entgegengetreten. Er hätte diese Umgehungsmöglichkeit schlichtweg auf ein anderes Tatbestandsmerkmal verlagert. Dementsprechend kommt dem Lafonta-Urteil auch durch die als obiter dictum80 getätigten Ausführungen zur Kurserheblichkeit Bedeutung zu.

75 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 34. 76 C. Schröder, GPR 2015, 246, 247 f.; Langenbucher, AG 2016, 417, 422. 77 Zetzsche, AG 2015, 381, 384 f.; Voß, BB 2015, 788; Klöhn, NZG 2015, 809, 814 ff.; Seibt/ Kraack, EWiR 2015, 237, 238; Binder, RdF 2015, 159 f.; del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 48; wohl auch Buck-Heeb, LMK 2015, 373992; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 182; Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Auflage 2017, Art. 7 MAR Rn. 74. 78 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 267 AEUV Rn. 7; B. Sachs, Die Ex-officio-Prüfung, 2008, S. 79 f. m.w.N. 79 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 35 f. 80 Zetzsche, AG 2015, 381, 384; del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 48. Obiter dicta durchziehen die gesamte Rechtsprechung des EuGH, siehe hierzu die Nachweise bei B. Sachs, Die Ex-officio-Prüfung, 2008, S. 158 Fn. 257.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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II. Kursspezifität nach der Lafonta-Entscheidung Weitgehend Einigkeit besteht im rechtswissenschaftlichen Schrifttum hinsichtlich der Bewertung der Antwort des EuGH auf die eigentliche Auslegungsfrage, die das erste wesentliche Tatbestandsmerkmal der Insiderinformation betrifft – die präzise Natur der Information. 1. Inhalt der Aussage des EuGH Genauer bezieht sich die Auslegungsfrage auf die zweite Voraussetzung des Merkmals „präzise“,81 namentlich das Erfordernis der Kursspezifität. Aus dem Wortlaut,82 der Systematik,83 der Entstehungsgeschichte84 und dem Zweck85 der Marktmissbrauchsrichtlinie sowie der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG leitet der EuGH her, dass eine Information selbst dann präzise sein kann, wenn sich aus ihr nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ableiten lässt, dass sich ihr potentieller Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente bei öffentlichem Bekanntwerden in eine bestimmte Richtung auswirken wird.86 Insoweit wird die Entscheidung des EuGH in der Literatur überwiegend begrüßt.87 Paradigmatisch für die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Kursspezifität und Kurserheblichkeit steht die systematische Argumentation des EuGH zu letztgenanntem Tatbestandsmerkmal. Durch Erwägungen zur Kurserheblichkeit sieht der EuGH seine Ausführungen zur Kursspezifität bestätigt, nachdem er zuvor ausdrücklich die Unabhängigkeit der Voraussetzungen „präzise Information“ und „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“ betont hatte.88

81 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 30 f. (abrufbar bei juris). 82 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 30 f. 83 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 32 ff. 84 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 37. 85 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 35 f. 86 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 38. 87 C. Schröder, GPR 2015, 246, 248; Kumpan, EuZW 2015, 389, 390; Rückert/Rahlmeyer, GWR 2015, 124; Kalss/Nicolussi, NJW 2015, 1663, 1665; Kuthe, CB 2015, 173; Leuering/ Rubner, NJW-Spezial 2015, 175; Buck-Heeb, LMK 2015, 373992. Wilsing/Kleemann, DStR 2015, 958, bezeichnen ein anderes Ergebnis als „fernliegend“; a.A. Nietsch, WuB 2015, 327. 88 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 28.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

2. Stand der Forschung zum Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ In Anbetracht der Struktur von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG,89 der seine Entsprechung mit unwesentlichen Änderungen des Wortlauts in Art. 7 Abs. 2 MMVO gefunden hat, ergibt sich, dass zwei Merkmale erfüllt sein müssen, um das Vorliegen einer präzisen Information bejahen zu können.90 a) Gegenwärtige oder zukünftige Umstände und Ereignisse Zunächst muss eine Reihe von Umständen vorliegen, die bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder von dem man vernünftigerweise erwarten kann, dass es in Zukunft eintreten wird, Art. 7 Abs. 2 S. 1 MMVO. Erfasst sind damit insbesondere Informationen, die eine Tatsache zum Gegenstand haben, also der äußeren Wahrnehmung und dem Beweis zugängliche Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und innere menschliche Vorgänge.91 Hierunter fallen grundsätzlich auch Pläne, Vorhaben und Absichten.92 Eine differenzierte Betrachtung ist hinsichtlich Werturteilen, Meinungen, Bewertungen, Rechtsauffassungen und Gerüchten angebracht.93 89 Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG: „Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist eine Information dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.“ 90 Vgl. EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 29; GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 30 (abrufbar bei juris); Assmann, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 8; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 25; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 25 f.; Klöhn, ZIP 2014, 945, 947. 91 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 29 ff.; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 26; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.478; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 57; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 12. Ausführlich zum Tatsachenbegriff Burgard, ZHR 162 (1998), 51, 60 ff. 92 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 57 ff.; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 73 ff.; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 44; differenzierend Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 20 f. 93 Eingehend Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 39 ff.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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Präzise, gegenwärtige Informationen können auch Zwischenschritte eines mehrstufigen Geschehensablaufs darstellen, sofern diese für sich genommen die Kriterien der Insiderinformation erfüllen (Art. 7 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 MMVO, Erwägungsgründe 16, 17 der MMVO). In seinem Geltl-Urteil94 entschied der EuGH, dass die Marktmissbrauchsrichtlinie sowie deren Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG dahingehend auszulegen seien, dass jeder Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Sachverhalts für sich genommen eine Insiderinformation darstellen könne,95 nachdem ihm der BGH die Auslegungsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte.96 Dem Urteil des EuGH folgend stellte auch der BGH fest, dass Pläne, Vorhaben und Absichten einer Person konkrete Informationen über diesen bereits existierenden Umstand sein können.97 Die Geltl-Rechtsprechung des EuGH hat mit dem Inkrafttreten der MMVO kodifizierten Gesetzesrang erhalten. Künftige Umständen und Ereignisse können Insiderinformation darstellen, sofern vernünftigerweise erwartet werden kann, dass diese gegeben sein werden. Diese spezielle Vorgabe gilt lediglich für zukunftsbezogene Informationen.98 Nach der Geltl-Rechtsprechung des EuGH muss eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergeben, dass tatsächlich erwartet werden kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden.99 Diese Auslegung wurde durch den BGH dergestalt interpretiert, dass eher mit dem Eintreten des künftigen Ereignisses als mit seinem Ausbleiben zu rechnen sein müsse.100 Eine allgemeine Vorgabe, die alle Insiderinformationen erfüllen müssen, stellt dahingegen ihre Kursspezifität101 dar.102 94

EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708. 95 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 40. 96 BGH, Beschl. v. 22. 11. 2010 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2011, 309 = ZIP 2011, 72 = NZG 2011, 109 = AG 2011, 84 = ZBB 2011, 72. 97 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 19. 98 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 77 f.; Klöhn, NZG 2015, 809, 810; Klöhn, ZIP 2014, 945, 947. 99 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 49. 100 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 29. 101 So die Bezeichnung des BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 18. 102 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 77 f.; Klöhn, NZG 2015, 809, 810; Klöhn, ZIP 2014, 945, 948.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

b) Kursspezifität Nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 MMVO muss die Information spezifisch genug sein, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder des damit verbundenen derivativen Finanzinstruments, der damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder der auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte zuzulassen. Nur, wenn die Information eine hinreichende Grundlage für die Einschätzung der künftigen Entwicklung des Börsenpreises bietet, handelt es sich um eine spezifische Information im Sinne der Norm.103 Sind die Informationen derart ungenau oder noch so unkonkret, dass sie vernünftigerweise nicht als Grundlage einer Insiderinformation angesehen werden können, mangelt es an der präzisen Natur.104 Dieser zweite Prüfungsschritt ist Gegenstand einer dogmatischen Diskussion über das Verhältnis der Erfordernisse der Kursspezifität und der Kursrelevanz, welche auch für das Verständnis der Lafonta-Entscheidung Bedeutung erlangt. 3. Bewertung der Aussagen des EuGH zum Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ a) Wortlaut Ausgehend vom Wortsinn des Begriffs „präzise“ ist mit dem EuGH anzunehmen, dass dieses Tatbestandsmerkmal der Aussonderung vager oder allgemeiner Informationen dienen soll.105 Eine unkonkrete, an hinreichender Spezifität und Genauigkeit mangelnde Information erlaubt ihrem Inhaber keinen Schluss hinsichtlich der möglichen Auswirkung der Information auf den Kurs des betreffenden Finanzinstruments.106 Die Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursentwicklung kann sich aber aus der Komplexität der Finanzmärkte, der hiermit verbundenen Schwierigkeit von Prognosen über den Kursverlauf und mangelnden empirischen Erfahrungswerten ergeben. Daher können richtigerweise auch präzise Informationen existieren, aus denen sich die Richtung etwaiger Kursreaktionen gleichwohl nicht ableiten lassen. Der Wortsinn des Begriffs „präzise“ erfordert keine gegenteilige Deutung.107

103 Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 43. 104 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 36. 105 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 31; Wilsing/Kleemann, DStR 2015, 958; Kumpan, EuZW 2015, 389, 390. 106 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 38 (abrufbar bei juris). 107 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 44.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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Zwar wurde teilweise vorgebracht, da sich Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG mit der Formulierung, eine Information müsse den Schluss auf „die mögliche Auswirkung“ zulassen, des Singulars bediene, gehe sie offenbar von Informationen aus, die einen eindeutigen Schluss auf ihre Kursrelevanz zuließen.108 Denn „die Auswirkung“ könne stets nur eine Richtung haben.109 Jedoch legt die Formulierung, die nur „einen Schluss“ auf die „mögliche Auswirkung“ verlangt, eher eine weite Auslegung nahe.110 Auch scheint der Gesetzgeber bei seiner Formulierung nicht bewusst den Singular gewählt zu haben, wie ein Blick auf Satz 3 des ersten Erwägungsgrunds der Richtlinie 2003/124/EG nahelegt, der im entsprechenden Kontext den Plural verwendet.111 Zudem lässt sich nicht nur dann „ein […] Schluss“ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG ziehen, wenn sich eine positive oder negative Auswirkung antizipieren lässt.112 Von einer Schlussfolgerung auf die mögliche Kursauswirkung lässt sich dem Wortsinn nach auch sprechen, wenn sich aus der Information logisch ableiten lässt, dass bei ihrem öffentlichen Bekanntwerden irgendeine erhebliche Reaktion am Markt möglich ist, selbst wenn sich deren Richtung nicht prognostizieren lässt. Vornehmlich soll durch das Erfordernis der Kursspezifität eine Informationsüberflutung der Marktteilnehmer sowie eine übermäßige Belastung der Emittenten verhindert und solche Informationen aus dem Tatbestand ausgesondert werden, die ihrem Wesen nach zur Beeinflussung der Ziele des Marktmissbrauchsrechts ungeeignet erscheinen.113 b) Entstehungsgeschichte Dieses Ergebnis wird durch den Entstehungsprozess von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG bestätigt.114 Das CESR führte in seinem Konsultationspapier CESR/02.089b zunächst in Rn. 32 unter den Erwägungen, die es hinsichtlich der Beurteilung der präzisen Natur einer Information zu berücksichtigten gelte, auf: „The information is specific enough to allow a conclusion to be drawn about the

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Klöhn, ZIP 2014, 945, 949; vgl. del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 48 hinsichtlich der französischen Sprachfassung von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG, die die Formulierung „l’effet“ verwendet. 109 Klöhn, ZIP 2014, 945, 949. 110 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 38 (abrufbar bei juris). 111 Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 106. 112 So aber Avia, RLDA 2015, 23, 24 hinsichtlich der französischen Sprachfassung von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG, die die Formulierung „tirer une conclusion“ verwendet. 113 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 38 (abrufbar bei juris). 114 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 37; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 44 ff.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

direction of its impact on prices.“115 In seinem Feedback Statement erkannte das CESR an, dass das Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Richtung der Kursentwicklung ein Vorwand für unterlassene Veröffentlichungen darstellen könne. Daher sei die Empfehlung dahingehend modifiziert worden, dass die Information spezifisch genug sein müsse, um schlichtweg eine Schlussfolgerung hinsichtlich der Auswirkung auf die Preise zuzulassen.116 Dementsprechend findet sich im späteren technischen Ratschlag des CESR diesbezüglich nur noch die Formulierung: „In deciding whether a piece of information is precise, the following factors are to be taken into consideration: The underlying matter or event to which the information refers is true or could reasonably be expected to become true in the future; The information is specific enough to allow a conclusion to be drawn about its impact on prices.“117

Zwar kann die Entwicklung der CESR-Empfehlungen kaum als Wille des historischen Gesetzgebers betrachtet werden.118 Gleichwohl gibt dieser Prozess sowie die unter unwesentlichen terminologischen Anpassungen erfolgte Übernahme dieses Ratschlags durch die Kommission in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG, der ein Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Richtung der Kursentwicklung nicht nennt, Aufschluss über die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.119 Danach ist mit dem EuGH davon auszugehen, dass nach dem Willen der Kommission eine Auslegung des Wortlauts in diesem Sinne vermieden werden sollte.120 Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Verweis auf die im Jahr 2007 vom CESR veröffentlichten Leitlinien zur Marktmissbrauchsrichtlinie.121 Zwar finden sich in Rn. 1.8 folgende Ausführungen: „As regards whether a piece of information is specific enough to allow a conclusion to be drawn about its impact on prices, CESR considers this would occur for example in two circumstances. The first would be when the information is such as to allow the reasonable investor to take an investment decision without, or at very low, financial risk – i. e. the investor would be able to assess with confidence how the information, once publicly known, 115 CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, Ref: CESR/02.089b, Rn. 32. 116 CESR Market Abuse Consultation Feedback Statement, Ref: CESR/02-287b, Rn. 22 f. 117 CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, Ref: CESR/02-089d, Rn. 19. 118 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 44; Zetzsche, AG 2015, 381, 385. 119 Vgl. Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 44, 48, 50. 120 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 37; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 50. 121 So aber Dompé/Mennesson, JCP E 2015, 219; Avia, RLDA 2015, 23, 25 sowie der Vortrag Lafontas vor dem EuGH, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 40 (abrufbar bei juris).

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

155

would affect the price of the relevant financial instrument and related derivative financial instruments.“122

Hieraus wurde teilweise gefolgert, ein Anleger sei nur dann nicht demselben Risiko wie die sonstigen Marktteilnehmer ausgesetzt und könne nur dann zuversichtlich beurteilen, wie die Information die Preise beeinflussen würde, wenn er Kenntnis von der Richtung der Kursauswirkung habe.123 Wie der Generalanwalt jedoch zu Recht anführt, stellt das angeführte Beispiel unabhängig von der rechtlichen Unverbindlichkeit der Leitlinien des CESR eine seltene Situation dar, in der hinsichtlich der Auswirkungen der Information eine Gewissheit existiert, die für die Bejahung des Tatbestands nicht erforderlich ist.124 Vielmehr nennt das CESR lediglich Beispiele zur Veranschaulichung, die nicht abschließend sind und aus denen sich schwerlich ein entsprechender Schluss ziehen lässt. Zum anderen findet sich in der indikativen Liste des CESR von Ereignissen, die Insiderinformationen darstellen könnten, mit dem 8. Gedankenstrich („Purchase or disposal of equity interests or other major assets or branches of corporate activity“)125 nicht nur ein Ereignis, das dem Kauf der TRS im Fall Lafonta nahekommt, sondern es existieren auch weitere Beispiele, bei denen die Richtung der Kursentwicklung nicht in jedem Fall ersichtlich sein wird.126 c) Systematik und Telos Im Rahmen seiner systematischen Erwägungen sieht sich der EuGH dadurch bestätigt, dass ein verständiger Anleger die betreffende Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigt hätte.127 Trotz der ausdrücklichen Betonung der inhaltlichen Beschränkung der Auslegungsfrage auf das Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ trifft der EuGH en passant eine Aussage zum Erfordernis der 122 Market Abuse Directive, Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market, Ref: CESR/06-562b, Rn. 1.8 (Hervorhebung durch den Verfasser). 123 Dompé/Mennesson, JCP E 2015, 219; Avia, RLDA 2015, 23, 25. 124 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 41 f. (abrufbar bei juris). 125 Market Abuse Directive, Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market, Ref: CESR/06-562b, Rn. 1.15, 8. Spiegelstrich. 126 So der GA Wathelet, der unter Verweis auf die Ausführungen der Europäischen Kommission außerdem den 3. („Changes in management and supervisory boards“), den 7. („Mergers, splits and spin-offs“) und den 29. Spiegelstrich („Changes in the investment policy of the issuer“) in Rn. 1.15. der CESR-Leitlinien anführt, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 42 (abrufbar bei juris). Siehe auch BaFin, Emittentenleitfaden 2013, Ziff. IV.2.2.4., S. 53, 4. Spiegelstrich, wonach bei „Erwerb oder Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen“ in der Regel ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential gegeben ist. 127 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 33 f.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

„Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“, die in Anbetracht ihrer potentiellen Tragweite überrascht. Denn im zu entscheidenden Fall erfordert die Einschätzung der Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Informationen für die Anlageentscheidung des verständigen Anlegers eine umfassende Abwägung konfligierender Interessen, die nur durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Sinn und Zweck von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht bewerkstelligt werden kann.128 In den Ausführungen des EuGH finden sich dem Auslegungskanon entsprechend auch teleologische Erwägungen. Sähe man den Sinn und Zweck von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht darin, einen kompetitiven Markt für Informationshändler zu schaffen, wäre die Vorlagefrage aus teleologischen Gründen zu bejahen gewesen, weil die Publizierung derartiger Informationen die Such- und Analysekosten dieser Anlegergruppe erhöhen würde und Informationshändler nicht vor einer Übervorteilung durch Insider geschützt werden müssten.129 Anders allerdings die Entscheidung des EuGH: Nach dem Gerichtshof würde eine Bejahung der Vorlagefrage die Ziele der Marktmissbrauchsrichtlinie, die Integrität der Finanzmärkte und das Vertrauen der Anleger auf Gewährleistung ihrer Chancengleichheit sicherzustellen, beeinträchtigen.130 In Anbetracht des ausdrücklichen Hinweises des EuGH, die Auslegungsfrage habe lediglich das Tatbestandsmerkmal der „präzisen Natur“ der Information zum Gegenstand, offenbart sich eine Problematik, die das Verhältnis zwischen Kursspezifität und Kurserheblichkeit betrifft: Müssen nicht alle Ausführungen zu Sinn und Zweck des Insiderrechts konsequenterweise auf das Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit übertragen werden, weil die Ziele des Marktmissbrauchsrechts andernfalls beeinträchtigt werden würden?131 Wenn der EuGH seine Auffassung zum Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ mit dem Gedanken begründet, Emittenten dürften sich nicht ihrer Veröffentlichungspflicht enthalten,132 geht er offenbar davon aus, auch bei Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursentwicklung bestehe eine Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten.133 Damit unterstellt er indes nicht lediglich das Vorliegen einer 128

Hierzu ausführlich unten, Kapitel 3, C. Klöhn, ZIP 2014, 945, 949 ff. 130 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 35. 131 Vgl. den Hinweis von Klöhn, ZIP 2014, 945, 948 vor der Entscheidung des EuGH: „Die eigentliche Frage, die der EuGH zumindest inzident beantworten muss, ist damit: Können kursrelevant nur solche Informationen sein, die einen eindeutigen Schluss darüber erlauben, in welche Richtung sich der Kurs des betroffenen Finanzinstruments bewegen wird?“ (Hervorhebung im Original). 132 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36 f. 133 Vgl. etwa Trüg, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2017, § 39 WpHG Rn. 127: „Verlangt wird demnach die Offenlegung auch solcher Informationen, deren konkreter Kurseinfluss noch nicht bestimmt werden kann.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 129

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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kursspezifischen Information, sondern vielmehr die Existenz einer Insiderinformation (vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG a.F., Art. 17 Abs. 1 MMVO), was die Kurserheblichkeit der Information miteinschließt. Es wäre sinnwidrig, wenn die Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursentwicklung zwar nicht als Vorwand für die mangelnde Kursspezifität herangezogen werden dürfte, auf der Ebene der Kurserheblichkeit aber doch einen legitimen Grund darstellen würde, sich einer Publizitätspflicht entziehen zu können. Die teleologischen Erwägungen des EuGH zur Kursspezifität lassen sich mithin nicht sinnvoll von Erwägungen zur Kurserheblichkeit trennen. Die Bezugnahme auf die Perspektive des verständigen Anlegers im Rahmen der systematischen Erwägungen lassen ebenso an der durch den EuGH postulierten Unabhängigkeit von Kursspezifität und Kurserheblichkeit zweifeln. Anhand des Verhältnisses dieser beiden Erfordernisse bestimmt sich, inwiefern die Antwort auf die vom vorlegenden Gericht nicht gestellte Frage der Kurserheblichkeit der betreffenden Informationen bereits vorgezeichnet ist. 4. Das Verhältnis von Kursspezifität und Kurserheblichkeit a) Eigenständigkeit der Kursspezifität Den europarechtlichen Vorgaben entsprechend gehen EuGH, BGH, CESR sowie ein Teil des deutschen Schrifttums von der Eigenständigkeit der Kursspezifität gegenüber dem Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit aus. aa) Europarechtlich determinierte Unabhängigkeit der Voraussetzungen In seiner Geltl-Entscheidung betont der EuGH die Unabhängigkeit der Tatbestandsmerkmale „präzise Information“ und „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“.134 Auch im Lafonta-Urteil weist der Gerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei den Merkmalen um voneinander unabhängige Mindestvoraussetzungen handele.135 Zweistufig geht auch der BGH in seinem Geltl-Beschluss vor, in dem er zunächst ausdrücklich zwischen Kursspezifität und Kurserheblichkeit differenziert,136 um anschließend Überlegungen ohne präzisen Informationsgehalt mangels Konkretheit aus dem Tatbestand auszusortieren.137 Derartige „bloße Überlegungen“ bilden für 134

EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 52 f. 135 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 28. 136 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 13. 137 BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 19.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

den BGH keinen möglichen Anknüpfungspunkt als Insiderinformation, weshalb er sich mit diesen Informationen nicht weiter beschäftigt.138 In eine ähnliche Richtung deutet ein Blick auf die für die Richtlinie maßgebliche Stellungnahme des CESR: „CESR also acknowledges the fact that both conditions – precise and likely to have a significant effect on the price of the financial instrument – are very much linked to each other and that the characteristics of each condition may play an intensifying role on the occurrence of the other. However, CESR believes that it is possible to identify separately the factors, which should be taken into account in deciding whether we are in presence of precise information, on one hand, and of information that is likely to have a significant effect on prices, on the other hand.“139

Weiter führt der technische Ratschlag aus, bei der Frage, ob es sich bei der betreffenden Information um eine präzise Information handele, sei zu berücksichtigen, ob die der Information zugrunde liegende Angelegenheit oder das zugrunde liegende Ereignis der Wahrheit entspreche, weil es auf haltbaren und objektiven Anhaltspunkten beruhe und – anders als bloße Gerüchte – bewiesen und deshalb genau übermittelt werden könne.140 Dementsprechend formuliert auch die BaFin in ihrem Emittentenleitfaden aus dem Jahr 2013, die Information sei konkret im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG a.F., wenn sie eine hinreichende Grundlage für eine Einschätzung des zukünftigen Preises des Finanzinstruments bieten könne.141 Werturteile, Einschätzungen, Absichten, Prognosen und Gerüchte ordnet die BaFin als präzise ein, wenn diese überprüfbar sind.142 Das Spannungsverhältnis zwischen der durch das CESR betonten Unabhängigkeit der Tatbestandsmerkmale und deren gleichzeitigen engen Verbindung wird an der vorgeschlagenen Leitlinie zur Bestimmung der Kursspezifität deutlich: „A piece of information allows a conclusion to be drawn about its impact on prices, either when it would enable a reasonable investor to take an investment decision without (or at very low) risk or when it is likely to be exploited immediately on the market.“143

138 Vgl. BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 19 ff.; vgl. Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 33 ff. 139 CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, Ref.: CESR/02-089d, Rn. 18. 140 CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, Ref.: CESR/02-089d, Rn. 19 f. 141 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, Ziff. III.2.1.1., S. 32 f. 142 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, Ziff. III.2.1.1., S. 32 f. 143 CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, Ref.: CESR/02-089d, Rn. 20; vgl. nahezu inhaltsgleich Market Abuse Directive, Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market, Ref: CESR/06-562b, Rn. 1.8.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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Diese als Konkretisierung der Kursspezifität dienende Kontrollfrage nähert das Erfordernis enorm an die für die Kurserheblichkeit maßgebliche Frage an, ob ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde.144 Die Ausführungen des CESR sind ausgehend vom Wortsinn der Begriffe „präzise“ und „konkret“ (so § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG a.F.) zu untersuchen, die als „bis ins Einzelne genau umschrieben“ zu verstehen sind und im Gegensatz zu einer „vagen“ Information stehen.145 Hieraus ließe sich schließen, dass die Ausführungen des CESR Anforderungen an die Verlässlichkeit der Information stellen, damit der verständige Anleger seine Anlageentscheidung möglichst risikolos auf sie stützen kann.146 Die Kursspezifität würde demnach der Aussonderung derartiger Informationen dienen, die den Wahrheitszweifel explizit in sich tragen und daher weder eine risikoarme Anlageentscheidung noch eine sofortige Ausnutzung der Information ermöglichen, weil diese zunächst verifiziert werden muss.147 Während hiermit zwar eine inhaltliche Aussage über das Erfordernis der Kursspezifität getroffen ist, bleibt dessen tatbestandliche Funktion als Selektionskriterium weiterhin fraglich. Dies gilt umso mehr, als Erwägungsgrund 14 S. 3 der MMVO die Verlässlichkeit der Informationsquelle als Faktor nennt, den es in die Prüfung nach Art. 7 Abs. 4 MMVO miteinzubeziehen gilt.148 EuGH und CESR betonen zwar die Unabhängigkeit der Merkmale „präzise Information“ und „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“. Die nähere Konkretisierung der Funktion des Tatbestandsmerkmals rechtfertigt allerdings noch nicht dessen Eigenständigkeit. Maßgeblich hierfür ist vielmehr die Frage, ob das Erfordernis der Kursspezifität eine eigene Abgrenzungswirkung entfaltet, weil es eine Information aus dem Tatbestand der Insiderinformation ausschließt, die ansonsten unter ihn fiele.149

144

Ähnlich Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 36 f. Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 14. 146 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 14; so auch Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 84 ff., der dem Merkmal der Präzision gleichwohl keine eigene Bedeutung beimisst. Die Verlässlichkeit der Information ist nach Klöhn eine relative Größe, deren Anforderungen getreu der probability/magnitude-Formel steigen, je niedriger die erwarteten Kursauswirkungen ausfallen und sinken, je höher die erwarteten Auswirkungen der Information auf den Kurs sind. 147 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 14. 148 Vgl. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 89 zu Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2003/124/EG. 149 Klöhn, NZG 2015, 809, 810 Fn. 15. 145

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

bb) Begrenzungsfunktion für mittelbar betreffende Informationen Auch in der Literatur wird dem Merkmal der Kursspezifität teilweise eine eigenständige Bedeutung beigemessen.150 Anders als die Kurserheblichkeit verlange die Kursspezifität gerade nicht die Eignung, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis eines Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen. Sie erfordere lediglich eine Prognose, ob die Information überhaupt spezifisch genug sei, um eine Aussage über die Kursrelevanz für ein Insiderpapier zuzulassen.151 Demzufolge sieht namentlich Assmann im Merkmal der Kursspezifität eine autonome Auslesefunktion.152 Aufschluss über Sinn und Zweck der zweistufigen Vorgehensweise bei der Prüfung des Vorliegens einer konkreten Information gebe ein genauer Blick auf Art. 1 Nr. 1 S. 1 der Richtlinie 2003/6/EG, der – wie auch Art. 7 Abs. 1 lit. a) MMVO – ausdrücklich Informationen mit indirektem Bezug zum Emittenten oder Finanzinstrument in die Begriffsdefinition der Insiderinformation mit aufnimmt. Die Selektionswirkung werde in Anbetracht der Menge potentieller Informationen mit einem derartigen mittelbaren Bezug deutlich, sodass die Kursspezifität Aufschluss über die Frage gebe, ob die betreffende Information hinreichenden Emittenten- oder Insiderpapierbezug153 aufweise, um ein Urteil über die Kurserheblichkeit zuzulassen.154 Als Beispiel für unpräzise Informationen nennt Assmann Marktinformationen, also für alle Marktteilnehmer verbindliche Informationen über Marktverhältnisse und Wettbewerbsparameter, sofern diese noch keine bestimmbaren Auswirkungen auf einzelne Emittenten oder Insiderpapiere hätten.155 Auch andernorts wird die Annahme, die Kursspezifität gehe in der Kurserheblichkeit auf, als zu weitgehend empfunden, da der Normtext ersichtlich etwas anderes regeln wolle.156 b) Kursspezifität als Bestandteil der Kurserheblichkeit Ob dem Merkmal der Kursspezifität durch die vorangehenden Erwägungen eine eigene Abgrenzungswirkung verliehen werden kann, erscheint indes zweifelhaft. 150 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 8; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 14; Pawlik, in: KK-WpHG, 2007, § 13 Rn. 12; i.E. auch Ritz, in: JVRB, WpHG, § 13 Rn. 28 ff. 151 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 8 f., Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 14; so auch Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 27, die dem Merkmal der Kursspezifität gleichwohl eine eigenständige Abgrenzungswirkung absprechen. 152 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 8 f. 153 Vgl. §§ 13 Abs. 1 S. 1, 12 WpHG a.F. 154 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 8; ebenso Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Auflage 2017, Art. 7 MAR Rn. 21. 155 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 9; vgl. Eichner, Insiderrecht, 2009, S. 50. 156 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 40.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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Denn ohne hinreichenden Bezug zu einem Emittenten oder Finanzinstrument wird der Information wiederum die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung fehlen, weshalb auch eine derartig verstandene Funktion der Kursspezifität im Merkmal der Kurserheblichkeit aufzugehen scheint.157 Indem der Richtlinien- und Verordnungsgeber für die Einordnung einer Information als „spezifisch“ verlangt, dass diese einen Schluss auf die potentielle Auswirkung der Umstände auf den Börsen- oder Marktpreis des Finanzinstruments ermöglichen muss, wird ein Teil des Merkmals der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“ in dasjenige der „präzisen Information“ hineingetragen.158 Die Abhängigkeit der Reichweite der Kursspezifität von der Kurserheblichkeit liegt im Wortlaut der Gesetzesformulierung begründet, wonach nur solche Informationen präzise sind, die einen Schluss auf die Kurserheblichkeit zulassen.159 Demzufolge wird vermehrt vertreten, dass dem Merkmal der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“ eine Doppelfunktion zukomme.160 Die Kursspezifität werde mit dem Merkmal der Kurserheblichkeit bestimmt, das seine tatbestandsbegrenzende Funktion bereits an anderer Stelle wahrnehme.161 Hieraus wird abgeleitet, kursrelevante Informationen würden regelmäßig auch die erforderliche Präzision aufweisen, sodass dem Merkmal der „präzisen Information“ in diesen Fällen kaum eine eigene tatbestandsbegrenzende Funktion beizumessen sei.162 Teilweise wird noch weitergehend gefolgert, das Merkmal der Kursspezifität sei redundant, da es ihm gänzlich an einer eigenen Abgrenzungswirkung fehle.163 Es existiere keine kursrelevante Information, die nicht auch so spezifisch sei, dass sie gleichzeitig einen Schluss auf ihre Kurserheblichkeit zulasse.164 Die Prüfung der Präzision oder Konkretheit einer Information erschöpfe sich daher in einer der Kursrelevanzprüfung vorangestellten und aus ihr herausgetrennten Evidenzkontrolle.165

157

Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 70. Mennicke, ZBB 2013, 244, 246; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 27; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 06/2007, § 13 WpHG Rn. 12; vgl. Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 10 Rn. 12. 159 Klöhn, ZIP 2014, 945, 948; vgl. Bachmann, DB 2012, 2206, 2209. 160 Möllers, ZIP 2006, 1615, 1621; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 731; Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 18 Fn. 2; vgl. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 27 f.; vgl. zum Streitstand Ritz, in: JVRB, WpHG, § 13 Rn. 26 ff. 161 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 28. 162 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 28. 163 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 82. 164 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 82. 165 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 82, 84; Klöhn, NZG 2015, 809, 810; Kumpan, DB 2016, 2039, 2041 Fn. 25. 158

162

Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Um zu bestimmen, ob eine Information einen Schluss auf die mögliche Kursauswirkung zulässt, bedürfe es einer gedanklichen Auseinandersetzung mit der potentiellen Kursentwicklung, die jedoch noch nicht die endgültige Beurteilung der Eignung der Information zur erheblichen Kursbeeinflussung verlange.166 Da letztere aber anhand des Maßstabs des verständigen Anlegers zu beurteilen ist (vgl. Art. 7 Abs. 4 MMVO), müsse diese Perspektive auch für die Beurteilung der Kursspezifität gelten.167 Damit diene der verständige Anleger nicht nur als Maßstab der Kurserheblichkeit, sondern auch der Konkretisierung der Kursspezifität, was zudem durch die Ausführungen der CESR-Guidance bestätigt werde.168 c) Erkenntnisse des Rechtsvergleichs Ein Blick auf die britische Rechtsprechung und die im französischen Schrifttum stattfindende dogmatische Diskussion über das Verhältnis der Voraussetzung der Kursspezifität zum Merkmal der Kurserheblichkeit verdeutlicht die Unsicherheit im Umgang mit dem Normgefüge. Eine Orientierung am Insiderrecht der Vereinigten Staaten von Amerika bietet allerdings Anhaltspunkte für die Funktion der Kursspezifität und das Verhältnis der Erfordernisse, die sich auch für das Marktmissbrauchsrecht nutzbar machen lassen. aa) Rechtsvergleichender Blick auf Großbritannien: Der Fall Massey v. FSA In der Sache Massey v. FSA169 hatte das UK Upper Tribunal über eine Geldbuße zu entscheiden, die gegen David Massey wegen Insiderhandels von der Financial Services Authority verhängt wurde.170 Nachdem auch das Upper Tribunal Schwierigkeiten bei der Auslegung des Erfordernisses der Kursspezifität konstatiert hatte, stellte es fest, dass die Formulierung „specific enough to enable a conclusion to be drawn“ ein hohes Maß an Bestimmtheit verlange, welches durch die Formulierung „as to the possible effect … on the price“171 wieder neutralisiert oder wenigstens abgeschwächt werde.172 Eine Auslegung der Formulierung „mögliche Auswirkung“ in dem Sinne, dass bereits das bloße Risiko eines Ausschlags, unabhängig vom Erfordernis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit desselben oder von der Kenntnis eines Kursanstiegs oder Kursrückgangs, ausreichend sei, würde die Formulierung „specific enough to enable a 166 167 168 169 170 171 172

Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 92. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 92 f. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 93. Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC). Vgl. Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 1 ff. Section 118C(5)(b) Financial Services and Markets Act 2000. Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 38.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

163

conclusion to be drawn“ allerdings jeglicher Bedeutung entleeren.173 Letztlich kommt das Gericht daher zu dem Ergebnis, dass der Schluss auf eine mögliche Auswirkung der Information auf den Börsenpreis den Schluss auf einen Kursausschlag in eine bestimmte Richtung zulassen müsse.174 Diese Auffassung hat das Upper Tribunal im Fall Hannam v. The Financial Conduct Authority im Grundsatz bestätigt.175 Das Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit setzt das Upper Tribunal dahingegen mit dem reasonable investor test gleich176 und grenzt hiermit zumindest prima facie die Anwendungsbereiche der beiden Voraussetzungen ab. Mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lafonta ist dem Rechtsanwender eine derartige Auslegung der Kursspezifität indes verwehrt. bb) Auffassungen im französischen Schrifttum Vor der Lafonta-Entscheidung des EuGH wurde der Kursspezifität in der französischen Rechtswissenschaft durch eine Differenzierung zwischen der Richtung der Kursentwicklung und deren Ausmaß eine eigenständige Bedeutung zuerkannt. Während die Kurserheblichkeit nach der prozentual quantifizierbaren Amplitude der Kursauswirkung frage, betreffe die Kursspezifität nicht lediglich die mögliche Kursauswirkung, sondern die Richtung dieser Auswirkung.177 Andere Stimmen sprachen sich gegen eine derartige Auslegung aus – sei es, weil aus den Richtlinien ein solches Verständnis nicht abgeleitet werden könne, sei es, weil der Insider auch ohne Kenntnis der Richtung der Kursentwicklung auf Grundlage seines Wissens spekulieren könne und hierdurch bevorteilt sei.178 Nachdem sich auch der EuGH in seiner Lafonta-Entscheidung gegen eine derartige Auslegung gewandt hatte, ist nach der Meinung ihrer Befürworter nunmehr der einzigen Leseart, die eine Differenzierung zwischen Kursspezifität und Kurserheblichkeit ermöglicht, eine Absage erteilt worden.179

173

Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 38. Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 39. 175 Hannam v. The Financial Conduct Authority [2014] UKUT 0233 (TCC), Rn. 88, 121, wobei das Upper Tribunal diese Auslegung dahingehend konkretisiert, dass sich die Richtung der Kursentwicklung nicht mit Zuversicht vorhersagen lassen müsse. 176 Vgl. Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 41, näher hierzu unten, Kapitel 3, C.III.2. 177 Mennesson, JCP E 2012, 1348; vgl. del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 47 m.w.N. 178 Vgl. die Meinungsübersicht im französischen Schrifttum bei del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 47 m.w.N. 179 Dompé/Mennesson, JCP E 2015, 219, wohl auch Avia, RLDA 2015, 23, 27. 174

164

Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

cc) Dogmatischer Vergleich mit den Vereinigten Staaten von Amerika: Kursspezifität als Äquivalent der puffery doctrine? Im US-amerikanischen Insiderrecht werden werbende, unspezifische Aussagen nach der puffery doctrine als immaterial eingeordnet,180 ohne dass es hierfür eines explizit statuierten Erfordernisses der Kursspezifität bedürfte. Die Aussonderung derartiger Äußerungen aus dem Tatbestand wird anhand des reasonable investor test vorgenommen, der das Pendant der in Art. 7 Abs. 4 MMVO normierten Konkretisierung der Kurserheblichkeit darstellt. Amerikanische Gerichte argumentieren hierbei, dass sich verständige Anleger nicht auf vage Aussagen, die als puffery einzuordnen sind, verlassen würden und daher nicht irregeführt worden wären.181 (1) Kerngedanke von Kursspezifität und puffery doctrine Die Kursspezifität kann nicht als direktes Äquivalent der puffery doctrine betrachtet werden. Während letztere vornehmlich dazu dient, „sales talk“182 vom Betrugstatbestand der rule 10b-5 auszunehmen, also anpreisende und optimistische Äußerungen, die zu unspezifisch sind, um als Betrug eingeordnet zu werden,183 bezweckt die Kursspezifität allgemeiner die Aussonderung vager Informationen aus dem Tatbestand, die keine Grundlage für eine Beurteilung der Kursauswirkung einer Information bilden können. Dennoch liegt dem Erfordernis der Kursspezifität und der puffery doctrine ein gemeinsamer Kerngedanke zugrunde: Diejenigen Äußerungen und Informationen sollen aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden, die so vage und unspezifisch sind, dass sie nicht als Anknüpfungspunkt einer Verhaltenspflicht gemacht werden sollen, weil sie ihrem Wesen nach nicht zur Beeinflussung der Ziele des Marktmissbrauchsrechts geeignet sind. So wurde etwa die vage Versprechung eines Brokers, der Kunde würde „gutes Geld“ machen, als puffery eingeordnet,184 während die Gerichte die puffery defense nicht akzeptierten, sofern der Broker spezifische Versprechungen zur Rendite des Investments gemacht hatte.185

180

Siehe hierzu oben, Kapitel 2, A.II.2.a). Siehe etwa Newman v. Rothschild, 651 F.Supp. 160, 163 (S.D.N.Y. 1986); Raab v. General Physics Corp., 4 F.3d 286, 290 (4th Cir. 1993); San Leandro Emergency Med. Plan v. Philip Morris Companies, Inc., 75 F. 3d 801, 810 f. (2nd Cir. 1996); vgl. Lasker v. New York State Elec. & Gas Corp., 85 F.3d 55, 57 (2nd Cir. 1996); Shaw v. Digital Equipment Corp., 82 F.3d 1994, 1217 (1st Cir. 1996); In re Vivendi Universal, S.A. Securities Litig., 765 F.Supp.2d 512, 572 (S.D.N.Y. 2011). 182 Padfield, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 339, 340 (2008). 183 Der puffery doctrine liegt im Ursprung das Rechtsprinzip caveat emptor zugrunde, vgl. Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 337 (2016); Padfield, 61 Case W. Res. L. Rev. 143, 170 f. (2010). 184 Newman v. Rothschild, 651 F.Supp. 160, 163 (S.D.N.Y. 1986). 185 Newman v. Rothschild, 662 F.Supp 957, 959 (S.D.N.Y. 1987); Cohen v. PrudentialBache Securities, Inc., 713 F.Supp. 653, 658 (S.D.N.Y. 1989). 181

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

165

Da sich im US-amerikanischen Insiderrecht anhand der Beurteilungsperspektive des reasonable investor Informationen aus dem Tatbestand aussondern lassen, aus denen mangels Spezifität vernünftigerweise keine Schlussfolgerungen für die Anlageentscheidung gezogen werden dürfte, ist der Mehrwert der Kursspezifität als aus der Kurserheblichkeit ausgesondertes Erfordernis äußerst fraglich. Denn es ließe sich annehmen, dass ein verständiger Anleger eine Information nur dann als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde, wenn diese nicht zu vage, sondern hinreichend spezifisch ist, um eine Schlussfolgerung hinsichtlich der Kursauswirkung zu ermöglichen. (2) Entscheidungserheblichkeit unspezifischer Informationen? Ein von dem amerikanischen reasonable investor test und Art. 7 Abs. 4 MMVO losgelöstes Erfordernis der Kursspezifität ließe sich aber möglicherweise in Anbetracht empirischer Untersuchung zum Anlegerverhalten rechtfertigen, die an der vorstehenden Hypothese zweifeln lassen. Die Konfrontation von Anlegern mit Äußerungen, die von der US-Rechtsprechung aufgrund der puffery doctrine als immaterial eingeordnet wurden, hat gezeigt, dass zahlreiche Testpersonen die Äußerungen als für ihre Anlageentscheidung bedeutend einordnen würden.186 Folgert man hieraus, dass verständige Anleger auch unspezifische Informationen als Teil der Grundlage ihrer Anlageentscheidung nutzen würden, könnte dies zu einer Einbeziehung vager Informationen und Äußerungen in den Anwendungsbereich des Insiderrechts führen. Um einer derartigen Extension sowie einer Informationsüberflutung entgegenzuwirken, könnte eine getrennte Beurteilung von Kurserheblichkeit und Kursspezifität wie im europäischen Marktmissbrauchsrecht vorzugswürdig sein. Hierdurch ließe sich eine restriktive Auslegung des Tatbestands ermöglichen, sodass die Information trotz ihrer potentiellen Entscheidungserheblichkeit für den verständigen Anleger aus dem Anwendungsbereich des Marktmissbrauchsrechts ausgesondert werden könnte. Die Notwendigkeit einer solchen Vorgehensweise setzt indes voraus, dass das empirisch untersuchte Verhalten der Kapitalmarktteilnehmer als Maßstab für die Perspektive des verständigen Anlegers dienen könnte.187 Hiergegen spricht jedoch, dass jedenfalls dem europäischen Marktmissbrauchsrecht mit der Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers richtigerweise nicht der Querschnitt eines heterogenen Anlegerpublikums, sondern ein normativer Standard zugrunde liegt, den 186

Siehe die Untersuchung von Padfield, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 339, 364 ff. (2008); vgl. Hoffman, 90 Minn. L. Rev. 537, 538, 587 (2005 – 2006) m.w.N. Vgl. aber ferner die Untersuchung von Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 353 ff. m.w.N. (2016), die zu dem Ergebnis kommt, dass Anleger Äußerungen, die als puffery einzuordnen sind, in der überwiegenden Anzahl der Fälle tatsächlich keine Bedeutung beimessen. 187 In Anbetracht der konzeptionellen Uneinigkeit hinsichtlich des Maßstabs des reasonable investor qualifiziert Padfield in seiner Untersuchung jeden Teilnehmer, der bestätigte, jederzeit eine unabhängige Anlageentscheidung getroffen zu haben, als reasonable investor, vgl. Padfield, 10 U. Pa. J. Bus. & Emp. L. 339, 365 (2008).

166

Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

es nicht zu niedrig anzusetzen gilt. Daher ist entscheidend, dass die Berücksichtigung einer unspezifischen Information, die keinen Schluss auf die mögliche Auswirkung auf den Börsenkurs eines Finanzinstruments zulassen würde, nicht dem normativen Leitbild eines verständigen Anlegers entspricht. Die Einordnung vager und unspezifischer Informationen als für die Anlageentscheidung irrelevante Parameter abstrahiert zwar möglicherweise die Entscheidungserheblichkeit derartiger Informationen von der Wirklichkeit. Dies ist jedoch notwendig, da der Maßstab des verständigen Anlegers eine wertungsoffene Beurteilungsperspektive statuiert und sich die Auslegung dieses Rechtsbegriffs vorrangig nicht an realitätsnahem Anlegerverhalten, sondern an den Schutzfunktionen des Marktmissbrauchsrechts zu orientieren hat.188 (3) Von Rechts wegen unerhebliche vage Äußerungen In Anbetracht der deutlichen Orientierung des europäischen Marktmissbrauchsrechts am US-amerikanischen Insiderrecht stellt sich die Frage, weshalb der Richtlinien- und Verordnungsgeber das Erfordernis der Kursspezifität nicht als Bestandteil der für den verständigen Anleger maßgeblichen Determinanten etabliert hat. Eine funktionelle Parallele zum US-Recht erschließt sich allerdings aus einer Betrachtung der prozessrechtlichen Bedeutung der puffery doctrine im US-amerikanischen Insiderrecht. Grundsätzlich erfordert die Beurteilung der materiality eine ausführliche Überprüfung aller relevanten Tatsachen.189 Allerdings kann das Gericht in Ausnahmefällen, in denen die Veröffentlichung für einen Anleger so offensichtlich unbedeutend oder von so offensichtlicher Bedeutung ist, dass bei verständiger Würdigung über die Frage der materiality keine Uneinigkeit herrschen könnte, die Tatsachenwürdigung durch die Jury umgehen und durch Beschluss von Rechts wegen im summarischen Verfahren (summary judgement) entscheiden.190 Bei der puffery doctrine handelt es sich um ein Institut, mittels dessen US-amerikanische Gerichte Klagen auf diesem Wege abweisen.191 Werden Äußerungen durch das Gericht als puffery eingeordnet, beschäftigt sich das Gericht nicht näher mit der Frage der materiality.192 Die getrennte Beurteilung der Erfordernisse durch zwei Prüfungsschritte hat mithin eine prozessökonomische Bedeutung.

188

Hierzu ausführlich unten, Kapitel 3, C.IV sowie die Schlussbetrachtung. Vgl. Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 338 (2016); vgl. TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 450, 96 S.Ct. 2126, 2133 (1976); vgl. Shaw v. Digital Equipment Corp., 82 F.3d 1994, 1217 (1st Cir. 1996). 190 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 450, 96 S.Ct. 2126, 2133 (1976); Shapiro v. UJB Financial Corp., 964 F.2d 272, 280 f. Fn. 11 (3rd Cir. 1992); Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 338 (2016). 191 Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 338 (2016). 192 Osovsky, 6 Harv. Bus. L. Rev. 333, 340 (2016). 189

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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Vor diesem Hintergrund erschließt sich zwar der Sinn der Herauslösung der Kursspezifität aus dem Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit und die Statuierung eines vorangehenden Prüfungsschritts. Informationen müssen zunächst eine ausreichende Spezifität aufweisen, um überhaupt kurserheblich (in den Vereinigten Staaten von Amerika: material) sein zu können. Andernfalls würde ein verständiger Anleger die Information nicht als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen. Die Kursspezifität stellt eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung der Kurserheblichkeit dar. Ist sie zu verneinen, muss sich das Gericht mit der Frage der Kurserheblichkeit nicht weiter beschäftigen. Der Zweck dieser zweistufigen Vorgehensweise ist allerdings unmittelbar mit dem US-amerikanischen Gerichtssystem und der Möglichkeit des Gerichts verbunden, anstelle der umfassenden Untersuchung der materiality durch die Jury eine eigene Beurteilung im summarischen Verfahren vorzunehmen. d) Kursspezifität als redundante Vorprüfung Entscheidend für die Frage, ob der Kursspezifität gegenüber der Kursrelevanz eine eigenständige Bedeutung zukommt, ist die Existenz einer eigenständigen Abgrenzungswirkung. Diese wäre zu bejahen, wenn durch die im Rahmen der Kursspezifität anzustellende Prüfung Informationen aus dem Tatbestands ausgeschieden würden, die als kurserheblich einzuordnen wären. Hierfür ist unerheblich, ob eine nicht kursrelevante Information über einen Umstand stets auch unpräzise ist. Entscheidend ist, ob kurserhebliche Informationen existieren, die nicht hinreichend spezifisch sind.193 Die Verneinung dieser Frage ergibt sich nicht nur aus den Schwierigkeiten der deutschen und französischen Literatur, des CESR, des BGH, des UK Upper Tribunal sowie des EuGH, derartige Fälle explizit zu benennen. Sie folgt auch aus einem rechtsvergleichenden Blick auf die Funktion der puffery doctrine im US-Recht und aus dem Wortlaut des Gesetzes, welches die Erfordernisse der Kurserheblichkeit und Kursspezifität untrennbar miteinander verbindet. Der EuGH bekräftigt im Lafonta-Urteil im Rahmen seiner systematischen Argumentation seinen Standpunkt zur Auslegung der Kursspezifität mit Erwägungen zur Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers. Wie auch anhand der technischen Ratschläge des CESR wird die wechselseitige Abhängigkeit der Erfordernisse hier deutlich, die an der betonten Unabhängigkeit zweifeln lässt. Eine Information kann nicht geeignet sein, die Kurse von Finanzinstrumenten erheblich zu beeinflussen, aber gleichzeitig so unspezifisch, dass sie keinen Schluss auf die Eignung der Information zur erheblichen Kursbeeinflussung zulässt.194 Eine eigene Selektionswirkung käme der Kursspezifität zu, wenn für die Kurserheb193

Vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 82. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 82; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 94. 194

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

lichkeit das Auftreten einer tatsächlichen erheblichen Kursauswirkung maßgeblich wäre. Eine vage und unspezifische Information, aus der sich etwaige Marktreaktionen nicht schließen lassen, könnte etwa zu unvorhergesehenen Kursauswirkungen führen. Da jedoch auch die Kurserheblichkeit mittels einer ex ante-Prognose festzustellen ist (vgl. Erwägungsgrund 14 der MMVO), wäre es widersprüchlich, wenn eine Information zur Prognose erheblicher Kursauswirkungen führen könnte, aber keine Schlussfolgerungen hinsichtlich der möglichen Kursauwirkungen zulassen würde. Richtigerweise muss die notwendige Schlussfolgerung aus der Perspektive des verständigen Anlegers erfolgen.195 Ein verständiger Anleger würde eine Information aber nicht als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen, wenn die Information nicht gleichzeitig spezifisch genug wäre, um eine Schlussfolgerung hinsichtlich der Eignung der Information, Kurse erheblich zu beeinflussen, zuzulassen.196 Ein anderes Verhalten wäre als unverständig zu qualifizieren, da der verständige Anleger nur Informationen nutzt, die für seine Investition als entscheidungserheblich zu qualifizieren sind. Hieraus folgt, dass kurserhebliche Informationen stets auch die erforderliche Kursspezifität aufweisen. Sind etwa Marktinformationen so unspezifisch, dass sie keine bestimmbaren Auswirkungen auf einzelne Emittenten haben, sind sie auch nicht geeignet, den entsprechenden Börsenkurs der Finanzinstrumente des Emittenten erheblich zu beeinflussen. Sind Marktinformationen umgekehrt zur erheblichen Kursbeeinflussung geeignet, weil ein Emittent qualifiziert von diesen Informationen betroffen ist, ist hiermit a maiore ad minus zugleich der Nachweis über die Kursspezifität der Information erbracht, da die Bejahung der Kurserheblichkeit notwendigerweise voraussetzt, dass die Information überhaupt eine Aussage über die Kurserheblichkeit zulässt und eine hinreichende Grundlage für die Einschätzung der künftigen Entwicklung des Börsenpreises darstellt. Die Erkenntnis, dass die Kursspezifität im Merkmal der Kurserheblichkeit aufgeht, wird durch einen Blick auf das US-amerikanische Insiderrecht bestätigt. Dort ist die spezifische Natur der Information Bestandteil des materiality-Maßstabs, der durch die Perspektive eines reasonable investor ausgefüllt wird. Zwar dient auch hier die puffery doctrine als Vorprüfung, mittels derer das Gericht offensichtlich unerhebliche Informationen aussortieren kann. Allerdings ist diese Art der Klageabweisung eng mit dem Jury-System im US-amerikanischen Recht verbunden und muss im Zusammenhang mit der Möglichkeit des Richters, die Rechtssache ohne Beteiligung der Jury zu entscheiden, betrachtet werden. Sinn und Zweck dieser Doktrin und ihrer Herauslösung aus der Prüfung der materiality erschließen sich gerade vor diesem prozessökonomischen Hintergrund. Diese spezielle, mit dem USamerikanischen Recht verbundene Funktion rechtfertigt zweifelsohne die eigenständige und aus der gewöhnlichen materiality-Prüfung herausgesonderte Beurteilung von puffery statements. Sie lässt sich allerdings nicht auf das europäische 195 196

So Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 92 f. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 91, 109.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

169

Marktmissbrauchsrecht übertragen, in dem die Kursspezifität schlichtweg als zweiter Prüfungspunkt des Tatbestandsmerkmals „präzise Information“ fungiert und wo verschiedene Mitgliedsstaaten der Europäischen Union unterschiedlichen Gerichtssystemen unterliegen. Dementsprechend entfaltet unter dem Tatbestandsmerkmal „präzise Information“ lediglich der erste Prüfungspunkt eine eigenständige Bedeutung, wonach eine Reihe von Umständen vorliegen muss, die bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden, oder ein Ereignis existieren muss, das bereits eingetreten ist oder von dem man vernünftigerweise erwarten kann, dass es in Zukunft eintreten wird.197 Insbesondere verlangt das für zukünftige Umstände erforderliche Wahrscheinlichkeitsurteil eine eigenständige Prognose, die von derjenigen über die potentiellen Kursauswirkungen einer Information unterschieden werden muss.198 Dahingegen geht im europäischen Marktmissbrauchsrecht die Vorgabe der Kursspezifität vollständig im Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit auf, für das es darauf ankommt, ob ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil seiner Anlageentscheidung nutzen würde (Art. 7 Abs. 4 MMVO). Die Kursspezifität ist mithin eine aus der Kurserheblichkeit herausgelöste notwendige Bedingung derselben, die gegenüber der Kurserheblichkeit keine eigene Abgrenzungswirkung entfaltet. Sie ist als von der Kurserheblichkeit losgelöster Prüfungsschritt redundant, kann aber als Vorprüfung für die Frage dienen, ob eine Information evident kursunerheblich ist.199

5. Die Beantwortung der Vorlagefrage im Fall Lafonta Die Verneinung der Vorlagefrage durch den EuGH ist nach alledem zu begrüßen. Für sich genommen hat sie allerdings lediglich begrenzte Aussagekraft. Im Ergebnis entscheidet der EuGH durch die Verneinung der Auslegungsfrage nur, dass Informationen, aus denen nicht mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass sich ihr potentieller Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung auswirken wird, nicht evident kursunerheblich sind. Von weitaus größerer Bedeutung sind die Implikationen der Entscheidung für das Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit. Zentral ist daher nicht, ob die betreffenden Informationen evident kursunerheblich sind, sondern vielmehr, ob sie als kurserheblich eingeordnet werden können. Die entscheidende Frage müsste also lauten: Sind Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG sowie Art. 7 Abs. 1, 4 der MMVO dahin auszulegen, dass aus197

So auch Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 28; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 91, 112. 198 Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 24. 199 I. E. auch Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 82, 84; Kumpan, DB 2016, 2039, 2041.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

schließlich diejenigen Informationen geeignet sind, bei öffentlichem Bekanntwerden den Kurs von Finanzinstrumenten, derivativen Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten spürbar zu beeinflussen, aus denen mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass sich ihr potentieller Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung auswirken wird, wenn sie öffentlich bekannt werden?200 Die entsprechende Beantwortung der Vorlagefrage für dieses Tatbestandsmerkmal ist unabhängig von der Einordung der Aussagen des EuGH zum verständigen Anleger aufgrund seiner teleologischen Argumentation vorgezeichnet. Daher kann und muss eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern Sinn und Zweck des Marktmissbrauchsrechts eine Einbeziehung der besagten Informationen in den Anwendungsbereich von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität gebieten, nur in Anbetracht des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit erfolgen.

III. Kurserheblichkeit nach der Lafonta-Entscheidung Auf geteiltes Echo in der Literatur stieß die Aussage des EuGH, der verständige Anleger könne eine Information als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen und somit die in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG aufgestellte Bedingung erfüllen, auch wenn diese Information es nicht erlaube, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen.201 Angesprochen ist damit die Frage der Kurserheblichkeit einer solchen Information. 1. Inhalt der Aussage des EuGH Der EuGH setzt sich mit Informationen auseinander, bei denen eine Vorhersage der Richtung der Kursentwicklung ausgeschlossen ist. Bevor eine nähere Analyse dieser Frage erfolgen kann, muss zunächst ihr Gegenstand präzisiert werden. Während die Vorhersehbarkeit der Änderung des Kurses in eine bestimmte Richtung nach den Ausführungen des EuGH prima facie keine notwendige Bedingung der Kurserheblichkeit ist, ist hiermit kein Verzicht auf die Vorhersehbarkeit einer Änderung des Kurses per se verbunden. Mit anderen Worten sind zweifelsohne solche Informationen aus dem Anwendungsbereich des Art. 7 MMVO herauszunehmen, die deshalb nicht zur erheblichen Kursbeeinflussung geeignet sind, weil

200

Vgl. Klöhn, ZIP 2014, 945, 948. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 34. 201

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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sich aus ihnen überhaupt keine erhebliche Kursänderung – gleich in welche Richtung – vorhersehen lässt.202 Die Vorhersage einer Kursentwicklung ist meist mit Unsicherheit belastet, da sie eine Prognose zukünftiger Marktreaktionen erfordert.203 Aus insiderrechtlicher Perspektive bereitet die Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Information über einen Anteilserwerb einer Gesellschaft an einer Zielgesellschaft für die Aktien der Bietergesellschaft Schwierigkeiten: Während der Aktienkurs der Zielgesellschaft infolge der Veröffentlichung eines Beteiligungsaufbaus in aller Regel steigt, sind auf Seiten des bidder in der Vergangenheit sowohl Kursgewinne als auch Kursverluste zu verzeichnen gewesen, teilweise reagierte der Börsenkurs kaum.204 a) Keine Beschränkung auf gegenteilige mögliche Kursauswirkungen Dass eine Varianz an Kursreaktionen existiert, unter denen sowohl positive als auch negative mögliche Kursauswirkungen sind, hindert jedoch noch nicht von vornherein eine Vorhersage der Richtung der Kursentwicklung. Trotz der durch Finanzanalysten kalkulierten 1-prozentigen Wahrscheinlichkeit, dass die Vorstellung des neuen Produkts eines Technologieunternehmens zu einem Kursrückgang von einem Euro pro Aktie führen könnte, lässt sich die Änderung des Kurses der Aktie in eine bestimmte Richtung vorhersagen, wenn einem Kursanstieg zwischen 1 und 4 Euro pro Aktie eine 99-prozentige Wahrscheinlichkeit zukommt. Im Ausgangspunkt dürfte deshalb Einigkeit über das Verständnis des EuGH dahingehend bestehen, dass die Kursrelevanz einer Information nicht bereits deshalb ausscheidet, weil unter den möglichen Kursauswirkungen auch solche existieren, die gegenläufig zur erwarteten Richtung der Kursauswirkung sind.205 Die Richtigkeit dieser Aussage ergibt sich aus der simplen Tatsache, dass sich die Kurserheblichkeit theoretisch durch die Summe der Erwartungswerte aller denkbaren Kursszenarien berechnen lässt.206 Im Hinblick auf die Möglichkeit irrationaler Marktreaktionen wird sich für Informationen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer gewissen Kursauswirkung führen, häufig eine gegenteilige Kursauswirkung mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit konstruieren lassen. Dementsprechend führt auch der EuGH aus, eine exakte Einschätzung der Richtung der Kursauswirkung sei in An202

So auch Binder, RdF 2015, 159, 160. Vgl. Klöhn, NZG 2015, 809, 811 f. 204 Fuller/Netter/Stegemoller, 57 J. Fin 1763 (2002); Cornett/Tanyeri/Tehranian, 17 J. Corp. Fin. 595, 596 (2011) m.w.N.; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 164 f. mit einer Auflistung teils negativer, teils positiver und teils nahezu keiner Auswirkungen der Veröffentlichung von (geplanten) Unternehmensübernahmen auf den Börsenkurs der Aktie der Bietergesellschaft. 205 Klöhn, NZG 2015, 809, 814; vgl. bereits Klöhn, ZIP 2014, 945, 947. 206 So Klöhn, NZG 2015, 809, 814, Klöhn, ZIP 2014, 945, 946 f.; vgl. oben, Kapitel 1, C.II.2.a)bb). 203

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

betracht der hohen Komplexität der Finanzmärkte besonders schwierig.207 Diese Aussage der Entscheidung ist, soweit ersichtlich, unumstritten und richtig, denn auch bei einer Vielzahl möglicher und teilweise gegenläufiger Kursauswirkungen kann sich für die Kursreaktion theoretisch ein Erwartungswert berechnen und die Richtung der Kursauswirkung prognostizieren lassen. b) Sich gegenseitig ausgleichende Kursreaktionen Problematischer ist die in der Rechtssache Lafonta zu entscheidende Konstellation, bei der für die Bieter-Aktie zwar eine hohe Varianz an möglichen Kursreaktionen existiert, eine erhebliche positive oder negative Überrendite im Durchschnitt aber nicht zu erwarten ist, weil sich die Erwartungswerte in ihrer Summe gegenseitig ausgleichen.208 Kursgewinne sind daher ebenso wahrscheinlich wie Kursverluste, die Marktreaktion ist nur schwer zu prognostizieren.209 Die Information löst dem ersten Anschein nach keinen Handelsanreiz aus, weil Anleger aus ihr nicht folgern können, ob sie Aktien kaufen oder verkaufen sollen.210 Dementsprechend hatte sich Lafonta mit dem Argument verteidigt, die Vorhersage, ob sich die Offenlegung der Information zur Beteiligung am Kapital von Saint-Gobain positiv oder negativ auf den Kurs der Aktien der Wendel SA auswirken werde, sei unmöglich gewesen.211 Damit ist zwar die theoretische Berechnung eines positiven oder negativen Erwartungswerts ausgeschlossen, sodass sich die Richtung der Kursauswirkung nicht vorhersagen lässt. Indes kann nicht ausgeschlossen werden, dass es per se zu Kursreaktionen kommen wird, weil Anleger die Information unterschiedlich deuten und daher wahlweise Aktien des Emittenten kaufen oder ihre Aktien verkaufen werden, sodass die Volatilität der Aktie steigt.212 Obgleich also keine positive oder negative Rendite zu erwarten ist, besteht eine große Varianz und damit ein gestei-

207 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36. 208 Klöhn, NZG 2015, 809, 812 f.; Klöhn, ZIP 2014, 945, 946; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 165; vgl. die Überrenditen der Aktien der Bietergesellschaften nach der Ankündigung von Unternehmensübernahmen bei Martynova/Renneboog, 32 J. Bank. & Fin. (2008) m.w.N., 2148, 2159; Fuller/Netter/Stegemoller, 57 J. Fin 1763, 1766 ff. (2002) m.w.N. 209 Zetzsche, AG 2015, 381, 385; vgl. die Nachweise bei Martynova/Renneboog, 32 J. Bank. & Fin. (2008), 2148, 2159. 210 Voß, BB 2015, 788; vgl. Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; vgl. Buck-Heeb, LMK 2015, 373992; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104; Klöhn, NZG 2015, 809, 815. Anderes gilt hinsichtlich Informationen über die Order-Lage oder sonstige Handelsbedingungen, vgl. Klöhn, ZIP 2014, 945, 950 Fn. 67. 211 Vgl. die Sachverhaltsangaben in der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627, 628 = NZG 2015, 432 f. 212 Zetzsche, AG 2015, 381, 385. Siehe aber die Beispiele bei Klöhn, ZIP 2014, 945, 946 Fn. 14, 15 und 16, in denen die Kurse „nahezu unverändert“ blieben; vgl. ferner Martynova/ Renneboog, 32 J. Bank. & Fin. (2008), 2148, 2159.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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gertes Risiko, da eine Vielzahl von Abweichungsmöglichkeiten vom Mittelwert existiert. Auf derartige Informationen bezieht sich der EuGH dementsprechend, wenn er ausführt, eine Information könne präzise und – wie im Rahmen des obiter dictum angemerkt – auch kurserheblich sein, wenn sich aus ihr nicht mit einem hinreichendem Maß an Wahrscheinlichkeit ableiten lässt, dass sich ihr potentieller Einfluss auf die Kurse bei öffentlichem Bekanntwerden in eine bestimmte Richtung auswirken wird.213 2. Stand der Forschung zum Tatbestandsmerkmal der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“ Die Einordnung der Reaktionen auf die Lafonta-Entscheidung in der rechtswissenschaftlichen Literatur wird erheblich erleichtert, wenn man zuvor den gegenwärtigen Stand der Forschung zum Tatbestandsmerkmal der Eignung einer Information, den Kurs eines Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen (Art. 7 Abs. 1 lit. a), Abs. 4 MMVO), rekapituliert.214 In Anbetracht der Tatsache, dass die eigenständige Selektionswirkung anderer Merkmale der Insiderinformation in Zweifel gezogen wird,215 erlangt die Frage der Kurserheblichkeit maßgebliche Bedeutung in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktion, durch die sie insbesondere Bagatellfälle aus dem Anwendungsbereich der Insiderinformation ausnehmen soll.216 Informationen, die nur geringfügige Kursauswirkungen nach sich ziehen, sollen nicht unter den Tatbestand des Art. 7 MMVO fallen.217

213 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 34, 38. 214 Der Stand der Forschung, der sich im Rahmen des § 13 WpHG a.F. zum Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit herausgebildet hat, kann mangels bezweckter inhaltlicher Änderungen durch die MMVO grundsätzlich auf Art. 7 Abs. 1 lit. a), Abs. 4 MMVO übertragen werden. 215 Zur Abgrenzungswirkung der Kursspezifität siehe oben, Kapitel 3, B.II.4. 216 Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 54; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 124; Hilgendorf/ Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Auflage 2017, Art. 7 MAR Rn. 70; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 121; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 51; vgl. Assmann, AG 1994, 237, 244. 217 Vgl. Begr. RegE 2. FinMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46 f.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

a) Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle Die essentielle Frage, wann eine Information kurserheblich ist,218 war lange Zeit stark umstritten. Bis zur Änderung des § 13 Abs. 1 WpHG a.F. durch das AnSVG ging ein großer Teil der Wissenschaft davon aus, die Erheblichkeit sei beim Überschreiten fixer Schwellenwerte zu bejahen,219 wobei in Relativierung dieses Ansatzes die vorgeschlagenen Schwellen nach einigen Stimmen lediglich Indizwirkung für die Beurteilung der Kurserheblichkeit entfalten sollten.220 Die konkreten Schwellenwerte wurden überwiegend in Anlehnung an die Begründung zum Regierungsentwurf des 2. FinMFG221 auf eine zu erwartende Kursänderung von mindestens 5 Prozent bei Aktien zum Zeitpunkt der Vornahme des Insidergeschäfts beziffert.222 Bei diesem Schwellenwert bestand nach damaliger Rechtslage die Pflicht für den Kursmakler (heute Skontroführer), aufgrund des vorliegenden Orderaufkommens die vorhersehbaren Abweichungen vom zuletzt notierten Kurs mit einem Plus- oder einem Minus-Zusatz zu kennzeichnen.223 In diesem Fall werde dem Marktteilnehmer eine über die üblichen Kursschwankungen hinausgehende Abweichung signalisiert.224 Neben anderen abgewandelten Formen dieser Schwellentheorie225 fand sich in dem Lager, das für eine Festlegung von Schwellenwerten eintrat, auch der Vorschlag, jede prognostizierte Kursänderung als erheblich zu erachten, die die gewöhnlichen

218 Mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Bestimmtheit dieses Tatbestandsmerkmals Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1951; Bürgers, BKR 2004, 424, 425. 219 Eine Übersicht zu den vertretenen Ansätzen mit verschiedenen Modifikationen findet sich bei Pawlik, in: KK-WpHG, 1. Auflage 2007, § 13 Rn. 45 ff.; Assmann, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, 3. Auflage 2003, § 13 Rn. 69 ff.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 151 ff. 220 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 157. 221 Vgl. Begr. RegE 2. FinMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47. 222 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 154 f.; Schleifer/Kliemt, DB 1995, 2214, 2216; Assmann, AG 1994, 237, 244; Assmann, ZGR 1994, 494, 514 f.; Caspari, ZGR 1994, 530, 540 f.; U. Weber, BB 1995, 157, 164; Vaupel, WM 1999, 521, 530 ff.; Matusche, in: Herrmann/Berger/ Wackerbarth, Bank- und Wirtschaftsrecht, 1997, S. 100, 115; vgl. Möller, BFuP 1994, 99, 106; vgl. Immenga, ZBB 1995, 197, 203; kritisch Happ, JZ 1994, 240, 243. I. E. Für das Erfordernis einer Kursabweichung von 10 Prozent Dierlamm, NStZ 1996, 519, 522; Claussen, DB 1994, 27, 30; zuvor jedoch für 15 Prozent Claussen, ZBB 1992, 267, 277 ff. 223 Vgl. Begr. RegE 2. FinMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 63. Eine derartige Verpflichtung sah § 8 Abs. 1 der Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen vor, abgedruckt in: Schwark, Börsengesetz, 2. Auflage 1994, Anh. 3. Die Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, die an die Stelle der von der Entwurfsbegründung in Bezug genommenen Regelung getreten sind, sehen eine entsprechende Verpflichtung nicht vor. 224 Begr. RegE 2. FinMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 63. 225 Siehe hierzu zu Pawlik, in: KK-WpHG, 2008, § 13 Rn. 61 ff.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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Volatilitätsgrenzen des fraglichen Insiderpapiers überschritt.226 Teilweise wird auch heute noch für ein derartiges Verständnis der Erheblichkeitsschwelle plädiert.227 Demgegenüber wurde unabhängig von bestimmten Schwellenwerten vereinzelt gefordert, kurserhebliche Sachverhalte seien durch eine enumerative Aufzählung in Form eines Katalogs zu bestimmen, der potentiell kurserhebliche Informationen verbindlich festlege.228 Mit der Neufassung des Tatbestands der Insiderinformation durch das AnSVG entschied sich der Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 1 Abs. 2 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG gegen die objektiven Konzepte und für die Stimmen in der Wissenschaft, die dafür plädiert hatten, die Erheblichkeit nach subjektiven Maßstäben zu bemessen.229 Wegen der Unvorhersehbarkeit von Marktvolatilitäten wurde von der Fixierung bestimmter Schwellenwerte Abstand genommen.230 Ausweislich Art. 7 Abs. 4 MMVO liegt Kurserheblichkeit vor, wenn ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Zu § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG a.F. ging die herrschende Auffassung davon aus, dass aufgrund des hiermit verfolgten subjektiven Ansatzes von der Information ein erheblicher Kauf- oder Verkaufsanreiz für den verständigen Anleger ausgehen müsse.231 Bedingung hierfür soll sein, dass das Geschäft dem Anleger lohnend erscheint.232 Der rational handelnde Investor müsse folglich nach Abzug der Transaktionskosten und in Anbetracht bestehender Risiken die Erzielung eines sicheren Gewinns erwarten können.233 Die mit dem Handel 226 Loesche, Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, 1998, S. 149 ff.; Loesche, WM 1998, 1849, 1852 ff.; Loesche/Eichner/Stute, AG 1999, 308, 309 ff. 227 Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 354; Grundmann, in: EBJS, HGB, 3. Auflage 2015, Rn. VI 89 m.w.N.; Kumpan, in: Baumbach/Hopt, HGB, 38. Auflage 2018, Art. 7 MAR Rn. 8. 228 Tippach, Das Insider-Handelsverbot, 1995, S. 148; Haouache, Börsenaufsicht durch Strafrecht, 1996, S. 103. 229 Ziemons, NZG 2004, 537, 538; Claussen/Florian, AG 2005, 745, 750, Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 59; vgl. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 146 f.; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 132. 230 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 231 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 131 ff.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 159 ff.; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 65; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.503; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 211. 232 BaFin, Emittentenleitfaden 2005, Ziff. III.2.1.4, S. 22; Klawitter/Schlitt, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 3. Auflage 2013, § 38 Rn. 28; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 60; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 64; Kumpan, DB 2016, 2039, 2042. 233 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 133 f.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 161; vgl. Schweizer, Insiderverbote, 1996, S. 122; vgl. Frowein, in:

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

verbundenen Kosten ergeben sich aus Handelskosten im engeren Sinne wie etwa Ordergebühren oder der Geld/Brief-Spanne sowie etwaigen mittelbaren mit dem Handel verbundenen Kosten.234 Die erwartete Rendite muss nach Abzug von Transaktionskosten den jeweiligen risikoäquivalenten Zinssatz überschreiten.235 Nach dem Schutzzweck des Insiderhandelsverbots sei demnach nicht ein besonders hoher Kursausschlag maßgeblich.236 b) Prognosebeurteilung Art. 7 Abs. 1 lit. a) und Abs. 4 MMVO sprechen von der „Eignung“ der Information, den Kurs des Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen. Durch diese Formulierung wird klargestellt, dass eine tatsächliche Kursbeeinflussung durch ein späteres Bekanntwerden nicht vorausgesetzt ist.237 Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung stellt daher ein abstraktes Gefährdungsmerkmal dar.238 Demzufolge ist sie mittels einer objektiv-nachträglichen ex ante-Prognose zu ermitteln,239 wie nunmehr auch durch Erwägungsgrund 14 der MMVO klargestellt wird. Der überwiegende Teil des Schrifttums verlangt für die Eignung der Information grundsätzlich, dass eine erhebliche Kursveränderung eher eintreten als nicht eintreten wird.240 Teilweise wird zudem davon ausgegangen, dass bei Zwischenschritten eines gestreckten Geschehensablaufs solche Endereignisse unberücksichtigt bleiben müssten, die nicht hinreichend wahrscheinlich sind.241 Da dies bei gestreckten GeHabersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 10 Rn. 22, der einen „nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil“ fordert. 234 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 214. 235 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 161; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.503; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 214. 236 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 164; kritisch Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 66; Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.505. 237 U. Weber, BB 1995, 157, 163; Kümpel, WM 1994, 2137, 2140; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 123; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 124. 238 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 123; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 121. 239 Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.498; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 122; bestätigt durch BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 41. 240 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 137; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.501; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 69; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 248; vgl. Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 60; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 603; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 50; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 125. 241 Koch/Widder, BB 2012, 1820, 1821; Heider/Hirte, GWR 2012, 429, 431.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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schehensabläufen jedoch faktisch eine Sperrwirkung des Art. 7 Abs. 2 S. 1 MMVO begründen würde, wird andernorts gefordert, auch nicht überwiegend wahrscheinliche zukünftige Auswirkungen müssten bei der Beurteilung der Kurserheblichkeit eines Zwischenschritts im Rahmen der anzustellenden Gesamtschau berücksichtigt werden.242 Auf der Grundlage der kapitalmarkttheoretischen Auslegung wird eine derartige Sperrwirkung ebenfalls abgelehnt.243 Da die Beurteilung der Kurserheblichkeit hier anhand der probability/magnitude-Formel vorgenommen wird, können auch Auswirkungen mit geringer Wahrscheinlichkeit die Kurserheblichkeit begründen, sofern sie von entsprechend großem Ausmaß sind.244 Eine tatsächlich eingetretene Kursveränderung bei Bekanntwerden der Information kann ein Indiz für deren Preisbeeinflussungspotential darstellen.245 Nach Erwägungsgrund 15 der MMVO sollten ex post-Informationen allerdings nicht dazu verwendet werden, Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die vernünftige Schlussfolgerungen aus den ihnen vorliegenden ex ante-Informationen gezogen haben. c) Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers Ob ein Handelsanreiz besteht, die Information mithin kurserheblich ist, beurteilt sich danach, ob der verständige Anleger die Information vermutlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (Art. 7 Abs. 4 MMVO). Damit bestimmt das Gesetz sowohl den für die Kursrelevanz maßgeblichen Beurteilungsmaßstab, als auch deren Bezugspunkt.246 Mit dem Begriff des „verständigen Anlegers“ ist der Frage nach der Kurserheblichkeit ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen.247 Es kommt also nicht darauf an, ob der konkret Handelnde die Information für kurserheblich hält.248 Maßgebliche Bedeutung kommt hiermit der Frage zu, wer der verständige Anleger ist und welche Informationen er als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung berücksichtigt.249 242 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 76b ff.; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 105. 243 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 107 ff., 200; Teigelack, BB 2016, 1604, 1606. 244 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 201 ff.; vgl. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 116 ff.; Teigelack, BB 2016, 1604, 1606. 245 Vgl. Erwägungsgrund 2 der Durchführungs-Richtlinie 2003/124/EG sowie Erwägungsgrund 15 der MMVO; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Ziff. III.2.1.4, S. 33. Der BGH spricht in diesem Zusammenhang von einem „gewichtige[n] Beweisanzeichen“, vgl. BGH, Beschl. v. 27. 1. 2010 – 5 StR 224/09 (Freenet), NJW 2010, 882 = ZIP 2010, 426 = NZG 2010, 349 = AG 2010, 249, Rn. 16. 246 Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, § 13 Rn. 156. 247 Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 126. 248 Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 66. 249 Siehe zum derzeitigen Stand der Forschung ausführlich oben, Kapitel 1, C.II.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

3. Generelle Einordnung von Volatilitätsinformationen als Insiderinformationen a) Verständnis der Entscheidung Nach den Ausführungen des EuGH fallen unter die von einem verständigen Anleger genutzten Informationen auch solche, die keine eindeutige Vorhersage der Richtung einer Kursänderung von Finanzinstrumenten erlauben.250 Bemisst man die Kurserheblichkeit anhand von ökonomischen Parametern und verlangt einen über der Erheblichkeitsschwelle liegenden Erwartungswert, ist ein solcher nicht festzustellen, sofern sich positive und negative Erwartungswerte der möglichen Kursreaktionen gegenseitig ausgleichen.251 Eine Information, die keine Vorhersage über Steigen oder Fallen des Kurses zulässt, ermöglicht es dem Anleger jedoch nicht, aus einem Wissensvorsprung hinsichtlich der Über- oder Unterbewertung des Finanzinstruments einen Nutzen für seine Anlageentscheidung über Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments zu ziehen. Da die erwartete Kursauswirkung die Erheblichkeitsschwelle in dieser Konstellation nicht übersteigt, fehlt es dem ersten Anschein nach am Handelsanreiz.252 Dementsprechend, so wird die Entscheidung teilweise gedeutet, habe der EuGH das Erfordernis des Handelsanreizes für obsolet erklärt.253 Kurserheblich für ein Finanzinstrument wäre nach einem solchen Verständnis eine Information bereits dann, wenn die Information zu einer Bandbreite verschiedener erheblicher Auswirkungen auf dessen Börsenkurs führen kann (extensives Verständnis).254 Von einem derartigen Verständnis der EuGH-Entscheidung scheint auch der französische Kassationshof auszugehen. Nach Beantwortung der Vorlagefrage durch den EuGH lehnte die Cour de Cassation unter Verweis auf das Urteil des EuGH

250 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 34. 251 Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238; vgl. ferner das Beispiel von Bartmann, bei dem sich die möglichen Kursreaktionen in Ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit unterscheiden und der errechnete Erwartungswert von 0 zur Verneinung der Kurserheblichkeit führt, Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 143. 252 Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238. 253 Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; vgl. Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238; wohl auch Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 103 ff.; Nietsch, WuB 2015, 327, 328. 254 Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; vgl. Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238; Zetzsche, AG 2015, 381, 384; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 103 ff.; Binder, RdF 2015, 159, 160; Kuthe, CB 2015, 173; Diaz/Peltier, JCP G 2015, 804, doctrine 485; wohl auch Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 35 Rn. 35.28; del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 49 f.; Dompé/Mennesson, JCP E 2015, 219. Ähnlich die Umschreibung der „weiten Leseart“ des Urteils durch Klöhn, NZG 2015, 809, 814, der der Entscheidung jedoch ein anderes Verständnis zugrunde legt.

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ausdrücklich die Argumentation Lafontas ab und wies dessen Kassationsbeschwerde zurück.255 Teilweise wird aus der Lafonta-Entscheidung gefolgert, dass der EuGH letztlich volatilitätsinduzierte Handelsentscheidungen in den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots miteinbeziehe, denn die durch die Veröffentlichung des Anteilsaufbaus ausgelösten, gleichermaßen zu erwartenden Spekulationen auf einen Kursanstieg und Fall der Bieteraktie steigert deren Volatilität.256 Diese beschreibt die Schwankungsbreite der logarithmierten Wertpapierkurse (Renditen) um ihren Mittelwert über einen festgelegten Zeitraum.257 Ist sie erhöht, können Spekulanten dieses Wissen durch Trading ausbeuten, während Arbitrageure etwa Fehlbewertungen bei auf diesen volatilen Wertpapieren beruhenden Instrumenten zur Generierung risikofreier Gewinne nutzen können.258 Hiernach hätte der EuGH Informationen, die zwar keinen Schluss auf die Richtung der Kursänderung eines Finanzinstruments A erlauben, die jedoch Kenntnis über das stärker als vom Markt erwartete Schwanken des Kurses von A (Volatilitätsinformation)259 vermitteln, deshalb generell260 für 255 Die Cour de cassation verwarf in diesem Zusammenhang lediglich die Argumentation Lafontas, mangels Kursspezifität habe keine Insiderinformation vorgelegen. Hierdurch bestätigte der Kassationshof allerdings das Urteil der Cour d’appel de Paris, welche neben dem Verstoß gegen Art. 223-6 Règlement Général de l’AMF auch ein Verstoß gegen die in Art. 223-2 Règlement Général de l’AMF normierte Ad-hoc-Publizitätspflicht angenommen hatte. Wie aus den „moyens annexes au présent arrêt“ hervorgeht, war die Cour d’appel de Paris ihrerseits vom Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen der in Art. 621-1 Règlement Général de l’AMF geregelten Insiderinformation ausgegangen. Hinsichtlich der Kurserheblichkeit wurde hier ausgeführt, es sei weder strittig, noch bestreitbar, dass eine Transaktion mit einem Ausmaß wie derjenigen, die von der Wendel SA durchgeführt wurde, geeignet sei, einen erheblichen Einfluss auf den Aktienkurs dieser Gesellschaft zu haben und dass es hierfür zudem nicht, wie behauptet werde, darauf ankomme, ob die Richtung der Auswirkung der Transaktion auf den Börsenkurs, nach oben oder nach unten, vorherbestimmt werden könne. Das Gericht scheint mithin davon auszugehen, dass Informationen über derartige Transaktionen generell dazu geeignet sind, die Aktien der Gesellschaft, die eine derartige Transaktion initiiert, erheblich beeinflussen zu können. Siehe zum Ganzen das Urteil der Cour de cassation, Cass. com., 27. 05. 2015 – 12-21361, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/initRechJuriJudi.do (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 256 Zetzsche, AG 2015, 381, 385; Nietsch, WuB 2015, 327, 328. 257 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 316; Bloss/Ernst/Häcker/Sörensen, Financial Engineering, 2. Auflage 2015, S. 214; Becker, Investition und Finanzierung, 7. Auflage 2016, S. 23. 258 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 316. 259 So Klöhn, ZIP 2014, 945, 952 in Anlehnung an Ni/Pan/Poteshman, 63 J. Fin. 1059 (2008). Zu einer Präzisierung siehe unten, Kapitel 3, C.I.4. Vgl. ferner Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 235 ff. sowie die Definition bei Klöhn, NZG 2015, 809, 816, die darüber hinaus auch Informationen erfasst, aus denen sich entnehmen lässt, dass der Kurs schwächer schwanken wird, als vom Markt erwartet. 260 Wenn fortan von einer generellen Einbeziehung von Volatilitätsinformationen in den Schutz- und Anwendungsbereich des Insiderrechts oder dem extensiven Verständnis der Lafonta-Entscheidung die Rede ist, so ist damit das in Kapitel 3, B.III.3.a) aufgezeigte Verständnis

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

kurserheblich erklärt, weil sich durch die Investition in ein Finanzinstrument B, dessen Wert von der Volatilität des Finanzinstruments A abhängt, profitieren lässt. b) Bewertung der Entscheidung Ein solches Verständnis der Lafonta-Entscheidung wird allerdings unterschiedlich beurteilt: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die auf die negativen Folgen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts hinweisen, auf der anderen Seite jene, die die Einbeziehung von für die Anleger relevanten Informationen in den Anwendungsbereich des Insiderhandelsrechts begrüßen. aa) Negative Folgen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (1) Implikationen des Auslegungskanons Obgleich sich der EuGH im Zuge seiner Entscheidungsfindung darum bemüht, die Auslegungsfrage anhand des Auslegungskanons nach Savigny261 sachgerecht zu beantworten, wird seine Argumentation in methodischer Hinsicht an verschiedenen Stellen hinterfragt. Auslöser hierfür mag mitunter sein, dass Erwägungen zu Wortlaut, Systematik, Gesetzeshistorie und Sinn und Zweck zwar hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der „präzisen Information“ angestellt werden, im Hinblick auf das Merkmal der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“ jedoch ausbleiben. So hätte der EuGH nach der Ansicht von Zetzsche bei näherer Betrachtung der Begriffe „Anleger“ und „Anlageentscheidung“ bereits beim Ausgangspunkt einer jeden Auslegung – dem Wortsinn262 – zu einem anderen Ergebnis kommen müssen.263 Der Daytrader, der durch Spekulation über hohe Volatilität Gewinne zu erzielen sucht, sei zwar ein Händler, aber kein „Anleger“ im Sinne der Norm, der „Anlageentscheidungen“ trifft.264 Schon der Wortlaut des Gesetzes würde demzufolge dafür sprechen, dass sich ein verständiger Anleger derartiger MomentumSpekulationen enthalte und deshalb nur solche Informationen als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde, von denen sich vorhersagen lässt, ob der Kurs des betreffenden Finanzinstruments bei Veröffentlichung der Information steigt oder fällt.265 der Entscheidung gemeint, welches davon ausgeht, Informationen, aus denen nicht hervorgeht, in welche Richtung sich bei öffentlichem Bekanntwerden der Kurs des betreffenden Finanzinstruments bewegen wird, seien nach der Lafonta-Entscheidung als kurserheblich für dieses volatile Finanzinstrument einzuordnen. 261 Dieser umfasst bekanntlich das grammatikalische, das systematische, das historische und das logische Element der Auslegung, vgl. etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1995, S. 140. 262 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1995, S. 141 ff. 263 Zetzsche, AG 2015, 381, 385. 264 Zetzsche, AG 2015, 381, 385. 265 Zetzsche, AG 2015, 381, 385.

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Im Rahmen seiner Argumentation zum systematischen Verhältnis von Art. 1 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG geht der EuGH davon aus, der verständige Anleger würde eine Information, die es nicht erlaubt, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen, als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen.266 Hierbei bemüht sich der Gerichtshof zwar um die Systematik innerhalb des Art. 1 der Richtlinie 2003/124/EG, lässt dabei jedoch den systematischen Zusammenhang zu Art. 1 Nr. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie völlig außer Betracht.267 Erstere dient aber gerade der Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie. Ebenso wie in Art. 7 Abs. 4 MMVO268 konkretisierst der Maßstab des verständigen Anlegers das Tatbestandsmerkmal der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“.269 Der EuGH setzt sich somit zwar mit dem Verhältnis der normhierarchisch gleichgeordneten Absätze auf „horizontaler Ebene“ auseinander, nicht aber mit der Vereinbarkeit der Auslegung mit dem durch Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG zu konkretisierenden Tatbestandsmerkmal aus Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG. An diesem Vorgehen wird kritisiert, dass der EuGH hierdurch die Eingrenzungswirkung des von seinem Wortlaut ausgegangen enger formulierten erheblichen Kursbeeinflussungspotentials beseitige.270 Insbesondere der Sinn und Zweck des Insiderrechts werde durch die Entscheidung des EuGH verfehlt. Wie eine Information über die zunehmende Volatilität in einer die Marktintegrität gefährdenden Weise genutzt werden könne, bleibe fraglich.271 Es sei zweifelhaft, ob Momentum-Spekulationen, die sich nicht am geänderten Fundamentalwert einer Aktie orientierten, die Informationseffizienz der Kapitalmärkte stärken würden und derartige Volatilitätsinformationen innerhalb des Schutzbereichs des Marktmissbrauchsrechts lägen.272 Da ihnen der kapitalmarktökonomische Ertragswert und der insiderrechtliche Handlungswert fehle, seien sie auch nicht geeignet, Informationsasymmetrien zu erzeugen.273 Durch die gleichwohl erfolgte Einbeziehung dieser Informationen in den Anwendungsbereich des Insiderrechts werde die Informationsgleichstellung aller Marktteilnehmer zum Selbstzweck er-

266 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 34. 267 Zetzsche, AG 2015, 381, 384. 268 Siehe hierzu bereits oben, Kapitel 2, B.II.2.a). 269 A.A. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 94, 119. 270 Zetzsche, AG 2015, 381, 384. 271 Nietsch, WuB 2015, 327; vgl. del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 48 f., die darauf hinweisen, abgesehen von dem sehr besonderen Fall der Finanzprodukte, die dazu strukturiert sind, die Volatilität auszunutzen, vermittle eine derartige Information ihrem Inhaber keinen Vorteil. 272 Zetzsche, AG 2015, 381, 385. 273 Wohl Nietsch, WuB 2015, 327.

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hoben, da Markteffizienzerwägungen diese angestrebte absolute Gleichheit, also den uneingeschränkten equal access, nicht stützten.274 Dies verdeutlicht, dass die Beantwortung der Vorlagefrage Kennzeichen des kapitalmarktrechtlichen Zielkonflikts zwischen Marktfunktions- und Anlegerschutz ist, den der EuGH implizit zu Gunsten des letzteren löse.275 Hierbei wird zwar teilweise eingeräumt, dass sich die Entscheidung unter Gesichtspunkten des kollektiven Anlegerschutzes und der Fairness begründen lasse, da das Anlegervertrauen in den Markt ungeachtet einer etwaigen wechselseitigen Aufhebung der Kursreaktionen auf dem Postulat informationeller Gleichbehandlung beruhe.276 Gleichwohl werde die Gewährleistung des Anlegervertrauens und der Fairness teuer durch die entstandene Rechtsunsicherheit erkauft.277 (2) Entmaterialisierung durch Pragmatismus Kritisch beurteilt wird zudem der Pragmatismus der Entscheidung, besagte Informationen als Insiderinformationen einzuordnen, um deren Inhabern zu verwehren, Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkung der Information als Vorwand für eine unterlassene Veröffentlichung nutzen zu können.278 Diese Einordnung sei wesentlich von dem Gedanken getragen, die Darlegungslast der Aufsichtsbehörden im Bußgeldverfahren zu erleichtern.279 Dies sei indes eine zweifelhafte Rechtfertigung, denn mit einer solchen Argumentation ließen sich generell Einwendungen des Beklagten weitgehend einschränken.280 Der Pragmatismus des Gerichts verstelle den Blick darauf, dass der Verfahrenszweck kein Selbstzweck sei und führe letztlich zu einer „Entmaterialisierung des Rechts“.281 (3) Kontraproduktive Expansionstendenz Für die Praxis bedeute die Entscheidung des EuGH eine Expansionstendenz, die kontraproduktive Auswirkungen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts nach sich ziehe.282 Die Folge des Urteils sei eine Ausdehnung der nun unter die Tatbe274

Vgl. hierzu weiterführend Zetzsche, AG 2015, 381, 385. Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238. 276 Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238. 277 Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238; vgl. Zetzsche, AG 2015, 381, 385; vgl. Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16. 278 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36 f. 279 Nietsch, WuB 2015, 327 f.; vgl. Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238; vgl. del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 49. 280 Vgl. del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 49. 281 Nietsch, WuB 2015, 327, 328. 282 Zetzsche, AG 2015, 381, 384 ff.; Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; vgl. Seibt/ Kraack, EWiR 2015, 237, 238; so auch Klöhn, ZIP 2014, 945, 951; Klöhn, NZG 2015, 809, 815, der der Entscheidung indes das restriktive Verständnis zugrunde legt. 275

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standsmerkmale der „präzisen Information“ und „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“ zu subsumierenden Informationen und die Entgrenzung des Begriffs der „Insiderinformation“.283 Mit der tatbestandlichen Erweiterung gehe ein Bedeutungszuwachs der Kapitalmarkt-Compliance284 und der Selbstbefreiungsmöglichkeit285 einher. Auch das legitime Interesse des Emittenten, die Entlohnung seines Vorstands durch eine aktienbasierte Langfristvergütung an den Unternehmenserfolg zu koppeln, werde durch die Entscheidung beeinträchtigt, wenn dieser aufgrund der Kenntnis von zahlreichen unternehmensinternen Ereignissen, von denen sich ex ante die Auswirkung auf den Kurs nicht bestimmen lässt, ständig die Sanktionen des Insiderhandelsrechts fürchten müsse.286 Es bestehe das Risiko, dass sich die Transparenzpflichten zu sehr von der unternehmerischen Wirklichkeit entfernten.287 Um einer Sanktion zu entgehen, seien Emittenten und deren Vorstände nunmehr versucht, durch übereiltes Handeln bruchstückhaft Informationen preiszugeben und hierbei unter Inkaufnahme erratischer und erheblicher Marktreaktionen ihrer Verpflichtung gerecht zu werden.288 Dementsprechend sei eine Flutung des Kapitalmarkts mit vorsorglichen, irrelevanten und teilweise kontraproduktiven Informationen – sofern sie nur verschiedene mögliche Kursveränderungen auslösen könnten – zu befürchten.289 Emittenten könnten die Reichweite ihrer Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht mehr abschätzen und stünden unter dem Damoklesschwert der Sanktionen des Insiderhandelsrechts.290 bb) Stärkung der Anlegergleichbehandlung Rückt man dahingegen die Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile gegenüber sonstigen Marktteilnehmern und das Ziel des Marktmissbrauchsrechts in den Vordergrund, zwischen Anlegern einen gleichen Zugang zu entscheidungserheblichen Informationen zu schaffen, erlaubt dies eine andere Beurteilung der EuGH-Entscheidung.291 Ausschlaggebend sei hiernach, dass besagte Informationen gleicher283 Zetzsche, AG 2015, 381, 384; Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238; Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; Nietsch, WuB 2015, 327, 328; vgl. del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 50 f. 284 Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238. 285 Zetzsche, AG 2015, 381, 386 f.; Nietsch, WuB 2015, 327, 328. 286 del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 50 f. 287 Vgl. Diaz/Peltier, JCP G 2015, 804, doctrine 485. 288 Diaz/Peltier, JCP G 2015, 804, doctrine 485. 289 Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16. 290 Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16. 291 Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 103 ff.; Kuthe, CB 2015, 173; vgl. Rückert/Rahlmeyer, GWR 2015, 124; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2015, 175, die scheinbar darüber hinaus davon ausgehen, die Einbeziehung von Volatili-

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maßen für die Anlageentscheidung von Marktteilnehmern, die von einem Steigen des Kurses, wie auch von solchen, die von einem Kursverfall ausgingen, Relevanz hätten.292 Es komme mithin darauf an, ob sich ein wesentlicher Teil des Kapitalmarkts von der Information beeinflussen lassen würde.293 Da die Information über die Volatilität des Wertpapiers dem Anleger einen Wissensvorsprung vermittle, dessen Vorenthaltung das Anlegervertrauen erschüttern und die Transparenz schwächen könne, müsse sie auch vom Insiderhandelsverbot umfasst sein.294 Es sei gänzlich unerheblich, ob der Anleger die betreffende Information zum Kauf oder Verkauf nutze oder sich letztlich passiv verhalte.295 Die Kursrelevanz werde in der Praxis unabhängig von der Prognosemöglichkeit hinsichtlich eines Kursanstiegs oder eines Kursfalls beurteilt.296 4. Volatilitätsinformationen als Insiderinformationen für von der volatilen Aktie abhängige Derivate a) Verständnis der Entscheidung Ein weitaus engeres Verständnis der Lafonta-Entscheidung wird von einer anderen Auffassung im Schrifttum zugrunde gelegt. Hiernach habe der EuGH lediglich anerkannt, dass Informationen über die Volatilität eines Finanzinstruments Kursrelevanz für hierauf bezogene Optionen und andere Finanzderivate haben könnten.297 Zwar sei eine Information, die keine eindeutige Bestimmung zulasse, in welche Richtung sich der Kurs einer Aktie entwickle, für diese Aktie nicht kurserheblich, da die Information nach der Theorie des Handelsanreizes einen Kauf- oder Verkaufsanreiz auf den Investor ausüben müsse.298 Beträgt die erwartete Kursauswirkung tätsinformationen in den Tatbestand der Insiderinformation und deren Publizierung stärke die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. 292 Kuthe, CB 2015, 173. 293 Kuthe, CB 2015, 173. 294 Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 105; vgl. Rückert/ Rahlmeyer, GWR 2015, 124. 295 Wilsing/Kleemann, DStR 2015, 958 zum Tatbestandsmerkmal „präzise“, welches aber mit dem Maßstab des verständigen Anlegers vermischt wird. 296 Vgl. Wilsing/Kleemann, DStR 2015, 958. 297 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 241 f.; Klöhn, NZG 2015, 809, 815 ff.; vgl. bereits Klöhn, ZIP 2014, 945, 952 ff.; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 177 ff.; Voß, BB 2015, 788; Buck-Heeb, LMK 2015, 373992; wohl auch Kumpan, EuZW 2015, 389, 390; C. Schröder, GPR 2015, 246, 247 f., der gleichwohl betont, das Gericht habe zur Frage der erheblichen Kursbeeinflussung keine Entscheidung getroffen. Auch Zetzsche nennt dieses Zusammenspiel von underlying und Derivat, versteht den EuGH aber gleichwohl im oben genannten weiten Sinne, vgl. Zetzsche, AG 2015, 381, 384 f. 298 Voß, BB 2015, 788; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 241; Klöhn, ZIP 2014, 945, 950, 952; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 176; vgl. Buck-Heeb, LMK 2015, 373992; vgl. C. Schröder, GPR 2015, 246, 247.

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null,299 wird sich der verständige Anleger kaum zu einer Verhaltensänderung bewegen lassen, sodass die in Art. 7 Abs. 1 lit. a) normierte Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten werde.300 Eine Ausnahme sei lediglich für handelsbezogene Informationen zu machen, da Insider in diesem Fall keine Kursbewegungen, sondern den Handel anderer Marktteilnehmer vorwegnehmen würden.301 Anderes gelte aber im Hinblick auf Optionen, denen als underlying die volatile Bieter-Aktie zugrunde liege.302 Durch einen long straddle, also die Kombination von put- und call-Option, könne ein Anleger von der reinen Kursschwankung profitieren und sich so einen Vermögensvorteil verschaffen.303 Die vom EuGH angesprochene „Anlageentscheidung“ sei also die Investition in Finanzinstrumente wie Optionen.304 Eine Information, die zwar keinen Schluss auf die Richtung der Kursänderung eines Finanzinstruments A erlaube, jedoch Informationen über das stärker oder schwächer als vom Markt erwartete Schwanken dieses Kurses enthalte, könne für ein von A abhängiges Finanzinstrument B eine Insiderinformation darstellen (restriktives Verständnis).305 Da es aber gänzlich unangemessen wäre, dem Emittenten eine Nachforschungspflicht für von Dritten auf seine Aktien begebene derivative Finanzinstrumente aufzuerlegen, müsse es für die Ad-hoc-Publizitätspflicht gerade auf die vom Emittenten selbst emittierten Finanzinstrumente ankommen.306 Die Aussagekraft des Lafonta-Urteils dürfe also nicht überschätzt werden, weil die Menge der ad-hocpublizitätspflichtigen Insiderinformationen nur eine Teilmenge der existenten Insiderinformationen darstelle.307 Denn für den Emittenten der Finanzinstrumente, für die die Volatilitätsinformation Kurserheblichkeit besitzt (also etwa für den Emittenten der long straddles), wird die Insiderinformation häufig nicht zu ermitteln sein. 299 Bei der Annahme, dass keine Auswirkungen auf den Aktienkurs zu erwarten sind, wird davon ausgegangen, dass solche nicht aus einem infolge des Abschlusses der swap-Verträge und der Erhöhung der Volatilität der Bieter-Aktie erhöhten Risikoabschlags resultieren, vgl. Klöhn, NZG 2015, 809, 813; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 178; Klöhn, ZIP 2014, 945, 953. Hierzu ausführlich unten, Kapitel 3, C.I.2. 300 Klöhn, NZG 2015, 809, 813; vgl. Buck-Heeb, LMK 2015, 373992; so auch losgelöst vom Fall Lafonta Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 143. 301 Klöhn, ZIP 2014, 945, 950 Fn. 67. 302 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 242; Klöhn, NZG 2015, 809, 813; C. Schröder, GPR 2015, 246, 248; Kumpan, EuZW 2015, 389, 390, vgl. Buck-Heeb, LMK 2015, 373992. 303 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 242; Klöhn, NZG 2015, 809, 811, Klöhn, ZIP 2014, 945, 953; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 179; C. Schröder, GPR 2015, 246, 248; vgl. Kumpan, EuZW 2015, 389, 390; dies meint wohl auch Voß, BB 2015, 788 mit „Teufelsinstrumenten“. 304 Klöhn, NZG 2015, 809, 816; C. Schröder, GPR 2015, 246, 248. 305 Klöhn, NZG 2015, 809, 816 f.; ähnlich Kumpan, EuZW 2015, 389, 390. 306 Klöhn, NZG 2015, 809, 816; Klöhn, ZIP 2014, 945, 953; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 123; i.E. auch C. Schröder, GPR 2015, 246, 248. 307 C. Schröder, GPR 2015, 246, 248; wohl auch Buck-Heeb, LMK 2015, 373992.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Ohne Wissen des Emittenten von den eine Insiderinformation begründenden Umständen308 oder dessen Möglichkeit zur Veröffentlichung bei Beachtung der Anforderungen an eine erforderliche und zumutbare Wissensorganisation309 kann jedoch keine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 MMVO festgestellt werden. Da diese Information außerhalb der Reichweite seiner Einflusssphäre und Wissensorganisationspflicht eintritt, ist er zur Veröffentlichung erst verpflichtet, wenn die Information in den dem Emittenten zugänglichen Wissensbereich eintritt.310 Gleichzeitig wird der Emittent der volatilen Aktie mit Kenntnis der Insiderinformation nicht zwangsläufig auch hierauf bezogene derivative Finanzinstrumente begeben haben. In diesem Fall greift für Insider lediglich ein Insiderhandelsverbot hinsichtlich derivativer Finanzinstrumente, die sich auf die volatile Aktie beziehen.311 b) Bewertung der Entscheidung Unter der Prämisse eines restriktiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung, wonach Volatilitätsinformationen über ein Finanzinstrument lediglich kurserheblich für von diesem abhängige derivative Finanzinstrumente sind, wird die Entscheidung zwar als richtig erachtet.312 Dem Urteil werden allerdings nur geringe praktische Folgen beigemessen.313 Gleichwohl wird teilweise angemerkt, dass sich in Anbetracht der grundsätzlichen Sanktionslosigkeit eines Übermaßes an Ad-hoc-Mitteilungen die problematische Tendenz eines information overload weiter fortsetze.314 Schließlich wird auf einen „Denkfehler“315 des EuGH hingewiesen, wenn dieser ausführt, der verständige Anleger könne eine Information als Teil der Grundlage 308

Für das Bestehen der Veröffentlichungspflicht ist nach einer Auffassung in der Literatur das Wissen oder Wissenmüssen des Emittenten maßgeblich. Da der Emittent als juristische Person tatsächliches Wissen nicht haben kann, kommt es für seine Kenntnis und sein Kennenmüssen darauf an, inwieweit er sich das Wissen seiner Organe und sonstiger Mitarbeiter infolge von Informationsorganisationspflichtverletzungen oder nach allgemeinen Grundsätzen kraft Wissenszurechnung zurechnen lassen muss, siehe hierzu Ihrig, ZHR 181 (2017), 381 ff.; Sajnovits, WM 2016, 765 ff.; a.A. Klöhn, NZG 2017, 1285, 1286 ff.; wohl auch Braun, in: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 8 Rn. 47. 309 Klöhn, NZG 2017, 1285, 1287 f. 310 So wohl i.E. übereinstimmend Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 387; Klöhn, NZG 2017, 1285, 1288. 311 Klöhn, ZIP 2014, 945, 953. 312 Klöhn, NZG 2015, 809, 816 f., a.A. wohl Zetzsche, der die Entscheidung zwar im extensiven Sinne versteht, dessen allgemeine Kritik, die sich gegen die Einbeziehung von Volatilitätsinformationen in den Anwendungsbereich von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität richtet, sich jedoch teilweise auch auf das restriktive Verständnis der Entscheidung übertragen lässt, vgl. Zetzsche, AG 2015, 381, 384 ff. 313 C. Schröder, GPR 2015, 246, 248; Buck-Heeb, LMK 2015, 373992; vgl. Klöhn, NZG 2015, 809, 816 f. 314 Buck-Heeb, LMK 2015, 373992. 315 So Klöhn, NZG 2015, 809, 816.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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seiner Anlageentscheidung nutzen, wenn diese Information keine Vorhersage über die Kursauswirkung in eine bestimmte Richtung erlaube. Denn tatsächlich lasse die Information über eine gesteigerte Volatilität eines Finanzinstruments A den eindeutigen Schluss zu, dass der Kurs des von A abhängigen Derivats B steigen werde.316 5. Analyse der Urteilsgründe Die Einordnung der vom EuGH en passant getätigten Aussage zur Kurserheblichkeit bereitet – insbesondere in Anbetracht des Missverhältnisses von potentieller Tragweite und Umfang diesbezüglicher Ausführungen – Schwierigkeiten. Das vorzugswürdige Verständnis lässt sich gleichwohl herausarbeiten, wenn man das Urteil vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Entscheidung betrachtet, Urteilsgründe, Rechtsprechungshistorie des EuGH sowie Telos von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität analysiert und sich schließlich mit der Frage auseinandersetzt, inwiefern die Entscheidung Bedeutung für die künftige dogmatische Ausrichtung des Regelungskomplexes erlangt. a) Folgen der unterschiedlichen Deutungsvarianten Hält man die Publizierung von Volatilitätsinformationen für kontraproduktiv für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts,317 erlaubt die restriktive Auslegung der EuGH-Entscheidung eine weitgehende Vermeidung der befürchteten negativen Effekte. Demnach würde es das Insiderhandelsverbot bei einer solchen Auslegung zwar untersagen, ein Insidergeschäft in Form des Erwerbs oder Verkaufs eines von der volatilen Aktie abhängigen Derivats zu tätigen, einem Dritten ein derartiges Geschäft zu empfehlen oder die Volatilitätsinformation unrechtmäßig offenzulegen318 sowie einen vor Erlangung der Information erteilten Auftrag zum Kauf oder Verkauf eines von der volatilen Aktie abhängigen Derivats zu stornieren oder zu ändern. Zu einer Veröffentlichungspflicht käme es nach dem restriktiven Verständnis aber lediglich in denjenigen Fällen, in denen der Pflichtige die Eigenschaft als Emittent des von der volatilen Aktie abhängigen Finanzinstruments und als Besitzer der Insiderinformation in sich vereint. Diese Interpretation ermöglicht ein Eingreifen des Verbotstatbestands, um eine ungerechtfertigte Ausnutzung der Information durch Derivate zu verhindern und reduziert gleichzeitig die ad-hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformationen auf eine Teilmenge,319 was der Entscheidung erheblich an Tragweite nimmt.

316

Klöhn, NZG 2015, 809, 816. Zetzsche, AG 2015, 381, 384 ff.; Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; vgl. Seibt/ Kraack, EWiR 2015, 237, 238; Klöhn, NZG 2015, 809, 815. 318 So zur alten Rechtslage Klöhn, ZIP 2014, 945, 953. 319 Vgl. C. Schröder, GPR 2015, 246, 248. 317

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Gegen diese restriktive Interpretation spricht jedoch, dass hiermit der maßgebliche Zweck, den der EuGH mit der Entscheidung verfolgte, konterkariert würde: Nach den Ausführungen des EuGH soll verhindert werden, dass sich Inhaber von Informationen unter Hinweis auf die Unvorhersehbarkeit der Kursauswirkung „einer Veröffentlichung […] enthalten und so zum Nachteil anderer Marktteilnehmer von [den Insiderinformationen] […] profitieren.“320 Der Gerichtshof möchte mithin gerade vereiteln, dass sich Emittenten ihrer Publizitätspflicht entziehen – die Information soll stattdessen dem Kapitalmarkt zugänglich gemacht werden.321 Der durch ein restriktives Verständnis ermöglichte Verweis des Emittenten einer volatilen Aktie auf die mangelnde Begebung von hiervon abhängigen Finanzderivaten scheint der Zielsetzung des EuGH, eine Umgehung der Veröffentlichungspflicht zu verhindern, diametral entgegenzustehen. Aufgrund der Möglichkeit einer Divergenz von Kenntnis der Insiderinformation und Emission der entsprechenden Derivate käme es nur in einem Bruchteil der Fälle zu einer Veröffentlichungspflicht. Da sich durch die Investition in Finanzderivate aber zweifelsohne ökonomisch von der Information profitieren lässt, wird die Chancengleichheit in diesen Fällen lediglich negativ durch das Verbot von Insidergeschäften geschützt, während der positive Schutz durch die Nivellierung des Informationsniveaus ausbleibt. Zudem scheint der EuGH im angeführten Urteilsgrund gerade davon auszugehen, dass der Inhaber der Volatilitätsinformation, der zum Nachteil Dritter ein Insidergeschäft tätigt, gleichzeitig bei einem Emittenten angestellt ist, den eine Veröffentlichungspflicht trifft („[…] einer Veröffentlichung enthalten […] und so […] profitieren“).322 Da dies bei restriktivem Verständnis aber nicht stets der Fall wäre, erscheint es sehr zweifelhaft, ob sich der EuGH in diesem Sinne verstanden wissen wollte. b) Schlussanträge des Generalanwalts Einen Hinweis auf das vorzugswürdige Verständnis der Entscheidung bietet laut einigen Vertretern in der Literatur ein Blick auf die Schlussanträge des Generalanwalts.323 Dieser führte zum Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit aus, 320

EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36 f. Obgleich sich diese Ausführungen mit dem Merkmal der Kursspezifität auseinandersetzen, stellt der EuGH in der Sache Erwägungen zur Ad-hoc-Publizitätspflicht an, welche nur bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale – ergo bei Bejahung der Kurserheblichkeit der Information – ausgelöst wird. Die Ausführungen müssen ihrem Zweck nach dementsprechend auf das Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit übertragen werden. 321 Vgl. Binder, RdF 2015, 159, 160. 322 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). 323 Voß, BB 2015, 788; Klöhn, NZG 2015, 809, 815 f.; C. Schröder, GPR 2015, 246, 247 f.; so auch Zetzsche, AG 2015, 381, 383, der der Entscheidung indes das extensive Verständnis zugrunde legt.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG solle Informationen aus dem Anwendungsbereich herausnehmen, die lediglich unbedeutende Auswirkungen auf die Kurse hätten und dementsprechend die Integrität des Marktes nicht berühren würden.324 Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG beschränke sich nicht auf eine Information, die es erlaube, die Richtung einer Kursänderung der Finanzinstrumente zu bestimmen.325 Anders als der EuGH lässt es der Generalanwalt allerdings nicht mit diesen Ausführungen auf sich beruhen. Er fährt fort, dass eine Information über die mögliche Volatilität eines Wertpapiers unabhängig von der Richtung der Kursänderung in gewissen Konstellationen eine Information sein könnte, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.326 Es existierten nämlich Finanzmechanismen, die es unter bestimmten Marktbedingungen einem Anleger ermöglichten, im Fall einer spürbaren Veränderung des Kurses eines Wertpapiers einen Gewinn unabhängig von der Richtungsänderung zu machen.327 Dementsprechend sei es von den Umständen des Einzelfalls abhängig, ob ein verständiger Anleger eine derartige Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde.328 Indem der EuGH kryptisch andeutet, eine Information könne von einem verständigen Anleger auch dann genutzt werden, wenn sich die Richtung der Kursauswirkung nicht prognostizieren lasse, sehen einige Autoren eine Bezugnahme des EuGH auf die Ausführungen des Generalanwalts.329 Der Gerichtshof erkenne damit lediglich Volatilitätsinformationen als Insiderinformation für von der volatilen Aktie abhängige Derivate an.330 Obgleich einiges für eine Rezeption der Ausführungen des Generalanwalts durch den EuGH spricht, bestehen hieran allerdings in mehrfacher Hinsicht Zweifel. Zunächst fällt auf, dass der EuGH in seinem Urteil zwar in Rn. 30 und in Rn. 35 ausdrücklich Bezug auf die Ausführungen des Generalanwalts nimmt, dieses Vorgehen an der entscheidenden Stelle in Rn. 34 allerdings ausbleibt. Während sich der Gerichtshof an den Stellen, in denen er auf die Ausführungen des Generalanwalts 324 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 48 (abrufbar bei juris). 325 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 48 (abrufbar bei juris). 326 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 48 (abrufbar bei juris). 327 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 49 (abrufbar bei juris). 328 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 50 (abrufbar bei juris). 329 Klöhn, NZG 2015, 809, 815 f.; C. Schröder, GPR 2015, 246, 247 f.; Voß, BB 2015, 788; so auch Zetzsche, AG 2015, 381, 383. 330 Vgl. Klöhn, NZG 2015, 809, 816 f.; vgl. Voß, BB 2015, 788.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

rekurriert, ausschließlich mit dem Tatbestandsmerkmal „präzise“ auseinandersetzt, fehlt während des obiter dictum eine solche Bezugnahme. Nachdem der EuGH formuliert: „Eine erteilte Information kann nämlich von einem verständigen Anleger als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung genutzt werden […], auch wenn diese Information es nicht erlaubt, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen“,331 fährt er in Rn. 35 mit Erwägungen hinsichtlich Art. 1 Nr. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG fort. Auch wird vom EuGH ausschließlich auf diejenigen Teile der Schlussanträge verwiesen, die sich mit dem Merkmal der Kursspezifität auseinandersetzen, deren Unabhängigkeit vom Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit seitens des Generalanwalts ebenfalls ausdrücklich betont wurde.332 Eine prinzipielle Orientierung der Urteilsgründe des EuGH an den Ausführungen des Generalanwalts ist zwar schwerlich bestreitbar. Umso mehr Fragen werfen allerdings die Abweichungen in den Formulierungen des EuGH von den Ausführungen des Generalanwalts auf. Im Gegensatz zum EuGH konkretisiert der Generalanwalt wie bereits erwähnt seine Annahme, verständige Anleger könnten Informationen unabhängig von der Vorhersehbarkeit der Kursrichtung nutzen, indem er auf „Finanzmechanismen“ verweist, mit deren Hilfe sich „im Fall einer spürbaren Veränderung des Kurses eines Wertpapiers ein […] Gewinn unabhängig“ von der Richtung der Kursänderung erzielen lässt.333 Weshalb also nimmt der EuGH diesen entscheidenden Hinweis auf gewinnbringende Finanzinstrumente wie long straddles, der zu einem erheblich engeren Verständnis seiner Aussage führen würde, nicht in seine Urteilsgründe mit auf? Wollte der Gerichtshof hiermit gerade die Einschränkung der Kurserheblichkeit von Volatilitätsinformationen auf Fälle, in denen Anleger in Finanzderivate investieren, vermeiden? c) Insiderrechtliches Anlegerleitbild des EuGH und Charakteristikum der Insiderinformation Im Zusammenhang mit der Untersuchung des ökonomischen Hintergrunds von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität wurde bereits festgestellt, dass das Anlegerleitbild des EuGH nicht auf eine kapitalmarkttheoretische Auslegung festgelegt ist. Fest steht, dass der verständige Anleger des Gerichtshofs Zugang zu allen ex ante verfügbaren Informationen hat und seine Anlageentscheidung auf dieser Grundlage

331 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 34. 332 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 29 (abrufbar bei juris). 333 GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), CelexNr. 62013CC0628, Rn. 48 f. (abrufbar bei juris).

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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trifft.334 Hiermit wird im Vergleich zum Querschnitt des Anlegerpublikums ein überdurchschnittlich hoher, aber dennoch wertungsoffener Maßstab statuiert. Gleichwohl ist diese Beurteilungsperspektive weiter ausfüllungsbedürftig. aa) Der verständige Anleger des EuGH als Händler? Dafür, dass sich das obiter dictum des EuGH nicht ausschließlich auf einen auf Volatilität spekulierenden Daytrader beziehen sollte, deutet auch der von Zetzsche geäußerte Gedanke: Die Fokussierung auf derartige Transaktionen würde die Kategorie des „Anlegers“ erheblich an diejenige des „Händlers“ annähern.335 Der Anlegerbegriff kennt keine einheitliche gesetzliche Definition. Versteht man ihn weit, so lässt sich der Anleger als natürliche oder juristische Person begreifen, die öffentlich vertriebene und an der Börse gehandelte oder etwa durch Treuhandmechanismen vermittelte Finanzinstrumente erwirbt.336 Noch allgemeiner legt der Wortsinn den Erwerb von Sachen oder Rechten unabhängig von der Qualifikation des Anlageobjekts, des Anlageziels oder des Anlagezeitraums nahe, an deren Wertentwicklung der Anleger zu partizipieren beabsichtigt und die er später wieder liquidieren möchte.337 Ein nicht rein faktisches,338 differenzierteres Verständnis des Anlegerbegriffs würde dahingegen eine Ausrichtung des Schutzbereichs anhand der Zwecke des Marktmissbrauchsrechts erlauben. Da der Anlegerbegriff im Kapitalmarktrecht weder einheitlich, noch systematisch gebraucht wird,339 ließe sich die Auslegung – freilich zu Lasten der Rechtssicherheit – am Zweck des jeweiligen Normkomplexes ausrichten. So ließe sich argumentieren, für den vorliegenden Kontext erscheine es vorzugswürdig, dem Begriff des verständigen „Anlegers“ und dessen „Anlageentscheidung“ eine gewisse Dauer des Kapitaleinsatzes zur planmäßigen Erzielung von Einnahmen durch Teilnahme an der zukünftigen Wertentwicklung abzuverlangen.340 Dies sollte zwar nicht bedeuten, Anlegern mit kurzfristigem Anlagehorizont generell den Schutz des Marktmissbrauchsrechts zu versagen. Doch führte ein derartiges Verständnis dazu, Anlagestrategien aus dem Schutzbereich auszublenden, die die Typizität des Handels aufweisen. Da der Händler das Risiko der Wertentwicklung 334

EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 55. 335 Vgl. Zetzsche, AG 2015, 381, 385. Gleichwohl misst Zetzsche Volatilitätsinformationen keinen über Momentum-Spekulationen hinausgehenden Wert bei. 336 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, vor § 104 Rn. 78; Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, 2005, S. 25. 337 So Riesenhuber, ZBB 2014, 134, 135. 338 Vgl. Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, vor § 104 Rn. 78. 339 Riesenhuber, ZBB 2014, 134, 136. 340 Vgl. Zetzsche, Prinzipien der kollektiven Vermögensanlage, 2015, S. 70.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

nur in sehr geringem Umfang tragen möchte und darauf abzielt, in kurzer Zeit eine möglichst hohe risikoadjustierte Rendite zu erzielen,341 gehöre die Spekulation auf eine erhöhte Volatilität mittels derivativer Finanzinstrumente wohl eher in die letztgenannte Kategorie.342 Offen wäre dann allerdings, inwiefern derartige Informationen von anderweitiger Bedeutung für die Investitionsentscheidung des Anlegers sein könnten. Auch wäre dem EuGH kein „Denkfehler“343 unterlaufen, sofern sich der Gerichtshof dergestalt verstanden wissen wollte, dass Volatilitätsinformationen generelle Bedeutung für die Anlageentscheidung des verständigen Anlegers – also auch hinsichtlich einer Investition in die volatile Aktie – beigemessen werden sollte. bb) Informationelle Chancengleichheit In seiner Rechtsprechung zum Marktmissbrauchsrecht finden sich lediglich vage Aussagen des EuGH, die zur Charakterisierung des verständigen Anlegers und der Frage, welche Informationen dieser berücksichtigt, beitragen könnten. Während sich den Schlussanträgen des Generalanwalts zum Geltl-Urteil des EuGH immerhin entnehmen lässt, der verständige Anleger beurteile den Eintritt künftiger Umstände oder Ereignisse nicht in Verfolgung rein spekulativer Ziele, sondern nach einem objektiven Kriterium der Vernünftigkeit,344 muss das Verständnis des EuGH aus allgemeinen Aussagen zu den Zielen des Marktmissbrauchsrechts und der Auslegung des Begriffs der „Insiderinformation“ destilliert werden. Ohne sich hierbei auf die probability/magnitude-Formel festzulegen,345 hat der EuGH zumindest klargestellt, dass der verständige Anleger die möglichen Auswirkungen eines Ereignisses sowie den Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit in seinen Erwägungen berücksichtigt.346 Vor Geltung der MMVO zog der EuGH in ständiger Rechtsprechung für die Auslegung des Begriffs der „Insiderinformation“ und des Insiderhandelsverbots die Erwägungsgründe 2 und 12 der Marktmissbrauchsrichtlinie heran. Nach dem EuGH sei es das Ziel der Richtlinie, die Integrität der Finanzmärkte sicherzustellen und das Anlegervertrauen zu stärken, welches darauf beruhe, dass die Anleger einander gleichgestellt seien und vor der unrechtmäßigen Verwendung von Insiderinforma-

341

Zetzsche, Prinzipien der kollektiven Vermögensanlage, 2015, S. 70. Vgl. Zetzsche, AG 2015, 381, 385. 343 So Klöhn, NZG 2015, 809, 816. 344 GA Mengozzi, Schlussanträge v. 21. 03. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), CelexNr. 62011CC0019, Rn. 71 (abrufbar bei juris). 345 Strittig, siehe hierzu oben, Kapitel 1, C.II.2.a)cc) sowie C.II.2.b)bb). 346 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 55. 342

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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tionen geschützt würden.347 Auch in der Rechtssache Lafonta rekurriert der EuGH auf diese Zielsetzung der Richtlinie.348 Beurteilt man die Reichweite des Rechtsbegriffs „verständiger Anleger“ vor dem Hintergrund der informationellen Gleichstellung, spricht dies für eine extensive Auslegung: Um ein level playing field zu gewährleisten, müssen den Anlegern möglichst viele Informationen zur Verfügung stehen, da hierdurch eine fundierte Anlageentscheidung ermöglicht wird. Eine absolute Gleichstellung aller Marktteilnehmer kann der europäische Gesetzgeber jedoch kaum bezwecken. Kämen rationale Marktteilnehmer mit identischem Wissensstand zu derselben Werteinschätzung eines Handelsguts, blieben Transaktionen im Angesicht der hiermit verbundenen Transaktionskosten aus.349 Mithin ist maßgeblich, welche Informationen im Lichte der Zielsetzung des Marktmissbrauchsrechts350 und vor dem Hintergrund der „Zweispurigkeit des europäischen Insiderrechts“351 durch das grundsätzlich gleichzeitige Einsetzen von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht als Insiderinformationen einzuordnen sind. cc) Verknüpfung von Wissensvorsprung, Vermögensvorteil und dem Nachteil Dritter Im Gegensatz zu den aus der Zielsetzung der informationellen Chancengleichheit gezogenen Schlussfolgerungen legt ein Blick auf das Spector-Urteil352 des EuGH eine restriktivere Auslegung des Maßstabs des verständigen Anlegers und eine Einschränkung der für die Anlageentscheidung relevanten Informationen nahe.353 Hier begründet der Gerichtshof den aus der Insiderinformation resultierenden Vorteil 347 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 33; EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/ CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227, Rn. 47. Entsprechend zur Insiderrichtlinie 89/592/EWG EuGH, Urt. v. 10. 05. 2007 – Rs. C-391/04 (Oikonomikon/Georgakis), NZG 2007, 749 = AG 2007, 542 = EuZW 2007, 572, Rn. 37; EuGH, Urt. v. 22. 11. 2005 – Rs. C-384/02 (Grøngaard/Bang), NJW 2006, 133 = ZIP 2006, 123 = NZG 2006, 60 = EuZW 2006, 25, Rn. 22, 33. Vgl. ferner im Kontext mit dem Verbot der Marktmanipulation EuGH, Urt. v. 7. 7. 2011 – Rs. C-445/09 (IMC Securities BV/Stichting Autoriteit Financiële Markten), NZG 2011, 951 = AG 2011, 588 = EuZW 2011, 715, Rn. 27. 348 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 21. 349 Zetzsche, AG 2015, 381, 385. 350 Vgl. EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227, Rn. 61. 351 Langenbucher, AG 2016, 417, 419. 352 EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227. 353 Klöhn, NZG 2015, 809, 814 f.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

gegenüber sonstigen Marktteilnehmern mit der Möglichkeit des Insiders, sich einen Vermögensvorteil erwirtschaften zu können, ohne sich den gleichen Risiken wie die sonstigen Marktteilnehmer aussetzen zu müssen.354 Das wesentliche Merkmal des Insidergeschäfts liege daher in der Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils zum Nachteil Dritter und der daraus folgenden Beeinträchtigung der Finanzmarktintegrität und des Anlegervertrauens.355 Hiervon geht nunmehr auch der 23. Erwägungsgrund der MMVO aus. Dieses Verständnis legt nahe, dass der verständige Anleger nicht bereits infolge seines bloßen Wissensvorsprungs einen Vorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern besitzt, sondern ausschließlich deshalb, weil dieser Vorsprung zum Nachteil Dritter in einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil umgewandelt werden kann.356 Die oben genannten Ausführungen des EuGH, die sich allgemein dem Wesen der Insiderinformation widmen, fügen sich in diejenigen Überlegungen des Gerichtshofs ein, die sich mit dem Insiderhandelsverbot auseinandersetzen. Hier betont der EuGH generell das Ziel des Verbots, zu verhindern, dass Insider zum Nachteil Dritter einen Nutzen aus ihrem Wissensvorsprung ziehen können.357 Diese Rechtsprechung deutet darauf hin, dass der einen Wissensvorsprung vermittelnden Insiderinformation zwangsläufig die Möglichkeit inhärent sein muss, aus diesem Wissen einen Vermögensvorteil schöpfen zu können, der sich gleichsam spiegelbildlich in einem Vermögensnachteil eines Dritten niederschlägt. Unweigerlich ist diese Verknüpfung grundsätzlich Charakteristikum des herkömmlichen Insidergeschäfts. In Anbetracht des Nebeneinanders von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität aufgrund der einheitlichen Anknüpfung an Art. 7 MMVO ist die generelle, nicht auf das Insiderhandelsverbot beschränkte, sondern sich auf den Tatbestand der Insiderinformation als solche beziehende Aussage des Spector-Urteils allerdings von zusätzlicher Tragweite. Denn die Existenz einer Insiderinformation löst bekanntlich bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 17 MMVO gleichzeitig die Ad-hoc-Publizitätspflicht aus. Aus der Perspektive der Publizität ist zweifelhaft, ob der Wert einer Information und der hieraus abzuleitende Vorteil allein anhand der Möglichkeit messbar ist, ob zum Nachteil Dritter ein Vermögensvorteil erwirtschaftet werden kann. Denn durch die Veröffentlichungspflicht sollen Anleger auch in die Lage versetzt werden, fundierte Kauf- oder 354

EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227, Rn. 52. 355 EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227, Rn. 52. 356 So Klöhn, ZIP 2014, 945, 951 f. 357 EuGH, Urt. v. 10. 05. 2007 – Rs. C-391/04 (Oikonomikon/Georgakis), NZG 2007, 749 = AG 2007, 542 = EuZW 2007, 572, Rn. 38; EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227, Rn. 48 f.

B. Analyse der Lafonta-Entscheidung

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Verkaufsentscheidungen treffen zu können.358 Zu einer fundierten Anlageentscheidung gehört aber auch die auf Basis der vorhandenen Informationen getroffene Einschätzung der mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken. Geht man davon aus, dass die erhöhte Volatilität nicht zu einem erhöhten Risikoabschlag führt,359 ist die Tatsache, dass der Aktienkurs bei Veröffentlichung der Insiderinformation wahrscheinlich ausschlagen wird – gleich, in welche Richtung – nicht in den Börsenkurs eingepreist, sodass Anleger in einer solchen Situation auch nicht „preisgeschützt“360 sein können.361 d) Verzicht auf das Merkmal des Handelsanreizes? Misst man den Aussagen des EuGH im Lafonta-Urteil lediglich für von der Volatilität des underlying abhängige Finanzderivate Aussagekraft bei, lässt sich zweifelsohne eine aus dem Wissensvorsprung resultierende Möglichkeit zur Erwirtschaftung eines Vermögensvorteils konstatieren: Dem Besitzer der Volatilitätsinformation ermöglicht diese eine aus seinem Wissensvorsprung resultierende Profitmöglichkeit. Ordnet man Informationen über die erhöhte Volatilität eines Finanzinstruments dahingegen generell als kurserheblich für das volatile Wertpapier ein, offenbart sich die mit dieser Sichtweise verbundene Problematik, wie vielfach angemerkt,362 in Anbetracht der hieraus folgenden Einbuße tatbestandsbegrenzender Elemente: Die Kenntnis einer Information, die keine Prognose über die Richtung der Kursauswirkung erlaubt, verspricht auf den ersten Blick keinen Handelsanreiz für den verständigen Anleger. Zu dem Ergebnis, dass in einem solchen Fall der Information keine Kurserheblichkeit für das volatile Finanzinstrument selbst zukommen kann, gelangt man allerdings nur, wenn man davon ausgeht, dass der verständige Anleger lediglich solche Informationen als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde, die einen Handelsanreiz auf ihn ausüben.363 In seinem Lafonta-Urteil betont der EuGH unter Verweis auf die Spector-Entscheidung zwar das Erfordernis, dass eine Insiderinformation dem Insider naturgemäß einen Vorteil gegenüber den benachteiligten

358 Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 50; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 15 Rn. 2. 359 So Klöhn, NZG 2015, 809, 815. 360 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 358, 383. 361 Zur Frage, ob Anleger in dieser Situation geschützt werden müssen siehe unten, Kapitel 3, C.II.3. 362 Siehe oben, Kapitel 3, B.III.3.b)aa). 363 Diesbezüglich besteht – soweit ersichtlich – heutzutage nahezu Einigkeit, vgl. statt aller Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 159 ff. Anders wohl nur Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 103 ff.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Marktteilnehmern verschaffen müsse,364 beschränkt seine Aussage hierbei allerdings nicht auf die Erzielung eines Vermögensvorteils. Möglicherweise ist dieser Umstand darauf zurückzuführen, dass die Richter des EuGH bei der Formulierung ihrer Urteilsgründe die Folgen der Auslegung des Tatbestands der Insiderinformation für die Ad-hoc-Publizität im Blick hatten und dementsprechend eine weitere Auslegung des Tatbestands bezweckten. In Anbetracht der Tatsache, dass die hohe Komplexität der Finanzmärkte eine exakte Einschätzung der Richtung, in die sich die Kurse von Finanzinstrumenten ändern können, besonders erschwert,365 ist es zweifelhaft, ob der Gerichtshof die Auslösung von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität davon abhängig machen wollte, ob die stochastische Berechnung eines Finanzanalysten – die einen Blick in die Zukunft unter Unsicherheit erfordert – zu einem eindeutig positiven oder negativen Erwartungswert führen würde. Nach der Analyse der Urteilsgründe sind die Auswirkungen der Lafonta-Entscheidung für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit weiter unklar. Bevor das vorzugswürdige Verständnis der Entscheidung herausgearbeitet werden kann, ist zunächst danach zu fragen, welcher Wert einer Volatilitätsinformation für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und den Schutz der Anleger zukommt, inwiefern sich hieraus das Bedürfnis ergibt, derartigen Informationen Entscheidungsrelevanz für Anlageentscheidungen über die Fälle der Investition in Finanzderivate hinaus zuzusprechen und ob sich ein derartiges Verständnis de lege lata zweckmäßig mit dem Tatbestand des Art. 7 MMVO vereinbaren lässt.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen in den Anwendungsbereich von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität I. Gesichtspunkte des Funktionsschutzes Nähert man sich der Frage, ob lediglich eine eingeschränkte oder aber eine generelle Einbeziehung von Volatilitätsinformationen in den Tatbestand der Insiderinformation angezeigt ist, vor dem Hintergrund des Ziels der Förderung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, ist zu Beginn die Zielsetzung der Regulierung zu präzisieren.

364

EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 25, 36. 365 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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1. Konkretisierung des Funktionsschutzziels Da sich das Anlegervertrauen als Bestandteil der institutionellen Effizienz begreifen lässt, könnte das vorzugswürdige Verständnis der Entscheidung aus Gesichtspunkten des Funktionsschutzes zunächst daran gemessen werden, inwiefern das Vertrauen der Marktteilnehmer eine Berücksichtigung von Informationen erfordert, von denen sich nicht vorhersagen lässt, ob der Kurs einer Aktie bei öffentlichem Bekanntwerden der Information steigen oder fallen würde. Vertrauen hat im Finanzmarktrecht eine große Bedeutung, weil Emissionen und Handel auf Finanzmärkten Rechtsgüter betreffen, welche durch das Versprechen zukünftiger cash flows konstituiert werden, deren Wertfaktoren mit Unsicherheiten belastet sind.366 Für Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität bieten sich zunächst zwei wesentliche Bezugspunkte des Anlegervertrauens an. Einerseits lässt sich das Vertrauen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Preisbildungssystems beschränken.367 Hierfür muss aber zunächst die Relevanz der in Frage stehenden Informationen für die Preisbildung am Kapitalmarkt in Augenschein genommen werden, womit zugleich eine Untersuchung der mittelbaren Auswirkungen auf die allokative Effizienz verbunden ist.368 Andererseits lässt sich die etwas konturenlose Formel des Anlegervertrauens in die Marktintegrität weitergehend durch das Vertrauen auf den gleichen Zugang zu entscheidungsrelevanten Informationen konkretisieren. Hierzu bedarf es indes einer Auseinandersetzung mit der Frage, welchen Informationen Relevanz für die Anlageentscheidung verständiger Anleger zukommt, die in engem Zusammenhang mit Anlegerschutzerwägungen steht und dort deshalb besser zu verorten ist.369 Allein das Anlegervertrauen als Bestandteil der institutionellen Effizienz sollte für die Beantwortung der vorstehenden Frage bereits deshalb nicht ausschlaggebend sein, weil ein quantifizierbarer Vertrauensverlust empirisch nahezu nicht nachweisbar ist.370 In Anbetracht der Tatsache, dass die allokative Funktion der Märkte in ökonomischen Gleichgewichtssätzen häufig als wichtigste Aufgabe des Kapitalmarkts betont wird,371 wird die Förderung der allokativen Effizienz auch in der Rechtswissenschaft nicht selten als entscheidender Faktor ausgemacht, um den Funktionenschutz zu gewährleisten.372 Die Auslegung der Kapitalmarktregulierung müsse

366

Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 5. Vgl. Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 26. 368 Hierzu sogleich, Kapitel 3, C.I.2. 369 Hierzu unten, Kapitel 3, C.II.3. 370 Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, 1973, S. 50; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 121. 371 Vgl. Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998, S. 142. 372 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172, vgl. Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7; Assmann, ZBB 1989, 49, 61; Barry, 129 U. Pa. L. Rev. 1307, 1316 ff. (1981); Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 715 f. (2006). 367

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

sich am primären Ziel orientieren, durch effiziente Kapitalmärkte die Ressourcenallokation der Wirtschaft zu optimieren.373 Dahingegen rückt eine Untersuchung Sesters, die das in zahlreichen Erwägungsgründen gesetzte Meta-Ziel der Förderung der Kapitalmarkteffizienz teleologisch interpretiert,374 für die Auslegung nicht die bedeutendste Unterfunktion des Kapitalmarkts in den Vordergrund. Stattdessen fragt die Analyse nach der konsensfähigen Interpretationsvariante des übergeordneten Ziels der Kapitalmarkteffizienz im Lichte des Konsensparadigmas.375 Während Sester die Verbesserung der Allokationseffizienz des Marktes nicht für eine konsensfähige Interpretation der Förderung der Kapitalmarkteffizienz, sondern lediglich für ein wirtschaftspolitisches Fernziel hält, macht er als konsensfähiges Regulierungsziel die Reduktion impliziter Transaktionskosten und die Verbesserung der relativen Informationseffizienz376 aus.377 Da allerdings denkbar ist, dass informationelle und fundamentale Effizienz zumindest mittelbare Allokationswirkungen entfalten,378 sollte auch die Förderung der beiden erstgenannten Faktoren eine positive Wechselwirkung zur allokativen Effizienz des Kapitalmarkts entfalten. Dementsprechend kann und soll das Ziel der Gewährleistung von Funktionsschutz für die hiesigen Zwecke insbesondere im Sinne einer (mittelbaren) Förderung operationaler und allokativer Effizienz interpretiert werden. Ob eine generelle Einbeziehung von Volatilitätsinformationen, die keinen positiven oder negativen Erwartungswert haben, in den Tatbestand der Insiderinformation zu fundamentalwerteffizienten Märkten beiträgt, ist allerdings höchst zweifelhaft. Das diesbezügliche Meinungsbild der Literatur fällt überwiegend negativ aus: Die Auswirkungen auf den Kapitalmarkt seien kontraproduktiv379 und die Markteffizienz würde geschwächt.380 Diese Schlussfolgerungen gilt es im Folgenden zu 373

Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 713 (2006). Sester, ZGR 2009, 310 ff. 375 Sester überträgt hierbei die Methodik des aus der ökonomischen Theorie der Verfassung stammenden Konsensprinzips auf die Frage, wie das Ziel, die Kapitalmarkteffizienz zu fördern, konkret zu interpretieren ist. Für die vorzugswürdige Auslegung des Meta-Ziels komme es darauf an, auf welche von mehreren Auslegungsvarianten zur Kapitalmarkteffizienz sich die Kapitalmarktakteure einigen würden, sofern hierbei eigennütziges Rationalverhalten unterstellt sowie beschränkte Rationalität angenommen wird und darüber hinaus davon auszugehen ist, dass die Entscheidungsträger im Entscheidungszeitpunkt keine Kenntnis ihrer zukünftigen Position im regulierten Marktprozess haben. Darüber hinaus muss das Regulierungsziel qualitativ messbar sein. Hierzu Sester, ZGR 2009, 310, 313 ff. 376 Die relative Informationseffizienz bestimmt die verwirklichte Markteffizienz im Vergleich mit einem Ausgangswert, vgl. Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 557 (1984); Sester, ZGR 2009, 324. 377 Sester, ZGR 2009, 310, 334 ff. 378 Siehe oben, Kapitel 1, B.III.4.d). 379 Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; a.A. wohl Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2015, 175. 380 Klöhn, NZG 2015, 809, 815; kritisch Zetzsche, AG 2015, 381, 385. 374

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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hinterfragen, was eine nähere Auseinandersetzung mit der durch die Wirtschaftswissenschaft erarbeiteten Modellierung des Preisbildungsprozesses am Kapitalmarkt erforderlich macht. Da professionelle Marktteilnehmer wie Arbitrageure die Informations- und Fundamentalwerteffizienz des Kapitalmarkts maximieren381 und somit von unabdingbarer Bedeutung für den Preisbildungsprozess sind, effiziente und liquide Kapitalmärkte garantieren sowie im Ergebnis zur Reduktion von Transaktionskosten beitragen,382 kann die eingangs aufgeworfene Frage auch umformuliert werden: Erfordert der Schutz und die Förderung von professionellen Marktteilnehmern, die durch ihren Handel Informationen in Preise inkorporieren, die Einbeziehung derartiger Informationen in den Anwendungsbereich von Insiderhandelsrecht und Adhoc-Publizitätspflicht? 2. (Mittelbare) Steigerung der operationalen und allokativen Effizienz durch informations- und fundamental effiziente Börsenkurse Ob eine Information für einen Arbitrageur interessant ist, hängt maßgeblich davon ab, ob er das Finanzinstrument für unter- oder überbewertet hält und er hierdurch eine Arbitragemöglichkeit realisieren kann.383 Der Informationshändler kauft und verkauft Finanzinstrumente, wenn er eine Disparität zwischen Fundamentalwert und Börsenkurs ausmacht.384 Der Fundamentalwert ist wie gesehen das imaginäre Konzept eines Werts, auf den sich alle Marktteilnehmer einigen würden, wenn jedermann Kenntnis aller wertrelevanten Informationen und zugleich die Fähigkeit besäße, diese zur Wertermittlung korrekt zu verarbeiten.385 a) Direkte und indirekte Anteilsbewertung Im Ausgangspunkt bieten sich für die Wertermittlung von Finanzinstrumenten grundsätzlich zwei verschiedene Methoden an. Einerseits lässt sich das Bewertungsobjekt als selbstständig handelbares Gut betrachten und sein Wert im Zuge der direkten Anteilsbewertung aus dem Kurswert oder vergleichbaren Transaktionspreisen ableiten.386 Andererseits besteht die Möglichkeit, durch indirekte Anteilsbewertung den quotalen Unternehmenswert festzustellen, indem zunächst der Ge381 So Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 40, 42 bezüglich „Informationshändlern“. 382 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 715 (2006). 383 Vgl. Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 726 (2006); Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 85. 384 Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 223; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 85. 385 Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 206. 386 Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 18 Rn. 1.

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samtwert des Unternehmens ermittelt und aus diesem der Wert des einzelnen Anteils berechnet wird.387 Letztgenannte Methodik ist daher zunächst denselben Regeln unterworfen wie die Unternehmensbewertung.388 b) Unternehmensbewertung Für die Unternehmensbewertung stehen diverse Bewertungsmethoden zur Verfügung, die nach Gesamtbewertungsverfahren, Einzelbewertungsverfahren oder Mischverfahren systematisiert werden können.389 Ebenfalls lässt sich nach der bewertungsrelevanten Ausgangsgröße nach überschussorientierten, substanzorientierten und preisvergleichsorientierten Verfahren differenzieren.390 Gegenstand und Ziel dieser Untersuchung sind indes nicht die Grundlagen der Unternehmensbewertung. Vielmehr geht es vorliegend darum, inwiefern eine ein Risiko begründende Information, der kein positiver oder negativer Erwartungswert zukommt, bewertungsrelevant für eine Aktie ist. Wenn in diesem Zusammenhang von einem Risiko die Rede ist, meint dies das Verlust- und auch das Gewinnpotential, welches sich in der Schwankungsbreite der Rendite um den Mittelwert widerspiegelt.391 Mit anderen Worten ist der potentielle Zusammenhang zwischen dem Wert einer Aktie und ihrer Volatilität zu hinterfragen. Diese Auseinandersetzung kann allerdings nur auf der Grundlage eines theoretischen Bewertungsmodells vorgenommen werden, das keine Richtigkeitsgewähr für die Preisbildung an realen Kapitalmärkten bietet. Gleichwohl soll eine Annäherung auf theoretischer Grundlage erfolgen, um hieraus Erkenntnisse für die Regulierung schöpfen zu können. Hierfür bietet sich eine nähere Betrachtung der Gesamtbewertungsverfahren an, die sich in der internationalen Bewertungspraxis durchgesetzt haben.392 Die fortlaufende Untersuchung wird dabei Kernaussagen der Discounted Cash-Flow-Verfahren (DCFVerfahren), der Portfolio-Theorie und des CAPM zugrunde legen.

387

Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 18 Rn. 1; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Auflage 2012, Rn. 1298, 1301; vgl. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 38. Auflage 2018, § 131 Rn. 49. 388 Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Auflage 2012, Rn. 1301. 389 Keim/Jeromin, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015, Rn. 2.49 ff.; Böcking/Rauschenberg, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 2 Rn. 36 ff. 390 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 190 ff.; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 125 ff. 391 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 316. 392 Böcking/Rauschenberg, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 2 Rn. 36; vgl. Jonas, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 3 Rn. 14 ff. zur besonderen Bedeutung von Ertragswertverfahren und den Discounted Cash-Flow-Methoden seit den Achtziger-Jahren; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 126.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Da häufig eine Investitionsentscheidung den Anlass für die Unternehmensbewertung bietet, gilt es, die Unternehmensbewertung als Investitionsrechnung aufzubauen.393 Hiernach kommt es für die Wertermittlung maßgeblich auf die zu erwartenden Einnahmenüberschüsse des Unternehmens und die Kosten einer äquivalenten Alternativanlage mit entsprechendem Einnahmenüberschuss an.394 Unter den Gesamtbewertungsverfahren kommt dem in Deutschland verbreiteten Ertragswertverfahren wie auch den DCF-Verfahren ein hoher Stellenwert in der Bewertungspraxis zu, wobei auf internationaler Ebene die Discounted Cash-Flow-Verfahren dominieren, die auch hierzulande von zunehmender Bedeutung sind.395 Diese überschussorientierten Bewertungsverfahren bestimmen den Fundamentalwert eines Finanzinstruments anhand einer Prognose und Diskontierung von Zahlungsüberschüssen.396 Bei gleichen Bewertungsannahmen kommen diese Bewertungsmodelle zu gleichen Ergebnissen.397 Die DCF-Verfahren ermitteln den Unternehmenswert mittels Diskontierung der künftig erwarteten Zahlungen (cash flows) auf den Bewertungsstichtag.398 Bei einem kapitalwertbasierten Verfahren lässt sich der Kapitalisierungszinssatz anhand der Rendite einer Alternativinvestition bestimmen, wofür sich grundsätzlich die Anlage zum risikofreien Zinssatz anbietet.399 Da allerdings das Risiko existiert, dass die künftigen cash flows nicht wie prognostiziert eingehen, ist entweder ein Abschlag vom Erwartungswert der finanziellen Überschüsse im Rahmen der Sicherheitsäquivalentmethode vorzunehmen, oder das Risiko ist durch eine Risikoprämie zum risikolosen Zinssatz zu berücksichtigen (Risikozuschlagsmethode).400 In der Praxis 393

Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 13. Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 13. 395 Keim/Jeromin, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015, Rn. 2.60; Nölle, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 21 f.; Jonas, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 3 Rn. 16 ff.; Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 190. 396 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 192; vgl. Keim/Jeromin, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015, Rn. 2.381. 397 Nölle, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 22; Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 17; Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 192. 398 Pankoke/Petersmeier, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 109; Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 18; Jonas/Wieland-Blöse, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 9 Rn. 6. Zur weiteren Differenzierung zwischen entity-Ansatz und equityAnsatz siehe Keim/Jeromin, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015, Rn. 2.102 ff. 399 Pankoke/Petersmeier, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 109; Keim/Jeromin, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015, Rn. 2.381. 400 Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 55; Pankoke/ Petersmeier, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 109; Keim/Jeromin, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015, Rn. 2.388. 394

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dominiert die letztgenannte Methode.401 Hierbei werden zunächst die Erwartungswerte der Überschüsse bestimmt, die anschließend zu diskontieren sind.402 Mithin setzt sich der Kapitalisierungszinssatz allgemein aus dem Basiszinssatz und einem Risikozuschlag zusammen.403 Für die Berechnung der Risikozuschläge wird in der Praxis häufig auf das CAPM zurückgegriffen.404 c) Systematische und unsystematische Risiken Wie gesehen ist die Volatilität eine mathematische Größe (Standardabweichung) zur Bewertung des Risikos,405 dass ein Investment verschiedene mögliche Renditen abwerfen kann.406 Da Anleger risikoavers sind,407 ließe sich intuitiv annehmen, Investments mit einer höheren Volatilität müssten zu einer höheren Risikoprämie und zu einer höheren erwarteten Rendite führen.408 Dieser Schluss ließe allerdings die notwendige Differenzierung zwischen diversifizierbaren und nicht diversifizierbaren Risiken unberücksichtigt. Schwankungen von Aktienrenditen, die sich auf firmenspezifische Informationen zurückführen lassen, begründen unabhängige, individuelle Unternehmensrisiken.409 Hinsichtlich dieser Risiken besteht kein Zusammenhang zwischen verschiedenen

401 Franken/Schulte, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 6 Rn. 8; Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 55. 402 Franken/Schulte, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 6 Rn. 8. 403 Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Auflage 2012, Rn. 507; Heidemann/ Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 56; Franken/Schulte, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 6 Rn. 8; Keim/Jeromin, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015, Rn. 2.390. 404 Nölle, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 23; Franken/Schulte, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 6 Rn. 9. Da im Zuge der Bedeutungszunahme der DCF-Verfahren einige Kernelemente dieser Verfahren in die Ertragswertmethode übernommen wurden, kann das CAPM für die Bestimmung des Risikozuschlags auch hier relevant werden, vgl. Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 218 Fn. 1079; Jonas/Wieland-Blöse, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 9 Rn. 52. 405 Hockmann/Thießen, Investmentbanking, 3. Auflage 2012, S. 140 f. 406 Vgl. Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 321 ff. 407 Siehe etwa die 2014 durchgeführte Studie zu individuellem Anlegerverhalten von Natixis Global Asset Management, einem der weltweit größten Vermögensverwalter, die unter Investoren weltweit, in gesteigertem Maße aber unter europäischen Anlegern eine stark ausgeprägte Risikoaversion ausmacht (vgl. S. 5, 10). Die Studie ist abrufbar unter https://www.fund research.de/sites/default/files/partnercenter/Natixis/News/2014/NGAM_2014_Individual_Inves tor_Survey_Full_Report.pdf (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 408 Vgl. Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 334. 409 Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 339; vgl. Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013; § 3 Rn. 68.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Aktien.410 Sie werden daher auch als firmenspezifische, unsystematische oder diversifizierbare Risiken bezeichnet.411 Firmenspezifische Risiken stellen etwa der Fortschritt eines Unternehmens in Forschung und Entwicklung oder personelle Veränderungen dar.412 Das marktbezogene Risiko tangiert dahingegen alle Aktien und ist systematischer Natur.413 Es rührt von makroökomischen Faktoren her, wie etwa der Konjunktur, der Inflation, Zinssätzen und Wechselkursen.414 d) Portfoliotheorie und CAPM Nach der auf Harry M. Markowitz zurückgehenden Portfoliotheorie415 lässt sich das mit einem Investment verbundene firmenspezifische, unsystematische Risiko durch ein effizientes Portfolio diversifizieren.416 Da sich die Börsenpreise verschiedener Aktien unterschiedlich bewegen, lässt sich das Risiko bis zu einem gewissen Maß eliminieren, welches davon abhängt, inwiefern die Aktien denselben Risiken unterliegen und inwiefern ihre Preisbewegungen identisch sind.417 Da marktweite Risikoquellen alle Unternehmen betreffen, können systematische Risiken dahingegen nicht wegdiversifiziert werden.418 Der Preisbildungsprozess am Kapitalmarkt lässt sich dann als fundamental zutreffend beschreiben, wenn die Börsenkurse eine akkurate Bewertung zukünftiger cash flows der Aktie widerspiegeln.419 Das in der Praxis wohl wichtigste „Erklärungsmodell für die Preisbildung am Kapitalmarkt“420, anhand dessen Kapitalkosten und die Risikoprämie berechnet werden, ist das bereits erwähnte CAPM.421 Das 410 Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 339; Pankoke/Petersmeier, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 112. 411 Stout, 87 Mich. L. Rev. 613, 670 (1988); Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 339; Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 206. 412 Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 206. 413 Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 339, Stout, 87 Mich. L. Rev. 613, 670 (1988); Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 206. 414 Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 206. 415 Markowitz, 7 J. Fin. 77 ff. (1952). 416 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 298; Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 339; Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 206. 417 Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 360 f. 418 Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 206; Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 298. 419 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 17. 420 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 354; vgl. Pankoke/Petersmeier, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 111. 421 Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 57; Berk/ DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 351; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 136. Grundlegend zum CAPM Sharpe, 19 J. Fin. 425 ff. (1964); Lintner, 20 J. Fin. 587 ff. (1965); Mossin, 34 Econometrica 768 ff. (1966).

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

CAPM baut auf den Annahmen der Portfolio-Theorie auf422 und versucht den Preis einzelner Wertpapiere im Marktportfeuille zu bestimmen, da der Wert eines jeden einzelnen Wertpapiers als Bestandteil des Marktportfeuilles in Relation zu diesem berechnet werden kann.423 Hiernach setzt sich der Eigenkapitalkostensatz aus einer risikofreien Rendite und einem Risikozuschlag zusammen, der aus der Marktrisikoprämie und dem Betafaktor hergeleitet wird.424 Der Betafaktor ist Ausdruck des systematischen Risikos.425 In diesem Modell ist lediglich das systematische Risiko ein bewertungsrelevanter Faktor, weil das unternehmensspezifische Risiko in einer Modellwelt, in der alle Anleger perfekt diversifizierte Portfolios halten, unberücksichtigt bleiben kann.426 Da das individuelle Unternehmensrisiko aus Anlegersicht durch Diversifizierung beseitigt werden kann, ist die Übernahme des unsystematischen Risikos den Investoren nach dem CAPM auch nicht zu entgelten.427 Dahingegen ist für das systematische Risiko, das sich nicht durch Diversifizierung eliminieren lässt, eine Risikoprämie zu entrichten.428 Diese richtet sich mithin nicht nach dem Gesamtrisiko, sondern nach der Höhe des systematischen Risikos.429 Damit ist auch nur dasjenige systematische Risiko preisbeeinflussend, das die Aktie zum Risiko des Marktportfolios hinzufügt.430 Da die Volatilität einer Aktie aber einer Messung des Gesamtrisikos entspricht, also das systematische und unsystematische Risiko beinhaltet, lassen sich hieraus keine eindeutigen Schlüsse hinsichtlich der zu erwartenden Risikoprämie und der Rendite ableiten.431

422 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 6. Auflage 2009, S. 354 f.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 81. 423 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 293; vgl. Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 292. 424 Wieland-Blöse, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 11 Rn. 18; Pankoke/Petersmeier, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 113. 425 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 297; Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 69; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 81. 426 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 73. 427 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 298; Heidemann/Weiß, in: Picot, Unternehmenskauf, 4. Auflage 2013; § 3 Rn. 68; Franken/ Schulte, in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 6 Rn. 9. 428 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 298; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, 2006, S. 81. 429 Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 353. 430 Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 136; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 193. 431 Vgl. Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 341 ff., 353.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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e) Unsystematische Risiken in der Rechtssache Lafonta Die in der Rechtssache Lafonta in Frage stehende Information betraf den Anteilsaufbau der Bietergesellschaft durch den Abschluss von swap-Verträgen und den hierdurch indizierten Plan zur Übernahme des target. Da diese Information, die erfahrungsgemäß dazu geeignet war, die Volatilität der Bieter-Aktien zu erhöhen, mithin keine makroökonomischen Gesichtspunkte, sondern lediglich unternehmerische Entscheidungen der Bietergesellschaft betraf, begründete sie ein firmenspezifisches Risiko, welches unter Zugrundelegung des CAPM keinen bewertungsrelevanten Faktor darstellt.432 Unterstellt man nun zusätzlich die Prämisse der Auslegungsfrage – es lässt sich nicht vorhersagen, ob der Kurs des betreffenden Finanzinstruments bei öffentlichem Bekanntwerden der Information steigen oder fallen wird, anders gewendet: Auch die infolge des Ereignisses zu erwartenden ausschüttungsfähigen Zahlungsströme begründen keinen positiven oder negativen Erwartungswert – existiert bei Heranziehung dieser theoretischen Annahmen kein Anreiz für professionelle Marktteilnehmer, eine derartige Information nach ihrem öffentlichen Bekanntwerden schnellstmöglich durch Arbitrage in den Börsenkurs zu inkorporieren und hierdurch die informationelle und fundamentale Effizienz des Kapitalmarkts zu steigern. f) Bedeutung der Volatilitätsinformation für die volatile Aktie Konkretisiert man das Regulierungsziel der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts durch die Förderung fundamentaler und informationeller Effizienz, um die operationale Effizienz zu steigern und mittelbare Allokationswirkungen zu erzielen, existiert der Theorie nach mangels Relevanz von Informationen für die Preisbildung einer Aktie, die keine Vorhersage hinsichtlich des Steigens oder Fallens des Börsenkurses ermöglichen, kein Bedürfnis für deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Dieselben Erwägungen gelten bezüglich des Insiderhandelsverbots. Ein Insider mit Kenntnis einer solchen firmenspezifischen, volatilitätssteigernden Information kann hiervon nicht durch den Kauf oder Verkauf einer Aktie zu Lasten Dritter profitieren, da das unsystematische Risiko nach dem CAPM keinen bewertungsrelevanten Faktor darstellt und die Information deshalb keine Rückschlüsse hinsichtlich der Über- oder Unterbewertung der Aktie ermöglichen sollte. Dementsprechend ist auch nicht zu erwarten, dass sich Liquiditätsanbieter gegen das Risiko der Unkenntnis einer solchen Information durch Erhöhung der Geld/Brief-Spanne absichern, hierdurch Kosten auf die Anleger verlagern und diese durch die Reduktion von Investitionen zur Erhöhung von Kapitalkosten beitragen. Eine andere Beurteilung ist nach den vorstehenden Erwägungen im Hinblick auf marktbezogene, systematische Risiken angezeigt. Der Betafaktor spielt als Ausdruck 432

So auch Klöhn, NZG 2015, 809, 813; Klöhn, ZIP 2014, 945, 953.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

des systematischen Risikos eine bedeutende Rolle für die Berechnung der Risikoprämie und die Beurteilung des Aktienkurses. Im Umkehrschluss sind jedoch derartige makroökonomische Risiken, die die Volatilität einer Aktie erhöhen, nicht Gegenstand der Lafonta-Entscheidung, da systematische Risiken unabhängig von den zu erwartenden ausschüttungsfähigen Zahlungsströmen einen Einfluss auf die Risikoprämie und daher auf den Diskontierungszinssatz haben. Bei diesen Informationen müsste folgerichtig eine Preisauswirkung zu erwarten sein, sodass sich bei öffentlichem Bekanntwerden einer derartigen Information die Richtung der Kursauswirkung infolge des Einflusses auf die Risikoprämie prognostizieren lassen müsste. Eine andere Frage ist, ob es sich bei derartigen Marktdaten und allgemeinen Marktinformationen um emittentenbezogene Informationen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MMVO handelt, die den Emittenten zudem unmittelbar betreffen (vgl. Art. 17 MMVO) und daher eine Publizitätspflicht begründen. Da dies zu verneinen sein dürfte, lösen derartige Informationen grundsätzlich433 keine Veröffentlichungspflicht des Emittenten aus.434 g) Bedeutung der Volatilitätsinformation für das von der volatilen Aktie abhängige Derivat Zetzsche geht über den soeben gezogenen Schluss noch hinaus: Zwar scheint er von einem extensiven Verständnis der Entscheidung im Sinne einer generellen Einordnung von Volatilitätsinformationen als Insiderinformationen auszugehen und nimmt deshalb eine Expansionstendenz des Urteils an.435 Doch selbst diejenigen Derivat-Transaktionen, kraft derer sich die Volatilität des underlying gewinnbringend nutzen lässt, sieht Zetzsche jenseits des Schutzbereichs des europäischen Marktmissbrauchsrechts, da es zweifelhaft sei, ob eine derartige durch MomentumSpekulationen statt durch Fundamentaldaten inspirierte Liquidität die Informationseffizienz stärke.436 Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass die Kenntnis einer Information, die die Volatilität einer Aktie beeinflusst, hinsichtlich eines von der volatilen Aktie abhängigen Finanzinstruments einen Kauf- oder Verkaufsanreiz ausüben kann. Paradigmatisch hierfür stehen die bereits erwähnten Optionsstrategien. Während der Käufer eines long straddle von der erhöhten Volatilität des Basiswerts profitieren kann,437 kann der Verkäufer eines short straddle bei geringer Volatilität Gewinne 433

Vgl. Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 15 Rn. 64. Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 135; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 161; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 17 Rn. 70, 81 ff. 435 Zetzsche, AG 2015, 381, 384 ff. 436 Zetzsche, AG 2015, 381, 385. 437 Klöhn, NZG 2015, 809, 811, Klöhn, ZIP 2014, 945, 953; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 179; C. Schröder, GPR 2015, 246, 248. 434

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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durch die Prämie generieren, die er beim Verkauf von Kauf- und Verkaufsoption erlangt.438 Darüber hinaus eignen sich Wertpapiere mit hohen Volatilitäten für ArbitrageStrategien. Ein Bewertungskriterium für Optionen stellt nach der Black/ScholesFormel439 neben dem aktuellen Kurs des underlying, dem Basispreis, der Restlaufzeit, dem Zinsniveau und der Dividende auch die Volatilität des Basiswerts dar.440 Die Volatilität des Aktienkurses ist deshalb eine maßgebliche Einflussgröße für die Höhe des Optionspreises, da die hohe Volatilität einer Aktie die Wahrscheinlichkeit steigert, dass der Kurs innerhalb der Optionsfrist über dem Ausübungspreis liegen wird.441 Dieses erhöhte Ausübungsrisiko lässt sich der Optionsverkäufer mit einer größeren Prämie vergüten.442 Arbitrageure können deshalb durch die Ausnutzungen von Fehlbewertungen bei Finanzinstrumenten wie Optionsanleihen und -scheinen, Optionen und Bezugsrechten, denen die volatile Aktie als Basiswert zugrunde liegt, risikofreie Gewinne generieren.443 Im Ergebnis erscheint es daher aus Gesichtspunkten der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts vorzugswürdig, Informationen, die firmenspezifische Risiken begründen und die Volatilität einer Aktie erhöhen, als kurserheblich für derivative Finanzinstrumente einzuordnen, deren Preise von der Volatilität dieses Basiswerts abhängig sind. Zwar erscheint es zweifelhaft, dass der Emittent der Derivate, denen die volatile Aktie als Basiswert zugrunde liegt, regelmäßig zugleich Wissen von der volatilitätssteigernden Information hat oder diese für ihn ermittelbar ist. Geht man richtigerweise davon aus, dass Emittenten lediglich eine Publizitätspflicht für eigens emittierte Finanzinstrumente trifft,444 führt dieses Auseinanderfallen lediglich zur Publizierung einer Schnittmenge der Insiderinformationen. Dies wiederum trägt dazu bei, dass Arbitrageure seltener Kenntnis von der Fehlbewertung der auf den volatilen Wertpapieren beruhenden derivativen Finanzinstrumente erlangen und deren Preise daher nicht ihren Fundamentalwerten anpassen können. Die positive Kehrseite dessen ist jedoch, dass von der Publizierung in Anbetracht behavioristi-

438 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 316. Die Untersuchung wird sich gleichwohl auf die im Fall Lafonta relevante Thematik der erhöhten Volatilität eines Finanzinstruments konzentrieren. 439 Vgl. hierzu Black/Scholes, 81 J. Polit. Econ. 637 ff. (1973). 440 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 378; Thüsing, in: Fleischer, Vorstandsrecht, 2006, § 6 Rn. 76; Klöhn, NZG 2015, 809, 813; vgl. auch Hockmann/Thießen, Investmentbanking, 3. Auflage 2012, S. 139 f. 441 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 379. 442 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 379. 443 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 316. 444 Klöhn, NZG 2015, 809, 816.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

scher Erkenntnisse auch kontraproduktive Folgen zu erwarten sind,445 die durch die Vorteile angepasster Options- und sonstiger Derivatpreise möglicherweise nicht aufgewogen werden. Im Hinblick auf diese negativen Auswirkungen besteht der wesentliche Vorteil des restriktiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung mithin in einer faktischen Trennung des häufig beklagten Gleichlaufs von Insiderhandelsverbot und Ad-hocPublizität. Denn das Verbot nach Art. 14 MMVO greift in diesem Fall grundsätzlich immer ein, wenn der Insider mit Derivaten handelt oder versucht mit Derivaten zu handeln, deren Preis von der Volatilität der volatilen Aktie abhängt sowie einen vor Erlangung der Information erteilten Auftrag zum Kauf oder Verkauf eines von der volatilen Aktie abhängigen Derivats storniert oder ändert oder dies versucht (Art. 14 lit. a) MMVO), Dritte zum Handel mit derartigen Finanzinstrumenten anstiftet oder diesen ein entsprechendes Insidergeschäft empfiehlt (Art. 14 lit. b) MMVO) oder die Volatilitätsinformation unrechtmäßig offenlegt (Art. 14 lit. c) MMVO).446 Dies ist auch richtig so, da der Insider ansonsten mit der genannten Optionsstrategie oder einer anderen Konstruktion, mit der sich auf die Volatilität eines underlying spekulieren lässt, seinen Wissensvorsprung zum Nachteil eines anderen Marktteilnehmers in einen Vermögensvorteil umwandeln könnte. 3. Informationsüberflutung Die Problematik eines extensiven Anwendungsbereichs von Publizitätspflichten erschließt sich in Anbetracht der Gefahr eines information overload. Mit der herrschenden Theorie des Handelsanreizes, die im Rahmen der Kurserheblichkeit als begrenzendes Kriterium fungiert, lässt sich das extensive Verständnis des LafontaUrteils schwerlich vereinbaren. Folge dieses Verständnisses ist eine Öffnung des Tatbestands für Informationen, die – lässt man derivative Finanzinstrumente unberücksichtigt – prima facie keinen Kauf- oder Verkaufsanreiz ausüben. Hieraus resultiert eine extensive Auslegung des Begriffs der „Insiderinformation“, die sich gleichermaßen erweiternd auf den Anwendungsbereich des Verbots von Insidergeschäften (Art. 14 MMVO) und der Ad-hoc-Publizitätspflicht (Art. 17 MMVO) auswirkt. Da die absolute Informationsgleichstellung unter den Marktteilnehmern bei Unterstellung von Rationalität zu identischen Werteinschätzungen und daher zum Ausbleiben der mit Kosten verbundenen Transaktion führen würde,447 ist ein gewisses Maß an Informationsasymmetrie oder divergierender Wertbeurteilung für das Zustandekommen des Güteraustausches notwendig. Professionelle Marktteilnehmer sind auf einen bestimmten Grad an Intransparenz angewiesen, um durch Arbitrage 445 446 447

Hierzu sogleich, Kapitel 3, C.I.3. Vgl. zur alten Rechtslage Klöhn, ZIP 2014, 945, 953. Zetzsche, AG 2015, 381, 385.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Gewinne erzielen zu können.448 Möchte man der Informationsüberflutung des Kapitalmarkts effektiv entgegenwirken, anstatt schlichtweg unter Verweis auf die Selbstverantwortung und Mündigkeit der Anleger dem Grundsatz „Im Zweifel für die Publizitätspflicht“ zu folgen,449 ist es die Aufgabe der Regulierung, durch Ausgestaltung des Rechts Selektionsmechanismen zu schaffen, die die Funktionsfähigkeit des Marktes mehr fördern, als schwächen. a) Publizitätskosten als Wettbewerbsfaktor des Kapitalmarkts Mag die Existenz des Marktmissbrauchsrechts einen Wettbewerbsfaktor für die Attraktivität des Finanzplatzes darstellen, gilt dies gleichermaßen für die mit einer Börsennotierung verbundenen Kosten für Melde- und Veröffentlichungspflichten. Besonders für die traditionell bankenfinanzierte deutsche Wirtschaft ist der durch kapitalmarktrechtliche Informationspflichten begründete Aufwand im Zeitalter der Niedrigzinsen ein Faktor, der von den Emittenten mit Blick auf die Vorteile einer Börsennotierung in einem Kosten/Nutzen-Verhältnis beurteilt wird. Als (finanziell) belastend empfundene Publizitätspflichten leisten ihren Beitrag zur Entscheidung für ein delisting oder bereits im Vorfeld gegen eine Börsennotierung.450 Dies gilt umso mehr, als dass die Nichteinhaltung dieser Pflichten mit empfindlichen zivilrechtlichen (vgl. § 97 WpHG) und verwaltungsrechtlichen (vgl. §§ 6 Abs. 6 – 9, 120 Abs. 15 Nr. 6 – 11, 125 WpHG) Sanktionen geahndet werden kann. Betroffen sind hiervon seit der Geltung der MMVO auch Freiverkehrsemittenten, sodass sich auch hier zunehmend Emittenten dem Anwendungsbereich des Marktmissbrauchsrechts durch ein delisting entziehen.451 Zu extensive Veröffentlichungspflichten schwächen mithin die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, da sie Unternehmen zu einem exit bewegen können. b) Informationsüberflutung und Behavioral Finance Zweifelsohne trägt auch die in den letzten Jahren durch die Rechtsprechung erfolgte Ausweitung der Ad-hoc-Publizitätspflicht durch das IKB-Urteil des BGH, die Geltl-Entscheidung des EuGH und ein extensives Verständnis des Lafonta-Urteils nicht zur Reduzierung der Kosten für Veröffentlichungspflichten bei. Die hierdurch erhoffte Gleichung einer spiegelbildlich eintretenden Steigerung informierter Anlegerentscheidungen ist allerdings eine Funktion mit oberer Schranke. Denn der Information lässt sich ein abnehmender Grenznutzen beimessen – gerade hier gilt der

448

Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 210. So GA Mengozzi, Schlussanträge v. 21. 03. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), Celex-Nr. 62011CC0019, Rn. 93 f. (abrufbar bei juris). 450 Merkt, ZfbF Sonderheft 55 (2006), 24, 31 ff.; Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 3. 451 Linnerz/Freyling, BB 2017, 1354, 1357. 449

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

allgemeine Grundsatz, dass Quantität nicht mit Qualität gleichgesetzt werden kann.452 Geht man davon aus, dass Anleger in der Realität regelmäßig zur Überbewertung veröffentlichter Tatsachen tendieren,453 beschränkt sich die Folge der Veröffentlichung nicht lediglich auf ein Ausbleiben der Steigerung der Fundamentalwerteffizienz, sie wirkt dieser vielmehr entgegen. Die Fülle von veröffentlichten Informationen erhöht zugleich die Menge an zu verarbeitenden Informationen. Dies wiederum steigert die Opportunitätskosten.454 Diese Problematik lässt sich auch nicht mit Hilfe der Überlegung entschärfen, rational uninformierte Anleger könnten sich auf mittelbare Informationen verlassen, indem sie nur die durch professionelle Marktteilnehmer gefilterten wesentlichen Daten wahrnehmen oder sich schlichtweg auf den Börsenkurs als Informationsmedium verlassen.455 Von der Informationsüberflutung und limitierten kognitiven Fähigkeiten sind – wenn auch in geringerem Maße – professionelle Marktteilnehmer ebenfalls betroffen.456 Die behavioristische Forschung hat aufgezeigt, dass der als Preisanpassungsmechanismus dienenden Arbitrage Grenzen gesetzt sind. Müssen Arbitrageure aus einer zunehmenden Masse von Informationen zwischen (fundamentalwert-)relevanten Informationen und für die Bewertung eines Finanzinstruments unwesentlichen Informationen differenzieren, kann dies dazu führen, dass im Rahmen dieses kostspieligen Analyseprozesses relevante Informationen übersehen und deshalb nicht in den Börsenkurs inkorporiert werden.457 c) Operationale Effizienz Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass die Informationsüberflutung nicht nur die fundamentale Effizienz des Marktes und damit mittelbar die Allokationseffizienz schwächen kann. Auch die operationale Effizienz droht durch die Erhöhung von Transaktionskosten Schaden zu nehmen. Die Suche nach neuen Informationen, deren Verifizierung, Analyse und Bewertung ist kostenintensiv, sodass die Regulierung darauf abzielen sollte, durch Publizitätspflichten diese Kosten zu reduzieren.458 Dieser Zweck wird allerdings durch eine Informationsüberflutung konterkariert. Professionelle Marktteilnehmer müssen zusätzliche Ressourcen für die Analyse und Bewertung von Informationen verwenden, um relevante von irrele452

Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 115. So Gunßer, ZBB 2011, 76, 80. 454 Paredes, 81 Wash. U. L. Q. 417, 454 (2003). 455 Vgl. Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 15; Paredes, 81 Wash. U. L. Q. 417, 453 (2003). 456 Paredes, 81 Wash. U. L. Q. 417, 453 ff. (2003); Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 15. 457 Vgl. Paredes, 81 Wash. U. L. Q. 417, 482 (2003); Assmann, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 15 Rn. 53. 458 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 737 (2006); vgl. Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 597 (1984). 453

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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vanten Informationen unterscheiden zu können. Eine Überproduktion und übermäßige Übermittlung von Informationen führt daher zu Transaktionshemmnissen und schwächt dadurch die operationale Effizienz des Kapitalmarkts.459 Dementsprechend ließe sich folgern, dass ein extensives Verständnis der Lafonta Entscheidung und eine entsprechende Auslegung zur Erhöhung von Informationskosten beiträgt, weil die veröffentlichten Informationen mitunter inhaltlichen Informationsstandards nicht genügen und kostenintensiv auf ihre tatsächliche Bewertungsrelevanz überprüft werden müssen. 4. Restriktives Verständnis der Lafonta-Entscheidung zur Schonung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts Demnach kann unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen die Schlussfolgerung hinsichtlich der Einbeziehung von Volatilitätsinformationen in den Anwendungsbereich von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität konkretisiert werden. Die Veröffentlichung einer Information, aus der sich aufgrund eines firmenspezifischen Risikos die erhöhte Volatilität einer Aktie folgern lässt, die aber keine Vorhersage hinsichtlich der Richtung ihrer Kursauswirkung bei öffentlichem Bekanntwerden erlaubt (firmenspezifische Volatilitätsinformation)460, erweist sich als kontraproduktiv für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Die Förderung informationeller, fundamentaler und damit mittelbar allokativer Effizienz und die Schonung der operationalen Effizienz legen keine generelle Einordnung von firmenspezifischen Volatilitätsinformationen als Insiderinformationen nahe. Weder erfordert der instrumentalisierte Schutz von für die Börsenpreisbildung essentiellen professionellen Marktteilnehmern ein extensives Verständnis der Lafonta-Entscheidung, noch ist davon auszugehen, dass hierdurch Transaktionskosten gesenkt werden könnten und dies zu einer Stärkung der operationalen Effizienz führen würde. Erkenntnisse der Behavioral Finance bestätigen diese Einordnung. Aus Gesichtspunkten der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ist dementsprechend ein restriktives Verständnis der Lafonta-Entscheidung vorzugswürdig, wonach firmenspezifischen Volatilitätsinformationen lediglich Kurserheblichkeit für derivative Finanzinstrumente zukommt, die von der volatilen Aktie abhängig sind. Dieses Verständnis hat zur Folge, dass faktisch seltener eine Ad-hoc-Publizitätspflicht entsteht. Dem für die Ad-hoc-Publizitätspflicht maßgeblichen Emittenten der Derivate wird häufig keine Kenntnis der firmenspezifischen Volatilitätsinformation zuzurechnen oder eine Verletzung seiner Wissensorganisationspflichten zur Last zu 459

Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 307. Unter den Begriff „firmenspezifische Volatilitätsinformationen“ werden im weiteren Gang der Untersuchung unter Ausblendung der Tatsache, dass derartige Informationen existieren, die aufgrund einer Änderung der zu erwartenden ausschüttungsfähigen Zahlungsströme einen eindeutig positiven oder negativen Erwartungswert begründen, ausschließlich Informationen gefasst, von denen sich nicht vorhersagen lässt, ob sich der Kurs bei öffentlichem Bekanntwerden der Information nach oben oder nach unten bewegen würde. 460

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

legen sein, da dessen Organe und sonstigen Mitarbeiter mit dem Insiderwissen regelmäßig nicht in Berührung kommen. Zeitgleich wird aber eine Ausnutzung dieses Wissens durch ein Eingreifen des Verbots von Insidergeschäften verhindert, welches nicht an die Emittenteneigenschaft anknüpft, sondern vielmehr grundsätzlich jeden Inhaber der Insiderinformation trifft (vgl. Art. 8 Abs. 4 MMVO).

II. Gesichtspunkte des Anlegerschutzes Erfordert die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts mithin nicht die generelle Subsumtion von Informationen unter den Tatbestand des Art. 7 MMVO, bei denen sich nicht vorhersagen lässt, ob der Kurs des betreffenden Finanzinstruments bei öffentlichem Bekanntwerden der Information steigen oder fallen würde, kann eine gleichwohl erfolgte Einbeziehung nur durch Gesichtspunkte des Anlegerschutzes gerechtfertigt werden. Voraussetzung für die Existenz eines solchen kapitalmarktrechtlichen Zielkonflikts ist zunächst, dass das Insiderhandelsrecht den Anlegerschutz als funktionelles Ziel anerkennt. In Anbetracht des grundsätzlichen Gleichlaufs des Verbots von Insidergeschäften mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht infolge der gemeinsamen Anknüpfung an Art. 7 MMVO kann eine Auseinandersetzung mit dieser Frage nur unter gleichzeitiger Berücksichtigung des teleologischen Hintergrunds dieser Veröffentlichungspflicht erfolgen.461 Erweist sich der Anlegerschutz als ein Zweck der Regulierung, muss sich die Untersuchung der Frage zuwenden, ob Anlegerschutzgesichtspunkte eine generelle Einbeziehung firmenspezifischer Volatilitätsinformationen in den Tatbestand des Art. 7 MMVO nahelegen. Lässt sich hiernach tatsächlich ein Zielkonflikt feststellen, gilt es, diesen aufzulösen. 1. Anlegerschutz als (mittelbares) Ziel von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität Bezweckt die MMVO mitunter die Stärkung des Anlegervertrauens in ihre Chancengleichheit,462 resultiert hieraus jedenfalls ein Schutz von Anlegerinteressen. Keine restlose Klarheit besteht indes hinsichtlich der Frage, ob diese anlegerschützende Funktion ein unmittelbares Regelungsziel des Insiderrechts darstellt oder nur mittelbares Resultat des Funktionsschutzes ist.

461 Vgl. Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 7. 462 Vgl. Erwägungsgrund 24 S. 3 der MMVO.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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a) Kein Schluss von der grundsätzlichen Funktionsbestimmung auf die Schutzgesetzeigenschaft Obgleich in der Literatur oftmals undifferenziert behandelt, ist von der Frage der grundsätzlichen Funktionsbestimmung des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität die Einordnung der jeweiligen Normen als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zu unterscheiden.463 Nicht selten wird vom fehlenden Schutzgesetzcharakter einer Norm auf die Bestimmung ihres Funktionsbereichs geschlossen.464 So wird auch in der dogmatischen Diskussion zur Publizität, in deren Kontext aus insiderrechtlicher Perspektive die Ad-hoc-Publizitätspflicht des Art. 17 MMVO gehört, auf Grundlage eines zurückhaltenden Standpunktes gegenüber individualschützenden Tendenzen der Schluss auf überindividuelle Schutzziele der Publizität per se gezogen.465 Die Fragen der grundsätzlichen Funktionsbestimmung des Insiderrechts und des Schutzgesetzcharakters sollten unabhängig voneinander beantwortet werden, insbesondere da die Einordnung einer Norm als Schutzgesetz, die nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, anhand der einzelnen Regelung vorzunehmen ist.466 b) Funktionsbestimmung von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität Während die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG die Gewährleistung des Anlegerschutzes in Erwägungsgrund 4 implizit als Regelungszweck voraussetzt, erkennt die MMVO den Anlegerschutz in Erwägungsgrund 31 S. 3 als Teilziel des Marktmissbrauchsrechts an. Auch in den Erwägungsgründen 8 und 55 der MMVO findet diese Funktion Erwähnung. Art. 1 MMVO erklärt den Anlegerschutz zum Regelungsgegenstand der MMVO. Inwiefern gerade das Insiderrecht und die Adhoc-Publizitätspflicht unmittelbar auf den Schutz der Anleger abzielen, ist allerdings nicht restlos geklärt. aa) Insiderrecht Der Schutz des in zahlreichen Erwägungsgründen betonten Vertrauens der Anleger,467 das bereits in der Insiderrichtlinie468 und in der Marktmissbrauchsrichtli463 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 158 ff.; Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 5; vgl. Dirigo, Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Publizität, 2011, S. 123; Sethe, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, §§ 37b, 37c Rn. 9; Leisch, in: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 16 Rn. 55. 464 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 288; vgl. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 01/2006, Vor § 12 WpHG Rn. 18. 465 Kritisch Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 289. 466 Assmann, AG 1994, 196, 204; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 160; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 5; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 01/2006, Vor § 12 WpHG Rn. 18. 467 Vgl. die Erwägungsgründe 2, 23, 24, 32, 35, 44, 47, 55 und 58 der MMVO.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

nie469 Erwähnung fand, wird häufig als Vertrauenskollektivschutz470 begriffen, der in den Dienst der Förderung funktionsfähiger Märkte gestellt ist. Letztere seien maßgeblich vom Vertrauen der Anleger in ihre Chancengleichheit abhängig, welches wiederum durch den kollektiven Schutz vor Informationsungleichgewichten sichergestellt werde.471 Der Schutz individueller Anlegerinteressen sei mithin gerade kein Ziel des Insiderrechts, sondern ein bloßer Rechtsreflex.472 Die strafbewehrte Unterbindung von Insidergeschäften aus Marktschutzgesichtspunkten schütze nur mittelbar das Individualinteresse der Anleger an einem integren und liquiden Markt.473 Der unmittelbare Anlegerschutz des Insiderrechts kann jedenfalls nicht pauschal mit der Bewahrung einzelner Anleger vor Vermögensschäden begründet werden. Denn der Anleger auf der Gegenseite des Insiders hätte das Geschäft gleichermaßen mit einem Dritten zu denselben Konditionen geschlossen und hierdurch denselben „Verlust“ erlitten.474 Zum Teil wird Insiderhandel auch als Nullsummenspiel bezeichnet, bei dem sich die Veränderungen der Vermögenspositionen des Anlegerpublikums wechselseitig aufheben.475 Selbst von den durch das Insiderhandelsverbot geschaffenen positiven Effekten für Handelskosten und Liquidität profitierten Anleger nur reflexartig.476 Auch Informationshändler als diejenigen Marktteilnehmer, die das Insiderhandelsrisiko nicht durch Diversifizierung minimieren oder auf andere Marktteilnehmer abwälzen könnten, würden nur funktionellen Schutz erfahren.477 Damit verfolge das Insiderrecht einen rein überindividuellen marktbezogenen Regelungsansatz.478 468

Vgl. die Erwägungsgründe 4 und 5 der Insiderrichtlinie. Vgl. die Erwägungsgründe 2, 12, 13, 24 und 43 der Marktmissbrauchsrichtlinie. 470 Hierzu Fleischer, Gutachten für den 64. Deutschen Juristentag (2002), S. F 25 f. 471 Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 137. 472 Caspari, ZGR 1994, 530, 532 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1995, Rn. 14.89 ff.; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 3. Auflage 2003, § 14 Rn. 7, 10; Eichner, Insiderrecht, 2009, S. 37; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 14 Rn. 9 ff.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 12; Pananis, in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Auflage 2015, § 38 WpHG Rn. 5; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 14 Rn. 9; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 134, 136. 473 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1995, Rn. 14.93. 474 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 162; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 79; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 115; Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Auflage 2014, § 13 Rn. 3; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 7; Klöhn, in Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 30; Pfister, ZGR 1981, 318, 341; Loesche, Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, 1998, S. 30. 475 Schweizer, Insiderverbote, 1996, S. 34. 476 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 14 Rn. 11. 477 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 14 Rn. 10. 478 Caspari, ZGR 1994, 530, 532; Pananis, in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Auflage 2015, § 38 WpHG Rn. 4; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 128; wohl auch Grunewald, ZBB 1990, 128, 129 ff. 469

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Ein solches Verständnis des Anlegervertrauens als Bindeglied zwischen dienendem Anlegerschutz und Funktionsschutz kann als funktionenbezogener Individualschutz479 begriffen werden. Im Hinblick auf den 23. Erwägungsgrund der MMVO lässt sich dieses Verständnis indes auch durchaus in sein Gegenteil kehren: Vereinzelt wird aus der Formulierung, durch Insiderhandel würden gerade einzelne Personen geschädigt („ungerechtfertigter Vorteil, der mittels Insiderinformationen zum Nachteil Dritter erzielt wird“) und die Integrität der Finanzmärkte und das Anlegervertrauen werde gerade „infolgedessen“ untergraben, gefolgert, hiermit sei eine Veränderung des Regelungsgrunds verbunden.480 Der Verordnungsgeber gehe nicht nur davon aus, dass einzelne Personen geschädigt würden, er stelle auch klar, dass gerade „infolgedessen“ negative Markteffekte zu erwarten seien.481 Folglich sei primär der einzelne Anleger zu schützen, was in der Gesamtheit zu einem reflexartigen Schutz des Marktes führe.482 Ein solches Verständnis erblickt den primären Regelungszweck des Insiderrechts im Anlegerindividualschutz, der von einem reflexartigen individualschutzbezogenen Funktionsschutz flankiert wird. Obgleich eine derartige individualschutzbezogene Akzentuierung des Insiderhandelsrechts wohl nur selten vertreten wird, finden sich zahlreiche Stimmen, die von einer doppelten Schutzrichtung des Insiderhandelsrechts ausgehen.483 So diene das Insiderrecht neben seiner durch Vertrauensschutz vermittelten marktschützenden Wirkung auch der Verhinderung einer Übervorteilung individueller Anleger.484 Geschädigt seien zumindest diejenigen Anleger, die wegen des Insiders zum Handel veranlasst485 oder von diesem abgehalten wurden.486 Hiernach könne der Individualschutzcharakter der Vorschriften der MMVO nicht von vornherein geleugnet 479

Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172. Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 14. 481 Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 14. 482 Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 14 ff., die den Zweck des Insiderhandelsverbots im Individualschutz der durch den Insiderhandel geschädigten Informationshändler erblicken; ähnlich Grechenig, ZBB 2010, 232, 239. 483 Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, 1973, S. 45 ff.; Hopt, ZGR 1991, 17, 26; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 158 ff.; Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 4; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 44; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand 01/2006, Vor § 12 WpHG Rn. 18; Assmann, AG 1994, 196, 204; Assmann, ZGR 1994, 494, 499; Tippach, WM 1993, 1269, 1272; Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.459; Dingeldey, Insider-Handel und Strafrecht, 1983, S. 70; Krauel, Insiderhandel, 2000, S. 219; Claussen, AG 1997, 306, 307; hinsichtlich der Schutzfunktion des WpHG Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Auflage 2014, § 1 Rn. 19; hinsichtlich der Schutzfunktion der Insiderrichtlinie von Klitzing, Die Adhoc-Publizität, 1999, S. 52. 484 Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 44. 485 Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 79 f.; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, 2000, S. 81. 486 Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 7; dies räumt auch Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 31 ein. 480

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

werden, es komme vielmehr auf die jeweilige Norm an.487 Funktionsschutz und Individualschutz wiesen einen untrennbaren Zusammenhang auf und seien wie zwei Seiten einer Medaille miteinander verbunden.488 Maßnahmen wirkten sich auf beiderlei Aspekte gleichermaßen aus.489 bb) Ad-hoc-Publizität In Anbetracht der gemeinsamen Anknüpfung an den Begriff der „Insiderinformation“ und den hierdurch bewirkten grundsätzlichen Gleichlauf von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität ist es zielführend, den Schutzzweck beider Institute in Gesamtschau zu betrachten,490 wobei es zu berücksichtigen gilt, dass Wirkung und Funktion lediglich teilidentisch sind.491 Außer Frage steht die funktionsschützende Wirkung der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Sie ist das wesentliche Instrument zur Gewährleistung von Informations- und Fundamentalwerteffizienz und zur Stärkung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts.492 Darüber hinaus wird aber davon ausgegangen, die Veröffentlichungspflicht gewährleiste die Chancengleichheit der Anleger auf Informationszugang und vermittle diesen hierdurch die Möglichkeit, fundierte Anlageentscheidungen auf demselben Informationsniveau treffen zu können.493 Insoweit wird also auch der Schutz individueller Anleger als Regelungsziel betrachtet,494 was sich auch anhand

487

Rn. 4.

Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107

488 Hopt, ZGR 1991, 17, 26; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159; vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 301 ff.; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.459; Assmann, ZGR 1994, 494, 499. 489 Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 4. 490 So auch Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 7. 491 Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 392. 492 Hierzu ausführlich oben, Kapitel 1, C.I.a). 493 Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 392; Pfüller, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 50; Grundmann, in: EBJS, HGB, 3. Auflage 2015, Rn. VI 118; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 15 Rn. 2, 7; vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 286; vgl. Klawitter/Schlitt, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 3. Auflage 2013, § 38 Rn. 102. 494 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 286 ff.; Möllers, in: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 3 Rn. 48; Möllers/Leisch, in: KKWpHG, 2. Auflage 2014, §§ 37b, c Rn. 9; Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 489; Grundmann, in: EBJS, HGB, 3. Auflage 2015, Rn. VI 118; Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, 2005, S. 49 f.; Decker, Ad-hoc-Publizität, 2008, S. 113 ff.; hinsichtlich der europäischen Ad-hoc-Publizität der Insiderrichtlinie ebenso von Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität, 1999, S. 223.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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der Existenz der §§ 97, 98 WpHG erschließe.495 Da sich Anleger beim Kauf von Finanzinstrumenten nicht über die Werthaltigkeit derartiger Vertrauensgüter informieren könnten, müssten diese Informationsdefizite durch die Ad-hoc-Publizität abgebaut werden, um die Anleger in die Lage zu versetzen, eigenverantwortliche und rationale Anlageentscheidungen unter Berücksichtigung aller Risiken treffen zu können.496 Auch der BGH ging im IKB-Urteil davon aus, dass der Schutzzweck des § 15 WpHG a.F. nicht (mehr) ausschließlich die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte umfasse, sondern dass von der Norm auch der Schutz des individuellen Anlegers vor auf unzutreffenden Marktinformationen beruhenden Anlageentscheidungen bezweckt werde.497 Nicht nur führte Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2003/124/EG ausdrücklich aus, dass eine rechtzeitige und für alle Anlegerkategorien gleichzeitige Veröffentlichung von Insiderinformationen zur Gewährleistung des Anlegerschutzes und eines gleichen Informationszugangs erforderlich sei, auch setzt die MMVO in Erwägungsgrund 55 einen Zusammenhang zwischen Offenlegungspflicht und Anlegerschutz voraus. Teilweise wird diese Funktion allerdings auf einen reflexartigen Schutz beschränkt,498 teilweise wird noch weitergehend im Hinblick auf den Großteil rational uninformierter Anleger auf die Grenzen der Optimierungsfähigkeit von Anlageentscheidungen hingewiesen und daraus eine exklusiv marktschützende Funktion gefolgert.499 cc) Folgerungen für die Untersuchung Für die vorliegenden Zwecke ist entscheidend, dass ein effizienter Kapitalmarkt untrennbar mit den Anlegerinteressen verbunden ist,500 sodass anlegerschützende Erwägungen für die fortlaufende Untersuchung miteinbezogen werden. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob sich anlegerschützende Aspekte auf den im Dienste 495 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 37b, 37c Rn. 4; Leisch, in: Möllers/ Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 16 Rn. 56; Dirigo, Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Publizität, 2011, S. 123; Sethe, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, §§ 37b, 37c Rn. 9; Schäfer in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Auflage 2018, § 15 Rn. 15.4. 496 Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, 2005, S. 49 f.; Möllers, ZGR 1997, 334, 338; Möllers, in: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 3 Rn. 31, 48 f. 497 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 56; zustimmend Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, §§ 37b, c Rn. 283. 498 Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 15 WpHG Rn. 6; Voß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 15 Rn. 14; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.234; Büche, Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, 2005, S. 75. 499 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 17 Rn. 35 ff.; Voß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 15 Rn. 14, 17. 500 Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, Vor § 12 WpHG Rn. 13.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

des Funktionsschutzes stehenden Vertrauenskollektivschutz beschränken und ob diese ein mittelbares oder ein unmittelbares Regulierungsziel darstellen. Diese Streitfrage soll daher zunächst unbeantwortet bleiben. Das Verhältnis zwischen Funktions- und Anlegerschutz kann bei der Auflösung eines etwaigen Zielkonflikts Berücksichtigung finden.501 2. Konkretisierung des Anlegerschutzziels Die Ad-hoc-Publizitätspflicht bedient sich durch die Anknüpfung an den Begriff der „Insiderinformation“ des Informationsmodells als Konzept des Anlegerschutzrechts, welches den Anlegerschutz durch Bereitstellung der für die Anlageentscheidung relevanten Informationen gewährleistet.502 Flankierend tritt das Insiderhandelsverbot hinzu, das gleichzeitig die Verwertung nicht öffentlich bekannter kurserheblicher Informationen untersagt. Da Art. 7 Abs. 4 MMVO an die Anlageentscheidung des verständigen Anlegers anknüpft, muss die Zielfunktion des Anlegerschutzrechts, die Anlageentscheidung zu optimieren,503 den Ausgangspunkt der Auslegung darstellen. Für die Anlageentscheidung wesentliche Informationen müssen dem Anleger „zweckorientiertes Wissen“ vermitteln, das der Entscheidungsvorbereitung oder -verbesserung dient, mithin Entscheidungsrelevanz besitzt.504 Die drei wesentlichen Determinanten, die insbesondere im Bereich der Anlageberatung eine Rolle spielen, jedoch auch für die vorliegende Untersuchung als Anknüpfungspunkt dienen können, sind Anlageziel, Anlagestrategie und die individuelle Risikoneigung des Anlegers.505 Die Möglichkeit, Tragweite und Risiken der Investition sachgerecht einschätzen zu können, ist nicht lediglich im Rahmen der §§ 63 ff. WpHG von maßgeblicher Bedeutung.506 Vielmehr handelt es sich hierbei um Faktoren, die auch ein verständiger, rationaler Anleger im Sinne des Art. 7 Abs. 4 MMVO bei Anlageentscheidung berücksichtigen wird. Aus Anlegerschutzgesichtspunkten ist mithin danach zu fragen, ob die Kenntnis einer Information, die keine Vorhersage über die Richtung der Kursauswirkung erlaubt, aus der sich aber aufgrund eines firmenspezifischen Risikos die erhöhte 501

Zur Entscheidung dieser Streitfrage siehe unten, Kapitel 3, IV.1. Vgl. zum Informationsmodell Merkt, ZfbF Sonderheft 55 (2006), 24 ff.; Lutter/Bayer/ J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 14 Rn. 14.78 ff.; Riesenhuber, ZBB 2014, 134, 145. 503 Vgl. Fleischer, Gutachten für den 64. Deutschen Juristentag (2002), S. F 27; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 164 f.; Möllers, in: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 3 Rn. 48 f.: „Schutzzweck des § 15 WpHG ist mithin, zivilrechtlich gewendet, die Gewährleistung einer rationalen Anlegerentscheidung.“ (Hervorhebung im Original). 504 Vgl. Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998, S. 108; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 334. 505 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 166. 506 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 31 ff. Rn. 74. 502

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Volatilität einer Aktie folgern lässt, Einfluss auf das Entscheidungsverhalten des verständigen Anlegers haben würde507 und diesem zur Optimierung seiner Anlageentscheidung zur Verfügung gestellt werden sollte. Die wesentliche Frage ist folglich einerseits, inwiefern das Bedürfnis einer möglichst ausnahmslosen Publizierung firmenspezifischer Volatilitätsinformationen ein extensives Verständnis des Urteils erfordert, weil das restriktive Verständnis zu Lücken im Anlegerschutz führen könnte. Andererseits greift das Insiderhandelsverbot zwar auch bei restriktivem Verständnis des Urteils für die Fälle ein, in denen sich aus der Information mit Hilfe von Finanzderivaten ein Gewinn realisieren lässt oder die Insiderinformation unrechtmäßig offengelegt wird. Gleichwohl sind insbesondere in Anbetracht jüngerer Gesetzesänderungen durch die MMVO Konstellationen denkbar, in denen es zu hinterfragen gilt, ob das Verbot von Insidergeschäften bei Zugrundelegung des restriktiven Verständnisses ungerechtfertigte Wissensvorsprünge hinreichend verhindert. 3. Optimierung der Anlageentscheidung durch Publizierung firmenspezifischer Volatilitätsinformationen Die ökonomische Entscheidungsrelevanz einer Information lässt sich in theoretischen Kapitalmarktmodellen finanzmathematisch berechnen. Die Auseinandersetzung mit der Behavioral Finance hat jedoch verdeutlicht, dass Anleger Anlageentscheidungen an realen Kapitalmärkten nicht ausschließlich rational auf Basis zuvor kalkulierter Erwartungswerte treffen. Dementsprechend ist es aus Anlegerschutzgesichtspunkten zweifelhaft, ob firmenspezifische Volatilitätsinformationen verständige Anleger bereits deshalb nicht tangieren, weil der Information kein positiver oder negativer Erwartungswert zukommt. a) Restriktives Verständnis als Mindestmaß des Anlegerschutzes Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass das restriktive Verständnis der LafontaEntscheidung ein Mindestmaß an anlegerschützender Wirkung entfaltet. Zweifelsohne lässt sich durch den Kauf von Finanzderivaten von der bloßen Volatilität einer zugrunde liegenden Aktie profitieren. Das Insiderhandelsverbot muss in diesem Fall richtigerweise eingreifen um die Ausnutzung dieses Wissensvorteils zu verhindern. Emittenten der derivativen Finanzinstrumente müssen verpflichtet sein, die für das derivative Finanzinstrument kurserhebliche Information ad-hoc dem Kapitalmarkt preiszugeben, sofern sie Kenntnis von der Insiderinformation haben. Das restriktive Verständnis der Lafonta-Entscheidung ist also das aus Anlegerschutzgesichtspunkten gebotene Minimum. Zweifelhaft ist vielmehr, inwiefern dieses Verständnis ausreichend ist – ob also Erwägungen des Anlegerschutzes ein extensives Verständnis der Entscheidung gebieten, sodass Informationen, von denen sich nicht 507

Vgl. Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998, S. 263.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

vorhersagen lässt, ob sich der Kurs bei öffentlichem Bekanntwerden nach oben oder unten bewegen wird, generell als Insiderinformationen einzuordnen wären. b) Volatilitätsinformation als Spekulationsgrundlage Der Inhaber einer solchen Information, die eine Varianz an möglichen Kursreaktionen auslöst, hat unabhängig von der Möglichkeit, die Richtung der Kursentwicklung zu prognostizieren, einen Wissensvorsprung gegenüber den sonstigen Marktteilnehmern: Er weiß, dass ein Ereignis oder Umstand eingetreten ist, auf das der Markt möglicherweise reagieren wird. Der EuGH könnte mithin bereits in dem Umstand einen ungerechtfertigten Informationsvorsprung erblickt haben, dass ein Anleger auf Grundlage der neuen Information eine eigene Bewertung vornehmen kann, auf die er sein Handeln stützt, welche den sonstigen Marktteilnehmern verborgen bleibt.508 Keinen Wissensvorsprung vermitteln dementsprechend lediglich Informationen, bei denen sich die Richtung der Kursentwicklung deshalb nicht prognostizieren lässt, weil sie überhaupt keine Marktreaktionen hervorrufen. Das Wesensmerkmal von Insidergeschäften verlangt jedoch nach dem 23. Erwägungsgrund der MMVO, dass der Anleger durch dieses Wissen zum Nachteil Dritter einen ungerechtfertigten Vorteil erzielen kann. Ein solcher Vorteil, der ein extensives Verständnis des Lafonta-Urteils und die generelle Einordnung derartiger Informationen als Insiderinformationen rechtfertigen würde, ließe sich durch die Erwägung begründen, der Inhaber der Information könne diese als Spekulationsgrundlage nutzen. Im kapitalmarktrechtlichen Kontext lassen sich Spekulanten als Marktteilnehmer umschreiben, die auf Grundlage von gesammelten, analysierten und in einigen Fällen selbst produzierten Informationen Preisveränderungen prognostizieren.509 Entgegen des teilweise negativ behafteten Sprachgebrauchs der Spekulation ist der Spekulant terminologisch vom Spieler zu unterscheiden, der keinen überlegenen Informationsstand innehat, daher uninformiert ist und keine rationalen Gründe für seine Gewinnerwartungen vorweisen kann.510 Informierte Anleger, die ausschließlich fundamentalwertorientiert handeln, würden die besagten Informationen zwar nicht zur Grundlage ihrer Anlageentscheidung machen, da diese nicht fundamentalwertrelevant sind. Spekulanten, die von einer eine erhebliche Kursbewegung auslösenden Information erfahren, könnten ihr Investitionsvolumen jedoch an diese Chance anpassen.511 Gleichwohl ist zweifelhaft, ob in diesem Sinne agierende Marktteilnehmer dem Anlegerleitbild des europäischen Gesetzgebers entsprechen. Erlaubt die Information 508

So Binder, RdF 2015, 159, 160. Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 194; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 23. 510 Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 190. 511 Vgl. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104. 509

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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keine Vorhersage hinsichtlich des Steigens oder Fallens des Aktienkurses aufgrund der Veränderung seines fundamentalen Werts, könnte die Berücksichtigung einer derartigen Information als Teil der Grundlage einer entsprechenden Anlageentscheidung vielmehr als unverständig zu charakterisieren sein, weil sie keine bessere Einschätzung des Werts eines Finanzinstruments ermöglicht, deshalb nicht zur Entscheidungsverbesserung beiträgt und mithin nicht entscheidungsrelevant ist.512 Diese Art von Spekulation meint wohl das OLG Stuttgart, wenn es Anleger für unverständig erklärt, die sich nicht an verlässlichen Informationen orientieren, die eine Prognose hinsichtlich der künftigen Ertragskraft des Emittenten erlauben.513 Unter den Oberbegriff der „Spekulanten“ lassen sich jedoch nicht lediglich informierte Marktteilnehmer im herkömmlichen Sinne fassen. Parasitäre Spekulanten arbeiten keine Informationen in Börsenpreise ein oder befördern die Liquidität des Marktes.514 Sie versuchen etwa die Orderlage zu antizipieren, indem sie sich nicht an Informationen über Fundamentalwerte, sondern am Handel uninformierter Marktteilnehmer orientieren, diesen vorhersehen und hieraus Gewinne erzielen.515 Diese Marktteilnehmer verfolgen eine andere Anlagestrategie, die für sie einen abweichenden Typus von Informationen entscheidungserheblich macht. Parasitäre Spekulanten wie bluffers oder order anticipators, zu denen front runner, sentimentoriented technical traders und squeezers gezählt werden können,516 schädigen die Integrität des Marktes (vgl. Erwägungsgrund 30 S. 2 der MMVO sowie Art. 12 Abs. 2 lit. a) MMVO). Zudem macht der Handel von order anticipators Preise häufig volatiler und schwächt die Kapitalmarkteffizienz.517 Dementsprechend könnte eine firmenspezifische Volatilitätsinformation von parasitären Spekulanten ausgebeutet werden, sofern diese unabhängig von Implikationen für den Fundamentalwert einer Aktie darauf schließen lässt, dass uninformierte Anleger auf die besagte Information in einer bestimmten Art und Weise (heuristisch) reagieren werden. So berücksichtigen sentiment-oriented technical traders etwa Faktoren, die uninformierte Marktteilnehmer wie Spieler zum Handel verleiten und sammeln daher Informationen darüber, welche Finanzinstrumente volatil sind und in den Nachrichten erscheinen.518 Unter dieser Prämisse ließe sich die Vorzugswürdigkeit eines extensiven Verständnisses des Urteils aus Anlegerschutzgesichtspunkten begründen, wenn diese zu einer lückenlosen Verpflichtung der Aktienemittenten zur Veröffentlichung firmenspezifischer Volatilitätsinformationen 512

Klöhn, NZG 2015, 809, 813. Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 4. 2009 – 20 Kap 1/08, ZIP 2009, 962, 966. 514 Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 194. 515 Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 195, 251 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 52 f. 516 Hierzu ausführlich Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 245 ff.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 52 ff. 517 Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 245. 518 Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 252. 513

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

führen würde. Eine derartige Auslegung wäre zudem konform mit dem IKB-Urteil des BGH, wonach der verständige Anleger auch irrationale Reaktionen anderer Marktteilnehmer berücksichtigt.519 Zudem führte die Einordnung derartiger Informationen als Insiderinformationen zum Eingreifen des Insiderhandelsverbots als Schutz vor parasitären Spekulanten, sodass sich hieraus die Vorzugswürdigkeit einer extensiven Auslegung aus Anlegerschutzgesichtspunkten ergeben könnte. Zum einen sind aber zahlreiche firmenspezifische Informationen mit verschiedenstem Inhalt denkbar, die die Volatilität der Aktie erhöhen, ohne sich auf deren Preis auszuwirken. Es ist daher zweifelhaft, ob parasitäre Spekulanten generell aus firmenspezifischen Volatilitätsinformationen, aus denen sich die Richtung der Kursentwicklung nicht prognostizieren lässt, die aber per se zu erheblichen Marktreaktionen führen, ein verallgemeinerungsfähiges systematisches Verhaltensmuster uninformierter Marktteilnehmer ableiten könnten, weil sich diese schwerlich kategorisieren lassen. Es wird vielmehr auf die spezifische volatilitätserhöhende Information ankommen, sodass sich nicht pauschal sagen lässt, dass parasitäre Händler derartige Informationen gewinnbringend ausnutzen könnten. Charakteristikum der vorliegend zu untersuchenden Informationen ist gerade, dass diese keinen eindeutigen Schluss auf eine in eine bestimmte Richtung deutende Marktreaktion zulassen. Schließlich lassen sich bereits nach herkömmlichem Verständnis handelsbezogene Informationen als kurserheblich einordnen, da auch etwa Informationen über die Orderlage den Schluss auf eine erhebliche Änderung des Börsenkurses zulassen können.520 Auch lässt sich eine Ausnahme vom Konzept des fundamentalwertorientierten Anlegers statuieren und darauf abstellen, dass handelsbezogene Informationen ihrem Inhaber eine Arbitragemöglichkeit infolge des überlegenen Wissens über Handelsbedingungen vermitteln.521 Für die Erfassung derartiger Informationen vom Insiderhandelsverbot aufgrund des Schutzes vor parasitären Spekulanten besteht jedenfalls kein zwangsläufiges Bedürfnis für ein extensives Verständnis der Lafonta-Entscheidung, sodass dieser Gedanke für sich genommen die Vorzugswürdigkeit eines extensiven Verständnisses nicht begründen kann. c) Volatilitätsinformation als Handelshemmung Die Erkenntnis, dass besagte Informationen keine Entscheidungsverbesserung hinsichtlich einer Über- oder Unterbewertung des Finanzinstruments bewirken können, führt nicht zwangsläufig zu dem Umkehrschluss mangelnder Kurserheblichkeit. Je nach Anlagestrategie, Anlageziel und individueller Risikoneigung kann einer Information, die die Möglichkeit erheblicher Kursreaktionen indiziert, aber 519 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 44. 520 Vgl. Schwarze, WM 1997, 1564. 521 Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 290 ff.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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keine positive oder negative Kursauswirkung erwarten lässt, unabhängig hiervon Entscheidungsrelevanz für einen verständigen Anleger zukommen: In Anbetracht der erhöhten Volatilität der Aktie kann er sich bewusst für oder gegen die Investition in das volatile Finanzinstrument entscheiden.522 So kann die Kenntnis von firmenspezifischen Volatilitätsinformationen etwa für Privatanleger nicht selten eine Entscheidungsverbesserung bewirken. Dies wird besonders deutlich, sofern die Investition in Aktien auf dem Anlageziel einer ergänzenden Altersversorgung beruht – ein Zweck, der sich insbesondere in Anbetracht niedriger Sparzinsen aufdrängt.523 Vor dem Hintergrund einer mit einem solchen Anlageziel regelmäßig verbundenen Risikoaversion würde ein Anleger die Kenntnis von der erhöhten Volatilität der Aktie wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Kaufentscheidung berücksichtigen und von der Investition absehen. Regelmäßig wird ein solches Anlageziel zur Folge haben, dass der Anleger für das geringere mit der Investition verbundene Risiko eine geringere erwartete Rendite in Kauf nehmen wird.524 Volatilitätsinformationen können also hemmend auf die Anlageentscheidung wirken. Eine aus diesem Umstand abgeleitete Entscheidungserheblichkeit der Information kann dementsprechend als „Handelshemmung“ bezeichnet werden. Die Entscheidungserheblichkeit firmenspezifischer Volatilitätsinformationen ist indes nicht auf derartige Anlageziele beschränkt. So konzentrieren etwa low volatility investment funds ihre Anlagestrategie auf die Investition in Finanzinstrumente mit niedriger Volatilität. Generell ist die Kenntnis der Volatilität einer Aktie von Bedeutung für die Strukturierung des Portfolios.525 Erst Recht haben Anleger, die aus bestimmten Gründen große Anteile an einzelnen Aktien halten und ihre Risiken nicht diversifizieren, Interesse an Informationen, die firmenspezifische Risiken begründen und hierdurch die Volatilität des Finanzinstruments erhöhen. Je nach Anlagestrategie, Anlageziel und individueller Risikoneigung vermittelt die Kenntnis einer Information, aus der sich jeweils eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit eines erheblichen Gewinns oder Verlusts schließen lässt, dem Anleger 522

So auch Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104. Vgl. Buck-Heeb, JZ 2017, 279, 283. 524 Nach der im Jahr 2014 von Natixis Global Asset Management durchgeführten Studie zu individuellem Anlegerverhalten gaben 78 Prozent der 5.950 befragten Anleger an, sie würden Sicherheit einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung vorziehen, sofern sie sich zwischen beiden Parametern entscheiden müssten (vgl. S. 14). Die Studie ist abrufbar unter https://www. fundresearch.de/sites/default/files/partnercenter/Natixis/News/2014/NGAM_2014_Individual_ Investor_Survey_Full_Report.pdf (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). Diese unter Anlegern verbreitete Einstellung wurde durch die ebenfalls von Natixis Global Asset Management im Jahr 2017 durchgeführte Studie zu individuellem Anlegerverhalten, im Rahmen derer 8300 Anleger befragt wurden, bestätigt (vgl. S. 3). Die Studie ist abrufbar unter https://www.im.nati xis.com/us/resources/individual-investor-survey-trust-2017-report-rc08 (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 525 Vgl. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104. 523

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die Möglichkeit, eine fundierte Entscheidung darüber treffen zu können, ob er an der hohen Volatilität teilhaben möchte.526 Dass für verständige Marktteilnehmer neben der Wahrscheinlichkeit möglicher Kursauswirkungen und der Berechnung von Erwartungswerten zusätzlich andere Faktoren eine bedeutende Rolle spielen, wird an dem von Klöhn herangezogenen Vergleich der Kursauswirkung besagter Informationen mit einem „Roulette-Spiel ohne Null“ besonders deutlich: Nach Klöhn könne sich der Spieler nicht über die Unkenntnis der Information, es werde entweder Schwarz oder Rot fallen, beschweren, da sich hiervon nicht profitieren ließe.527 Indes werden Anleger am Kapitalmarkt seltener versuchen, ihr Kapital wie im Spielkasino zu verdoppeln, sondern daran interessiert sein, bei kleinstmöglichem Risiko die größtmögliche Rendite zu erzielen und tendenziell einer sicheren Kapitalanlage den Vorzug vor einer überdurchschnittlichen Performance gewähren.528 Ein Anleger, der eine hohe Summe seines Kapitals in Unkenntnis von der erhöhten Volatilität einer Aktie in diese investiert und daraufhin einen erheblichen Kursverlust hinnehmen muss, wird möglicherweise sein Vertrauen in den Kapitalmarkt verlieren und Liquidität von diesem abziehen.529 Das Prinzip des gleichberechtigten Zugangs auf entscheidungserhebliche Informationen ist tangiert, da der Marktteilnehmer nicht in die Lage versetzt wurde, eine fundierte Entscheidung darüber treffen zu können, ob er in Kenntnis der existenten Wahrscheinlichkeit erheblicher Kursgewinne wie -verluste Kapital in die volatile Aktie investieren möchte.530 Insofern lassen sich aufgrund der Gefahr einer Schwächung des Vertrauenskollektivschutzes auch negative Rückschlüsse für die institutionelle Effizienz des Marktes ziehen. Im Ergebnis besteht aufgrund der vorstehenden Erwägungen aus Anlegerschutzgesichtspunkten ein Bedürfnis für das extensive Verständnis der Lafonta-Entscheidung, das unter Vorbehalt des Aufschubs (Art. 17 Abs. 4, 5 MMVO) der Ad-hoc-Mitteilung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zu einer lückenlosen Publizierung firmenspezifischer Volatilitätsinformationen führt, auch wenn sich aus diesen die Richtung der Kursbeeinflussung nicht vorhersagen lässt.531

526 527

813. 528

Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104. Klöhn, ZIP 2014, 945, 953; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 178; Klöhn NZG 2015, 809,

Siehe hierzu bereits oben, Kapitel 3, Fn. 524. In der im Jahr 2014 von Natixis Global Asset Management durchgeführten Studie gaben 74 Prozent der befragten europäischen Anleger an, die Marktvolatilität habe ihr Vertrauen in die Kapitalmärkte erschüttert (vgl. S. 12). Die Studie ist abrufbar unter https://www.fundresearch. de/sites/default/files/partnercenter/Natixis/News/2014/NGAM_2014_Individual_Investor_Sur vey_Full_Report.pdf (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 530 Vgl. Kuthe, CB 2015, 173. 531 Versteht man das Erfordernis des „unmittelbaren Betreffens“ aus Art. 17 Abs. 1 MMVO allerdings dahingehend, dass hiervon nur emittentenspezifische, unmittelbar fundamentalwertrelevante Insiderinformationen erfasst sind, würde die Publizitätspflicht auch in diesem Fall nicht eingreifen, so Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 17 Rn. 72; Voß, in: JVRB, WpHG, 2015, § 15 Rn. 60 ff. Diese Frage kann allerdings nur in Abhängigkeit von der Vorfrage be529

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Derartige Informationen können eine Handelshemmung bewirken, die zu einer Entscheidung gegen die Anlage führen kann, sodass sie zu einer Entscheidungsverbesserung beitragen und einen Wissensvorsprung vermitteln.532 Ein restriktives Verständnis des Urteils lässt zwar das Insiderhandelsverbot in denjenigen Fällen eingreifen, in denen sich zu Lasten Dritter Kapital aus der Volatilitätsinformation mittels Einsatz von Finanzderivaten schlagen lässt und verhindert insoweit eine Untergrabung des Anlegervertrauens in den Kapitalmarkt. Indes besteht die Gefahr, dass das restriktive Verständnis nur zur Veröffentlichung eines Bruchteils der Volatilitätsinformationen führen wird.533 Dementsprechend wird einerseits der Entscheidungserheblichkeit von Informationen infolge einer durch sie bewirkten Handelshemmung durch das restriktive Verständnis nicht hinreichend Rechnung getragen. Wenn die Geheimhaltung von Informationen, die zur Investition in Aktienoptionen genutzt werden können, das Vertrauen in die Integrität der Kapitalmärkte beeinträchtigen kann,534 widerspricht das restriktive Verständnis andererseits zusätzlich diesem Zweck, da die Informationen dem Kapitalmarkt infolge des Auseinanderfallens von Insiderwissen535 und maßgeblicher Emittenteneigenschaft nicht stets zugänglich gemacht werden. d) Informationsüberflutung Kontraproduktive Auswirkungen eines Übermaßes an Informationen beschränken sich allerdings nicht auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Auch Anlegerschutzgesichtspunkten läuft die Informationsüberflutung zuwider, da sie nicht zur Entscheidungsoptimierung beiträgt. Im Gegenteil: Die wachsende Informationsmenge kann bei einer Informationsüberflutung zu einer Minderung der Entscheidungsqualität führen.536 Diese äußert sich in verschiedenen Heuristiken wie selektiver Wahrnehmung, Komplexitätsreduzierung und einer Beeinflussbarkeit durch die Art der Präsentation von Informationen, da der Marktteilnehmer die ihn überfordernde Komplexität und Menge an Informationen seiner beschränkten Verarbeitungsfähigkeit anpassen wird.537 Bei einer Informationsüberflutung werden die antwortet werden, ob firmenspezifische Volatilitätsinformationen überhaupt kurserheblich sind. 532 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 334 f.: „Aus Sicht des Adressaten geht es um Entscheidungsvorbereitung, und sei es auch nur die Vorbereitung der Entscheidung, nichts zu tun, d. h. alles so zu belassen wie es ist.“ 533 Siehe oben, Kapitel 3, B.III.4.a). 534 Klöhn, NZG 2015, 809, 816. 535 Entsprechendes gilt, sofern man für die Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MMVO nicht auf das Wissen des Emittenten, sondern auf seine Wissensorganisationspflicht abstellt, da die Information regelmäßig außerhalb der Reichweite dieser Organisationspflicht auftreten wird. Zur Irrelevanz der Wissenszurechnung für Art. 17 MMVO siehe Klöhn, NZG 2017, 1285 ff. 536 Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 9 ff. m.w.N.; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 170. 537 Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 10 ff. m.w.N.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Informationen mithin entweder nicht mehr aufgenommen oder nicht mehr verarbeitet.538 Erkenntnisse der Behavioral Finance belegen die beschränkte Verarbeitungsfähigkeit individueller Anleger.539 Bereits im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Zwischenschritten wurde auf die schädlichen Auswirkungen der Informationsüberflutung für die Transparenz des Kapitalmarkts durch zu viele, zu früh veröffentlichte und für die Unternehmensbewertung irrelevante Informationen hingewiesen.540 Der Aspekt der Informationsüberflutung spricht folglich auch aus Gesichtspunkten des Anlegerschutzes für ein restriktives Verständnis der Lafonta-Entscheidung. Gleichwohl vermag dies nichts an der Feststellung zu ändern, dass es sich bei einer Information, die es nicht erlaubt, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen, um eine entscheidungserhebliche Information handeln kann. Vermittelt diese dem Anleger Kenntnis eines erhöhten mit dem Finanzinstrument verbundenen Risikos, würde dieser die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen wollen. 4. Stornierung oder Änderung von Aufträgen (Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO) Die Untersuchung der Judikatur des EuGH zum Insiderhandelsverbot erklärt wie auch der 23. Erwägungsgrund der MMVO die Verknüpfung eines durch einen Wissensvorsprung erlangten ungerechtfertigten Vorteils mit dem Nachteil eines Dritten zum Wesensmerkmal des Insidergeschäfts. Dass hierzu nicht nur der Kauf unterbewerteter oder der Verkauf überbewerteter Finanzinstrumente zählt, sondern auch ein Unterlassen des Handels fallen kann, zeigt nunmehr Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO. Die Norm qualifiziert fortan auch Vorgehen als Insidergeschäfte, mittels derer kein Gewinn zu Lasten Dritter erzielt wird, sondern kraft derer der Insider möglicherweise nachteilhafte Geschäfte storniert oder ändert, um einen eigenen Verlust oder das Entgehen eines Gewinns zu vermeiden, der sich dann spiegelbildlich als verwirklichter Verlust oder entgangener Gewinn im Vermögen des Handelspartners widerspiegelt. Überträgt man das restriktive Verständnis des Lafonta-Urteils auf Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO, bedeutet dies, dass der verständige Anleger eine nach der Erteilung eines Kaufauftrags erlangte Information, die die Vorhersage hinsichtlich eines Kursverfalls ermöglicht, zwar nicht nutzen darf, um den Auftrag zu stornieren. Erlangt er indes Informationen, die keine andere Bewertung der Aktie rechtfertigen, 538 539 540

Vgl. Buck-Heeb, JZ 2017, 279, 285. Siehe oben, Kapitel 1, B.III.4.b)aa). Hitzer, NZG 2012, 860, 862.

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aber das Maß an Unsicherheit der Erzielung der vom Anleger erwarteten Rendite erhöhen, dürfte er bei einer konsequenten Übertragung des restriktiven Verständnisses trotz überlegenen Wissens hinsichtlich der mit der Anlage verbundenen Risiken seinen Auftrag zum Kauf der Aktie stornieren oder ändern, ohne einen Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften befürchten zu müssen. Dass der Anleger in beiden Fällen von einem Wissensvorsprung profitiert, dürfte außer Frage stehen, da der Vorteil des Stornierenden im letztgenannten Fall in der Möglichkeit zur bewussten Vermeidung eines erhöhten Risikos zu sehen ist, welches spiegelbildlich der Handelspartner zu tragen hat. Ob dieser letztgenannte Fall aufgrund einer nach dem CAPM und DCF-Verfahren erstellten Prognose anders zu bewerten sein soll, ist vor dem Hintergrund des erwähnten Zwecks des Verbots von Insidergeschäften zweifelhaft. 5. Extensives Verständnis der Lafonta-Entscheidung zur Förderung des Anlegerschutzes Unter Anlegerschutzgesichtspunkten muss daher im Ergebnis die Vorzugswürdigkeit eines tendenziell extensiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung konstatiert werden. Dies ergibt sich einerseits aus dem Bedürfnis, dem gesamten Anlegerpublikum auch solche Informationen möglichst lückenlos zugänglich zu machen, von denen sich nicht vorhersagen lässt, ob sich der Kurs bei öffentlichem Bekanntwerden nach oben oder nach unten verändern würde, sofern diese den Schluss zulassen, dass es überhaupt zu erheblichen Marktreaktionen kommen wird. Diese Information kann im Hinblick auf die individuelle Risikoneigung des heterogenen Anlegerpublikums in einer Handelshemmung resultieren, weil in Anbetracht des erhöhten Risikos, die erhoffte Rendite nicht zu erreichen, von der Anlageentscheidung abgesehen wird. Andererseits vermittelt die Kenntnis von der erhöhten Volatilität einer Aktie dem Anleger einen Wissensvorsprung, dessen Ausnutzung im Hinblick auf die Wertung des 23. Erwägungsgrundes der MMVO, des teleologischen Hintergrundes des Insiderhandelsverbots und der Neuregelung des Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO untersagt werden sollte. Es lässt sich mithin ein Zielkonflikt zwischen Funktionsschutz und Anlegerschutz feststellen. Während die Förderung der Funktionsfähigkeit des Marktes trotz denkbarer Negativfolgen für das Anlegervertrauen und die institutionelle Effizienz im Ergebnis für ein restriktives Verständnis der Lafonta-Entscheidung spricht, das die besagten Informationen lediglich für vom volatilen Finanzinstrument abhängige Derivate als kurserheblich erklärt, verlangen Anlegerschutzgesichtspunkte ein extensiveres Verständnis des Urteils.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

III. Erkenntnisse des Rechtsvergleichs 1. Vereinigte Staaten von Amerika Für die Beantwortung der Frage, ob der verständige Anleger eine Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde, bietet sich ein rechtsvergleichender Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika an. Nachdem nachvollzogen wurde, dass die im Marktmissbrauchsrecht zugrunde gelegte Beurteilungsperspektive im Wesentlichen dem materiality-Standard entspricht, können Erkenntnisse der rechtsvergleichenden Methodik unter Beachtung der herausgearbeiteten Besonderheiten des US-Rechts für die Auslegung des Art. 7 MMVO herangezogen werden. Dementsprechend bietet sich die Frage an: Würde der reasonable investor eine Information, von der sich nicht vorhersagen lässt, ob sich bei ihrem öffentlichen Bekanntwerden der Börsenkurs in eine bestimmte Richtung entwickelt, bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen? a) Maßstab der US-amerikanischen Gerichte Dies wäre nach dem Beurteilungsmaßstab des Supreme Court der Fall, wenn sich bei Offenlegung der Tatsache das Gesamtbild der dem Investor zur Verfügung stehenden Informationen geändert hätte.541 Hinsichtlich der Anlageentscheidung des Kaufs oder Verkaufs einer bestimmten Aktie und der Determinante der individuellen Risikoneigung würde sich der total mix of information eines Investors möglicherweise bereits dann ändern, wenn tatsächlich erwartet werden kann, dass es zu einer erheblichen Kursreaktion kommt – gleich in welche Richtung. Die von einem Circuit Court getätigte Aussage, eine Pflicht zur Veröffentlichung von material facts bestehe jedenfalls dann, wenn diese nach vernünftigen und objektiven Erwägungen den Aktienwert des Emittenten beeinflussen könnten,542 führt im vorliegenden Fall nicht weiter, da die besagten Informationen wie gezeigt nach dem CAPM nicht bewertungserheblich sein dürften. Hinsichtlich der Relevanz nichtfinanzieller Umstände für die materiality besteht jedoch auch im US-Recht keine restlose Klarheit.543 Der Supreme Court begreift den verständigen Anleger nach dem vorliegend herausgearbeiteten Verständnis jedenfalls nicht als Personifizierung eines Marktes im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH und berücksichtigt deshalb auch nicht bereits aus diesem Grunde ausschließlich fundamentalwertrelevante Informatio541

TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 439, 449, 96 S.Ct. 2126, 2128, 2132 (1976). 542 Kohler v. Kohler Co., 319 F.2d 634, 642 (7th Cir. 1963). 543 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1074; Bauman, Corporations, 7. Auflage 2010, S. 564 f.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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nen.544 Vielmehr weist das höchste amerikanische Gericht in ständiger Rechtsprechung die Etablierung eines bright-line-Tests für die Bestimmung der materiality zurück,545 was dafür spricht, dass sich die Beurteilung des Tatbestandsmerkmals durch amerikanische Gerichte nicht in der Berechnung von Erwartungswerten und der Fundamentalwertrelevanz von Informationen erschöpfen kann. Jedoch wurde durch die Ersetzung des „might-Tests“ durch den „would-Test“ der Anwendungsbereich der materiality gegenüber dem in Mills v. Electric Auto-Lite Company546 vertretenen Standard eingeschränkt, um einer Informationsüberflutung entgegenzuwirken.547 Dies könnte dafür sprechen, dass der materiality-Standard einem restriktiven Verständnis der Lafonta-Entscheidung am besten entspräche.548 Von entscheidender Bedeutung für die vorliegende Untersuchung ist die in der Entscheidung TSC Industries getroffene Feststellung des Supreme Court, für die materiality komme es nicht darauf an, dass der Anleger bei Kenntnis der Information mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sein Verhalten geändert hätte, sondern darauf, dass die Information in seinen Erwägungen tatsächlich Bedeutung erlangt haben würde.549 Im Rahmen der rechtsvergleichenden Untersuchung wurde festgestellt, dass der Supreme Court durch diesen Passus die Entscheidungserheblichkeit als ein maßgebliches Kriterium für den reasonable investor-Standard erklärt, sodass es primär nicht darauf ankommt, ob von der betreffenden Information eine durch einen Handelsanreiz indizierte Verhaltensänderung ausgeht. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die Veröffentlichung der Information zu einer Verhaltensänderung führen würde, ist also gerade nicht vorausgesetzt. Es kommt vielmehr darauf an, dass die Information tatsächliche Bedeutung im Rahmen der Erwägungen des verständigen Anlegers erlangt, sie also als relevantes Abwägungskriterium in die Entscheidungsfindung einfließt. Ebenfalls wurde herausgearbeitet, dass es sowohl dem Wortsinn als auch dem Zweck von „reasonableness“ im Sinne von „Verständigkeit“ entspricht, einer Information bei den im Zusammenhang mit einer Anlageentscheidung angestellten Erwägungen Bedeutung beizumessen und diese anschließend nicht zwangsläufig für eine Verhaltensveränderung zu nutzen, sondern dafür, von einem erwogenen Verhalten Abstand zu nehmen. Da die betreffenden Informationen dem Anleger Kenntnis von den mit der Anlage verbundenen Risiken – begriffen als erhöhte Streubreite um den Mittelwert und Maß an Unsicherheit, die erwartete Rendite zu erreichen550 – vermitteln, müssten sie grundsätzlich551 in den Erwägungen eines reasonable investor berücksichtigt werden. 544

A.A. wohl Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371. Siehe oben, Kapitel 2, A.II.1.a)bb)(2). 546 Mills v. Electric Auto-Lite Company, 396 U.S. 375, 90 S.Ct. 616 (1970). 547 Klöhn, ZIP 2014, 945, 948 f. 548 So auch die Folgerung von Klöhn, ZIP 2014, 945, 948 f., der in dem „would“-Test das Pendant des Erfordernisses eines Handelsanreizes sieht. 549 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 439, 449, 96 S.Ct. 2126, 2128, 2132 (1976). 550 Häger/Raffelsberger, in: Spreiter, Private Banking, 2005, S. 32. 545

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

b) Maßstab der SEC Auch die SEC bezieht unter Verweis auf Gerichtsurteile, Verwaltungsentscheidungen und Stimmen aus der Literatur qualitative Faktoren wie subjektive Absichten und Motive ohne Bezug zur wirtschaftlichen Bedeutung der in Frage stehenden Informationen in die Beurteilung der materiality ein.552 In ihrem Staff Accounting Bulletin No. 99553 stellt die SEC klar, dass die nachgewiesene Volatilität des Aktienkurses eines Emittenten als Reaktion auf eine gewisse Art von Veröffentlichung neben anderen Faktoren eine Leitlinie für die Frage darstellen kann, ob Anleger quantitativ geringfügige Falschdarstellungen als material erachten. Die Berücksichtigung der potentiellen Marktreaktion auf die Veröffentlichung einer Falschdarstellung sei für sich genommen ein zu undifferenziertes Instrument, um als verlässliches Kriterium für die Beurteilung eines Fakts als material zu dienen. Wenn jedoch das Management oder ein Abschlussprüfer (etwa auf Grundlage eines Musters der Marktentwicklung) erwarte, dass eine bewusste Falschdarstellung eine signifikant positive oder negative Markreaktion hervorrufen könne, solle diese erwartete Reaktion bei der Beurteilung der materiality einer Falschdarstellung berücksichtigt werden. Sollte das Management dahingegen keine signifikante Marktreaktion erwarten, könne eine Äußerung gleichwohl material sein und müsse anhand der sonstigen dargelegten Kriterien beurteilt werden.554 Diese Ausführungen lassen, auch wenn sie sich auf die materiality von Falschdarstellungen beziehen, mehrere Schlüsse hinsichtlich der Interpretation des Tatbestandsmerkmals durch die amerikanischen Behörden zu. Zum einen bestimmt die SEC die materiality einer Falschdarstellung in Abhängigkeit von der Volatilität des Börsenkurses infolge bestimmter Arten von Veröffentlichungen. Die Volatilität des Finanzinstruments ist damit grundsätzlich ein Faktor, der bei der Beurteilung der materiality von der SEC bemüht wird. Zum anderen ist eine erhebliche erwartete Markreaktion zwar in die Untersuchung einzubeziehen, stellt aber allein kein hinreichendes Kriterium für eine abschließende Beurteilung der materiality dar. Zuletzt, und dies ist die wahrscheinlich bedeutendste Erkenntnis, kann nach Ansicht der SEC eine Falschdarstellung auch dann material sein, wenn sich das Management hiervon keine erhebliche Marktreaktion erwartet. c) Maßstab der Literatur In der US-amerikanischen Rechtsliteratur hat sich ein unterschiedliches Verständnis des reasonable investor-Standards herausgebildet. Während der Blick auf 551

Zu einer möglichen Einschränkung siehe unten, Kapitel 3, C.IV.3.c). Vgl. SEC Staff Accounting Bulletin No. 99, 17 CFR Part 211 (12. 8. 1999) m.w.N.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013, Rn. 1074; Bauman, Corporations, 7. Auflage 2010, S. 565. 553 SEC Staff Accounting Bulletin No. 99, 17 CFR Part 211 (12. 8. 1999). 554 SEC Staff Accounting Bulletin No. 99 Fn. 17, 17 CFR Part 211 (12. 8. 1999). 552

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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den Maßstab von Rechtsprechung und SEC Schlüsse hinsichtlich der US-amerikanischen Auslegung de lege lata zulässt, bezieht die Betrachtung von in der Literatur angestellten Erwägungen Reformvorschläge mit ein. Teilweise würde nach dem Standpunkt einiger Autoren bei Informationen, die nach der Kapitalmarkttheorie keine höhere oder niedrige Bewertung einer Aktie rechtfertigen, wohl eine Vermutung mangelnder materiality angenommen oder diese gänzlich verneint werden, da professionelle Marktteilnehmer keine Veranlassung hätten, derartige Informationen in den Börsenkurs einzupreisen.555 Andernorts würde vermutlich für eine Publizierung derartiger Informationen plädiert werden, um dem Informationsbedürfnis des heterogenen Anlegerpublikums beizukommen556 und behavioristische Erkenntnisse über die für Individuen tatsächlich entscheidungsrelevanten Informationen in die Beurteilungsperspektive miteinzubeziehen.557 Bemerkenswert ist der von Geoffrey Rapp geäußerte Gedanke: Die fiktive Frage danach, welche Informationen der reasonable investor als gewöhnliche Person, die Geld am Kapitalmarkt anlegt,558 bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde, ignoriere die Tatsache, dass eine solche Person nur selten Aktien kaufe oder verkaufe.559 Da reasonable investors tatsächlich nur sehr wenige Informationen berücksichtigten,560 sollten den Anforderungen einer material information nur solche Informationen genügen, die die Beziehung einer einzelnen Aktie zum Investmentportfolio des Anlegers tangierten.561 Nach den Lehren der Portfoliotheorie ließe sich argumentieren, dass ein Anleger irrational und mithin unverständig handele, wenn er in individuelle Aktien investiere und auf der Grundlage von einzelnen Informationen über eine Aktie eine Order platziere.562 Ein verständiger Anleger solle vielmehr in ein diversifiziertes Portfolio investieren, sodass einzelne Charakteristika individueller Aktien nur im Verhältnis zum Gesamtportfolio von Bedeutung seien.563

555 Vgl. Booth, 38 Del. J. Corp. L. 517, 530 ff., 554 (2013); Newman/Herrmann/Ritts, 20 J. Corp. L. 571, 572 ff., 583 f. (1995); Dennis, 25 Wm. & Mary L. Rev. 373, 381, 411 (1984). 556 Rose, Vanderbilt Law Research Paper No. 17-05, 1, 22, abrufbar unter https://ssrn.com/ abstract=2840993 (zuletzt abgerufen am 30. 9. 2018). 557 Hoffman, 90 Minn. L. Rev. 537, 607 (2005 – 2006). 558 So die Deutung des reasonable investor der SEC durch Rapp. 559 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1481 (2013) m.w.N. 560 Vgl. Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1482 (2013): „Instead of trying to imagine whether a ,reasonable‘ investor cares about a particular piece of information when buying or selling shares (which the reasonable investor rarely does), or looking narrowly at how a stock’s price has responded to some piece of information (something that surely has little to do with the actions of ,reasonable‘ investors), courts should recognize that reasonable investors care about very little information.“ 561 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1482 (2013). 562 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1482 (2013). 563 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1482 (2013).

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

d) Berücksichtigung dogmatischer und struktureller Unterschiede In Anbetracht der die amerikanischen Gerichtsurteile zum securities law regelmäßig durchziehenden ökonomischen Erwägungen sowie der Auswirkungen eines extensiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung auf die Funktionsfähigkeit des Marktes ist hinsichtlich der Frage, ob die besagten Informationen nach US-amerikanischem Recht als material eingeordnet werden würden, Zurückhaltung geboten. Gleichwohl ist der Anlegerschutz zweifelsohne ein wesentlicher Zweck im USamerikanischen Insiderrecht, sodass bei einem Zielkonflikt der Vorrang individueller Anlegerinteressen vor etwaigen Marktinteressen nicht von vornherein ausgeschlossen wäre. Hinsichtlich der Übertragbarkeit der Erwägungen zum Beurteilungsmaßstab des reasonable investor auf das europäische Marktmissbrauchsrecht muss aber der unterschiedliche Anwendungsbereich und die abweichende dogmatische Konzeption der Insiderrechte berücksichtigt werden. Die tendenziell größere Reichweite des reasonable investor-Standards wird im US-Recht durch das Erfordernis einer Treuepflicht oder sonstigen Sonderbeziehung wieder eingeschränkt, während das europäische Pendant eine vergleichbare Eingrenzung des Anwendungsbereichs nicht (mehr)564 kennt. In diesem Zusammenhang muss stets die dogmatische Konzeption des US-amerikanischen Insiderhandelsverbots als Betrugstatbestand beachtet werden. Anders als im Marktmissbrauchsrecht kommt es für die Publizitätspflicht des Emittenten nicht primär darauf an, dass ein verständiger Anleger Kenntnis von der Information haben wollen würde.565 Hier ist die besondere Notwendigkeit einer duty to disclose im Einzelfall zu berücksichtigen, die etwa aus der disclose or abstain rule, einer duty to correct oder einer duty to update hergeleitet werden muss. 2. Rechtsvergleichender Blick auf Großbritannien: Der Fall Massey v. FSA Aufschluss über die nach Meinung des UK Upper Tribunal kurserheblichen Informationen gibt die Entscheidung Massey v. FSA.566 Die damalige Formulierung im Financial Services and Markets Act 2000 verlangte für die Kurserheblichkeit einer Information, diese müsse „likely to have a significant effect on price“567 sein. Nahezu inhaltsgleich lautet heute die Regelung der englischen Fassung in Art. 7 Abs. 1 lit. a) MMVO. Obwohl die englische Fassung also nicht nach einer „Eignung“ zur Kursbeeinflussung fragt, sondern verlangt, dass 564 Für eine gewisse Differenzierung sorgte der noch in der Insiderrichtlinie angelegte Unterschied zwischen Primär- und Sekundärinsidern, der jedoch durch die Marktmissbrauchsrichtlinie aufgehoben wurde und von vornherein nicht zu einer mit dem US-Insiderrecht vergleichbaren Eingrenzungswirkung führte. Vgl. nunmehr aber Art. 8 Abs. 4 MMVO. 565 Vgl. In re Time Warner Inc. Securities Litigation, 9 F.3d 259, 267 (2nd Cir. 1993). 566 Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC). 567 Section 118C(2)(c) Financial Services and Markets Act 2000.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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eine solche „wahrscheinlich“ sein müsse („likely“), versteht das UK Upper Tribunal diese Voraussetzung nicht im herkömmlichen Sinne.568 Das Gericht hielt es zwar für möglich, dass die in Frage stehende Information bei öffentlichem Bekanntwerden einen Preiseffekt ausgelöst hätte, aber für ungewiss.569 Dies sei aber im Ergebnis nicht entscheidend. Denn das Gericht habe die spezielle Bestimmung des reasonable investor test anzuwenden, der – ähnlich wie Art. 7 Abs. 4 MMVO heute – normierte, die Kurserheblichkeit der Information sei nur dann gegeben, „if and only if it is information of a kind which a reasonable investor would be likely to use as part of the basis of his investment decisions“570.571 Da ein hypothetischer verständiger Anleger die Information in casu genutzt haben würde, komme es nicht darauf an, ob sich die Information wahrscheinlich auf den Börsenkurs ausgewirkt hätte.572 Die Entscheidung des Upper Tribunal verdeutlicht die Kehrseite der Auslegung, die den Anlegern eine Vielzahl an Informationen für ihre Anlageentscheidung zur Verfügung stellt. Mit einem derart extensiven Verständnis des reasonable investor geht ein erhebliches Maß an Eingrenzungswirkung verloren.573 Denn der verständige Anleger im Fall Massey würde wohl nahezu jede Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen, selbst wenn diese wahrscheinlich keine Auswirkungen auf den Börsenkurs hätte.574 Aus diesem Grund hat das Upper Tribunal in der Rechtssache Hannam v. The Financial Conduct Authority Abstand von solch einer extensiven Auslegung genommen.575 Das Gericht entschied, dass die im Financial Services and Markets Act 2000 zu findende Bestimmung, die Information müsse „l i k e l y to have a significant effect on price“576 sein, verlange, dass eine Preisauswirkung der Information zwar nicht überwiegend wahrscheinlich sei, aber dass mehr als eine bloße Möglichkeit existiere und eine Kursauswirkung zumindest tatsächlich in Aussicht stehe.577 Derartige Informationen würde ein verständiger Anleger „wahrscheinlich“ bei seiner Anlageentscheidung nutzen.578

568

Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 41. Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 32, 39. 570 Section 118C(6) Financial Services and Markets Act 2000. 571 Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 41. 572 Massey v. The Financial Services Authority [2011] UKUT 49 (TCC), Rn. 41. 573 Krause/Brellochs, AG 2013, 309, 317; vgl. Langenbucher, AG 2016, 417, 420. 574 Krause/Brellochs, AG 2013, 309, 317; Langenbucher, NZG 2013, 1401, 1405. 575 Hannam v. The Financial Conduct Authority [2014] UKUT 0233 (TCC), Rn. 105 f. 576 Section 118C(2)(c) Financial Services and Markets Act 2000 (Hervorhebung durch den Verfasser). 577 Hannam v. The Financial Conduct Authority [2014] UKUT 0233 (TCC), Rn. 115, 121. 578 Hannam v. The Financial Conduct Authority [2014] UKUT 0233 (TCC), Rn. 116. 569

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

IV. Auflösung des Zielkonflikts Im Ergebnis konfligieren in der Rechtssache Lafonta Gesichtspunkte der ökonomischen Sinnhaftigkeit mit spezifischen Gerechtigkeitserwägungen, die sich aus rein wirtschaftlicher Perspektive kaum rechtfertigen lassen. Letztlich ähnelt der Zielkonflikt daher der Frage des Vor- oder Nachrangs ökonomisch-utilitaristischer vor rein rechtlicher und rechtsethischer Methodik und rechtspolitischer Zielsetzung. Hierbei existiert richtigerweise keine generelle Rangordnung zwischen den Methoden, vielmehr gilt es, den Vorrang einer Methodik aus den konkreten gesetzgeberischen Wertungen herzuleiten.579 Der Gedanke, sich für die Auflösung von aus dem „Methodenpluralismus“580 resultierenden Wertungswidersprüchen einer Anleihe aus dem Verfassungsrecht zu bedienen und diese im Sinne der „praktischen Konkordanz“581 einem schonenden Ausgleich zuzuführen,582 soll auch für den hiesigen Zielkonflikt einen Anhaltspunkt bieten. Da extensiver Individualschutz zu einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit des Marktes führen kann, erfordert der schonende Ausgleich der Positionen eine Gewichtung ihrer Bedeutung und die Abstimmung des materiellen Rechts.583 Für die vorliegenden Zwecke muss die vorstehende Überlegung insofern modifiziert werden, als dass abhängig vom Regelungskontext zunächst ein abstraktes Rangverhältnis von Funktions- und Anlegerschutz festzustellen ist, das letztlich Eingang in die vorzunehmende Abstimmung der konfligierenden Rechtspositionen im Einzelfall finden muss. 1. Rangverhältnis zwischen den Schutzfunktionen im Insiderrecht und im Recht der Ad-hoc-Publizität a) These des ausschließlichen Funktionsschutzes Ein Zielkonflikt ließe sich dann nicht feststellen, wenn Insiderrecht und Ad-hocPublizität ausschließlich unmittelbar dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts dienen würden. Konsequenterweise hätten Informationen, die lediglich unternehmensspezifische Risiken begründen und den Fundamentalwert einer Aktie nicht beeinflussen vorbehaltlich der Möglichkeit, Wissen über Handelsbedingungen oder durch Investition in Finanzderivate auszunutzen, keine Bedeutung.584 Ein restriktives Verständnis der Lafonta-Entscheidung wäre bereits aus diesen Erwägungen vorzugswürdig. Beschränkt man den Zweck des Anlegerschutzes auf ein In579 580 581

317 ff. 582

Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 444. Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423. Grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Auflage 1999, Rn. 72,

Vgl. Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 445, 447 f. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 44. 584 Vgl. Klöhn, NZG 2015, 809, 813 ff. 583

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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strument des Funktionsschutzes, impliziert dies die Begrenzung des reflexiven Anlegerschutzes auf den Schutz von Vermögensinteressen, was den Schutz vor Beeinträchtigungen der Willensfreiheit in den Hintergrund treten lässt.585 Maßgeblich wäre insoweit nur, ob der Anleger seinen Vermögensschaden liquidieren kann, sodass er sich nicht vom Kapitalmarkt zurückzieht.586 Für das Verständnis der Lafonta-Entscheidung ist dementsprechend die offen gelassene Streitfrage, inwieweit Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität den Anlegerschutz bezwecken, von entscheidender Bedeutung. b) Nach kapitalmarktrechtlichem Regelungskontext zu differenzierender grundsätzlicher Funktionsdualismus Keine tragbare Begründung für die Vorzugswürdigkeit eines restriktiven Verständnisses bietet der Verweis auf die generelle Beschränkung der Schutzfunktion des Kapitalmarktrechts auf die Gewährleistung funktionsfähiger Märkte. Letztlich führt diese These eines ausschließlichen Funktionsschutzes und die hiermit verbundene Begrenzung von Individualschutz auf dem Funktionsschutz dienende Zwecke schon deshalb nicht weiter, weil sie sich leicht in ihr Gegenteil verkehren lässt.587 Denn die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts wird nicht um ihrer selbst willen gefördert, sondern dient der Verwirklichung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, der Erwerbsfreiheit, der Vermögensdispositionsfreiheit und der Eigentumsrechte einzelner Marktteilnehmer.588 Anlegerschutzerwägungen jenseits des Funktionsschutzes, die auf die Optimierung der Anlageentscheidung gerichtet sind, ohne durch Beeinträchtigungen der Marktfunktion veranlasst zu sein, lassen sich durch Gerechtigkeits- oder Sozialschutzerwägungen und sonstige spezifisch rechtliche Wertungen legitimieren.589 Diese stehen selbstständig neben der ökonomischen Methodik und können auch für eine weniger effiziente Auslegungslösung sprechen.590 Dabei erfordert der kapitalmarktrechtliche Regelungskontext eine unterschiedliche Intensität der anlegerschützenden Regulierung; Ausprägung und Verhältnis zum Funktionsschutz sind nach Regelungsbereichen zu differenzieren. Die Orientierung an den im Bereich der Anlageberatung für die Anlageentscheidung wesentlichen Parametern bietet insofern lediglich den ersten Schritt für die Herausarbeitung des im vorliegenden Fall 585

Vgl. Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172. Vgl. Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172. 587 Instruktiv zum Ganzen Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 301 ff. 588 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 304; ähnlich Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 137, die jedoch meint, mangels Vermögensschäden individueller Anleger lasse sich das überindividuelle Rechtsgut Kapitalmarkt nicht aus Individualinteressen, sondern nur aus den Kollektivinteressen des Anlegerpublikums ableiten. 589 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 174. 590 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 189 Fn. 4; vgl. Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 177. 586

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

notwendigen Anlegerschutzniveaus. Der kapitalmarkrechtliche Funktionsdualismus591 erhält dementsprechend in Abhängigkeit des Regelungskontextes seine Konturierung und lässt sich so als „Relation zweier variabler Größen“592 begreifen. c) Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht als Mittel zur Herstellung von Vertragsparität Dementsprechend ist es zwar legitim, für den Regelungskomplex des Insiderhandelsrechts und der Ad-hoc-Publizität mit einem großen Teil des Schrifttums davon auszugehen, ein diesbezüglicher Anlegerschutz sei als überindividueller Anlegerkollektivschutz einzuordnen, der als wesentlicher Teil des Funktionsschutzes individuellen Anlegern lediglich reflexiven Schutz zu Teil werden lässt.593 Im Bereich des Insiderhandelsrechts und der Ad-hoc-Publizität ergibt sich allerdings eine hiervon abweichende Wertung, die auf Anlegerschutz um seiner selbst willen hindeutet, aus einer Störung des Prinzips der Vertragsparität als Grundvoraussetzung der staatlichen Akzeptanz privatautonomer Rechtsetzung durch Vertragsbindung.594 Unter Parität ist hierbei die Rechtsstellung der Vertragspartner zu verstehen, die ihnen vom positiven Recht eingeräumt wird und einen selbstbestimmten Interessenausgleich mit der Chance der Äquivalenz gewährt.595 Ausdruck dessen sind etwa die §§ 305 ff. BGB oder zahlreiche verbraucherschützende Normen und Mietrechtsvorschriften,596 die in Fällen, in denen die Vertragsparität typischerweise gestört ist, regulierend eingreifen und privatautonome Rechtsetzung Schranken unterwerfen, um ein Machtgleichgewicht zwischen Vertragsparteien weitestmöglich gewährleisten zu können.597 Im Insiderrecht resultiert ein derartiges strukturelles Machtungleichgewicht aus dem exklusiven Zugang des Insiders zu nicht öffentlich bekannten kurserheblichen Informationen, die ihm einen Wissensvorsprung vermitteln.598 Bei einer klassischen face-to-face transaction würde diese Äquivalenzstörung durch privatrechtliche 591

So Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 305. So im Hinblick auf die Herstellung praktischer Konkordanz verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Auflage 1999, Rn. 72, 317 ff.; in Bezug auf die Auflösung von Konflikten durch Methodenpluralismus Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 445, 447 f. 593 Siehe die Nachweise oben, Kapitel 3, Fn. 472, 498. 594 Schall, JZ 2010, 392, 397; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 94 f.; ähnlich Dingeldey, Insider-Handel und Strafrecht, 1983, S. 68 ff. 595 So Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 99. 596 Dingeldey, Insider-Handel und Strafrecht, 1983, S. 69; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 94 f. 597 Ausführlich zu bürgerlich-rechtlichen Kompensationsmitteln für Imparität Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 134 ff. 598 Vgl. Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 96; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 116. 592

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Grundprinzipien entschärft. Das Schutzbedürfnis der Börsenanleger ergibt sich aber aus der Entindividualisierung und Funktionalisierung des Kapitalmarkts, der infolge seiner anonymisierten und automatisierten Struktur zu einer Unanwendbarkeit oder einer erschwerten Durchsetzbarkeit unabdingbarer Kernprinzipien des Zivilrechts führt, die die Grenzen der Privatautonomie markieren.599 Obwohl am Kapitalmarkt privatautonome Verträge geschlossen werden, hat der Anleger infolge der technischen Ausgestaltung keinen oder nur bedingten Einfluss auf die Vertragsverhandlungen oder die Untersuchung des Vertragsgegenstands, sodass Neben- und Aufklärungspflichten, Gewährleistungsrechte, Anfechtungsrechte oder sonstige Vorschriften, die die Grenzen des durch die Rechts- und Werteordnung hinnehmbaren markieren, faktisch außer Kraft gesetzt sind.600 Das Insiderverbot dient daher als Kompensationsmechanismus für Imparität, das am anonymen Kapitalmarkt an die Stelle allgemeiner, nicht eingreifender bürgerlich-rechtlicher Schutzmechanismen tritt. Vertragsparität setzt die Möglichkeit voraus, Entscheidungen in freier Selbstbestimmung treffen zu können.601 Mitunter deshalb wird das Verbot von Insidergeschäften durch die Ad-hoc-Publizität flankiert, die durch Inkorporation von Informationen in den Börsenkurs das Konditionenrisiko des Anlegers reduziert und diesem ein erhöhtes mit der Anlage verbundenes Risiko vor Augen führt, um hierdurch sein Substanzrisiko zu verringern602 und gleichzeitig selbstbestimmte Anlageentscheidungen in Kenntnis von sämtlichen entscheidungserheblichen Informationen zu ermöglichen. Die Gewährleistung der Chancengleichheit verlangt nicht mehr und nicht weniger, als dass den Individuen formal die gleichen Möglichkeiten zur Verwirklichung ihrer Ziele eröffnet werden.603 Denn die Chancengleichheit ist formaler und nicht materieller Natur.604 Gerade vor dem Hintergrund dieses Wertungsgesichtspunkts erklärt es sich, dass der europäische Gesetzgeber das wesentliche Merkmal von Insidergeschäften in einem ungerechtfertigten Vorteil erachtet, den der Insider zum Nachteil unwissender Dritter erzielt (vgl. Erwägungsgrund 23 der MMVO). Versteht man diese von der Insiderrichtlinie, der Marktmissbrauchsrichtlinie sowie der MMVO und in der Rechtsprechungshistorie des EuGH als Wesensmerkmal des Insiderrechts statuierte Wertung des Schutzes vor Informationsgleichgewichten als

599

Schall, JZ 2010, 392, 397; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 92 f. Schall, JZ 2010, 392, 396 f.; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 95; vgl. Dingeldey, Insider-Handel und Strafrecht, 1983, S. 68. 601 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfG 89, 214 = NJW 1994, 36, 38; Möllers, in: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 3 Rn. 30. 602 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 308. Schall begreift die Ad-hoc-Publizitätspflicht als funktionales Äquivalent zu § 119 Abs. 2 BGB, vgl. Schall, JZ 2010, 392, 397. 603 Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 86. 604 Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 86; Klöhn, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 633, 647. 600

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

tragendes Prinzip des europäischen Insiderrechts,605 kann dieser Grundsatz nur schwerlich auf eine dienende Funktion begrenzt werden, die nur Mittel zum Zweck des übergeordneten Ziels funktionsfähiger Kapitalmärkte ist.606 Anders gewendet: Eine Beschränkung des Anlegerschutzes auf dienende Zwecke geht davon aus, dass der Schutz der informationellen Chancengleichheit der Anleger im Ergebnis nicht auf die Herstellung der Chancengleichheit der einzelnen Anleger abzielt, sondern diesen nur als Rechtsreflex oder Mittel zum Zweck bewirkt. Denn ein überindividueller Schutz des Anlegerpublikums im Sinne eines kollektiven Anlegerschutzes dient letztlich nur der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte.607 Betrachtet man den Regelungskomplex aus Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität indes als Kompensation für individualvertragliche Schutzmechanismen, kann ihnen kaum jegliche individualschützende Zielsetzung abgesprochen werden. Ein Blick auf den Ursprung des Insiderhandelsrechts in den Vereinigten Staaten von Amerika bestätigt diese Zwecke. Seit dem Urteil Cady, Roberts & Co. wurde ein Verstoß gegen das allgemeine Betrugsverbot am Kapitalmarkt in § 10(b) des Securities Exchange Act und rule 10b-5 über die Fälle von face-to-face transactions hinaus auch bei Transaktionen am anonymen Börsenmarkt für möglich gehalten.608 Durch die Rechtssache SEC v. Texas Gulf Sulphur wurde diese Auffassung mit der Erwägung bestätigt, dass rule 10b-5 auf der gerechtfertigten Annahme des gleichen Informationszugangs der Anleger zu wesentlichen Informationen beruhe.609 Unbillige und ungerechte Praktiken gelte es generell im Bereich des Aktienhandels zu unterbinden – unabhängig davon, ob es sich um ein face-to-face-Geschäft, einen over the counter-Handel oder eine Transaktion an der Börse handele.610 Teilweise wurde die These vom ausschließlichen Funktionsschutz des Insiderrechts auch mit dessen begrenztem sachlichen Anwendungsbereich begründet. Die Beschränkung des Geltungsbereichs des Insiderhandelsrechts auf Insiderpapiere, die an einem der in § 12 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG a.F. genannten Märkte gehandelt wurden oder deren Preis nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. von einem solchen Finanzinstrument abhing, wurde als mit der Zielsetzung eines individuellen An605 Vgl. Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 85 ff., 116; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Vor Art. 7 Rn. 38, Art. 14 Rn. 6. 606 So aber Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 98, 117; Mennicke, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, Vor §§ 12 – 14 Rn. 136 f.; Klöhn, Klöhn, MAR, 2018, Art. 14 Rn. 10 f. 607 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.175; Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017, § 14 Rn. 14.14; S. Schröder, Die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, 2011, S. 38. 608 In re Cady, Roberts & Co., 40 S. E.C. 907 (1961). Vgl. zur ausdrücklichen Anwendung von rule 10b-5 auf den Börsenhandel auch Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848 (2d Cir. 968). 609 Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848 f.; 851 f. (2d Cir. 968). 610 Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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legerschutzes unvereinbar erachtet.611 Mit der erheblichen Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Marktmissbrauchsrechts durch die MMVO wurde dieser Argumentation jedoch nicht nur die Grundlage entzogen. Vielmehr begründet der Verordnungsgeber die Erweiterung des Anwendungsbereichs in Erwägungsgrund 8 S. 7 der MMVO mitunter ausdrücklich mit der Verbesserung des Anlegerschutzes. Das Nebeneinander von Markteffizienz und individuellem statt bloß kollektivem Anlegerschutz mit dem Vertrauen der Anleger als Bindeglied beider Parameter zeigt sich auch in Erwägungsgrund 1 der Transparenzrichtlinie,612 wo es heißt: „Effiziente, transparente und integrierte Wertpapiermärkte tragen zu einem echten Binnenmarkt in der Gemeinschaft bei, ermöglichen eine bessere Kapitalallokation und eine Senkung der Kosten und begünstigen so das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die rechtzeitige Bekanntgabe zuverlässiger und umfassender Informationen über Wertpapieremittenten stärkt das Vertrauen der Anleger nachhaltig und ermöglicht eine fundierte Beurteilung ihres Geschäftsergebnisses und ihrer Vermögenslage. Dies erhöht sowohl den Anlegerschutz als auch die Markteffizienz.“613 Die Ermöglichung selbstverantwortlicher Anlageentscheidungen wird gerade als Grundvoraussetzung des individuellen Anlegerschutzes erachtet.614 In Anbetracht der Zweispurigkeit von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, die Anlegern eine Beurteilung der aktuellen Unternehmensentwicklung und informierte Transaktionsentscheidungen ermöglicht, wird der in der Transparenzrichtlinie statuierte Funktionsdualismus auch im Marktmissbrauchsrecht offensichtlich. Für eine Anerkennung des Anlegerschutzes als Zweck der Ad-hoc-Publizitätspflicht spricht nunmehr auch Erwägungsgrund 55 der MMVO, in dem sich die Auffassung des Verordnungsgebers widerspiegelt, eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Offenlegung von Insiderinformationen stelle eine „Beeinträchtigung des Anlegerschutzes“ dar. Dieser teleologische Hintergrund findet sich nicht nur in den Erwägungsgründen, sondern auch in Art. 1 MMVO, der über den Schutz des Kollektivs der Marktteil611

Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 14 Rn. 7. So auch Möllers, AcP 208 (2008), 1, 8 f. 613 Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, Abl. Nr. L 390 vom 31. Dezember 2004, S. 38. Deutlich wird der Funktionsdualismus und das Rangverhältnis der Schutzfunktionen auch anhand der Begründung des Regierungsentwurfs zum 2. FinMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33: „Darüber hinaus will das Gesetz das Vertrauen der Anleger durch konkrete Verbesserungen im Bereich des Anlegerschutzes erhöhen. Die Chancen des gleichberechtigten, schnellen Zugangs zu öffentlichen Informationen über die Gegenstände des Wertpapiermarkts sollen verbessert und der Umfang der zu veröffentlichenden Informationen erweitert werden. Dies sind entscheidende Vorbedingungen für ein gerechtes und effizientes Marktergebnis.“ 614 So Riesenhuber, ZBB 2014, 134, 146, der den insiderrechtlichen Anlegerschutz trotzdem als Kollektivschutz begreift. 612

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

nehmer hinaus den Anlegerschutz erstmalig expressis verbis als eigenständiges Regelungsziel des Marktmissbrauchsrechts anerkennt.615 Zwar betraf die Auslegungsfrage die Marktmissbrauchsrichtlinie sowie ihre Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG, sodass an der Aussagekraft von Erwägungsgründen und Vorschriften der MMVO für die Auslegungsfrage gezweifelt werden könnte. Der aufgezeigte teleologische Hintergrund liegt indes nicht lediglich der MMVO, sondern Insiderrecht und Ad-hoc-Publizitätspflicht per se zugrunde. Mithin ist davon auszugehen, dass Insiderrichtlinie,616 Marktmissbrauchsrichtlinie617 und MMVO trotz der mangelnden expliziten Erwähnung des Anlegerschutzes durch die erstgenannten Rechtsakte ein einheitlicher, konsistenter Zweck innewohnt,618 der durch die Normierung der MMVO eine ausdrückliche Klarstellung erfahren hat. d) Stufenverhältnis von Funktions- und Anlegerschutz Mit dieser Wertung des gesamten Regelungskomplexes ist aber nicht die Zuerkennung von Schadensersatzansprüchen an individuelle Anleger verbunden. Denn die Charakterisierung einer Norm als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB hängt darüber hinaus von der Frage ab, ob eine spezifische Vorschrift den individuellen Schutz gerade auch mit Schadensersatzansprüchen gewährleisten möchte, falls gegen sie verstoßen wird.619 Hierfür muss über die anlegerschützende Funktion hinaus die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll sowie in Anbetracht des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar sein.620 Dies ist im Hinblick auf Art. 14 MMVO sowie hinsichtlich Art. 17 MMVO allerdings zweifelhaft,621 da sich der Anlegerindividualschutz nicht auf individuelle Vermögensinteressen bezieht, sondern auf die Gewährleistung von Vertragsparität beschränkt und im Fall der Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht oder bei Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen §§ 97, 98 WpHG eine hinreichende Kompensation 615

So auch Poelzig, NZG 2016, 492, 501. Vgl. Erwägungsgrund 5 der Insiderrichtlinie. 617 Vgl. die Erwägungsgründe 2 und 12 der Marktmissbrauchsrichtlinie. Siehe aber Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2003/124/EG, der auf den Anlegerschutz abstellt. 618 I. E. auch Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 489, der das Ziel des individuellen Anlegerschutzes aus den Erwägungsgründen von Insiderrichtlinie, Marktmissbrauchsrichtlinie und MMVO herleitet. Für einen gleichrangigen Individual- und Funktionsschutz durch die Marktmissbrauchsrichtlinie ferner Decker, Ad-hoc-Publizität, 2008, S. 114. 619 Vgl. BGH, Urt. v. 8. 6. 1976 – VI ZR 50/75, BGHZ 66, 388, 390; BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276, Rn. 17 f.; BGH, Urt. v. 6. 5. 2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281, Rn. 51; BGH, Urt. v. 22. 6. 2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58, Rn. 29; BGH, Urt. v. 5. 2. 1980 – VI ZR 169/79, NJW 1980, 1792. 620 BGH, Urt. v. 8. 6. 1976 – VI ZR 50/75, BGHZ 66, 388, 390; BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276, Rn. 17 f.; BGH, Urt. v. 6. 5. 2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281, Rn. 51; BGH, Urt. v. 22. 6. 2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58, Rn. 29. 621 Dafür wohl Poelzig, NZG 2016, 492, 501; hinsichtlich Art. 14 MMVO auch Beneke/ Thelen, BKR 2017, 12, 15. 616

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ermöglichen. In der Diskussion um den Schutzzweck von Insiderrecht und Ad-hocPublizität wird häufig verkannt, dass es dem Gesetzgeber obliegt, funktional (auch) individualschützende Normen dergestalt zu fassen, dass sich aus ihnen keine deliktsrechtlichen Haftungstatbestände ergeben.622 Doch selbst eine fehlende Einräumung von Ansprüchen führt nicht dazu, dass die zweckhafte Begünstigung Einzelner und die Berücksichtigung dieser Schutzfunktion im Rahmen der Auslegung ausgeschlossen wären.623 Entscheidend ist, dass ihr hierbei das aus dem jeweiligen Regelungskontext abgeleitete Gewicht beigemessen wird. Ebenso wenig führt die Einordnung von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht als Mittel zur Herstellung von Vertragsparität zur Gleichrangigkeit der Schutzziele. Die Feststellung, dass die Gewährleistung informationeller Chancengleichheit individuellen Anlegerschutz vermittelt, negiert nicht den gleichzeitigen und möglicherweise vorrangigen Zweck des Schutzes funktionsfähiger Märkte, sondern die Beschränkung des Schutzzwecks auf diesen. Im Gegensatz zur US-amerikanischen Betrugsdogmatik ordnet der europäische Gesetzgeber den Insiderhandel als Marktmissbrauch ein (vgl. Erwägungsgrund 7 der MMVO) und legt so den Fokus auf den Marktschutz. Die Betonung der Notwendigkeit effizienter Finanzmärkte für Wirtschaftswachstum und Wohlstand624 enthält eine Wertung, die in die Abstimmung von Funktions- und Anlegerschutz miteinzubeziehen ist. Einen Schwerpunkt des Regelungszwecks der MMVO stellt wie gesehen der durch ihre Regelungen bewirkte Vertrauensschutz dar. Ausgehend von der Differenzierung des Anlegerschutzes zwischen dem Schutz der Individualinteressen und einem Kollektivschutz im Sinne eines überindividuellen Schutzes des gesamten Anlegerpublikums625 muss der Schutz des Anlegervertrauens zwar nicht auf einen Vertrauenskollektivschutz des Anlegerpublikums beschränkt werden, der in den Dienst des Funktionsschutzes gestellt ist. Denn die Herstellung formeller Chancengleichheit bezweckt wie gesehen die Gewährleistung von Vertragsparität, welche den Anleger vor Machtungleichgewichten schützt und ein funktionales Äquivalent für faktisch außer Kraft gesetzte zivilrechtliche Kernprinzipien bietet. Insoweit kommt dem Regelungskomplex auch eine individualschützende Funktion zu, die neben den Funktionsschutz tritt und sich nicht in einer dienenden Funktion erschöpfen müsste.626 Gleichwohl ist der MMVO eine Rangordnung zu entnehmen, wenn sie das durch Chancengleichheit gewonnene Anlegervertrauen als „Voraussetzung […] für Wirtschaftswachstum und Wohlstand“ begreift.627 Der europäische 622

Leisch, in: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 16 Rn. 55. Vgl. Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 106. 624 Vgl. die Erwägungsgründe 1 und 2 der MMVO. 625 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, Vor § 104 Rn. 79; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 14.141. 626 Schall, JZ 2010, 392, 396 f.; a.A. Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 98. 627 Vgl. Erwägungsgrund 2 der MMVO. 623

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Gesetzgeber verfolgt also mehrere miteinander verknüpfte Schutzzwecke, die in einem Stufenverhältnis stehen: Zur Gewährleistung von Vertragsparität wird formelle Chancengleichheit unter den Marktteilnehmern hergestellt, diese ist erforderlich für das Vertrauen der Anleger, welches wiederum eine institutionelle Grundbedingung funktionsfähiger Märkte darstellt. Die Herstellung von Vertragsparität ist nicht lediglich Mittel zum Zweck der Förderung der Funktionsfähigkeit, sondern dient autonomen Gerechtigkeitszwecken, die dem Meta-Ziel der Schaffung funktionsfähiger Märkte untergeordnet sind. Die differenzierte kapitalmarktrechtliche Ausprägung des Anlegerschutzes erschließt sich angesichts eines Vergleichs zum Recht der Anlageberatung. So bezweckt § 63 WpHG durch Reduzierung des Informationsgefälles zwischen Anleger und Wertpapierdienstleistungsunternehmen informierte Anlageentscheidungen zu ermöglichen und dient damit primär individualschützenden Zwecken.628 Auch die in der Bond-Entscheidung629 geprägten Grundsätze zur anleger- und objektgerechten Beratung wirken auf einen an den individuellen Zielen, dem Wissen, der finanziellen Situation und den spezifischen Risikopräferenzen des Einzelnen sowie den Eigenschaften und Risiken des individuellen Finanzinstruments ausgerichteten Anlegerschutz hin.630 Diese Differenzierung steigert den Anlegerschutz631 aufgrund der Abstimmung der Anforderungen an die Beratung im Einzelfall. Im Kontrast hierzu legt Art. 7 Abs. 4 MMVO weder die Beurteilungsperspektive des konkret an der Transaktion beteiligten Individuums, noch zumindest diejenige eines Durchschnittsanlegers zugrunde, sondern statuiert in Form des verständigen Anlegers einen Maßstab, der vornehmlich auf den Abbau strukturbedingter Informationsasymmetrien abzielt.632 Entgegen der Erkenntnis, dass ein derartiger Standard weder die divergierenden Bedürfnisse eines höchst heterogenen Anlegerpublikums, noch den Schutz gerade der schutzbedürftigsten, unterdurchschnittlich gebildeten Marktteilnehmer berücksichtigt,633 statuiert das Marktmissbrauchsrecht durch die Rezeption des reasonable investor test bewusst einen höheren Standard. Der Schutz der individuellen Willensbildungsfreiheit rückt hiermit in den Hinter628 So zu § 31 WpHG a.F. Möllers, in: KK-WpHG, 2. Auflage 2014, § 31 Rn. 4. Für einen gleichrangigen Funktions- und Anlegerschutz wohl Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 31 Rn. 9. Dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hiermit nicht die Qualifikation als Schutzgesetz verbunden ist, bestätigt die vorangegangenen Ausführungen. Vgl. zur Ablehnung der §§ 31 ff. WpHG a.F. als Schutzgesetz durch den BGH Wagner, in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Auflage 2017, § 823 Rn. 511 ff. 629 Vgl. BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93 (Bond-Anleihe), BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 = ZIP 1993, 1148. 630 Vgl. BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93 (Bond-Anleihe), BGHZ 123, 126, 128 f. = NJW 1993, 2433 = ZIP 1993, 1148, 1149; Clouth, ZHR 177 (2013), 212, 226 ff., 262. 631 Vgl. Fleischer, Gutachten für den 64. Deutschen Juristentag (2002), S. F 22; Clouth spricht hinsichtlich der fortgeschriebenen Bond-Rechtsprechung von einem „Instrument effektiven Anlegerschutzes“, siehe Clouth, ZHR 177 (2013), 212, 262. 632 Vgl. Assmann, ZBB 1989, 49, 56. 633 Siehe oben, Kapitel 2, A.II.1.b)cc).

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grund. Auch hierin muss eine Wertungsentscheidung des europäischen Gesetzgebers gesehen werden, der durch Insiderverbot und Ad-hoc-Publizität zwar grundsätzlich Vertragsparität zu gewährleisten sucht, sich aber durch die Wahl der Beurteilungsperspektive gegen eine Maximierung des Anlegerschutzes entscheidet. Dazu, ob dies der Verhinderung einer Informationsüberflutung, der Fokussierung auf ökonomisch relevante Informationen oder einem überschießenden Leitbild, das Anleger zu verständigen Anlageentscheidungen anhalten soll,634 geschuldet ist, äußert sich der europäische Gesetzgeber nicht. Schließlich sind Börsenkurse nicht nur für rational uninformierte, sondern für sämtliche Anleger eine wesentliche Informationsquelle. Anlegerschutz und Funktionsschutz sind insoweit tatsächlich zwei Seiten derselben Medaille, sodass die durch den Funktionsschutz gewährleisteten effizienten Marktpreise teils als wirksamster Mechanismus des Anlegerschutzes betrachtet werden.635 Der im Zweifel anzunehmende Vorrang des Funktionsschutzes lässt sich also damit begründen, dass der Funktionsschutz den „Preisschutz“ und letzterer den Anlegerschutz bewirkt. Bezieht man darüber hinaus in die Erwägungen mit ein, dass es in der Regel erhebliche Schwierigkeiten bereiten wird, einen kausalen Vermögensschaden individueller Anleger durch Insiderhandel festzustellen und dass der durch den Funktionsschutz bewirkte „Preisschutz“ Anlegern auch im Rahmen der §§ 97, 98 WpHG zugutekommt, lässt sich für das europäische Insiderrecht und das Recht der Ad-hocPublizitätspflicht ein Rangverhältnis zwischen Funktions- und Anlegerschutz zu Gunsten des erstgenannten Schutzzwecks konstatieren. Neben dem vorrangigen Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte besteht zwar kein über den Inhalt der §§ 97, 98 WpHG hinausgehender Schutz der Anleger im Sinne ihrer individuellen Vermögensinteressen. Geschützt werden Anleger aber insoweit, als dass Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität die Gewährleistung von Vertragsparität bezwecken. Anlegerschutzerwägungen sind damit im Ergebnis auslegungserheblich, wobei ein Stufenverhältnis von Funktionsschutz als primärem und Anlegerschutz als sekundärem Schutzziel existiert.636 2. Intensität der funktionsschutzmindernden Wirkung eines extensiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung Nachdem das Rangverhältnis von Funktions- und Anlegerschutz im Insiderrecht und dem Recht der Ad-hoc-Publizität herausgearbeitet wurde, muss sich die Un634

So Black, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1493, 1505 f. (2013). Vgl. Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 182. 636 So hinsichtlich der Zielsetzung des Gesetzgebers des WpHG Hopt, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, § 107 Rn. 6; hinsichtlich der Ziele der Gesetzgeber der Insiderrichtlinie und des WpHG Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.459; vgl. ferner Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 99. 635

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tersuchung nunmehr dem Ausmaß der funktionsschutzmindernden Wirkung eines extensiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung zuwenden. a) Relativierung der funktionsschutzmindernden Wirkung Im Ausgangspunkt lässt die generelle Einordnung von Informationen als Insiderinformationen, von denen nicht vorhergesagt werden kann, ob sich bei öffentlichem Bekanntwerden der Informationen der Kurs nach oben oder unten bewegen würde, vorbehaltlich der aus dem Gedanken der Informationsüberflutung abgeleiteten Folgen keine funktionsschutzmindernde Wirkung erkennen. Da derartige Informationen nach den vorliegend zugrunde gelegten kapitalmarkttheoretischen Modellen keinen Einfluss auf den Aktienkurs haben sollten, bliebe mangels Bewertungsrelevanz der Information lediglich die Anpassung des Börsenkurses an einen geänderten Fundamentalwert aus. Die Einordnung derartiger Informationen als Insiderinformationen mit den Folgen des Eingreifens der Art. 14, 17 MMVO verhielte sich insofern neutral zum Funktionsschutzziel. aa) Abhängigkeit der Intensität der Negativfolgen vom Verlust der tatbestandsbegrenzenden Funktion Funktionsschutzmindernde Auswirkungen lassen sich aber aus der Expansionstendenz des extensiven Verständnisses folgern, die zu einer Informationsüberflutung und den hiermit verbundenen kontraproduktiven Folgen für die Effizienz des Marktes führen könnte. Indes fällt eine verallgemeinerungsfähige Bestimmung des Punktes schwer, bei dem der Grenznutzen der Information überschritten ist und die Publizierung zusätzlicher Informationen zu einer Minderung der Entscheidungsqualität führt.637 Annahmen, die bei Zugrundelegung eines extensiven Verständnisses von einer Informationsüberflutung der Marktteilnehmer und damit der Überschreitung dieses Grenzpunktes ausgehen und die Vorzugswürdigkeit des restriktiven Verständnisses ausschließlich hiermit begründen, bewegen sich im Bereich der Hypothesen. Insofern besteht also nur eine abstrakte Gefahr der funktionsschutzmindernden Wirkung eines extensiven Verständnisses des Urteils. Praktische Folgen beschränken sich indes nicht auf die Gefahr einer Informationsüberflutung. Unter der Prämisse einer Unvereinbarkeit des extensiven Verständnisses der Entscheidung mit der Theorie des Handelsanreizes und dem Tatbestand des Art. 7 Abs. 1, 4 MMVO bringt dieses ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit und eine Unvorhersehbarkeit von Publizitätsverpflichtungen mit sich.638 Damit hängt die Intensität der Negativauswirkung wesentlich vom Verlust der tatbestandsbegrenzenden Funktion ab, die aus dem extensiven Verständnis gefolgert 637

Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 9. Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238; Dompé/Mennesson, JCP E 2015, 219; vgl. Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; Klöhn, ZIP 2014, 945, 951. 638

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wird. Die verbleibende Selektionswirkung des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit bestimmt, inwieweit sich tatsächlich Rechtsunsicherheit, Publizitätskosten der Emittenten und Analysekosten professioneller Marktteilnehmer erhöhen und sich die infolge der Informationsüberflutung eintretende Verringerung der Fundamentalwerteffizienz mittelbar negativ auf die Allokationseffizienz des Marktes auswirkt. Damit erlangt die tatbestandliche Vereinbarkeit eines extensiveren Verständnisses der Lafonta-Entscheidung mit dem Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit unter Beibehaltung der Eingrenzungswirkung zentrale Bedeutung für die Bestimmung der funktionsschutzmindernden Intensität. Das extensive Verständnis der Lafonta-Entscheidung wird in der Literatur einhellig als mit dem Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit und der Theorie des Handelsanreizes unvereinbar erachtet.639 Für die Hinterfragung dieser Annahme ist es notwendig, die betreffenden Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs zu rekapitulieren. Der EuGH führt diesbezüglich aus, „dass Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124 ebenso wie ihr Art. 1 Abs. 1 nicht verlangt, dass es die Information erlaubt, die Richtung zu bestimmen, in die sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente ändern wird. Eine erteilte Information kann nämlich von einem verständigen Anleger als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung genutzt werden und daher der in Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie aufgestellten Bedingung genügen, auch wenn diese Information es nicht erlaubt, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen.“640 Im Wesentlichen konzentriert sich die Kritik am extensiven Verständnis der Lafonta-Entscheidung auf den hiermit verbundenen Verzicht auf das Erfordernis des Handelsanreizes und den daraus folgenden Verlust von Selektionswirkung des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit.641 Das Resultat eines derartigen Verständnisses sei nämlich, dass jede Möglichkeit einer erheblichen Kursbeeinflussung unabhängig von ihrer Wahrscheinlichkeit den Tatbestand der Insiderinformation erfüllen könnte.642 Zusammengefasst lautet die Befürchtung derjenigen, die im Anlegerschutz kein oder ein im Fall Lafonta untergeordnetes Ziel sehen, dass lediglich aus Anlegerschutzgesichtspunkten entscheidungserhebliche Informationen, deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich aus Funktionsschutzerwägungen 639 Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; Voß, BB 2015, 788; C. Schröder, GPR 2015, 246, 247; Klöhn, NZG 2015, 809, 814 f.; Nietsch, WuB 2015, 327, 328; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104; wohl auch Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238.; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 43, 53. 640 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 34. 641 Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; Nietsch, WuB 2015, 327, 328; Klöhn, NZG 2015, 809, 815. 642 Klöhn, NZG 2015, 809, 814 f.; vgl. Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16, der für entscheidend hält, „ob überhaupt eine erhebliche Kursauswirkung auf den Aktienkurs erwartet werden kann“, wobei hiermit wohl nicht auf die Berechnung des Erwartungswerts Bezug genommen wird, sondern die Formulierung im untechnischen Sinne zu verstehen ist.

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nicht indiziert ist, vom Tatbestand erfasst würden.643 Andererseits wird kritisiert, dass hierüber hinaus für die Anlageentscheidung gänzlich irrelevante Informationen in den Tatbestand einbezogen würden.644 bb) Abhängigkeit der Intensität der Negativfolgen von der Summe unvorhersehbarer Marktreaktionen Maßgeblich ist jedoch nicht nur, inwieweit sich die aus Anlegerschutzgesichtspunkten relevanten Informationen unter gleichzeitiger Erhaltung der Selektionswirkung der Kurserheblichkeit tatbestandlich von entscheidungsunerheblichen Informationen trennen lassen. Die verbleibende Intensität der funktionsschutzmindernden Wirkung eines extensiven Verständnisses hängt vielmehr auch wesentlich von der Häufigkeit ab, in denen die Vorhersage der Auswirkung einer Information auf die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente nicht möglich ist, diese aus Anlegerschutzgesichtspunkten aber gleichwohl in den Tatbestand einbezogen werden sollte. Derartige Sachverhalte werden jedoch Einzelfälle besonders unvorhersehbarer Marktreaktionen darstellen, da sich in aller Regel bei Berücksichtigung aller Informationen und empirischer Erkenntnisse vergleichbarer Konstellationen die Richtung der Kursentwicklung prognostizieren lassen wird.645 So existieren beispielsweise empirische Untersuchungen, die verschiedene Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Bieteraktie bei der Ankündigung von Übernahmen untersuchen.646 Jüngst wurde etwa ein Zusammenhang des erwarteten Erfolgs einer M&ATransaktion mit der Aktionärskonzentration und der Aktionärsidentität des akquirierenden Unternehmens festgestellt, der sich im Nachfrageverhalten der Marktteilnehmer im Hinblick auf die Bieteraktie entsprechend niederschlug.647 Derartige empirische Erkenntnisse werden in der Regel dazu beitragen, dass sich nicht nur potentielle Marktreaktionen auf die Ankündigung von M&A-Transaktionen, sondern auch die Kursauswirkungen in sonstigen Fällen, in denen diese schwer vorherzusagen sind, jedenfalls der Tendenz nach besser prognostizieren lassen. b) Tatbestandliche Vereinbarkeit des extensiven Verständnisses de lege lata Die funktionsschutzmindernde Wirkung des extensiven Verständnisses hängt mithin maßgeblich von dessen tatbestandlicher Vereinbarkeit mit geltendem Recht 643 Vgl. Zetzsche, AG 2015, 381, 385; Klöhn, NZG 2015, 809, 814; Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238. 644 Vgl. Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16. 645 So auch Binder, RdF 2015, 159, 160; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 106; vgl. del Forno/de Margerie, RTDF 2015, 44, 47 f.; vgl. Klöhn, ZIP 2014, 945, 947; vgl. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 117. 646 Vgl. etwa die Ergebnisse von Fuller/Netter/Stegemoller, 57 J. Fin 1763, 1792 (2002). 647 Jesse/Mehlhorn, CF 2016, 278, 281 f.

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unter weitestmöglicher Beibehaltung der Abgrenzungswirkung des Tatbestandsmerkmals ab. Art. 7 Abs. 1 MMVO verlangt die Eignung der betreffenden Information, den Kurs von Finanzinstrumenten oder den Kurs von mit dem betreffenden Finanzinstrument verbundenen derivativen Finanzinstrumenten erheblich zu beeinflussen. Dem Wortsinn nach müssten hierunter auch Informationen fallen, die erhebliche Kursauswirkungen in beide Richtungen nach sich ziehen können, da der Wortlaut den Informationen lediglich das Potential abverlangt, erhebliche Kursausschläge zu verursachen. Nichts anderes ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 MMVO, denn bei den für eine Anlageentscheidung erforderlichen Erwägungen entspräche es verständigem Verhalten, die wahrscheinliche Abweichung einer zukünftigen Rendite von der erwarteten Rendite und damit ein wesentliches Risikokriterium miteinzubeziehen. aa) Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle Zentral für die tatbestandsbegrenzende Funktion ist das Erfordernis der „Erheblichkeit“ der Kursbeeinflussung. Die Erheblichkeit der Kursbeeinflussung wird nahezu einhellig mit der Frage gleichgesetzt, ob der verständige Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde.648 (1) Überschreitung der Volatilitätsgrenzen Keine Lösung für die Problematik bieten de lege lata Konzepte, die die Kurserheblichkeit abschließend anhand zuvor berechneter Volatilitätsgrenzen bestimmen wollen. So wurde teilweise gefordert, für die Ermittlung der Erheblichkeitsschwelle müsse die Volatilität eines Finanzinstruments berücksichtigt werden, sodass es darauf ankomme, dass die Kursveränderung die Ober- und Untergrenze des üblichen Renditeschwankungsbereichs des Finanzinstruments überschreite.649 Mit Einführung des Beurteilungsmaßstabs des verständigen Anlegers kommt es aber gerade nicht auf die Überschreitung objektiver Schwellenwerte an.650 Gleichwohl kann die Volatilität eines Finanzinstruments zumindest im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung finden.651 648

Statt aller Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 131. Loesche, Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, 1998, S. 149 ff.; Loesche, WM 1998, 1849, 1852; Loesche/Eichner/Stute, AG 1999, 308, 309 ff.; vgl. auch Grundmann, in: EBJS, HGB, 3. Auflage 2015, Rn. VI 89; vgl. Kumpan, in: Baumbach/Hopt, HGB, 38. Auflage 2018, Art. 7 MAR Rn. 8, der nunmehr aber zugleich das kapitalmarkttheoretische Anlegerleitbild zu vertreten scheint. 650 Vgl. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 146; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 131 ff.; a.A. Grundmann, in: EBJS, HGB, 3. Auflage 2015, Rn. VI 89. 651 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 132; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 59. 649

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(2) Theorie des Handelsanreizes Zweifelhaft ist daher, ob sich ein extensives Verständnis der Lafonta-Entscheidung mit der Theorie des Handelsanreizes vereinbaren lässt. Die Theorie des Handelsanreizes wird von der BaFin652 und dem Schrifttum653 aus der gesetzgeberischen Wahl des subjektiven Ansatzes durch die Statuierung der Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers gefolgert. Europarechtlich determiniert ist zwar lediglich der in Art. 7 Abs. 4 MMVO normierte subjektive und einzelfallbezogene Maßstab des verständigen Anlegers. Das Erfordernis eines Handelsanreizes dient aber der Konkretisierung und tatbestandlichen Begrenzung dieses Maßstabs, der sich ohne eine solche nur schwerlich konturieren lässt und die Gefahr einer allzu extensiven Auslegung des Tatbestands in sich birgt. Im Ausgangspunkt steht fest, dass nach dem restriktiven Verständnis der LafontaEntscheidung firmenspezifische Volatilitätsinformationen, die den Emittent einer Aktie betreffen, kurserheblich für Derivate sind, deren Werte von der volatilen Aktie abhängen. Für die Vereinbarkeit des extensiven Verständnisses ist deshalb maßgeblich, ob derartigen Informationen darüber hinaus Kurserheblichkeit für die volatile Aktie selbst beigemessen werden kann. (a) Verkaufsanreiz hinsichtlich der volatilen Aktie aufgrund des gesteigerten Risikos Dies ließe sich hinsichtlich solcher Informationen erwägen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer erheblichen Kursreaktion führen werden. Die Richtung des Kursausschlags kann aber deshalb nicht prognostiziert werden, weil die hohe Komplexität der Finanzmärkte eine exakte Einschätzung der Kursauswirkung unmöglich macht. Die Reaktion der Marktteilnehmer lässt sich nur kapitalmarkttheoretisch unter Unterstellung homogener Erwartungen genau prognostizieren, kann tatsächlich aber erheblich hiervon abweichen. Ein Handelsanreiz müsste sich mithin im Hinblick auf die Anlageentscheidung für oder gegen das volatile Finanzinstrument und dem sich hieraus ergebenden erhöhten Risiko herleiten lassen. Aus der Perspektive des das volatile Finanzinstrument haltenden Anlegers ließe sich ein Verkaufsanreiz vor dem Hintergrund begründen, dass dieser in Anbetracht der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Abweichung der zukünftigen von der erwarteten Rendite das Finanzinstrument veräußern würde, weil das mit dem Halten des Finanzinstruments verbundene Risiko der Risikoaversion individueller Anleger entgegenstehe. Ein derartiges Verständnis des 652

BaFin, Emittentenleitfaden 2013, Ziff. III.2.1.4., S. 35. Siehe etwa Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 161; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 65; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 54; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.503; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 60. 653

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Verkaufsanreizes lässt sich allerdings nur scheinbar mit der Theorie des Handelsanreizes vereinbaren: Der Verkaufsanreiz beruht gerade nicht darauf, dass das Geschäft dem Anleger lohnend erscheint und dieser nach Abzug der Transaktionskosten einen Gewinn erwarten kann. Vielmehr ist zweifelhaft, ob die erhöhte Volatilität einen Verkaufsanreiz auf den verständigen Anleger ausüben würde, da das erhöhte Risiko auch Ausdruck der Möglichkeit positiver Abweichungen von der erwarteten Rendite ist und der Anleger für die Veräußerung des volatilen Finanzinstruments Transaktionskosten aufwenden müsste. Versteht man das Erfordernis des Handelsanreizes übereinstimmend mit der BaFin und der Literatur dahingehend, dass die Information einen Kauf- oder Verkaufsanreiz ausüben und das Geschäft dem verständigen Anleger lohnend erscheinen muss, lässt sich aus der Information durch den Erwerb oder Verkauf des volatilen Finanzinstruments kein Kapital schlagen. Denn ein Kauf- oder Verkaufsanreiz setzt die Prognostizierbarkeit der Richtung der Kursauswirkung voraus, sodass die Transaktion für den Anleger nicht lohnend erscheint.654 (b) Zwischenergebnis Das extensive Verständnis der Lafonta-Entscheidung ist mit dem im herkömmlichen Sinn verstandenen Erfordernis eines Handelsanreizes der Information unvereinbar. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich aus der Erhöhung des unsystematischen Risikos ein Verkaufsanreiz folgern lässt. (3) Handelshemmung Den Kern der vorstehenden Überlegungen bildet die aus dem erhöhten unsystematischen Risiko abgeleitete Entscheidungserheblichkeit. „Preisschutz“ kann Anlegern dort nicht zuteilwerden, wo die Kapitalmarkttheorie mangels Bewertungsrelevanz eines Umstands keine Veränderung des Börsenkurses impliziert, weil eine Information weder auf eine Änderung der erwarteten ausschüttungsfähigen cash flows schließen lässt, noch der geänderte Risikograd den Diskontierungszinssatz beeinflusst, da sich Anleger firmenspezifische Risiken nach dem CAPM nicht vergüten lassen. (a) Keine Notwendigkeit einer Verhaltensänderung Im Rahmen des rechtsvergleichenden Blicks auf den US-amerikanischen reasonable investor-Standard wurde herausgearbeitet, dass es verständigem Verhalten entsprechen kann, der Information über ein gewisses Ereignis oder über dessen Eintrittswahrscheinlichkeit in persönlichen Erwägungen tatsächliche Bedeutung 654

So auch soweit ersichtlich das einstimmige Urteil des Schrifttums, vgl. Hitzer, FAZ Nr. 77 v. 1. 4. 2015, S. 16; Voß, BB 2015, 788; C. Schröder, GPR 2015, 246, 247; Binder, RdF 2015, 159, 160; Klöhn, NZG 2015, 809, 814 f.; Nietsch, WuB 2015, 327, 328; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104; wohl auch Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238.

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beizumessen und diese anschließend dafür zu nutzen, von einem Verhalten abzusehen. In Übereinstimmung mit den Vorgaben des in Art. 7 Abs. 4 MMVO verankerten subjektiven Ansatzes kann eine Information also dergestalt als Teil der Grundlage der Anlageentscheidung genutzt werden, dass die Erwägungen zu dem Ergebnis führen, von einer Transaktion abzusehen und sich passiv zu verhalten. Die „Anlageentscheidung“ erfasst also nicht nur die Entscheidung „Kauf“ oder „Verkauf“, sondern auch die bewusste Entscheidung potentieller und das betreffende Finanzinstrument bereits haltender Anleger gegen eine Investition in das Finanzinstrument oder die Erhöhung des Aktiendepots. Abhängig von den Anlagezielen des Anlegers kann die Kenntnis eines erhöhten Risikos bei der Anlageentscheidung eine Hemmschwelle erzeugen, die nicht zwangsläufig zu einer Verhaltensänderung im Sinne eines Absehens vom Erwerb der volatilen Aktie führen, aber in den Erwägungen für oder gegen die Transaktion eine Rolle spielen muss. (b) Ergänzung der Theorie des Handelsanreizes Mit der Anerkennung einer derartigen Handelshemmung als für das Anlageverhalten entscheidungserheblichen Faktor geht indes nicht wie vielfach befürchtet die zwangsläufige Aufgabe der Notwendigkeit eines Handelsanreizes einher. Vielmehr kann die Theorie des Handelsanreizes unverändert zur Anwendung gelangen, da sich regelmäßig bei Auswertung aller Umstände des Einzelfalls die Richtung der Kursauswirkung bestimmen werden lässt. Lediglich für diejenigen Einzelfälle, in denen aufgrund unvorhersehbarer Markreaktionen empirische Erfahrungswerte und die Auswertung aller verfügbaren Informationen keine eindeutige Bestimmung der Richtung der Kursentwicklung zulässt, tritt der Gedanke der Handelshemmung als für das Anlageverhalten entscheidungserhebliche Determinante neben die Frage nach dem Vorliegen eines Handelsanreizes. Maßgeblich hierfür ist nicht, ob die statistische Auswertung bisheriger Kursreaktionen zu sich entsprechenden Wahrscheinlichkeitswerten positiver und negativer Kursreaktionen führt. Entscheidend ist vielmehr, ob nach Auswertung aller verfügbaren Informationen und der allgemeinen Erfahrung655 eine bestimmte Richtung der Kursentwicklung prognostiziert werden kann, weil diese typischerweise mit der Art des Ereignisses verbunden ist, oder ob sich diese in Anbetracht regelmäßig voneinander abweichender Marktreaktionen vernünftigerweise nicht vorhersehen lässt. (c) Erfordernis der „Erheblichkeit“ Hiermit beschränkt sich der Verlust der tatbestandsbegrenzenden Funktion auf diejenigen Einzelfälle, in denen nicht vorhergesagt werden kann, ob der Kurs eines Finanzinstruments bei öffentlichem Bekanntwerden der Information steigen oder fallen würde. Gleichwohl gilt es, die hiermit verbundene Ausweitungstendenz auf Sachverhalte einzuschränken, in denen zum einen mit einer erheblichen Kursbe655 Vgl. BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 29.

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einflussung zu rechnen ist, zum anderen das Risiko dieser erheblichen Kursbeeinflussung hinreichend hoch ist, als dass es durch den verständigen Anleger im Rahmen seiner Anlageentscheidung berücksichtigt werden würde.656 Denn ein grundsätzliches Risiko von Kursschwankungen ist stets einzukalkulieren657 und vom Anleger zu tragen. Diese Begrenzung des Anlegerschutzes ist notwendig, um die funktionsschutzmindernde Wirkung des extensiven Verständnisses einzuschränken und einen schonenden Ausgleich zwischen Funktions- und Anlegerschutz herzustellen. Mit anderen Worten dürfen nur solche Informationen eine Handelshemmung ausüben, die trotz der Unvorhersehbarkeit der Richtung der Kursentwicklung die Erheblichkeitsschwelle überschreiten und bei denen die Wahrscheinlichkeit einer erheblichen negativen oder positiven Kursauswirkung in der Summe die Wahrscheinlichkeit des gänzlichen Ausbleibens einer erheblichen Kurreaktion übersteigt. Eine Information, die es nicht erlaubt, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen, ist mithin nur dann aufgrund einer Handelshemmung kurserheblich, wenn mit der Anlageentscheidung ein derartig hohes Risiko verbunden ist, dass es einen verständigen Anleger zum Absehen von der Transaktion bewegen könnte. Da mit der Öffnung des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit für Informationen, die keinen Handelsanreiz auslösen, die Gefahr des Verlusts von tatbestandsbegrenzender Wirkung verbunden ist, können nur solche Informationen Insiderinformationen darstellen, die ein erhebliches Risiko begründen, welches zudem hinreichend wahrscheinlich sein muss. Ein „erhebliches“ Risiko begründen nur solche Informationen, bei denen eine erhebliche Schwankungsbreite der zukünftigen Renditen möglich ist. Notwendig ist daher, dass die Kursausschläge in beide Richtungen für sich genommen die Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Aufgrund des subjektiven Ansatzes ist ein Rückgriff auf feste Schwellenwerte wie die Ober- und Untergrenze des üblichen Renditeschwankungsbereichs des Finanzinstruments zwar nicht möglich, aber auch nicht erforderlich. Denn hierfür kann wiederum auf die anerkannte Theorie des Handelsanreizes zurückgegriffen werden: Sowohl der mögliche Kursanstieg des Finanzinstruments als auch der ebenso wahrscheinliche Kursrückgang müssten bei separater Betrachtung jeweils für sich genommen einen Kauf- oder Verkaufsanreiz ausüben, mithin nach Abzug der Transaktionskosten die Erzielung eines sicheren Gewinns erwarten lassen. Durch diese hypothetische Einzelbetrachtung des möglichen positiven wie auch des möglichen negativen Szenarios ist gewährleistet, dass nicht bereits geringe Kursauschläge als kurserheblich einzuordnen sind, sondern nur erhebliche Marktreaktionen zur Bejahung des Tatbestands führen. Diese separate Betrachtungsweise ist notwendig, weil die Verrechnung von positiven und negativen Erwartungswerten für den Sonderfall unvorhersehbarer Marktreaktionen nicht 656 Vgl. Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 353: „Ebenfalls nicht notwendig ist es, dass schon feststeht, in welche Richtung die erhebliche Kursbeeinflussung zu erwarten ist, solange eine erhebliche Kursbeeinflussung zu erwarten ist.“ (Hervorhebung im Original). 657 Assmann, AG 1994, 237, 244.

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weiterführt. Eine dergestalt verstandene Erheblichkeitsschwelle wird nicht nur der aus dem Gedanken der Handelshemmung abgeleiteten Entscheidungserheblichkeit der Information gerecht. Gleichzeitig trägt sie dem Umstand Rechnung, dass sich durch den Einsatz von Finanzderivaten wie long straddles erst dann von der Volatilität der Referenzaktie profitieren lässt, wenn der Ausübungspreis über der an den Optionsverkäufer zu entrichtenden Prämie liegt, die möglichen Kursausschläge also erheblich sind.658 Noch nicht sichergestellt ist hiermit, dass das Tatbestandsmerkmal nur bei hinreichender Wahrscheinlichkeit der erheblichen Kursbeeinflussung zu bejahen ist. Diesem Erfordernis wird allerdings durch die Notwendigkeit einer Prognosebeurteilung hinreichend Rechnung getragen,659 welche Informationen, die lediglich Kursausschläge unter der Erheblichkeitsschwelle verursachen, aus dem Tatbestand aussondert. bb) Erfordernis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit Hinsichtlich der ex ante anzustellenden Prognose kann für die „Eignung“ der Information zur erheblichen Kursbeeinflussung nicht bereits die bloße Möglichkeit ausreichen.660 Denn bei den vorliegend zu beurteilenden firmenspezifischen Volatilitätsinformationen besteht die Besonderheit, dass die Entscheidungserheblichkeit der Information nicht aus einer Änderung des Fundamentalwerts des volatilen Finanzinstruments, sondern vornehmlich aus dem erhöhten mit der Investition verbundenen Risiko gefolgert wurde. Da bei der Kapitalanlage aber stets gewisse Risiken in Betracht zu ziehen sind,661 eine Informationsüberflutung weitestgehend zu vermeiden ist und es die tatbestandsbegrenzende Funktion der Kurserheblichkeit zu wahren gilt, kann für die hiesigen Sonderfälle auf eine Mindestwahrscheinlichkeit erheblicher Kursauswirkungen nicht verzichtet werden. Vielmehr ist erforderlich, dass eine erhebliche Kursveränderung eher eintreten als nicht eintreten wird, also in 658

Dieses Verständnis hat zur Folge, dass Informationen, denen sich entnehmen lässt, dass der Kurs eines Finanzinstruments A schwächer schwanken wird, als vom Markt erwartet, nicht als kurserheblich für Finanzinstrument A einzuordnen sind und dementsprechend grundsätzlich keine Ad-hoc-Pflicht für den Emittenten dieses Finanzinstruments begründen. Dieses Ergebnis ist die Konsequenz aus der Tatsache, dass die Entscheidungserheblichkeit von Volatilitätsinformationen nach dem vorliegenden Verständnis aus dem erhöhten Risiko abzuleiten ist. Derartigen Informationen kann gleichwohl Kurserheblichkeit für ein von A abhängiges Finanzderivat B zukommen, sodass auch hier das Verbot von Insidergeschäften und eine Ad-hocPflicht des Emittenten von B eingreift, sofern sich die Information in seinem Wissensbereich befindet. 659 Hierzu sogleich, Kapitel 3, C.IV.2.b)bb). 660 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 137; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 60; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 125; Büche, Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, 2005, S. 194; Dirigo, Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Publizität, 2011, S. 63. 661 Assmann, AG 1994, 237, 244.

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Gesamtschau der möglichen positiven und negativen Kursauswirkungen von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (> 50 Prozent) einer erheblichen Kursreaktion auszugehen ist.662 Dies erfordert allerdings nicht eine reine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Sinne der Berechnung der statistischen prozentualen Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern vielmehr eine Orientierung anhand der Regeln der allgemeinen Erfahrung.663 Von vornherein aus dem Tatbestand auszunehmen sind mithin solche firmenspezifische Volatilitätsinformationen, bei denen eine erhebliche Kursreaktion per se nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Eine Information, die es nicht erlaubt, die Richtung zu bestimmen, in die sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente ändern wird und bei der ex ante davon auszugehen ist, dass eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent oder mehr besteht, dass es zu keiner erheblichen Kursbeeinflussung kommen wird, ist nicht kurserheblich.664 Andernfalls könnte das Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit seiner wesentlichen Funktion als Selektionskriterium zum Ausschluss von Bagatellfällen nicht mehr gerecht werden. Hiernach bewirkt die vorzunehmende Prognosebeurteilung, dass nicht jede Möglichkeit einer erheblichen Kursbeeinflussung unabhängig von ihrer Wahrscheinlichkeit den Tatbestand der Insiderinformation erfüllen kann und der Kapitalmarkt mit Informationen überflutet wird, die nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erhebliche Kursreaktionen verursachen.

662 Vgl. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 137; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.501; Sethe, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Auflage 2015, § 8 Rn. 69; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 248; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 60; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 603; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 50; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 125. Hiermit ist nicht erforderlich, dass bei der Existenz verschiedener möglicher Kursreaktionen nur solche Szenarien berücksichtigt werden dürfen, die für sich genommen überwiegend wahrscheinlich sind. Erforderlich ist, dass eine erhebliche Kursbeeinflussung in der Gesamtschau aller relevanten Umstände und Szenarien überwiegend wahrscheinlich erscheint. Siehe auch die englische Sprachfassung von Art. 7 Abs. 1 lit. a) MMVO, deren Wortlaut nicht die „Eignung“ der Information zur erheblichen Kursbeeinflussung, sondern deren Wahrscheinlichkeit hierzu verlangt: „information of a precise nature […] which, if it were made public, would be likely to have a significant effect on the prices of those financial instruments or on the price of related derivative financial instruments.“ 663 Vgl. BGH, Beschl. v. 23. 4. 2013 – II ZB 7/09 (Geltl/Daimler AG), NJW 2013, 2114 = ZIP 2013, 1165 = NZG 2013, 708 = AG 2013, 518 = ZBB 2013, 260, Rn. 29 zur Auslegung von § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG a.F., die auch für die vorliegenden Zwecke herangezogen werden soll; vgl. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 58. 664 Vgl. Zetzsche, AG 2015, 381, 385. Von einer derartigen Wahrscheinlichkeitsverteilung geht Klöhn, NZG 2015, 809, 812 ff. im Lafonta-Sachverhalt aus und gelangt konsequenterweise zur Verneinung der Kurserheblichkeit; vgl. aber ferner die Untersuchungen Klöhns zur Kursreaktion von Bieter-Aktien nach öffentlicher Ankündigung von Übernahmen und Beteiligungskäufen, Klöhn, ZIP 2014, 945, 946; Klöhn, CMLJ 10 (2015), 162, 164 f.

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cc) Zwischenergebnis Ein nach den vorstehenden Maßstäben begriffenes extensives Verständnis der Lafonta-Entscheidung, das die Möglichkeit der Kurserheblichkeit firmenspezifischer Volatilitätsinformationen anerkennt, erweist sich als tatbestandlich vereinbar mit Art. 7 Abs. 1, 4 MMVO. Durch die Einbeziehung von Informationen in den Tatbestand, die Anleger infolge einer Änderung der Risikobeurteilung hemmen könnten, eine Transaktion zu vollziehen, kann der herausgearbeiteten Entscheidungserheblichkeit dieser Informationen Rechnung getragen werden. Die Einbeziehung derartiger Informationen lässt sich nicht unter das von der Literatur und der Verwaltung vertretene Erfordernis eines Handelsanreizes fassen, verhält sich aber gleichwohl konform mit dem europarechtlich determinierten, in Art. 7 Abs. 4 MMVO verankerten subjektiven Ansatz. Durch die exklusive Beschränkung des aufgezeigten Lösungsmodells auf die Einzelfälle von Informationen, bei denen sich aufgrund der Unvorhersehbarkeit von Marktreaktionen die Richtung der Kursentwicklung nicht eindeutig bestimmen lässt, bleibt die tatbestandsbegrenzende Funktion der Theorie des Handelsanreizes gewahrt. Die Anknüpfung an die Theorie des Handelsanreizes für die Bestimmung der Erheblichkeit möglicher gegensätzlicher Kursreaktionen beschränkt die Modifikation der derzeitigen Auslegung durch die Zugrundelegung eines anerkannten Kriteriums auf ein Minimum. Hierdurch wird zudem gewährleistet, dass nicht jedwede Information, deren Kursauswirkung empirisch und prognostisch nicht hinreichend abgesichert ist, zur Erfüllung des Tatbestands führt, sondern nur solche Informationen, die erhebliche Kursauschläge bewirken können und damit ein erhebliches Risiko begründen. Das Erfordernis der „Eignung“ der Information zur erheblichen Kursbeeinflussung stellt sicher, dass nur solche Informationen als kurserheblich gelten, bei denen die aus erheblicher positiver und erheblicher negativer Marktreaktion summierte Eintrittswahrscheinlichkeit höher ist, als die Wahrscheinlichkeit unerheblicher oder gänzlich ausbleibender Kursreaktionen. Dies beugt einer extensiven Auslegung der Kurserheblichkeit vor, wie sie vom UK Upper Tribunal in der Entscheidung Massey v. FSA vertreten wurde, das der Wahrscheinlichkeit deshalb keine Bedeutung beimaß, weil es vom Vorrang des spezielleren reasonable investor test ausging. c) Folgerung für die Intensität der funktionsschutzmindernden Wirkung eines extensiven Verständnisses Die grundsätzliche tatbestandliche Vereinbarkeit des nach dem unterbreiteten Konzept modifizierten extensiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung mit geltendem Recht unter moderater Ergänzung des derzeitigen Forschungsstands beschränkt die Intensität der funktionsschutzmindernden Wirkung in zweifacher Hinsicht. Durch den aufgezeigten Ansatz wird erstens die Expansionstendenz der Entscheidung relativiert, was einerseits aufgrund einer Entgegenwirkung der In-

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formationsüberflutung kontraproduktive Auswirkungen auf operationale und allokative Effizienz minimieren und andererseits das Maß an Rechtsunsicherheit mindern sollte. Zweitens gewährleistet die Auslegung die Anlegergleichbehandlung, stärkt hierdurch das Vertrauen in die Marktintegrität und fördert letztlich die institutionelle Effizienz des Kapitalmarkts. Negativfolgen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts sind zwar nicht vollständig ausgeschlossen, da das extensive Verständnis eine Erweiterung des Kreises kurserheblicher Informationen und eine Ergänzung der Theorie des Handelsanreizes notwendig macht, was zwangsläufig eine Zunahme veröffentlichungspflichtiger Sachverhalte mit sich bringt. Ob mit einer derart maßvollen Erweiterung des Anwendungsbereichs indes tatsächlich negative Auswirkungen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts einhergehen, bleibt zu bezweifeln. 3. Intensität der anlegerschutzmindernden Wirkung eines restriktiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung a) Chancengleichheit durch Ermöglichung informierter Anlageentscheidungen Anlegerschutzmindernde Auswirkungen eines restriktiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung resultieren insbesondere aus der bruchstückhaften Veröffentlichung von Informationen, die es nicht erlauben, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen. Schutzlücken wurden für solche Sachverhalte festgestellt, in denen der Inhaber von Insiderinformationen und der Emittent von derivativen Finanzinstrumenten personenverschieden sind. Reflexiver Schutz über die Anpassung des Preises des Finanzinstruments dürfte den Anlegern wie gesehen deshalb nicht zuteilwerden, weil sich firmenspezifische Volatilitätsinformationen nach der Portfoliotheorie und dem CAPM gerade nicht im Börsenkurs widerspiegeln sollten. Ohnehin spricht die empirisch gestützte Erkenntnis, dass die ECMH und ihre Prämissen Grenzen unterliegen dafür, dass sich der Anlegerschutz nicht auf einen unvollkommenen reflexiven Preisschutz beschränken sollte. Eigenverantwortliche, informierte Transaktionsentscheidungen sollten ungeachtet der Tatsache ermöglicht werden, dass eine Vielzahl der Anleger rational uninformiert bleibt, da dies zur Herstellung formaler Chancengleichheit beiträgt. Das Informationsmodell gewährleistet dem Anleger die Möglichkeit, eine selbstverantwortliche Entscheidung auf hinreichender Informationsgrundlage zu treffen.665 Chancengleichheit sollte daher nicht nur im Hinblick auf fundierte Transaktionsentscheidungen über volatile Aktien gewährleistet werden. Auch hinsichtlich der Investition in Finanzderivate, mittels derer sich von der erhöhten Volatilität des Referenzwerts profitieren lässt, müssen Sondervorteile derjenigen verhindert werden, die einen Wissensvorsprung gegenüber dem Markt haben, weil der Emittent der volatilen Aktie und dessen Mitarbeiter Kenntnis von der 665

Buck-Heeb, JZ 2017, 279, 286.

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Insiderinformation haben, der Emittent mangels Emission hiervon abhängiger Derivate jedoch nicht publizitätspflichtig ist. Auch bei dem Gedanken einer bruchstückhaften Publizierung handelt es sich allerdings um eine abstrakte Gefahr, die maßgeblich davon abhängt, ob der Emittent einer volatilen Aktie zugleich Derivate emittiert hat, deren Preise von der Aktie abhängig sind. b) Ungerechtfertigter Wissensvorsprung zum Vorteil des Insiders und zum Nachteil des Handelspartners Abhängig von Anlageziel und Risikopräferenz des Anlegers kann es einen für die Investition entscheidungserheblichen Faktor darstellen, ob Informationen existieren, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Kursbeeinflussung verursachen werden, aus denen die Richtung der Kursauswirkung aber nicht abgeleitet werden kann. Im Gegensatz zu Sachverhalten, in denen mangels bedeutender neuer Ereignisse weder der Kurs eines Finanzinstruments erheblich beeinflusst wird, noch erhebliche Abweichungen der zukünftigen von der erwarteten Rendite überwiegend wahrscheinlich sind, vermitteln die erstgenannten Informationen auch einen Wissensvorsprung. Denn in diesem Fall existieren neue, nicht öffentlich bekannte Informationen, bei denen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit666 davon auszugehen ist, dass per se erhebliche Kursreaktionen eintreten werden, der Anleger also entweder einen erheblichen Kursgewinn realisieren kann, oder einen erheblichen Kursverlust hinnehmen muss. Das Gesamtbild der zur Verfügung stehenden Informationen wird durch die Information bedeutend geändert, weil sie eine angepasste Beurteilung des mit der Anlageentscheidung verbundenen Risikos ermöglicht. Während der Anleger mit Kenntnis dieser Information also weiß, dass ein Umstand existiert, auf den der Markt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erheblich reagieren wird, geht der Anleger in Unkenntnis dieser Information davon aus, dass keine neuen Umstände eingetreten sind, aufgrund derer eine solche Marktreaktion auftreten werde. Ordnet man derartige Informationen als nicht kurserheblich ein, würden beide Konstellationen gleichbehandelt. Zwar werden Handelsweisen, infolge derer sich mit Hilfe des Wissensvorsprungs ein Gewinn erwirtschaften lässt,667 auch bei Zugrundelegung des restriktiven Ver-

666

Wie bereits festgestellt sind solche Informationen als nicht kurserheblich einzuordnen, bei denen nicht vorhergesagt werden kann, ob sich der Kurs eines Finanzinstruments bei öffentlichem Bekanntwerden der Information nach oben oder unten bewegen würde, da die Kursentwicklung in beide Richtung gleich wahrscheinlich ist, bei denen aber eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent existiert, dass die Information keine erhebliche Kursauswirkung hervorrufen wird. 667 Der Wissensvorsprung in Form der Kenntnis der erhöhten Volatilität infolge firmenspezifischer Informationen lässt sich nur durch die Investition in von der volatilen Aktie abhängige Derivate gewinnbringend nutzen, sofern man auf der Grundlage der Portfolio-Theorie und des CAPM davon ausgeht, dass derartige Informationen für die betreffende Aktie nicht bewertungsrelevant sind, sodass sich durch den Kauf oder Verkauf von Aktien gerade kein

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ständnisses vom Insiderhandelsverbot erfasst, sodass insoweit auch hier die Chancengleichheit der Anleger gewährleistet ist. Die Kenntnis einer bevorstehenden extremen Kursreaktion – sei es ein Kursanstieg oder ein Kursrückgang – kann aber wie gesehen nicht nur für Inhaber der volatilen Aktie im Rahmen der Portfoliooptimierung von Bedeutung sein; auch Anleger, die vor der Entscheidung des Erwerbs des Finanzinstruments stehen, können Anlagestrategie und Investitionsvolumen entsprechend an die neue Information anpassen.668 Bedeutung erlangt die Information seit Inkrafttreten der MMVO auch für die Vermeidung des Risikos der Abweichung der zukünftigen Rendite von der erwarteten Rendite durch Stornierung oder Änderung von Aufträgen nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO. Da hiernach die Nutzung von Insiderinformationen in Form der Stornierung oder Änderung eines Auftrags in Bezug auf ein Finanzinstrument, auf das sich die Information bezieht, untersagt ist, wenn der Auftrag vor Erlangen der Insiderinformationen erteilt wurde, müsste die Stornierung eines Kaufauftrags für eine volatile Aktie bei restriktiver Interpretation des Urteils konsequenterweise folgenlos bleiben.669 Zieht man Bilanz, ist davon auszugehen, dass das restriktive Verständnis in denjenigen Einzelfällen, in denen Informationen überwiegend wahrscheinlich erhebliche Kursreaktionen auslösen werden, deren Richtung sich nicht vorhersagen lässt, zu einer nicht unerheblichen Minderung des Anlegerschutzniveaus führen würde. Da das Risiko – verstanden als Wahrscheinlichkeit der Abweichung der zukünftigen von der erwarteten Rendite – für die Anlageentscheidung eine bedeutende Determinante ist, lässt sich den betreffenden Informationen eine beachtliche Entscheidungserheblichkeit beimessen. c) Minderung des Bedürfnisses für Anlegerschutz durch Portfoliodiversifizierung? Eine Einschränkung der anlegerschutzmindernden Wirkung ergibt sich durch den Gedanken der Portfoliotheorie: Da Anleger durch Portfoliodiversifizierung das unsystematische Risiko ihres Investments eliminieren können, ist gerade das systematische, nicht diversifizierbare Risiko für sie von Bedeutung.670 Nur wenn eine perfekte Gleichentwicklung der Renditen der einzelnen Aktien des Portfolios geKapital aus der firmenspezifischen Volatilitätsinformation schlagen lässt. Anders verhält es sich hinsichtlich der Vermeidung des Risikos von Kursverlusten. 668 Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104. 669 Dies wird etwa im Zusammenhang mit einem Beteiligungsaufbau relevant, wenn der Bieter im Rahmen der due diligence-Prüfung nach Erteilung einer Kauforder von dem Umstand Kenntnis erlangt, dass das target zeitnah selbst eine wesentliche Beteiligung an einem dritten Unternehmen aufbauen möchte, das Vorhaben des target aber keine eindeutigen Schlüsse hinsichtlich der Richtung der Marktreaktion dieser Information zulässt. Beurteilt der Bieter das Vorhaben seines target mit Skepsis und möchte seinen bereits erteilten Auftrag deshalb stornieren, tätigt er nach dem restriktiven Verständnis der Lafonta-Entscheidung kein Insidergeschäft. 670 Vgl. Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 345.

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geben ist, diese also vollständig positiv korrelieren, lässt sich das unsystematische Risiko überhaupt nicht eliminieren.671 Die Volatilität des Portfolios hängt also von der Korrelation der Aktien ab – je niedriger die Korrelation, desto niedriger die Volatilität, die sich im Portfolio erreichen lässt.672 Firmenspezifische Risiken einzelner Aktien könnten Anleger insofern vernachlässigen, als sie diese durch Diversifizierung ihres Portfolios verringern könnten. Maßgeblich wäre also vielmehr die Volatilität des gesamten Portfolios. Dies entspricht der Übertragung des Reformgedankens Geoffrey Rapps auf das europäische Insiderrecht, wonach es für die Kurserheblichkeit einer Information auf die Beziehung einer einzelnen Aktie zum Investmentportfolio des Anlegers ankommen müsse, sodass sich ein verständiger Anleger für einzelne Charakteristika individueller Aktien nur im Verhältnis zum Gesamtportfolio interessieren dürfte.673 Allerdings stellt ein Kapitalmarkt mit perfekt diversifizierenden Anlegern zweifelsohne eine Modellannahme dar. In der Realität diversifizieren zahlreiche Privatanleger ihre Portfolios nicht hinreichend,674 sodass das firmenspezifische Risiko nicht vollständig eliminiert werden kann. Auch im Bereich der Anlageberatung kommt es nicht auf die Eignung eines Finanzinstruments im Kontext zum Gesamtportfolio, sondern maßgeblich darauf an, ob das empfohlene Finanzinstrument für sich genommen den Anlagezielen des Kunden entspricht.675 Da sich mit der obigen Argumentation die Relevanz zahlreicher Informationen relativieren ließe, sollte ein Anleger nicht bereits deshalb als unverständig im Sinne des Art. 7 Abs. 4 MMVO gelten, weil er kein perfekt diversifiziertes Portfolio hält. So können etwa nicht hinreichend diversifizierte Blockaktionäre, die sich aus legitimen Gründen Einflussmöglichkeiten auf das Management erhalten wollen,676 nicht von vornherein als unverständige Anleger qualifiziert werden. Dies gilt umso mehr, als dass der US-amerikanische reasonable investor test vornehmlich der Konkretisierung des Insiderverbots nach rule 10b-5 dient und dort nicht in dem Maße ein Gleichlauf zur Ad-hoc-Publizität existiert, wie es im europäischen Marktmissbrauchsrecht der Fall ist. Unter Geltung der MMVO ginge mit 671 Pankoke/Petersmeier, in: Schacht/Fackler, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2009, S. 112; vgl. Bodie/Kane/Marcus, Investments, 10. Auflage 2014, S. 210; vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 17. Auflage 2017, S. 282. 672 Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 373. 673 Rapp, 44 Loy. U. Chi. L. J. 1475, 1482 (2013). 674 Siehe die empirische Studie zur Diversifizierung von US-amerikanischen individuellen Anlegern von Goetzmann/Kumar, 12 Rev. Fin. 433 (2008); vgl. auch Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 193 m.w.N.; Veil, in: Bumke/Röthel, Autonomie im Recht, 2017, S. 185, 192 m.w.N. 675 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 192. 676 Neben den Fällen börsennotierter Familienunternehmen kann der Erwerb einer Vielzahl von Aktien oder des gesamten Aktienbestands eines Unternehmens anstelle der Diversifizierung des Portefeuilles etwa profitabel sein, wenn das Wertpotential der Aktiva des Unternehmens nicht voll ausgeschöpft wird und die Kontrollrechte genutzt werden sollen, um das Management auszuwechseln, vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Auflage 2012, S. 711 f.

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der Statuierung eines derart hohen Anlegerstandards eine Einschränkung von durch Art. 17 MMVO ad-hoc zu publizierenden Informationen einher. Hinzu kommt, dass die Kenntnis von der Volatilität einer Aktie trotz der Möglichkeit, firmenspezifische Risiken durch Diversifizierung zu minimieren, etwa für die Strukturierung des Portfolios entscheidungserheblich sein kann677 und die Bedeutung dieser Information erheblich davon abhängt, inwieweit die volatile Aktie mit den anderen Finanzinstrumenten des Portfolios korreliert. Gleichwohl kann die Wertungsentscheidung des europäischen Verordnungsgebers, durch die Wahl des „verständigen“ Anlegers die Beurteilungsperspektive nicht bei einem zu niedrigen Standard anzusetzen, Eingang in die Konkretisierung des Art. 7 Abs. 4 MMVO finden. Hiernach kann von einem verständigen Anleger in Übereinstimmung mit der US-amerikanischen Rechtsprechung verlangt werden, dass er ein gewisses Verständnis von Diversifizierung besitzt,678 also um die grundsätzlichen Vorteile der Diversifizierung weiß und das firmenspezifische Risiko daher zumindest minimieren kann,679 sodass er insoweit weniger schutzwürdig erscheint. Dieser Überlegung wird durch Einbeziehung von Informationen in den Tatbestand des Art. 7 MMVO, die eine Handelshemmung verursachen können, allerdings hinreichend Rechnung getragen: Hier kann die Ausgrenzung unerheblicher Risiken680 nicht bereits damit begründet werden, dass die Transaktion dem Anleger mangels Überschreitung der Transaktionskosten nicht lohnend erscheint, weil die Theorie des Handelsanreizes hier nur als Hilfsmittel zur Bestimmung der Erheblichkeit des Risikos dient und die Frage, ob sich der Handel für den verständigen Anleger lohnen würde, gerade nicht weiterhilft. Die mangelnde Schutzbedürftigkeit des Anlegers bei lediglich unerheblich erhöhtem unsystematischem Risiko kann aber damit begründet werden, dass verständige Anleger ihre Risiken zumindest insoweit durch Diversifizierung reduzieren können. Der verständige Anleger entspricht somit zwar nicht einem perfekt diversifizierenden Anleger der Portfoliotheorie. Gleichwohl entspricht er aber dem Leitbild des informierten Anlegers, der sich selbst schützt und bewusste Entscheidungen über die Eingehung von Risiken fällt.681

677

Vgl. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 104. Dodds v. Digna Securities, Inc., 12 F.3d 346, 351 (2nd Cir. 1993): „However, a reasonable investor must be deemed to have some understanding of diversification and some independent view as to how much risk she is willing to undertake.“ 679 Weitergehend Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 353. 680 Zur Ermittlung der Erheblichkeit der mit der Anlageentscheidung verbundenen Risiken bei unvorhersehbaren Marktreaktionen im Sinne des herausgearbeiteten Ansatzes siehe oben, Kapitel 3, C.IV.2.b)aa)(3)(c). 681 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 308. 678

260

Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

d) Abhängigkeit der Intensität der Negativfolgen von der Summe unvorhersehbarer Marktreaktionen Eine Einschränkung erfährt auch die Intensität der anlegerschutzmindernden Wirkung eines restriktiven Verständnisses durch die Tatsache, dass sie erheblich von der Summe an Sachverhalten abhängig ist, in denen die Richtung einer Kursauswirkung nicht vorherbestimmt werden kann, weil Kursanstieg und Kursrückgang gleich wahrscheinlich sind. Das aus Anlegerschutzgesichtspunkten abgeleitete Bedürfnis eines extensiven Verständnisses wird mithin dadurch abgeschwächt, dass derartige Sachverhalte Einzelfälle darstellen werden, weil sich in der Regel unter Zuhilfenahme empirischer Erkenntnisse Implikationen für die Kursauswirkung einer Information in eine bestimmte Richtung ergeben werden. e) Folgerung für die Intensität der anlegerschutzmindernden Wirkung eines restriktiven Verständnisses Im Ergebnis führt das restriktive Verständnis der Lafonta-Entscheidung zu einer nicht unerheblichen Minderung des Anlegerschutzes in denjenigen Einzelfällen, in denen Informationen existieren, von denen sich die Richtung einer überwiegend wahrscheinlichen erheblichen Kursreaktion nicht vorhersagen lässt. Die Intensität der anlegerschutzmindernden Wirkung ergibt sich zum einen aus der Bedeutung des sich nicht zwangsläufig im Börsenkurs widerspiegelnden Risikos als für die Anlageentscheidung wesentlichen Faktor. Zum anderen führt das restriktive Verständnis im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO zu Wertungswidersprüchen, sofern man für einen insiderrechtlich relevanten Wissensvorsprung überlegene Kenntnis von für die Anlageentscheidung bedeutenden Parametern ausreichen lässt und nicht zwangsläufig bessere Chancen zur Erzielung von Vermögensvorteilen verlangt. 4. Vorzugswürdiges Verständnis unter Berücksichtigung von Rangverhältnis und Eingriffsintensität a) Bedeutung der Auslegungsfrage für das Verständnis von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität Die vorstehende Untersuchung konnte die befürchteten negativen Auswirkungen der jeweiligen kontraproduktiven Deutungsvariante deutlich relativieren. Die hauptsächlich aus der Expansionstendenz des extensiven Verständnisses abgeleiteten Negativfolgen bewegen sich in großem Umfang im Bereich abstrakter Gefahren, die durch eine entsprechende Auslegung des Art. 7 Abs. 4 MMVO beschränkt werden können. Auch die anlegerschutzmindernde Wirkung eines restriktiven Verständnisses ist aufgrund der Tatsache reduziert, dass Informationen in der Regel eine Richtung ihrer Kursauswirkungen indizieren werden. Die hiermit verbundene eher geringe Praxisrelevanz der im Fall Lafonta aufgeworfenen Auslegungsfrage führt

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

261

allerdings nicht zur Bedeutungslosigkeit der Entscheidung. Ebenso wenig kann sie dazu verleiten, einem restriktiven Verständnis zur Vermeidung von Ausweitungstendenzen schon aufgrund der Seltenheit von Sachverhaltskonstellationen, in denen das extensive Verständnis ein „Mehr“ an Anlegerschutz bewirkt, den Vorzug zu gewähren. Denn in der Art der Auflösung des im Fall Lafonta aufgetretenen Zielkonflikts spiegeln sich zugleich das dogmatische Verständnis von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität und die sich hieraus ergebende Auslegung von Art. 7 Abs. 4 MMVO wider. Die Entscheidung des EuGH erlangt folglich nicht nur Bedeutung für die spezifische Auslegungsfrage, sie gibt vielmehr Aufschluss über die künftige teleologische Auslegung insiderrechtlicher Sachverhalte im Allgemeinen. b) Logischer Schluss des restriktiven Verständnisses aus monofunktionaler Betrachtungsweise Würden die Modellannahmen der ECMH, des CAPM und der Portfoliotheorie die Realität perfekt abbilden und Prognosen über die Eintrittswahrscheinlichkeit von Kursreaktionen sowie hierdurch berechnete Erwartungswerte eine exakte Vorhersage zukünftig zu erwartender ausschüttungsfähiger Zahlungsströme ermöglichen, wäre ein restriktives Verständnis der Lafonta-Entscheidung die einzig richtige Deutungsvariante. Perfekt diversifizierende Anleger würden keines Schutzes vor unsystematischen Risiken bedürfen und es ließe sich ein objektiv richtiger Preis eines jeden Finanzinstruments feststellen, für den besagte Informationen irrelevant wären. Ein restriktives Verständnis der Lafonta-Entscheidung wäre auch dann die konsequente Deutungsvariante, wenn Insiderrecht und Ad-hoc-Publizitätspflicht eine unmittelbare anlegerschützende Zielsetzung aberkannt würde. Gilt die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts als einziges Ziel des Regelungskomplexes, muss jede Auslegung darauf abzielen, die Funktionsbedingungen zu optimieren. Da sich durch fundamental effiziente Preise zumindest mittelbare Allokationswirkungen erzielen lassen und die Veröffentlichung von Informationen, die nicht zur Preisbildung beitragen, die operationale und allokative Effizienz negativ beeinflussen kann, sollten diese aus dem Tatbestand der Insiderinformation ausgeschieden werden. Auch aus Gesichtspunkten des kollektiven Anlegerschutzes ließe sich ein extensives Verständnis schwerlich rechtfertigen.682 Da dieser überindividuelle Schutz letztlich auf Funktionsschutz abzielt, käme als Rechtfertigung nur der Schutz des kollektiven Anlegervertrauens zur Stärkung der institutionellen Effizienz in Betracht. Anlegervertrauen lässt sich empirisch aber kaum quantifizieren, sodass dieser Grund allein ein extensives Verständnis der Entscheidung nicht rechtfertigen kann. Anlegerschutzerwägungen, die über den reflexiven Preisschutz einzelner Anleger hinausgehen, haben keinen Raum in einem Konzept, das den Schutz von Informa-

682

Kritisch auch Seibt/Kraack, EWiR 2015, 237, 238.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

tionshändlern als wirksamstes Instrument des Marktschutzes instrumentalisiert.683 Die grundsätzliche684 Beschränkung kurserheblicher Informationen auf einen durch eine erwartete Kursbewegung ausgelösten Handelsanreiz ist nach diesem Konzept nahezu zwingend, weil Informationshändler Preisdifferenzen für Arbitragegewinne ausnutzen und hierdurch der Wettbewerb zwischen den Arbitrageuren gefördert wird, um effiziente Marktpreise zu generieren. Die restriktive Deutungsvariante ist dementsprechend die logische Konsequenz einer monofunktionalen Betrachtungsweise von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität. c) Kurserheblichkeit als Mischkonzept aus Tatsachen und rechtlichen Erwägungen Die Vorzugswürdigkeit des herausgearbeiteten extensiven Verständnisses ist jedoch keinesfalls der Umkehrschluss des zugrunde gelegten Funktionsdualismus, da aufgezeigt wurde, dass diesem im Insiderrecht und im Recht der Ad-hoc-Publizität ein Rangverhältnis beigemessen werden kann. Von wesentlicher Bedeutung für die Auflösung des Zielkonflikts ist zunächst die dogmatische Grundsatzentscheidung, ob die Auslösung des Tatbestandsmerkmals der Kurserheblichkeit letztendlich von der kapitalmarkttheoretischen Berechnung diskontierter zukünftiger Zahlungsströme abhängig gemacht werden kann, die mittels Erwartungswerten prognostiziert werden. Nicht nur beschränkt eine solche Auslegung den Anlegerschutz auf die reflexive Schutzwirkung von Börsenpreisen, die weitestmöglich ihren Fundamentalwerten entsprechen. Auch weist ein derartiges Verständnis erhebliche Nähe zu einem bright-line-Test auf, wie ihn der US Supreme Court in ständiger Rechtsprechung ablehnt, da er – wenn überhaupt – wenig Raum für Einzelfallbetrachtung und spezifisch rechtliche Wertungen lässt. Dahingegen wohnt der Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers und dem hiermit verbundenen subjektiven Ansatz bewusst ein wertungsoffenes Konzept der Kurserheblichkeit inne, das Raum für rechtliche Erwägungen bietet. Zwar ist auch der vorliegende Ansatz mit einer Wahrscheinlichkeitsprognose über zukünftige Kursauswirkungen verbunden, da es solche Informationen auszusondern gilt, die überhaupt keine erhebliche Kursreaktion hervorrufen. Dieses Erfordernis ergibt sich allerdings aus der Notwendigkeit der Beschränkung der funktionsschutzmindernden Wirkung eines extensiven Verständnisses der Lafonta-Entscheidung. Gleichwohl sollte die Kurserheblichkeit nicht verbindlich durch eine Ermittlung von Erwartungswerten bestimmt werden, da dies ein abschließendes Urteil auf der Grundlage der Berechnung von diskontierten cash flows – also letztlich einen Blick

683

Vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 358; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 14 Rn. 10, Vor Art. 17 Rn. 38; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 33 ff. 684 Eine Ausnahme soll nach diesem Konzept für Informationen über Handelsbedingungen gelten, vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 290 ff.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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in die Zukunft unter Unsicherheit – bedeuten würde.685 Zweifelsohne erfordern die Zwecke der Unternehmensbewertung ein solches Verfahren. Auch für die Beurteilung der Kurserheblichkeit kann einem solchen Vorgehen bereits deshalb nicht jegliche Relevanz abgesprochen werden, da es regelmäßig in Gerichtsverfahren als Beitrag zur Feststellung der Kurserheblichkeit durch Sachverständige angestrengt werden wird.686 Zum einen entspricht die Prämisse homogener Erwartungen, der sich Aktienpreismodelle in der Regel bedienen, aber nicht den Gegebenheiten realer Kapitalmärkte.687 Zum anderen können derartige Modelle dem Anspruch einer präzisen Vorhersage der Wertpapierpreisänderung nicht gerecht werden.688 In Anlehnung an den materiality-Standard handelt es sich bei der Feststellung der Kurserheblichkeit um eine durch die Beurteilung von Tatsachen und rechtlichen Erwägungen zu beantwortende Frage.689 Leitet man im Fall Lafonta die mangelnde Kurserheblichkeit dahingegen aus der Verrechnung der möglichen Kursreaktionen her, ist es erforderlich, dass sich die Erwartungswerte exakt ausgleichen. Da sich die erwartete Rendite mittels Gewichtung der möglichen Renditen mit deren Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmen lässt, können bereits geringste Unterschiede bei der Einschätzung prozentualer Eintrittswahrscheinlichkeiten möglicher Kursreaktionen im Rahmen der von Analysten erstellten Zukunftsprognose zur Bejahung oder Verneinung der Kurserheblichkeit führen. Eine derartige Schätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten und Ausmaß zukünftiger Kursreaktionen kann aber kein endgültiges Urteil über das Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit erlauben, wenn die Einschätzung von Marktreaktionen derart diffizil ist und gleichzeitig davon ausgegangen werden kann, dass der Markt jedenfalls in irgendeiner Weise erheblich auf die Information reagieren wird.690 Auch aus diesen Gründen erscheint eine Deutung der Lafonta-Entscheidung vorzugswürdig, nach der sich der Gerichtshof implizit gegen eine Verrechnung der Erwartungswerte ausgesprochen hat.691 Die Aktienpreismodelle der Kapitalmarkttheorie bieten dementsprechend keinen An-

685 Vgl. Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 176: „Man wird in der Praxis nicht einmal annähernd genau prozentuale Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt bestimmter Ereignisse berechnen können. Dasselbe gilt für eine exakte Einschätzung des möglichen Kursausschlags.“ 686 Vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 195. 687 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 149. 688 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 149; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 174; so auch Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 207: „[…] Prüfung, die mehr Kunst als Wissenschaft ist. […] Dass hierbei keine mathematische Präzision erreicht werden kann, versteht sich von selbst.“ 689 Vgl. Ganino v. Citizens Utilities Company, 228 F.3d 154, 162 (2nd Cir. 2000): „Materiality is a mixed question of law and fact.“ 690 Ähnlich Rückert/Rahlmeyer, GWR 2015, 124. 691 Vgl. Binder, RdF 2015, 159, 160.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

satz, der exklusiv zur abschließenden Beurteilung des Tatbestandsmerkmals dienen sollte.692 d) Vorrang des Anlegerschutzes im Fall Lafonta Auch hieraus lässt sich jedoch noch nicht die Vorzugswürdigkeit des aufgezeigten Ansatzes herleiten. Denn auch auf der Grundlage der herrschenden Auffassung, die die Kurserheblichkeit abschließend durch das Erfordernis eines Handelsanreizes bestimmt, ohne hierfür auf Aktienpreismodelle zurückzugreifen, lässt sich die Einbeziehung firmenspezifischer Volatilitätsinformationen nicht begründen. Maßgeblich ist mithin, ob ein derartiges Verständnis zur Verwirklichung der herausgearbeiteten Wertungsgesichtspunkte geboten erscheint. Das bewusste Abstellen des europäischen Gesetzgebers auf den „verständigen“ Anleger könnte durchaus zu dem Schluss verleiten, Informationen, die diversifizierbare Risiken begründen, ohne eine Änderung zu erwartender zukünftiger Zahlungsströme zu indizieren, müssten dem Anleger nicht zur Verfügung gestellt werden. Die Charakterisierung investierter Mittel als Wagniskapital sowie die Möglichkeit des Selbstschutzes durch Diversifizierung könnten im Hinblick auf die Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, durch die Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers besonders schutzwürdige Anleger bewusst schutzlos zu lassen,693 für die Nachrangigkeit von Anlegerschutzerwägungen im vorliegenden Fall sprechen. Daher gilt es, dem grundsätzlichen Vorrang des Funktionsschutzes bei der Auflösung des Zielkonflikts hinreichend Rechnung zu tragen. Geht man aber für den Anlegerschutz von einem Leitbild des autonomen Anlegers aus, der seine Gewinnerzielungsabsicht im Bewusstsein des Verlustrisikos der Kapitalanlage verfolgt,694 ist es erforderlich, diesem das Gesamtrisiko695 seiner Anlage vor Augen zu führen. Die Tatsache, dass Kapitalanleger gerade für die Übernahme des Risikos, aus dem investierten Kapital keinen Mehrwert schöpfen zu können oder dies sogar zu verlieren, ein Entgelt erhalten, kann Anlegerschutzbedürfnisse abhängig von der gesetzgeberischen Wertung nicht nur schwächen, sondern auch stärken.696 692 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 13 WpHG Rn. 48; vgl. Pellens/Fülbier, DB 1994, 1381, 1384; Wölk, AG 1997, 73, 79; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, 2000, S. 185; Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 173; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 149; vgl. ferner den Verweis des BGH auf die vorstehende Kommentierung von Mennicke und Jakovou in seinem IKB-Urteil, BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 44. 693 Ähnlich zur Gesetzgebung im Bereich der Anlageberatung Buck-Heeb, JZ 2017, 279, 285. 694 So Buck-Heeb, JZ 2017, 279, 288. 695 Das Gesamtrisiko umfasst neben dem systematischen auch das unsystematische Risiko, vgl. Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 3. Auflage 2016, S. 343. 696 Vgl. Riesenhuber, ZBB 2014, 134, 140.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Die Rangordnung der Schutzfunktionen lässt sich durch eine weitestgehende Einschränkung der funktionsschutzmindernden Auswirkungen eines extensiven Verständnisses berücksichtigen. Da sowohl die abstrakte Gefahr der Informationsüberflutung und die hiermit einhergehenden Folgen als auch die Rechtsunsicherheit maßgeblich vom Verlust der tatbestandsbegrenzenden Funktion der Kurserheblichkeit abhängen, lassen sich kontraproduktive Auswirkungen erheblich reduzieren. Im Rahmen der Untersuchung wurde ein Ansatz aufgezeigt, der besagte Informationen in den Tatbestand integrieren und gleichzeitig die selektive Wirkung der Kurserheblichkeit wahren kann. Darüber hinaus bietet die Anknüpfung an die Theorie des Handelsanreizes ein rechtssicheres Kriterium und beschränkt die notwendige Modifizierung der unter Art. 7 Abs. 4 MMVO anzustellenden Prüfung. Da es jedoch erforderlich ist, der Gefahr der Informationsüberflutung entgegenzuwirken, gilt es dem Gedanken der praktischen Konkordanz Rechnung zu tragen, indem auch der Anlegerschutz eine Einschränkung zu erfahren hat. Ein grundsätzliches mit der Kapitalanlage verbundenes firmenspezifisches Risiko hat der Anleger zu tragen. Es kann von diesem durch Diversifizierung reduziert werden, sodass firmenspezifische Volatilitätsinformationen lediglich bei Existenz einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit erheblicher Kursauswirkungen als entscheidungserheblich einzuordnen sind. Dieser Ansatz ermöglicht ein Verständnis der Lafonta-Entscheidung, welches nicht im diametralen Widerspruch zum Ziel der Förderung funktionsfähiger Kapitalmärkte steht, sondern im Sinne eines schonenden Ausgleichs unter weitestmöglicher Eliminierung kontraproduktiver Effekte für das Funktionsschutzziel eine Stärkung des Anlegerschutzes bewirken kann. Der durch den aufgezeigten Ansatz erheblich reduzierten funktionsschutzmindernden Intensität steht ein aus dem Gedanken der Chancengleichheit und der Entscheidungserheblichkeit der besagten Informationen abgeleitetes Anlegerschutzbedürfnis gegenüber. Ein diesbezügliches Informationsbedürfnis ist zwar zweifelsohne gegenüber fundamentalwertrelevanten Daten reduziert, weil für den renditeorientierten verständigen Anleger Informationen, aus denen sich eine Änderung des Werts des Finanzinstruments schließen lassen, von vorrangiger Bedeutung sind. Gleichwohl existiert ein solches Informationsbedürfnis, da derartige Informationen Bestandteil bewusster und fundierter Anlageentscheidungen sind und einen insbesondere im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 S. 2 MMVO beachtlichen Wissensvorsprung vermitteln können, dessen Ausblendung aus dem Anwendungsbereich einen Wertungswiderspruch begründet. Die grundsätzlich durch den Funktionsschutz beförderte anlegerschützende Wirkung des Börsenkurses, der den Marktteilnehmern durch einen Blick auf den Preis des Finanzinstruments indirekt bewertungserhebliche Informationen vermittelt und einen Grund für den Vorrang des Funktionsschutzes darstellt, ist außer Kraft gesetzt. Die „Marktpreiseffizienz als Mittel des Anlegerschutzes“697 versagt in

697

Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 182.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

diesem Fall. Aus diesen Gründen ist es angezeigt, Anlegerschutzgesichtspunkten im vorliegenden Fall den Vorzug zu gewähren. e) Praxistauglichkeit des aufgezeigten Ansatzes Diese Sichtweise führt auch nicht zu Rechtsunsicherheit in der Beratungspraxis und einer Unvorhersehbarkeit von Publizitätsverpflichtungen. Ist davon auszugehen, dass eine Information mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erhebliche Kursreaktionen verursachen wird, ist der Emittent auch dann besser mit einer Veröffentlichung (oder einem Aufschub) beraten,698 wenn eine ausführliche Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis kommt, dass eine positive erhebliche Marktreaktion ebenso wahrscheinlich ist, wie eine erhebliche negative Kursauswirkung: Tritt nach öffentlichem Bekanntwerden der Information eine erhebliche Kursreaktion auf – was nach dem vorliegenden Verständnis überwiegend wahrscheinlich sein muss – nimmt der BGH „gewichtige Beweisanzeichen“699 dafür an, dass die Information ex ante als kurserheblich anzusehen war. Auch die Überprüfung der Annahme, dass die Information ex ante als kurserheblich anzusehen war, spricht nach dem 15. Erwägungsgrund der MMVO700 in diesem Fall gegen den Emittenten, der von einer Veröffentlichung abgesehen hatte. Zwar sollen hiernach ex ante-Informationen nicht dazu verwendet werden, Maßnahmen gegen eine Person zu ergreifen, die aus den im Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen vernünftige Schlüsse gezogen hat. In Anbetracht richterlicher hindsight bias701 bei der nachträglich anzustellenden ex ante-Beurteilung,702 der erheblichen Unsicherheit bei der Bezifferung von Erwartungswerten, die sich bei restriktivem Verständnis für eine Verneinung der Kurserheblichkeit exakt ausgleichen müssten sowie dem enormen Haftungsrisiko, das aus der Verletzung von Publizitätspflichten resultiert, ist dem Emittent in einem solchen Zweifelsfall zur Veröffentlichung oder zum Aufschub zu raten.703

698

Vgl. Wilsing/Kleemann, DStR 2015, 958: „Sofern eine Information Kursrelevanz besitzt und keine Befreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Betracht kommt, wird man stets zur Veröffentlichung raten – und zwar auch dann, wenn man nicht absehen kann, ob der Kurs voraussichtlich steigen oder fallen wird.“ 699 BGH, Beschl. v. 27. 1. 2010 – 5 StR 224/09 (Freenet), NJW 2010, 882 = ZIP 2010, 426 = NZG 2010, 349 = AG 2010, 249, Rn. 16. 700 So auch bereits nach der Durchführungsrichtlinie der Marktmissbrauchsrichtlinie, vgl. Erwägungsgrund 2 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG. 701 Die in der Wahrnehmungspsychologie als hindsight bias (Rückschauverzerrung) bezeichnete Wahrnehmungsverzerrung beschreibt den Effekt, dass Ereignisse in der Rückschau als vorhersagbarer eingeschätzt werden, als dies in der Vorschau tatsächlich der Fall war, vgl. Ott/Klein, AG 2017, 209. 702 Guthrie/Rachlinski/Wistrich, 86 Cornell L. Rev. 777, 799 ff. (2001) m.w.N.; Ott/Klein, AG 2017, 209, 212 f. m.w.N.; ähnlich Panasar/Dalvi/Martin/Silverman/Flow, 134 Banking L. J. 26, 34 (2017); vgl. auch Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 219. 703 So auch Wilsing/Kleemann, DStR 2015, 958; Nietsch, WuB 2015, 327, 328.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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f) Konformität des aufgezeigten Ansatzes aus rechtsvergleichender, nationalrechtlicher und europarechtlicher Perspektive Ein in diesem Sinne begriffener Beurteilungshorizont ist nicht nur aus rechtsvergleichender Perspektive abgesichert. Dieses Ergebnis ist darüber hinaus am ehesten konform mit der Rechtsprechung des BGH, entspricht der Tendenz des EuGH in ständiger Rechtsprechung und im Fall Lafonta und lässt sich mit den zentralen Wertungen des europäischen Insiderrechts vereinbaren. aa) Vorzugswürdigkeit unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten Ein wesentlicher Vorteil des aufgezeigten Ansatzes ist es, dass er rechtssichere Kriterien für die Beurteilung der Kurserheblichkeit unvorhersehbarer Marktreaktionen bietet und gleichzeitig – anders als ein bright-line-Standard – derartigen Einzelfällen hinreichend Rechnung tragen kann. Auch ist er mit dem durch den Supreme Court statuierten reasonable investor-Standard vereinbar, da davon auszugehen ist, dass Informationen, wie sie im Fall Lafonta relevant wurden, den total mix of information bedeutend ändern würden. Die US-amerikanische rechtspolitische Leitlinie ist nicht diejenige einer paternalistischen Vorenthaltung von Informationen.704 Vielmehr kommt dem materiality-Erfordernis der Zweck zu, im Wesentlichen unbrauchbare Informationen aus dem Tatbestand herauszufiltern, denen der verständige Anleger bei seiner Anlageentscheidung keinerlei Bedeutung beimessen würde.705 Auch dem Hinweis des Supreme Court, dass es für die materiality einer Verhaltensänderung des Anlegers nicht bedürfe,706 ist Rechnung getragen, da für die Kurserheblichkeit nach dem aufgezeigten Ansatz lediglich vorausgesetzt ist, dass die Information ein Risiko begründet, dass zu einer Handelshemmung führen könnte. Die Information muss eine Hemmschwelle für die Anlageentscheidung begründen, die der verständige Anleger in seinen Erwägungen einkalkuliert und abhängig von der Diversifizierung seines Portfolios, seinen Anlagezielen und der hiermit verbundenen Risikoneigung überwindet oder nicht überwindet. Die Entscheidung des UK Upper Tribunal im Fall Massey v. FSA hat jedoch aufgezeigt, dass auf das Erfordernis einer Mindestwahrscheinlichkeit nicht gänzlich verzichtet werden sollte, um einer Ausuferung des Tatbestands entgegenzuwirken. Diese Auffassung teilte auch das Upper Tribunal in seiner Entscheidung des Falles Hannam v. The Financial Conduct Authority.707 Zumindest für Informationen, von denen sich nicht vorhersagen lässt, ob sich der Kurs bei öffentlichem Bekanntwerden nach oben oder unten bewegen würde, ist es erforderlich, dass eine erhebliche 704

Vgl. Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 234, 108 S.Ct. 978, 985 (1988). Vgl. Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 234, 108 S.Ct. 978, 985 (1988). 706 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 439, 449, 96 S.Ct. 2126, 2128, 2132 (1976). 707 Vgl. Hannam v. The Financial Conduct Authority [2014] UKUT 0233 (TCC), Rn. 115, 121, wobei das Upper Tribunal allerdings keine überwiegende Wahrscheinlichkeit verlangt. 705

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Kursbeeinflussung zumindest überwiegend wahrscheinlich ist. Es muss mithin vorhersehbar sein, dass es zu einer erheblichen Marktreaktion kommt.708 bb) Vorzugswürdigkeit in Anbetracht der Rechtsprechung von BGH und EuGH (1) Konformität der Lafonta-Entscheidung mit der IKB-Entscheidung So verstanden fügt sich die Lafonta-Entscheidung auch in die Rechtsprechung des BGH ein, der in seinem IKB-Urteil entschied, ein verständiger Anleger habe auch irrationale Reaktionen anderer Marktteilnehmer zu berücksichtigen.709 Unter Zugrundelegung einer monofunktionalen Betrachtungsweise lässt sich dieses Verständnis nur schwerlich erklären.710 Zwar ließe sich die Kurserheblichkeit der im Fall IKB relevanten Informationen mit deren potentieller Bewertungsrelevanz aufgrund einer Änderung der zu erwartenden Zahlungsströme oder des Diskontierungszinssatzes durch den bevorstehenden Marktzusammenbruch begründen, wenn das subprime-Engagement als systematisches Risiko eingeordnet werden würde.711 Der BGH stellt aber auf die bereits zuvor auftretenden negativen Reaktionen auf dem hochsensiblen Markt ab, um anschließend auf die Entscheidungserheblichkeit irrationaler Reaktionen Dritter hinzuweisen. Die Entscheidung des BGH ist zweifelsohne kritisch zu beurteilen, da die Berücksichtigung irrationaler Reaktionen anderer Marktteilnehmer im Tatbestand der Insiderinformationen eine Veröffentlichungspflicht des Emittenten begründen kann, die den Börsenkurs von seinem Fundamentalwert entfernt und deshalb kontraproduktive Folgen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts nach sich zieht.712 Dementsprechend ließe sich in derartigen Fällen mit guten Gründen eine teleologische Reduktion des Begriffs des „verständigen Anlegers“ erwägen.713 Die Berücksichtigung irrationalen Verhaltens Dritter – etwa in Form von positive feedback trading – wäre dann aufgrund der Negativfolgen als für die Anlageentscheidung unwesentlich zu erklären. Da jedoch davon auszugehen ist, dass der BGH an seiner Ansicht festhalten wird, ist vielmehr nach Wegen zu suchen, das geltende Recht in 708 Grundmann, in: Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2017, Bankvertragsrecht Sechster Teil Rn. 354; Binder, RdF 2015, 159, 160. 709 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 44. 710 Vgl. aber die Deutungsvariante von Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 109 f. 711 Vgl. BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 (IKB), BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 = ZIP 2012, 318 = NZG 2012, 263 = AG 2012, 209 = ZBB 2012, 222, Rn. 44. 712 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 381 f.; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 284; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 109 ff. Gegen eine Berücksichtigung irrationaler Marktreaktionen durch den verständigen Anleger auch Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 163 ff. 713 So Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 163 ff.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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Übereinstimmung mit der Rechtsprechung von BGH und EuGH – an der sich die Praxis auszurichten hat – auszulegen. Auf eine teleologische Reduktion des Tatbestands ließe sich verzichten, wenn sich die mit der Veröffentlichung verbundenen Negativfolgen anderweitig reduzieren ließen. Die implizite Annahme des BGH, dass auch nicht durch Fundamentalwertänderungen hervorgerufene Kursreaktionen die Kurserheblichkeit begründen können, deckt sich mit dem vorzugswürdigen Verständnis der Lafonta-Entscheidung. Die dort zu findende Aussage des EuGH, die hohe Komplexität der Finanzmärkte erschwere die Vorhersehbarkeit der Richtung der Kursentwicklung und könne je nach Anleger zu unterschiedlichen Einschätzungen führen,714 deutet in dieselbe Richtung. Zumindest dieser impliziten Aussage des BGH ist aus Anlegerschutzgesichtspunkten zuzustimmen. (2) Kombination der Lafonta-Entscheidung und der IKB-Entscheidung Fatale Folgen sind mit der Kombination beider Urteile und einer hieraus abgeleiteten Expansionstendenz715 gleichwohl aufgrund des aufgezeigten Lösungsansatzes nicht verbunden. Zwar ist die Möglichkeit irrationaler Marktreaktionen selten gänzlich ausgeschlossen. Jedoch wird die für die Kurserheblichkeit erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit eines solchen Marktverhaltens ebenfalls die Ausnahme darstellen – etwa für „hochsensible Märkte“ wie den subprime-Markt. Zudem lassen sich auch Negativfolgen des IKB-Urteils erheblich abschwächen, da Emittenten bei ihrer Ad-hoc-Mitteilung der Pflicht aus § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) unterliegen, wonach die Gründe für die Eignung einer Information zur erheblichen Kursbeeinflussung anzugeben sind. Gibt der Emittent an, dass die betreffende Information aufgrund eines sensiblen Marktes zu nicht durch eine Fundamentalwertänderung indizierten erheblichen Marktreaktionen führen kann, ist davon auszugehen, dass sich die Kursbeeinflussung aufgrund von professionellen Marktteilnehmern, die vom Inhalt der Veröffentlichung Kenntnis nehmen und deshalb durch ihren Handel einer Entfernung des Börsenkurses vom Fundamentalwert entgegenwirken können, relativieren lässt.716 Im Ergebnis kann eine Schwächung der Fundamentalwerteffizienz dadurch nicht nur reduziert werden. Zusätzlich können professionelle Marktteilnehmer eine Arbitragemöglichkeit realisieren, falls sich der Börsenkurs trotz der nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 WpAIV erforderlichen Angaben vom Fundamentalwert entfernt. Dass sich die Information aufgrund der Arbitrageure überhaupt nicht mehr auf den Marktpreis auswirken werde, mit der Folge, dass es aufgrund des Inhalts der 714 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36. 715 So die berechtigten Befürchtungen Klöhns hinsichtlich eines extensiven Verständnisses ohne die vorliegend herausgearbeiteten Kriterien, vgl. Klöhn, NZG 2015, 809, 815 Fn. 71; Klöhn, ZIP 2014, 945, 951. 716 Vgl. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 114.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Ad-hoc-Mitteilung paradoxerweise an einer kurserheblichen Information fehlt,717 unterstellt realen Kapitalmärkten allerdings gerade diejenigen Prämissen vollkommener Marktbedingungen der ECMH, an denen berechtigterweise gezweifelt werden kann.718 (3) Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Lafonta-Entscheidung und der IKB-Entscheidung Die vorliegende Deutung des Lafonta-Urteils entspricht dem der Entscheidung im Kern zugrunde liegenden Zweck, mit dessen Hilfe sich auch die in Bezug genommenen Ausführungen des BGH in seiner IKB-Entscheidung erklären lassen. Im Zusammenhang mit den Folgen irrationaler Marktreaktionen für die Einordnung von Falschdarstellungen als material wurde bereits von Langevoort angeführt, dass die Versagung des Schutzes für irrational reagierende Anleger vor parasitären Marktteilnehmern letzteren eine Verteidigungsmöglichkeit bei der Ausbeutung von Anlegern biete.719 Allerdings wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Existenz eines solchen Schutzbedürfnisses voraussetzt, dass die Information, die irrationale Reaktionen auszulösen vermag, überhaupt öffentlich bekannt wird, da parasitäre Marktteilnehmer nur dann von den antizipierten heuristischen Verhaltensweisen profitieren können.720 Die Kurserheblichkeit dieser Information resultiert nur aus der Veröffentlichung selbst, sodass das öffentliche Bekanntwerden Voraussetzung dafür ist, dass sich aus der Information ein Vorteil ziehen lässt.721 Dies unterscheidet die Konstellation von mit dem Fall Lafonta vergleichbaren Sachverhalten, in denen sich aus dem Wissensvorsprung, der eine bessere Einschätzung des Risikos ermöglicht, gerade aufgrund der Unkenntnis der sonstigen Marktteilnehmer profitieren lässt. Die Gemeinsamkeit beider Urteile besteht aber darin, dass es dem Inhaber einer Information untersagt sein soll, unter Verweis auf deren mangelnde Fundamentalwertrelevanz von einem sich gleichwohl eröffnenden Wissensvorsprung profitieren oder sich einer Pflicht entziehen zu können. Dem EuGH geht es maßgeblich darum, Umgehungstaktiken zu unterbinden, die als Vorwand für unterlassene Veröffentli-

717

So Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 114. Aufgrund des Wortlauts von Art. 7 MMVO sowie des Gleichlaufs von Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität kann es für die Einordnung einer Information als Insiderinformation zudem nicht auf den Inhalt einer Veröffentlichung nach § 4 WpAIVankommen, da das Verbot von Insidergeschäften vom Inhalt einer etwaigen Veröffentlichung unabhängig ist, a.A. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 114. 719 Vgl. Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135, 184 f. (2002). 720 Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 164. Insoweit lässt sich der Gedanke Langevoorts nicht übertragen, da es im Kontext mit dem US-amerikanischen Insiderrecht um die Frage der materiality bereits veröffentlichter Falschdarstellungen geht. 721 Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 164. 718

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

271

chungen von Informationen dienen sollen.722 Wurde seitens des Emittenten der volatilen Aktie aber kein sich hierauf beziehendes Derivat emittiert, stünde diesem der vom EuGH ins Auge gefasste Vorwand bei restriktivem Verständnis der Entscheidung nach wie vor zur Verfügung. Sämtliche teleologischen Erwägungen von Generalanwalt723 und EuGH724 zur Verhinderung einer Umgehung der Veröffentlichungspflicht wären bei restriktivem Verständnis in diesen Fällen gegenstandslos und würden diesem zentralen Gedanken widersprechen. Hiernach ist davon auszugehen, dass der nach restriktiver Deutung nach wie vor mögliche Verweis auf die Unvorhersehbarkeit der Kursänderungsrichtung mittels eines Emittenten, der lediglich Aktien emittiert hat, die Richtlinien 2003/6/EG und 2003/124/EG weitgehend ihrer Substanz entleeren würde.725 (4) Vorzugswürdigkeit in Anbetracht der Rechtsprechungshistorie des EuGH Auch das in der Rechtsprechung des EuGH726 und im Lafonta-Urteil727 erwähnte Erfordernis, dass die Insiderinformation ihrem Inhaber einen Vorteil verschaffen müsse, ist in Form des vermittelten entscheidungserheblichen Wissensvorsprungs erfüllt. Daher ist auch eine Störung der Vertragsparität zu konstatieren, sodass der vom EuGH in ständiger Rechtsprechung728 betonte Grundsatz informationeller 722

Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36 f. So auch die Deutung von Nietsch, WuB 2015, 327, 328; Kumpan, EuZW 2015, 389, 390; Langenbucher, AG 2016, 417, 422; Dompé/Mennesson, JCP E 2015, 219. 723 Vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 39 (abrufbar bei juris). 724 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 35 f. 725 Vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 18. 12. 2014 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), Celex-Nr. 62013CC0628, Rn. 39 (abrufbar bei juris). 726 EuGH, Urt. v. 10. 05. 2007 – Rs. C-391/04 (Oikonomikon/Georgakis), NZG 2007, 749 = AG 2007, 542 = EuZW 2007, 572, Rn. 38; EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227, Rn. 48 f. 727 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 25. 728 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 33; EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 – Rs. C-45/08 (Spector Photo Group NV/CBFA), ZIP 2010, 78 = NZG 2010, 107 = AG 2010, 74 = ZBB 2010, 35 = BKR 2010, 65 = EuZW 2010, 227, Rn. 47. Entsprechend zur Insiderrichtlinie 89/592/EWG EuGH, Urt. v. 10. 05. 2007 – Rs. C-391/04 (Oikonomikon/Georgakis), NZG 2007, 749 = AG 2007, 542 = EuZW 2007, 572, Rn. 37; EuGH, Urt. v. 22. 11. 2005 – Rs. C-384/02 (Grøngaard/Bang), NJW 2006, 133 = ZIP 2006, 123 = NZG 2006, 60 = EuZW 2006, 25, Rn. 22, 33. Vgl. ferner im Kontext mit dem Verbot der Marktmanipulation EuGH, Urt. v. 7. 7. 2011 – Rs. C-445/09 (IMC Securities

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

Chancengleichheit tangiert ist. Bereits im Geltl-Urteil räumte der EuGH diesem Prinzip den Vorrang vor der Gefahr einer Informationsüberflutung ein.729 Tendenziell neigt der EuGH deshalb zu einer weiten Auslegung des Begriffs der „Insiderinformation“.730 Schließlich wurde im Rahmen der Analyse der Urteilsgründe der Lafonta-Entscheidung aufgezeigt, dass der EuGH den überwiegenden Teil seiner Ausführungen zwar prima facie auf das Tatbestandsmerkmal der „präzisen Information“ bezieht. Der Sache nach beschäftigt sich der Gerichtshof aber mit den Auswirkungen der Beantwortung der Vorlagefrage auf die Veröffentlichungspflicht und schließt damit argumentativ denklogisch das Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit mit ein, das für das Entstehen einer Insiderinformation und einer hieraus folgenden Ad-hoc-Publizitätspflicht ebenfalls gegeben sein muss. Dem EuGH geht es vornehmlich darum, die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen. Der Argumentation des Gerichtshofs liegt mithin der Gedanke des effet utile731 zugrunde, wenn er ausführt, Emittenten dürften sich nicht durch das Vorgeben von Unsicherheit hinsichtlich der Richtung der Kursentwicklung des Finanzinstruments ihrer Veröffentlichungspflicht enthalten.732 Ein restriktives Verständnis der Entscheidung würde diesem auf die Herstellung der praktischen Wirksamkeit der unionsrechtlichen Publizitätspflicht gerichteten Gedanken nicht entsprechen. cc) Vorzugswürdigkeit in Anbetracht der zentralen Wertungen des europäischen Insiderrechts Der in der MMVO dargelegte Tenor bestätigt die vorangegangenen Erwägungen. Die Betonung des Anlegerschutzes durch Erwägungsgründe und Art. 1 der MMVO verdeutlicht die seit der Finanzmarktkrise 2008 verstärkt auftretende Tendenz zum Ausbau des Anlegerschutzes, die nicht nur auf europäischer Gesetzgebungsebene zu beobachten ist.733 Das Verständnis der Lafonta-Entscheidung hat sich insbesondere am herausgearbeiteten teleologischen Kerngedanken der insiderrechtlichen Bestimmungen auszurichten, wonach der gleiche Zugang von Anlegern zu Informationen sicherzustellen ist. Diese zentrale Anlegerschutzerwägung war bereits der Insiderrichtlinie, der Marktmissbrauchsrichtlinie sowie deren Durchführungsricht-

BV/Stichting Autoriteit Financiële Markten), NZG 2011, 951 = AG 2011, 588 = EuZW 2011, 715, Rn. 27. 729 Vgl. von Bonin/Böhmer, EuZW 2012, 694, 696. 730 Binder, RdF 2015, 159, 160; Kumpan, EuZW 2015, 389, 390; vgl. Langenbucher, AG 2016, 417, 422. Zur aus dem Auslegungskanon nach Savigny abgeleiteten Vorzugswürdigkeit einer extensiven Auslegung des Begriffs „verständiger Anleger“ siehe auch Gellings, Der gestreckte Geschehensablauf im Insiderrecht, 2015, S. 150 ff. 731 Zum effet utile als Auslegungsgrundsatz siehe Potacs, EuR 2009, 465 ff. 732 EuGH, Urt. v. 11. 3. 2015 – Rs. C-628/13 (Lafonta/AMF), NJW 2015, 1663 = ZIP 2015, 627 = NZG 2015, 432 = AG 2015, 388 = EuZW 2015, 387, Rn. 36. 733 Kritisch hierzu Buck-Heeb, JZ 2017, 279, 280 ff.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

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linie inhärent734 und hat im geltenden Recht der MMVO ihren bisher deutlichsten Ausdruck erfahren. Wie aus seinem Feedback Statement hervorgeht, entschied sich das CESR trotz der Vorschläge, als maßgebliche Beurteilungsperspektive den Gesamteffekt einer Information auf den Kapitalmarkt oder einen professional investor test zu wählen, der Kommission in seinem technischen Ratschlag den reasonable investor test zu empfehlen.735 Während die Zugrundelegung eines professionellen Anlegers einen äußerst hohen Standard begründen würde, erschien der verständige Anleger dem CESR als vorzugswürdige und ausbalancierte Alternative.736 Zwar wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Erwägungen des CESR nicht als Willen des historischen Gesetzgebers einzuordnen sind. Gleichwohl offenbart diese Entstehungsgeschichte, dass sich die Kommission in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG gerade die Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers zu Eigen gemacht hat, anstatt wie teilweise gefordert die Marktreaktion oder die Sichtweise eines professionellen Anlegers als maßgeblich zu erklären. Die Tatsache, dass der Handelspartner des Insiders nur selten einen kausalen Vermögensschaden erleiden wird sowie die durch die MMVO erfolgte Einbeziehung der Stornierung oder Änderung von Aufträgen in den Anwendungsbereich der Insidergeschäfte offenbaren einmal mehr, dass die dem Insiderverbot zugrunde liegende zentrale Wertung das Verbot der Ausnutzung eines ungerechtfertigten, weil nicht öffentlich bekannten Wissensvorsprungs darstellt. Erteilt der Insider eine Order zum Verkauf eines Finanzinstruments und gelangt anschließend in Kenntnis einer Insiderinformation, wonach der Kurs dieses Finanzinstruments zeitnah fallen wird, verstößt eine Stornierung des Auftrags gegen das Verbot von Insidergeschäften, obwohl der „Vorteil“ des Insiders lediglich in der Möglichkeit der Vermeidung eigener Verluste, nicht aber in einem Vermögensgewinn besteht. Die Neuregelung zeigt, dass das europäische Marktmissbrauchsrecht auch ein Unterlassen des Handels rechtlich missbilligen kann.737 Der Zweckbestimmung des Marktmissbrauchsrechts entspricht es daher am besten, auch die Vermeidung erhöhter Risiken auf der Grundlage nicht öffentlich bekannter Informationen in den Anwendungsbereich miteinzubeziehen. Hierin liegt der Sondervorteil begründet, dessen Ausnutzung der 734 Vgl. Erwägungsgrund 4 der Durchführungs-Richtlinie 2003/124/EG: „Die Gewährleistung des Anlegerschutzes macht nicht nur eine rechtzeitige Veröffentlichung der InsiderInformationen seitens der Emittenten erforderlich; vielmehr muss diese Veröffentlichung so schnell und so zeitgleich wie möglich für alle Anlegerkategorien in den Mitgliedstaaten erfolgen, in denen der Emittent die Zulassung seiner Finanzinstrumente zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt oder bereits erhalten hat, und dies, um einen EU-weit gleichen Zugang der Anleger zu solchen Informationen sicherzustellen und Insider-Geschäfte zu verhindern.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 735 CESR Market Abuse Consultation Feedback Statement, Ref: CESR/02-287b, Rn. 27 ff.; vgl. CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, Ref: CESR/02-089d, Rn. 27. 736 CESR Market Abuse Consultation Feedback Statement, Ref: CESR/02-287b, Rn. 29 f. 737 Vgl. Klöhn, AG 2016, 423, 432.

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Kap. 3: Das Lafonta-Urteil und seine Bedeutung für Art. 7 MMVO

EuGH unterbinden möchte.738 Ein restriktives Verständnis der Entscheidung würde die Kurserheblichkeit einer Volatilitätsinformation dahingegen ausschließlich im Hinblick auf Finanzderivate bejahen, deren Wertentwicklungen von der volatilen Aktie abhängig sind. Ein solches Verständnis vermischt jedoch die Grenzen der Kategorien des Anlegers und des Händlers und legt den Fokus auf die letztgenannte Kategorie.739 Dahingegen knüpft das hiesige Verständnis durch den Gedanken der Handelshemmung die Entscheidungserheblichkeit der Informationen im Kern an einen für die Anlegerkategorie determinierenden Faktor, während das gewinnbringende Ausnutzen von Finanzderivaten gleichzeitig als Nebeneffekt vom Insiderhandelsverbot umfasst ist und aufgrund des Eingreifens der Ad-hoc-Publizitätspflicht grundsätzlich dem gesamten Anlegerpublikum gleichermaßen ermöglicht wird. Dieser abweichende dogmatische Anknüpfungspunkt wird dem teleologischen Hintergrund des Marktmissbrauchsrechts besser gerecht. Für die Vorzugswürdigkeit eines solchen Verständnisses spricht – wie bereits angedeutet – auch Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2003/124/EG, der nunmehr in Erwägungsgrund 15 der MMVO aufgegangen ist. Zwar erklärt Satz 1 des Erwägungsgrunds 14 der MMVO ex ante-Informationen für die Beurteilung als maßgeblich. Nach Erwägungsgrund 15 der MMVO können ex post-Informationen zur Überprüfung der Annahme dienen, dass eine Information ex ante kurserheblich war. Betrachtet man nun den extremen Fall, dass eine Information mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen bestimmten Kursgewinn verursachen und mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit zu einem dem möglichen Kursgewinn entsprechenden Kursverlust führen wird, käme Erwägungsgrund 15 der MMVO stets zu dem Ergebnis, dass die Information kurserheblich war, da sie in jedem Fall einen Kursausschlag bewirken wird. Obgleich eine derartige Sachverhaltskonstellation eher fernliegend erscheint, verdeutlicht sie, dass das restriktive Verständnis zu Ergebnissen führen kann, die nur schwerlich mit den Erwägungen, die dem Marktmissbrauchsrecht zugrunde liegen, vereinbar sind. g) Ergebnis Der EuGH hat nicht Informationen, die keine Vorhersage der Richtung der Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente zulassen, generell für kurserheblich erklärt und auf das Erfordernis eines Handelsanreizes verzichtet (extensives Verständnis). Ebenso wenig sollte die Entscheidung des EuGH dahingehend gedeutet werden, dass derartige Informationen ausschließlich für Finanzderivate kurserheblich sein können, deren Werte von der Volatilität des underlying abhängen 738

A.A. wohl Mennesson, JCP E 2012, 1348; Klöhn, ZIP 2014, 945, 949 ff.; Klöhn, NZG 2015, 809, 811 ff.; Nietsch, WuB 2015, 327; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 119, 143; die einen ungerechtfertigten Vorteil als Wesensmerkmal der Insiderinformation nur dann annehmen, wenn sich aus der Information ein ökonomischer Profit erwirtschaften lässt. 739 Zetzsche, AG 2015, 381, 385.

C. Einbeziehung von Volatilitätsinformationen

275

(restriktives Verständnis). Der EuGH beantwortet nicht nur die Auslegungsfrage negativ,740 auch die als obiter dictum getätigte Aussage zur Kurserheblichkeit erfolgt entsprechend. Er stellt hiermit fest, dass Informationen, von denen sich nicht vorhersagen lässt, ob sich der Kurs des betreffenden Finanzinstruments bei öffentlichem Bekanntwerden nach oben oder unten entwickeln würde, für dieses Finanzinstrument kurserheblich sein können. Nach der vorstehenden Untersuchung erscheint ein Verständnis der Entscheidung vorzugswürdig, nach dem der EuGH im Fall Lafonta Gesichtspunkten des Anlegerschutzes den Vorrang vor dem Ziel der Förderung funktionsfähiger Kapitalmärkte einräumt. Die tatbestandliche Vereinbarkeit dieser Auslegungsentscheidung mit geltendem Recht überlässt der Gerichtshof der Rechtswissenschaft. Vorliegend wurde ein Ansatz unterbreitet, der mit dem vorzugswürdigen Verständnis der Entscheidung vereinbar ist, den Anlegerschutz unter weitestmöglicher Vermeidung kontraproduktiver Folgen für den Funktionsschutz befördert und gleichzeitig bei Erhaltung der Theorie des Handelsanreizes ein Selektionskriterium unter dem Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit bietet.

740

Binder, RdF 2015, 159, 160.

Schlussbetrachtung Die Untersuchung verdeutlicht, dass die Auslegung des Begriffs des „verständigen Anlegers“ von zentraler Bedeutung ist, um den Anwendungsbereich von Insiderverbot und Ad-hoc-Publizitätspflicht auszutarieren. Abstrahiert man die vorstehenden Ausführungen von der Entscheidung im Fall Lafonta, lassen sich induktiv Folgerungen für die Auslegung des Art. 7 MMVO ableiten. Aufschluss über Sinn und Zweck des Erfordernisses der Kursspezifität konnten die rechtsvergleichen Erwägungen bieten. Im US-amerikanischen Insiderrecht existiert in Form der puffery doctrine ein Institut, das vergleichbare Anforderungen an die Konkretheit und Verlässlichkeit von Aussagen stellt. Diese Doktrin ist grundsätzlich Bestandteil der materiality-Prüfung und liefert keine über den reasonable investor test hinausgehende Selektionswirkung. Sie ist der ausführlichen Beurteilung der materiality vorgelagert, weil sie dem Gericht ermöglicht, ohne Tatsachenbeurteilung der Jury eine Klage im summarischen Verfahren abweisen zu können. Da sich diese prozessökonomische Funktion nicht gleichermaßen auf die europäischen Rechtsordnungen übertragen lässt, ist eine gegenüber der Kurserheblichkeit eigenständige Funktion der Kursspezifität nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als dass der EuGH in der Rechtssache Lafonta der Auslegungsvariante, durch die mittels einer Differenzierung zwischen Amplitude und Richtung der Kursauswirkung dem Erfordernis der Kursspezifität ein eigenständiger Anwendungsbereich beigemessen werden konnte, eine Absage erteilt hat. Die unter dem zweiten Prüfungsschritt des Tatbestandsmerkmals „präzise Information“ verortete Frage, ob die Information spezifisch genug ist, um einen Schluss auf die Auswirkungen der Information auf den Kurs des Finanzinstruments zuzulassen, entfaltet folglich gegenüber dem Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit keinerlei eigenständige Abgrenzungswirkung. Sie wird gleichermaßen bei der Prüfung virulent, ob der verständige Anleger eine Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. De lege lata dient das Erfordernis der Kursspezifität lediglich als Vorprüfung, um Informationen bereits frühzeitig aus dem Tatbestand auszusondern, die offensichtlich nicht geeignet sind, den Kurs eins Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen.1 Das zentrale Tatbestandsmerkmal des Art. 7 MMVO ist demnach dasjenige der Kurserheblichkeit, welches durch den in Art. 7 Abs. 4 MMVO statuierten Maßstab des verständigen Anlegers konkretisiert wird. Ob der verständige Anleger eine Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen 1 I. E. ebenso Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 82; Klöhn, NZG 2015, 809, 810; Kumpan, DB 2016, 2039, 2041 Fn. 25.

Schlussbetrachtung

277

würde, ist durch eine alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Wertungsentscheidung zu bestimmen, die sich an den Zielen des Marktmissbrauchsrechts auszurichten hat. Unter Zugrundelegung einer monofunktionalen Betrachtungsweise von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität erscheint es vorzugswürdig, den verständigen Anleger als Personifizierung eines effizienten Markts im Sinne der halbstrengen Variante der ECMH zu begreifen.2 Dieses Konzept ist subsumtionsfähig und bietet klare Maßstäbe für die Beurteilung der Kurserheblichkeit. Da nach dieser funktionellen Auslegungsmethode grundsätzlich lediglich solche Informationen kurserheblich sind, die zu einer anderen Bewertung des Fundamentalwerts eines Finanzinstruments führen und ein kompetitiver Markt für Informationshändler geschaffen wird,3 kann das Ziel, funktionsfähige Kapitalmärkte zu gewährleisten, maximal gefördert werden. Denn eine Steigerung der Informationseffizienz und der Fundamentalwerteffizienz wirkt sich positiv auf die institutionelle und operationale Effizienz aus, darüber hinaus sind zumindest mittelbar positive Auswirkungen auf die Allokationsfunktion des Marktes denkbar.4 Eine solche Auslegung folgt allerdings nicht zwingend aus rechtsvergleichenden Erwägungen. Die Analyse des durch US-amerikanische Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur gezeichneten Bildes eines reasonable investor konnte ein uneinheitliches Verständnis dieses Maßstabs aufzeigen. Insbesondere erscheint eine Übertragbarkeit der im US-amerikanischen Recht auffindbaren kapitalmarkttheoretischen Auslegung des verständigen Anlegers aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit der fraud-on-the-market theory problematisch. Denn diese Theorie erklärt sich erst vor dem funktionellen Hintergrund, Sammelklagen im US-amerikanischen Recht erleichtern zu können, denen jedenfalls im nationalen Kapitalmarktecht kein vergleichbarer Stellenwert zukommt. Darüber hinaus lässt sie sich schwerlich mit der Rechtsprechung des BGH zur haftungsbegründenden Kausalität im Rahmen der Informationsdeliktshaftung vereinbaren, sodass eine konsequente Implementierung dieser miteinander verwobenen kapitalmarkttheoretischen Auslegungsvarianten schwer möglich erscheint. Allem voran liegt nach dem hier vertretenen Standpunkt dem reasonable investor des US Supreme Court ein anderes Leitbild zugrunde, welches für die konkretisierende Auslegung des verständigen Anlegers nach Art. 7 Abs. 4 MMVO heranzuziehen ist. Danach existiert für die Beurteilungsperspektive des verständigen Anlegers keine bright-line rule, die unter Anknüpfung an objektive Kriterien eine abschließende Bestimmung der Kurserheblichkeit ohne Auslegungsspielräume zulassen würde. Vielmehr handelt es sich um eine einzelfallbe2 Vgl. Newman/Herrmann/Ritts, 20 J. Corp. L. 571, 590 (1995); Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 377; Klöhn, WM 2014, 537; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 273 ff.; Hopt/ Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 102 f. 3 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 358, 376 f. bezugnehmend auf Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711 (2006); Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017, S. 34. 4 Siehe oben, Kapitel 1, B.III.4.d).

278

Schlussbetrachtung

zogene, wertungsoffene Beurteilung, im Rahmen derer sowohl Fakten als auch spezifisch rechtliche Erwägungen eine Rolle spielen. Diese Auslegung des verständigen Anlegers ermöglicht es, den normativen Begriff in Abhängigkeit des teleologischen Hintergrundes von Insiderrecht und Adhoc-Publizitätspflicht zu bestimmen. Ein derartiges Verständnis ist einer rein kapitalmarkttheoretischen Auslegung vorzuziehen, da neben dem primären Postulat des Marktmissbrauchsrechts, funktionsfähige Kapitalmärkte zu gewährleisten, gleichzeitig dem Anlegerschutz als zweiter Zielsetzung von Insiderrecht und Adhoc-Publizität Rechnung getragen werden kann. Dieser Zweck ergibt sich aus der Funktion des Regelungskomplexes als Kompensationsmechanismus für außer Kraft gesetzte individualvertragliche Schutzmechanismen, bewirkt allerdings grundsätzlich keinen Schutz individueller Vermögensinteressen. Die Gewährleistung von Chancengleichheit zwischen den Anlegern erklärt sich vor dem Hintergrund, dass durch Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität die gestörte Vertragsparität wiederhergestellt werden soll.5 Da Anleger durch den funktionierenden Preisanpassungsmechanismus geschützt werden und von funktionsfähigen Kapitalmärkten profitieren, ist der Funktionsschutz allerdings das übergeordnete Ziel des Marktmissbrauchsrechts. Beide Schutzziele liegen dem europäische Marktmissbrauchsrecht seit der Schaffung der Insiderrichtlinie zugrunde und finden sich besonders deutlich in der MMVO wieder (vgl. insbesondere Art. 1 sowie die Erwägungsgründe 2, 8, 23, 55 der MMVO). Diese Zielsetzungen haben Eingang in die Auslegung des normativen Begriffs des „verständigen Anlegers“ zu finden. Die Beurteilungsperspektive ist deshalb durch ein wertungsoffenes Konzept zu konkretisieren. Der verständige Anleger ist demnach ein rationaler Anleger, der mit den Marktgegebenheiten vertraut ist, Zugang zu allen öffentlich bekannten Informationen hat6 und ein Grundverständnis von Diversifizierung besitzt.7 Im Rahmen seiner Anlageentscheidung berücksichtigt er sowohl den Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses als auch dessen potentielle Kursauswirkungen.8 Die Entscheidungserheblichkeit der Information ist jedoch durch eine wertende Betrachtung aller relevanten Fakten und rechtlicher Gesichtspunkte zu bestimmen. Eine Information ist grundsätzlich kurserheblich, wenn sie einen Kauf- oder Verkaufsanreiz auf den verständigen Anleger ausübt und eine Investition diesem lohnend erscheinen würde.9 Aus Wertungsgesichtspunkten 5

Schall, JZ 2010, 392, 397; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 94 f.; ähnlich Dingeldey, Insider-Handel und Strafrecht, 1983, S. 68 ff. 6 Siehe die Nachweise oben, Kapitel 1, Fn. 325. 7 Vgl. Dodds v. Digna Securities, Inc., 12 F.3d 346, 351 (2nd Cir. 1993). 8 EuGH, Urt. v. 28. 6. 2012 – Rs. C-19/11 (Geltl/Daimler AG), NJW 2012, 2787 = ZIP 2012, 1282 = NZG 2012, 784 = AG 2012, 555 = ZBB 2012, 293 = BKR 2012, 338 = EuZW 2012, 708, Rn. 55. 9 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2011, Rn. 3.503; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 6. Auflage 2012, § 13 Rn. 65; Ritz, in: JVRB, WpHG, 2015, § 13 Rn. 131 ff.; Men-

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ist danach zu fragen, ob die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und der Schutz der Anleger für eine Einordnung der Information als Insiderinformation sprechen. Dem Funktionsschutz kommt hierbei grundsätzlich Vorrang zu, sodass zunächst maßgeblich ist, ob die Information in einem effizienten Kapitalmarkt Preise bewegen würde.10 Der verständige Anleger orientiert sich deshalb primär an fundamentalwertrelevanten Daten. Diese Prüfung bietet allerdings keine abschließende Beurteilung aller relevanten Tatsachen, sondern dient als erster Schritt zur Ermittlung der Kurserheblichkeit. Dies erschließt sich besonders im Hinblick auf Informationen, aus denen sich nicht ableiten lässt, in welche Richtung sich der Kurs bewegen wird, die aber firmenspezifische Risiken begründen (firmenspezifische Volatilitätsinformationen) und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit per se zu erheblichen Kursauswirkungen führen werden. Solche Informationen stehen aus Gesichtspunkten des Funktionsschutzes jenseits des Schutzbereichs des Marktmissbrauchsrechts. Einerseits sind sie nach der Portfoliotheorie und dem CAPM nicht bewertungserheblich, andererseits könnte ihre Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Marktmissbrauchsrechts zur Informationsüberflutung des Marktes sowie zu Rechtsunsicherheit führen. Dennoch sind sie als Insiderinformationen einzuordnen, da insbesondere der Anlegerschutz dies gebietet. Derartige Informationen müssen Anlegern möglichst lückenlos zugänglich gemacht werden, denn sie können für die Frage des Für oder Wider einer Investition entscheidungserheblich sein, ihrem Inhaber einen ungerechtfertigten Wissensvorsprung vermitteln und durch Derivat-Konstruktionen gewinnbringend ausgenutzt werden. Durch die Ergänzung der Theorie des Handelsanreizes um den Gedanken der Handelshemmung lässt sich der Entscheidungserheblichkeit der Informationen Rechnung tragen, gleichzeitig können die kontraproduktiven Effekte für das Ziel der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts weitestgehend vermieden werden. Demnach ist für diese Art von Informationen nicht zwangsläufig erforderlich, dass der verständige Anleger bei Kenntnis der Information sein Verhalten geändert hätte. Vorausgesetzt ist vielmehr, dass er der Information bei seinen Erwägungen tatsächlich Bedeutung beimisst, sie also als entscheidungserheblicher Faktor in seine Anlageentscheidung einfließen würde.11 Hierfür ist in denjenigen Einzelfällen, in denen sich bei Auswertung aller verfügbaren Informationen eine Richtung der Kursauswirkung einer Information vernünftigerweise nicht vorhersagen lässt, die Theorie des Handelsanreizes nicht weiterführend. Daher ist eine Information in diesen Fällen auch dann kurserheblich, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Kursauswirkungen – gleich, in welche nicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 13 Rn. 159 ff.; vgl. Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 211. 10 Vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 377; Klöhn, in: Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 Rn. 271; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage 2017, § 107 Rn. 55. 11 Vgl. TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 439, 449, 96 S.Ct. 2126, 2128, 2132 (1976).

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Richtung – führen wird. Erheblich ist die Kursauswirkung in diesem Fall, wenn bei separater Betrachtung der möglichen positiven und negativen Marktreaktionen diese jeweils für sich genommen einen Kauf- oder Verkaufsanreiz ausüben würden. Ein solches Ergebnis entspricht nicht nur der Rechtsprechung des EuGH. Es lässt sich auch mit dem vom BGH vertretenen Anlegerleitbild vereinbaren und ist zudem in Anbetracht der Rechtsprechung des US Supreme Court vorzugswürdig. Darüber hinaus wird dieses Verständnis den Zwecken des Marktmissbrauchsrechts der Insiderrichtlinie, der Marktmissbrauchsrichtlinie und der MMVO gerecht und trägt den Praxisbedürfnissen hinreichend Rechnung. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Maßstäbe lässt sich nicht nur für den Fall Lafonta, sondern hierüber hinaus allgemein bei der Behandlung insiderrechtlicher Fragen der eingangs beschriebene Balanceakt bewältigen.

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Stichwortverzeichnis agreement-in-principle-Test 106 Allokative Effizienz 40 f., 63 f., 87 f., 197 ff. Anlegergleichbehandlung 43 f., 65 f., 183 f., 192 f., 237 ff., 255 f. Anlegerschutz 212 ff., 236 ff., 264 ff. Anlegervertrauen 42 ff., 197, 214 ff., 224 f., 241 Anschleichen siehe Verdeckter Beteiligungsaufbau Anteilsbewertung 199 ff. Arbitrage 47, 58 ff., 205 ff. Autorité des Marchés Financiers (AMF) 135 ff. Behavioral Finance 56 ff., 117 ff., 209 f. Betafaktor 204 Black/Scholes-Formel 207 bright-line rule 106 f., 109 ff., 262 Capital Asset Pricing Model (CAPM) 203 f. Chancengleichheit siehe Anlegergleichbehandlung class action siehe Sammelklage Committee of European Securities Regulators (CESR) 153 ff., 273 Deregulierung 67 ff. disclose or abstain rule 95 ff. disclosure philosophy 93, 99 Discounted Cash-Flow-Verfahren (DCFVerfahren) 201 f. Diskontzinssatz 75, 201 f. Diversifizierung 202 ff., 257 ff. duty to correct 100, 110 duty to disclose 92, 100 duty to update 100 Efficient Capital Market Hypothesis (ECMH) 47 ff., 74 ff., 107 f., 261 ff. equal access theory 95 ff., 122

Erwartungswert 76 f., 106 f., 171 f., 198 ff., 251 f., 262 f. fiduciary duty theory 96 ff. firmenspezifische Risiken 202 ff., 258 fraud-on-the-market theory 107 f., 111 f., 128 ff. Fundamentalwert 48 f., 58, 75 ff., 199 ff. Fundamentalwerteffizienz 48 f., 61 ff., 205 f., 209 f. Funktionsdualismus 235 ff. Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts siehe Funktionsschutz Funktionsschutz 36 ff., 64 f., 196 ff., 234 ff. half-truth rule 100 Handelsanreiz 175 ff., 248 ff. Handelshemmung 222 ff., 249 ff. homo oeconomicus 50, 78, 112 f. information-oriented technical trader 80 Informationsasymmetrie 44 ff., 62, 208 f., 242 Informationseffizienz 47 f., 54 f., 62, 66, 198, 205 Informationshändler 75 ff., 261 f. Informationsparadigma 28, 75 Informationsüberflutung 105, 121, 208 ff., 225 f., 244 f. Institutionelle Effizienz 38 f., 62, 66, 197 Jury-System 166 ff. Korrelation 258 Kurserheblichkeit 71 ff., 123 ff., 170 ff., 245 ff. Kursspezifität 119 ff., 132, 149 ff. limits of arbitrage 58 ff. Liquiditätsanbieter 62

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Stichwortverzeichnis

Liquiditätshändler 62 long straddle 185 majority rule 92 Marktinformationen 160, 168, 206 Marktversagen 44 ff. materiality 103 ff., 228 ff., 263, 267 misappropriation theory 97 f., 122 moral hazard 69 noise trader 50 f., 58 f. Operationale Effizienz 39 f., 41 f., 62, 198, 205, 210 f. Option 185, 206 ff. Portfoliotheorie 203 f., 257 ff. Preisschutz 75, 195, 243 Primärinsider 32 f., 122 probability/magnitude-Formel 77 ff., 105 f. puffery doctrine 119 ff., 132, 164 ff. random walk 51, 53 f. rational choice theory 50 reasonable investor 103 ff., 158 f., 162 ff., 232 ff. Risikoaversion 202, 223 f., 248 Sammelklage 107, 130 f. Schutzgesetz 213, 240 f.

Segré-Bericht 28 f. Sekundärinsider 32 f., 122 Selbstregulierung 29 special circumstances rule 92 Spekulation 73, 180 ff., 220 ff. Standardabweichung siehe Volatilität systematische Risiken 202 ff., 257 f. tippee 96 ff. total return swap (TRS) 135 ff. Transaktionskosten 39 f., 58 f., 62, 198, 210 f. unsystematische Risiken siehe firmenspezifische Risiken value trader 80 Varianz 76, 145, 172 f. Verdeckter Beteiligungsaufbau 140 ff. Verständiger Anleger 71 ff., 125 ff., 168 f., 190 ff., 219 ff., 247 ff., 262 ff. Vertragsparität 236 ff. Volatilität 76, 179 ff., 202 ff., 222 ff., 247, 258 Volatilitätsinformation 179 f., 184 ff., 211, 220 ff., 252 f. Zielkonflikt 182, 227, 234 ff.