Die industrielle Entwicklung in Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik [1 ed.] 9783428419685, 9783428019687


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German Pages 239 Year 1970

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Die industrielle Entwicklung in Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik [1 ed.]
 9783428419685, 9783428019687

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Schriftenreihe zur Industrie- und Entwicklungspolitik

Band 1

Die industrielle Entwicklung in Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik

Von

Kotaro Ikeda, Yoshitaro Kato Junichi Taiyoji

Duncker & Humblot · Berlin

KOTARO IKEDA • YOSHITARO KATO • J U N I C H I TAIYOJI Die industrielle Entwicklung i n Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Wirtschafte- und Finanzpolitik

SCHRIFTENREIHE INDUSTRIE- UND

ZUR

ENTWICKLUNGSPOLITIK

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Fritz Voigt

Band 1

Die industrielle Entwicklung i n Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Wirtschafts- u n d Finanzpolitik

Von

Kotaro Ikeda, Yoshitaro Kato Junichi Taiyoji

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Redaktion der Schriftenreihe zur Industrie- und Entwlcklungspolitlk: Dr. Gerd Unterburg Alle Rechte vorbehalten © 1970 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1970 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Vorwort des Herausgebers

Das vorliegende Buch meiner japanischen Kollegen Ikeda, Kato und Taiyoji ist der erste Band einer Schriftenreihe, die sich die Aufgabe gestellt hat, die Beziehungen zwischen der industriellen Entwicklung, der Wirtschaftspolitik des Staates, den Trägern wirtschaftlicher Macht und den Veränderungen i n der Struktur der Gesellschaft zu analysieren. Diese „Schriftenreihe zur Industrie- und Entwicklungspolitik" soll damit zum Verständnis wirtschaftlicher, sozialer und politischer Prozesse i n den Volkswirtschaften sowohl der heutigen Industrienationen als auch der i n der wirtschaftlichen Entwicklung zurückgebliebenen Länder beitragen. Die Schriftenreihe soll herausarbeiten, welche Vorgänge und Folgen für den Prozeß der industriellen Entwicklung typisch sind, gleichgültig ob er sich auf der Basis der Marktwirtschaft, des sozialistischen bzw. kommunistischen Wirtschaftssystems oder anderer Systeme abspielt. Sie w i l l damit weiter erkennen, welchen eigenständigen Anteil jedes Wirtschaftssystem an der Gestaltung und den Auswirkungen des Industrialisierungsprozesses trägt. Ferner soll herausgearbeitet werden, welche Bedeutung einzelnen Institutionen, Impulsen oder Bedingungen zuzumessen ist, z. B. dem technischen Fortschritt oder auch dem Rechtssystem oder den Besonderheiten des Volkscharakters. Bereits die historischen Schulen der Nationalökonomie haben versucht, wirtschaftliche Entwicklungsprozesse zu erfassen und zu analysieren. I m Rückblick müssen w i r aber feststellen, daß diese Schulen ihr Ziel nicht erreicht haben. Eine noch so genaue Kenntnis von Einzelheiten gibt keineswegs die Gewähr dafür, daß ein Forscher umfassenden Einblick in die Zusammenhänge wirtschaftlicher Prozesse gewinnt. Es fehlte diesen Schulen das theoretische Werkzeug, um die inneren Zusammenhänge erfassen und analysieren zu können, die das Wesen der industriellen Entwicklung ausmachen. Nachdem die Stufentheorien der historischen Schule weder den Industrialisierungsprozeß noch die Inflation, die Weltwirtschaftsdepression und die Formung und Entwicklung sozialistischer und kommunistischer Wirtschaftssysteme haben vollständig erklären und analysieren können und das wirtschaftspolitische Instrumentarium dieser Lehren nicht imstande war, Krisenerscheinungen, wie z. B. die Arbeitslosigkeit 1929—1933, zu bekämpfen, mußte die Schwäche dieser Lehre zu einem Wandel der herrschenden Methode der Nationalökonomie führen.

2

Vorwort des Herausgebers

Die moderne Wirtschaftslehre, die von den Erfahrungen der Weltwirtschaftsdepression ausgehend wertvolle neue theoretische Werkzeuge der Forschung i n den Vordergrund des Interesses rückt, hat es uns zwar ermöglicht, viele wirtschaftliche Prozesse zu erkennen, die bisher nicht erfaßt werden konnten. Die moderne Wirtschaftslehre versucht mit Abstraktionen unterschiedlichen Grades und mit Modellbetrachtungen, die vielfach auf mathematische Methoden zurückgreifen, zu exakten Aussagen zu kommen. Die Fortschritte, die i n den letzten zwanzig Jahren gerade auf diesem Gebiet gemacht wurden, sind erstaunlich. Dennoch besteht die Gefahr, daß die Erkenntnisgrenzen dieser Modelle nicht genügend berücksichtigt werden und der Aussagewert der modernen Lehre infolge der weitgehenden Abstraktionen immer geringer wird. Die moderne Wirtschaftslehre geht von einem Einheitstyp des „Unternehmers" aus, baut auf den Grundlagen einer sehr vereinfacht gesehenen Marktwirtschaft und der privaten Verfügungsmacht über Produktionsmittel auf, wie dies für die Wirtschaft um die Jahrhundertwende noch typisch gewesen sein mag, aber nicht mehr der viel differenzierteren Struktur des heutigen Industrialisierungsprozesses und der wirtschaftspolitischen Entwicklung i n den Entwicklungsländern, den sozialistischen und kommunistischen wie auch kapitalistischen Wirtschaftssystemen entspricht. Die den meisten Analysen der modernen Theorie zugrundeliegenden Kostenfunktionen, Investitionsfunktionen, Konsum- und Sparfunktionen usw. beruhen auf einem hohen Abstraktionsgrad, der zu einer Vereinfachung der Problematik führt. Die makroökonomischen Größen Y (Einkommen), S (Sparen), I (Investitionen) oder C (Konsumausgaben) sind Aggregate, die viel zu differenzierte Bestandteile i n sich enthalten, an die sich i m langfristigen Wirtschaftsablauf unterschiedliche wirtschaftliche, soziale und politische Folgeprozesse anknüpfen. Durch diese Abstraktion w i r d die mathematische Formulierung wirtschaftlicher Prozesse zwar immer besser, der Aussagewert der Modelle aber immer geringer. Werden die Ergebnisse solcher Modelle dann auf die Probleme einer staatlichen Politik angewandt, so werden allzu oft jene Voraussetzungen übersehen, unter denen die Resultate gewonnen wurden. Ein typisches Beispiel für solcherart gewonnene Fehleinschätzungen sind die auf viele Entwicklungsländer übertragenen Modelle, die wohl i n einer Industrienation Gültigkeit haben, jedoch i n Entwicklungsländern zu Mißerfolgen und Bitternis führen. Man kann dem Charakter eines Industrialisierungsprozesses nie allein dadurch gerecht werden, daß man mathematisch korrekte Gleichgewichtsbedingungen formuliert. W i r d auf die Einbeziehung politischer Bedingungen, sozialer Gegebenheiten, auf die Beachtung geistiger oder religiöser Uberzeugungen verzichtet, so besteht die Gefahr, daß aus einer scheinbar korrekten wissenschaftlichen Analyse völlig falsche Folgerungen für die

Vorwort des Herausgebers Wirtschafts- und Sozialpolitik gezogen werden. Angesichts der immer größer werdenden Spannungen zwischen Industrieländern und den i n der Entwicklung zurückgebliebenen Ländern, die sich aus dem starken Bevölkerungszuwachs und den immer schwieriger werdenden ökonomischen Problemen des Wettbewerbs ergeben, muß gerade die Wirtschaftswissenschaft versuchen, hier Lösungen zu erforschen. Für die Entwicklungsländer bietet sich die Chance, die Fehler zu vermeiden, die i n den Industriestaaten durch nicht zielgerechte Wirtschaftspolitik entstanden sind. Die Untersuchungen der Schriftenreihe sollen diese Probleme i n besonderem Maße berücksichtigen und sollen damit dazu beitragen, die hier auftretenden Aufgaben m i t zu lösen. Der vorliegende Band der Schriftenreihe über den Industrialisierungsprozeß in Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Finanz-, Geldund Wirtschaftspolitik ist der erste Beitrag dieses Versuchs, die aufgezeigten Probleme einer Lösung näher zu bringen. Gerade das Beispiel Japans zeigt, daß i m Industrialisierungsprozeß der in der Entwicklung zurückgebliebenen Länder i m allgemeinen die Erfahrungen der alten Industriestaaten, die diese i n einer jahrhundertelangen Entwicklung erworben haben, auf dem Wege der Nachahmung in relativ kurzer Zeit übernommen werden können. Wo der Staat diese Entwicklung i n ähnlicher Weise aktiv gefördert hat, können die Entwicklungsländer einen weitaus kürzeren Weg zur Industrienation wählen. Wie dieser Weg i m einzelnen beschaffen ist, hängt zu einem wichtigen Teil vom Erlebnishorizont der betroffenen Menschen und deren Reaktionsfähigkeit auf Entwicklungschancen ab. Wollen w i r die künftige Entwicklung der Spannungen i n der Welt richtig erfassen, so ist es von Bedeutung zu fragen, wie die Menschen in Staaten, die sich als von der marktwirtschaftlichen Entwicklung benachteiligt fühlen, wirtschaftspolitisch aktiv werden. Daß politische Reaktionen selten eine objektive richtige Antwort auf eine objektive Datenkonstellation sind, ist dabei deutlich zu sehen. Wirtschaftspolitische Aktionen sind eine Antwort auf eine oft recht einseitig gesehene Vorstellungswelt. Gerade deshalb ist die Analyse der oft grundsätzlich voneinander abweichenden Entwicklungspolitik von Staaten m i t unterschiedlich hohem Sozialprodukt je Kopf der Bevölkerung so interessant. Universität Bonn, i m Januar 1970 Fritz

Voigt

Vorwort der Verfasser

I n den letzten Jahren haben sich zahlreiche amerikanische und englische Wirtschaftswissenschaftler u m eine Analyse der Modernisierung des Sozial- und Wirtschaftswesens i n Japan bemüht und dabei recht beachtenswerte Ergebnisse erzielt 1 . I m deutschen Schrifttum hingegen fehlte es bis heute an Studien, die die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Japans unter ausreichender Berücksichtigung der historischen Hintergründe aufzeigen 2 . Der Hauptgrund dafür liegt i n der Schwierigkeit der japanischen Sprache, die ausländische Wissenschaftler meist gar nicht oder nur unzureichend beherrschen, so daß sie infolgedessen wertvolles japanisches Schriftmaterial nicht auzuwerten vermögen. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, sich aufgrund statistischer Ziffern ein B i l d der japanischen Wirtschaftsentwicklung zu machen. Statistische Zahlen zeigen jedoch nur ein Resultat der Wirtschaftstätigkeit. Über die Ursachen, die strukturellen Zusammenhänge und den Verlauf des dynamischen Prozesses hingegen vermögen sie kaum Auskunft zu geben. Man kann also m i t einem solchen Verfahren zu keinem historischen und systematischen Verständnis der Wirtschaftsentwicklung gelangen. Hinzu kommt, daß ausländische Wissenschaftler oftmals geneigt sind, den großen Erfolg der japanischen Wirtschaft als etwas Mysteriöses zu 1 V o r allem sind die beiden Werke von George C. Allen, A Short Economic History of Modern Japan, 2. Aufl., London 1962 sowie Japan's Economic E x pansion, Oxford 1965 u n d v o n William W. Lockwood, The Economic Development of Japan, Princeton 1954 auch i n Japan sehr bekannt. Außer diesen a l l gemeinen Standardwerken gibt es noch einige wertvolle spezielle Studien. E. Herbert Norman, Japan's Emergence as a Modern State, New Y o r k 1940 u n d Johannes Hirschmeier, The Origins of Entrepreneurship i n M e i j i Japan, Cambridge 1964 stellen einige Beispiele dafür dar. 2 Die Werke von Karl Rathgen, Japans Volkswirtschaft u n d Staatswirtschaft, Leipzig 1891, E. A. Heber, Japanische Industriearbeit, Jena 1912 u n d neuerdings die Werke von Erich Gutenberg, Über japanische Unternehmungen, Wiesbaden 1960 u n d Karl Hax, Japan, Wirtschaftsmacht des fernen Ostens, K ö l n u n d Opladen 1961, bilden einige der wenigen Ausnahmen. Nebenbei sei bemerkt: Seit der Meiji-Restauration von 1868 lernte Japan äußerst schnell u n d ahmte besonders vieles aus Deutschland nach, w i e z. B. M i l i t ä r wesen, Schulsystem, Verfassungsrecht, Einkommensteuer- u n d Fabrikgesetze. V o m Standpunkt des gegenseitigen Verständnisses zwischen Deutschen u n d Japanern stellt diese Lage einen Einbahnverkehr von seiten Japans dar.

6

Vorwort der Verfasser

umschreiben, das vorwiegend aus den speziell geistigen und sozialen Verhältnissen i n Japan zu verstehen sei3. Das vorliegende Buch trägt diesen Schwierigkeiten bei einer Analyse der japanischen Wirtschaftsentwicklung durch ausländische Wissenschaftler Rechnung, indem es aus japanischer Sicht zusammengestellt und geschrieben ist. Seine Entstehung verdankt es der Initiative von Professor Fritz Voigt , der i m Rahmen der von i h m herausgegebenen „Schriftenreihe zur Industrie- und Entwicklungspolitik" einen Beitrag zum Verständnis der Deutschen zur japanischen Wirtschaft beisteuern möchte. Professor Fritz Voigt betraute unseren Lehrer Professor Hanya Ito m i t diesem ehrenvollen Auftrag, der die Arbeit an uns weitergab. Dieses Buch ist demnach das Ergebnis eines engen Zusammenwirkens, wobei w i r uns die Arbeit der Untersuchungen und des Schreibens teilten. Für den ersten Teil, Kapitel 1 bis 4, zeichnen Kotaro Ikeda, für das 5. Kapitel Yoshitaro Kato und für den zweiten Teil Junichi Taiyoji verantwortlich. Besonderen Dank schulden w i r Herrn Professor Fritz Voigt und Herrn Professor Hanya Ito. Herr Dr. Herbert Schmidt hat die mühsame und schwierige Arbeit übernommen, unser Deutsch zu verbessern. Sehr wertvolle Unterstützung erhielten w i r von Herrn Diplom-Volkswirt Gerd Unterburg , der die endgültige Fassung des vorliegenden Buches noch einmal redigiert hat, Herrn Dr. Horst Wruck und Herrn DiplomKaufmann Dieter Strohm, die als Assistenten des Institutes für Industrie« und Verkehrspolitik an der Universität Bonn tätig sind. I n Japan nahmen w i r bei der Vervollkommnung unserer Arbeit die freundliche Hilfe von Herrn Professor Michio Koyama i n Anspruch. I n Bonn unterstützten uns freundlicherweise der Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung, Herr Professor Masaaki Miyamoto und Herr Professor Takao Yamada , der sich als Stipendiat des D A A D i n Bonn aufhielt. Ferner danken w i r Herrn Ingo Richter , der als Student der Japanologie an der Universität Bonn zum Gelingen unseres Werkes beitrug. Ebenso bedanken w i r uns für die finanzielle Förderung durch Herrn Professor 3 U m dieses V o r u r t e i l abzulegen, gebraucht man oftmals das sog. vergleichende historische u n d soziologische Schema von Max Weber u n d stellt aus der modernen Sozial- u n d Wirtschaftsverfassung Japans die Faktoren heraus, die nachweisbar keine spezifisch rationalistischen Elemente i m modernen europäischen Sinne enthalten. Das Werk von Norman Jacobs: The O r i g i n of Modern Capitalism and Eastern Asia, Hongkong 1958, liefert ein typisches Beispiel dafür. A b e r daraus ergibt sich i n den meisten Fällen n u r ein sehr allgemeines Resultat, u n d es besteht die Gefahr, daß man den lebendigen dynamischen Prozeß des historischen Geschehens n u r als bloße Fragmente begreifen kann. Natürlich darf man dabei nicht übersehen, daß es auch f ü r die Japaner selber sehr lehrreich u n d interessant ist, w i e die Analyse der industriellen Entwicklung Japans von europäischen Gesichtspunkten her behandelt w i r d .

Vorwort der Verfasser Torajiro Takagaki und Seimeikai der Mitsubishi-Bank, Tokio. Die Alexander von Humboldt-Stiftung ermöglichte es, daß einer der Verfasser, Kotaro Ikeda, durch einen längeren Aufenthalt i n Deutschland zur Vervollkommnung und Beschleunigung der Herausgabe dieses Buches beitragen konnte. W i r danken all denen, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben, und hoffen, damit zum besseren gegenseitigen Verständnis zwischen Deutschland und Japan beitragen zu können. I m A p r i l 1968 Kotaro Ikeda, Yoshitaro Kato, Junichi Taiyoji

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

15 Allgemeiner

Teil

Überblick über den Industrialisierungsprozeß in Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Wirtschaftspolitik Erstes

Kapitel

Einflüsse der Finanz- und Geldpolitik auf die Entstehung des Kapitalismus (1868—1890) I. Vorbemerkung II. Politische listischen ration III.

21

und soziale Bedingungen für die Entstehung des kapitaWirtschaftssystems: Die Durchführung der Meiji-Restau-

Die Lebensauffassung und Aktivität der Shizoku Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

IV. Die Finanzpitalbildung

und Geldmaßnahmen

zur Förderung

als Antrieb

zur

der privaten

Ka-

1. Die P o l i t i k zur Förderung der privaten K a p i t a l b i l d u n g a) Die Finanzierung durch das Staatskapital aa) bb) cc) dd)

b) Die mittelbare Förderung der privaten K a p i t a l b i l d u n g 2. Die Investitionspolitik der Regierung: öffentliche Betriebe u n d ihre Veräußerung, B i l d u n g des Sozialkapitals V. Wirtschaftliche Grundlagen der Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems (Die Rolle des traditionellen Industriesektors und des Ausfuhrindustriesektors) und

Entstehung

des

25 29 30 30

Papiergeld-Darlehen i n der Meiji-Restaurations-Zeit . . . Darlehen durch den Junbikin-(Reservefonds-)Sonderetat Ausgabe öffentlicher Schuldscheine Die Übertragung des Kassenwesens an die KawaseKata

V I . Arbeitskräftebeschaffung Wirtschaftssystems

22

kapitalistischen

30 32 33 34 35 36

39 47

10

Inhaltsverzehnis Zweites

Kapitel

Einflüsse der Finanz- und Geldpolitik auf die Entwicklung des Kapitalismus (1890—1920) I. Vorbemerkung II. Charakteristika pitalismus

54 der Wirtschaft

in der Aufschwungsperiode

des Ka-

1. Grundcharakteristika der Wirtschaft i n der Aufschwungsperiode des Kapitalismus a) Die Steigerung der industriellen Produktion b) Besondere Merkmale der Finanz- u n d Wirtschaftspolitik 2. Eigentümlichkeit u n d F u n k t i o n der Kapitalisten III.

Die Finanzpitalismus

und Geldpolitik

in der Aufschwungsperiode

55 55 55 56 56

des Ka-

57

1. Die Finanz- u n d Geldpolitik vor dem Chinesisch-Japanischen Krieg

58

2. Die Finanz- und Geldpolitik während und nach dem ChinesischJapanischen K r i e g a) Die Staatsausgabenpolitik b) Die F ü h r u n g der öffentlichen Betriebe c) Die Subventionspolitik d) Die Z o l l p o l i t i k e) Die staatliche K r e d i t p o l i t i k f) Die Entstehung des Goldwährungssystems g) Die Errichtung von Spezialbanken

59 60 60 60 61 61 62 62

3. Die Finanz- und Geldpolitik während u n d nach dem RussischJapanischen K r i e g . a) Der K a p i t a l i m p o r t u n d -export b) Wachsender Einfluß der Privatbanken

63 63 64

4. Die Finanz- u n d Geldpolitik während und nach dem Ersten Weltkrieg

65

IV. Die Industrialisierung

in der Auf schwungsperiode

des Kapitalismus

67

1. Der Zustand der Industrien i m Jahre 1890 ,

67

2. Der Industrialisierungsprozeß v o n 1890 bis 1920

67

a) b) c) d)

Die Die Die Die

Entwicklung Entwicklung Entwicklung Entwicklung

V. Begleiterscheinungen

des der der des

Transportsektors Leichtindustrie Schwerindustrie Außenhandels

der Industrialisierung

1. Die B i l d u n g der Kartelle

67 70 73 75 ...

77 77

2. Die B i l d u n g des Zaibatsu-Konzerns

77

3. Die Probleme der Kleinstbetriebe

78

4. Die Entstehung der Arbeiterfrage

78

Inhaltsverze? "hnis Drittes

11

Kapitel

Die Finanz- und Geldpolitik und die Stagnation des Kapitalismus (1920—1931) I. Vorbemerkung

80

II. Grundzüge des Kapitalismus und Stagnationsperiode (1920—1931) III.

Die Finanzlismus

und Geldpolitik

1. Die Wirtschaftskrise 2. Die Finanz-

während

Wirtschaftspolitik der Stagnation

von 1920 und die Finanz-

und Geldpolitik

IV. Die Industrialisierung

der

in den zwanziger

unter der Stagnation

in

der

des Kapita-

81 82

und Geldpolitik

82

Jahren

87

des Kapitalismus

94

1. Der Transportsektor

94

2. Der Leichtindustriesektor

95

3. Der Schwerindustriesektor

96

V. Begleiterscheinungen

dieses Industrialisierungsstadiums

98

1. Die Arbeiterfrage

98

2. Die Probleme der kleinen und mittleren

Viertes

Unternehmungen

101

Kapitel

Die sogenannte Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft und die Finanz- und Geldpolitik (1931—1945) I. Vorbemerkung

102

II. Der Industrialisierungsprozeß der Finanz- und Geldpolitik

von 1931 bis 1937 unter dem Einfluß

1. Überblick über die Takahashi-Finanzpolitik a) Die Ausdehnung des Finanzbedarfs b) Das Stützungsprogramm c) Die Ausgabe von öffentlichen Schuldscheinen nahme durch die Bank von Japan d) Die Idee der Finanzpolitik Takahashis e) Würdigung der Finanzpolitik Takahashis

104 105 105 mittels

Über-

2. Die Industrialisierung Japans zwischen 1931 und 1937 a) Die Leichtindustrieproduktion b) Die Schwerindustrieproduktion c) Die Arbeiterfrage d) Die Probleme der Klein- und Mittelbetriebe e) Die Wandlung der Zaibatsu III.

Die Industrialisierung Geldpolitik 1. Einwirkung verfassung

auf die Wirtschafts-

und

106 108 110 112 113 114 114 115 115

zwischen 1937 und 1945 und die Finanz-

der Militarismus

103

und

Sozial-

117 117

12

Inhaltsverzehnis 2. Die Charakteristika der Finanz- u n d Geldpolitik a) Die Ausdehnung der öffentlichen Ausgaben b) Die Regierungsinvestitionen c) Staatseinnahmen d) V o n der Finanz- u n d Geldpolitik zur Finanz- u n d Geldkontrolle e) Die speziellen Geldinstitute f) Die Bankfusion u n d die Herrschaft der großen Banken

118 121 124 124 126 127 128

3. A b l a u f der Industrialisierung zwischen 1937 u n d 1945 129 a) Umfang und A u f b a u der industriellen Produktion 129 b) Verhältnis zwischen Zaibatsu sowie K l e i n - u n d Mittelbetrieben 130 IV. Schluß

132 Fünftes

Kapitel

Einflüsse der Finanz- und Geldpolitik auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die gegenwärtige Stufe des Kapitalismus (1945 bis heute) I. Die Voraussetzungen Nachkriegszeit

für den wirtschaftlichen

II. Der Wiederaufbau und das Wachstum in der Nachkriegszeit III.

Die zum hohen Wachstum

Wiederaufbau

der japanischen

antreibenden

in der

Wirtschaft

Kräfte

133 136 139

1. Wachstumsfaktoren i n der Nachkriegszeit a) Der Wiederaufbau von Wirtschaft und Gesellschaft b) Die technischen Neuerungen c) Die Änderung der Sozialverfassung

140 140 140 140

2. Eigentümlichkeiten der japanischen Wirtschaft a) Lohnpolitische Besonderheiten b) Die kleinen u n d mittleren Unternehmungen c) Die Landwirtschaft d) Die hohe Sparquote

141 142 142 143 144

IV. Der Bildungsprozeß Japans

der

dualistischen

Struktur

der

Wirtschaft

1. Besonderheiten des Arbeitsmarktes i n Japan

145 145

2. Besonderheiten des Produktionsgütermarktes i n Japan

146

3. Die Hypothese der Kapitalkonzentration

146

V. Einflüsse der Finanz- und Geldpolitik lung in der Nachkriegszeit

auf die industrielle

Entwick-

147

1. Periode des Wiederaufbaus i n der ersten Nachkriegszeit

149

2. Periode der Wiederherstellung des Vorkriegsniveaus

152

3. Periode des hohen Wirtschaftswachstums

155

4. Ubergangsperiode zum neuen Wirtschaftssystem

158

Literatur

zum ersten Teil

162

13

Inhaltsverzehnis Besonderer

Teil

Die geistigen Grundlagen der industriellen Entwicklung in Japan Vorbemerkung

zum besonderen

Teil

167

Erstes

Kapitel

Wirtschaftsideen in der Entstehungsperiode des Kapitalismus (1868—1890) I. „Import"

der üb eralis tischen Nationalökonomie

IL Die Begründung der liberalen zierung auf japanische Art III.

„Import"

Nationalökonomie

der protektionistischen

IV. Die allgemeine senschaft

Neigung

VII. VIII.

und

Die Grundsteuerreform Die wirtschaftsOhkuma

finanzpolitischen

finanzpolitischen

Staatswis-

Schule der Volkswirt-

Gedanken

von

175 176

Kimimasa

Ohkubo

178 179

Gedanken

von

Shigenobu

IX. Die Idee der sog. Matsukata-Finanzpolitik Zweites

171 173

der deutschen

historischen

von Toshimichi

und

und ihre Modifi-

Nationalökonomie

zur Übernahme

V. „Import" der deutschen älteren schaftslehre VI. Die wirtschaftsYuri

169

180 182

Kapitel

Die Wirtschaftsideen in der Aufschwungperiode des Kapitalismus (1890—1920) I. Die Blüte der deutschen älteren IL Die Gründung

des „Vereins

und jüngeren

für Socialpolitik"

historischen

Schule 185

in Japan

187

1. Die Prinzipien des „Vereins f ü r Socialpolitik" i n Japan 2. Der Prinzipienstreit zwischen Sozialpolitik u n d Sozialismus 3. Der Prinzipienstreit zwischen Sozialpolitik u n d Liberalismus III.

Die Kluft zialpolitik

zwischen

Theorie und Praxis

IV. Die wirtschaftsund renden Finanzminister

finanzpolitischen

Drittes

der WirtschaftsIdeen

der jeweils

187 189 . . 191

und Soamtie-

192 195

Kapitel

Die Wirtschaftsideen in der Stagnationsperiode des Kapitalismus (1920—1931) I. Die Einwirkung

der bürgerlichen

II. Die Blüte der marxistischen

Demokratie

Wirtschaftsgedanken

197 198

14

Inhaltsverzehnis

III.

Der Stillstand

des „Vereins

für Socialpolitik"

in Japan

200

IV. Die Erforschung der neuen Schule der Nationalökonomie Tokuzo Fukuda und seine Schüler V. Der Keim des faschistischen VI. Die Abweichung Praxis

durch

Ideengutes

der Wirtschaftsideen

203

von der wirtschaftspolitischen

VII. Die wirtschaftsund finanzpolitischen maguchi VIII. Die Idee der sog. Inoue-Finanzpolitik Viertes

201

Gedanken

von Osachi

205

Ha206 208

Kapitel

Die Wirtschaftsideen in der Quasi-Kriegsund Kriegszeit (1931—1945) I. Unterdrückungsmaßnahmen gegen den Marxismus und die schen Folgen der geistigen Wandlung seiner Führer II. Ausrottung III.

Herrschaft

der liberalen

politi-

Ideen

der faschistischen

209 211

Ideen

212

IV. Überblick über die totalen Volkswirtschaftslehren 1. Der Aufschwung der ultranationalistischen Volkswirtschaftslehre 2. Die H e r k u n f t der Lehre Gottl-Ottlilienfelds 3. Die Abhängigkeit von dem Wirtschaftsgedanken des deutschen Nationalsozialismus 4. Die Blüte des universalen Gedankens von Spann

213 213 214 215 215

V. Die Erforschung der reinen Theorie und der Geschichte der Nationalökonomie 216 1. Ergebnisse der Erforschung der englischen klassischen Schule der Nationalökonomie 216 2. Die Entwicklung des Studiums der deutschen historischen Schule der Volkswirtschaftslehre 216 3. Die Feststellung der Grundlage Wirtschaftstheorie

zur Entwicklung

der

modernen

VI. Übergang zur militärund wirtschaftsführungsfreundlichen schafts- und Finanzpolitik VII.

Die wirtschaftspolitische tengruppe"

Leitidee

der sogenannten

Wirt-

„neuen

Beam-

218 220 222

Exkurs Die Wirtschaftsideen I. Die Wiederbelebung Wirtschaftslehre II. Die Entwicklung kriegsjapan III.

nach dem Zweiten Weltkrieg und weitere

Entwicklung

der angelsächsischen

Der wirtschaftspolitische

IV. Der wirtschaftspolitische

der

(1945 bis heute) marxistischen

Nationalökonomie

Gedanke von Tanzan Ishibashi Gedanke von Hayato Ikeda

im Nach-

224 225 226 227

Einleitung Von Kotaro Ikeda

Das Ziel des vorliegenden Buches besteht darin, den Industrialisierungsprozeß i n Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Finanz-, Geld- und Wirtschaftspolitik zu klären, wobei w i r uns soweit wie möglich u m eine einheitliche und systematische Darstellung bemüht haben. Das Buch ist i n zwei Teile gegliedert. I m ersten allgemeinen Teil w i r d der Industrialisierungsprozeß Japans i m engen Zusammenhang m i t seiner Wirtschaftspolitik historisch betrachtet, während i m zweiten besonderen Teil die Entwicklung und der Wandel des wirtschaftspolitischen Denkens i m Hinblick auf die jeweilige staatliche Wirtschaftspolitik behandelt wird. I m ersten Teil skizzieren w i r den Industrialisierungsprozeß seit der Meiji-Restauration von 1868 bis heute als den Prozeß der Entstehung, Entwicklung, Stagnation und Wandlung des kapitalistischen W i r t schaftssystems i n Japan. Z u beachten ist dabei, daß man hier das Wort Kapitalismus nicht zu eng deuten darf, d. h. es nicht nur als eine besondere A r t der Unternehmensführung verstehen darf. Man soll vielmehr darunter einen historischen Begriff sehen, der das Sozial- und W i r t schaftssystem des modernen Europa charakterisiert und der ein Glied zur „Entzauberung der Welt" (Max Weber) darstellt. W i r verwenden den Begriff Kapitalismus als eine allgemeine Grundlage zum historischen und systematischen Verständnis sowohl des Sozial- und W i r t schaftssystems i n einer bestimmten Etappe als auch i m Hinblick auf den Wandlungsprozeß dieses Systems. I n diesem Sinne schließen w i r uns dem traditionellen Verfahren der Historischen Schule der Nationalökonomie Deutschlands über die Studien zur geschichtlichen Entwicklung des Kapitalismus an, das besonders durch K a r l Marx geprägt und von Werner Sombart übernommen wurde. W i r teilen den Industrialisierungsprozeß Japans vom Jahre 1868 an bis heute i n fünf Zeitabschnitte auf. Nach diesen Zeitabschnitten haben w i r den ersten Teil des Buches i n folgende fünf Kapitel gegliedert: 1. Die Periode der Entstehung des Kapitalismus (1868—1890). 2. Die Periode der Entwicklung des Kapitalismus (1890—1920).

16

Kotaro Ikeda

3. Die Periode der Stagnation des Kapitalismus (1920—1931). 4. Die Periode der Wandlung des Kapitalismus, d.h. die Periode der Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft (1931—1945). 5. Die Periode des Wiederaufbaues des Kapitalismus, d. h. die gegenwärtige Stufe des Kapitalismus (1945 bis heute). Unsere Stufenbildung ähnelt derjenigen Werner Sombarts, d. h. der Frühkapitalismus entspricht hier der Periode der Entstehung, der Hochkapitalismus der der Entwicklung und der Spätkapitalismus der der Stagnation und Wandlung des Kapitalismus. Der Zweck der Stufenbildung des Wirtschaftsprozesses besteht einmal darin, das Wirtschaftsleben einer bestimmten Periode als ein eigenes Wirtschaftssystem einheitlich zu charakterisieren, zum anderen soll sie den Übergangsprozeß von einer Wirtschaftsstufe zur anderen aufzeigen. U m diesen Zweck zu verwirklichen, scheint uns unsere Stufenbildung geeigneter zu sein als die i m folgenden kurz skizzierten Einteilungen. Das Charakteristikum des einen jener Verfahren, die schon von einer Reihe ausländischer Wirtschaftswissenschaftler angewandt wurden, liegt darin, daß irgendeine äußere einseitige und partielle Erscheinung der Wirtschaft, die ein Resultat der industriellen Entwicklung oder der Wirtschaftstätigkeit darstellt, als Maßstab oder Merkmal der Stufenbildung verwendet w i r d (George C. Allen, K a r l Hax). Eine solche Stufenbildung ist zu einfach und einseitig, als daß man damit zur umfassenden und einheitlichen Klärung sowohl des Strukturzusammenhanges als auch der Faktoren Wachstum und Strukturwandel i n dem jeweiligen Wirtschaftssystem kommen könnte. Bei der anderen Stufeneinteilung ist der Kapitalismus i m allgemeinen nicht mehr alleiniger Maßstab, sondern es handelt sich hier u m den Unterschied zwischen der Form und dem Träger des Kapitals. Danach wählt man z. B. Handels-, Industrie-, Finanz-, Monopol-, Staatsmonopolkapital als Merkmal für die jeweilige Stufenbildung. Die Periode des Staatsmonopolkapitalismus ist ein Beispiel dafür. M i t Hilfe dieses Verfahrens kann man nicht nur den eigenen wesentlichen Charakter des Sozial- und Wirtschaftssystems einer bestimmten Periode genauer und konkreter zum Ausdruck bringen, sondern man vermag es auch als eine Grundlage zur Klärung des Ubergangsprozesses des Wirtschaftssystems zu benutzen; gleichzeitig aber birgt diese Stufenbildung den großen Nachteil i n sich, daß es m i t ihrer Hilfe sehr schwierig ist, den genauen Zeitraum einzelner Etappen abzugrenzen. Wenn man umfassende Begriffe wie z. B. Kapitalismus, Monopolkapital usw. als Maßstab für die Stufenbildung aufnimmt, so kann man i m

Einleitung

17

allgemeinen ziemlich viele Elemente der vorigen Stufe i n der ersten Hälfte der folgenden Stufe finden und i n ihrer letzten Hälfte schon einige Elemente der nächsten Stufe beobachten. I n solch einem Fall ist es sehr schwierig, die genaue Dauer einer bestimmten Periode anzugeben, was jedoch auch keine besondere Bedeutung hat. I m vorliegenden Buch behandeln w i r das Wirtschaftswesen während des Zeitraums von 1868 bis heute. Wenn man diesen relativ kurzen Zeitraum i n die Stufen des Handels-, Industrie-, Finanz-, Monopol- und Staatsmonopolkapitals einteilt und wenn man einzelne Stufen weiter i n die Entstehungs-, Entwicklungs- und Verfallsperiode aufgliedert, so kann u. U. der Zeitraum einer Periode wie z. B. die der Entwicklung des Industriekapitals nur einige Jahre umfassen. Ohne genauere Abgrenzung hat nun aber diese Stufenbildung gar keine große Bedeutung. Es ist jedoch i n diesem Fall nicht leicht, genauere Angaben zu machen, weil der Maßstab für die Stufenbildung an sich nicht eindeutig und außerdem das historische Geschehen von komplexer Natur ist. Bei der Abgrenzung eines Zeitraums ist also sehr wahrscheinlich, daß jeder Wirtschaftswissenschaftler eigene Daten wählt. W i r sind daher der Ansicht, daß eine solche Stufenbildung um so weniger nützen kann, je theoretischer sie ist. U m diese Schwierigkeit zu umgehen, fassen w i r den Begriff Kapitalismus allgemein als Maßstab zur Stufenbildung auf. Zudem möchten w i r mit diesem Verfahren zum Ausdruck bringen, daß die stufenweise Entwicklung des Industrialisierungsprozesses in Japan zugleich eine Entwicklung von einem Wirtschaftssystem zu einem anderen darstellt. Unsere Methode bietet daneben den Vorteil, einen Vergleich der internationalen kapitalistischen Sozial- und Wirtschaftssysteme zu ermöglichen, wodurch die Charakteristika des japanischen Kapitalismus besonders hervortreten. Aufgrund der Überlegung, daß die Staatspolitik eine ausschlaggebende Rolle für die A r t der industriellen Entwicklung i n Japan spielte, behandeln w i r den Industrialisierungsprozeß unter besonderer Berücksichtigung der Finanz-, Geld- und Wirtschaftspolitik des Staates. Natürlich ist es sehr schwierig, die Wirkung der Staatspolitik auf die W i r t schaftsentwicklung i n vollem Umfang zu würdigen. Daher möchten w i r uns i m folgenden nur kurz mit diesem Problem befassen. Es trugen eine Reihe verschiedener Faktoren dazu bei, das schnelle wirtschaftliche Wachstum Japans auf die Dauer zu erhalten. Als allgemeine wirtschaftliche Faktoren wären dafür zu nennen: genügendes Angebot von Arbeitskräften und niedriges Lohnniveau, Fehlen wohlfahrtspolitischer Maßnahmen, hohe Sparquote, die sog. dualistische Struktur der Wirtschaft, stetiges Wachstum der Ausfuhr u. a. m. Die Existenz eines hochentwickelten Unternehmergeistes, die Einführung und 2

Ikeda • Kato - Taiyoji

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Verbreitung der europäischen Wissenschaft und Technik gehörten zu den allgemeinen sozialen und kulturellen Faktoren. Daneben spielen die Mentalität des japanischen Volkes sowie die geographische und historische Stellung Japans i n der Welt eine entscheidende Rolle. Bemerkenswert ist dabei, daß diese Faktoren durch ihr Zusammenwirken den stetigen wirtschaftlichen Anstieg sicherstellten. Diese soeben erwähnten Elemente des Wirtschaftswachstums konnten nur i n enger Verbindung m i t der Staatspolitik auf die industrielle Entwicklung Japans wirken. I n jeder Etappe des Kapitalismus mußte der Staat die Aufgabe zur Überwindung eigener Schwierigkeiten, die sich innerhalb des Sozial- und Wirtschaftssystems einer bestimmten Stufe zeigten, übernehmen. M i t anderen Worten mußte i n jeder Entwicklungsphase des Kapitalismus der Staat entsprechende Maßnahmen treffen und immer neue Ziele verfolgen. Außerdem ist die Wirkung der Staatspolitik auf das Wirtschaftswachstum vielfältig, weil sie erstens durch den Zusammenhang m i t dem jeweiligen Sozial- und Wirtschaftssystem und zweitens durch den Zusammenhang m i t allgemeinen Wachstumsfaktoren bestimmt wurde. U m nun die Entstehung, Entwicklung und Erhaltung des Kapitalismus zu beschleunigen, strebte der Staat ständig nach einer Reform der politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verfassung. Weiterhin beschleunigte der Staat m i t seiner Finanz-, Geld- und W i r t schaftspolitik die industrielle Entwicklung Japans. Wichtige Maßnahmen dabei waren: die Finanzierung durch das Staatskapital und die Förderung der privaten Kapitalbildung, die Einrichtung des einheitlichen Währungssystems, die Förderung des Bankgeschäfts und die Kontrolle der Banken, die jährliche Ausdehnung der Staatsausgaben, die Einführung des modernen Fabriksystems und der modernen Industrietechnik, die Bildung des Sozialkapitals, insbesondere der Zustand des Verkehrssystems, der Erlaß und die Herabsetzung der Steuern sowie die Gewährung von Subventionen. Schließlich bestimmte der Staat m i t seiner Außenpolitik die A r t und Weise der industriellen Entwicklung i n Japan. Die Verbesserung der internationalen Beziehungen, die Eroberung und Bewirtschaftung der Kolonien, der Kapitalexport und -import stellten nur einige der wichtigsten außenpolitischen Maßnahmen Japans dar. Ist die Tatsache, daß die Staatspolitik eine ausschlaggebende Rolle für die rapide Entwicklung des Kapitalismus spielte, ein Charakteristikum, das man speziell nur i n Japan erkennen kann? I m Modernisierungsprozeß der Entwicklungsländer können i m allgemeinen die Erfahrungen der europäischen Länder, die diese i n einer jahrhundertelangen Entwicklung erworben haben, auf dem Wege der Nachahmung i n relativ

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kurzer Zeit übernommen werden. Die Entwicklungsländer können einen weitaus kürzeren Weg wählen, wie das Beispiel Japans zeigt, wo der Staat diese Entwicklung aktiv gefördert hat. Der moderne japanische Staat war der arme Staat i m Goldscheidschen Sinne. Er hatte überhaupt keine Mittel zur Wirtschaftstätigkeit, konnte also eigentlich nicht den Hauptimpuls für die Industrialisierung i n Japan geben. Trotzdem kann man sagen, daß ohne die Leitung und Führung des Staates die Industrie eine so rapide Entwicklung und Modernisierung nicht hätte v e r w i r k lichen können. Wenn man alle Maßnahmen betrachtet, die i m modernen Japan das Zeitalter der Entstehung und Entwicklung des modernen Kapitalismus herbeigeführt haben, und diese m i t dem des Früh- und Hochkapitalismus in europäischen Ländern vergleicht, so kommt man zu dem Ergebnis, daß hier wie dort vielfach m i t den gleichen M i t t e l n gearbeitet wurde. Man kann sogar sagen, daß i m gleichen Abschnitt des kapitalistischen Wirtschaftssystems i n Japan wie auch i n Europa ungefähr die gleiche Staatspolitik betrieben wurde. Zwischen den Zielsetzungen der japanischen Staatspolitik und derjenigen i n europäischen Ländern besteht also i m Hinblick auf den Industrialisierungsprozeß kein wesentlicher Unterschied. Nur der Umstand, daß i n Japan dieser Prozeß auf einen relativ kurzen Zeitraum zusammengedrängt wurde, machte es notwendig, daß die private Initiative der Unternehmer i n verstärktem Maße der staatlichen Lenkung unterworfen werden mußte. Daraus aber den Schluß zu ziehen, daß die konkreten Erscheinungsformen der Polit i k und ihre W i r k u n g auf die Industrialisierung sowohl i n Japan als auch i n den europäischen Ländern gleichgeblieben sind, wäre voreilig und obendrein unrichtig, zumal die eigene traditionelle, kulturelle und soziale Situation Japans zu beachten ist. Dieses gilt es zu beachten, u m die konkreten Formen der Staatspolitik und ihre jeweiligen Auswirkungen i m vollen Umfang würdigen zu können. Demzufolge werden i m ersten Teil des vorliegenden Buches vier verschiedene Themen aufgegriffen und erläutert: 1. Die Probleme, die bei einem i n eine bestimmte Entwicklungsstufe eingetretenen kapitalistischen Wirtschaftssystem auftauchen. 2. Die i m eigenen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Milieu vorhandenen Probleme. 3. Die Faktoren, die die hohe wirtschaftliche Wachstumsrate i n Japan konstant hielten. 4. Die Rolle der Staatspolitik innerhalb dieser Gegebenheiten. 2»

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Wie bereits erwähnt, ist für ausländische Wissenschaftler die Erforschung der wirtschaftlichen Entwicklung Japans m i t verschiedenen Schwierigkeiten verbunden, so daß ihr diesbezügliches Wissen leider nur unzulänglich ist. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, daß dem europäischen Wissenschaftler die i n japanischer Sprache verfaßten Unterlagen, Bücher usw. nicht zugänglich sind. Obwohl es für die Ausländer sehr wichtig ist, über die Wirtschaftspolitik und das wirtschaftspolitische Denken i n Japan gut informiert zu sein, ist dieser Mangel nur schwer zu beseitigen. Daher stellt sich der ¿.weite Teil dieses Buches i n erster Linie die Aufgabe, die bisher unvollkommenen Untersuchungen auf diesem Gebiet zu ergänzen. Darüber hinaus w i r d hier aber nicht nur eine Ergänzung der i m ersten Teil angeschnittenen Themen über die theoretischen und ideologischen Grundlagen der staatlichen Wirtschaftspolitik und die Bildung und Wandlung des wirtschaftspolitischen Denkens gegeben, vielmehr stellt der zweite Teil gleichzeitig das Ergebnis einer selbständigen, speziellen Forschungsarbeit auf diesem Gebiet dar.

ALLGEMEINER TEIL

Überblick über den Industrialisierungsprozeß in Japan unter besonderer Berücksichtigung seiner Wirtschaftspolitik Von Kotaro Ikeda und Yoshitaro Kato

Erstes Kapitel

Einflüsse der Finanz- und Geldpolitik auf die Entstehung des Kapitalismus (1868 - 1 8 9 0 ) Von Kotaro Ikeda

I. Vorbemerkung „To many Westerners the Japanese achievement, i n the economic as well as in the political sphere, seemed so astounding as to defy rational explanation 1 ." I n weniger als einem Jahrhundert entwickelte Japan eine wirtschaftliche Prosperität, wie sie europäische Völker erst nach mehreren Jahrhunderten erreicht haben. Dies ist u m so erstaunlicher, als Japan ein unwegsames Land ist, das arm an Mineralien und anderen Rohstoffen ist. Die langfristige höhere Wachstumsrate der japanischen Wirtschaft gegenüber den europäischen Ländern stellt ein wesentliches Charakteristikum der japanischen Wirtschaft dar. Kennzeichnend für die Wirtschaft Japans ist die sog. dualistische Struktur, d. h. es besteht einmal ein sehr moderner Industriesektor neben einem zurückgebliebenen Agrarsektor, zum anderen findet sich die Großindustrie neben Klein- und Mittelbetrieben. Darüber hinaus sind das niedrige Lohnniveau, die hohe Sparquote sowie die starke außenwirtschaftliche Abhängigkeit, auf die sich die japanische W i r t schaft seit langem gründet, weitere Charakteristika. Es stellt sich zwangsläufig die Frage, wie Japan eine so erstaunliche Wirtschaftsent1 George C. Allen, London 1962, S. 13.

A Short Economic History of Modern Japan, 2. Aufl.,

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Wicklung derart lange aufrechterhalten konnte und welches die A n triebskräfte sind. Es erscheint zweckmäßig, diesen Problemkreis aus historischer Sicht zu klären, wobei zunächst die Zeit der Meiji-Restauration betrachtet werden soll, weil „yet much of M e i j i Japan lingers on, even flourishes i n contemporary Japan" 2 . Nach der Meiji-Restauration von 1868 modernisierte Japan seine Gesellschafts-und Wirtschaftsordnung sehr schnell, so daß sich innerhalb von etwa 20 Jahren das kapitalistische Wirtschaftssystem entwickelte. Vor der Restauration hatte sich in den großen Städten und ihren Einzugsgebieten schon Kaufmannsund Wucherkapital gebildet. Auch einige Industriezweige, wie z. B. die Sake-Brauerei und Porzellanindustrie, waren schon ziemlich weit entwickelt. I m großen und ganzen ist das damalige Wirtschaftssystem Japans als sog. gemischte Wirtschaft, d. h. Naturalwirtschaft, zu kennzeichnen, das auf der Reisproduktion i n Verbindung m i t der Geldwirtschaft basierte. Jegliche Wirtschaftstätigkeit wurde prinzipiell durch das Feudalherrschaftssystem beschränkt, wobei ein freier Außenhandel überhaupt nicht existierte. „Japan as recently as the early nineteenth Century remained i n a stage of economic development hardly more advanced than that of Western Europe i n the late Middle Ages 3 ." Aus der ungewöhnlichen Schnelligkeit der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung bis zur Entstehung des Kapitalismus und aus weiteren Faktoren, die diese rasche Entwicklung noch forcierten, sind die Besonderheiten der späteren japanischen Wirtschaft entstanden. M i t anderen Worten bestimmten der wirtschaftliche Entwicklungsstand und der Charakter der Wirtschaftspolitik i n der frühen Meiji-Zeit die Besonderheiten des Wachstums und der Struktur der japanischen Wirtschaft.

II. Politische und soziale Bedingungen für die Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems: Die Durchführung der Meiji-Restauration Als notwendige Vorbedingung für die Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist zunächst die Modernisierung der politischen und sozialen Organisation zu erwähnen, ein Prozeß, der entscheidend von der Meiji-Restauration i m Jahre 1868 vorangetrieben wurde. Vom politischen Standpunkt aus bedeutet die Meiji-Restauration das Ende der Feudalherrschaft, d.h. die Ablösung der Shogunats- und Daimyo-Regierung durch die absolutistische bürokratische Herrschaft. 2 E. Herbert Norman , Japan's Emergence as a Modern State, New Y o r k 1940, S. 3. 3 William W . Lockwood , The Economic Development of Japan, Princeton 1954, S. 3.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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Zu beobachten ist dabei, daß 1. die Shogunats- und Daimyo-Regierung schon relativ bürokratisch war, und

als Verwaltungsorganisation

2. nicht schlagartig die Verwirklichung des absolutistischen Staates angestrebt wurde, sondern daß diese Entwicklung innerhalb kurzer Zeit in drei Stufen, d. h. von der Shogunats- und Daimyo-Regierung über die Koalitionsregierung einiger großer Clans erreicht wurde. Vom sozialen Standpunkt aus bedeutet die Restauration den Ubergang von einer ständischen 4 zu einer bürgerlichen Gesellschaft, innerhalb derer das Herren-Untertanen-Verhältnis abgeschafft wurde. A b 1871 konnte man seinen Beruf frei wählen, daneben wurden Bildung und Wissenschaft, die vorher ein Monopol des »Samurai-Standes (Ritterstandes) waren, nun allen zugänglich. Jeder Staatsangehörige wurde schulpflichtig (1872) und alle Männer wehrpflichtig (1873), während vorher der Militärdienst nur von den Samurai ausgeübt werden durfte. Selbstverständlich bedeutete die Gleichheit aller Stände i n der frühen Meiji-Zeit nicht die vollständige Realisierung einer bürgerlichen Gesellschaft. Vielmehr ist zu beachten, daß i n Wirklichkeit durch die Restauration lediglich die vier alten Stände, d. h. die Samurai, Bauern, Handwerker und Kaufleute, die einen Beruf ausübten, i n die neuen Stände, d. h. Adel, Shizoku (neue Bezeichnung des Samurai-Standes) und Bürgertum umgebildet wurden 5 . So hatte die Meiji-Restauration ein doppeltes Ziel. Sie war einerseits eine Revolution zum Zweck der Errichtung des modernen absolutistischen Staates und andererseits eine Bürgerrevolution i n dem Sinne, daß sie zur Entstehung der modernen Sozialorganisation und politischen Macht beitrug, u m damit die Entwicklung des modernen Kapitalismus zu beschleunigen 8 . 4 „Eine ständische Gesellschaft gliedert sich z. B. i n einzelne geschlossene Gruppen, die entweder durch Geburt, Beruf oder Bildung, Besitz oder aber durch politische Verdienste jeweils eine besondere Stellung innerhalb der sozialen S t r u k t u r einnehmen. Die Geschlossenheit dieser Gruppen beispielsweise gegenüber sogenannten Neureichen steht einer Industrialisierung hemmend i m Wege." Sigurd Klatt, Z u r Theorie der Industrialisierung, K ö l n u n d Opladen 1959, S. 67. 5 Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verschwanden alle ständischen Rangordnungen. 6 Die Meiji-Restauration w a r nicht i n dem Sinne eine Bürgerrevolution, die die Bourgeoisie verwirklichte oder die die Entstehung bürgerlicher V e r hältnisse, die Voraussetzung der Revolution gewesen waren, bewirkte. Die Revolution wurde durch einige Samurai des unteren Samurai-Standes durchgeführt, u n d zwar bevor die Bedingungen zur Revolution i n der Gesellschaft reif waren u n d ohne eine evtl. günstigere Gelegenheit abzuwarten; denn die europäischen Länder, die schon i n die imperialistische Stufe eingetreten waren, übten einen Druck auf Japan aus. „ I n Japan i t was the demonstration

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Die Durchsetzung der Meiji-Restauration war die soziale Voraussetzung zur Entstehung des japanischen Kapitalismus. Die A r t dieses Prozesses weist typische Eigenarten auf, die i n den japanischen Verhältnissen begründet sind. Weil die Revolution ihres wesentlichen Inhaltes beraubt war, wurde sie relativ friedlich durchgeführt. Der Umsturz betraf nur die Verfassung, der soziale Status und die wirtschaftliche Macht der Herrscher und Beherrschten wurde nicht angetastet. Unabhängig von dem revolutionären Inhalt beabsichtigte die Meiji-Restauration die Modernisierung der gesamten Gesellschaft. So wurde i n den Modernisierungsprozessen der alten Herrscherschicht sowohl die bisherige soziale Stellung als auch eine Führungsposition i n Wirtschaft und Politik der neuen modernen Gesellschaft garantiert. M i t anderen Worten bestand die Idee der Meiji-Restaurations-Regierung darin, die sog. SamuraiHerrschaft auch innerhalb der neuen Gesellschaft zu erhalten, um auf diese Weise die wichtigste Voraussetzung zur sozialen Stabilisierung auch nach der Restauration geschaffen zu haben. Diese Idee wurde durch zwei Finanzmaßnahmen verwirklicht; nämlich durch die Ablösung der Clanschuld sowie der Renten des Adels und des Shizoku. So übernahm die neue Regierung alle Rechte und Pflichten der alten Regierung i m Jahre 1872, womit sie die alte Clanschuld garantierte, die dann m i t der Ausgabe öffentlicher Schuldscheine an die Gläubiger abgelöst wurde. Durch dieses Verfahren wurden die alten Feudalherren in der neuen Gesellschaft nicht als Schuldner in ihrem sozialen Ansehen geschädigt. Andererseits wurde den Gläubigern, d. h. den reichen Bürgern i n Kyoto, Osaka, Tokio usw., ein großer Teil ihrer Schuldforderungen, d. h. der sog. privaten Forderungen, derer sie durch die Revolution selbstverständlich beraubt worden waren, als öffentliche Forderungen garantiert 7 . Demgegenüber bedeutete die Ablösung der Renten des Adels und der Samurai die Abschaffung ihrer Stände. Sie verloren m i t ihrem Stand auch die standesgemäßen Aufgaben und Einnahmen, die meist erblich waren. Vom politischen Standpunkt aus stellte sie den ersten Schritt von der alten ständischen h i n zur bürgerlichen Gesellschaft dar. Vom w i r t schaftlichen, insbesondere fiskalischen Standpunkt jedoch war sie eine unproduktive Ausgabe, die ein Drittel oder ein Viertel aller Staatseffect not of high profits or manufactured consumers' goods, but of the Opium War i n China i n the early 1840's and Commodore Perry's seven black ships a decade later that cast the die for modernization." Walt Witman Rostow , The Stages of Economic Growth, Cambridge 1960, S. 27. 7 Der angemeldete Betrag der Clan-Schuld belief sich auf etwa 78 M i l l i o n e n Yen. Aus dem Betrag übernahm die Regierung n u r 35 M i l l i o n e n Yen. V o n dieser Summe w u r d e n durch die Ausgabe der öffentlichen Schuldscheine 24 Millionen Yen gedeckt. Die durchschnittlichen jährlichen Staatsausgaben von 1867 bis 1875 betrugen etwa 47 M i l l i o n e n Yen.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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ausgaben beanspruchte. Sie hatte den Charakter einer Transferausgabe i m Sinne einer Pension, die den zurückgezogenen Samurai bezahlt wurde. Etwa 10 Jahre nach der Restauration führte die Regierung die Rentenablösung mittels Ausgabe öffentlicher Schuldscheine durch. Die Zahl der Empfänger betrug etwa 400 000 und die Staatsausgaben beliefen sich auf 212 Millionen Yen, wovon die öffentlichen Schuldscheine m i t 190 Millionen Yen den Hauptteil deckten. Da die durchschnittlichen jährlichen Staatsausgaben von 1875 bis 1879 nur etwa 60 Millionen Yen ausmachten, ist es leicht ersichtlich, wie groß die Neigung der Regierung zur Abschaffung des Samurai-Standes war. I m übrigen bildete die Rentenablösung eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung der modernen öffentlichen Finanzwirtschaft und für die Durchführung der merkantilistischen Wirtschaftspolitik des Staates. Die Rentenablösung auf der Ausgabeseite und die Grundsteuerreform, auf die noch zurückzukommen sein wird, auf der Einnahmeseite ermöglichten den Schritt zur Modernisierung der Volkswirtschaft und der öffentlichen Finanzwirtschaft.

I I I . Die Lebensauffassung und Aktivität der Shizoku als Antrieb zur Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems I n einer Veränderungs- bzw. Ubergangsperiode herrscht meistens ein neuer Geist, wobei die Gruppe, die diesen Geist trägt, eine der treibenden Kräfte darstellt. I n der Meiji-Restauration war diese neue Gruppe die Shizofcu-Klasse. Die Durchführung der Restauration lag hauptsächlich bei den niederen Shizoku, deren A k t i v i t ä t und neues Klassenbewußtsein in erster Linie zur Entstehung des Kapitalismus beitrugen. „The new industrialists, landlords, financiers, and public officials who emerged after 1868 to share political power w i t h the military bureaucrats were largely recruited also from samurai ranks, as well as from the more prosperous farmers and petty tradesmen 8 ." Jedoch machte der Anteil der Shizoku an der Gesamtbevölkerung nur etwa 6 v. H. aus. Zuerst soll die Weltanschauung und Lebensauffassung der Shizoku betrachtet werden. Drei Hauptmerkmale sind dabei erwähnenswert: 1. Der Shizoku hatte ein ausgeprägtes Elite-Bewußtsein. I n Stand, B i l dung und sogar i m Beruf gehörte er immer zur Spitze. Außerdem war er eine Führernatur. 8

William

W. Lockwood, a. a. O., S. 10.

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2. Vorher hatte der Samurai den Bauern, Handwerker und Kaufmann als den Plebs angesehen. Jetzt sah er als Shizoku den Bürger als Plebs an. 3. A n die Stelle der alten Treueidee, die vorher zwischen Feudalherren und ihren Untertanen bestanden hatte, trat nun unter der Tenno(d. h. Kaiser-)Herrschaft die neue Idee der Loyalität und des Patriotismus. Beschränken w i r uns auf die wirtschaftlichen Probleme, so sehen w i r aus 1. und 2., daß der Stand der Shizoku zwar die Führerschaft innehatte, sich aber nicht m i t der Wirtschaftstätigkeit beschäftigen sollte, da sie für ihn zu gewöhnlich war. Die Verachtung des Handels und Geldes zusammen m i t der Idee der Treue zum Kaiser und der Liebe zu den Eltern wurden obendrein noch durch den Konfuzianismus gestützt. U m gemäß dem 3. Prinzip die „Bereicherung und Stärkung des Staates" verwirklichen zu können, sollte der Shizoku sich daher den „Aufschwung der Industrie" freiwillig zur Aufgabe machen. I m Bewußtsein des Shizoku waren die zwei Grundsätze des „Aufschwungs der Industrie" und der „Bereicherung und Stärkung des Staates" also leicht miteinander vereinbar. Nur i n diesem Sinn konnte sich der Shizoku aktiv i n das Wirtschaftsleben einschalten. Die erste Aufgabe der Shizofcu-Klasse als Vollstrecker der Revolution war der Aufbau des neuen Staates, indem sie aus ihren Reihen Regierungsmitglieder stellte, die die Staatspolitik sowie die merkantilistische Wirtschaftspolitik bestimmten. Aus der Shizoku-Klasse ging nicht nur eine große Anzahl von Regierungsmitgliedern, sondern auch ein beträchtlicher Te.il der Beamtenschaft der allgemeinen Verwaltung hervor. M i t der Restauration ergab sich für begabte Menschen die Möglichkeit, i n gehobene Verwaltungsstellen aufzurücken; allerdings mußte für eine solche Stellung die nötige Bildung und Führereigenschaft vorhanden sein, die aber bisher nur die ehemalige Samurai-Klasse besaß. So wurden für die meisten dieser Verwaltungsstellen sowie für die Polizeibeamtenschaft Mitglieder der ShizoJcu-Klasse gewählt 9 . „Probably a more farreaching effect upon the whole course of Japan's modern industrialization came from the successful establishment and fostering of a new way of thinking. I n i t i a l l y the crucial task of the M e i j i officials was to inculcate an unbending w i l l to progress, to rouse the nation out of its long sleep and rally i t behind the great program of advance 10 ." 9 I m Jahre 1871 stellte die Shizoku-Klasse etwa 87 v. H. der Beamten der Zentralbehörde u n d 1880 etwa 74 v. H. der Beamten der Zentral- u n d L o k a l behörde. 10 Johannes Hirschmeier, The Origins of Entrepreneurship i n M e i j i Japan, Cambridge 1964, S. 111 f.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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Die Shizoku-Klasse schuf auch das modern ausgerüstete stehende Heer, stellte die aktiven Offiziere und Unteroffiziere und strebte eine Verstärkung des gesamten Militärwesens an. Da das stehende Heer ständigen Bedarf an Wehrmachtsmaterial schuf, was eine Massenproduktion dieser Güter i n qualitativer Einheitlichkeit voraussetzte, sind diese Maßnahmen m i t als treibende Faktoren zur Ausdehnung und Modernisierung der japanischen Industrie anzusehen. Von den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts an waren einige politische Vereine i n verschiedenen Gegenden entstanden. Aus diesen Vereinen entwickelten sich die politischen Parteien, die die Bildung eines Parlaments anstrebten und somit den Kern der späteren parlamentarischen Regierung bildeten. So entschied die Shizoku-Klasse das Schicksal Japans. „Die politische Entwicklung Japans bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges läßt sich nur verstehen, wenn man das sich aus den Eigentümlichkeiten der japanischen Verfassung ergebende Zusammenspiel der verschiedenen innerpolitischen Gruppen berücksichtigt: der Parteien, der zivilen Bürokratie, der Militärpartei sowie der p r i v a t w i r t schaftlichen Finanzcliquen 11 ." Die Shizoku-Klasse war nach wie vor die gebildete Klasse. Viele von den Männern, die höhere Schulbildung genossen hatten, viele Lehrer — vom Volksschullehrer bis zum Universitätsprofessor — sowie Forscher wissenschaftlicher Institute gehörten der Shizoku-Klasse an. Mehrere Shizoku wurden von der Regierung zum Studium i n europäische Länder geschickt, ein weiterer Beitrag der Shizoku-Klasse zur Modernisierung der japanischen Gesellschaft und Industrie. A n die Stelle der Herkunft trat nun der Bildungsgang als ein entscheidender Faktor zum A u f stieg i n der neuen Gesellschaft, womit der Anlaß zur Ausweitung der allgemeinen Erziehung und Entwicklung der Wissenschaft und Technik gegeben war. Diese Faktoren wiederum beschleunigten die Modernisierung des Sozial- und Wirtschaftssystems, das Wachstum der modernen Unternehmungen und somit das Entstehen des kapitalistischen W i r t schaftssystems i n Japan. Die ShizoJcu-Klasse spielte also die entscheidende Rolle i n der Verbesserung der Erziehung und Entwicklung der Wissenschaft. Viele Shizoku waren Geschäftsleute, sog. „Captains of Industry" geworden und trugen so unmittelbar zur Entstehung des Kapitalismus i n Japan bei. Die ersten Männer, die m i t fortschrittlicher Bildung und Einsicht die Industriewelt leiteten, stammten aus der ShizoJcu-Klasse. Sie trugen nicht nur zur Entstehung einzelner moderner Unternehmungen, sondern auch zur Modernisierung des gesamten Wirtschaftssystems bei. 11 Karl Hax, Japan, Wirtschaftsmacht des fernen Ostens, K ö l n u n d Opladen 1961, S. 50.

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Kotaro Ikeda

Den Shizoku dienten die öffentlichen Schuldscheine, die sie bei der Rentenablösung erhalten hatten, als Kapitalgrundlage für die Unternehmungen. Ein typisches Beispiel dafür war die Schaffung der Nationalbanken i n der letzten Hälfte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Die konservativen Kaufleute besaßen keine Kenntnisse von Bankgeschäften. „The all-important breakthrough in the field of b a n k i n g . . . was thus achieved by the samurai i n combination w i t h the nobles.. , 1 2 ." Zum Zweck der „Bereicherung und Stärkung des Staates" betätigten sie sich in der Wirtschaft, wobei natürlich die A k t i v i t ä t der reichen Bürgerlichen i m Bereich der Wirtschaft nicht übersehen werden darf. Die Shizoku allerdings beteiligten sich nicht an den traditionellen Industrien, in denen die reichen Kaufleute und Grundbesitzer tätig waren, sondern sie wirkten m i t an der Entfaltung aufkommender Industrien, bei denen die kapitalistische Betriebsform unumgänglich war. Für die Leitung dieser neuen Unternehmen waren zwei Bedingungen erforderlich: Zum einen mußten die Unternehmer erhebliche allgemeine Kenntnisse haben, und zum anderen mußten sie in engem Kontakt mit den Verwaltungsbeamten stehen, Bedingungen, die gerade für die ShizokuKlasse i n besonderem Maße zutrafen. Damals wurde nämlich zum Zweck der Wirtschaftsentwicklung eine staatliche Finanzierungshilfe für (neugegründete) Industriebetriebe eingeführt, m i t deren Hilfe ohne große Reservefonds und besonderes Risiko leicht neue Unternehmungen gegründet werden konnten. Die Shizoku schufen nun Industrieunternehmen, die vor allem nach den Staatsbedürfnissen ausgerichtet waren; ein Grund dafür war, daß Verwaltungsbeamte und Industrielle beide aus dem Samurai-Stand hervorgegangen und somit miteinander vertraut waren. A u f diese Weise waren einige Shizoku Regierungslieferanten geworden, und durch die Übernahme von Staatsbetrieben — auf deren Veräußerung später noch zurückzukommen sein w i r d — stiegen sie zu selbständigen Unternehmern auf. Der Staat selbst war m i t h i n der größte Abnehmer industrieller Produkte. Das Problem der industriellen Arbeiterschaft wurde von der Shizoku noch nicht gesehen, da ihrem Denken nach wie vor eine ständische Rangordnung zugrunde lag. „Die Arbeiterpolitik des Merkantilimus ist" — sowohl in Japan als auch i n europäischen Ländern — „fast durchgängig ein Unternehmerschutz, kein Arbeiterschutz" 13 . Aber trotzdem gab es in den Unternehmungen der Shizoku kein Arbeiterproblem, weil i n der Masse, besonders der arbeitenden Klasse, noch die Idee des Gehorsams gegen die Autorität sowie die Idee der Zufriedenheit mit der eigenen 12

Johannes Hirschmeier, a. a. O., S. 59. Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus, 1. Bd., 2. Aufl., München u n d Leipzig 1916, S. 810. 13

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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Stellung vorherrschte. Diese Einstellung der Masse gegenüber der Shizoku-Klasse erleichterte die Modernisierung der Verfassung und der merkantilistischen Wirtschaftspolitik. Bei der Schaffung des neuen Japan nahm sich die SJuzofcu-Klasse damals europäische Länder zum Vorbild, zunächst England und Frankreich, später Deutschland. Viele Beamte, Militärexperten, Techniker und Wissenschaftler begaben sich zu Studienzwecken nach Deutschland. A u f dem Gebiet der Wirtschaftspolitik übernahmen sie das Gedankengut der Historischen Schule der Nationalökonomie Deutschlands. Nicht nur die Shizokus, sondern auch viele Bürgerliche wurden Beamte, Unternehmer bzw. Kapitalisten. Die meisten von ihnen handelten nach den gleichen Richtlinien wie die Shizoku, d. h. die Idee der Shizoku hatte auch i m Volk eine gewisse Breitenwirkung.

I V . Die Finanz- und Geldmaßnahmen zur Förderung der privaten Kapitalbildung Die Akkumulation des Kapitals spielt die entscheidende Rolle für die Entstehung des Kapitalismus, wobei das Kapital i m engen Zusammenhang m i t einem positiven Unternehmergeist stehen muß, denn erst dadurch war die Industrialisierung Japans zu vollenden. „The shift of income flows into more productive hands has, of course, been aided historically not only by government fiscal measures but also by banks and capital markets. V i r t u a l l y without exception, the take-off periods have been marked by the extension of banking institutions which expanded the supply of working capital; and i n most cases also by an expansion i n the range of long-range financing done by a central, formally organized, capital market 1 4 ." Diese Aussage Rostows gilt auch für die Finanz- und Geldpolitik, insbesondere für die Finanzierungsmaßnahmen i n der früheren Meiji-Zeit. Die Politik zur Förderung der Kapitalbildung i n der frühen MeijiZeit w i r d wie folgt klassifiziert: 1. Die Politik zur Förderung der privaten Kapitalbildung a) Die Finanzierung durch das Staatskapital b) Die mittelbare Förderung der privaten Kapitalbildung 2. Die Investitionspolitik des Staates 14 Walt Witman Rostow, a. a. O., S. 48. Rostow sieht dabei die Periode von 1878 bis zum Chinesisch-Japanischen K r i e g u m die M i t t e der 90er Jahre als Aufstiegsperiode (Take-off) an. Wait Witman Rostow, a. a. O., S. 38.

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Kotaro Ikeda 1. Die Politik zur Förderung der privaten Kapitalbildung a) Die Finanzierung

durch das Staatskapital

Der Gedanke, daß die Regierung zum Zweck der wirtschaftlichen Entwicklung den Privatleuten zuerst viel Geld zur Verfügung stellen muß, war die Grundidee der Wirtschaftspolitik der Meiji-RestaurationsRegierung. Die Absicht der Regierung bestand darin, auf diese Weise einen Aufschwung des Handels und einen reibungslosen Geldumlauf zu bewirken. Damit sollte wiederum die Produktivkraft der traditionellen Gewerbezweige, d.h. Landwirtschaft, verarbeitende Veredelungsindustrie sowie Klein- und Mittelgewerbe, verstärkt gefördert werden, die alle m i t dem Export zusammenhingen. Dieser sog. „Aufschwung der Industrie" wurde mit der „Bereicherung und Stärkung des Staates" verbunden. „Der Merkantilismus ist zunächst i n der Tat nichts anderes als die auf ein größeres Territorium ausgedehnte Wirtschaftspolitik der Stadt 1 5 7 1 6 ." Diese Darstellung Sombarts trifft für das Meiji-Japan zu. aa) Papiergeld-Darlehen i n der

Meiji-Restaurations-Zeit

Kurz nach der Restauration schuf die Regierung zwei Organisationen, die Shoho-Kaisho (1868) und die Kawase-Kaisha (1869) Die KawaseKaisha (Wechselgesellschaft) z.B. war eine Bank i n der juristischen Form einer Aktiengesellschaft, deren Vorstandsmitglieder Großkaufleute waren. Allerdings war sie eine unvollkommene Aktiengesellschaft. Vermittels der Kawase-Kaisha lieh die Regierung der TsuskoKaisha (Handels-Gesellschaft) Papiergeld. Dieses Geld bildete einen Teil des Kapitals des Handels, der Landwirtschaft und der Agrarprodukte verarbeitenden Industrie. Der Darlehensbetrag war so hoch und der Zins so niedrig, daß eine Vergrößerung der speziellen Ausfuhrprodukte erwartet werdep konnte 17 . Der sog. „Aufschwung der Industrie", als Ziel der Wirtschaftspolitik, bedeutete also nur die quantitative Vergrößerung der traditionellen gewerblichen Produkte. Als Vorstandsmitglieder der Kawase-Kaisha konnten die reichen Kaufleute aus diesem Fonds nicht nur zu günstigeren Bedingungen als private Kreditnehmer entleihen, sondern hatten auch als Bürgen für die privaten Kre15/ie Werner Sombart, a. a. O., S. 504.

a. a. O., 1. Bd., S. 363. Ferner William

W. Lockwood,

„Yet just as the Mercantilists of seventeenth Century Europe drew on the precepts of economic policy fashioned earlier i n towns and smaller territorial states, so Japans Post-Restoration statesmen applied on a national scale many of the practices developed earlier, i n Tokugawa days, b y the more progressive clans." 17 Z u m Zweck des „Aufschwungs der Industrie" emittierte die MeijiRestaurations-Regierung Papiergeld. A b e r einige Jahre nach der Restauration waren zwei D r i t t e l davon als Staatsausgaben verschwunden. Damals bestanden etwa 70 v. H. der Staatseinnahmen aus Papiergeld.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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ditnehmer, die etwas aus diesem Fonds liehen, die Gelegenheit, daraus Vorteile zu ziehen. Damit hätten die reichen Kaufleute oftmals die Chancen zur Vergrößerung ihres Reichtums finden können, wenn nicht die Kawase-Kaisha bald aus verschiedenen Gründen zugrunde gegangen wäre, wodurch jene Kaufleute als Teilhaber große Verluste erlitten. Es ist also zweifelhaft, ob diese Wirtschaftspolitik das erstrebte Ziel, d. h. den „Aufschwung der Industrie" oder aber die „Förderung der privaten Kapitalbildung", überhaupt erreicht hätte. Bemerkenswert ist dabei, welche Klasse die Regierung als Empfänger des Staatskapitals vorgesehen hatte, da diese gleichzeitig Träger des „Aufschwungs der Industrie" waren. Die Absicht der Regierung bestand darin, die bereits relativ Reichen als Antriebskräfte der wirtschaftlichen Entwicklung zu benutzen, d. h. wohlhabende Kaufleute, Bauern und nach der Rentenablösung auch die obere Schicht der Shizoku. Somit konnten einige von ihnen als Vermittler oder Empfänger dieses Staatskapitals die Möglichkeit zur Vergrößerung ihres Kapitals nutzen. Außerdem muß noch erwähnt werden, daß bei der Ausleihung des Staatskapitals (in Form von Papiergeld) die Regierung vordringlich die Errichtung moderner Verleihorganisationen anstrebte, zumal die Regierung der Meinung war, daß das Ausleihen von Staatskapital an private Unternehmungen eine direkte und obendrein wirksame Maßnahme zum Aufbau der Industrie wäre. Aber sie mußte bald erkennen, daß der Papiergeldumlauf stockte und der Geldwert schwankte. Es wurde klar, daß das Verleihen von Geld nicht allein das M i t t e l zum „Aufschwung der Industrie" sein konnte. Zur Stabilisierung des Geldwertes und zum reibungslosen Umlauf des Papiergeldes war also der Aufbau eines modernen Bankensystems unentbehrlich. Es ist bereits erwähnt worden, daß die Kawase-Kaisha der erste Versuch zur Einführung eines modernen Bankwesens i n Japan war. Unter der Leitung der Regierung nahm i m Jahre 1873 die „Erste-Nationalbank", die nach dem Muster des amerikanischen Nationalbankgesetzes geschaffen wurde, ihre Tätigkeit auf. Nach der Reform des Nationalbankgesetzes von 1876 belief sich die Zahl der Nationalbanken auf 153, denen die Regierung als Anreiz u. a. das Privileg der Emission von Banknoten übertrug. Nach der Gründung der „Mitsui-Bank" von 1876 entstanden viele private Geschäftsbanken; hinzu kamen die durch die Regierung i m Jahre 1880 errichtete „Yokohama-Specie- Bank" als Instit u t zur Außenhandelsfinanzierung und i m Jahre 1882 die Bank von Japan als Zentralbank. A u f diese Weise entstand schon i n den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts das moderne Bank-, Währungs- und Kreditsystem Japans. Die Tatsache, daß schon vor dem Aufbau der Industrie ein modernes Geldwesen geschaffen wurde, bildet ein Grundcharakteristikum i n der

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Kotaro Ikeda

Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems i n Japan. I n einem Entwicklungsland wie i m damaligen Japan war zum Aufbau und zur Modernisierung der Industrie viel Kapital erforderlich, das durch die mangelnde Akkumulation von Privatkapital allein nicht aufzubringen war. Die Regierung stellte daher große Summen für Darlehenszwecke an private Empfänger bereit und führte — um einen leistungsfähigen Vermittler dafür zu schaffen — die Modernisierung der Finanz- und Geldverfassung vorrangig durch. Staats- und Privatkapital flössen zusammen und häuften sich als finanzielles Bankvermögen. Die Banken führten anfangs keine Geschäfte als Handelsbanken durch, da es keine bürgerlichen Unternehmungen gab, die die Banken hätten aufsuchen können. Die Banken mußte also, um ein ihnen adäquates Geschäft betreiben zu können, die modernen Unternehmungen erst einmal fördern und dann zu ihren Kunden machen. So trugen z. B. die großen Banken durch Darlehen an die Regierungslieferanten zur Schaffung und Vergrößerung moderner Unternehmungen bei. Diese Unternehmungen waren i m doppelten Sinne modern, erstens waren sie Industriebetriebe, i n denen neueste Maschinen in Betrieb genommen wurden, zweitens nahmen sie die Form der Aktiengesellschaft an. I n der Aufschwungsperiode der Unternehmungen, d. h. i n der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, beteiligten sich viele Banken an der Entstehung kleiner und m i t t lerer Unternehmungen i n allen Gegenden Japans. Diese Umstände führten dazu, daß von Anfang an das Industriekapital dem Bankkapital weitgehend unterstand. Weiter ist zu beachten, daß die Unternehmungen, die zu ihrer Finanzierung Staatskapital benötigten, vielfach in die Form der Aktiengesellschaft gekleidet wurden. Dam i t konnte sich nach der Entstehung des Kapitalismus i n Japan aufgrund der ordnenden Finanz- und Geldverfassung und des Systems der Aktiengesellschaften das Industriekapital entwickeln und so den entscheidenden wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichen. bb) Darlehen durch den Junbikin

(Reservefonds)-Sonderetat

Als Finanzierungsmaßnahme durch das Staatskapital muß außerdem die Schaffung des sog. Junbikin-Sonderetats erwähnt werden, der ursprünglich als ein Reservefonds zur Konvertierung des Papiergeldes und zur Tilgung öffentlicher Schulden gedacht war. Außer zur Erfüllung dieser Aufgaben erleichterte er die Durchführung sog. staatlicher Investitionen und die Finanzierung öffentlicher Unternehmungen. Durch den daraus entstehenden Gewinn versuchte die Regierung, eine Vergrößerung des Fonds zu erreichen. Die Regierung legte einen Teil des Reservefonds als Kapital in der Bank von Japan, der Yokohama- Specie- Bank, der Kyodo-Unyu-Kaisha

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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(Nihon-Yusen-Kaisha) und der Tokio-Seeversicherungsgesellschaft an. Außerdem führte sie m i t dem Reservefonds die Politik des industriellen Aufschwungs durch, d. h. sie unterstützte Banken (z. B. die Erste Nationalbank: 7,64 Millionen Yen, Mitsui-Bank: 10,83 Millionen Yen), Gesellschaften (z. B. Mitsubishi-Gesellschaft: 2,47 Millionen Yen), Regierungslieferanten und Staatsmänner. Die Tatsache, daß Darlehen des Reservefonds hauptsächlich i n der Absicht gegeben wurden, einen Aufschwung des Außenhandels zu erreichen, bildet eines ihrer Grundcharakteristika. Insgesamt belief sich der Betrag dieses Darlehens etwa auf 52 Millionen Yen und machte etwa 80 v. H. der damaligen durchschnittlichen jährlichen Staatsausgaben aus. Zeitlich erstreckte sich die Gewährung des Darlehens ungefähr bis 1881, d. h. bis vor den Amtsantritt Finanzminister Matsukatas. Außer den obenerwähnten Darlehen gab es noch einige weitere, die den „Aufschwung der Industrie" forcieren sollten. Aber zur Förderung der privaten Kapitalbildung hatten diese sowohl quantitativ als auch qualitativ nur geringe Bedeutung. Zwar brauchte ungefähr die Hälfte der staatlichen Darlehen nicht zurückgezahlt zu werden, da aber das Interesse der Regierung hauptsächlich darin bestand, daß die Darlehen den industriellen Aufschwung förderten, wäre es übereilt, nur den Betrag des „toten" Darlehens zu sehen und zu folgern, die Finanzierungsmaßnahmen der Regierung wären erfolglos gewesen. Die staatlichen Maßnahmen sind vor allem als Überführung des „toten" Darlehens i n Subventionen zu betrachten. cc) Ausgabe öffentlicher Schuldscheine Die Ausgabe öffentlicher Schuldscheine durch die Regierung war eine Finanzierungsmaßnahme für Privatleute i n Form der Ablösung der Renten und der Clanschuld, worüber oben schon berichtet wurde. Der Gesamtbetrag der öffentlichen Schuld belief sich auf mehr als 200 M i l lionen Yen, während die oben erwähnten Staatsausgaben insgesamt weniger als 100 Millionen Yen betrugen. M i t der Kapitalisierung der öffentlichen Schuldscheine reformierte die Regierung gleichzeitig das Nationalbankgesetz; danach war es nun möglich, m i t den öffentlichen Schuldscheinen überall Nationalbanken zu schaffen. Die Regierung gab ihnen die Privilegien zur Emission von Banknoten und vertraute ihnen das Kassenwesen an, worauf noch zurückzukommen sein wird. Dadurch garantierte die Regierung den Bankaktionären ihren Gewinn und machte sie außerdem zu Agenturorganisationen für die Finanzierung des Staatskapitals. Es wurde bereits erwähnt, daß sich die Nationalbanken erst ihren Kundenkreis schaffen mußten. Zuerst konnten die Gründer und die Hauptaktionäre der Ban3

Ikeda - Kato - Taiyoji

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Kotaro Ikeda

ken zu günstigeren Bedingungen als üblich aus diesem Fonds entleihen. Damit erhielten viele Unternehmungen — moderne oder traditionelle — ihr Betriebskapital. Weiter schufen und förderten einige große Nationalbanken, wie z. B. die Erste Nationalbank, moderne Großunternehmen, um sich einen Kundenkreis zu schaffen. I m Besitze der öffentlichen Schuldscheine und des damit verkörperten Kapitals begann der Adel, Bergbauunternehmen und Eisenbahnen zu gründen und deren Leitung zu übernehmen. Dabei trat er hauptsächlich als Empfänger der Dividende und Renten auf. dd) Die Übertragung des Kassenwesens an die Kawase-Kata Auch die Übertragung des Kassenwesens an die Kawase-Kata bildete ein Glied i n der Kette staatlicher Finanzierungsmaßnahmen. I n der Meiji-Restaurations-Zeit war die Privatwirtschaft hauptsächlich eine Naturalwirtschaft auf der Grundlage der Reisproduktion, während der Staatswirtschaft eine geldwirtschaftliche Struktur zugrunde lag. Die Finanzwirtschaft erforderte nun, die Steuern, besonders die Grundsteuer, die als Naturalleistungen vor allem i n Form von Reis gezahlt wurden, sofort i n Geld auszutauschen. I n der Zeit, i n der die Grundsteuer i n Form von Geld gezahlt wurde, bedeutete das für die Bauern, daß sie für die Bargeldzahlung der Grundsteuer viel Reis auf einmal verkaufen mußten. I m damaligen Japan gab es aber keine marktwirtschaftliche Organisation, die dies hätte ermöglichen können. Die Regierung mußte deshalb die reichen Kaufleute, die über entsprechende finanzielle Organisationen verfügten, i n jeder Gegend als Vermittler zwischen Steuerzahler und Steuernehmer einschalten, um die Einnahmen und Ausgaben der Kassengelder durchführen zu können, zumal damals keine untere Finanzbehörde existierte. Diese Methode wurde zwar vielfach abgeändert, aber i m Prinzip etwa 20 Jahre angewandt, nämlich bis zur Übertragung des Kassenwesens an die Bank von Japan. Die hieraus entstehenden Agenturorganisationen waren die KawaseKata. Genaugenommen übertrug die Regierung den Kawase-Kata nicht gewisse Staatseinnahmen, sondern sie vertraute den Kawase-Kata nur die Einnahme und Ausgabe der Kassengelder an. Also waren KawaseKata nicht sog. Steuerpächter 18 ; beide spielten aber i n folgenden Punkten die gleiche Rolle: sie legten oft Geld für die Regierung aus; ihr Geschäft m i t den Kassengeldern diente effektiv der Vergrößerung ihres eigenen Reichtums; beide trugen zur Beseitigung der Instabilität der Staatseinnahmen, zur Vereinheitlichung des Kassenwesens und zur Modernisierung des Finanzwesens bei. 18 Über die Rolle der Steuerpächter bei der Modernisierung der öffentlichen Finanzwirtschaft siehe Max Weber, Wirtschaftsgeschichte, München u n d L e i p zig 1923, S. 244.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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Die Nationalbanken und die Privatgeschäftsbanken konnten als Kawase-Kata immer m i t einem Teil der Kassengelder zinsfrei arbeiten. Es war sowohl nach Ansicht der Regierung als auch der Privatleute für die Politik des industriellen Aufschwungs wünschenswert, die öffentlichen Einnahmen bis zu ihrer Verausgabung an Kaufleute und Industrielle zu verleihen. Diese Idee wurde durch die Ubergabe der Kassengelder an die Kawase-Kata verwirklicht. Sie waren Agenturorganisationen für die Finanzierung des Staatskapitals, das meist kurzfristig verfügbar war, und benutzten diese Kassengelder als Fonds für die Verleihung an andere Privatleute, als Betriebskapital für ihre eigenen Geschäfte und sogar zur Spekulation. Die Staatswirtschaft war damals viel größer als die Geldmittel der Kawase-Kata. Der Betrag der Kassengelder, mit denen sie arbeiten konnten, war also beträchtlich, und der Gewinn, den sie daraus zogen, ungewöhnlich groß. Einige der reichen Kaufleute, die diese Lage ausnutzten, wie z. B. Mitsui und Yasuda, konnten nicht nur ihre Geldmittel vergrößern, sondern auch ihre Stellung als Regierungslieferanten ausbauen. Andererseits gab es einige reiche Kaufleute, die die günstige Gelegenheit als Kawase-Kata nicht zur Rationalisierung ihrer Betriebe benutzten, sondern hauptsächlich zur Spekulation. M i t verstärkter Regierungskontrolle über die Verwaltung der Kassengelder erlitten dabei die reichen Kaufleute ohne Weitblick, wie z. B. Ono und Shimada, schwere wirtschaftliche Verluste und gingen i n Konkurs. Aus unseren Ausführungen geht hervor, daß die Verwaltung der Kassengelder durch Kawase-Kata nicht so sehr als Maßnahme zur Finanzierung des Staatskapitals, sondern vielmehr als Hilfe zur Gründung moderner Privatunternehmungen und finanzieller Organisationen Bedeutung erlangte. b) Die mittelbare

Förderung der privaten

Kapitalbildung

Neben einigen mittelbaren und unmittelbaren Finanzierungsmaßnahmen der Regierung gab es noch andere Ursachen, die zur privaten Kapitalbildung führten, wie die inflationistische und deflationistische Polit i k i n den achtziger Jahren, worauf noch zurückzukommen sein wird, und die Grundsteuerreform, die 1873 begonnen wurde. Erst 1871 erhielt die Regierung die volle Steuerhoheit. Unter den Staatseinnahmen war damals die Einnahme aus der Grundsteuer die wichtigste. Von Dezember 1867 bis Juni 1875 betrug sie etwa 57 v. H. der ordentlichen Einnahmen des Hauptetats. Nach der Restauration garantierte die Regierung das bürgerliche Eigentumsrecht an Grundstücken und reformierte die Grundsteuer. Der Mengenertrag als Steuerbemessungsgrundlage wurde durch den Grundstückswert und die Naturalleistung in Form von Reis durch Geldleistungen ersetzt. 3»

Kotaro Ikeda

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Es wurden alle Steuern nur i n Geld gezahlt, und sowohl die Erträge aus der Grundsteuer als auch alle anderen Staatseinnahmen waren stabilisiert. Damit hatten die Rentenablösung auf der Staatsausgabenseite und die Grundsteuerreform auf der Staatseinnahmeseite eine entscheidende Bedeutung für die Stabilisierung und Modernisierung der japanischen Finanzen. M i t den Finanzmaßnahmen beabsichtigte die Regierung damals, die Bedingungen zur Entwicklung eines kapitalistischen Wirtschaftssystems zu schaffen. Dabei hatte die Grundsteuerreform als Grundlage aller dieser Maßnahmen eine besondere Bedeutung. Andererseits konnte die Grundbesitzerschicht durch diese Reform einen immer größeren Vorteil aus ihrem Land ziehen, während der Anteil für die Pachtbauern gleich blieb. Die Steigerung des Reispreises durch die Inflation um 1880 verschärfte diese beiden Tendenzen 19 . Durch diese Verhältnisse stieg der Reichtum der Grundbesitzer. Dennoch gab es nur sehr wenige, die ihn zur Modernisierung ihrer Agrarbetriebe nutzten, denn sie konnten ohne Mühe hohe Pachtrenten erhalten. Viele verwendeten ihren Reichtum zum Kauf von Grundstücken, für Luxus, als Wucher- und Industriekapital, und oft wurde Bargeld gehortet. Es bedarf also keiner Erläuterung, daß erstens der japanische Agrarbetrieb nicht den Weg zum modernen kapitalistischen Betrieb einschlug, und daß zweitens auch i n Japan die Agrarrevolution, die sowohl viel Geld i n die Hände der Grundbesitzer brachte als auch die Steigerung der Agrarproduktion hervorrief, einen Antrieb zur industriellen Revolution darstellte. Durch diese oben geschilderten Maßnahmen häufte sich viel Geld bei Privatleuten an. Aber diese Akkumulation bedeutete nur die A k k u m u lation potentiellen Kapitals, so daß „die Verwandlung des potentiellen Kapitals i n ein aktuelles" (Werner Sombart) erforderlich war. Da nun viele Privatleute, bei denen solche Akkumulation potentiellen Kapitals gegeben war, sehr sparsam wirtschafteten und sich außerdem i m Laufe der Zeit moderner Unternehmergeist und moderne Unternehmungssysteme entwickelten, wurde diese Umwandlung erleichtert.

2. Die Investitionspolitik der Regierung: öffentliche Betriebe und ihre Veräußerung, Bildung des Sozialkapitals

Als Gründer oder Leiter von Unternehmungen trug die Regierung zur Entwicklung des Privatkapitals und zur Bildung des Sozialkapitals bei. Öffentliche Betriebe wurden zuerst i n der Rüstungsindustrie eingeführt, wo es auf die Wahrung militärischer Geheimnisse und auf neue 19

Vgl. Yoshitaro Hirano, Sozialstruktur des japanischen Kapitalismus (japanisch), Tokio 1934, S. 28—30.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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Industrietechniken ankam. Die Meiji-Restaurations-Regierung übernahm die Waffenfabriken der Bakufu (d. h. der Shogunats-Regievung vor der Restauration) und modernisierte und vergrößerte sie. Diese öffentlichen Betriebe waren m i t h i n schon von Anfang an m i t modernen Maschinen ausgestattet 20 . Beachtenswert ist dabei, daß die Einführung der neuen Techniken durch viele europäische Ingenieure und durch das Ingenieurstudium vieler Japaner i n Europa die entscheidende Rolle für die volkswirtschaftliche Entwicklung, insbesondere die Entwicklung der modernen Großindustrie i n Japan spielte 21 . Der zweite Typus öffentlicher Betriebe waren die m i t der Erstellung, Aufrechterhaltung und Bedienung des Sozialkapitals betrauten Betriebe. Bei der Bildung des Sozialkapitals mußte notwendigerweise die Regierung, der besonders viel Kapital zur Verfügung stand, eine entscheidende Rolle spielen, denn „first, their periods of gestation and of payoff are usually l o n g . . . Second, social overhead capital is generally l u m p y . . . Third, of its nature, the profits from social overhead capital often return to the Community as a whole — through indirect chains of causation — rather than directly to the initiating entrepreneurs" 22 . Die Bildung des Sozialkapitals bot eine der Grundlagen zur Entstehung und Entwicklung des darauffolgenden Kapitalismus. Vor der Entstehung der kapitalistischen Wirtschaftsformen wurde i n Japan bereits ein hohes Sozialkapital gebildet. Durch den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, Nachrichtenorgane und weiterer Infrastrukturinvestitionen von Seiten der Regierung 23 sollte die Bildung der kapitalistischen Wirtschaft beschleunigt werden. I n bezug auf die bisher behandelten Typen öffentlicher Betriebe ist zu beachten: Erstens spielte der öffentliche Betrieb eine entscheidende Rolle bei der Vereinheitlichung des Staates, wie er auch aus militärischen Erwägungen wichtig war. Zweitens förderte er die Entwicklung der modernen Unternehmen des heutigen Japans, die zu ihrer Errichtung und ihrem Betrieb der modernen Technik der europäischen Länder bedurften. Drittens erweiterte er die Absatzmärkte und steigerte die Produktion, w e i l er die Verbilligung des Frachtpreises und die Vermehrung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit garantierte. Viertens waren für die Gründung dieser öffentlichen Betriebe große Mengen von Eisen, 20 Ende 1881 belief sich die Z a h l der Beschäftigten der „Yokosuka-Öffentliche Schiffswerft" auf 1861. 21 V o n 1868 bis Ende 1881 gab die Regierung 10 516 Visa aus, davon 945 zum Zweck des Studiums i m Ausland. 22 Walt Witman Rostow, a. a. O., S. 24 f. 23 Bemerkenswert ist dabei, daß neben der Regierung auch die P r i v a t wirtschaft bedeutende Investitionen vornahm, z. B. Bau einiger privater Eisenbahnen u m 1880.

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Kotaro Ikeda

Stahl, Kohle, Produktionsmaschinen usw. nötig, so daß er zur Entwicklung eines Stammindustriesektors beitrug. Den dritten Typus öffentlicher Betriebe stellten die m i t den Stammindustrien zusammenhängenden Betriebe dar. Die Regierung gründete einige Unternehmungen, z. B. i m Bergbau oder i n der Eisen- und Stahl-, Zement- oder Glasindustrie usw. Seit der Meiji-Restauration hatte die Regierung die Absicht, den Bergbau durch die öffentliche Hand betreiben zu lassen, weil er m i t der Prägung von Münzen i n engem Zusammenhang stand. Die meisten dieser Industriebetriebe waren eine A r t Musterindustriebetriebe, i n denen die modernen Verfahren aus Europa eingeführt worden waren. Bei der Entstehung des kapitalistischen W i r t schaftssystems in Japan standen diese Betriebe an der Spitze aller Industrien. Zum vierten Typus öffentlicher Betriebe gehörten die m i t dem „ A u f schwung der Industrie" und der Ausfuhr zusammenhängenden W i r t schaftszweige, d. h. Viehzuchtbetriebe, Versuchsfarmen, Laboratorien für die Seidenuntersuchung, Spinnereien, Seidenindustriebetriebe usw., in denen neue europäische Techniken zur Weiterentwicklung für alle anderen Industrien eingeführt wurden. Die Regierung hoffte, auf diesem Wege die gesamte Industrie zu modernisieren und damit eine bessere Qualität, größere Einheitlichkeit, Produktionssteigerung und Senkung der Herstellungskosten zu erreichen 24 . Seit ungefähr 1884 veräußerte die Regierung ihre Betriebe. Dafür gab es i m wesentlichen drei Gründe: Erstens mußte die Regierung aufgrund der deflationistischen Politik eine Vergrößerung des Finanzbedarfs ver24 Das größte Verdienst f ü r die E n t w i c k l u n g der modernen Industrietechnik gebührt den öffentlichen Betrieben u n d insbesondere den bei ihnen angestellten Ausländern. Während der 15 Jahre der frühen Meiji- Zeit stellte das M i n i s t e r i u m f ü r öffentliche Arbeiten z. B. etwa 780 Ausländer (meistens Ingenieure aus Europa) als Leiter der technischen Anlagen an. Natürlich trugen die ausländischen Fachleute nicht n u r zur Einführung der modernen Industrietechnik, sondern auch zur Rationalisierung u n d Modernisierung der japanischen Sozial- u n d Wirtschaftsverfassung insgesamt bei. Zahl der angestellten Ausländer

Jahr 1877 1878 1879 1880 1881

Ausländer Privat

Regierung

457 499 509 488 472

381 321 261 237 166

Quelle: Toyo Keizai, Die langfristige Wirtschaftsstatistik Japans (japanisch), 7. Bd., Tokio 1966, S. 242 f.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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meiden. Während der Jahre von 1877 bis 1885 erlitten die öffentlichen Betriebe einen Verlust von etwa 14,86 Millionen Yen. Zweitens war die Regierung der Ansicht, das Wachstum des Privatkapitals sei schon weit genug fortgeschritten, um moderne Unternehmungen betreiben zu können, so daß es besser sei, öffentliche Betriebe in die Hände der Privatunternehmer zu überführen. Drittens plante die Regierung, die Tätigkeit der öffentlichen Betriebe nur auf die Rüstungsproduktion zu beschränken. Die meisten öffentlichen Betriebe wurden an die Finanzcliquen und Regierungslieferanten zu relativ niedrigen Preisen und zusätzlich zu weiteren günstigen Bedingungen wie zinsfreien jährlichen Ratenzahlungen veräußert. Damit übernahm die Regierung die privatwirtschaftlichen Verluste, die sich andernfalls aus den Risiken der Geschäftseröffnungsperiode ergeben hätten. Das hatte zur Folge, daß die reichen Unternehmer oder die sog. Zaibatsu (Finanzclique), die damals schon die Grundlage ihrer eigenen Unternehmensexpansion geschaffen hatten, moderne Unternehmungen ohne große Verluste übernehmen konnten. Nicht alle dieser Unternehmungen waren von Anfang an gewinnbringend, so daß sich der Reichtum der Finanzcliquen m i t der Übernahme der öffentlichen Betriebe nicht sprunghaft vergrößerte. Aber hier entstand der „Regierungslieferanten-Kapitalist" als ein Typus des japanischen Unternehmers. Er konnte seine wirtschaftliche Grundlage stabilisieren und vergrößern und leicht moderne Unternehmungen schaffen. Diese Entwicklung ist charakteristisch für die Entstehung des Kapitalismus in Japan. „ I n most nations, during the formative stage of capitalism banking capital has usually been distinct from industrial capital, but in Japan industrial capital did not develop independently; the state initiated industrialization, developed i t and turned i t over at amazingly low rates to a few private enterprises, mostly representatives of the great banking houses. I n this process no new class of industrial capitalist was created; what took place was only the strengthening of banking and usury capital (including the more affluent nobility) and its partial transformation into industrial capital 2 5 ."

V. Wirtschaftliche Grundlagen der Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems (Die Rolle des traditionellen Industriesektors und des Ausfuhrindustriesektors) I m folgenden soll die Frage beantwortet werden, auf welcher w i r t schaftlichen Grundlage die Regierung die obenbeschriebene Politik durchführen konnte. Wer von der Hand i n den Mund lebt, hat nichts, u m 25

E. Herbert Norman, a. a. O., S. 114.

Kotaro Ikeda

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seine wirtschaftliche Lage zu verbessern. Auch für die Volkswirtschaft i m Meiji-Japan könnte man Ähnliches sagen. W i r haben nur sehr wenige und ungenaue Unterlagen, um die w i r t schaftliche Lage i n der Meiji-Restaurations-Zeit zu klären. Aber man kann sagen, daß es i m damaligen Japan keinen wirtschaftlichen Uberschuß gab, m i t dem die Modernisierung der Wirtschaft hätte beschleunigt werden können. Tatsächlich aber konnte die japanische W i r t schaft die stetig wachsende Bevölkerung (siehe die folgende Tabelle 1) ernähren, Privatkapital bilden, die moderne Unternehmerorganisation und Industrietechnik einführen und sie sogar ausbauen. Tabelle 1 Bevölkerungsentwicklung Japans (in Mill.) Jahr

Bevölkerung

1875

35,49

1880

36,88

1885

38,48

1890

40,16

1900

44,23

1910

49,68

1920

55,94

1930

64,45

1940

73,11

Quelle: Kazushi Tokio 1956, S. 122 f.

Ohkawa,

Wachstumsrate der japanischen Wirtschaft

(japanisch),

Als Gründe dafür muß man außer den oben geschilderten Maßnahmen und der Intelligenz des japanischen Volkes noch einige wirtschaftliche Grundlagen erwähnen, die diese Entwicklung beeinflußten. Zunächst hing dieses Wachstum m i t der binnenwirtschaftlichen Stärke zusammen. Zwar war die Außenpolitik der Großmächte damals schon imperialistisch geprägt, doch die Regierung Japans zeigte sich noch recht instabil, so daß ausländisches Leihkapital unter kaufmännischen Gesichtspunkten nur schwerlich nach Japan floß. Außerdem hatte die Regierung auch eine starke Abneigung gegen eine unmittelbare Invasion und Herrschaft ausländischen Kapitals auf dem Gebiete des Bergbaus, der Landwirtschaft und der Industrie. Außer den kurzfristigen Anleihen von einigen ausländischen Handelsgesellschaften i n der Meiji-Restaurations-Zeit, der Emission von öffentlichen Auslandsschuldscheinen zum

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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Zweck des Eisenbahnbaus oder der Rentenablösung nahm die Regierung kein ausländisches Kapital i n Anspruch. Somit besteht hier ein großer Unterschied zwischen dem damaligen Japan und den Entwicklungsländern von heute, die zur Erzielung einer möglichst hohen w i r t schaftlichen Wachstumsrate viel ausländisches Kapital benötigen. Weiterhin resultiert der wirtschaftliche Uberschuß nicht aus der Produktion der modernen Unternehmungen. Diese hatten zwar i m doppelten Sinne eine große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, da sie Muster der späteren Großbetriebsform darstellten und die i n ihnen praktizierte Industrietechnik eine entscheidende Rolle für die erstaunliche Steigerung der industriellen Produktion spielte. Aber damals war der Produktionsanteil dieser modernen Unternehmungen i m Verhältnis zur gesamten industriellen Produktion sehr niedrig (siehe Tabelle 2). Es konnte deshalb ein wirtschaftlicher Uberschuß aus diesen modernen Unternehmungen kaum erwartet werden. Tabelle 2 Verteilung des Volkseinkommens auf Wirtschaftssektoren in v. H. (5 - Jahres - Durchschnitt)

Jahr

Primärer Sektor

Sekundärer Sektor

(davon: Industriebetriebe m i t über 5 Beschäftigten)

Tertiärer Sektor

1878/1882

64,6

10,6

(3,6)

24,8

1883/1887

54,7

14,7

(5,0)

30,6

1888/1892

54,3

16,2

(6,0)

29,5

1893/1897

51,3

18,7

(7,3)

30,0

1898/1902

48,5

21,9

(8,0)

29,6

1903/1907

46,0

20,7

(8,6)

33,3

1908/1912

42,4

21,6

(10,2)

36,0

1913/1917

36,2

27,0

(14,0)

36,8

1918/1922

34,2

25,8

(15,4)

40,0

1923/1927

27,8

24,8

(15,6)

47,4

1928/1932

21,8

27,7

(18,9)

50,5

1933/1937

20,2

30,2

49,6

1938/1942

21,4

37,5

41,1

Quelle: Yuzo Yamada, Unterlagen zur Schätzung des Volkseinkommens (japanisch), 2. Aufl., Tokio 1956, S. 214 f.

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Kotaro Ikeda

I n diesem Zusammenhang muß an den Fonds gedacht werden, der den modernen Unternehmungen zur Verfügung stand. Die Produktion der modernen Unternehmungen (Industriebetriebe m i t über 5 Beschäftigten) war zu dieser Zeit mengenmäßig relativ gering (siehe Tabelle 2) und an sich nicht rentabel genug. Daher war es der erklärte Zweck vieler Finanzmaßnahmen, diese modernen Unternehmungen unter allen Umständen rentabel zu gestalten. Darüber hinaus ist aber auch die Produktivitätssteigerung i n traditionellen Wirtschaftszweigen zu beachten, die sich aufgrund allgemeiner Verbesserungen i n den Bereichen der Landwirtschaft, der Agrarprodukte verarbeitenden Industrie, des Bergbaus, des Handels usw. ergaben. Diese traditionellen Bereiche nahmen eine überlegene Stellung ein. Es ist nur logisch, wenn man die Steigerung ihrer Produktivität als eine der entscheidenden Quellen i m Hinblick auf die Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems ansieht. Vor allem war die Produktionssteigerung der Landwirtschaft und der Agrarprodukte verarbeitenden Industrie außerordentlich wichtig. Die Idee, daß die Landwirtschaft der Urquell der Kräfte eines Landes ist, und man also vorerst immer nach der Steigerung ihrer Produktivität streben muß, wurde seit der Meiji-Restaurations-Zeit als eines der Hauptziele der Regierung anerkannt. Allerdings führte die Regierung weder eine epochemachende Agrarreform durch, noch waren die entsprechenden Etatansätze für die Landwirtschaft besonders hoch. Dennoch steigerten jene Agrarmaßnahmen der Regierung, wie z. B. Grundsteuerreform, Errichtung von Versuchsfarmen und landwirtschaftlichen Schulen, Verbesserung der Bewässerungsanlagen, Kanalisation, Vergrößerung des Ackerlandes, Einführung neuer Arten von Samen, Sämlingen, Vieh, Ackergeräten usw., allmählich die Produktivität der Landwirtschaft, woraus wiederum ein beachtlicher wirtschaftlicher Uberschuß resultierte. Es ist allerdings schwer, das landwirtschaftliche Wachstum Japans i n Zahlen anzugeben. Tabelle 3 zeigt, daß die Vergrößerung des Produktionswertes der Landwirtschaft i n der frühen Meiji-Zeit zwar etwas geringer als i n der darauf folgenden Periode war, ja man kann sogar eine gewisse Abnahme erkennen. Wenn man aber die Ernteerträge als Maßstab benutzt, so ist die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität offensichtlich. Tabelle 4 zeigt die allgemeine Tendenz der Vergrößerung der Agrarprodukte und des Ackerlandes, und gibt an, daß das Wachstum der Agrarproduktion wesentlich größer war als das des Ackerlandes 28 . 28

„The technical innovations w h i c h raised crop yields made i t possible nearly to double agricultural output w i t h probably no more than a 25 °/o i n crease i n the cultivated area." William W. Lockwood, a. a. O., S. 245.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

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Tabelle 3 Produkte des primären Sektors (in Millionen Yen) davon

Jahr

Produkte aus Ackerbau, Forstwirtschaft u n d Viehzucht insges.

Reis

Weizen u n d Gerste

Kokon

1880

584

306

62

49 27 37

1885

387

189

36

1890

653

347

46

1895

698

325

77

i

70

Quelle: Kazushi Ohkawa, a.a.O., S. 46.

Tabelle 4 Erträge der wichtigsten Agrarprodukte*) Reis Jahr

(in 1000 ha) Fläche

1880 1885 1890 1895

254,893 258,860 271,753 275,720

Ertrag (1000 t)

Ertrag pro ha (t)

Weizen, Gerste u n d Roggen (1000 t)

4 715 5106 6 455 5 994

18,5 19,7 23,7 21,7

1556 1488 1321 2 447

Tee (t)

12 023 20 543 26 044 32 621

a) Japan ohne Korea und Formosa. Quelle: Toyo Keizai, Statistischer Überblick über den Zustand Japans in der Meiji- und Talsho-Zeit (japanisch), Tokio 1927, S. 509 f. und 517.

Aus den Tabellen 1 und 4 ist die Erntemenge von Reis pro Kopf zu ersehen. I m Jahre 1880 betrug sie 128 kg, i m Jahre 1885 133 kg, i m Jahre 1890 161 kg, i m Jahre 1895 141 kg. Es ist gewagt, aufgrund dieser wenigen Zahlen etwas Entscheidendes auszusagen, jedoch dürften unter Berücksichtigung der zu jener Zeit gegebenen Umstände diese Angaben wohl zeigen, daß die damalige vermehrte Agrarproduktion auch den Bevölkerungszuwachs ernähren konnte, und daß der Agrarsektor — bei stagnierender Agrarbevölkerung — die Ernährung einer wachsenden Industrierabeiterschaft garantierte. Die Einnahme aus der Grundsteuer belief sich auf etwa 60 bis 90 v. H. des gesamten Steueraufkommens i n der frühen Meiji-Zeit. So ernährte die Landwirtschaft den Staat m i t der Grundsteuer und bot ihm damit die Grundlage zur Durchführung seiner Finanzierungsmaßnahmen und der öffentlichen Betriebe.

44

Kotaro Ikeda

Durch „myriads of relatively simple improvements i n technology which do not depart radically from tradition or require large units of new investment" 2 7 wurde die Steigerung der Leistungsfähigkeit in den Bereichen von Landwirtschaft, Handwerk und Handel durchgeführt. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß es damals in Japan noch keine effektive wissenschaftliche und rationalistische Technik gab 28 . Als weitere wirtschaftliche Grundlage des aufkommenden kapitalistischen Wirtschaftssystems muß die Entwicklung des Exportsektors angesehen werden. Auch in diesem Fall handelt es sich hauptsächlich um die Steigerung der Produktivität des primären Bereichs. Bekanntlich kommt der Einfuhr moderner Maschinen oder anderer moderner Produktionsanlagen eine entscheidende Rolle bei der raschen Modernisierung der Industrietechnik i n Entwicklungsländern zu. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß die Einfuhr eine sehr wichtige Rolle für die Entstehung des Kapitalismus spielte. Tabelle 5 zeigt, daß die Einfuhrwaren hauptsächlich aus lebensnotwendigen Verbrauchsgütern bestanden, die zumeist für die Modernisierung und Europäisierung der Lebensweise bestimmt waren. Auch strebte die Regierung nicht nur die Einführung von wissenschaftlichen Instrumenten und Maschinen an, wie z.B. Spinnerei- und Zuckerherstellungsmaschinen, sondern sie forcierte auch die Anwerbung ausländischer Ingenieure. Die Tatsache, daß die neuen Maschinen eingeführt und i n Betrieb genommen wurden, bedeutete also viel mehr als nur die Investition i n Produktionskapital. Sie war letztlich die Antriebs-

Tabelle 5 Wichtigste Einfuhrwaren (in Mill. Yen) Rohbaumwolle

Baumwollgewebe

Wollwaren

Maschinen

Einfuhr insges.

0,02

0,62

2,98

2,69

0,19

33,74

0,57

0,37

5,04

5,77

2,18

29,97

1,40

0,17

5,52

5,79

1,80

36,62

1,66

0,80

2,88

2,68

1,92

29,35

4,95

5,36

4,12

6,72

7,26

81,72

Zuk- Mineralker öl

Jahr

Reis

1870

14,59

3,04

1875

0,02

3,42

1880

0,43

3,53

1885

0,67

4,67

1890

12,30

8,41

Quelle: Toyo Keizai, Statistischer Überblick über den Außenhandel Japans (japanisch), Tokio 1935, S. 154, 165, 196, 228, 241, 249, 330, 347. 27 28

William W. Lockwood, a. a. O., S. 198. Werner Sombart, a. a. O., 1. Bd., S. 479.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

45

feder zur Entwicklung des kapitalistischen Unternehmungssystems. Die Einfuhr der neuen Maschinen t r u g viel zum Ausbau unserer Wirtschaft zu einem kapitalistischen System bei, obgleich ihr Anteil an der gesamten Einfuhr relativ klein war. Außerdem gaben sie den Anstoß zur Entwicklung der modernen Baumwoll- und Zuckerindustrie i n der frühen Meiji-Zeit. Wie konnten diese Einfuhren, die eine solche Bedeutung für die Entstehung des Kapitalismus hatten, ermöglicht werden? Erst durch die Maßnahmen des Einkaufes von Münzgeld, bei dem der Geldwert dem Materialwert entsprach, der Vermehrung der Produktion und der Ausfuhr spezieller Produkte, die sich durch die Politik des „Aufschwungs der Industrie" ergeben hatten, war dieses Einfuhrprogramm zu verwirklichen. Daß die Ausfuhr damals überhaupt möglich war, obwohl Japan noch keine Zollautonomie besaß, w i r k t heute außerordertlich erstaunlich. Nach der Meiji-Restauration wurden von der Regierung einige Behörden zum Zweck der Intensivierung des „Aufschwungs der Industrie" und des Außenhandels geschaffen. Diese Behörden hatten nicht nur die obenerwähnte Aufgabe, Privatunternehmen finanzielle Hilfe zu gewähren, sondern sie wurden auch m i t dem Einkauf von mexikanischen Dollars und sonstigem Münzgeld auf Edelmetallbasis von Privatunternehmern beauftragt. Als Devisen zur Bezahlung der Einfuhr wurden nämlich hauptsächlich Edelmetallgeld oder mexikanische Dollars gebraucht. I n der frühen Meiji-Zeit, insbesondere bei Amtsantritt von Finanzminister M. Matsukata, war der Einfuhrüberschuß eine unausweichliche Erscheinung. Schließlich gab die Regierung zum Zweck der Förderung der unmittelbaren Ausfuhr Finanzierungshilfen an private Ex- und Importeure, weil damals Ausländer oder ausländische Banken i m Ex- und Importhandel die vorherrschende Stellung einnahmen. So gewährte die Regierung bei der Gründung der Yokohama-Specie- Bank Unterstützung i n der Höhe von einem Drittel des Bankkapitals. Sie half auch noch durch weitere finanzielle Maßnahmen, wie z. B. die Übertragung von Kassengeldern an die Bank, Kredite zu niedrigem Zinsfuß durch die Bank von Japan usw. Die Regierung beabsichtigte, die Yokohama-Specie-Bank zum Zentralorgan für die Ausfuhr-Förderungsmaßnahmen zu machen. Daraus entwickelte sich dann das monopolistische internationale Geldinstitut i n Japan. Durch diese Maßnahmen sowie die Förderung der Industrie wurde die Gesamtausfuhr ziemlich schnell erhöht. Die Tabelle 6 zeigt einige wichtige Ausfuhrgüter i n der frühen Meiji-Zeit. Die meisten von diesen waren Produkte des primären Bereichs, insbesondere Agrar-, Bergbau-

46

Kotaro Ikeda

u n d veredelte A g r a r p r o d u k t e . Die E r h ö h u n g der P r o d u k t i o n u n d der A u s f u h r w a r i n s o f e r n w i c h t i g f ü r die E n t s t e h u n g des k a p i t a l i s t i s c h e n W i r t s c h a f t s s y s t e m s i n J a p a n , als sie d i e E i n f u h r g a r a n t i e r t e u n d z u m Z w e c k der E x p o r t s t e i g e r u n g die I n d u s t r i e t e c h n i k verbessert u n d m o d e r n i s i e r t w u r d e , w e i l der ausländische M a r k t eine g l e i c h b l e i b e n d e Q u a l i t ä t u n d große M e n g e n dieser A u s f u h r g ü t e r v e r l a n g t e . Tabelle 6 Wichtigste Ausfuhrwaren (in Mill. Yen)

Jahr

Reis

1870 1875 1880 1885 1890

0,01 0,21 0,76 1,32

Jahr 1870 1875 1880 1885 1890



Grüntee

Tang u n d getrockneter Fisch

Kampfer

Noshiseiden

Seiden

4,43 6,74 7,32 6,66 6,06

0,70 0,60 1,39 1,74 2,02

0,23 0,13 0,59 0,55 1,93

0,08 0,12 0,60 0,67 1,44

4,27 5,42 3,60 13,03 13,85

Kohle

Porzellan

Kupfer

Ausfuhr insgesamt

0,29 1,01 1,08 1,97 4,79

0,02 0,11 0,47 0,69 1,24

0,20 0,44 0,47 1,85 5,37

14,54 18,61 28,39 37,14 56,60

Seidentaschentücher

_ — — —

2,51

Seidengewebe

_ —

0,03 0,05 1,18

Quelle: Toyo Keizai, Statistischer Überblick über den Außenhandel Japans (japanisch), Tokio 1935, S. 5, 13, 16, 17, 43, 52, 53, 55, 77, 83, 106, 107, 115, 151.

Es ist n i c h t z u b e z w e i f e l n , daß d i e S t e i g e r u n g d e r P r o d u k t i o n u n d A u s f u h r a u f g r u n d der P r o d u k t i v i t ä t s s t e i g e r u n g des t r a d i t i o n e l l e n I n d u striesektors eine w i r t s c h a f t l i c h e G r u n d l a g e z u r E n t w i c k l u n g d e r m o d e r nen Industrie u n d Unternehmung i n Japan darstellte29. 29 „ I t was this underlying g r o w t h of Japan's agriculture and other basic industries, most of them consumer goods industries b u i l t on ancient foundations, which enabled the island empire to support her growing population and expanding political commitments during this period. Through a steady process of modernization they produced the rising national income which supported large State budgets for armament and colonial development. They provided the exports to pay for much of the heavy import of munitions maschinery, and other essentials for strategic industries. Despite these charges upon the national dividend, they were the means b y w h i c h Japan carried herself through the first stages of economic development and emerged f r o m her agrarianfeudal background to take on the aspects of a modern industrial power". William W. Lockwood, a. a. O., S. 34.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

47

VI. Arbeitskräftebeschaffung und Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems Bis ungefähr 1878 konnte die Regierung die meisten der feudalistischen Elemente i n der damaligen Staats- und Sozialverfassung beseitigen und anschließend Modernisierungsmaßnahmen auf dem Gebiete des Sozialwesens und i n der Wirtschaft beginnen. Es entstanden private kapitalistische Unternehmungen i m Bankensektor, i m Bergbau, i n der Baumwoll- und Seidenindustrie, i m Transportwesen usw. Nach der Veräußerung öffentlicher Betriebe nahm die private Industrie einen großen Aufschwung. Die merkantilistische Wirtschaftspolitik, die seit der Meiji-Restauration durchgeführt wurde, trug i n einer Hinsicht inflationistischen Charakter. Träger dieser Politik war zuerst T. Ohkubo, den man den „Colbert Japans" nannte, dann sein Nachfolger S. Ohkuma, die beide zur Shizoku-Klasse gehörten. Ohkumas Grundidee bestand darin, daß — soll die Industrie gefördert werden — zuerst Geld i n die Gesellschaft investiert werden muß. Er erkannte die Wichtigkeit der sog. produktiven Staatsausgaben und schlug vor, Sozialkapital zu bilden, u m das Sozialprodukt zu erhöhen. Weiterhin erschien es ihm notwendig, öffentliche Schuldscheine auszugeben, so daß durch die Produktionssteigerung die gesamten Ausgaben bestritten werden konnten. Aus der inflationistischen Politik Ohkumas resultierte einerseits die A n häufung von Papiergeld, andererseits der Mangel an Reserven von Edelmetallgeld. Der unaufhörliche Einfuhrüberschuß, der seit 1868 dauerte, erforderte Gold- und Silberausfuhr. Außerdem brach i m Jahr 1877 die Satsuma-Revolte aus, deren Niederschlagung etwa 42 Millionen Yen kostete. Die Regierung deckte den Betrag durch die Emission von Noten (27 Millionen Yen) und durch Anleihen bei der Fünfzehnten Nationalbank (15 Millionen Yen). A l l dies bewirkte schließlich am Ende der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts eine Inflation, i n deren Gefolge es zur Abwertung der Noten und öffentlichen Schuldscheinen sowie zu Preissteigerungen, Zinserhöhungen und Ausfuhrrückgängen kam. Andererseits stiegen die Verkaufserlöse für landwirtschaftliche Produkte. Durch die vermehrte Güterwirtschaft innerhalb der ländlichen Bezirke erhöhte sich auch die Produktion der Agrarveredelungsindustrie. Besonders die Nationalbanken, die eng mit den traditionellen Industrien zusammenarbeiteten, gelangten überall zur Blüte. Dennoch kam es zu den bekannten Begleiterscheinungen jeder größeren Inflation, so z.B. der Benachteiligung von Rentnern, Empfängern mittlerer oder niedriger Einkommen, von Lohnarbeitern, aber auch von Inhabern mittlerer oder kleiner Unternehmungen, also gewissermaßen dem gewerblichen Mittelstand.

48

Kotaro Ikeda

Damit bestand die wichtigste Aufgabe der damaligen Regierung i n der Uberwindung der Inflation, als deren wahre Ursache Finanzminister Ohkuma nicht die unheilvolle Notenausgabe, sondern den durch den Einfuhrüberschuß verursachten Mangel an Gold und Silber ansah. Zwar erkannte er die Schädigung der Gehaltsempfänger durch die Inflation, gleichzeitig aber auch den Vorteil der Inflation i n bezug auf die Produktionssteigerung. Er glaubte, daß es zur Uberwindung der Inflation keine andere Maßnahme als die der Produktionssteigerung gäbe, so daß für i h n eine inflationistische Politik logisch zwingend war. Dennoch wurden auch antiinflationistische Maßnahmen vorgenommen, so z. B. durch die Aufnahme einer Auslandsanleihe (50 Millionen Yen) sowie einer Staatsanleihe i m Inland (27 Millionen Yen) oder durch die Manipulierung des Junbikin-Sonderetats, die Noten auszulöschen und ein System m i t Umlauf von Edelmetallmünzen einzuführen. Auch ging die Schaffung einer großen Specie-Bank aus diesem Maßnahmenkatalog hervor. Obwohl ein Teil dieser Vorschläge realisiert wurde, erhöhte sich dennoch i m Jahre 1881 der Grad der Inflation. Mitten i n der Inflation schied Finanzminister Ohkuma aus dem Kabinett aus, und Matsukata, der auch zur Shizoku-Klasse gehörte, wurde sein Nachfolger. Matsukata sah eine wesentliche Inflationsursache i n der übersteigerten Emission von Papiergeld und führte schließlich eine deflationistische Politik i n der Form einer Stückelung des Papiergeldes durch. Der Zweck dieser Maßnahmen war die „Loslösung des Geldwesens aus dem fiskalischen Nexus: Herstellung einer nur dem (kapitalistischen) W i r t schaftsleben dienenden Geldverfassung, die vor allem stabil ist" 3 0 . Diese Maßnahmen bezweckten die Stabilisierung des Geldwertes und die Entstehung des modernen Währungssystems als eine der wichtigsten Vorbedingungen für das kapitalistische Wirtschaftssystem. U m dies zu erreichen, ergriff er Maßnahmen zur sog. Einschränkungspolitik der öffentlichen Finanzwirtschaft, wie z. B. die Steuererhöhung bei unveränderten Staatsausgaben, wobei der Uberschuß abgeschöpft wurde. Weiter vermehrte er das Münzgeld aus Edelmetallen durch den Junbikin-Sonderetat, veräußerte die öffentlichen Betriebe und verbot die Darlehensvergabe. Gleichzeitig schuf er i m Jahre 1882 die Bank von Japan als Zentralbank. Durch die Maßnahmen Matsukatas nahm der Besitz an Edelmetallgeld zu und damit die Stückelung des Papiergeldes, wobei sich allmählich die Preisverhältnisse von Silber und Papiergeld normalisierten. Nach der Verkündigung der Notenkonvertierung vertraute die Regierung der Bank von Japan auch die Emission der Noten an, und i m Jahre 1886 30

Werner Sombart, a. a. O., 3. Bd., S. 53.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

49

proklamierte sie das Silberwährungssystem. Damit war die Aufgabe der Stückelung des Papiergeldes erfüllt, und es entstand das moderne Währungs- und Kreditsystem. Aufgrund der deflationistischen Politik Matsukatas sanken die Preise, was vornehmlich die Bauern durch die Senkung des Reispreises traf. Weiterhin wurden davon viele mittlere und kleinere Unternehmer infolge der Verminderung der Kaufkraft und durch Finanzierungshemmungen getroffen. Die Senkung des Zinsfußes und die Kurssteigerung öffentlicher Schuldscheine boten eine Grundlage für die Weiterentwicklung der Zaibatsu-Unternehmungen, die durch eigene K r a f t oder m i t finanzieller Hilfe der Regierung die aufgezeigten wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwinden konnten. Die verstärkte Veräußerung landwirtschaftlichen Grundbesitzes ermöglichte den Vermögenden die zusätzliche Einverleibung von Grund und Boden, eine Tendenz, die durch die Hilfe der Banken noch beschleunigt wurde. Als Folge der Inflation und anschließenden Deflation wurden viele Shizoku als Rentner, Bauern sowie mittlere und kleinere Unternehmen des Handels und Gewerbes proletarisiert. Sie bildeten eine starke „industrielle Reservearmee" billiger ungelernter Arbeitskräfte, die zur Entstehung der kapitalistischen Wirtschaft wichtig war. Gleichzeitig aber vergrößerte sich infolge der Finanzierungsmaßnahmen der Regierung und der Politik zur Steigerung des Volkseinkommens das finanzielle Vermögen bei den Zaibatsu und den Regierungslieferanten. Nach der Veräußerung öffentlicher Betriebe waren sie es, die einige moderne Unternehmungen schufen, und die deren Vergrößerung und Produktionsausdehnung anstrebten. Der Hauptteil ihres finanziellen Vermögens wurde zu Anlageinvestitionen verwandt, und nur ein kleiner Teil entfiel auf die Beschäftigung von Arbeitskräften, d.h. das finanzielle Vermögen diente beinahe ausschließlich der Sachkapitalbildung. „Ohne geeignete Arbeitskräfte i n genügender Menge — kein moderner Kapitalismus. Deshalb bildet die Entstehung eines Lohnarbeiterstandes eine der notwendigen Bedingungen kapitalistischer W i r t schaft 31 ." Woher kamen nun die Arbeitskräfte, um die Voraussetzungen für die Entstehung der kapitalistischen Wirtschaft i n Japan zu erfüllen? Diese Frage soll am Beispiel der frühen Meiji-Zeit dargestellt werden. Sombart 32 unterscheidet unfreie und freie Arbeitskräfte, wobei die freien Arbeitskräfte ihrerseits i n zwei Gruppen eingeteilt werden, nämlich i n die freie Zuschußbevölkerung und die freie Überschußbevölkerung. Unter Zuschußbevölkerung versteht man jenen Bevölkerungsteil, 31 32

4

Werner Sombart, a. a. O., 1. Bd., S. 785. Werner Sombart, a. a. O., 3. Bd., S. 304—362, insbesondere S. 319.

Ikeda - Kato - Taiyoji

50

Kotaro Ikeda

der die wirtschaftliche Selbständigkeit verloren hat und einen neuen Beruf sucht, während sich die Uberschußbevölkerung aus der natürlichchen Bevölkerungsbewegung ergibt. Zwar kam es i m Meiji-Japan auch vor, daß unfreie Arbeitskräfte eingesetzt wurden, wie z. B. Häftlinge i n einigen Kohlengruben. Aber es gab i n Japan nie eine so ausgedehnte Verwendung unfreier Arbeitskräfte, wie z. B. die Sklavenarbeit auf den Baumwollplantagen der Vereinigten Staaten i n der Frühzeit der Industrialisierung. Die freien Arbeitskräfte waren deshalb wichtige Voraussetzungen für die Entstehung des Kapitalismus Japans. Bei den der Überschußbevölkerung zuzurechnenden freien Arbeitskräften in der frühen Meiji-Zeit muß man folgende zwei Erscheinungen beachten: 1. Die Bevölkerung Japans wuchs auch damals ständig. 2. Die Agrarbevölkerung stagnierte schon zu jener Zeit weitgehend. Sie betrug i m Jahre 1875 ungefähr 14,75 Millionen, i m Jahre 1895 16,91 Millionen 3 3 . Von dieser Zeit bis heute lag die Zahl der Agrarbevölkerung ungefähr konstant zwischen 14 und 16 Millionen Menschen. Der Hauptteil der Uberschußbevölkerung hatte demnach nur i n der Industrie die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu finden. Betrachten w i r den anderen Teil der freien Arbeitskräfte, so handelt es sich hier vornehmlich um die Zuschußbevölkerung nach der MeijiRestauration. Infolge der Meiji-Restauration brach die alte Sozial- und Wirtschaftsordnung zusammen, und es entstand allmählich die neue kapitalistische Wirtschaft. Da nun die Zuschußbevölkerung gerade aus solchen Menschen bestand, die — wie erwähnt — aus dem alten System eliminiert wurden, blieb für diese i m neuen System kein anderer Weg als der des Proletariats. Die Zuschußbevölkerung setzte sich zunächst zusammen aus 400 000 Shizoku (mit ihren Familien belief sich ihre Zahl auf etwa 1,9 Millionen), die i n der neuen Zeit ihre ursprünglichen Aufgaben verloren und m i t h i n auch kein Gehalt (Rente) mehr bezogen. Schon bald nach der MeijiRestauration wurden viele Töchter der Shizoku Fabrikarbeiterinnen in öffentlichen Seidenindustriebetrieben. Auch jene Shizoku, die ehemals ein Gewerbe betrieben und die dann gescheitert waren oder die wegen finanzieller Schwierigkeiten ihre öffentlichen Schuldscheine veräußern mußten, sanken allmählich auf die Stufe des Proletariats ab. Zur Zuschußbevölkerung gehörten auch Handwerker, deren Erzeugnisse i n der neuen Gesellschaft nicht mehr benötigt wurden, wie z. B. 83

Yuzo Yamada, a. a. O., S. 152.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

51

die Waffenschmiede. Diese Handwerker verloren ihren Beruf und fielen der Gruppe des Proletariats zu. Andere Handwerker wurden unter dem Druck von Verlegern und deren Vermittlern allmählich zu Heim- bzw. Lohnarbeitern. Allerdings hatte dieser Teil der Zuschußbevölkerung keine große Bedeutung für das Arbeitsangebot. Schließlich rekrutierte sich diese Zuschußbevölkerung aus den Dorfbewohnern, da viele von ihnen — wie bereits oben erwähnt — durch die Grundsteuerreform und deflationistische Politik Matsukatas i n schwere Not geraten waren. Weiter wurden sie der Möglichkeit einer zusätzlichen Tätigkeit durch die Schaffung neuer Unternehmungen und die Aufnahme neuer Produktionsweisen in der Industrie beraubt. Alle diese Maßnahmen beschleunigten die Verelendung der Bauern 34 . Diese verarmten Bauern arbeiteten i n mittleren oder kleinen Unternehmungen der Dorfumgebung oder als sog. Ubersiedlungsarbeiter in den Städten, während die nichterbenden Söhne und Töchter der Bauern als sog. Saison- und Wanderarbeiter i n den Industriebetrieben, i m Bergbau und i m Baugewerbe tätig waren. Dabei hatte der Arbeitslohn als Unterhaltshilfe der Bauern besondere Bedeutung, da er es erlaubte, den angestammten Agrarbetrieb in den Heimatdörfern aufrechtzuerhalten. Dieser Umstand ermöglichte es den Unternehmern, die Löhne niedrig zu halten, was sich i n der Besonderheit der zukünftigen Beschäftigungsform der Arbeiter und i m Niveau des Arbeitslohnes widerspiegelt. Aus diesen Schichten und aufgrund dieser Prozesse entstand i n der frühen Meiji-Zeit die Zuschußbevölkerung, die zusammen mit der Uberschußbevölkerung für die nötigen Arbeitskräfte der kapitalistischen Betriebe sorgte. I n bezug auf das Angebot an Arbeitskräften ist weiter zu beachten: 1. I m Meiji-Japan entwickelte sich die Wirtschaft ohne Ubergang von einem alten Wirtschaftssystem zu einer modernen Industriewirtschaft. I m Handwerk ist eine langfristige spezielle Berufsausbildung nötig, weil es einer vielseitigen komplizierten Handfertigkeit bedarf. I n modernen Industriebetrieben übernimmt der ungelernte Arbeiter eine relativ unkomplizierte Arbeit an der Maschine, die keiner langen Einarbeitungszeit bedarf. 2. Die Arbeitseinstellung war — außer der der Shizoku — stets positiv, kennzeichneten doch „Fleiß und Sparsamkeit" die Grundeinstellung des Japaners i n jener Zeit. 34 Wie schon bekannt ist, wurde aufgrund der deflationistischen P o l i t i k Matsukatas der Preis der Agrarprodukte gesenkt, während der Grundsteuerbetrag gleich blieb. Mittlere u n d kleine Bauern verloren ihren Grundbesitz entweder durch staatliche Zwangsversteigerung infolge von Zahlungsrückständen der Grundsteuer oder durch Veräußerung bzw. Verfallspfand f ü r die rückständige Schuld.

4*

52

Kotaro Ikeda

3. Die Beschränkungen hinsichtlich einer freien Berufs- oder Wohnortwahl wurden sofort nach der Meiji-Restauration aufgehoben. Aus diesen zusätzlich angeführten Punkten ist zu ersehen, daß es i m damaligen Japan leichter war, Arbeitskräfte zu beschaffen als i m frühkapitalistischen Europa. Analysiert man die Nachfrage nach Industriearbeitskräften, so müssen hier folgende zwei Punkte beachtet werden, nämlich einmal die Frage nach der Größe und dem Umfang der Unternehmungen i n der damaligen Zeit, zum anderen die Frage, aus welchen Beweggründen überhaupt die Unternehmer ihr Kapital i n Industriebetrieben investierten. Nach einer offiziellen Untersuchung vom Dezember 1882 betrug die Anzahl der privaten Industriebetriebe — einschließlich aller die Bezeichnung „Fabrik" tragenden Werkstätten — ungefähr 2033 m i t 15 654 Arbeitern, 35 535 Arbeiterinnen und 9863 Kinderarbeitern (unter 15 Jahre). Die Zahl der Fabrikarbeiter belief sich somit auf 61 052. Davon waren 37 452 (d. h. 61 v. H. der Gesamtzahl) Seidenfabrikarbeiter, 2384 (4v. H.) keramische Fabrikarbeiter, 1076 (1,7 v.H.) Werftarbeiter und 5078 (8 v. H.) Webereiarbeiter 35 . Eine weitere offizielle Untersuchung vom Dezember 1883 gab die Zahl der Arbeiter der dem Finanzministerium, dem Ministerium für öffentliche Arbeit und dem Agrar- und Handelsministerium zugehörigen öffentlichen Betriebe m i t 4880 an, zuzüglich jener 6972 Arbeiter, die i m Jahre 1884 i n den dem Heeres- und Marineministerium zugeordneten öffentlichen Betrieben beschäftigt waren 3 6 . Diese Ziffern zeigen ungefähr, daß zwar die Nachfrage nach Industriearbeitern ziemlich gering war, aber trotzdem Frauen und Kinder den Hauptteil dieser Arbeitsplätze besetzten, die Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts ungefähr zwei- bis dreihunderttausend ausmachten. Damit war selbstverständlich das Angebot industrieller Arbeitskräfte bei weitem nicht ausgeschöpft 37. Dagegen war die Nachfrage nach Fabriktagelöhnern, Bergarbeitern, Handwerkern und Erdarbeitern relativ groß. 35

Statistisches Reichsamt, Statistisches Jahrbuch f ü r das Kaiserreich Japan (japanisch), 4. Bd., Tokio 1885. 36 Statistisches Reichsamt, a. a. O., 7. Bd., Tokio 1888. 37 Die Untersuchungen über die Beschäftigtenzahlen der Industrie i n der frühen Meiji-Zeit sind so mangelhaft, daß man darüber nichts Vollständiges sagen kann. Höchst problematisch ist die Frage, ob die o. a. Ziffern zu niedr i g liegen. Eine Schätzung, die ich i m 2. K a p i t e l zitiere, zeigt, daß die Z a h l der i n den Industrien beschäftigten Personen i m Jahre 1880 ungefähr 1,26 M i l l i o nen betragen haben dürfte. Bei dieser Z a h l entfallen auf Industriebetriebe m i t über 5 Beschäftigten etwa 220 000 Beschäftigte. Vgl. S. 78.

1. Kap.: Einflüsse auf die Entstehung des Kapitalismus

53

Da es zur Industrialisierung des damaligen Japan teurer Anlagen, wie z. B. moderner Maschinenparks, bedurfte, zahlten die Unternehmer nur sehr niedrige Arbeitslöhne, u m diese Anlagen finanzieren zu können. Diese Tatsache prägte einmal das allgemeine Arbeiterproblem Japans, das bis heute nicht gelöst ist, andererseits wurden dadurch die Vorbedingungen zur Entstehung des Kapitalismus in Japan geschaffen. A u f diese Weise wurden nämlich die Modernisierung der sozialen und w i r t schaftlichen Institutionen, die Kapitalbildung, die Entstehung moderner Unternehmungen, die Aufnahme moderner Industrieverfahren, die Beschaffung von Arbeitskräften usw. ungefähr Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts ermöglicht.

Zweites Kapitel

Einflüsse der Finanz- und Geldpolitik auf die Entwicklung des Kapitalismus (1890-1920) Von Kotaro Ikeda I. Vorbemerkung Innerhalb von etwa 20 Jahren nach der Meiji-Restauration entstand in Japan das kapitalistische Wirtschaftssystem. Danach nahm die japanische Wirtschaft einen sehr schnellen Aufschwung. Den Zeitraum von ungefähr 1890 bis 1920 wollen w i r die Aufschwungsperiode des japanischen Kapitalismus nennen, wobei die Jahreszahlen nicht als starre Grenzen zu betrachten sind. Aber viele Ereignisse u m 1890 symbolisierten die Entstehung des Kapitalismus als Sozialsystem. Dadurch, daß 1885 das moderne Kabinettsystem eingeführt, 1889 die Reichsverfassung verkündet und 1890 das Parlament eröffnet wurde, waren einige der politisch-administrativen Grundlagen zur Entstehung des Kapitalismus geschaffen. Weitere — fiskalische — Grundlagen waren die Einführung des modernen öffentlichen Schuldsystems, d. h. die Verkündung von Seiri-Kosai-Jorei (1886), des Einkommensteuersystems (1887)1 und des modernen Rechnungswesens in der Finanzwirtschaft (1890). Die Gründung der Zentralbank (1882) und das neue Silberwährungssystem (1886) erwiesen sich i m finanziellen Sektor als ebenfalls bedeutsam. Besonders zu erwähnen ist die erste Wirtschaftskrise von 1890, die sich aus den finanziellen Schwierigkeiten, die den fieberhaften Spekulationen m i t dem Kapital der Kaufleute folgten, und aus der Reismißernte ergab. Die Krise hatte vorkapitalistischen Charakter. Während die kapitalistische Krise i n der Regel aus der periodischen Ungleichheit zwischen Uberproduktion und Verbrauchsminderung industrieller Produkte entsteht, stellte die Krise von 1890 einerseits die erste der sich periodisch wiederholenden Krisen dar, andererseits war der Bestand an Industriekapital (wie z. B. i n der Spinnereiindustrie usw.) schon relativ hoch, so daß man die erste Krise teils als vorkapitalistische, teils als kapita1 Kotaro Ikeda, The Establishment of the Income T a x i n Japan; Public Finance, 12. Bd., Haarlem 1957.

55

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus

listische ansehen und als bemerkenswertes Ereignis i n der Entstehung des modernen Kapitalismus i n Japan bezeichnen kann. I m Jahre 1920 kam der anhaltende — zusätzlich durch den ersten Weltkrieg begünstigte — Produktionsanstieg zum Stillstand. Daraus ergaben sich viele soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten, die eine lange Stagnation zur Folge hatten und die Regierung zur Änderung ihrer Finanz-, Geld- und Beschäftigungspolitik veranlaßten.

II. Charakteristika der Wirtschaft in der Aufschwungsperiode des Kapitalismus 1. Grundcharakteristika der Wirtschaft in der Aufschwungsperiode des Kapitalismus

a) Die Steigerung der industriellen

Produktion

Innerhalb des Zeitraums von 1890 bis 1920 erhöhte sich das Einkommen des sekundären Bereichs verhältnismäßig stark und machte etwa ein Sechstel bis ein Viertel des gesamten Volkseinkommens aus. Tabelle? zeigt, daß i m Jahre 1890 die industrielle Produktion etwa ein Drittel der Agrarproduktion betrug, i m Jahre 1910 diese überholte und Tabelle 7 Landwirtschaftliche und industrielle Produktion in Japan (in Mill. Yen) Industrie Jahr

Agrar-, Betriebe m i t Forst- u n d mehr als 5 MeeresBewirtschaft schäftigten

Heimindustrie

Preisindex Insgesamt

1880

620

82

76

158

49,5

1890

690

157

71

228

40,6

1900

1,124

602

458

1,060

55,6

1910

1,449

1,048

484

1,532

66,4

1920

5,154

5,869

1,580

7,449

189,4

1930

3,111

6,316

1,631

7,947

91,2

1940

8,618

28,030

2,146

30,176

182,3

Quelle: Yuzo Yamada, Unterlagen zur Schätzung des Volkseinkommens (japanisch), 2. Aufl., Tokio 1956, S. 184 und Kazushi Ohkawa, Wachstumsrate der japanischen Wirtschaft (japanisch), Tokio 1956, S. 118.

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i m Jahre 1920 etwa anderthalbmal so groß war. Während dieses Zeitraums ist die industrielle Produktion selbst etwa u m das Dreißigfache gestiegen, d. h. sie stieg i n diesem Zeitraum schneller als i n der vorangegangenen und der folgenden Periode, auch wenn man die Preissteigerung in diesen Perioden berücksichtigt. b) Besondere Merkmale der Finanz- und Wirtschaftspolitik Zur Entstehung des Kapitalismus innerhalb des Zeitraums von 1868 bis 1890 traf die Regierung die bereits i m vorigen Kapitel angeführten finanz- und geldpolitischen Maßnahmen. Auch i n der anschließenden Aufschwungsperiode des Kapitalismus führte die Regierung weiterhin finanzielle und fiskalische Maßnahmen durch. Ferner wurden die Maßnahmen zur Modernisierung der sozialen und wirtschaftlichen Verfassung, zur Bildung des Sozialkapitals und zur Leitung strategisch wichtiger öffentlicher Betriebe — wenn auch nicht i n so starkem Maße wie vorher — fortgesetzt. Kennzeichnend war, daß die Regierung zum Zweck der industriellen Entwicklung nur allgemeine, mittelbare Hilfe gewährte. M i t h i n kann diese Aufschwungsperiode des Kapitalismus als die eigentlich freie kapitalistische Periode i n der japanischen Wirtschaft angesehen werden. Während einiger Jahre nach der Eröffnung des Parlaments (1890) war die gesellschaftliche Einstellung i n der Tat liberalistisch. Aber die Unerläßlichkeit, die imperialistische Außenpolitik der Großmächte einzudämmen, die alle zehn Jahre ausbrechenden Kriege und der hiermit verbundene allgemeine Finanzbedarf änderten allmählich das B i l d des freien Kapitalismus i n Japan. Diese Elemente waren aber gleichzeitig die Faktoren, die die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft i n Japan beschleunigten und außerdem den Kapitalisten dep. ihnen eigentümlichen Charakter gaben.

2. Eigentümlichkeit und Funktion der Kapitalisten

I n der Frühzeit des japanischen Kapitalismus war das Bankkapital eng mit dem Industriekapital verknüpft, und beide wurden durch die finanzielle und fiskalische Hilfe der Regierung vergrößert. Dieser Zustand war i n der Entwicklungsperiode des Kapitalismus noch wesentlich unverändert. So konnten sich die Unternehmer der Spinnereiindustrie z. B. ohne Rücksicht auf andere Wirtschaftsbereiche für die freie Konkurrenz einsetzen, weil sie für die Entwicklung der Spinnereiindustrie von Vorteil war 2 . Aber u m die eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, 2 Das typische Beispiel dafür ist die Durchsetzung der zollfreien Einfuhr der Rohbaumwolle u n d Ausfuhr von Baumwollgarnen i n den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. Diese Maßnahmen w u r d e n aufgrund der Forderung der Spinnereiunternehmer, die sie ohne Rücksicht auf die Rohbaumwollzüchter

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des K a p i t a l i s m u s 5 7 etwa i m Fall einer Krise, zu überwinden, erwarteten sie die finanzielle und fiskalische Hilfe der Regierung. I m Gegensatz dazu wurde die Entwicklung der Schwerindustrie nicht durch den freien Kapitalismus, sondern vielmehr durch die Kriege und die sog. „teure Regierung" beschleunigt. Das Kapital der Schwerindustrie war sozusagen ein Nutznießer der „teuren Regierung", und wenn eine Unternehmung die Form einer juristischen Person annahm, wurde ihr sogar die Einkommensteuer erlassen. Erst nach der Einkommensteuerreform von 1899 belegte man diese m i t einem niedrigen proportionalen Steuersatz von 2,5 v. H. Jedoch unterlagen ab 1897 viele Unternehmungen der Gewerbesteuer. Es ergab sich so die eigenartige Situation, daß das Programm der sog. „billigen Regierung" (Cheap Government) 3 , welches für das marktwirtschaftliche Prinzip eintrat, von dem zum größten Teil aus Grundbesitzern bestehenden Parlament gefördert wurde, daß aber der Bürger, der eigentlich nach dem „Cheap Government" hätte verlangen sollen, der Nutznießer der „teuren Regierung" war. Ebenso paradox war es auch, daß liberalistisch denkende Wirtschaftswissenschaftler i m damaligen Japan zu finden waren, hingegen überzeugte liberale Unternehmer nicht. Aus dem oben Erwähnten erklärt sich, daß die Wirtschaftsentwicklung i m Japan jener Zeit erstens durch die drei Kriege und den damit wachsenden Finanzbedarf, und zweitens durch die A k t i v i t ä t der Unternehmer bzw. Kapitalisten bestimmt wurde. Diese beiden Antriebskräfte standen in engem Zusammenhang miteinander, und sie ermöglichten die Wirtschaftsentwicklung i n der Aufschwungsperiode des Kapitalismus und bewirkten den ihm eigentümlichen Charakter.

I I I . Die Finanz- und Geldpolitik in der Aufschwungsperiode des Kapitalismus Bei der Betrachtung des Zusammenhanges zwischen der Finanz- und Geldpolitik und der Wirtschaftsentwicklung i n der Aufschwungsperiode müssen folgende Punkte beachtet werden: Es war nicht die Finanz- und die Geldpolitik, sondern die Vergrößerung des Finanzbedarfs, die die entscheidende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung i n dieser Periode spielte. Denn fast alle zehn Jahre führte Japan einen Krieg, so den behaupteten, zum Gesetz. Der A n b a u von Rohbaumwolle w a r ein wichtiger Nebenerwerb vieler Bauern. 3 Die P o l i t i k des „Cheap Government" wurde seit dem A n t r i t t von Finanzminister Matsukata (im Jahre 1881) durchgeführt. Siehe dazu näher S. 58 ff.

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Chinesisch-Japanischen Krieg (1894—1895), den Russisch-Japanischen Krieg (1904—1905) und den Ersten Weltkrieg (1914—1918). Diese Kriege, insbesondere der Chinesisch-Japanische und Russisch-Japanische Krieg brachten für Japan große wirtschaftliche Schwierigkeiten, deren Uberwindung gewaltige finanzielle Mittel erforderte, die sich durch die Aufrüstungspolitik in der Zwischenkriegszeit noch erhöhten. Die Vergrößerung des Finanzbedarfes hatte zwangsläufig entscheidende Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung. Wie die Tabelle 8 zeigt, wurden die Staatsausgaben des Hauptetats während des Zeitraums von 1890 bis 1920 etwa u m das 16,5fache erhöht. Nach jedem dieser Kriege wurden die gleichen finanziellen und fiskalischen Maßnahmen ergriffen.

Tabelle 8 Die öffentlichen Finanzen Japans (in Mill. Yen)

Jahr

Ausgaben des Hauptetats

Einnahmen an G r u n d steuer/Staatssteuer, Stempelsteuer, Staatsmonopolgewinn u. Zöllen (in v. H. der Gesamteinnahmen)

1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940

63,14 82,12 292,75 569,15 1 359,97 1 557,86 5 860,21

76 60 30 18 7 6 0,6

Staatsschuld a m Jahresende

249,33 275,23 518,76 2 780,34 4 066,42 6 842,77 31 002,74

Quellen: Finanzministerium, Die Finanzgeschichte in der Meiji- und Taisho-Zeit (japanisch), 1. Bd., 2. Aufl., Tokio 1955; Finanzministerium, Die Finanzgeschichte in der Showa-Zeit (japanisch), 3. Bd., Tokio 1955.

1. Die Finanz- und Geldpolitik vor dem Chinesisch-Japanischen Krieg

Die Finanzgeschichte von 1890 bis zum Chinesisch-Japanischen Krieg war die Geschichte des „Cheap Government". Das Parlament verlangte von der Regierung die Verminderung der Verwaltungs- und Aufrüstungsausgaben sowie den Aufschub der Gründung eines öffentlichen Eisenwerkes. Als Grundbesitzer leisteten die meisten Parlamentarier sowieso schon hohe Grundsteuerabgaben, die damals die Haupteinnahmequelle des Staates darstellten. Deshalb setzten sie sich gegen

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus eine Mehrbelastung durch diese Steuer zur Wehr, womit sie auch einen gewissen Erfolg hatten. Während des Zeitraums vom Amtsantritt Finanzminister Matsukatas bis zum Chinesisch-Japanischen Krieg führte die Regierung außer einigen Maßnahmen zur Uberwindung der Wirtschaftskrise von 1890 keine besonderen Finanzmaßnahmen zum Zwecke der industriellen Entwicklung durch 4 . Lediglich folgende sind zu erwähnen: Es wurden während dieses Zeitraums weiterhin militärisch wichtige öffentliche Betriebe unterhalten, und zur Bildung des Sozialkapitals gab die Regierung einige Subventionen, z. B. an private Eisenbahngesellschaften und Verschiffungsagenten 5 .

2. Die Finanz- und Geldpolitik während und nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg

Zur Durchführung des Chinesisch-Japanischen Krieges gab die Regierung etwa 200 Millionen Yen aus. Dieser Betrag stellte ungefähr das 2,5fache des damaligen Staatshaushaltes dar. Diese Ausgaben wurden für die Entwicklung der heimischen Rüstungsindustrie, des Schiffswesens und der Werftindustrie nicht voll wirksam, da die Regierung zugleich i n großem Umfang Waffen und Schiffe vom Ausland kaufen mußte. Denn außer einigen öffentlichen Rüstungsbetrieben war die damalige Schwerindustrie noch nicht so hoch entwickelt, daß sie den Kriegsbedarf ausreichend hätte decken können. So stellte der Bedarf an Kriegsmaterial während des Chinesisch-Japanischen Krieges also keinen eigentlichen Antrieb zur raschen Entwicklung der privaten Schwerindustrien dar. Allerdings blühte die Schiffahrt durch das Chartern und den Ankauf ausländischer Schiffe auf. Weiterhin flössen durch den Krieg große Beträge auf den Geldmarkt, die zusammen mit der Kriegsentschädigung Chinas eine wirtschaftliche Blüte in der Nachkriegszeit bewirkten. Es entstand das moderne Wirtschaftssystem auf dem Gebiet des 4 Natürlich gab es einige finanzielle Maßnahmen, die eine Rolle f ü r die E n t w i c k l u n g der japanischen Industrie spielten, z. B. das Bankgesetz, das die Regierung i m Jahre 1893 erließ. Zunächst verbot das Gesetz den Banken, einer Person oder einer Gesellschaft ein Darlehen zu geben, das über ein Zehntel des eingezahlten Bankkapitals hinausging. I m Jahre 1895 wurde der A r t i k e l aufgrund des Widerstandes der Bankiers abgeschafft. Diese besondere V e r bindung zwischen den Banken u n d den industriellen Unternehmungen w a r ein Charakteristikum der Industrialisierung Japans. 5 Es w a r eine internationale Erscheinung, daß auch i n der frühkapitalistischen Epoche die Regierung eine P o l i t i k der Subventionierung privater Eisenbahnbetriebe usw. durchführte. „So ist das Eisenbahnwesen i n den Vereinigten Staaten wesentlich durch die staatlichen u n d kommunalen Unterstützungsmaßregeln (Steuererlaß! Beteiligung an dem A k t i e n - u n d Obligationskapital! Landschenkungen!) zu seiner raschen Entwicklung gelangt." Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus, 3. Bd., München u n d Leipzig 1927, S. 55.

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Leichtindustriesektors und der Textilindustrie. Der Sieg brachte Japan sowohl eine Kriegsentschädigung (etwa 365 Millionen Yen) als auch neues Territorium (z.B. Formosa), so daß der Staat die finanzielle Grundlage für die Ausweitung des Außenhandels, der Industrie, der Aufrüstung und für die Entstehung des Goldwährungssystems schaffen konnte. Der Sieg ermöglichte außerdem die Zollautonomie, so daß Japan fortan seine Schutzzollpolitik durchsetzen konnte. Wie sehr sich die allgemeinen Kriegsmaßnahmen auch noch auf die Nachkriegszeit auswirkten, sollen die nachfolgenden Überlegungen zu einigen politischen Maßnahmen verdeutlichen. a) Die Staatsausgabenpolitik Die Staatsausgaben der Nachkriegszeit betrugen etwa 200 bis 250 M i l lionen Yen, eine Summe, die ungefähr das 2,5- bis 3fache der Beträge der Vorkriegszeit ausmachte. Diese Ausgaben wurden hauptsächlich für die rasche Vergrößerung des Baugewerbes, die Aufrüstung und den Eisenbahnbau der Regierung verwendet. Vor allem waren die Aufrüstungsausgaben für die Industrialisierung wichtig, weil ihre rapide Steigerung sowohl den privaten als auch den öffentlichen Unternehmen des Schiff- und Maschinenbausektors eine rasche Auftragszunahme einbrachte. b) Die Führung der öffentlichen

Betriebe

Außer für den Ausbau der schon bestehenden staatlichen Rüstungsbetriebe gab die Regierung 19,2 Millionen Yen zur Gründung des Yawata-Staatseisenwerkes aus, um auf diese Weise die Entwicklung der Schwerindustrie zu forcieren. Nach seiner Produktionsaufnahme i m Jahre 1901 wurde dieses Werk noch einige Male vergrößert, so daß es schließlich eine so wichtige Rolle für die Entwicklung der gesamten Schwerindustrie spielte, daß man fast sagen könnte, das Steigen und Fallen seiner Produktion habe das A u f und A b der japanischen Eisenund Stahlproduktion bestimmt. c) Die Subventionspolitik Die Subventionspolitik zum Bau und Betrieb privater Eisenbahnen und der privaten Schiffahrt, die bereits vor dem Chinesisch-Japanischen Krieg betrieben wurde, setzte man auch i n der Nachkriegszeit fort, so daß die Subventionsbeträge von Jahr zu Jahr zunahmen. Dabei konzentrierte sich die Vergabe der Seetransportsubventionen auf drei große Reedereien, nämlich die Nihon-Yusen-Kaisha, Osaka-Shosen-Kaisha und Toyo-Kisen-Kaisha, Gesellschaften, die schon damals eine monopolistische Position i n der japanischen Schiffahrt einnahmen.

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus

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Daneben zahlte die Regierung auch anderen Industriezweigen Subventionen. Zum Beispiel führte sie 1898 die Rohseiden-Ausfuhrprämie ein und schaffte 1900 die Rohseiden-Ausfuhrsteuer ab. I m Jahre 1917 wurde das Förderungsgesetz der Eisenindustrie verabschiedet, das für die privaten Eisenwerke eine Produktionsprämie und den Erlaß von Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Einfuhrzöllen vorsah. Die Zahlung von Subventionen konzentrierte sich damit vornehmlich auf die Rüstungsund Exportindustrie. d) Die Zollpolitik Die Zollpolitik der Nachkriegszeit führte zur Abschaffung der Baumwollgarn-Ausfuhrsteuer (1894) und der Rohbaumwoll-Einfuhrsteuer (1896). Bereits i n den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts beseitigte die Regierung die direkten Schutzmaßnahmen für die Spinnereien, denn die privaten Spinnereien waren so hoch entwickelt, daß sie keinen Schutz mehr benötigten. Schließlich hatte der Wert der Baumwollgarnausfuhr den der Einfuhr überschritten (1897). I n den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts verlangten die Spinnereiunternehmer zu ihrem eigenen Vorteil, ohne Rücksicht auf die inländischen Rohbaumwollpflanzer, die Einfuhr guter und billiger Rohbaumwolle. Zugleich war für den Verkauf der rasch zunehmenden Baumwollproduktion der ausländische, insbesondere der asiatische Markt erforderlich. Eine andere Maßnahme war der Erlaß der Zollgesetze (1899), womit Japan allerdings noch nicht den anderen Ländern gleichgestellt war, so daß m i t dieser Maßnahme Japans „infant industry" zunächst vor der Gefahr des Eindringens hochentwickelter ausländischer Industrieprodukte geschützt wurde und zugleich zu niedrigem Preis jene Maschinen einführen konnte, die die Grundlage für die industrielle Entwicklung bildeten. Diese Gesetze wurden wiederum i m Jahre 1906 und 1911 revidiert, so daß sich Japan damit die Möglichkeit bot, die Schutzzollpolitik i n gleicher Stellung mit dem Ausland durchzuführen. e) Die staatliche Kreditpolitik Zur Finanzierung des Chinesisch-Japanischen Krieges nahm die Regierung öffentliche Kredite auf und begann fortan eine aktive Finanzpolit i k zu betreiben. Diese Tendenz setzte sich auch nach dem Kriege fort, von Eisenbahnen und der Einrichtungen des Nachrichtenwesens gezwungen sah, ausländische und inländische Kredite aufzunehmen. Nach dem Russisch-Japanischen Krieg stieg die öffentliche Verschuldung außerdem infolge des Aufkaufs privater Eisenbahnen sowie der Konvertierung der hochverzinslichen Schuld. Während dann i m Verlauf des Ersten Weltkrieges sogar ausländische Anleihen i n Japan gezeichnet wurden und

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die Regierung ihre ausländischen Schulden z.T. tilgte, sah man sich schon bald nach Beendigung des Weltkrieges gezwungen, zur wirtschaftlichen Ankurbelung wieder Kredite aufzunehmen. Insgesamt vergrößerten sich die nicht getilgten Staatsschulden zwischen 1890 und 1920 von 275 Millionen Yen auf 4,066 Milliarden Yen, d. h. der Betrag verfünfzehnfachte sich (siehe Tabelle 8). f) Die Entstehung des Goldwährungssystems Das Goldwährungssystem, das erst durch die von China zu zahlende Kriegsentschädigung für Japan möglich war, hatte folgende langfristige Wirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung: Erstens brachte es die allgemeine Stabilisierung der Inlands- und Einfuhrpreise, zweitens die Einfuhr ausländischen Kapitals, so daß sich der japanische Kapitalmarkt eng mit dem ausländischen verknüpfen konnte, und drittens die Ausweitung und Stabilisierung des Außenhandels, da damals zwei Drittel des Exportes i n Goldwährungsländer erfolgten. g) Die Errichtung von Spezialbanken I m Entstehungsprozeß des Kapitalismus waren viele Handelsbanken entstanden, aber erst nach dem Kriege wurden jene Banken gegründet, deren Zweck die direkte Förderung von Industrie und Landwirtschaft war, wie die Hypothekenbank von Japan (deren Eröffnung im Jahre 1897 erfolgte), die Landwirtschafts- und Industriebank i n jeder Präfektur (1898—1900) sowie die Industriebank von Japan (1902). Wenn auch einige Unternehmer und Privatleute die Einrichtung dieser Spezialbanken schon früher für notwendig hielten, so wurden sie dennoch erst durch die Regierung gegründet. Sie dienten nach europäischem Muster der Förderung der Landwirtschaft und Industrie, vornehmlich der Großindustrie, so daß i n moderner Form hier die Kreditvergabe zum „Aufschwung der Industrien" der frühen Meiji-Zeit wieder auflebte. Die Hypothekenbank gab sowohl den Industriekapitalisten und Großgrundbesitzern als auch den kommunalen Verbänden hohe Darlehen mit langfristigen Rückzahlungsfristen und niedrigem Zinsfuß, die mit Sicherheiten aus vorhandenen Immobilien garantiert wurden. Weiter trug sie u. a. 1898 zur Überwindung der zweiten Wirtschaftskrise der Spinnereien von Osaka bei. Aber seit Anfang des 20. Jahrhunderts ging ihre Bedeutung als Finanzierungsorgan zum Zweck des „Aufschwungs der Industrien" zurück. Die Industriebank dagegen gewährte zinsgünstige Darlehen für Pfänder des beweglichen Vermögens m i t langfristiger Rückzahlungsmöglichkeit. Außerdem spielte sie als Importeur ausländischen Kapitals, von

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus

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dem sie 44 Prozent wieder ausführte, eine große Holle. Von der Jahrhundertwende ab fungierte sie als Zentralorgan der Obligationsausgabe der Körperschaften. Dadurch beherrschte die Industriebank allmählich die Unternehmungen, deren Obligationen durch sie vertrieben wurden. Die Regierung schuf auch andere spezielle Banken, aber die beiden oben angeführten waren in jeder Hinsicht die wichtigsten. Der Rechtsform nach waren beide selbständige Aktiengesellschaften, dennoch führte die Regierung, insbesondere das Finanzministerium, eine ziemlich strenge Aufsicht über alle Bankgeschäfte; z. B. konnte die Regierung den Präsidenten und Vizepräsidenten der Bank ernennen, den Darlehnszweck bestimmen und anderes mehr. Andererseits garantierte sie den Banken ihre Dividende und erlaubte die Ausgabe eigener Aktien. Beide waren riesige privilegierte Banken m i t einem Nominalkapital von 10 Millionen Yen.

3. Die Finanz- und Geldpolitik während und nach dem Russisch- Japanischen Krieg

A u f die Blüte der japanischen Wirtschaft i m Anschluß an den Chinesisch-Japanischen Krieg folgte eine Depression, die m i t dem Ausbruch des Russisch-Japanischen Krieges endete. Zur Durchführung dieses Krieges gab die Regierung etwa 1,8 Milliarden Yen aus. Dieser Betrag stellte das 8,5fache des Finanzbedarfs des Chinesisch-Japanischen Krieges dar. Natürlich förderte der riesige Finanzbedarf die Entwicklung der Schwerindustrie und der Schiffahrt. Es entstand das moderne kapitalistische System in der Schwerindustrie, obwohl der Bereich der öffentlichen Betriebe dort nach wie vor erheblich war. Außer der Schwerindustrie konnten sich auch einige Leichtindustrien, wie z. B. Wollwebereien, durch den großen Militärkleidungsbedarf entwickeln. M i t dem Sieg Japans über Rußland begann eine neue Periode der Finanz- und Geldpolitik, die die Entwicklung der Industrie beschleunigte. Der Finanzbedarf der Nachkriegszeit verdoppelte und verdreifachte sich. So belief sich z. B. der Hauptetat i m Jahre 1903 auf 249 Millionen Yen und i m Jahre 1907 auf 602 Millionen Yen. Die Erhöhung der Ausgaben für die Aufrüstung, den Eisenbahnkauf, den Eisenbahnbau usw. steigerte die Nachfrage nach inländischen Schwerindustrieprodukten. a) Der Kapitalimport

und -export

Seit 1899 nahm die Regierung einige Male zum Zweck der Deckung des Militär- und Industriebedarfs Kredite i m Ausland auf. Außerdem wurde das ausländische Kapital in Form von Kommunalschuldverschreibungen, Obligationen und direkten Investitionen eingeführt. Die

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Kotaro Ikeda

Summe des ausländischen Kapitals stieg von 140 Millionen Yen (1900) auf 1,78 Milliarden Yen (1910). Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges übernahm die Regierung m i t Privaten zusammen englische, französische und russische Staatsschulden (insges. etwa 640 Millionen Yen). Außerdem gab die Regierung zum Ankauf öffentlicher Schulden dieser Länder etwa 133,9 Millionen Yen aus. Schließlich konnte sie etwa 292 Millionen Yen der öffentlichen ausländischen Schulden tilgen. Vom Anfang des 20. Jahrhunderts an führte Japan bereits Kapital nach China, Korea und der Mandschurei aus. Dabei standen Investitionen i n der Spinnereiindustrie und der Eisen- und Stahlindustrie an der Spitze. Aber erst nach dem Russisch-Japanischen Krieg begann die starke Ausweitung der Kapitalausfuhr. I n diesem Zusammenhang war die Gründung der Süd-Mandschurei-Eisenbahn-Aktiengesellschaft (1906), die ein Grundkapital von 200 Millionen Yen besaß, die wichtigste Maßnahme. Die Regierung legte in ihr einen Teil ihres Kapitals an und garantierte die Dividende und den Nennwert der Obligationen. Der Betrag der japanischen Investitionen i n China belief sich bis zum Ersten Weltkrieg nur auf 121 Millionen Yen und war somit viel geringer als der der europäischen Länder. Aber vom Ausbruch des Krieges bis Ende 1918 w u r den Darlehen von 270 Millionen Yen m i t China vereinbart. Davon übernahm die Regierung etwa 172 Millionen Yen. Daraus ergab sich, daß Japan einerseits viel ausländisches Kapital einführte, zugleich aber auch viel eigenes Kapital ausführte. U m die Industrialisierung zu beschleunigen, mußte Japan für den I m port ausländischen Kapitals sorgen. Andererseits mußte es, u m sein Wirtschaftswachstum gegenüber dem Druck der Großmächte zu erhalten, ausländische Märkte erobern und inländisches Kapital ausführen. Die Kapitalausfuhr i n damaliger Zeit stellte somit nicht die Ausfuhr überschüsssigen Kapitals auf Handelsbasis, sondern wurde aus politischen Erwägungen durch halb private, halb öffentliche Organe vermittelt. b) Wachsender Einfluß der Privatbanken M i t der Errichtung der Spezialbanken während des letzten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts wurde die Modernisierung des Geldwesens fast vollendet. I m Jahre 1896 setzte die Regierung die Bankvereinigungsgesetze in K r a f t und betrieb eine Konzentrationspolitik, die zur Vergrößerung und Leistungssteigerung der Banken entscheidend beitrug. Vor allem nach der dritten Wirtschaftskrise von 1901 traten die Banken i n den Konzentrationsprozeß ein; die Zahl der Banken wurde allmählich durch Konkurse, Fusionen usw. vermindert. Gleichzeitig schwoll der Betrag an eingezahltem Kapital, an Darlehen und Depositen

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus

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an. Die Konsolidierung der mittleren und kleinen Banken bedeutete für die großen Banken eine Vergrößerung der Macht. Die positive Staatsschuldenpolitik, die die Regierung seit der Jahrhundertwende wieder aufnahm, benötigte die Hilfe der großen Bankiers. Bisher waren nur Bürokraten oder Politiker Träger der W i r t schaftspolitik, jetzt konnten auch einige private Unternehmer, vor allem die großen Bankiers und Zaibatsu (Finanzclique), die Wirtschaftspolitik beeinflussen. Sie waren sowohl die Träger der wirtschaftlichen A k t i v i t ä t als auch der Wirtschaftspolitik, obwohl ihre Macht auf diesem Gebiet noch ziemlich begrenzt war. Bei der Durchführung des Russisch-Japanischen Krieges bat die Regierung die privaten Bankinstitute u m ihre Hilfe. A b 1908 unterrichtete die Regierung, entgegen der Tradition und dem Prinzip der Demokratie, zuerst die großen Bankiers über ihren Haushaltsplan. Dieses sind nur einige der Erscheinungen, die die wachsende Macht des Finanzkapitals symbolisierten. 4. Die Finanz- und Geldpolitik während und nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Russisch-Japanischen Krieg erfuhr die japanische W i r t schaft zuerst einen Aufschwung, dann kam die Wirtschaftskrise von 1907 und 1908, danach die Stagnation. Außenwirtschaftlich wurde die Devisenreserve durch die jährlichen großen Einfuhrüberschüsse und Zinszahlungen für ausländische öffentliche Schulden aufgezehrt. Innenwirtschaftlich l i t t die japanische Wirtschaft seit 1912 an einer fortdauernden Depression. I n dieser Stagnationsphase brach der Erste Weltkrieg aus. Für die Entwicklung der japanischen Wirtschaft bot der Erste Weltkrieg die Möglichkeit, während der Kriegszeit ohne Konkurrenz japanische Güter i n die Entwicklungsländer auszuführen, deren Märkte bis zum Ausbruch des Krieges durch die europäischen Länder beherrscht wurden. Japan konnte sogar Kriegsmaterial i n die europäischen Länder ausführen, was natürlich nicht vorauszusehen gewesen war. Durch die Exportausweitung wurde die Entwicklung der Rüstungs- und Ausfuhrindustrie direkt beschleunigt. Die einheimische Produktion von Waren, deren Einfuhr wegen des Krieges beschränkt war, wie z.B. Medikamente oder Chemikalien, nahm erheblich zu. A u f diese Weise überwand Japan seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten und erreichte die Weiterentwicklung der Industrien. Gleichzeitig wurden wiederum eine Ausdehnung der Ausgabe von Zahlungsmitteln und Preissteigerungen verursacht. Welche Rolle spielte nun die Finanz- und Geldpolitik für die industrielle Entwicklung jener Epoche? Zur Durchführung des Krieges und 5

Ikeda-Kato-Taiyoji

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zur Entsendung der Truppen nach Sibirien gab die Regierung etwa 1,553 Milliarden Yen aus. Außerdem erweiterten sich die Staatsausgaben des Hauptetats während des Zeitraums von 1914 bis 1920 von etwa 648 Millionen Yen auf 1,359 Milliarden Yen. I m Jahre 1919 betrugen die Militärausgaben etwa 48 v. H. und 1920 etwa 49 v. H. der Staatsausgaben des Hauptetats. Vom Jahre 1916 ab wurde der Zusammenschluß der Banken beschleunigt. Wie die Tabelle 9 zeigt, wurde die Zahl der Banken ständig vermindert, während die Kredite und Einlagen sich beträchtlich erhöhten. I n dieser Periode wurden oft Kapitalerhöhungen der Banken durchgeführt. Die Ursache für die Vergrößerung der einzelnen Banken bestand darin, daß das Wachstum des Kreditangebotes durch die Exportausweitung und das rasche Wachstum der Schwerindustrien benötigt wurde. Gleichzeitig aber schuf dieses Wirtschaftswachstum erst die Voraussetzung für die Vergrößerung des Kreditangebotes der Banken.

Tabelle 9 Die Entwicklung der Banken in Japan

Jahr

EingeZ a h l der zahltes Haupt- Kapital banken (B) (A)

Einlagen Darlehen (D) (C)

B/A

i n M i l l . Yen

C/A

D/A

i n M i l l . Yen

1900

2 272

341,92

611,49

992,24

0,150

0,269

0,436

1910

2144

495,71

1928,71

1 909,43

0,231

0,899

0,890

1920

2 039

1 627,87

9 831,92

9 739,67

0,798

4,821

4,776

Quelle: Toyo Keizai, Statistischer Überblick über den Zustand Japans in der Meiji-Zeit (japanisch), Tokio 1927, S. 8 f.

Die Banken wuchsen nicht alle i n gleichem Maße. Die Vergrößerung der Zaibatsu-Banken, wie z. B. der Mitsui-Bank, der Ersten-Bank, der Fünfzehnten-Bank, der Sumitomo-Bank, der Mitsubishi-Bank und der Yasuda-Bank, sowie das Wachstum der Spezialbanken lagen weit über dem Durchschnitt. I m Jahre 1900 entfielen auf die oben erwähnten sechs großen Banken etwa 20 v. H. der Einlagen aller Handelsbanken und 13 v. H. der Darlehen; aber bis zum Jahre 1920 erhöhten sich diese Ziffern auf etwa 32 v. H. (Einlagen) und 28 v. H. (Darlehen). Das Kreditvolumen dieser sechs Banken betrug m i t dem der Industrie- und Hypothekenbank i m Jahr 1920 etwa 24 v. H. der Kredite aller Banken.

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus

67

IV. Die Industrialisierung in der Aufschwungsperiode des Kapitalismus 1. Der Zustand der Industrien i m Jahre 1890

Aus Tabelle 10 ist zu ersehen, daß sich der Banken- und Transportsektor stärker entwickelte als der Industriesektor. Die Meiji-Regierung betrieb nämlich zum Zwecke der industriellen Entwicklung des Landes vorrangig eine Politik zur Modernisierung der Verkehrsträger und der Banken. Diese Politik wurde von der Erkenntnis getragen, daß erst durch ein hochentwickeltes Verkehrs- und Geldwesen die Ausweitung und Verbilligung der industriellen Produktion möglich wird®. Tabelle 10 Das Kapital der Wirtschaftssektoren in Japan im Jahre 1890 (in Mill. Yen) Wirtschaftssektor

Kapital

Landwirtschaft

8,22

Industrie

77,52

Handel

36,08

Verkehr

103,63

Banken

88,72

Quelle: Bericht einer Untersuchungskommission Tokio 1895.

über die Geldverfassung

(japanisch),

2. Der Industrialisierungsprozeß von 1890 bis 1920

a) Die Entwicklung

des Transportsektors

Das Verkehrssystem stellt einen wesentlichen Impuls für die industrielle Entwicklung dar. Nach Voigt 7, der sich ausführlich m i t diesen Problemen auseinandergesetzt hat, lassen sich die Beziehungen zwischen industrieller Entwicklung und Verkehr i n folgenden Punkten zusammenfassen: 6

Ausführlich hat sich Voigt m i t diesen Problemen i n verschiedenen theoretischen Analysen auseinandergesetzt. Vgl. dazu Fritz Voigt, Der v o l k s w i r t schaftliche Sparprozeß, B e r l i n 1950, sowie derselbe, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrssystems, B e r l i n 1960; derselbe, Verkehr, Bd. 2: Die Entwicklung des Verkehrssystems, B e r l i n 1965. 7 Vgl. Fritz Voigt, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrssystems, B e r l i n 1960. 5*

68

Kotaro Ikeda

1. Das Verkehrssystem ist i n der Lage, wirtschaftliche Entwicklungsprozesse nach Maßstäben zu gestalten, die aus seiner Struktur erwachsen, vor allem als Ergebnis seiner fast von Platz zu Platz unterschiedlichen Qualität. Es ist sogar fähig, sich selbst nährende Industrialisierungsprozesse zu induzieren, es kann aber auch Entwicklungsvorgänge abrupt beenden oder räumlich begrenzen. 2. Das Verkehrssystem ist nicht fähig, einen Gesamtraum gleichmäßig zu begünstigen oder auch nur überall gleichmäßige Entwicklungsprozesse zu ermöglichen. Seine wichtigsten volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind die Differenzierungseffekte. 3. Jede Auswirkung eines aus irgendwelchen Gründen erfolgten Wachstumsimpulses, so z. B. die Folgen einer autonomen Nettoinvestition, breiten sich nicht, wie i n vielen Modellen der theoretischen Nationalökonomie angenommen wurde, gleichmäßig über einen Kaum hinweg aus, sondern werden i n ihrer räumlichen Verteilung i n charakteristischer Weise durch die unterschiedlichen Qualitäten des Verkehrssystems geprägt. 4. Die für eine marktwirtschaftliche Entwicklung wichtigste Größe, der Ertragswert der Investition, „bildet sich i m Zeitablauf nicht gleichmäßig über einen ganzen Raum hinweg, sondern erreicht das für die Vornahme der Investitionen entscheidend wichtige Maximum vorwiegend immer wieder i n vom Verkehrssystem begünstigten Plätzen. Hier sind die Bedingungen für den technischen Fortschritt optimal gegeben, hier ist in der Regel der beste Marktkontakt" 8 . Der Umfang und die Intensität, mit denen ein neues oder verbessertes Verkehrsmittel i n einer bestimmten wirtschaftlichen Situation Entwicklungsprozesse auslöst, hängen neben anderen Bestimmungsgründen maßgebend vom jeweils erreichten Grad der Vollkommenheit des Verkehrsmittels ab. Den Grad der Vollkommenheit eines Verkehrsmittels wie auch eines Verkehrssystems mißt Voigt an den Ebenen der Verkehrswertigkeit. Verkehrswertigkeit ist hierbei der „Parameter der Gesamtqualität, Leistungsfähigkeit eines Verkehrsmittels oder Verkehrssystems". Hinter diesem abstrakt allgemeinen Parameter „Verkehrswertigkeit" verbirgt sich eine Vielzahl von Teilwertigkeiten. Es sind dies (1) Schnelligkeit, (2) Massenleistungsfähigkeit, (3) Sicherheit, (4) Netzbildungsfähigkeit, (5) Berechenbarkeit, (6) Bequemlichkeit und (7) Fähigkeit zur Anpassung an den Verkehrsbedarf 0 . 8 Vgl. Fritz Voigt, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrssystems, a. a. O., S. 90 ff. 9 Vgl. Fritz Voigt, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrssystems, a. a. O., S. 36 ff.

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus

69

Die Entwicklung des Verkehrswesens durch Verbesserung der Ebenen der Verkehrswertigkeit führt über damit verbundene Einkommens- und Kapazitätseffekte, Induktions- und Akzeleratorwirkungen und deren ungleiche räumliche Streuung zu wirtschaftlichen Wachstumsprozessen. Sie stellt damit eine Grundvoraussetzung für die industrielle Entwicklung eines Landes dar. I n Japan stellte sich die Entwicklung des Transportsektors, vor allem der Eisenbahn und des Seeverkehrs, deren Auf- und Ausbau hier noch aufgrund militärischer Bedeutung forciert wurde, i n folgender Weise dar. Tabelle 11 Die Streckenlänge der japanischen Eisenbahnen (in Meilen; 1 Meile = 1609,34 m) a) ohne Korea, Formosa und \

Träger

Jahr

Staat (A)

Kommune (B)

Privat (C)

Insgesamt (D=A+B+C)

1890

551

1698

2 249

1900

952

3 855

4 807

1910

4 869

232

5 354

10 455

1920

6 480

1994

8 475

16 949

b) einschließlich X.

Mandschurei

Gebiet

Jahr

derzeitiges Japan (D)

Korea, Formosa und Mandschurei Korea (E)

Formosa (F)

Mandschurei (G)

Insgesamt (E+F+G+D) 2 249

1890

2 249

1900

4807

1910

10 455

675

291

717

12 138

1920

16 949

1157

444

686

19 236

4 898

91

Quelle: Toyo Keizal, Statistischer Uberblick über den Zustand Japans in der Meijiund Taisho-Zeit (japanisch), Tokio 1927, S. 619 f.

Wie die Tabelle 11 zeigt, wurde der Bau der Haupteisenbahnlinie i n den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts vollendet. I m Jahre 1906 wurde die Eisenbahn verstaatlicht. Die Staatsmonopolisierung der Eisenbahn

Kotaro Ikeda

70

hatte sowohl eine schnelle Vergrößerung der Transportkapazität als auch eine Verbilligung der Transportkosten zur Folge. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts konnte Japan Lokomotiven, Personen- und Güterwagen i n eigener Produktion herstellen. I m Jahre 1920 besaßen die Staatseisenbahn und die privaten Eisenbahnen ein Schienennetz von insgesamt 10 762 Meilen Länge, und die Zahl der Beschäftigten belief sich auf 184 000 Personen (davon etwa 166 000 Personen Staatseisenbahnbeschäftigte). Schon i n den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts war Japan eine der großen Seefahrtnationen m i t großer Überseetonnage. Wegen des Russisch-Japanischen Krieges nahm sein Schiffsbestand rasch zu, begünstigt durch die schnelle Entwicklung der japanischen Werfttechnik. Die Vergrößerung der Handelsflotte bewirkte ein Ansteigen des Anteils der japanischen Schiffe am Uberseetransport. Die Entwicklung von Schiffbau und Schiffahrt gingen i n Japan unaufhörlich weiter. Die Deviseneinnahme durch den Einsatz der starken Handelsflotte war beträchtlich. Tabelle 12 zeigt die Entwicklung des Schiffsbestandes i n Japan. I m Jahre 1914 stand Japan an sechster Stelle der Welthandelsflotte, 1919 schon an vierter Position. Tabelle 12 Zahl und Größe der in Japan registrierten Schiffe Jahr

Zahl

1890

586

93 812

1900

1829

543 366

1910

2 545

1 233 909

1920

5 810

3 047 498

Größe i n B R T

Quelle: Toyo Keizai, Statistischer Überblick über den Zustand Japans in der Meijiund Taisho-Zeit (japanisch), Tokio 1927, S. 627.

b) Die Entwicklung

der Leichtindustrie

I m letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts standen die Leichtindustrien i m Mittelpunkt der industriellen Entwicklung, und m i t dem Chinesisch-Japanischen Krieg entstand das moderne Leichtindustriesystem Japans. Vom Anfang dieses Jahrhunderts entwickelten sich die Leichtindustrien weiter, und nach dem Russisch-Japanischen Krieg wurde auch die Entwicklung der Schwerindustrie i n Japan gefördert. Der Erste Weltkrieg brachte sowohl für die Leicht- als auch für die Schwerindustrie einen starken Aufstieg. I n dieser Periode war die Wachstumsrate der Schwerindustrieprodukte höher als die der Leichtindustrieprodukte,

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus

71

aber das Produktionsergebnis der gesamten Leichtindustrie höher als das der Schwerindustrie. I n der Regel entwickelt sich die Leichtindustrie früher als die Schwerindustrie, da für sie keine so hochentwickelte Industrietechnik und kein so großes Kapital wie für die Schwerindustrie erforderlich ist. Für Japan spielte daneben eine besondere Rolle, daß es m i t den europäischen Industrieländern einen schweren Konkurrenzkampf u m seine Industrialisierung führen mußte. Dabei besaß es nur ein Kampfmittel, nämlich den niedrigen Lohn. Die Leichtindustrien sind weniger kapitalintensiv, also besonders arbeitsintensiv, so daß der niedrige Arbeitslohn sehr viel ausschlaggebender für die Entwicklung der Leicht- als für die der Schwerindustrien ist. Aus diesen Gründen ging i n Japan nur die Entwicklung der Leichtindustrie voran, während die der Schwerindustrie verhältnismäßig zurückblieb. Diese positive Entwicklung der Leichtindustrie zeigte sich insbesondere i n der Textil-, Zucker- und Papierindustrie, die als typische Leichtindustrien anzusehen sind. I m Jahre 1882 war schon eine A r t Spinnerei-Kartell entstanden, das jede große Spinnerei kontrollierte und i n der Wirtschaftskrise die Unternehmungen durch Verkürzung der Arbeitszeit vor dem Konkurs rettete. M i t der Gründung der Osaka-Spinnerei 1883 jedoch entwickelte sich die japanische Spinnereiindustrie als erste zu einer modernen Großindustrie. Vom Jahre 1890 ab bis 1900 hatte sich i n den Spinnereien die Zahl der Spindeln vervierfacht und die Produktion von Baumwollgarnen versechsfacht. Auch nach der Jahrhundertwende wurde die Entwicklung der Baumwollindustrie fortgesetzt. Von 1900 bis 1910 stieg die Baumwollgarnproduktion auf das l,7fache. Das Schwergewicht von Produktion und Ausfuhr wurde allmählich von der Herstellung starker Garne auf die feiner Garne verlegt, d. h. die Qualität der Produkte wurde verbessert. Die Konzentration des Kapitals, die zuerst durch die Krise nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg entstanden war, stieg nach dem Russisch-Japanischen Krieg weiter an. Während des Zeitraums von 1900 bis 1910 verminderte sich die Zahl der Spinnereigesellschaften auf die Hälfte. Die Konzentration der großen Spinnereigesellschaften i m Baumwollindustriebereich schritt stetig fort. I m Jahre 1913 besaßen die sieben größten Gesellschaften 57,7 v. H. des eingezahlten Kapitals und 58,7 v. H. der Spindeln der i m Spinnerei-Kartell zusammengeschlossenen 44 Gesellschaften 10 . 10 Mitsuhaya Kajinishi, Die Geschichte der E n t w i c k l u n g des Kapitalismus i n Japan (japanisch), 1. Bd., Tokio 1954, S. 285.

72

Kotaro Ikeda

Nach dem Russisch-Japanischen Krieg errangen japanische Baumwollgarne auf dem asiatischen, insbesondere chinesischen Markt, die beherrschende Stellung, die vorher indische Baumwollgarne innegehabt hatten, und eroberten bis 1920 sowohl den chinesischen als auch den südostasiatischen Markt. Damit zugleich errichteten und betrieben japanische Spinnereiunternehmer einige Spinnereien in China selbst. Dadurch, daß das Kapital i n der Baumwollweberei angelegt wurde, erfuhr die Spinnereiindustrie i n den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts eine schnelle Entwicklung. Ihre Ausfuhrrate stieg rasch. Die Entwicklung der modernen Baumwollweberei wurde auch durch die erhöhte Nachfrage nach Uniformen garantiert. Zu beachten ist dabei, daß es auf diesem Gebiet auch viele Kleinstbetriebe gab. I n diesem Punkt bestand ein gewaltiger Unterschied zwischen Baumwollspinnereien und «Webereien. Die Rohseidenproduktion wurde durch die Errichtung und Entwicklung der mechanischen Apparaturen rasch vergrößert. Seit der Zeit des Chinesisch-Japanischen Krieges entfielen auf die Rohseidenherstellung m i t maschinellen Haspeln mehr als die Hälfte der gesamten Produktion, da i n dieser Zeit einige große mechanische Haspeleien, wie Katakura (1895) und Gunze (1896), ihre Arbeit aufnahmen. Die Ausdehnung ihrer Produktion hielt i n der folgenden Zeit an, wobei der Hauptteil der Vergrößerung auf der Herstellung m i t mechanischen Haspeln beruhte. Auch hier bestanden i m damaligen Japan i n der Rohseidenherstellung viele Kleinbetriebe, die diese Produktion als landwirtschaftlichen Nebenerwerb betrieben, die ihre Bedeutung aber allmählich verloren. Die Zuckerproduktion m i t modernen Methoden wurde i m Jahre 1895 m i t der Gründung der beiden großen Gesellschaften Nihon-Seito-Kaisha und Nihon-Seiseito-Kaisha ermöglicht. Nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg entwickelte sich die Rohrzuckerindustrie auf Formosa, mit der eine Zuckerindustrie entstand, deren Herstellungsprozeß vom Rohstoff bis zur raffinierten Ware reichte. Durch die Entwicklung dieser modernen Zuckerindustrie wurde die traditionelle inländische ganz ausgelöscht. Schon in den 80er Jahren entstanden i n Japan einige Mammut-Papierindustrie-Unternehmungen, wie z.B. Ohji-Seishi-Kaisha, Fuji-SeishiKaisha usw. Zu Beginn der 90er Jahre war die Steigerung der Produktion europäischen Papiers erheblich. Nach dem Jahre 1896 konnte Japan Papier nach China ausführen, obwohl die Ausfuhr noch wesentlich geringer war als die Einfuhr. Nach der Jahrhundertwende schritt die Monopolisierung der großen Gesellschaften i n der Papierindustrie weiter fort, und i m Jahre 1901 wurde ein gemeinsames Verkaufsorgan geschaffen.

2. Kap.: Bedeutung i n der Entwicklungsphase des Kapitalismus

c) Die Entwicklung

73

der Schwerindustrie

Das Kamaishi-Eisenwerk und staatliche Rüstungsbetriebe verdrängten die traditionelle Eisen- und Stahlherstellung und bildeten die Grundlage für die Entstehung der japanischen Eisen- und Stahlindustrie. Aber schon vor der Gründung des Yawata-Staatseisenwerkes war die Wichtigkeit der Produktion von Eisen und Stahl als Grundlage für alle Schwerindustrien anerkannt, so daß seit etwa 1891 wiederholt die Einrichtung eines Staatseisenwerkes geplant wurde. „ A Japanese iron and steel industry had been launched i n 1901 when the government owned Yawata Iron Works commenced Operations11." Nach dieser Zeit vergrößerte sich die Eisen- und Stahlproduktion sehr schnell. I m Jahre 1920 produzierte Japan 521 000 Tonnen Roheisen und 452 000 Tonnen Stahl, d. h. daß seine Produktion an Roheisen etwa 22mal, an Stahl etwa 450mal so groß war wie vor 20 Jahren. Der Anteil des Yawata-Staatseisenwerkes an der gesamten Produktion betrug etwa 47 v. H. Roheisen und 64 v. H. Stahl. Jedoch deckte die japanische Eisen- und Stahlindustrie nur 57,9 v. H. des Roheisen- und 32,8 v. H. des Stahlbedarfs, da die Nachfrage erheblich stieg. Zwischen 1910 und 1920 nahmen einige private große Gesellschaften ihre Produktion speziellen Stahls auf, wie z.B. das iViTion-Stahlwerk (1911), Nihon-Stahlrohr-Kaisha (1913) usw. I n diesen Jahrzehnten wurde sowohl die Kapitalausfuhr als auch der Aufbau von japanischen Eisenwerken i m Ausland, wie oben schon erwähnt wurde, verwirklicht. I n den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es i n Japan keinen großen privaten metallverarbeitenden Industriebetrieb. Aber die Schiffbauindustrie und die Herstellung von Lokomotiven und Wagen für die Eisenbahn entwickelten sich schneller als andere metallverarbeitende Industrien. Einige große private Werften, wie z. B. die Nagasaki-Werft, KaiuasaJci-Werft usw., stellten damals sowohl Schiffe und Eisenbahnfahrzeuge als auch Bergbaumaschinen und Brücken her. Auch zu Anfang des 20. Jahrhunderts behaupteten die öffentlichen Betriebe ihre vorherrschende Stellung i n den Schwerindustrien. I n dieser Zeit erfuhr die metallverarbeitende Industrie eine bedeutende Ausdehnung, da m i t dem Russisch-Japanischen Krieg die Regierung große Mengen an Kriegsmaterial sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Betrieben bestellte. Die japanische Schiffsbautechnik erreichte damit das höchste Niveau i n der Welt. Seit dieser Zeit liefen in Japan die ausländischen Aufträge zum Bau von Handelsschiffen ein. Die japanische Werftindustrie deckte etwa 31 v. H. (während des Zeitraums von 1896 11 William 1954, S. 24.

W. Lockwood,

The Economic Development of Japan, Princeton

74

Kotaro Ikeda

bis 1900) und 60 v . H . (1906—1915) der eigenen Nachfrage nach Schiffen. Auch die Maschinenherstellung i n den Werften entwickelte sich. Einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg wurde Japan i n der Produktion von Eisenbahnfahrzeugen autark. Auch entwickelten sich sowohl die Wasserkraftwerke als auch große Elektrounternehmungen, wie z.B. die M i t subishi-Denki, sehr schnell. Die neuen weltwirtschaftlichen Verhältnisse, m i t denen Japan bei Eint r i t t i n den Ersten Weltkrieg konfrontiert wurde, gaben seiner metallverarbeitenden Industrie Impulse zu schneller Entwicklung. Die durch den Krieg entstandene Stockung der Maschineneinfuhr aus Europa beschleunigte die Eigenproduktion. Außerdem konnten Maschinen nach Rußland und England ausgeführt werden. Das gleiche trifft für die Eisenbahnfahrzeugproduktion zu. Seit 1916 übertraf der Schiffsexport den Import auf diesem Gebiet. Die Tabelle 13 zeigt die Entwicklung der Werftindustrie i n dieser Periode.

Tabelle 13 Entwicklung des japanischen Schiffbaus sowie des Imports und Exports von Schiffen nach Anzahl (in Stück) und Größe (in BRT) von 1890 bis 1920 Bau Jahr

Zahl (A)

BRT (B)

Import

B/A

Zahl (C)

BRT (D)

Export

C/D

Zahl IE)

BRT (F)

E/F

1890

30

4 291

143

10

8 324

832

1900

53

15 308

288

13

28 492

2191

1910

71

35 644

502

20

40 268

2 013

4

3 217

804

1920

228

486 515

2133

6

20 544

3 424

71

241 281

3 398

12

1472

122

Quelle: Toyo Keizai, Statistischer Überblick über den Zustand Japans in der Meijiund Taisho-Zelt (japanisch), Tokio 1927, S. 628.

Ein Wirtschaftszweig, der sich relativ spät entwickelte, war die chemische Industrie. Erst m i t dem Russisch-Japanischen Krieg wurde die Grundlage für diese Branche gelegt und m i t dem Ersten Weltkrieg, der die Einfuhrstockung der chemischen Produkte brachte, erfuhr sie eine rasche Entwicklung. Während des Zeitraums von 1914 bis 1924 verzehnfachte sich die Herstellung chemischer Erzeugnisse.

2. Kap.: Bedeutung i n der Entwicklungsphase des Kapitalismus

d) Die Entwicklung

75

des Außenhandels

Die Veränderungen i n der Zusammensetzung und dem Umfang des Außenhandels spiegeln die Strukturwandlungen innerhalb der W i r t schaft eines Landes wider und geben Aufschluß über die Stellung dieser Volkswirtschaft i m Welthandel. Außerdem strahlt der Außenhandel Industrialisierungsimpulse aus. Dies wurde speziell für Japan i m 1. Kapitel erwähnt. I n dieser Periode muß die Wirkung der Kapitaleinfuhr auf die Industrialisierung besonders berücksichtigt werden. Für die Erhaltung der hohen Wachstumsrate der japanischen W i r t schaft war der Einfuhrüberschuß unausweichlich. Die Tendenz zum chronischen Einfuhrüberschuß dauerte auch i n der Aufschwungsperiode des Kapitalismus an, und einige der ihn ermöglichenden Faktoren waren die Einfuhr von ausländischem Kapital und der erhebliche Ausfuhrüberschuß während des Ersten Weltkrieges. Von 1890 bis 1900 etwa vervierfachte sich das Exportvolumen. Wichtigstes Ausfuhrgut war Rohseide, die i m Jahre 1900 20 v. H. des gesamten Ausfuhrvolumens ausmachte. Danach folgten Baumwollgarne m i t 10,3 v. H. und Seidengewebe m i t 9,1 v. H. des gesamten Exportwertes. Wichtigstes Einfuhrgut war Rohbaumwolle. Sie machte die Hälfte der gesamten Einfuhr aus. Weitere wichtige Importgüter waren Zucker und Maschinen. Von 1900 bis 1910 verdoppelte sich der Exportwert. Der Anteil der Rohstoffe an der gesamten Ausfuhr verminderte sich allmählich, der Anteil der Rohstoffe an der gesamten Einfuhr vermehrte sich. Dagegen stieg der Anteil der Fertigwaren an der gesamten Ausfuhr, und ihr A n teil an der gesamten Einfuhr verminderte sich. Exportiert wurden insbesondere Rohseide, Baumwollgarne, Seiden- und Baumwollgewebe. I m Jahre 1910 belief sich der Anteil der Textilien an der gesamten Ausfuhr auf etwa 50 v. H. Das wichtigste Einfuhrgut war nach wie vor Rohbaumwolle, deren Anteil an der gesamten Einfuhr ein Drittel betrug. Der Ausfuhrraum Japans für Fertigwaren war i n erster Linie der südostasiatische Markt. Von dort bezog es auch seine Rohstoffe. Dagegen führte es die meisten Rohstoffe nach Europa und Amerika aus und importierte von dort Maschinen oder andere Fertigwaren. Bis 1920 stieg der Exportwert sehr rasch, allein während des Ersten Weltkrieges vervierfachte er sich. Diese Zeit brachte für Japan sowohl einen beträchtlichen Ausfuhrüberschuß als auch andere Einnahmen aus dem Ausland, die durch die Versteigerung der Prämie der Seeversicherung sowie der Frachtpreise u. a. verursacht wurden. Während des Zeitraums von 1914 bis 1918 belief sich der Zahlungsbilanzüberschuß Japans auf etwa 2,8 Milliarden Yen, seine Goldreserve vergrößerte sich von

76

Kotaro Ikeda

218 Millionen Yen (im Jahre 1914) auf 1,247 Müliarden Yen (1920). Außerdem wurde Japan, das bis dahin stets dem Ausland gegenüber verschuldet war (im Jahre 1914 1,1 Milliarden Yen Schulden), nun zu einem Gläubigerland, das 1920 über ein Guthaben von 2,77 Milliarden Yen verfügte 12 . Auch i n dieser Periode war die Erhöhung der Ausfuhr von Fertigwaren und die Verminderung ihrer Einfuhr zu erkennen. Die Hälfte des gesamten Außenhandelsvolumens stellten nach wie vor die Textilprodukte. Während der Aufschwungsperiode des Kapitalismus war Südostasien der wichtigste Außenhandelsmarkt Japans. Die Bedeutung des europäischen Marktes sank allmählich, dagegen stieg die des amerikanischen Marktes. Tabelle 14 Kapitalimport und -export Japans 1890—1920 (in Mill. Yen)

Jahr

Ausfuhr

Einfuhr

Bestand

Bestand des gesamten ausl. Kapitals

1890

56

81

-

25

1900

204

287

-

82

140

1910

458

464

-

5

1777

1920

1948

2 336

- 387

1680

Quelle: Toyo Keizai, Statistischer Überblick über den Außenhandel Japans (japanisch), Tokio 1935, S. 658 und 696.

Tabelle 15 Struktur des japanischen Außenhandels von 1900 bis 1920 (in v. H.)

Güterart

E x p o r t (v. H.) 1900

1910

Nahrungsmittel

11,11

11,23

7,30

18,13

9,69

9,52

Rohstoffe

13,62

8,77

7,19

18,04

49,83

53,94

Textilien

43,81

49,09

34,83

20,21

17,85

21,79

Fertigwaren

27,82

29,96

49,42

32,12

22,08

14,06

3,64

0,95

1,26

1,50

0,55

0,68

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

Sonstiges Total

1

I m p o r t (v. H.) 1920

1900

1910

1920

Quelle: Toyo Keizai, Statistischer Überblick über den Außenhandel Japans (japanisch), Tokio 1935, S. 450 f. 12

Mitsuhaya

Kajinishi,

a. a. O., 2. Bd., S. 7 f.

2. Kap.: Bedeutung i n der Entwicklungsphase des Kapitalismus

77

V . Begleiterscheinungen der Industrialisierung 1. Bildung der Kartelle

Schon früh entstanden kartellähnliche Gebilde i m Bereich der Leichtindustrie, wie z. B. i n der Papier- (1880) und Baumwollindustrie (1882). Vor allem das Spinnerei-Kartell strebte seit der ersten Wirtschaftskrise die Verkürzung der Arbeitszeit, die Regulierung von Nachfrage und Angebot und damit die Stabilisierung des Baumwollpreises an. Aber i m allgemeinen kann gesagt werden, daß erst m i t dem ersten Weltkrieg die Bildung der Kartelle i n vollem Umfang begann. Die Kartelle, die sich bis 1920 bildeten, regulierten noch nicht die betreffende Industrie ganz und von Dauer, sondern bildeten meistens nur eine teilweise und zeitweilige Kontrolle. Gründe hierfür sind u.a.: Erstens erfolgte das Wachstum der Großunternehmen i m damaligen Japan noch nicht in einem solchen Umfang, u m i m betreffenden Industriezweig dadurch Marktbeherrschung zu erlangen; zweitens lag die Herrschaft des Monopolkapitals nicht bei einem einzigen Unternehmen innerhalb eines Industriezweiges, sondern es existierten einige große Unternehmungen nebeneinander. 2. Die B i l d u n g des Zaibatsu-Konzerns

U m die Jahrhundertwende erweiterte das Zaibatsu sein Tätigkeitsfeld, das sich bis dahin auf das Geld- und Kreditgeschäft beschränkte. I m ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts nahm das Zaibatsu die Form eines Konzerns an. Jedes Zaibatsu verselbständigte seine Unternehmungen, die bis dahin durch die Zaibatsu-Verwandten beherrscht wurden, und bildete einerseits die Zaibatsu-Hauptgesellschaft als Dachorganisation, die nur durch die Zaibatsu-Verwandten beherrscht wurde, und andererseits viele i n rechtlicher Hinsicht unabhängige Gesellschaften. Damit entstand ein hierarchisches Herrschaftssystem. Deswegen beherrschte i n Japan ein Zaibatsu nicht einen bestimmten Industriezweig, sondern es war ein Komplex von Unternehmungen vieler Industriezweige. I n einem Industriezweig gab es i n der Regel mehrere Zaibatsu-Unternehmungen nebeneinander. Die Unternehmungen, die unter der Dachgesellschaft des Zaibatsu standen, waren die herrschenden Großunternehmen i n jedem Industriezweig. Auch i m Kartellwesen hatten diese Zaibatsu-Unternehmungen eine herrschende Stellung inne, und die meisten Nicht-Zaibatsu wurden des aus dem Kartell erwachsenden Gewinnes durch die Zaibatsu-Unternehmungen beraubt 13 . 13

S. 182.

Tsutomu

Ohuchi, Japanische Wirtschaft (japanisch), 1. Bd., Tokio 1962,

78

Kotaro Ikeda 3. Die Probleme der K l e i n b e t r i e b e

Wie die Tabelle 7 (S. 55) zeigt, stellten die Heimindustrien (Werkstätten m i t bis zu 4 Beschäftigten) noch i m Jahre 1920 ungefähr ein Fünftel der gesamten Industrieprodukte Japans her. Aus Tabelle 16 geht hervor, daß sich die Zahl der Beschäftigten i n der Heimindustrie auf etwa 3,3 Millionen (5,13 Millionen Erwerbspersonen des prod. Gewerbes abzüglich 1,76 Millionen Beschäftigte der Industriebetriebe m i t über 5 Beschäftigten) belief, d. h. zwei Drittel der gesamten Erwerbspersonen der produzierenden Gewerbe. Diese Tatsache bedeutet, daß erstens die Zahl der Beschäftigten i n Kleinstbetrieben relativ hoch war, zweitens sowohl die Produktivität als auch das Einkommen der Erwerbstätigen (Selbständige, mithelfende Familienangehörige, Angestellte und Arbeiter) der Kleinstbetriebe sehr niedrig waren. Tabelle 16 Zahl der Industriearbeiter in Japan von 1890 bis 1920 (in Mill. Personen)

Jahr

Gesamtbevölkerung (Mio)

Erwerbspers. d. produzierenden Gewerbes (Mio) (A)

Industriebetr. m i t über 5 Beschäftigten (Mio) (B) a )

Beschäftigte der öffentlichen Betriebe (Mio) (C)a>

1890 1900 1910 1920

40,16 44,23 49,68 55,94

2,27 8,28 4,29 5,13

0,65 0,65 1,11 1,76

0,12 0,43 1,37 2,12

a) (B) und (C) sind in (A) enthalten. Quelle: Kazushi Ohkawa, a.a.O., S. 83 fi., 122 f., 130 f.; Juzo Jamada, a.a.O., S. 152 f.

4. Die Entstehung der Arbeiterfrage

Die Entstehung des Industriekapitals, die m i t dem Chinesisch-Japanischen Krieg begann, bedeutete gleichzeitig die Entstehung der Lohnarbeiterklasse, die nun ihre eigenen Probleme i m Wirtschaftssystem zu bewältigen hatte. Die Behauptung Yokoyamas, daß die Arbeiterfrage i n der Zeit des Chinesisch-Japanischen Krieges entstand, ist also zutreffend 14 . Seinerzeit gab es i n Japan jedoch nur einige hunderttausend Fabrikarbeiter, und von ihnen waren drei Viertel i n der Textilindustrie beschäftigt. I n diesem Wirtschaftszweig arbeiteten vorwiegend Frauen und Kinder. Bis 1920 hatte sich an dieser Tatsache noch nichts 14 Gennosuke Yokoyama, Die niedrigen Stände i n der japanischen Gesellschaft (japanisch), Tokio 1899.

2. Kap.: Bedeutung in der Entwicklungsphase des Kapitalismus

79

geändert. 1920 waren noch 50 v. H. der gesamten Fabrikarbeiter i n der Textilindustrie beschäftigt. Der Anteil der Arbeiterinnen lag bei über 50 v. H., so daß der Kern der damaligen Arbeiterfrage das sog. „traurige Los der Fabrikarbeiterinnen" war, d.h. gesundheitliche Probleme der Frauen- und Kinderarbeit. Die Bürokraten, die das Wissen der Historischen Schule der Nationalökonomie Deutschlands besaßen, und die Gelehrten, die zum „Verein für Socialpolitik" 1 5 i n Japan gehörten, sahen die Arbeiterfrage dieser A r t als Hemmnis sowohl zur Verbesserung der Lage der Arbeiter selbst als auch zur Vergrößerung des Staates an und dachten sogar, daß die Arbeiterfrage den Gewinn der Kapitalisten beeinträchtige. Gegen den Widerstand der Kapitalisten wurden die Lebensverhältnisse der Arbeiter untersucht und i m Jahre 1911 das sog. Fabrikgesetz erlassen, das 1916 i n K r a f t trat. Das Jahr 1920 kann als der Vorabend der japanischen Arbeiterbewegung gelten. I h r Ausgangspunkt war die Krise von 1920 und die ihr folgende Stagnation. Auch die Durchführung der Sozialpolitik, deren Inhalt die Maßnahmen gegen die Arbeiterbewegung, Arbeitslosigkeit usw. war, wurde nach dem Jahre 1920 vorgenommen. Schließlich wurden auch die Maßnahmen zur Erhaltung des Monopolkapitals nach dem Jahre 1920 durchgeführt.

15 Nach deutschem Muster gründeten japanische Gelehrte i m Jahre 1896 den „Verein f ü r Socialpolitik Japans". Siehe näheres darüber auf S. 187 ff. dieser Arbeit.

Drittes Kapitel

Die Finanz- und Geldpolitik und die Stagnation des Kapitalismus (1920-1931) Von Kotaro Ikeda I . Vorbemerkung

M i t der Wirtschaftskrise von 1920 trat die japanische Wirtschaft in einen neuen Abschnitt ein. Diese Krise war äußerst bedrohlich, und die Wirtschaft befand sich nach der Krise i m Zustand einer chronischen Stagnation. Vor dem Ersten Weltkrieg kündigten schon einige Symptome den Eint r i t t des Kapitalismus i n eine neue Phase an. Von dieser Zeit an ist eine chronische Stagnation der japanischen Wirtschaft zu erkennen, die jedoch durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde, in dem sich die Wirtschaft wieder entwickelte. Außerdem sah man die Stagnation und die dadurch verursachten Schwierigkeiten nur als unglücklichen Umstand an, der unter besonderen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen entstanden war und somit zufälligen Charakter hatte. Deshalb glaubte man an eine automatische Wiederbelebung der japanischen W i r t schaft. Da aber damals schon die Schwierigkeiten innerhalb des W i r t schaftssystems selbst lagen, ging die Wirtschafts- und Sozialpolitik von falschen Voraussetzungen aus. Erst nach der Wirtschaftskrise von 1920 wurden die Krise und die nachfolgenden Schwierigkeiten als Probleme des Wirtschaftssystems angesehen. Man erkannte, daß es schwerfallen würde, den Kapitalismus i n der neuen Phase ohne Intervention des Staates zu erhalten. Diese Erkenntnis entstand jedoch so unmerklich und allmählich, daß sich daraus für die Regierung keine entscheidenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen ergeben konnten, die der neuen Entwicklung des Kapitalismus entsprochen hätten. So blieb das Schwergewicht der Regierungstätigkeit mehr auf der autonomen Regulierung durch die Wirtschaftssubjekte selbst als auf der direkten Kontrolle. Der Versuch zur Überwindung der chronischen Stagnation blieb also für Japan der einzige Ausweg. Er stellte sich als mühsamer und erfolgloser Kampf heraus. Somit fand

3. Kap.: Finanz- und Geldpolitik in der Stagnation des Kapitalismus

81

Japan keinen innenpolitischen Ausweg aus der chronischen Stagnation: Es mußte deswegen i m Jahre 1931 den Mandschurei-Krieg beginnen und das Goldwährungssystem abschaffen. Damit begann die japanische W i r t schaft einen neuen Abschnitt ihrer Entwicklung.

II. Grundzüge des Kapitalismus und der Wirtschaftspolitik i n der Stagnationsperiode (1920—1931) Bei der Analyse der zur damaligen Zeit gegebenen Wirtschaftslage ist die Tatsache zu beachten, daß insbesondere in der zweiten Hälfte der 20er Jahre die Wirtschaft der meisten kapitalistischen Länder stagnierte. Zwischen dem Übergang der japanischen Wirtschaft und dem Schicksal des Kapitalismus i n der übrigen Welt sind einige Parallelen zu erkennen. Die japanische Wirtschaft entwickelte sich so rasch, daß sie immerhin i m Jahre 1920 m i t dem westeuropäischen Kapitalismus auf gleichem Niveau stand. Von diesem Zeitpunkt an hatte die japanische Wirtschaft Anteil an dem Schicksal des Kapitalismus i n der übrigen Welt und l i t t an denselben Schwierigkeiten wie die meisten hochentwickelten Länder. Bei der Untersuchung der damaligen japanischen Wirtschaft m i t besonderer Rücksicht auf die gegebene Finanz- und Geldpolitik muß also der weltwirtschaftliche Gesichtspunkt, insbesondere der Zusammenhang der japanischen Wirtschaft m i t dem Kapitalismus i m Ausland, beachtet werden. M i t der Wirtschaftskrise von 1920 begann ein neuer Abschnitt der japanischen Wirtschaft. I m Jahre 1923 ereignete sich das große Erdbeben i n Kanto, das zur Finanzkrise von 1927 führte. Dann kamen die Auswirkungen der amerikanischen Wirtschaftskrise von 1929 dazu. Gerade i n dieser Zeit hob Japan das Goldausfuhrverbot auf, wodurch es sich an das kapitalistische System i m Ausland anschließen konnte. Diese Maßnahme hätte eigentlich für Japan die vollkommene Uberwindung der Stagnation bedeuten müssen, aber die restriktiven Finanz- und Geldmaßnahmen, die für die Aufnahme des freien Goldverkehrs nötig waren, verschärften die akute Depression nur noch. Ende 1931, d. h. nach kaum zwei Jahren, wurde die Goldausfuhr wieder verboten. Die Zielsetzung der japanischen Finanz- und Geldpolitik schwankte zwischen Beschränkung, die aus dem weltwirtschaftlichen Gesichtspunkt resultierte, und Expansion, die auf innerwirtschaftlichen Gründen beruhte. Während sich die japanische Wirtschaft jetzt an das freie weltwirtschaftliche System anschließen konnte, l i t t sie an einem chronischen Importüberschuß und an einer unaufhörlichen Krise des Wechselkurses. Unter dem System der freien Konvertierbarkeit der Währung konnte Japan keine Beschränkung der Einfuhr oder Förderung der Ausfuhr 6

Ikeda - Kato - Taiyoji

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Kotaro Ikeda

durch die Herabsetzung des Kurses vornehmen. Japan mußte also vorerst nach Rationalisierung oder Steigerung der Leistungsfähigkeit der Industrie und damit nach Stärkung der Wirtschaftsmacht in der internationalen Konkurrenz streben. Deswegen wurde die Einschränkungsoder Gesundungspolitik des Finanz- und Geldwesens durchgeführt. A n dererseits waren zur Uberwindung der Krise und Stagnation Erhaltungsmaßnahmen für das Kapital, d. h. die Ausdehnung des Finanz- und Geldwesens nötig. Es ist unrichtig, die Ursachen für die Aufnahme der inflationistischen Politik nur auf der Kapitalseite zu suchen. Die durch die Krise und Stagnation verursachten sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zusammen m i t dem demokratischen Ton, der sich seit dem sog. Reisaufstand in den ersten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts und seit der sozialistischen Revolution i n Rußland beim Volk verbreitete, verlangten eine konstruktive Sozialpolitik, d. h. die sozial- und mittelstandspolitische Lösung der Arbeiterfrage sowie der Probleme der Klein-, M i t tel- und Agrarbetriebe. Natürlich litten auch die europäischen kapitalistischen Länder an ähnlichen Problemen. Der Kapitalismus als herrschendes Wirtschaftssystem i n der Welt duldete einerseits schon die Existenz der Sowjetunion als sozialistischen Staat und machte andererseits die USA, die einen großen Exportüberschuß zu verzeichnen hatten, zum Zentrum der W e l t w i r t schaft. Die relative Stabilisierung und die freie Weltwirtschaft der zwanziger Jahre, die auf einer solchen ungesunden Grundlage beruhten, brachen schon m i t der amerikanischen Wirtschaftskrise von 1929 zusammen. Viele kapitalistische Länder hoben das Goldwährungssystem auf, wodurch sie den Einfluß der Krise aus dem Ausland abwehrten. Außerdem strebten sie einerseits nach der Einführung des manipulierten Währungssystems durch die Herabsetzung des Kurses nach einer Verbesserung der Zahlungsbilanzsituation, andererseits m i t der Durchführung der effektiven Finanz- und Geldpolitik, die viel wirksamer als unter dem Goldwährungssystem war, nach einer Verbesserung des w i r t schaftlichen Zustandes. Als Japan i m Jahre 1931 den Mandschurei-Krieg begann und das Goldwährungssystem aufhob, hoffte es, einen Ausweg aus der Stagnation des Kapitalismus zu finden.

I I I . Die Finanz- und Geldpolitik während der Stagnation des Kapitalismus 1. Die Wirtschaftskrise von 1920 und die Finanz- und Geldpolitik

Der wirtschaftliche Aufschwung i m Ersten Weltkrieg vergrößerte die industrielle Produktionskapazität Japans. Auch die kurze wirtschaftliche Depression durch das Ende des Krieges war bald überwunden. Endlich

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entstand aus dieser Blüte 1920 eine übersteigerte Spekulations- und Investitionsnachfrage. Der große Importüberschuß sog das Yen-Geld aus dem binnenwirtschaftlichen Markt auf, wodurch das Geld knapp und die Abneigung der Banken gegenüber Krediten immer stärker wurde. Es war schließlich zu erkennen, daß die Produktionskapazität zu groß war und das Überangebot an Waren nicht abgesetzt werden konnte. A m Ende standen ein Kurssturz der Aktien und ein Preisverfall der Waren und somit die Suspension der Börse. Viele Textilunternehmer und -händler gingen in Konkurs, und es entstand ein Sturm auf viele kleine und mittlere Banken. Als die amerikanische und europäische Wirtschaftskrise auch Japan erreichte, wurden diese Schwierigkeiten noch gesteigert. Die Regierung führte zwar einige Maßnahmen zur Überwindung der Krise ein und konnte auch allmählich die Ruhe der Wirtschaft wieder herstellen, aber nach dieser Zeit lebte die Wirtschaft lange nicht wieder auf, und die tiefe Depression dauerte an. Die Preise fielen, und obwohl die Produktionseinschränkungen i n den zwanziger Jahren sehr stark waren, vergrößerte sich der Warenvorrat immer mehr, und die Depression brachte neue soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten m i t sich. Zur Überwindung der Wirtschaftskrise von 1920 wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, die sich i n drei Typen klassifizieren lassen. Während des gesamten Zeitraums der Stagnation wurden diese Maßnahmen auf immer strengere Weise durchgeführt, aber das Schwergewicht verlagerte sich ab und zu, je nach Bedarf, von der einen auf die andere A r t . Der erste Typus umfaßte die Selbsthilfemaßnahmen der Industrie. Die Unternehmer gründeten Kartelle, m i t deren Hilfe sie die Kürzung der Arbeitszeit durchführten und Ankaufsorgane für Überschußprodukte schufen. Die Spekulanten und Unternehmer erledigten den gesamten bisherigen Terminhandel über den Abrechnungskurs, der außerhalb des Börsensaales entschieden wurde. Diese Maßnahmen wurden erst m i t den finanziellen Hilfen der Bank von Japan und des Depositen-Büros des Finanzministeriums und durch die Führung der Regierung wirksam. Dabei war die Bildung der Kartelle nur auf die großen Unternehmungen begrenzt, so daß viele kleine und mittlere Unternehmungen aus dieser Maßnahme keinen Gewinn ziehen konnten. Außerdem lag die Hegemonie der Kartelle i n der Hand der Zaibatsu-Unternehmungen, die den größten Teil des Gewinnes für sich vereinnahmen konnten. Der zweite Typus war die Finanzpolitik, deren Maßnahmen m i t Hilfe des öffentlichen Haushaltes durchgeführt wurden. Hierbei waren die Gliederung der Staatsausgaben und die Beträge aller Ausgabenarten jedoch gesetzlich festgelegt. Das Prinzip des Budgetausgleichs beherrschte die Finanzpolitik. Andererseits sollte die Überwindungspolitik 6*

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inflationistische Effekte bei verringerten Staatseinnahmen hervorrufen. Schließlich erfolgte die Durchführung der Finanzmaßnahmen in der Regel m i t einiger Verzögerung. Es war also schwer, die Finanzmaßnahmen als sofort wirkende Heilmittel durchzuführen. Das Budget zur Uberwindung der Krise von 1920 trat z. B. erst 1921 in Kraft. So gab es gegen die Krise und Depression nur einige „passive Maßnahmen". Allerdings w u r den auch noch konkretere finanzpolitische Maßnahmen zur Überwindung der Krise durchgeführt. Als solche kann man den Erlaß der Steuer, die Gewährung von Subventionen und die Aufnahme der Schutzzollpolitik usw. erwähnen, öffentliche Kredite i m Rahmen der aktiven Finanzpolitik wurden meistens als zusätzliche Einnahmequelle benutzt. Viele von diesen Finanzmaßnahmen waren schon vor dem Jahre 1920 i n Kraft getreten. Aber nach 1920 wurde ihre Durchführung noch verstärkt. So erhöhte sich z. B. der Subventionsbetrag an den Transportsektor sowie an die Landwirtschaft von Jahr zu Jahr. Die Subventionierung der chemischen Industrie und der Schwerindustrie nahm ebenfalls stetig zu, obwohl der dafür aufgewandte Betrag kleiner als der für den Transport- und Agrarsektor war. Außerdem erließ die Regierung der Eisen- und Stahlindustrie die Gewerbe- und Einkommensteuer, und i m Jahre 1926 reformierte sie die Zollverfassung, wodurch sie zur Förderung der Industrie die Schutzzollpolitik verstärken konnte. Aber i m allgemeinen kann festgestellt werden, daß „except i n a few fields of activity, subsidies played only a small part i n the period from 1914 to 1931 in affecting the direction of Japanese economic development... Tariffs, likewise, were not of outstanding importance i n determining the growth of industry" 1 . Erst i n dieser Zeit wurden auch auf sozialpolitischem Gebiet einige besondere Maßnahmen durchgeführt, z. B. die sozialpolitische Steuerreform und Ausgabenerhöhungen für soziale Zwecke, außerdem wurden i m Einkommensteuersystem einige sozialpolitische Änderungen eingefügt. Seit dieser Zeit gab der Staat auch Zuschüsse für die Gründung von Arbeitsämtern, die dem öffentlichen Stellennachweis dienen sollten, für öffentliche Arbeit sowie für die öffentliche Krankenversicherung. Er gewährte auch finanzielle Unterstützung an Pachtbauern zum Erwerb des Pachtlandes. Auch diese Finanzmaßnahmen galten der Überwindung der Krise und Stagnation. Drittens ist die Geldpolitik zu erwähnen. Unter allen Uberwindungsmaßnahmen war sie die direkteste und wirksamste. Sie umfaßte zwei Gruppen von Maßnahmen, nämlich die Beschleunigung der Bankenfusion und die Ausgabe des Rettungsfonds. Die Regierung beschleunigte die Bankenkonzentration, die sich seit langem entwickelte, womit sie die Widerstandskraft der Banken gegen 1 George C. Allen, London 1962, S. 128.

A Short Economic History of Modern Japan, 2. Aufl.,

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die Krise und Depression verstärkte und sie zu einer Stütze in der Uberwindung der Depression machte. I m Jahre 1921 entstand das Fusionsgesetz der Hypothekenbank von Japan und der Landwirtschafts- und Industriebanken. Das neue Bankgesetz von 1927, auf das noch zurückzukommen sein wird, intensivierte den Konzentrationsprozeß der sog. Lokalbanken, deren Anzahl sich i n den 20er Jahren erheblich verminderte (siehe Tabelle 17). Tabelle 17 Zahl der Geschäftsbanken in Japan von 1920—1945 Jahr

Zahl

Jahr

Zahl

1920

1322

1935

466

1925

1534

1940

286

1930

779

1945

61

Quelle: Bank, von Japan, Statistisches Jahrbuch cter Finanzen und Wirtschaft Japans (japanisch), Tokio 1948, S. 386.

Was die zweite Gruppe betrifft, so wandte die Regierung in der Krise große Summen zur Erhaltung des Unternehmenskapitals auf, wodurch die Bank von Japan und andere Spezialbanken zu sog. „Rettungsbanken" wurden. Diese entwickelten verschiedene Rettungsmaßnahmen, die neben den bereits gebräuchlichen generellen, also mittelbaren Maßnahmen, wie z. B. der Milderung der Knappheit des Geldes und Ankauf von öffentlichen Schuldscheinen, Anwendung fanden. Dabei handelte es sich vorwiegend um Einzelmaßnahmen, also unmittelbare Rettungsmaßnahmen, die z. B. durch die Ausgabe großer Beträge der Existenzerhaltung gefährdeter Unternehmungen dienten. I n dieser Zeit machte die Bank von Japan auf dem Gebiet der Industriefinanzierung immer größere Fortschritte. Zuerst unterstützte sie durch Milderung der Finanzierungsbedingungen die Geschäftsbanken, wofür sie i m Jahre 1920 etwa 105 Millionen Yen ausgab, danach gab sie auch direkte Hilfen für die Börse und Industrie. Auch die Spezialbanken, wie die Industriebank von Japan, die Hypothekenbank von Japan und die Landwirtschafts- und Industriebanken, führten m i t Hilfe von Staatskapital, wie z. B. des Fonds der Bank von Japan oder des DepositenBüros des Finanzministeriums, Unterstützungsmaßnahmen durch. Die Hypothekenbank, die zwar die Privilegien einer Spezialbank genoß, aber kein Depositgeschäft hatte, sondern ihre Darlehen durch Ausgabe von Obligationen deckte, blieb deshalb vor dem Ansturm der Zahlungsforderungen verschont. Außerdem war i n einer Krisen- oder Depressionszeit die Zeichnung der Hypothekenbank-Obligation eine günstige

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Geldanlage, so daß diese Bank als eines der mächtigsten Finanzorgane aktive Hilfsmaßnahmen ergreifen konnte, die damals hauptsächlich kleinen und mittleren Unternehmungen sowie Pachtbauern zugute kamen. Letzteren lieh sie ihr Geld nur durch die Vermittlung der Genossenschaften und hauptsächlich zu dem Zweck, den Pächtern beim Freikauf des Pachtlandes zu helfen und die Existenzgründung zu erleichtern. Natürlich gab es effektive und unwirksame Finanzierungsmaßnahmen der Hypothekenbank, und von Jahr zu Jahr wurde sie mehr zu einem Zentralorgan sozialpolitischer Unterstützungsaktivität. Die Industriebank von Japan stellte in der Wirtschaftskrise von 1920 zuerst zur Hilfe für die Elektroerzeugnis-, Papierherstellungs-, Stahlindustrie u. a. m. Geld zur Verfügung. Danach erweiterte sie den Umfang der Unterstützungsmaßnahmen auch auf kleine und mittlere Unternehmungen. Die Frage, warum die Regierung i n und nach dem Jahre 1920 diese großartig angelegten Rettungsmaßnahmen durchführte, kann man zusammenfassend mit folgenden drei Tatsachen beantworten: Erstens trat der japanische Kapitalismus i m Jahr 1920 in eine neue Phase. Sowohl Regierung als auch Opposition waren der Ansicht, daß es schwer sei, in dieser Phase ohne aktive Stützung des Kapitals die Stabilisierung und Aufrechterhaltung des Wirtschaftssystems zu erreichen. Als Ursachen für diese Annahme kann man außer der Krise, i n die sowohl Unternehmungen als auch Geldinstitute hineingeraten waren, noch andere erwähnen, z. B. a) die übermäßige Entwicklung der japanischen Wirtschaft i n und gerade nach dem Krieg, b) den Druck der europäischen Länder auf Japan i n der Nachkriegszeit, der durch die Wiederbelebung und Stabilisierung ihrer Wirtschaft entstand, c) die Stagnation der Ausfuhr durch die Instabilität der politischen Lage und den Boykott der japanischen Waren in China und d) die Instabilität des Wechselkurses. Der zweite Grund war, daß zwischen den Zaibatsu (Finanzcliquen), anderen Unternehmen und den Trägern der Politik enge Beziehungen entstanden waren 2 . Dadurch gewannen diese Finanzcliquen allmählich Einfluß auf die Wirtschaftspolitik, wenn dieser damals auch noch nicht sehr stark war. Trotzdem konnte man schon zu dieser Zeit die Behauptung hören, daß die beiden großen politischen Parteien Agenten der Zaibatsu wären, nämlich Seiyu-Kai für die Mitsui-Zaibatsu und MinseiTo für die Mitsubishi-Zaibatsu. Es war tatsächlich so, daß die Regierung 2 Typische Beispiele dafür waren die Verbindung des Präsidenten J. Inoue (Bank von Japan) m i t dem reichen K a u f m a n n S. Mogi von Yokohama oder die des Ministerpräsidenten K . Hara m i t F. Kuhara, der damals der Präsident der Kuhara-Handelsgesellschaft war.

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unter dem Deckmantel einer allgemeinen Wirtschaftshilfe hauptsächlich den Zaibatsu und Großkapitalisten half, die Krise zu überstehen, wozu sie das Geld der Bank von Japan und des Depositen-Büros des Finanzministeriums ohne Schwierigkeiten als Unterstützungsfonds benutzen konnte 3 . Drittens ist zu erwähnen, daß die Regierung ohne Schwierigkeiten inflationistische Maßnahmen durchführen konnte, weil i m Jahre 1920 viele Länder das Goldwährungssystem noch nicht wieder eingeführt hatten. Das Schwergewicht der Maßnahmen zur Uberwindung der Krise von 1920 lag deshalb eher auf den inflationistischen, also leicht durchzuführenden Maßnahmen als auf der Steigerung der Leistungsfähigkeit, d. h. der Rationalisierung der Unternehmungen oder der Wirtschaft als ganzes. 2. Die Finanz- und Geldpolitik in den zwanziger Jahren

Nachdem sich die Lage wieder beruhigt hatte, war sogar eine kleine wirtschaftliche Wiederbelebung zu verzeichnen; aber Ende 1922 geriet die japanische Wirtschaft i n die sog. Bankkrise. Auch gegen diese Krise ergriff die Regierung dieselben Maßnahmen wie gegen die Krise von 1920 und konnte allmählich die Stabilität der Wirtschaft in etwa wiederherstellen. Damals erreichten auch die europäischen Industrieländer eine relativ stabile Periode der Wirtschaft. Allerdings ereignete sich am 1. September 1923 in Japan eine große Erdbebenkatastrophe, das sog. Kanto-Großerdbeben, wodurch die japanische Wirtschaft aufs neue einen schweren Rückschlag erlitt. Es war für Japan ohnehin eine schwierige Zeit, da sich die Produktionskosten durch die Vergrößerung der Produktionsanlagen und die Steigerung des Arbeitslohnes in und nach dem Krieg erheblich erhöht hatten. Die Einfuhr der zum Wiederaufbau benötigten ausländischen Güter verminderte den Devisenvorrat so schnell, daß der Wiederaufbau sehr erschwert wurde. Die Regierung führte zum Zweck des Wiederaufbaues eine noch stärkere Finanz- und Geldpolitik durch als i m Jahr 19204. 3 I m Jahre 1926 kompensierte die Regierung den Schaden, der durch die Abrüstung einerseits und die Anlagenvergrößerung der Eisen- u n d Stahlwerke u n d der Werften andererseits entstanden war. Ohne Berücksichtigung der engen Verbindung zwischen den Trägern der Wirtschaftsaktivität u n d denen der Wirtschaftspolitik k a n n man diese Staatsausgaben nicht verstehen. 4 Die Zahl der durch die Erdbebenkatastrophe betroffenen Personen betrug ungefähr 3,4 Millionen, und der Sachschaden belief sich auf etwa 5 M i l l i a r d e n Yen. Außer der Finanz- u n d Geldpolitik, die ähnlichen Charakter besaß w i e die i n der Krise von 1920, erließ die Regierung dieses M a l viele Gesetze, sog. außerordentliche Requisitionsorder, wie die Order f ü r die Aufrechterhaltung

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Durch die aktiven Maßnahmen zum Zweck des Wiederaufbaus konnte Japan i m Jahr 1924 einen geringen wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen, dem aber bald eine Steigerung der Einfuhr, Stagnation der Ausfuhr, Verminderung des Geldwertes und Goldvorrats sowie das Fallen der Kurse folgten. Die Regierung nahm i m Ausland Darlehen i n Form öffentlicher Schuldscheine auf, die einen sehr hohen Zins hatten, und Unternehmungen wie Gemeinden gaben Obligationen oder Kommunalschuldscheine an das Ausland. Außerdem führte die Regierung eine Geldrestriktionspolitik durch. M i t diesen Maßnahmen konnte die Regierung die Kurse zwar etwas steigern, aber dadurch sanken die Preise. Dies wiederum zerstörte die Ertragsgrundlage der Unternehmungen. Das hatte eine weitgehende Stagnation der Industrieproduktion und eine Verschlechterung der Lage der Banken und Unternehmungen zur Folge. Ausgerechnet in diese Zeit fiel der Fälligkeitstermin der sog. „Erdbebenkatastrophen-Wechsel". Damals belief sich der Betrag der noch laufenden Wechsel auf etwa 207 Millionen Yen. Die Regierung hatte die Absicht, außer den vorher zugesagten 100 Millionen Yen durch die Aushändigung öffentlicher Schuldscheine an die Bank von Japan, die restlichen 107 Millionen Yen als Anleihen i n Form von öffentlichen Schuldscheinen an die Banken zu geben, die noch uneingelöste Wechsel besaßen. Diese Anleihen mußten aber innerhalb von 10 Jahren zurückgezahlt werden. Aus folgenden zwei Gründen weitete sich diese Angelegenheit jedoch zu einer großen politischen Frage aus. Erstens war diese Maßnahme eine allzu einseitige Hilfe für einige bestimmte Unternehmungen, z. B. die Taiwan-Spezialbank und die Suzuki-Handelsgesellschaft, die ein großer Regierungslieferant und Zaibatsu war, zweitens wurden viele andere Wechsel unter die sog. „Erdbebenkatastrophen-Wechsel" geschoben. Als schließlich i m Jahr 1927 die Bankenkrise ausbrach, wurden die ersten Wogen der Krise durch den Erlaß der sog. „ErdbebenkatastrophenWechsel-Gesetze" i m Parlament wieder geglättet. Aber nachdem die Taiwan-Spezialbank Hilfe für die Suzuki-Handelsgesellschaft abgelehnt des öffentlichen Friedens, die Verordnung gegen übermäßigen Gewinn, das Moratorium, die Steuerherabsetzung oder -befreiung f ü r die Betroffenen, die Einfuhrzollherabsetzung oder -befreiung f ü r bestimmte Güter und Waren sowie die Kompensationsgesetze des Verlusts durch die Diskontierung des sog. „Erdbebenkatastrophen-Wechsels". Aus der letztgenannten Maßnahme entstand die Bankkrise von 1927, worauf noch genauer einzugehen sein w i r d . Durch die Rediskontierung des sog. „Erdbebenkatastrophen-Wechsels", der durch die Erdbebenkatastrophe unverkäuflich geworden w a r , hatte die Bank von Japan große Verluste erleiden müssen. Erst durch die oben genannten Gesetze garantierte die Regierung der Bank von Japan, den Verlust bis zu 100 Millionen Yen auszugleichen. Dadurch konnte die Bank von Japan einen großen Betrag (etwa 430 M i l l i o n e n Yen) an die Banken leihen. Diese Hilfe w a r aber keine gründliche Sanierungsmaßnahme f ü r die industriellen Unternehmungen und Banken, sondern n u r ein vorläufiger Notbehelf.

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hatte, wurde die Suzuki sofort zahlungsunfähig, und auch die TaiwanSpezialbank mußte vorläufig schließen, nachdem die Bank von Japan sowie der geheime Staatsrat eine Unterstützung abgelehnt hatten. A n schließend brach die Bankenkrise furchtbarer als vorher wieder aus5. Tabelle 18 Zahl der Bankenfusionen in der Zeit von 1926—1932 Jahr

Fusionen

1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932

103 120 197 97 77 54 45

Quelle: Finanzministerium, Die Finanzgeschichte in der Showa-Zeit (japanisch), 10. Bd., Tokio 1955, statistischer Anhang, S. 15—17.

Die Bankenkrise von 1927 war das entscheidende Ereignis, durch das der Mißerfolg der bisherigen oberflächlichen Unterstützungsmaßnahmen der Regierung und der Bank von Japan an den Tag gekommen war und das damit die Quittung für die bisherigen Fehler der Hilfsmaßnahmen darstellte 6 . Vor allem beschleunigte die Krise von 1927 die Reform der Banken, die bisher hinter der der Industrieunternehmungen zurückgeblieben war. Das hatte die vollständige Modernisierung der Banken zur Folge; so wurden z.B. fast alle besonderen Beziehungen zwischen einem bestimmten Unternehmen und einer Bank, welche bisher i n Japan üblich waren, aufgehoben. Die Schwierigkeiten der kleinen Banken 5 I n der Bankenkrise von 1927 führte die Regierung eine stärkere Finanzund Geldpolitik durch als i n der Krise v o n 1920. Z u r U b e r w i n d u n g der Krise kompensierte die Regierung den Verlust der Bank von Japan bis auf 700 M i l lionen Yen; damit konnte die Bank von Japan fast unerschöpfliche Unterstützungsdarlehen geben. Außerdem erließ die Regierung das M o r a t o r i u m innerhalb von drei Wochen, was i n Friedenszeiten sehr selten war. Über die Förderung der Bankenkonzentration, die eine der Maßnahmen zur Ü b e r w i n d u n g der Krise war, soll hier einiges hinzugefügt werden. Durch die neuen Bankgesetze von 1927 konnte die Regierung den sog. Lokalbanken immer aktiver zur Fusion raten. Die Bankgesetze schrieben den Banken ein bestimmtes Mindestkapital vor, w o m i t die Regierung eine Erhöhung des Bankkapitals anstrebte. Z u beachten ist dabei, daß die Regierung prinzipiell keine Kapitalerhöhung ohne Fusion der Banken anerkannte. Damals belief sich die Zahl der Banken, deren K a p i t a l noch nicht die vorgeschriebene M i n desthöhe erreicht hatte, auf 790. Durch die neuen Bankgesetze u n d die Bankenkrise w a r die Z a h l der Bankenfusionen erheblich und m i t einer schnellen Verminderung der Z a h l der Banken verbunden (siehe die Tabellen 17 u n d 18). 6 Kamekichi Takahashi, Die Geschichte der Wanderung japanischer W i r t schaftskreise (japanisch), Tokio 1957, S. 757.

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bei der Sammlung von Depositen stärkte die Herrschaft der Großbanken und des Depositen-Büros des Finanzministeriums in der Finanzwelt 7 . Die Konzentration der Einlagen i n den Großbanken bedeutete die Entstehung eines breiten Kreditplafonds. Während der Depressionszeit war es sehr schwierig für sie, zuverlässige Kreditnehmer zu finden. Diese Verhältnisse verursachten sowohl Darlehnskonkurrenz mit niedrigerem Zinsfuß sowie Kapitalflucht ins Ausland. Als Allheilmittel zur Uberwindung dieser wirtschaftlichen Schwierigkeiten wurde die Aufhebung des Goldausfuhrverbots angesehen. Für die V e r w i r k lichung dieser Maßnahme mußte die Regierung ihre Wirtschaftspolitik von Grund auf ändern. Sie erkannte, daß die Inflation, die sie seit 1920 als Folge ihrer Hilfsmaßnahmen verursacht hatte, unter dem damaligen internationalen Wirtschaftssystem die Währungsbestände verminderte und den Wechselkurs drückte und daß sie dadurch keine vollkommene Stabilisierung der japanischen Wirtschaft erreichen konnte. Nun strebte die Regierung sowohl nach Rationalisierung der Unternehmungen und Sparsamkeit des Volkes als auch nach Stärkung der Wettbewerbskraft i m internationalen Handel und Steigerung der Ausfuhr, womit sie endlich eine gründliche Uberwindung der chronischen Depression erreichen wollte. Die Verwaltung wurde reformiert, der öffentliche Haushalt eingeschränkt und die Staatseinnahmen und »ausgaben wurden ausgeglichen. Sie änderte das Grundprinzip der W i r t schaftspolitik von inflationistischen Maßnahmen, die aus binnenwirtschaftlichen Gründen ergriffen worden waren, i n deflationistische A k t i vität, die auf außenwirtschaftliche Gründe zurückzuführen war. M i t dieser Absicht hob sie i m Januar 1930 unter Finanzminister J. Inoue das Goldausfuhrverbot auf. Aber diese Maßnahme brachte für Japan nicht den erwarteten Erfolg. Die Aufnahme der Goldausfuhr m i t dem Kurs 100 Yen = 49.85 Dollar (das ist der Kurs der Vorkriegszeit) war für Japan sehr ungünstig, weil sich dadurch ein großer Importüberschuß ergab und sich der Goldbestand verminderte. Infolge der gleichzeitig vorgenommenen Einschränkungsmaßnahmen des öffentlichen Haushaltes und der Finanzierung geriet die ohnehin noch an der Auswirkung der amerikanischen W i r t schaftskrise von 1929 leidende japanische Wirtschaft aufs neue i n eine 7 Ende 1926 besaßen die sog. fünf Großbanken, nämlich die M i t s u i - B a n k , die Mitsubishi-Bank, die Sumitomo-Bank, die DaiicTii-Bank und die YasudaBank, 24,33 v. H. der Einlagen und 20,46 v. H. der Darlehnsgelder aller a l l gemeinen Geschäftsbanken. A b e r Ende 1930 stieg dieser A n t e i l auf 36,84 v. H. (Einlagen) u n d 29,80 v. H. (Darlehen). Ende 1930 belief sich die Summe der Postspargelder u n d der überwiesenen Spargelder auf 2416 Millionen Yen; d. h. etwas mehr als ein Viertel der Einlagen aller allgemeinen Geschäftsbanken entfiel auf diese Summe. Vgl. hierzu: Finanzministerium, a. a. O., 10. Bd., Tokio 1955, S. 84 f.

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Krise. Diese Krise war keine Handels- und Banken-, sondern eine Industrie» und Agrarkrise 8 . Die Aufhebung des Goldausfuhrverbots hatte die Steigerung des Wechselkurses einerseits, aber auch das Fallen der Aktienkurse, der Produktions- und Agrargüterpreise andererseits zur Folge. Die Ausfuhr von Gold brachte die Kontraktion der Geldmenge und der Kredite m i t sich. Durch den Stillstand der Seidenausfuhr nach den USA, der sich aus der amerikanischen Krise und der Entwicklung der Rayonproduktion ergab, entfiel die Seidenraupenzucht als Nebengeschäft der Bauern, wodurch deren Verelendung in starkem Maße zunahm. Das Fallen der Preise und das Uberschußangebot an industriellen Produkten zwang die großen Unternehmungen zu immer schärferer Produktionseinschränkung 9 . Die Industrieunternehmungen bildeten viele Kartelle, womit sie die Verkürzung der Arbeitszeit, Regulierung von Produktion und Verkauf und Verrechnung der Verbindlichkeiten einerseits und die Verringerung des Unternehmungskapitals, der Arbeiterzahl und des Arbeitslohnes andererseits durchführten. Außerdem schuf die Industrie die Koalitions-Finanzierungsform der Banken. Das hatte die Stärkung der Herrschaft der großen Banken über die von ihnen finanzierten industriellen Unternehmungen zur Folge. Ergänzt wurde die Selbstregulierung der Industrie durch Regierungsmaßnahmen, wie die Errichtung des „Amtes zur Rationalisierung der Industrien", das durch die Regulierung der Produktion und des Verkaufs der Produkte die Rationalisierung der Unternehmungen erreichen sollte. I m Jahre 1931 wurde u. a. das „Kontrollgesetz der wichtigen Industrien" erlassen. M i t diesen Maßnahmen führte die Regierung zum Zweck der Rationalisierung der Industrien die Wirtschaftskontrolle durch und half bei der Bildung der Kartelle. Dieses hatte zwei Probleme zur Folge, nämlich die Entstehung einer ernsten Arbeitslosigkeit und den Untergang vieler kleiner und mittlerer Unternehmungen, die außerhalb der Kartelle standen. 8 Der Charakter der damaligen Wirtschaftskrise bestand nicht i n erster Linie darin, daß die Banken u n d Handelsgesellschaften i n Konkurs gingen, sondern sie w a r gekennzeichnet durch die Stagnation der Industrien, die I l l i quidität der Landwirtschaft, die A r m u t des Volkes u n d die Not der vielen mittleren und kleinen Unternehmungen. 9 Folgende Angaben zeigen die höchste Einschränkungsrate der Produktionskapazität verschiedener Produktionszweige i n jener Zeit: Baumwollproduktion 34 v. H. Seidenproduktion 35 v. H. Rayonproduktion 50 v. H. Papierproduktion 55 v. H. Eisen- und Stahlproduktion 50 v. H.

Quelle: Kamekichi Takahashi, a. a. O., S. 1141.

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Die Einschränkung des öffentlichen Haushaltvolumens konnte wegen der vorangegangenen Depression und der sie begleitenden Verminderung der Staatseinnahmen bei erhöhten Ausgaben keinen Finanzausgleich erzielen. I m September 1931 traten für Japan zwei weltgeschichtliche Ereignisse ein: die Aufgabe des Goldwährungssystems i n England und der Ausbruch des Mandschurei-Krieges. A u f den Krieg w i r d später noch zurückzukommen sein. England war damals das Zentrum der Weltwirtschaft, und das Pfund war die Währung der Welt. Die Aufgabe des Goldwährungssystems bedeutete für England die Aufgabe der Führungsposition in der freien Weltwirtschaft. Dies wiederum bedeutete das Ende der Goldwährung als herrschendes Weltwährungssystem. Viele Länder gaben die Goldwährung auf, erhöhten unter dem System manipulierter Währungen die Zinsen und kontrollierten die Wechselkurse. Diese Verhältnisse beeinflußten den japanischen Waren- und Aktienmarkt nachhaltig i n negativer Weise. Dann machte sich die Erwartung der Wiederaufhebung der Goldausfuhr geltend. Es entstand ein heftiger Spekulationskauf von Dollars, weil der Dollar einerseits den Banken und Handelsgesellschaften für die Durchführung der Außenhandelsgeschäfte diente und man andererseits das rasche Fallen des Yen-Kurses durch die Aufhebung der Goldausfuhr erwartete. Nach der Resolution der Opposition über die Aufhebung der Goldausfuhr nahmen die Spekulationskäufe von Dollars immer stärker zu. Die Regierung verkaufte Dollars trotz der Krise und erhöhte die Zinsen, womit sie einen Druck auf die sog. „Dollar-Käufer" ausübte, die unter dem damaligen Finanzminister J. Inoue als Vaterlandsverräter bezeichnet wurden. Das Kabinett wurde jedoch plötzlich gestürzt, und das neue Kabinett hob die Goldausfuhr sofort auf. Das war am 13. Dezember 1931. Alle Bemühungen des vorigen Kabinetts waren damit hinfällig geworden, und die „Dollar-Käufer" machten m i t ihren Spekulationskäufen große Geschäfte. Wenn man diese Entwicklung vom weltgeschichtlichen Standpunkt betrachtet, so ist zu erkennen, daß nun der Zusammenbruch des Goldwährungssystems der Welt begonnen hatte. So waren auch die Bestrebungen von Finanzminister J. Inoue, für Japan die Goldwährung zu erhalten, vergebens. Erst durch die Aufgabe dieses Währungssystems konnte Japan den Druck des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems ausschalten und unter dem manipulierten Währungssystem groß angelegte inflationistische Rettungsmaßnahmen einleiten. Infolge der Dollar-Käufe der Zaibatsu wurde das Volk gegenüber den bestehenden Zaibatsu und den politischen Parteien mißtrauisch. Das förderte den Faschismus und Terrorismus in Japan. Nach dem Mandschurei-Krieg verbreitete sich der imperialistische Gedanke, der bisher nur innerhalb der herrschenden Klasse gelebt hatte, auf das ganze Volk. Das Volk glaubte, daß Japan nur durch imperialistische Politik den sozialen

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und wirtschaftlichen Schwierigkeiten entrinnen könnte. Die japanische Wirtschaft suchte einen Ausweg aus der chronischen Depression; was sie schließlich beschritt, war der Weg zum Zusammenbruch. I V . Die Industrialisierung unter der Stagnation des Kapitalismus Während der Stagnationsperiode nahm der Anteil des sekundären Bereichs am gesamten Volkseinkommen etwa um ein Viertel ab, und dieser Prozentsatz änderte sich während des Zeitraums von 1920 bis 1931 nicht (vgl. dazu Tab. 2 auf S. 41). I n diesem Zeitraum blieb der Wert der gesamten Industrieproduktion ungefähr gleich, während das Preisniveau u m 50 v. H. sank. Die Produktionsmenge verdoppelte sich also ungefähr. Aber wenn man sie m i t der der vorigen Periode vergleicht, so kann man eine fallende Tendenz erkennen 10 . Der Anteil der Produktion der Industriebetriebe mit über 5 Beschäftigten an der gesamten Produktion des sekundären Bereichs blieb während des Zeitraums von 1920 bis 1931 gleich, d. h. er betrug i m Jahre 1920 78 v. H. und i m Jahre 1931 79 v. H. (Tabelle 2). Dieses deutet auf die Produktionseinschränkung der Großund Mittelindustriebetriebe, d.h. unausgelastete Kapazitäten, und auf die Stagnation der Modernisierung der Industrie hin. Es zeigte sich, daß während dieser Periode die Zahl der Beschäftigten der Großindustriebetriebe relativ abnahm, während sie i n den kleinen und mittleren Betrieben etwas anstieg (Tabelle 19). Daraus ist die Stagnation der großen Unternehmungen und der Personalabbau infolge der Rationalisierungsmaßnahmen zu ersehen. Tabelle 19 Verteilung der Industriebeschäftigten i n Japan auf Betriebsgrößen nach Beschäftigten (in v. H.) A n t e i l der Industriebeschäftigten i n Betrieben m i t insgesamt Jahr

5-14

15-29 30-49 50-99

100-499

500-999

1000 u . m .

Gesamt

Beschäftigten 1920

16,4

10,6

8,2

11,0

21,5

10,6

21,7

100,0

1930

18,0

10,7

8,4

11,5

25,8

11,2

14,4

100,0

1935

16,6

11,5

8,9

10,8

22,2

10,3

19,2

100,0

Quelle: Wirtschaftsplanungsamt, Wirtschaftsstatistik Japans (japanisch), 1. Bd., Tokio 1964, S. 201. 10 Nach einem Versuch von Miyohei Shinohara stellt sich die Wachstumsrate der japanischen Industrien w i e folgt dar: i m Zeitraum von 1901 bis 1913 = 11 v. H., von 1913 bis 1938 = 7,98 v. H., von 1901 bis 1938 = 8,92 v. H. u n d von 1921 bis 1929 = 9,42 v. H. Miyohei Shinohara, Wachstum u n d Z i r k u l a t i o n der japanischen Wirtschaft (japanisch), Tokio 1961, S. 8.

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Kotaro Ikeda

Das Schwergewicht der Industrieproduktion lag während dieser Zeit bei der Leichtindustrie (Tabelle 20). Erst i n und nach der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre verlagerte es sich auf die Schwerindustrie. Tabelle 20 Anteil der Schwerindustrie^ an der Industrieproduktion in Japan von 1920—1940 (in v. H.) Jahr

Anteil

1920

31,2

1925

24,6

1930

35,5

1935

47,8

1940

62,7

a) Schwerindustrie = Chemische, Metallverarbeitende und -herstellende, Maschinenund Werkzeugherstellende Industrie. Quelle: Wirtschaftsplanungsamt, a.a.O., 1. Bd., S. 192 f.

1. Der Transportsektor

Die Transportkapazität der japanischen Eisenbahnen, der Schiffahrt und des Kraft wagen Verkehrs erhöhte sich schrittweise (Tabellen 21 und 22). Der Luftverkehr spielte zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle. Tabelle 21 Entwicklung des Streckennetzes der Eisenbahnen in Japan (in km) von 1920—1945 Jahr

Staatsbahn

Gemeindebahn

Straßenbahn

1920

10 436

3172

2106

1925

12 593

4 832

2 472

1930

14 575

6 902

2 558

1935

17 138

7 015

2 386

1940

18 400

6 699

2 906

1945

19 620

5 791

1589

Quelle: Wirtschaftsplanungsamt,

a.a.O., 1. Bd., S. 339 ff.

3. Kap.: Finanz- und Geldpolitik in der Stagnation des Kapitalismus

95

Tabelle 22 Entwicklung der in Japan registrierten Schiffe und Kraftwagen Jahr

Schiffe (in tausend BRT)

1920

3 012

1925

3 496

50 980

1930

3 908

106 604

1935

3 863

176 452

1940

5 769

216 904

1945

5 594 a)

163 635b)

a) 1943. b) 1944. Quelle: Wirtschaftsplanungsamt,

A n z a h l der K r a f t w a g e n

a.a.O., 1. Bd., S. 346 ff.

2. Der Leichtindustriesektor

I n der Zeit von 1920 bis 1931 überwanden die Spinnereibetriebe ihre Schwierigkeiten, wie z. B. die Krisen aufgrund der Erdbebenkatastrophe, der Abschaffung der Nachtarbeit usw. Als Überwindungsmaßnahmen waren z. B. Produktionsbeschränkungen durch das Kartell, die Modernisierung der Anlagen und qualitative Verbesserungen der Produkte wirksam. Weiter unterstützten die Erhöhung der Ausfuhr, die Gründung der japanischen Spinnereien i n China und die vielseitigen Betriebsmethoden die Entwicklung der Spinnereien. Während dieser Zeit entwickelte sich zwar die gesamte Spinnereiindustrie; viele kleine Spinnereien gingen jedoch in Konkurs, und einige große Betriebe in der Baumwollindustrie nahmen eine beherrschende Stellung ein. Es entwickelte sich ein oligopolistischer Markt. Die Wirtschaftskrise von 1920 versetzte der Seidenindustrie, die durch die bisherige Prosperität der amerikanischen Wirtschaft einen schnellen Aufschwung genommen hatte, einen schweren Schlag. Während der zwanziger Jahre verdoppelte sich die Seidenproduktion, aber gleichzeit i g fiel der Seidenpreis um etwa die Hälfte. Die amerikanische W i r t schaftskrise von 1929 beeinträchtigte, auch infolge des Aufschwunges der Rayonproduktion, die Entwicklung der Seidenindustrie. Viele kleine und mittlere Seidenindustriebetriebe wurden zahlungsunfähig. Auch hier herrschten die großen Seidenindustriebetriebe, wie z. B. Katakura und Gunze, vor. Die Produktionsmenge erreichte schon i m Jahre 1934 den Höhepunkt vor dem Zweiten Weltkrieg.

96

Kotaro Ikeda

I n der Papierindustrie erlangten i n den zwanziger Jahren drei Großunternehmen, nämlich die Ohji-, Fuji- und Karcrfuto-Papierherstellungsgesellschaft, eine monopolartige Stellung; i m Jahre 1929 erreichte ihre Produktion etwa 85 v. H. der gesamten europäischen Papierherstellung. Gegen den Druck aus dem Ausland und den Preisrückgang in der Krisenund Depressionszeit führte die Papierindustrie eine Produktionsbeschränkung bis auf 55 v. H. durch. I m Jahre 1933 ging Ohji, die dem Mitsui-Zaibatsu angehörte, mit den beiden obengenannten anderen Papierherstellungsfirmen unter Beibehaltung ihres Namens eine Fusion ein. Wie schon erwähnt wurde, führten die Leichtindustrien gegen 1930 eine starke Produktionsbeschränkung durch und erhöhten die Produktion danach bis 1945 ohne erhebliche Erweiterung der Anlagen. I n der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre erreichte die Produktion i n der Leichtindustrie den Höhepunkt vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Tabelle 23 Produktion der Leichtindustrie in Japan von 1920—1945 (in t) Jahr

Baumwollgarn

Rohseide

Weizenmehl

Papier

1920

299 414

17 877

335 777

1925

412 212

27 525

652 295

477 972 a)

1930

448 616

37 799

690 235

592 415

1935

646 756

39 470

1010 059

746 521

1940

394126

38 978

974 137

932 474

1945

7 275

8 618

89113

211 229

a) = 1926. Quellen: Ministerium für Industrie und Handel, 50 Jahre japanischer Industriestatistik (japanisch), 2. Bd., Tokio 1962, S. 4, 16 f. und Wirtschaftsplanungsamt, a.a.O., 1. Bd., S. 16 f.

3. Der Schwerindustriesektor

Die Entwicklung der Eisen- und Stahlindustrie war eng mit dem M i l i tärbedarf verknüpft, so daß sowohl der Preisrückgang und die Bedarfsminderung durch die Krise als auch die Verminderung des Militärbedarfs durch das Ende des Ersten Weltkrieges und den Abrüstungsvertrag einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Eisen- und Stahlindustrie ausübten. Außerdem erlitt sie einen schweren Schlag durch die Einfuhr von billigem ausländischem Eisen und Stahl. Von 1920 bis 1930 fiel der Eisen- und Stahlpreis u m etwa zwei Drittel. Der Umfang der Eisen- und Stahlproduktion wurde ohne Rücksicht auf

3. Kap.: Finanz- und Geldpolitik in der Stagnation des Kapitalismus

97

die vorhandene Produktionskapazität, die Nachfrage und die importierten Eisen- und Stahlprodukte beibehalten. Eine solche ungeplante Produktion mußte die Lage der Eisen- und Stahlunternehmungen i n zunehmendem Maße verschlechtern. Während dieses Zeitraums gingen viele kleine und mittlere Werke i n Konkurs. Nur durch die Konzentration der Produktion und die A k t i v i t ä t des Kartells einerseits sowie die finanzielle bzw. fiskalische Hilfe der Regierung andererseits konnte die Eisen- und Stahlindustrie am Leben erhalten werden. Von 1920 bis 1930 waren die Erhöhung ihres Produktionswertes (nicht ihrer Produktionsmenge!) und die Zahl ihrer Beschäftigten nicht groß. Trotzdem war die Rationalisierung und Betriebsvergrößerung des Yawata-Staatseisenwerkes i n jener Zeit bemerkenswert. I m Jahre 1930 belief sich sein Anteil an der gesamten japanischen Eisenproduktion auf 74 v. H. und an der gesamten Stahlproduktion auf 47 v. H. Während des Ersten Weltkrieges entwickelte sich die Werftindustrie sehr kräftig. Allerdings stagnierte sie danach aufgrund der konjunkturellen Wechsellagen und infolge der Abrüstungsmaßnahmen. Der gesamte Handelsschiffbau beanspruchte nur ein Fünftel der Werftkapazität. Außerdem verminderte sich die Zahl der Werftindustriearbeiter i n den zwanziger Jahren auf etwa ein Drittel. Staatsaufträge für den Bau von Kriegsschiffen w i r k t e n sich bei den privaten Werften kapazitätserhaltend aus und minderten die Existenzprobleme i n diesem W i r t schaftsbereich. Tabelle 24 Produktion der Schwerindustrie in Japan 1920—1945 (in t) Jahr

Roheisen

Stahlbarren

Schiffe

Schwefelsäure

1920 1925 1930 1935 1940 1945

191 774 85 832 193 735 1 948 735 3 556 282 982 443

213 059 324 070 824 719 4 689 915 7 584 576 949 882

486 984 48 185 206 146 141 920 307 161 607 575

701 063 1 380 125 2 278 438 423 875

Quellen: Ministerium für Industrie und Handel, a.a.O., 2. Bd., S. 158 und Wirtschafts•planungsamt, a.a.O., 1. Bd., S. 162 und 164.

I n die zwanziger Jahre fiel die Entstehung der chemischen Industrie. Die Schwefelsäureindustrie z. B. hing stark von der Kunstdüngerindustrie ab, so daß die Schwierigkeiten i n der Düngemittelindustrie während der Wirtschaftskrisen sich auf die Soda- und Schwefelsäureindustrie auswirkten. Da sich jedoch gerade i n dieser Periode die Schwefel7

Ikeda - Kato • Taiyoji

98

Kotaro Ikeda

säureammonium-, Rayon-, Farben- und Pulverindustrie konnte sich auch die Schwefelsäureindustrie ausdehnen.

entwickelte,

I n diese Periode fiel auch die Entstehung der monopolistischen Herrschaft der Asano und Onoda i n der Zementindustrie und die der Furukawa, Mitsubishi, Kuhara, Fujita und Sumitomo i n der Kupferproduktion.

V . Begleiterscheinungen dieses Industrialisierungsstadiums

Das Schwergewicht der Untersuchung lag bislang auf der Schilderung der Regierungstätigkeit und der Konzentration des Kapitals, die wiederum m i t einer zunehmenden Überlegenheit des Großkapitals verbunden war. M i t anderen Worten brachte diese Zeit den Untergang vieler selbständiger kleiner und mittlerer Unternehmungen sowie einiger neuer Zaibatsu und die weitere Stärkung der Herrschaft der alten mächtigen Zaibatsu mit sich. Aber der Prozeß wachsender Überlegenheit des Großkapitals bewirkte gleichzeitig die Rationalisierung i n den großen Unternehmungen sowie eine damit verbundene Arbeitskräftefreisetzung und fallende Arbeitslöhne. Es entstanden die Arbeiterfrage und die Existenzprobleme kleiner und mittlerer Unternehmungen. Dies galt sowohl für den industriellen Bereich als auch für die Vielzahl kleiner und mittlerer Agrar- und Handelsbetriebe. Hierin waren einerseits die typischen Probleme wachsender Volkswirtschaften, aber andererseits auch spezifische Strukturprobleme der japanischen Wirtschaft zu sehen, was allerdings damals noch nicht klar zu erkennen war. Man wertete sie als sozialpolitische Probleme, die unter zeitweiligen Sozial- und Wirtschaftsbedingungen, nicht aber unter dem Sozial- und Wirtschaftssystem an sich, entstanden waren. Diese Schwierigkeiten waren sozusagen ein Schatten, der über der Industrialisierung lag. 1. Die Arbeiterfrage

Tabelle 25 zeigt, daß die Gesamtzahl der Beschäftigten i n privaten Industriebetrieben m i t mehr als 5 Personen kontinuierlich von 1920 bis 1928 stieg, u m sich danach wieder zu vermindern. Von 1920 bis 1931 stieg die Zahl der Beschäftigten nur u m etwa 80 000; gleichzeitig verminderte sich jedoch die Zahl der i n öffentlichen Unternehmungen Beschäftigten um etwa 30 000. Während der zwanziger Jahre blieb also die Gesamtzahl der Industriebeschäftigten ungefähr gleich. Schon i m Jahre 1920 dürfte es einige hunderttausend Arbeitslose einschließlich einiger zehntausend Entlassener gegeben haben. Wenn man außerdem das Wachstum der Bevölkerung berücksichtigt, so dürfte die von der Behörde auf 350 000

3. Kap.: Finanz- und Geldpolitik in der Stagnation des Kapitalismus

99

oder 400 000 geschätzte Zahl der Arbeitslosen am Anfang der 30er Jahre zu gering sein. Wahrscheinlich hat es seinerzeit etwa 2,5 bis 3 Millionen Arbeitslose gegeben (Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung abzüglich der der Erwerbstätigen). I m Mittelpunkt der Industriearbeiterfrage stand also das Problem der Arbeitslosigkeit. Erst i n dieser Zeit entstand das Phänomen der großen unfreiwilligen Erwerbslosigkeit i n Japan. Die genaue Errechnung der Zahl der Erwerbslosen war sehr schwierig, weil eine spezifische W i r t schaftsstruktur vorlag, i n der die unfreiwillige, also die aktuelle Erwerbslosigkeit, leicht zu potentieller Arbeitslosigkeit werden konnte, d. h. i n Japan konnten aus Erwerbslosen notfalls leicht Bauern oder Kleinhändler werden. Tabelle 25 Zahl der Industriebeschäftigten in privaten und öffentlichen Betrieben (in Mill.) Arbeitnehmer i n privaten Industriebetrieben

Arbeitnehmer i n öffentlichen Betrieben

1920

1,76

0,19

1928

2,13

0,16

1930

1,87

0,13

1931

1,84

0,16

Jahr

Quelle: Ministerium

für Industrie und Handel, a.a.O., 1. Bd., S. 2 und 288.

Tabelle 26 Bevölkerungsentwicklung in Japan 1920—1940 (in Mill.) Jahr

GesamtBevölkerung

A n z a h l der 15 - 59 jährigen

Erwerbstätige Bevölkerung

1920

55,94

30,95

27,26

1930

64,45

36,08

29,61

1940

73,11

41,02

32,47

Quelle: Kazushi Ohkawa, Wachstumsrate der japanischen Wirtschaft (japanisch), Tokio 1956, S. 123, 127 und 131.

Eine Analyse der Beschäftigtenzahlen von 1920 und 1930 läßt auf eine schnelle Zunahme der Arbeitsplätze i m tertiären Bereich, insbesondere i m Groß- und Einzelhandel schließen. Die Zunahme i n diesen Branchen *

100

Kotaro Ikeda

betrug etwa zwei Millionen Beschäftigte. Unter diesen Beschäftigten befanden sich viele ehemalige Industriearbeiter. Die Maßnahmen zur Überwindung der Erwerbslosigkeit zu Anfang der zwanziger Jahre waren die von der Regierung unterstützte Bewegung „zurück zur Scholle" einerseits und die Vergrößerung der Stellennachweisorganisation, der Arbeitsämter, andererseits. Diese Maßnahmen waren nur wirksame Hilfen für die Uberwindung der friktionalen (strukturellen) Erwerbslosigkeit, nicht aber für die sog. unfreiwillige Erwerbslosigkeit. Zur Regulierung der Beschäftigung waren sie zwar nützlich, zur Vergrößerung der Beschäftigtenzahl jedoch nicht. U m neue Arbeitsplätze für die Erwerbslosen zu schaffen, wurden von 1925 an m i t finanzieller Hilfe des Staates öffentliche Arbeiten durchgeführt, wodurch Arbeitslose i n den Arbeitsprozeß eingegliedert werden konnten. I m Jahre 1930 nahm der Umfang der öffentlichen Arbeiten zwar erheblich zu, aber trotzdem fanden nur einige zehntausend Erwerbslose bei niedrigem Lohn Beschäftigung. Nichtsdestoweniger war die Tatsache, daß die Regierung überhaupt Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigung durchführte, für die Beseitigung der unfreiwilligen Erwerbslosigkeit von großer Bedeutung. M i t dem Versuch, die Industriearbeiterfrage bzw. das Erwerbslosenproblem zu lösen, war auch die Entwicklung spezifisch japanischer Beschäftigungsformen verbunden. Während der zwanziger Jahre führten große, überlegene Unternehmungen zum Zweck der Stabilisierung ihrer Betriebsgrundlagen das lebenslängliche Beschäftigungssystem m i t Stellungs- und Gehaltssteigerungen nach der Zahl der Dienstjahre ein 11 . Dabei beschäftigten sie als Stammarbeiter nur junge Probearbeiter oder Lehrlinge und die neuen Schulentlassenen aus der höheren Schule als Angestellte. Damit entstand sozusagen eine A r t von geschlossenem Beschäftigungssystem i n Japan. Die Entstehung dieses Systems setzte eine große Zahl zeitweilig beschäftigter Arbeiter i n den großen Unternehmungen voraus, die dadurch schlechte, unstabile Arbeitsbedingungen hatten, weil sie bei der Durchführung der Rationalisierung und Maßnahmen zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwankungen der großen Unternehmungen sofort ihren Arbeitsplatz verlieren konnten. So 11 Als Faktoren zur Entstehung des spezifisch japanischen Beschäftigungssystems werden noch einige spezifische Faktoren i n der sozialen u n d geistigen S t r u k t u r japanischer Unternehmungen erwähnt. Die alten Ideen über persönliche Beziehungen i m japanischen Gesellschaftsgefüge, w i e z.B. die der feudal-patriarchalischen Herrschaft sowohl i n der Gesellschaft als ganzes als auch i n den Familien, insb. die Idee der Loyalität u n d Treue zusammen m i t der Sitte der Hochachtimg vor der B i l d u n g u n d dem A l t e r w u r d e n die Grundlage der persönlichen Beziehungen zwischen den U n ternehmern u n d den Arbeitern u n d Angestellten. Erich Gutenberg, Über japanische Unternehmungen, Wiesbaden 1960, S. 10 ff.

3. Kap.: Finanz- und Geldpolitik in der Stagnation des Kapitalismus

101

genossen nur die Stammarbeiter und Angestellten bei der Depression eine A r t Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Andererseits strömte durch dieses System eine große Zahl überflüssiger Arbeitskräfte m i t niedrigem Lohn i n die kleinen und mittleren Unternehmungen. Außerdem ist zu beachten, daß es bis zu dieser Zeit mehr weibliche als männliche Industriearbeiter gab. Darin spiegelte sich die Tatsache wider, daß der Schwerpunkt der japanischen Industrie nach wie vor i n der Textilindustrie lag. I m Jahre 1930 erreichte die Zahl der Streikenden bei den Arbeitsstreitigkeiten den zweithöchsten Stand vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, und i m Jahre 1931 verzeichnet der sekundäre Sektor die kürzeste durchschnittliche Arbeitszeit. Diese Erscheinungen resultierten sowohl aus den demokratischen und sozialistischen Ideen als auch aus den sozialpolitischen Maßnahmen der damaligen Unterdrückungspolitik gegenüber den Sozialisten. Andererseits symbolisierten sie aber auch die bedrohlichen Ausmaße der großen Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre i n Japan. 2. Die Probleme der kleinen und mittleren Unternehmungen

Einige Probleme kleiner und mittlerer Unternehmungen wurden schon erwähnt. Durch die Krise und die chronische Stagnation i n den zwanziger Jahren waren die Probleme der Verelendung und des Unterganges vieler selbständiger Unternehmerexistenzen entstanden, hervorgerufen durch eine übermäßige Konkurrenz untereinander. Dagegen überwanden Großunternehmungen ihre Schwierigkeiten m i t der Bildung von Kartellen und der Übertragung ihrer eigenen Risiken auf die kleinen und mittleren Unternehmungen, was deren Probleme wiederum vergrößerte. Zur Stabilisierung ihrer wirtschaftlichen Grundlage bestimmten Großunternehmungen ihre Produktionskapazität sehr vorsichtig, und sie paßten die Steigerung und Minderung ihrer Aufträge an kleine und mittlere Unternehmungen der von den wirtschaftlichen Schwankungen abhängigen Steigerung und Minderung ihrer eigenen Produktion an 12 . Nun entstand allmählich die Tendenz zur Abhängigkeit der kleinen und mittleren Unternehmungen von den Großunternehmungen. Der Schwerpunkt der Gegenmaßnahmen der Regierung lag auf sozialpolitischem Gebiet bei der Unterstützung und Förderung solcher kleinen und mittleren Unternehmungen. Außerdem strebte die Regierung danach, diese zu rationalisieren durch Schaffung des Amtes zur Rationalisierung der Industrien (1930) und die Gesetzgebung für die Genossenschaft der wichtigen Exportindustrien (1924).

12

Erich Gutenberg, a. a. O., S. 46.

Viertes Kapitel

Die sog. Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft und die Finanz- und Geldpoliük (1931-1945) Von Kotaro Ikeda

I. Vorbemerkung

Die Bestrebungen, der chronischen Stagnation zu entrinnen, gipfelten i n drei dramatischen Geschehnissen, nämlich dem Mandschurei-Krieg, dem Attentat auf den Ministerpräsidenten und der Wiederaufhebung der Goldausfuhr. Diese Ereignisse geschahen i n den Jahren 1931 und 1932. Die ersten beiden verursachten die Verbreitung des Militarismus und Imperialismus und den Ubergang von der Demokratie (Parteienregierung) zur Regierung unter militärischer und bürokratischer Kontrolle. M i t anderen Worten, sie öffneten den Weg zum Faschismus und damit zur Verschlechterung der internationalen Verhältnisse. M i t dem dritten Ereignis trat Japan als ein Glied in die Kette der Großmächte ein, die das Goldwährungssystem und damit schließlich den freien Welthandel aufgaben. Diese drei Ereignisse zusammen öffneten den Weg zur Autarkie oder Blockwirtschaft. Das alles strebte einem binnenwirtschaftlichen Ausgleich auf Kosten des internationalen Ausgleichs zu, ja, sogar einer Verschiebung der binnenwirtschaftlichen Schwierigkeiten nach außen. Binnenwirtschaftlich führte die Regierung nun das manipulierte Währungssystem (the managed currency system) ein und verstärkte damit zum Zweck der Wiederbelebung des stagnierenden Kapitalismus die Interventionen immer mehr. Auch die Leistungsfähigkeit der Finanz- und Geldpolitik stieg auffallend. Gleichzeitig betrieb sie außenwirtschaftlich die sog. Social-Dumping-Politik, d. h. die Erhöhung des Zolltarifs und die Herabsetzung des Kurses, womit sie eine Stärkung ihres Blocks und eine Verschärfung der Gegensätze zwischen den Blöcken erreichte. Nach dieser Zeit wurde die japanische Wirtschaft manchmal als „staatsmonopolistischer Kapitalismus" bezeichnet. Dies war kein ungeeigneter Ausdruck i n dem Sinne, daß erstens der Staat immer zur Vorbeugung oder Milderung der Krise und für die Stabilisierung der Wirtschaft i n einem kapitalistischen System eintreten und sie unterstützen mußte,

4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft

103

zweitens die staatliche Politik erst durch den Zusammenschluß von Finanz- und Geldpolitik auf der Grundlage des manipulierten Währungssystems eine entscheidende Rolle für die Entwicklung und Stabilisierung der Wirtschaft spielen konnte. Allerdings mündet die nun folgende Entwicklungsphase i n den Zweiten Weltkrieg ein. Nach dem Jahre 1932 begann Japan sich zwangsweise auf den Zweiten Weltkrieg vorzubereiten, i n den es schließlich eintrat. Für Japan war der Zweite Weltkrieg buchstäblich der „totale Krieg", der endgültige Abschluß des Kapitalismus, der bisher nicht nur seine Entstehung und Entwicklung, sondern auch Krise und Stagnation durchlaufen hatte. I m Jahre 1945 brach m i t der Niederlage auch die Wirtschaft Japans völlig zusammen. Die Wirtschaftsentwicklung bis zu diesem Zusammenbruch läßt sich deutlich i n zwei Zeitabschnitte unterscheiden, einmal in die Periode von 1932—1937 (vom Mandschurei-Krieg bis zum Ausbruch des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges) und zum anderen in die Periode von 1937—1945 (vom Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges). Der erste Zeitabschnitt war die sog. Quasi-Kriegszeit und der zweite die reguläre Kriegszeit. Die Entwicklung der japanischen Wirtschaft verlief i n beiden Zeitabschnitten auf gleicher Linie. Trotzdem sind die zwei Stufen klar zu erkennen. Schon i m Jahre 1932 hatte Japan auf dem asiatischen Kontinent einen kleinen Krieg m i t China begonnen. Aber damals strebte Japan hauptsächlich danach, der chronischen Stagnation zu entrinnen. Auch nach dem Jahre 1937 setzte es den Krieg fort, aber gleichzeitig verstärkte es seine Kriegsmacht, und i m Jahre 1941 trat es i n den Zweiten Weltkrieg ein. Während dieser Zeit änderte Japan seine Wirtschafts- und Sozialverfassung, um sie i n Ubereinstimmung m i t den Kriegsbedingungen zu bringen. Aber m i t dem Zusammenbruch i m Jähre 1945 wurden alle diese Bestrebungen zunichte gemacht. II. Der Industrialisierungsprozeß von 1931 bis 1937 unter dem Einfluß der Finanz- und Geldpolitik A m Anfang der dreißiger Jahre befand sich die japanische Wirtschaft i n tiefer Stagnation. Die schwere Depression nach der großen Krise senkte die Preise, erhöhte die Zahl der Erwerbslosen in den Städten erheblich und verursachte die Stillegung vieler Produktionsanlagen i n den Industriebetrieben. Außerdem war die Verelendung der Bauern zu einem ernsten Problem geworden. Diese Situation lag auch i n vielen anderen kapitalistischen Ländern vor. Zwar versuchten alle Länder, die chronische Stagnation zu über-

104

Kotaro Ikeda

winden, und i n den Maßnahmen, die sie durchführten lag eine auffallende Einheitlichkeit. Nehmen w i r als Beispiel die Außenpolitik. I m Jahre 1931 gab England das Goldwährungssystem auf, und i m Jahre 1932 bildete es den sog. Sterling-Block. Nach dem englischen Muster gaben andere Großmächte bzw. Industrienationen sofort das Goldwährungssystem auf und bildeten ihrerseits ebenfalls einen Wirtschaftsblock. Dies zwang auch die weniger entwickelten armen Staaten zur Bildung ihres eigenen W i r t schaftszusammenschlusses. Alle Großmächte errichteten zur Stabilisierung ihrer eigenen Wirtschaft einen großen Wirtschaftsblock unter ihrer Herrschaft. Aber sie erreichten dadurch anstelle eines optimalen Systems weltwirtschaftlicher Arbeitsteilung internationale Gegensätzlichkeiten. Die Gründe dafür sind i n folgenden Tatsachen zu sehen: 1. die Großmächte strebten die Uberwindung der Weltwirtschaftskrise an, und 2. nach dem Ersten Weltkrieg dominierte bei den Großmächten nationalistisches Ideengut, welches bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik — unter dem Einfluß militärischer Aspekte — starkes Autarkiestreben mit sich brachte. I n unserem Falle wurde, nach außen hin unter der Fahne der Gerechtigkeit, d. h. u m dem Verlangen der armen Staaten nach der Bildung eines Wirtschaftsblocks Rechnung zu tragen, der mandschurischjapanische Wirtschaftsblock geschaffen; tatsächlich aber waren militärisch faschistische Machtbestrebungen für seine Entstehung entscheidend. Ohne Einfuhr von Rohstoffen und Präzisionsmaschinen aus den sog. reichen Blöcken konnte Japan jedoch nach wie vor weder seinen Block stärken noch seine eigene Wirtschaft erhalten. I n diesem Sinne befand sich Japan i n der Politik auf einem isolierten Kurs, wie z. B. durch den Mandschurei-Krieg und den ihn begleitenden Austritt aus dem Völkerbund, aber gleichzeitig mußte es i n der Wirtschaft den Weg der internationalen M i t w i r k u n g einschlagen, weil dies für die hohe Einfuhrquote und die dieser entsprechenden Ausfuhr unausweichlich war. Erst unter dem Aspekt der politischen und wirtschaftlichen Stellung des damaligen Japan ist die Finanz- und Geldpolitik i n der ersten Hälfte der dreißiger Jahre, die sog. Takahashi-Finanzpolitik, zu verstehen. Die Periode der Takahashi-Finanzpolitik dauerte etwa fünf Jahre und umfaßte fast alle wichtigen Probleme und Maßnahmen i m Finanz- und Geldwesen der damaligen Zeit.

1. Überblick über die Takahashi-Finanzpolitik

Von Ende 1931 bis Anfang 1936, d. h. vom Verbot der Goldausfuhr bis zum Attentat junger Offiziere auf Kabinettsmitglieder, war außer einer kurzen Unterbrechung K . Takahashi Finanzminister, und man nannte

4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft

105

seine Finanz- und Geldpolitik Takahashi-Finanzpolitik, weil sie nicht nur einen anderen Charakter hatte und andere Wege ging als die InoueFinanzpolitik, sondern sich auch durch ihre Einheitlichkeit und Systematik 1 auszeichnete. Als erste Maßnahme zur Uberwindung der schwierigen Lage verbot K . Takahashi die Goldausfuhr. Danach bildete er i n seiner Finanz- und Geldpolitik folgende Schwerpunkte: die Ausdehnung des Finanzbedarfs, insbesondere des Militärbedarfs, die Durchführung der Pläne zur Überwindung der Krise und die Ausgabe öffentlicher Schuldscheine mittels Übernahme durch die Bank von Japan. a) Die Ausdehnung des Finanzbedarfs Wegen der Unabhängigkeit der Mandschurei und der dortigen Stationierung der japanischen Truppen wurden die sog. außerordentlichen Staatsausgaben für den Mandschurei-Krieg zu ordentlichen. Infolge der Spannungen i n den internationalen Beziehungen verlangte die Armee die Stärkung und Modernisierung des Militärwesens. Nach der Auflösung des sog. Parteienkabinetts (1918—1932) i m Jahre 1932 wurde die Intervention der Armee auf politischem Gebiet immer heftiger. Die Militärausgaben i m weiteren Sinne, d. h. die Ausgaben des Heeresministeriums und des Marineministeriums, der Alters-Pension für die Aktiven, der Kriegerwitwen- und Waisenpension usw., vergrößerten sich erheblich. I m Jahre 1931 beliefen sich die Militärausgaben i m weiteren Sinne auf 561 Millionen Yen, d. h. sie nahmen 38 v. H. der gesamten Staatsausgaben ein, und i m Jahre 1935 war ihr Anteil an den gesamten Staatsausgaben 52,1 v. H., i m Jahre 1937 stieg die Summe auf 1,53 Milliarden Yen, d.h. 53,4v.H. der gesamten Staatsausgaben2. Der größte Teil der Militärausgaben erstreckte sich auf den Ankauf von Erzeugnissen der Schwer- bzw. Rüstungsindustrie. b) Das Stützungsprogramm Das sog. Stützungsprogramm zur Überwindung der Krise beinhaltete eine großzügige Sozialpolitik, die die Regierung zur Hilfe für die Landwirtschaft sowie für kleine und mittlere Unternehmen von 1932 bis 1934 aufgenommen hatte. Die Regierung vergab öffentliche Aufträge und verlieh Geld zu niedrigem Zinsfuß, womit sie die Ablösung der Schulden 1 I n der Finanzgeschichte Japans k a n n m a n unter Zugrundelegung dieser K r i t e r i e n von der Ohkuma- u n d MatsuJcata-Finanzpolitik i n der M e i j i - Z e i t u n d der InoueTakahashiu n d ikeda-Finanzpolitik i n der Showa-Zeit sprechen. Wie bereits erwähnt wurde, führte J. Inoue, der Vorgänger K . Takahashis, die sog. orthodoxe Finanz- u n d Geldpolitik durch. 2 Finanzministerium, Die Finanzgeschichte i n der Showa-Zeit (japanisch), 3. Bd., a. a. O., Tokio 1955, S. 203.

106

Kotaro Ikeda

der Bauern, die Stabilhaltung der Agrarpreise, die Agrarfinanzierung usw. fördern wollte. Der Staat gab zusammen m i t den Gemeinden ungefähr 800 Millionen Yen aus und gewährte außerdem die gleiche Summe als Darlehen. c) Die Ausgabe von öffentlichen Schuldscheinen mittels Übernahme durch die Bank von Japan Die öffentlichen Kredite hatten als Deckungsgrundlage für die stetig wachsenden militärischen und sozialpolitischen Ausgaben ausschlaggebende Bedeutung. Es war sehr schwierig für die Regierung, am Anfang der dreißiger Jahre eine einschränkende Finanzpolitik durchzuführen, weil man Angst hatte, die Stagnation der Wirtschaft damit zu verstärken. Die Vergrößerung der Staatsausgaben war unvermeidlich. Aber die Einnahmequelle dafür sah man nicht i n einer Vergrößerung der Steuereinnahmen, weil das nicht nur den wirtschaftlichen Stillstand verstärkt hätte, sondern auch praktisch undurchführbar gewesen wäre. I m Jahre 1932 gab die Regierung öffentliche Schuldscheine als Ergänzung der allgemeinen ordentlichen Einnahmen aus; es wurde eine Staats Verschuldungspolitik betrieben. Wegen der schweren Depression war es unmöglich, die öffentlichen Schuldscheine unter normalen Bedingungen auszugeben. Finanzminister Takahashi erfand eine neue Ausgabemethode, indem er den kleineren Teil der öffentlichen Schulden vom DepositenBüro des Finanzministeriums übernehmen ließ und den restlichen größeren Teil von der Bank von Japan. Es entstand das System der Ausgabe von öffentlichen Schuldscheinen durch Verkauf an die Bank von Japan. Der Umriß des Systems war wie folgt: Zuerst lieferte die Regierung der Bank von Japan einen bestimmten Betrag an öffentlichen Schuldscheinen. Dafür gab die Bank der Regierung die gleiche Summe i n Papiergeld. Die Regierung benötigte das Papiergeld als Fonds, aus dem die Staatsausgaben bestritten wurden, so daß das Geldangebot auf dem Geldmarkt stark vergrößert wurde. Aufgrund der zunehmenden Mittelbestände i n den Banken und anderen Geldinstituten verkaufte die Bank von Japan die öffentlichen Schuldscheine, die sie von der Regierung übernommen hatte, an private Banken und andere Geldinstitute, womit sie das schon emittierte Papiergeld aus dem Umlauf zu ziehen beabsichtigte. Diese Methode hat die Vergrößerung der Geldmenge zur Folge, beschleunigt also eigentlich die Inflation. Aber wenn die Bank von Japan die vorhandenen öffentlichen Schuldscheine verkaufen konnte, war es möglich, sie auszugeben, ohne daß es zu einer Inflation kam. Vom Standpunkt der privaten Banken und Geldinstitute aus gesehen, war ein Fonds entweder zum Kauf von öffentlichen Schuldscheinen oder zur Finanzie-

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rung industrieller Vorhaben zu verwenden. Wenn die Nachfrage nach Mitteln zur Finanzierung industrieller Investitionen nicht sehr stark war, m i t anderen Worten, wenn es einen unbeschäftigten Fonds bei den privaten Banken und Geldinstituten gab, so war es einfach, damit die öffentlichen Schuldscheine aufzukaufen. Der Verkauf der i n der Bank von Japan vorhandenen öffentlichen Schuldscheine bildete einen Teil der „open market Operations" (Offenmarktoperationen). Takahashi plante, die Bank von Japan unter bestimmten Umständen die öffentlichen Schuldscheine von den privaten Banken zurückkaufen zu lassen. M i t diesem Gedanken wollte er als vollkommene „Offenmarktoperationen" den Verkauf der i n der Bank von Japan vorhandenen öffentlichen Schuldscheine an die privaten Banken und Geldinstitute durchführen. Aber in Wirklichkeit führte die Bank von Japan nur die „open market sales" (Verkäufe am offenen Markt) durch und nicht den „open market purchase" (Käufe am offenen Markt). Allerdings lieh die Bank von Japan Geldmittel an private Banken und Geldinstitute gegen Verpfändung der öffentlichen Schuldscheine aus. Diese Darlehen hatten einen ähnlichen Effekt wie der „open market purchase". Zum Gelingen dieser öffentlichen Schuldenpolitik schuf Takahashi neue wirtschaftliche und finanzielle Bedingungen. Hier soll zunächst die A k t i v i t ä t der Bank von Japan, d. h. die Übernahmeseite, analysiert werden. Für die Übernahme der öffentlichen Schuldscheine mußte sie die Emissionsmöglichkeit ihrer Banknoten erheblich erhöhen. Takahashi erhöhte die gesetzliche obere Emissionsgrenze m i t Goldreserven von 120 Millionen Yen auf 1 Milliarde Yen und setzte den Emissionsbeitrag der Bank für den Emissionsbetrag über die gesetzliche Begrenzung von 5 v. H. auf 3 v. H. herab. Weiter mußte er Maßnahmen ergreifen, um die laufende Ausgabe der Öffentlichen Schuldscheine zu ermöglichen. Erstens hatte er zur Erleichterung ihrer Ausgabe ihren Kurs hochzuhalten, zweitens mußte er zur Verringerung der Staatsausgaben den Zins für die öffentliche Schuld möglichst herabsetzen. Zur Erreichung des ersten Zwecks war der höhere Zinsfuß für die öffentlichen Schuldscheine angemessen, so daß es zwischen beiden Zielen eine Antinomie gab. Aber diese Antinomie ist nur eine scheinbare, da es zur Erreichung des ersten Zieles eines relativ zum Zinsniveau hohen Zinses bedurfte. Nun führte Takahashi einerseits die Herabsetzung des Zinsniveaus durch 3 , andererseits veranlaßte er die Bank von Japan, die öffentlichen Schuldscheine als Pfand für Darlehen an die Geldinstitute zu bevorzugen. M i t den oben geschilderten Maßnahmen wollte er beide Ziele gleichzeitig erreichen. Wenn er nur 3 I m Jahre 1932 setzte er z. B. dreimal den Diskontsatz der Bank von Japan herab u n d senkte den Zinssatz der Postspargelder.

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Kotaro Ikeda

eine Zinssenkungspolitik durchgeführt hätte, wäre es nicht einfach gewesen, den Kapitalfluß ins Ausland zu hemmen. So aber wurden Kapitalflucht und Kursspekulation begrenzt. Unter den damaligen wirtschaftlichen Umständen konnte er diese Maßnahmen leicht durchführen. Wegen der allmählichen Wiederbelebung der Wirtschaft häufte sich viel Geld bei den Banken und anderen Geldinstituten an. Andererseits war die Nachfrage der industriellen Unternehmungen nach Kapital nicht sehr groß. Deshalb hatte der Kauf öffentlicher Schuldscheine für die Banken und andere Geldinstitute einen großen Reiz. Für einige Zeit vollzogen sich die „open market sales" ohne Hemmnisse, und das wiederum ermöglichte die Ausgabe der öffentlichen Schuldscheine zu niedrigem Zins. Während des Zeitraums von Oktober 1932 bis Ende 1935 kaufte die Bank von Japan 82 v. H. der insgesamt ausgegebenen öffentlichen Schuldscheine, die sich auf etwa 3,38 Milliarden Yen beliefen, und davon konnte sie 85 v. H. an die privaten Geldinstitute verkaufen 4 . Außerdem erreichte die Regierung durch die Herabsetzung des Zinses, daß sich trotz der erheblichen Erhöhung der öffentlichen Schuldscheine die Staatsausgaben dafür nicht so stark vermehrten. Das war sehr günstig für die weitere Verschuldung der öffentlichen Hand. Unter den Einnahmen des Hauptetats stieg der A n t e i l der Einnahmen aus den Staatsschulden i m weiteren Sinne schnell von 7,9 v. H. (im Jahre 1931) auf 32,2 v. H. (im Jahre 1932), während der aus den Steuern im engeren Sinne von 48 v. H. auf 33,9 v. H. fiel 5 . d) Die Idee der Finanzpolitik

Takahashis

A u f welchen Grundlagen basierten nun die genannten Maßnahmen Takahashis? Es ist bekannt, daß Takahashi gegen die Ausweitung der Militärausgaben eingestellt war und daß er sich sehr stark gegen die Vergrößerung der ohnehin schon sehr hohen Militärausgaben wandte. „Takahashi, the Finance Minister, who succeeded Inoue, was by no means a cat's-paw of the militarists 6 ." Insofern sind also diese Maßnahmen, d.h. die Vergrößerungen der Staatsausgaben für militärische Zwecke, gegen seinen Willen erfolgt. Was die Unterstützungsmaßnahmen anlangt, so war er verantwortlich für ihre Konzeption und ihr Gelingen oder Mißlingen. Die Hauptaufgabe der Hilfsmaßnahmen i n dieser Situation lag auf sozialpolitischem Gebiet. 4

Finanzministerium, a. a. O., 10. Bd., Tokio 1955, S. 339. Wirtschaftsplanungsamt, Wirtschaftsstatistik Japans (japanisch), 2. Bd., Tokio 1964, S. 120 f. 6 George C. Allen, Japan's Economic Expansion, Oxford 1965, S. 3. 5

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Durch die Vergabe von öffentlichen Aufträgen gab er den Arbeitslosen die Gelegenheit zur Beschäftigung und den Schichten m i t niedrigem Einkommmen die Möglichkeit, ihr Einkommen zu steigern. Außerdem hatte er vor, durch finanzielle Hilfe die Bauern aus ihrer tiefen A r m u t zu retten. Er glaubte, daß diese Maßnahme nebenbei auch für die Wiederbelebung der Wirtschaft bedeutsam sein könnte. Aber die Hauptmaßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft waren die Subventionsausgaben des Staates und die Finanzierung der großen Unternehmungen m i t staatlicher Hilfe, die i n den zwanziger Jahren einsetzte. M i t ihrem Einsatz war die Absicht verbunden, durch Steigerung der effektiven Kaufkraft, die durch die Unterstützungsausgaben verursacht wurde, die Preise etwas zu steigern, so daß auf diese Weise eine Hilfe zur Wiederbelebung der Wirtschaft gegeben werden konnte, d.h. daß die Unternehmer durch die steigenden Preise zu Produktionsausweitungen veranlaßt würden. Es ist außerdem zu vermuten, daß seine Maßnahmen vor allem als Reaktion auf die Furcht vor einer Wirtschaftskrise aufzufassen sind und daß er der Ansicht war, eine weitere Verelendung der Masse könne sowohl die Verschlechterung der Moral als auch eine körperliche Schwächung der Soldaten verursachen. Er befürchtete, daß alle politischen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, die das Wesen des Staates ausmachen, an Substanz verlören. Was die Ausgabe der Schuldscheine betrifft, so kann man sagen, daß die Originalität der Ausgabemethode der öffentlichen Schuldscheine m i t der Übernahme durch die Bank von Japan ebenfalls auf den Finanzminister Takahashi zurückzuführen ist. Der Hauptzweck dieser Ausgabemethode lag nicht i n der positiven inflationistischen Politik, mit der die Wiederbelebung der Wirtschaft direkt erreicht worden wäre. Wegen der wirtschaftlichen Stagnation und der Knappheit des Geldes ergriff er diese Methode als einzig durchführbaren Weg. Er hoffte, nach einer Wiederbelebung der Wirtschaft und nach einer Vergrößerung der Steuereinnahmen die öffentlichen Schuldscheine tilgen und dadurch das ausgeglichene Budget wiederherstellen zu können. Er sagte ausdrücklich, daß diese Methode nur ein zeitweiliger Notbehelf sei und hatte nicht die Absicht, die Tilgung der öffentlichen Schuldscheine aufzugeben. Die öffentlichen Investitionen und die Ausgabe der öffentlichen Schuldscheine sind einigermaßen leistungsfähig als „pump-priming". M i t ihrer Hilfe konnte durchaus die Erreichung der langfristigen Stabilisierung der Finanzen und des Kreditwesens angestrebt werden. Durch die sog. „Gewalt der finanzpolitischen Lage" (F. K. Mann) konnte es für Takahashi gar keinen anderen Weg geben als das Ansehen, die Glaubwürdigkeit des Staates zu benutzen und das Ziel eines langfristig ausgeglichenen Budgets zu verfolgen. Das Schwergewicht lag also mehr auf fiskalischen als auf wirtschaftspolitischen Erwägungen.

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Aus dem Gesagten geht hervor, daß die Grundidee der TakahashiFinanzpolitik die Vorstellung einer Gesundungspolitik war, wenn sie auch bei oberflächlicher Betrachtung eine andere Gestalt zeigte. Takahashi selbst behauptete z. B. insbesondere zu Beginn seiner Regierungszeit, daß seine Finanzpolitik keine sog. Gesundungspolitik sei. Der Grund dafür könnte i n der Absicht gelegen haben, den Unterschied zwischen der m i t diesem Namen bezeichneten Gesundungspolitik seines Vorgängers, des Finanzministers Inoue, und seiner eigenen Finanzpolitik hervortreten zu lassen. Zudem lag auch i n den Erscheinungsformen seiner Finanzpolitik und der bisher so genannten Gesundungspolitik ein großer Unterschied. Hierin war ein realistischer Kompromiß zwischen der „Gewalt der finanzpolitischen Lage" und seiner Gesundungspolitik zu sehen. Es gibt keinen festen, unmittelbaren Beweis, der die Gültigkeit dieser Erklärung bestätigen könnte. Als einen mittelbaren Beweis dafür kann man allerdings die Ähnlichkeit zwischen der Finanz- und Geldpolitik der damaligen Großmächte und jener von Takahashi anführen. Die Regierungen der damaligen Großmächte behaupteten prinzipiell eine Gesundungspolitik zu betreiben. Aber unter den Umständen der großen Depression, die während des Zeitraums vom Ende der zwanziger Jahre bis Anfang der dreißiger Jahre die wirtschaftliche Situation der Großmächte kennzeichnete, und durch die Aufgabe des Goldwährungssystems konnten viele Länder keine Steuererhöhung durchführen, durch die das Defizit i m Staatshaushalt zu decken gewesen wäre, weil diese Maßnahme die Depression nur noch gesteigert hätte. Allmählich benutzten die Regierungen der Großmächte die Vergrößerung der Staatsausgaben über die Ausgabe öffentlicher Schuldscheine als leistungsfähiges M i t t e l gegen die Depression 7 . Auch die Tafcahashi-Finanzpolitik bildete ein Glied i n der Kette der internationalen Wende der Finanzpolitik i n der Stagnationsperiode des Kapitalismus. e) Würdigung der Finanzpolitik

Takahashis

Allen schrieb, daß „this was, i n fact, a fullemployment policy, launched four years before Keynes ' General Theory provided h i m w i t h a theoretical justification 8 ." Es bedarf keiner ausdrücklichen Hinweise, daß in der Aussage Allens eine gewisse Übertreibung liegt. 7 A l s typisches Beispiel dafür können w i r die Finanzpolitik Großbritanniens i n jener Zeit erwähnen. Ursula K . Hicks, B r i t i s h Public Finances, Oxford 1954, S. 151 ff. 8 George C. Allen, A Short Economic History of Modern Japan, 2. Aufl., London 1962, S. 136. Siehe auch Allen, Japan's Economic Expansion, Oxford 1965, S. 3.

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Bei Durchführung der oben geschilderten Maßnahmen benutzte Takahashi die Erfahrungen der damaligen Finanzpolitik der Großmächte 9 und die Theorie der Finanzpolitik der „New Economics" 10 , deren erste Anfänge damals sichtbar wurden. Aber er führte die Maßnahmen nie unter den Keynes'sehen Aspekten der Multiplikator-Theorie durch. I h m fehlte die Einsicht, daß i n der damaligen Lage nur durch die Vergrößerung der Unausgeglichenheit des Budgets ein Ausgleich für die Volkswirtschaft als ganzes erreicht werden könnte. M i t anderen Worten, i m System seines Gedankenganges läßt sich nicht die Erkenntnis des vollständigen manipulierten Währungssystems finden. Seine Gedanken über die Ausgabe der öffentlichen Schuldscheine und den Kauf durch die Bank von Japan und über die Hilfsmaßnahmen basierten auf der Annahme, daß man mit diesen Maßnahmen die stagnierende Wirtschaft automatisch wiederbeleben und diese Eingriffe danach einschränken oder aufgeben könne. Deshalb konnte er seine Maßnahmen m i t dem Argument der sog. Gesundungs-Finanzpolitik vereinbaren. Wenn auch die TaJcahashi-Finanzpolitik als Gesundungs-Finanzpolit i k beabsichtigt war, so hatte sie i n der Realität den Charakter der „Fiscal Policy". Die originelle, erleichternde A r t der Ausgabe öffentlicher Schuldscheine bereitete den Weg von der Gesundungs-Finanzpolit i k zur positiven, fiskalpolitischen öffentlichen Schuldenpolitik 11 . Takahashis fiskalische und finanzielle Verfassungsreform, die oben schon erwähnt wurde, bedeutete die Stärkung einer vielseitigen Kontrolle der Regierung über den Geld- und Kreditmarkt. Auch das schuf eine Voraussetzung für die Durchführung der „Fiscal Policy". Die Takahashi-Finanzpolitik bot unfreiwillig ein leistungsfähiges M i t tel zur Kriegsfinanzierung an. Nach Takahashis Ansicht sollte die sog. Gesundungspolitik die Rolle eines Wellenbrechers gegen den Faschismus und Militarismus spielen. Deshalb begrenzte er die Vergrößerung des Militärbedarfs so weit, daß die übrigen Staatsausgaben des Hauptetats ihr M i n i m u m nicht überschreiten mußten. Außerdem erlaubte er die Übertragung der Einnahmen des Sonderetats i n den Hauptetat. Er 9

E i n ähnliches Verfahren w i e die Ausgabe der öffentlichen, langfristigen Schuldscheine m i t der Übernahme durch die B a n k von Japan (die Zentralbank) wurde i n Deutschland während des Ersten Weltkrieges i n großem Maßstabe durchgeführt. A b e r i n Deutschland wurde dieses Verfahren n u r m i t kurzfristigen Schatzanweisungen durchgesetzt. Z u beachten ist dabei, daß dieses Vorgehen bis zur Zeit des Ersten Weltkrieges schon üblich geworden war. Diese Schatzanweisungen w u r d e n bei Fälligkeit erneuert. Vgl. Rudolf Stucken, Deutsche Geld- u n d K r e d i t p o l i t i k , 3. Aufl., Tübingen 1964, S. 13 ff. 10 Anläßlich eines Vortrags (im A p r i l 1933) zitierte Takahashi das Buch von John Maynard Keynes, The Means to Prosperity, London 1933. 11 Danach w a r Japan „ . . . das erste Land, das den Staatskredit zu einem konjunkturpolitischen Instrument gemacht u n d m i t dem Einsatz eine W i r t schaftsbelebung durchgeführt hat." Siegfried Schulze, Wandlungen i n der staatlichen K r e d i t p o l i t i k der Großmächte, Jena 1940, S. 99.

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glaubte, daß auf diese Weise die Vergrößerung der Militärausgaben, die von der Militärclique gefordert wurde und ohne Lebensgefahr niemand ablehnen konnte, so weit wie möglich begrenzt werden könnte. Aber diese Maßnahmen an sich wurden i m Gegensatz zu seiner Absicht zu einem leistungsfähigen Träger, der die rasche Vergrößerung der M i l i tärausgaben ermöglichte, weil nach einiger Zeit aus einigen Sonderetats große Beträge auf den Hauptetat übertragen werden konnten. Über die Ausgabemethode der öffentlichen Schuldscheine ist Ähnliches zu sagen. Diese wurde ebenfalls ein effektiver Träger für die grenzenlose Ausdehnung des Militärbedarfs. Der Erfolg der Takahashi-Finanzpolitik als Maßnahme zur Überwindung der Depression war i m Grunde nur ein zeitweiliger, zumal sie einige positive Ergebnisse der gescheiterten Inoue-Finanzpolitik ausnutzen konnte, die sich bei letzterer nicht mehr auswirkten. Zwar hatte Finanzminister Inoue die Vertiefung der Depression und den Stillstand der Ausfuhr verschuldet, aber gleichzeitig hatte seine Politik sowohl die Stilllegung großer Kapitalanlagen und die Entlassungen von Arbeitskräften als auch die Rationalisierung der Unternehmungen und die Senkung der Preise von Industrieprodukten gebracht. A u f diese Weise hatte Inoue den Boden für die kommende Wirtschaftsentwicklung vorbereitet und so den Grund für den zeitweiligen Erfolg der Takahashi-Finanzpolitik gelegt. I m Ganzen gesehen war die TaJcahasTw-Finahzpolitik für die Uberwindung der Depression nicht sehr wirkungsvoll. Die Tatsache, daß die Wiederbelebung der modernen Großindustrie schneller vor sich ging als die der Landwirtschaft und der kleinen und mittleren Industrieunternehmungen, war ein mittelbarer Beweis dafür. Nachdem die durch die Inoue-Finanzpolitik geschaffenen Voraussetzungen für die Wiederbelebung der Wirtschaft beseitigt waren, kamen viele Widersprüche innerhalb der Takahashi-Finanzpolitik an den Tag. Unvermeidlich hatte seine Finanz- und Geldpolitik die Inflation zur Folge. Beendet wurde diese Periode der Finanzpolitik durch die Ermordung Takahashis. Seine nach wie vor unveränderte Einstellung gegen die Vergrößerung der Militärausgaben rief die Militärs zur A k t i o n und führte nach seiner Ermordung zu einer Anwendung seiner finanzpolitischen Maßnahmen auch auf die Deckung der Kriegsausgaben. 2. Die Industrialisierung Japans zwischen 1931 und 1937

Nach der Schätzung von Yamada 12 belief sich der Wert der Industrieprodukte i m Jahre 1931 auf 5,52 Milliarden Yen und der Heimindustrie12 Yuzo Yamada, Unterlagen zur Schätzung des Volkseinkommens (japanisch), 2. Aufl., Tokio 1956, S. 187.

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Produktion auf 1,20 Milliarden Yen (zusammen 6,72 Milliarden Yen). Diese Beträge erhöhten sich i m Jahre 1937 auf 16,92 Milliarden Yen (Industrien) und 1,90 Milliarden Yen (Heimindustrie), zusammen 18,82 Milliarden Yen. I n den sechs Jahren steigerte sich die gesamte Industrieproduktion um das 2,7fache, während sich die Fabrikindustrieproduktion etwa verdreifachte. Dabei ist zu beachten, daß der Wert der Industrieprodukte und das Preisniveau i m Jahre 1931 den niedrigsten Stand während der zwanziger und dreißiger Jahre erreichten. Es kann also gesagt werden, daß das reale Wachstum der Industrie von 1931 bis 1937 etwas niedriger war als oben angeführt. I m allgemeinen kann man aber feststellen, daß die Expansion der japanischen Wirtschaft i m Vergleich zur vorherigen und nachfolgenden Zeit und zu der des Auslandes relativ stark war 1 3 . a) Die Leichtindustrieproduktion Durch die Rationalisierung der Industriebetriebe i n den zwanziger Jahren wurde zu Anfang der dreißiger Jahre eine beträchtliche Senkung der Produktionskosten erreicht. Außerdem wurden i n immer stärkerem Maße bisher unbeschäftige Produktionsanlagen und Arbeitskräfte i n die Leichtindustrieproduktion einbezogen. Weiter beschleunigten die Kursrückgänge die Exportsteigerungen an Gebrauchswaren, und somit wurde das Wachstum der Leichtindustrieproduktion gefördert. Seit 1932 erholte sich die Leichtindustrie schnell und ihre Produktion erreichte schon zu Anfang der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre ihren Höchststand, der bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr erreicht wurde. Zu beachten ist dabei, daß dieser Stand der Produktion nicht hauptsächlich durch Neuinvestitionen, sondern durch Auslastung der während der Depressionszeit unbeschäftigten Produktionskapazität verursacht wurde. Vor allem die Baumwollindustrie erfuhr i n der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre einen großen Aufschwung. Dagegen erreichte die Seidenindustrie schon i m Jahre 1934 ihre Höchstproduktion. I n dieser Zeit verdrängten die Baumwollprodukte die Seidenwaren aus ihrer führenden Position i n der Liste der Exportgüter. Der A n t e i l der Baumwollwaren am gesamten Ausfuhrerlös betrug i m Jahre 1932 22,1 v. H. und 13 „The index of industrial production given i n the Statistical Year Book of the League of Nations shows a fall from 100 i n 1929 to 92 i n 1931 and then a rapid and uninterrupted rise to 151 i n 1936 and 171 i n 1937. This immense increase i n output took place d u r i n g a period i n which production i n the United States failed to regain the level of 1929; i n the United K i n g d o m i t i n creased, between 1929 and 1937, b y less than 25 per cent." George C. Allen, Japan's Economic Expansion, Oxford 1965, S. 4.

8

Ikeda - Kato - Taiyoji

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i m Jahre 1937 19,7 v. H., dagegen war der der Seidenwaren von 30,7 v. H. (1932) auf 15,1 v. H. (1937) gesunken 14 . b) Die Schwerindustrieproduktion Die Wachstumsrate der Schwerindustrieproduktion war höher als die der Leichtindustrieproduktion, wobei die der Elektromaschinenindustrie, hauptsächlich beschleunigt durch den Bau der großen Kraftwerke, am auffallendsten war. Schließlich nahm diese Industrie die aufgrund ihrer wertmäßigen Produktion führende Stelle i m Schwerindustriesektor ein. Während des Zeitraums von 1931 bis 1937 vervierfachte sich der Wert der Elektromaschinenproduktion. Drei Charakteristika der Schwerindustrie sind zu erwähnen. 1. Erst i n dieser Zeit überstieg der Anteil der Schwerindustrieproduktion den der Leichtindustrieproduktion. 2. Das Schwergewicht verlagerte sich von der Produktion von Verbrauchsgütern auf die von Investitionsgütern. 3. Die Entstehung der Rüstungsindustrie förderte das Wachstum der Schwerindustrie allgemein. c) Die Arbeiterfrage Die Tendenz zur Industrialisierung spiegelt sich i n der Struktur der Arbeiterschaft wider. Die Zahl der männlichen Arbeiter i n Industrieunternehmungen m i t mehr als 5 Beschäftigten überholte i m Jahre 1933 die der weiblichen. Von 1928 bis 1931 verminderte sich die Gesamtzahl der Industriearbeiter, vermehrte sich aber seit 1932 wieder und belief sich 1934 auf 2,15 Millionen. Das waren etwa 230 000 mehr als i m Jahre 1928. I m Jahre 1937 stieg die Gesamtzahl auf etwa 2,92 Millionen, und von 1931 bis 1937 vermehrte sie sich u m etwa 1,27 Millionen 1 5 . Vorerst bedeutete das Anwachsen der Fabrikarbeiterschaft eine Stärkung der sozialen Macht der arbeitenden Klasse. Aber durch die Wiederbelebung der Wirtschaft, die Unterdrückung der Arbeiterbewegung durch die Regierung, die Reaktion der Gewerkschaften und den Aufschwung des Nationalsozialismus wurde die Arbeiterbewegung geschwächt. Das hatte eine Verminderung der Streiks zur Folge. Seltsamerweise vermehrten sich i m Jahre 1937 die Arbeitsstreitigkeiten wieder erheblich. Die Unzufriedenheit der arbeitenden Klasse wurde durch die steigenden Preise und die höheren Leistungsforderungen, die erst i n dieser Zeit deutlich erkennbar wurden, vermehrt. 14

Wirtschaftsplanungsamt, a.a.O., 1.Bd., Tokio 1964, S. 154ff. u n d S.285; ferner Toyo-Keizai, Die Geschichte der japanischen Industrien i n der ShowaZeit (japanisch), 1. Bd., Tokio 1950, S. 608. 16 Ministerium für Industrie und Handel, a. a. O., 1. Bd., S. 2.

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4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft d) Die Probleme der Klein- und Mittelbetriebe

Seit Beginn der Depression i n der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre vergrößerte sich die Zahl der kleinen und mittleren Industriebetriebe unaufhörlich, während nach der Uberwindung der Depression die Rüstungsindustrie einen starken Aufschwung erfuhr. Dabei wuchsen auch die kleinen und mittleren Betriebe der Maschinenindustrie. Hier entstand ein Zulieferer-Abnehmerverhältnis zwischen großen Unternehmen sowie den kleinen und mittleren Betrieben. Die kleinen und m i t t leren Unternehmungen übernahmen die Herstellung von Einzelteilen und Zubehör der Maschinen. Das Sinken des Wechselkurses hatte über die Steigerung des Exportes einen günstigen Einfluß auf einige kleine und mittlere Unternehmungen, z.B. auf die Spielzeug-, Streichhölzerund Glühbirnenproduktion. Tabelle 27 Nettoproduktionswert in Industriebetrieben mit mehr als fünf Beschäftigten (in Mill. Yen) 1931

1937

1940

1945

Nahrungsmittelindustrie

0,84

1,47

2,47

2,33

Textilindustrie

2,00

4,46

4,98

2,58

Holz- u. holzverarbeitende Industrie

0,15

0,38

1,02

2,19

Druckerei- u n d Buchbinderindustrie

0,18

0,27

0,34

0,44

Chemische Industrie

0,82

2,90

4,62

4,06

Keramische Industrie

0,15

0,44

0,78

1,07

M e t a l l - u. metallverarbeit. Industrie

0,48

3,73

5,90

8,28

Maschinen- u n d Werkzeugindustrie

0,46

3,34

8,44

22,56

Sonstige

0,08

0,33

0,54

0,45

Gesamter Industriebereich

5,16

17,32

29,09

43,96

Indus trieb ereich

Quelle: Ministerium für Industrie und Handel, 50 Jahre japanischer Industriestatistik (japanisch), 1. Bd., Tokio 1962, S. 4 if.

e) Die Wandlung der Zaibatsu I n dieser Zeit entstanden nach wie vor viele Kartelle, i n denen die einzelnen Zaibatsu-Unternehmungen den wichtigsten Platz einnahmen. Während der Depressionszeit konnten die Kartelle eine effektive Kontrolle über die zugehörigen Unternehmungen ausüben, aber nach der Wiederbelebung der Wirtschaft wurde ihre Kontrollkraft geschwächt. s*

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Seit dieser Zeit befaßten sich die Zaibatsu m i t der Rüstungsproduktion. Einige sog. neue Zaibatsu gründeten zusammen m i t den M i l i t ä r cliquen und höheren Verwaltungsbeamten viele Industrieunternehmungen i n Korea und nach dem Mandschurei-Krieg auch in der Mandschurei. Dabei waren zwei Maßnahmen der Regierung sehr günstig für sie, nämlich die Kolonialisierung der Mandschurei und die Ausdehnung der M i l i tärausgaben. Die Mandschurei-Schwerindustrie-Gesellschaft, die i m Jahre 1938 durch das Nissan-Zaibatsu-Kapital und Mandschuko-Staatskapital aufgebaut wurde, war ein Zentralorgan für die Durchführung der staatlichen Politik. Die japanische Regierung gewährte dabei große finanzielle Hilfe. Die sog. neuen Zaibatsu beherrschten diejenigen Produktionszweige, i n denen die Anwendung neuer kapitalintensiver Fertigungsverfahren unerläßlich war, d. h. insbesondere die Elektroindustrie sowie die chemische Industrie. Hier entstand eine A r t von kombinatorischem Produktionssystem i n Japan. Da i n der Regel die neuen Zaibatsu keine eigenen Banken und Geldinstitute hatten, mußten sie entweder Geld der Banken, der sog. alten Zaibatsu, oder das Staatskapital ausleihen, das sie durch die Vermittlung der Spezialbanken erhielten. Aus diesem Grunde begrenzten die neuen Zaibatsu ihre Herrschaft nur auf einen bestimmten Industriesektoi. Das Zentralorgan der neuen Zaibatsu war keine Bank oder Handelsgesellschaft, sondern eine bestimmte Industrieunternehmung, wie z. B. das Hitachi-Elektromaschinen-Werk und die ShowaElektrochemieindustrie-Gesellschaft, welche i n dieser Zeit entstanden. Die alten Zaibatsu, die i n die Dollar-Kauf-Affäre hineingezogen worden waren, verloren das Vertrauen des Militärs, der Beamten und des Volkes. Die Regierung erlaubte ihnen anfangs nicht die Gründung von Unternehmungen i n der Mandschurei. Allerdings hatten die alten Zaibatsu, deren wirtschaftliche Grundlagen hauptsächlich die Bank- und Handelsgeschäfte waren, keine große Neigung zur Gründung von Schwerindustrieunternehmungen, insbesondere i n der Mandschurei. Die alten Zaibatsu führten damals einige besondere Maßnahmen durch, u m ihr Ansehen zu erhöhen. Erstens stellten sie der Wohlfahrtspflege große Geldbeträge zur Verfügung. Zweitens zogen die Zaibatsu-Verwandten sich vom Vorstand ihrer Unternehmungen zurück. Drittens veröffentlichten sie den Bestand der A k t i e n ihrer Unternehmungen, insbesondere der Dachgesellschaften. M i t diesen Maßnahmen beabsichtigten sie, das Mißtrauen des Volkes gegen die Zaibatsu zu vermindern, eine Verbesserung der Zaibatsu-Organisation zu erreichen und endlich m i t dem Geld des Volkes zu arbeiten. A u f diese Weise bereiteten sie die Wirtschaftsentwicklung der nächsten Zeit vor. Die Regierung konnte die alten Zaibatsu nicht lange vernachlässigen. Bei der Verfassungsreform der Bank von Japan i m Jahre 1932 ernannte

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die Regierung einige Vorstände der alten Zaibatsu zum Rat der Bank von Japan, wodurch sie das Recht erlangten, bei den Entscheidungen der Politik des Staates mitzuwirken. Bisher hatten die Zaibatsu den wichtigsten Platz i m Kartell eingenommen und ihren eigenen Gewinn verteidigt. Nun beteiligten sie sich an der Bildung der großen Trusts. Hier nur einige Beispiele: I m Jahre 1934 konnten einige Zaibatsu-Eisen- und Stahl-Gesellschaften m i t sehr günstigen Bedingungen eine Fusion m i t dem Yawata-Staatseisenwerk eingehen, wodurch die Nihon-Eisen- und Stahl-Gesellschaft entstand. Der Anteil der Nihon-Eisen- und Stahl-Gesellschaft an der gesamten Eisenund Stahlproduktion erreichte am Anfang schon 95 v. H. bei Roheisen und 53,5 v. H. bei Stahlbarren. I m Jahre 1933 gingen zwei große Papierherstellungsgesellschaften eine Fusion m i t der Ohji-PapierherstellungsGesellschaft ein, deren Inhaber Mitsui-Zaibatsu war. Der A n t e i l der Ohji an der gesamten Papierbreiherstellung betrug 96,6 v. H., an der gesamten Papierherstellung 84,9 v. H. Die Gründung der Toyo-KoatsuChemieindustrie-Gesellschaft (Mitsui-Zaibatsu) und der MitsubishiSchwerindustrie-Gesellschaft (.Mitsubishi-Zaibatsu), die durch die Fusion der Mitsubishi-Werft m i t der Mitsubishi-Flugzeugherstellungs-Gesellschaft entstand, sind weitere Beispiele für diese Entwicklung, die sich allerdings erst allmählich vollzog.

I I I . Die Industrialisierung zwischen 1937 und 1945 und die Finanz- und Geldpolitik 1. Einwirkung des Militarismus auf die Wirtschafts- und Sozial Verfassung

I m Jahre 1936 unternahmen junge Offiziere ein Attentat auf einige Kabinettsmitglieder, und i m Jahre 1937 brach der Zweite ChinesischJapanische Krieg aus. M i t diesen Geschehnissen glitt Japan sehr schnell i n eine vom Militarismus bedingte Wirtschafts- und Sozialverfassung hinein. Schon i n dieser Zeit zerfiel das Parteienkabinettsystem, und das M i l i t ä r konnte auf die Politik des Staates Druck ausüben. Wenn z. B. das M i l i t ä r den Heeres- und Marineminister nicht anerkannte, konnte kein Kabinett gebildet werden, so daß dieses auf diese A r t immer vom M i l i tär abhängig war. I m Februar 1937 entstand ein Kabinett, dessen M i n i sterpräsident ein aktiver General war, und darauf folgte das KonoeKabinett, dessen Charakter „der Faschismus ohne Diktator" war. I m Jahre 1937 verbot die Regierung jede sozialistische A k t i v i t ä t i n der Partei- und Arbeiterbewegung, und i m Jahre 1940 mußten alle politischen Parteien aufgelöst werden. Von da ab stellte das Parlament nur einen

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Verein dar, der den Vorschlägen der autoritären Regierung kritiklos beipflichtete. Auch die internationalen Beziehungen verschlechterten sich immer mehr. Seit dem Jahre 1932 übten die Wirtschaftsblöcke der USA und Großbritanniens m i t der Ausfuhrbegrenzung nach Japan einen Druck auf die Wirtschaft aus. Wie schon bekannt ist, war es zur Industrialisierung Japans unerläßlich, Rohstoffe und Präzisionsmaschinen aus dem Dollarund Sterlingblock einzuführen. Also mußte i m Hinblick auf eine weitere Vergrößerung der Einfuhrschwierigkeiten aus diesen Ländern die Ausdehnung und Stärkung des japanischen Wirtschaftsblocks beschleunigt werden. Deshalb war Japan gezwungen, seinen Wirtschaftsblock durch die Eroberungen der Mandschurei und Chinas nach Süd-Ostasien hin auszudehnen. Außerdem schloß Japan i m Jahre 1937 m i t Deutschland und Italien den Wehrvertrag gegen den Kommunismus (Antikominternpakt), durch den sein Schicksal mit dem des faschistischen Lagers verknüpft wurde. Inzwischen hoben die USA i m Jahre 1939 den bisherigen Handelsvertrag m i t Japan m i t sechsmonatiger Frist auf, i m Jahre 1940 verboten sie die Ausfuhr von Werkzeugmaschinen und Schrott nach Japan. Auch Großbritannien, Frankreich und Holland ergriffen ähnliche Maßnahmen wie die USA und führten gegen Japan einen wirtschaftlichen Boykott durch. I m Jahre 1941 ließen die USA, Großbritannien und Kanada die dort angelegten japanischen Vermögen einfrieren. Dadurch wurde das autarke System Japans so bedrängt, daß Japan ohne Eroberung der asiatischen Kolonien der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Hollands seine Wirtschaft nicht aufrechterhalten konnte. A u f diese Weise wurde die Teilnahme Japans am Zweiten Weltkrieg vorbereitet. Binnen wirtschaftlich überwand Japan schon vor 1937 die chronische Depression, als der Zustand der Vollbeschäftigung eintrat. Die wirtschaftliche Etappe, i n der durch die Inbetriebnahme der bisher unbeschäftigten Anlagen und Einstellung von Arbeitslosen die Industrialisierung beschleunigt wurde, war schon i n der ersten Hälfte der dreißiger Jahre vorüber. U m eine weitere Wirtschaftsentwicklung zu ermöglichen, war es nun nötig, Rohstoffe i m Ausland zu erwerben und die Ausfuhr zu erhöhen. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war es das größte Problem der japanischen Wirtschaft, soviel Rohstoffe wie möglich sicherzustellen und ihre rationelle und effektive Verteilung auf die Rüstungsund sog. Friedensindustrien vorzunehmen. 2. Die Charakteristika der Finanz- und Geldpolitik

I n der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre waren diejenigen Hilfsmaßnahmen, die die Regierung i n den zwanziger Jahren und i n der ersten Hälfte der dreißiger Jahre durchgeführt hatte, für die japanische

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Wirtschaft nicht mehr nötig. Statt dessen entstanden neue Ziele und M i t t e l der Wirtschaftspolitik, einerseits die finanz- und geldpolitischen Maßnahmen der Regierung für die qualitative und quantitative Entwicklung der Industrieprodukte und andererseits die direkte Kontrolle der Regierung bezüglich der Produktion und Verteilung der Güter und der Stellung der Arbeitskräfte. Der Zweck der Finanz- und Geldpolitik und ihre Stellung i n der gesamten Wirtschaftspolitik änderten sich erheblich. Bisher war die Finanzund Geldpolitik bedeutsamster Teil der Wirtschaftspolitik. Jetzt wandte die Regierung in verstärktem Maße andere Maßnahmen zur Erreichung ihrer wirtschaftlichen Ziele an; vor allem verstärkte sie die Kontrolle über Geld, Außenhandel und die Produktion in den Rüstungsindustrien. Auch vor 1937 hat es in Japan natürlich diese Kontrollen gegeben; aber sie stellten eine sog. selbstschützende Kontrolle dar, die der Verteidigung gemeinsamer Interessen diente. Nun wurde diese Kontrolle vom Gesichtspunkt der Landesverteidigung her gerechtfertigt. Unter diesen Umständen entstanden i m Jahre 1938 der Mobilmachungsplan der Güter und die sog. drei wirtschaftspolitischen Prinzipien des Konoe-Kabinetts, d. h. die Anpassung von Güternachfrage und -angebot, die Anpassung der Zahlungsbilanz und die konkreten Maßnahmen zur Vergrößerung der Produktionskräfte, womit die Regierung den Kurs des zukünftigen Japan vorzeichnete. Die Gesetze zur nationalen Mobilisierung i m Jahre 1938 bedeuteten sowohl eine Zusammenfassung der bisherigen Kontrollen, als auch eine Vorbereitung der zukünftigen, stärkeren Kontrollen. „This l a w provided the basis for unlimited government control of industry. I t was an enabling act which could only be enforced by Imperial Ordinance, but under its authority a great variety of ordinances were issued regulating all phases of economic life" 1 6 . Während des Zweiten Weltkrieges wurden die politischen, sozialen und w i r t schaftlichen Kontrollen soweit wie möglich verstärkt. M i t dem Zusammenschluß des Dollar- und Sterlingblocks wurde Japan von der Einfuhr von Kohle, Petroleum und Eisen praktisch abgeschnitten. So wurde der Krieg hauptsächlich u m die Eroberung von Rohstoffen geführt, die gleichzeitig die wichtigste wirtschaftliche Grundlage für seine Durchführung waren. Nach dem Ausbruch des Krieges war es also für Japan schwierig, diese Rohstoffe zu erhalten. Zu Beginn des Krieges gelang es Japan, Süd-Ostasien zu erobern, was i h m die Einfuhr von Rohstoffen ermöglichte. Später allerdings wurde wegen der Gefährlichkeit des Seetransportes die Einfuhr wiederum erschwert. Es stellte sich Japan das Problem, diese Rohstoffe i m Inland oder i n der 16 Jerome B. Cohen, Japan's Economy i n W a r and Reconstruction, M i n neapolis 1949, S. 11.

120

Kotaro Ikeda

näheren Umgebung zu erschließen. Außerdem brachte der Krieg natürlich einen riesigen Verbrauch an Gütern und einen Mangel an Arbeitskräften m i t sich, und es war schwer, den Verlust zu ergänzen. Als Zentralorgan für die wirtschaftliche Mobilisierungsplanung richtete die Regierung i m Jahre 1937 das A m t für Planung ein. Aber es fehlte i h m an Vollzugskraft. Es konnte seine Pläne nur dem Kabinett vorlegen und u m Anerkennung und Vollziehung ersuchen. Die letzte Vollzugsverantwortlichkeit lag beim Kabinett, wobei aber jedes Ministerium i m einzelnen die Verantwortung für seine Vollziehungen trug. Es gab also i n Japan kein Zentralorgan, das die Verantwortung für Planung trug und die Wirtschaftsmobilisierung monistisch durchführte. Die Regierung schuf i n jedem Wirtschaftszweig eine Regulierungsinstitution, die unter der Kontrolle des jeweiligen Ministeriums stand und welche die Anweisungen hinsichtlich der Produktion und der Verteilung der Rohstoffe und Arbeitskräfte durchführte. Zwar war das eine A r t Kartell, aber ein bürokratisches, erzwungenes, dessen Tätigkeit durch die Staatspolitik, d.h. die Durchführung des Krieges, eingeschränkt wurde. Auch i n diesen Kartellen nahmen als Bevollmächtigte die Vertreter der Zaibatsu-Unternehmungen die Plätze der Vorstände ein, so daß die Regulierungsinstitution die Interessen der Finanz- und Industriewelt, insbesondere der Zaibatsu t widerspiegelte. Außer diesen Kontrollorganen schuf die Regierung viele A r t e n von Unternehmungen, wie z. B. die öffentlichen und halböffentlichen. Weiter entzog die Regierung den Unternehmungen, die sich nicht auf die Rüstungsproduktion umstellen ließen, die Produktionsanlagen, -maschinen und Arbeitskräfte. Daraus entstanden unbeschäftigte Anlagen. Maschinen wurden als Schrott für die Stahlgewinnung genutzt. Die Regierung ließ auch unbeschäftigte Personen, z. B. Frauen, Mädchen und Studenten, zwangsweise i n den Rüstungsindustrien arbeiten. Von 1939 bis 1945 verpflichtete sie etwa 1,6 Millionen Männer zwangsweise. Die Regierung reformierte die Gesetze der Bank von Japan und vergrößerte ihre Darlehensmöglichkeit. Überdies konnte sie den Präsidenten der Bank ernennen, so daß sie die Zentralbank zu einem vollkommenen Geldinstitut des Staates umwandeln konnte. I m Jahre 1943 hob die Regierung das Ministerium für Industrie- und Handel und das A m t für Planung auf und richtete dafür das Munitionsministerium ein. „ I n theory the Ministry was to center i n one body the basic planning previously done by the Cabinet Planning Board, the cont r o l and Screening done by the various Ministries, and the actual handling of allocations and priorities previously administered by the control associations 17 ." Die zentralisierte Durchführung der Kontrollen wurde 17

Jerome B. Cohen, a. a. O., S. 75 f.

4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft

121

erst über die Munitionsproduktion erreicht. „ I n practice, i t can be categorically stated that the desired unification was never achieved. The services continued to operate independently, some control associations continued to administer allocations and priorities, an adjustment between orders and supplies was never achieved, production was consistently overestimated, the special priorities were never observed 18 ." Überdies schwächten der Verlust an Schiifen und die dadurch verursachte Verminderung des Rohstoffangebots, die Zerstörung von Produktionsanlagen durch Luftangriffe und die Evakuierung von Industrieunternehmungen i n ländliche Bezirke die Kontrollkraft des Munitionsministeriums. Die erhebliche Steigerung der Produktion bei Herstellung von Militärflugzeugen war seine einzige erwähnenswerte Leistung. Die Wirtschaftslenkung i n der Kriegszeit wurde offenbar nicht den Anforderungen gerecht. Dabei ist zu beachten, daß es i m Zentralorgan der Wirtschaftskontrolle an einer festen Konzeption fehlte. Das war die notwendige Folge der Sozial Verfassung, d. h. „des Faschismus ohne Diktator" bzw. „des Systems der politischen Gewissenlosigkeit". Sowohl bei der Entscheidung über den Grundplan des Amtes für Planung als auch bei den Kontrollen des Munitionsministeriums gab es keine genügend starke Kraft, die imstande gewesen wäre, die einzelnen Pläne der Rüstungsproduktion des Heeres- und Marineministeriums zu beschränken und dafür eine einheitliche Planung einzurichten und durchzuführen. Daraus ergab sich, daß die Wirtschaftskontrolle i n der Kriegszeit verspätet einsetzte und nicht leistungsfähig war. Natürlich gab es einige Leistungen, die anerkennenswert sind, so z. B. daß i m Jahre „1938 die gesamte Elektrizitätserzeugung unter staatliche Kontrolle gebracht wurde und 1941 die Unternehmungen der Elektrizitätsverteüung zwangsweise zu neun großen Gesellschaften zusammengeschlossen wurden" 1 9 und daß seit 1943 die Produktion an M i l i t ä r flugzeugen vollständig zentralisiert wurde. Wie stellte sich nun die monetäre Situation und die Finanzlage sowie die Finanz- und Geldpolitik i n dieser Periode dar? W i r wollen diese Frage i m folgenden i n eingehender Analyse beantworten. a) Die Ausdehnung

der öffentlichen

Ausgaben

Schon i n der ersten Hälfte der dreißiger Jahre wurde die Tendenz zur Ausdehnung der öffentlichen Ausgaben relativ klar erkannt, die sich durch den Zweiten Chinesisch-Japanischen K r i e g und die Teilnahme 18 19

Jerome B. Cohen, a. a. O., S. 76.

Karl Hax, Japan. Wirtschaftsmacht des fernen Ostens, K ö l n und Opladen 1961, S. 462.

122

Kotaro Ikeda

Japans am Zweiten Weltkrieg immer mehr verstärkte. Der wichtigste Grund der Ausdehnung waren die Kriegsausgaben; daneben vermehrten sich auch die wirtschaftspolitischen Ausgaben für staatliche Investitionen und Subventionen. Zu beachten ist, daß die Regierung bis zur Zeit der Takahashi-Finanzpolitik eine Verminderung der Staatsausgaben und einen ausgeglichenen Staatshaushalt zumindest beabsichtigte. Während des Krieges aber verfolgte sie eine Finanzpolitik, deren Ziel eine Ausdehnung der Staatsausgaben war. I m Jahre 1937 beliefen sich die gesamten öffentlichen Ausgaben des Hauptetats auf etwa 2,71 Milliarden Yen, danach vermehrten sie sich auf 5,86 Milliarden Yen i m Jahre 1940 und schließlich auf 21,50 Milliarden Yen i m Jahre 194520. Während dieser acht Jahre verachtfachten sich die Ausgaben, allerdings stieg der Großhandelspreisindex u m das 2,7fache, so daß die reale Ausdehnung der öffentlichen Ausgaben des Hauptetats etwas geringer als angegeben war. Unter den öffentlichen Ausgaben des Hauptetats waren die militärischen Subventionen hervorhebenswert. Für die Produktionsausdehnung der für die Kriegsführung benötigten Produkte, wie Kohle, Eisen und Stahl, Elektrizität und Petroleum, gab die Regierung große Summen als Subventionen aus. Japan war gezwungen, diese Rohstoffe ohne Rücksicht auf ihre Herstellungskosten zu fördern und zu produzieren. Während des Zeitraumes von 1941 bis 1945 belief sich der gesamte Betrag der militärischen Subventionen i m weiteren Sinne auf etwa 16,8 M i l l i a r den Yen 21 . Für die Ausdehnung der öffentlichen Ausgaben spielte nicht nur der steigende Hauptetat, sondern auch die verschiedenen Sonderetats, vor allem der außerordentliche Militärausgaben-Sonderetat, der vom Jahre 1937 bis 1946 existierte, eine entscheidende Rolle. M i t dem genannten Sonderetat deckte die Regierung den Aufwand für die Teilnahme Japans am Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg und am Zweiten Weltkrieg. Die gesamten Ausgaben dieses Sonderetats beliefen sich auf etwa 155,39 Milliarden Yen. Zu dieser Summe sind noch etwa 50 Milliarden Yen hinzuzuzählen, die sich aus Beträgen der spezifischen Abrechnung, die durch Staatsschuld gedeckt wurde, und Ausgaben, die die Regierung nach Juni 1946 leisten mußte, zusammensetzten. Insgesamt betrugen die Ausgaben des Militärausgaben-Sonderetats also etwa 203,56 Milliarden Yen 2 2 . I m Verhältnis dazu erreichten die gesamten Ausgaben des Hauptetats während des Zeitraums von 1937 bis 1945 den Betrag von etwa 86,6 Milliarden Yen 2 3 . 20 21

Wirtschaftsplanungsamt, a. a. O., 2. Bd., Tokio 1964, S. 127. Finanzministerium, a. a. O., 1. Bd., Tokio 1965, S. 276. Finanzministerium, a. a. O., 1. Bd., S. 306.

123

4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft

Es fehlte dem Sonderetat an einer genauen gesetzlichen Bindung, so daß er für andere als die vom Etat vorgesehenen Zwecke verwendet werden konnte. Außerdem war er von einer Anzahl von Kontrollen, wie z. B. der Budgetkontrolle durch das Parlament, befreit. Die Regierung vergab an private Unternehmungen u. a. mindestens 70 v. H. der gesamten Ausgaben des Sonderetats, d. h. etwa 140 Milliarden Yen, wovon die Zaibatsu-Unternehmungen über 60 v. H. erhielten. Auch die Auszahlungsform des Sonderetats war bemerkenswert. Außer der gewöhnlichen Zahlung bediente sich die Regierung der Voraus- und Uberschlagszahlung. Häufig war der von der Regierung veranschlagte Wert so hoch, daß der Kauf aus dem Sonderetat tatsächlich einer Subvention gleichkam. Diese, zusammen m i t den oben beschriebenen militärischen Subventionen, gaben den japanischen Rüstungsindustrien große Gewinnchancen, wodurch sie eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Schwerindustrien Japans spielten 24 .

Tabelle 28 Entwicklung der öffentlichen Ausgaben i m Verhältnis zum Volkseinkommen (in M r d . Yen) 1937

Jahr Ausgaben des Hauptetats u n d die des außerordentlichen Militärausgaben-Sonderetats (A) Volkseinkommen (B) A/B Quelle: Finanzministerium,

1940

1945

4,743

10,983

73,701

20,475

32,100

90,000

23 v. H.

34 v. H .

81 v. H.

a.a.O., 3. Bd., Tokio 1955, S. 311 und 453.

23 Z u beachten ist, daß die gesamten Ausgaben des Militärausgaben-Sonderetats nicht einfach m i t den gesamten Kriegsausgaben gleichzusetzen sind. Wenn man die gesamten direkten Kriegsausgaben als Summe aus dem außerordentlichen Millitärausgaben-Sonderetat, der spezifischen Abrechnung des Sonderetats, dem freiwilligen Wehrbeitrag des Volkes, den Kriegsausgaben aus dem Hauptetat u n d den anderen Sonderetats versteht, beliefen sie sich auf etwa 755,9 M i l l i a r d e n Yen. Es ist zweifelhaft, ob dieser Betrag w i r k l i c h die gesamten Kriegsausgaben darstellt. Außerdem k a m dieser Betrag n u r durch einfache A d d i t i o n der jährlichen Summen i m Laufe des Inflationsprozesses zustande, so daß ohne Berücksichtigung des Preisindex die realen tatsächlichen Kriegsausgaben nicht zu e r m i t t e l n sind. Der wirkliche Betrag dieser Kriegsausgaben w a r ungefähr das 50fache des Hauptetats des Jahres 1960. Vgl. Finanzministerium, a. a. O., 4. Bd., Tokio 1955, S. 386—390. Vgl. zur E n t w i c k l u n g der öffentlichen Ausgaben Tabelle 29. 24 Harumaru Inoue u n d Seijiro Usami, Die S t r u k t u r des japanischen K a pitalismus i n der Krisenzeit (japanisch), Tokio 1951, S. 126—130.

124

Kotaro Ikeda b) Die Regierungsinvestitionen

Die schnelle Entwicklung der Grundstoffindustrien war ein Problem, von dessen Lösung das Schicksal des Landes abhing. Zuerst verstärkte die Regierung zur Erhaltung der Rüstungsmaterialien und Nahrungsmittel die sozialen und wirtschaftlichen Kontrollen, u m die Verminderung der Produktivität i n der Rüstungsproduktion aufzuhalten. Allerdings blieb der Erfolg dieser Maßnahmen vielfach aus. Daraufhin dehnte die Regierung ihre Kontrollen bis i n die einzelnen Betriebe aus. Zum Zweck der Konzentration des Privatkapitals auf die Kriegsführung, schuf die Regierung einige neue Körperschaften m i t ihrer Geldanlage und erhöhte ihre Geldanlagen i n den schon früher entstandenen Körperschaften. Diese Körperschaften waren entweder privatrechtliche Unternehmungen der öffentlichen Hand oder gemischtwirtschaftliche Unternehmungen. Sie waren nicht nur die Agenturen der staatlichen Politik, sondern auch die Organe der allgemeinen Wirtschaftslenkung. Zur Vergrößerung ihres Handlungsspielraums unterstützte die Regierung sie durch Subventionen als Ergänzung für ihren Gewinn und ihre Dividende und zur Kompensation ihres Verlustes und der Kapital- und Zinsgarantien für ihre Obligationen. A b 1937 verstärkte sich die Investitionstätigkeit und die Übernahme von Kapitalerhöhungen der Körperschaften durch die Regierung. Deswegen schuf die Regierung i m Jahre 1940 den Regierungsinvestitions-Sonderetat. Damals belief sich der Gesamtbetrag der Regierungsinvestitionen einschließlich der Sachinvestitionen und der bereits ausgehändigten öffentlichen Schuldscheine auf etwa 832 Millionen Yen. I m Jahre 1945 dagegen stieg dieser Betrag auf 2,91 Milliarden Yen. Während des Zeitraums von 1934 bis 1945 gewährte die Regierung diesen Körperschaften etwa 869 Millionen Yen als Subventionen, von denen i m Zeitraum von 1934 bis 1939 nur 73 Millionen Yen gezahlt wurden 2 5 . c) Die Staatseinnahmen I n dieser Zeit änderte die Regierung mehrfach das Steuersystem zum Zweck der Durchführung des Krieges. Von allen diesen Reformen war die i m Jahre 1940 die wichtigste. Es bestand für Japan das Problem der rapiden Vermehrung der Militärausgaben, der Stagnierung der öffentlichen Kreditnahme und einer inflationistischen Tendenz. Die Regierung beabsichtigte, diese Schwierigkeiten zu überwinden und ein rationales, elastisches Steuersystem zu schaffen. Es handelte sich dabei u m die A n gleichung der Steuerbelastung, die Harmonisierung der Steuerpolitik 25 Finanzministerium, scher Anhang, S. 54 f.

a. a. O., 12. Bd., Tokio 1962, S. 766—769 u n d Statisti-

4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft

125

und der Wirtschaftspolitik, die Vergrößerung der Elastizität des Steueraufkommens und die Vereinfachung des Steuersystems. Das Schwergewicht lag in der Reform der Einkommens- und Körperschaftssteuer. I n dieser Reform wurde die Steuerpflicht bei der Einkommensteuer auf natürliche Personen beschränkt. Außerdem wurde bei der persönlichen Einkommensteuer zum erstenmal eine Verbindung zwischen Veranlagungs- und Quellenabzugsverfahren angewandt. Gleichzeitig führte die Regierung die Körperschaftssteuer neu ein. Erste Folge dieser Reform sollte eine Steigerung der Bedeutung der Einkommen- und Körperschaftssteuer i m Rahmen der gesamten Steuern sein. Der Anteil der beiden Steuern am gesamten Steueraufkommen wurde i n einem normalen Jahr auf etwa 43 v. H. geschätzt. Zweitens wurde davon eine rapide Vermehrung des gesamten Steueraufkommens erwartet, etwa eine durchschnittliche Steigerung um 27 v. H. 2 6 . Betrachtet man heute die Ergebnisse dieser Reform, so zeigt sich, daß sie nicht ausreichte, u m die Lasten des Krieges zu tragen. Der Anteil des Steueraufkommens am Volkseinkommen hätte sehr viel stärker erhöht werden müssen. Ein sehr viel wichtigeres Problem bei der Deckung der Staatseinnahmen stellten die öffentlichen Kredite dar. Seit der Takahashi-Finanzpolitik diente die Ausgabe von öffentlichen Schuldscheinen nicht nur als wichtigstes Deckungsmittel der Militärausgaben, sondern auch als Einnahmequelle zur Deckung der allgemeinen Verwaltungsausgaben. Ende 1935 belief sich die Staatsschuld i m weiteren Sinne auf etwa 10,52 M i l liarden Yen, Ende 1945 dagegen auf etwa 199,45 Milliarden Yen. Während dieser zehn Jahre hat sich der Restbetrag der noch nicht getilgten Staatsschuldtitel etwa um das 19fache erhöht. Der Anteil der Einnahmen aus öffentlichen Krediten an den gesamten Einnahmen des außerordentlichen Militärausgaben-Sonderetats war 61,8 v. H. Schließt man die Staatsanleihen an die besetzten Länder ein, so steigt dieser Prozentsatz auf 86,4 v. H. Während des Zeitraums von 1942 bis 1945 betrug der Anteil der Einnahmen aus öffentlichen Krediten an den gesamten Einnahmen des Hauptetats 24,2 v. H. 2 7 . Tabelle 29 Der Anteil der Steuern^) am Volkseinkommen (in v. H.) Jahr

1937

1938

1939

1940

1941

1942

1943

1944

Anteil

14,8

16,2

15,5

18,4

18,9

23,9

26,3

29,8

a) Steuern « Staatssteuern + Kommunalsteuern Quelle: Finanzministerium, a.a.O., 5. Bd., Tokio 1957, Statistischer Anhang, S. 3. 26 27

Finanzministerium, Finanzministerium,

a. a. O., 5. Bd., Tokio 1957, S. 585—590. a. a. O., 6. Bd., Tokio 1954, S. 399—407.

126

Kotaro Ikeda d) Von der Finanz- und Geldpolitik

zur Finanz- und Geldkontrolle

A n der Spitze der Wirtschaftsplanung stand die finanzielle Lenkung. Schon i m Jahre 1937 traten die Gesetze der außerordentlichen Kapitalregulierung i n Kraft. Die Gesetze sahen vor, die Kredit benötigenden Industrieunternehmungen nach ihrer Wichtigkeit bei der Durchführung des Krieges zu staffeln und nur nach dieser Rangordnung den Unternehmungen das Anlagekapital zur Verfügung zu stellen. I m Jahre 1940 kam die Verordnung der Kapitalregulierung für die Banken zustande, wodurch auch das Umlaufkapital reguliert wurde. Die Regierung erkannte, daß es nicht ausreichte, die Probleme der Kriegswirtschaft allein durch diese passive finanzielle Lenkung zu überwinden, m i t der man nur die Richtung der Kreditvergabe steuern konnte. I m Jahre 1939 trat die Verordnung über den Gewinn und die Dividende der Gesellschaften und über deren Finanzierung i n Kraft, wodurch die Regierung m i t Hilfe der Industriebank von Japan die um Kredit ersuchenden Industrieunternehmungen finanzieren konnte. I n erster Linie war es die Bank von Japan, welche die Geschäfte dieser Lenkungen und Regulierungen ausführte und sich nun pflichtgemäß auch auf das Gebiet der Industriefinanzierung begab. I m Jahre 1940 entstand das Grundprogramm der Finanz- und Geldpolitik als ein Glied der umfassenden Planwirtschaft, so daß die Regierung den „Plan des Staatsfonds" als Kern der Wirtschaftspolitik aufstellen konnte. I m Jahre 1942 schuf die Regierung die Institute für die finanzielle Regulierung, an deren Spitze das Zentralinstitut für die finanzielle Regulierung stand. Die Institute übernahmen die Vermittlung der Finanzierung durch Bankenkonsortien und die allgemeine finanzielle Regulierung. Der Zweck der Institute für die finanzielle Regulierung lag darin, die Sparquote zu erhöhen und die Beträge zweckmäßig zu verteilen. Formell waren sie eine autonome Kontrolle der Geldinstitute. Für diese Kontrolle aber war sowohl die Unterstützung durch die Regierung als auch die M i t w i r k u n g der Bank von Japan nötig. Der Präsident des Zentralinstitutes für die finanzielle Regulierung war gleichzeitig der der Bank von Japan. Das Institut vermittelte den Unternehmungen eine Finanzierung, an der verschiedene Banken beteiligt waren, und bildete die Übernahmesyndikate für die Ausgabe der Obligationen. So wurde erst durch die Entstehung des Zentralinstitutes für die finanzielle Regulierung das Lenkungssystem des japanischen Geld- und Kreditsystems vollständig.

4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft

127

e) Die speziellen Geldinstitute Schon i n der ersten Hälfte der dreißiger Jahre übernahm die Industriebank von Japan die Finanzierung der neuen Zaibatsu und der neuen Rüstungsunternehmungen. I n der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre beabsichtigte man die Industriebank von Japan zum Zentralorgan der Finanzierung der Rüstungsindustrien zu machen. Dafür leistete die Regierung der Industriebank direkte und indirekte Hilfe durch die Bank von Japan und das Depositen-Büro des Finanzministeriums. Bei der gemeinsamen Finanzierung durch eine Gruppe von Geldinstituten war die Industriebank häufig als Geschäftsführer tätig. M i t der Unterstützung durch Staatskredite war die Industriebank von Japan das Zentralgeldinstitut der Kriegsfinanzierung geworden. U m die Emissionsfähigkeit der Bank von Japan zu erhöhen, reformierte die Regierung i n der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre die Verfassung der Bank von Japan, und i m Jahre 1942 führte sie eine neue große Reform durch. Dabei wandelte sich die Bank von einer Aktiengesellschaft zu einer Körperschaft, die der Staatspolitik verpflichtet war und deren Geschäfte zugleich immer durch die Regierung kontrolliert wurden. Die Bank von Japan hatte also eine doppelte Aufgabe, nämlich sowohl die Kontrolle des Geldmarktes als auch die Finanzierung der Industrien. Außerdem konnte die Bank nun bis zu der vom Finanzminister vorgeschriebenen Grenze die nicht konvertiblen Banknoten ausgeben. Eine Steuer wurde bei Emission über die gesetzliche Begrenzung hinaus auch nicht mehr erhoben. Überdies war i n der Geschäftsvorschrift der Bank von Japan ausdrücklich erwähnt, daß sie für die Regierung ungedeckte Darlehen und die Ausgabe der öffentlichen Schuldscheine übernehmen mußte, so daß sie ein Instrument der staatlichen Kriegsfinanzierung wurde. Bemerkenswert sind die kurz vor Ende des Krieges geschaffenen speziellen Geldinstitute, wie die Kriegsfinanzierungskasse, die KyodoYushi-Ginko, die Fremdkapitalkasse u. a. m. Sie alle wurden von der Regierung als Instrument der Kriegsfinanzierung geschaffen. Die Kriegsfinanzierungskasse z.B., die i m Jahre 1942 gegründet wurde, sollte m i t der Industriebank von Japan zusammen zum Zentralorgan der Kriegsfinanzierung werden. Diese Kasse finanzierte risikobelastete Anlagen der Rüstungsindustrien, die die Industriebank nicht mehr finanzieren konnte. Die Regierung investierte i n die Kasse zwei Drittel ihres nominalen Kapitals. Der Rest wurde durch private Banken und andere Geldinstitute gedeckt. Zum ersten Präsidenten der Kasse wurde M. Ogura ernannt, der damals Vorstand des Sumitomo-Zaibatsu war.

128

Kotaro Ikeda f) Die Bankenfusion und die Herrschaft

der großen Banken

Seit der Jahrhundertwende war, wie schon erwähnt, eine Tendenz zur Bankenfusion erkennbar. I m Jahre 1936 entschied die Regierung, daß i n einer Präfektur nur eine Lokalbank existieren sollte. Außerdem wurden viele der Landwirtschafts- und Industriebanken i n vielen Präfekturen zu Filialbanken der Hypothekenbank von Japan, so daß es i m Jahre 1937 nur fünf Landwirtschafts- und Industriebanken i n Japan gab. Erst i n dieser Zeit vollzog sich die Fusion der großen Banken. Die Gründung der Kaiserlichen Bank, die i m Jahre 1943 durch die Fusion der Mitsui-Bank m i t der Daiichi-Bank entstand, bot ein typisches Beispiel dafür. Tabelle 30 Anzahl der Banken Jahr

Spezialbanken

u. Industriebanken

Landwirtschafts-

Allgemeine Banken

Sparkassen

1941

6

5

186

69

266

1945

6

6

61

4

71

Quelle: Finanzministerium,

Banken insgesamt

a.a.O., 11. Bd., Tokio 1954, S. 366.

Wie Tabelle 30 zeigt, wurde während dieses Zeitraums der Trend zur Fusion der Banken immer stärker. Die Überlegenheit der großen Banken wurde ausschlaggebend. Ende 1935 betrug der A n t e i l der sog. Großen Fünf (Mitsui-Bank, Mitsubishi-Bank, Sumitomo-Bank, Yasuda-Bank und Daiichi-Bank) an den Depositen der gesamten allgemeinen Banken 42,8 v.H. und an den Darlehen 37,5 v.H. Aber i m Jahre 1940 stiegen diese Zahlen auf 42,3 v. H. (Depositen) und 47,8 v. H. (Darlehen). Ende September 1945 betrugen sie 48,5 v. H. (Depositen) und 71,7 v. H. (Darlehen). I n dieser Zeit verstärkte sich die Tendenz zur Arbeitsteilung zwischen den Banken, d. h. die kleinen und mittleren Banken strebten hauptsächlich nach der Aufnahme von Sparkapital, und die großen Banken bemühten sich u m die Finanzierung der großen monopolistischen Industrieunternehmungen. Nach der Entstehung des Systems der sog. „zugeteilten Banken" wuchs die Tendenz zur Überlegenheit der großen Banken. „ I t was extended u n t i l by the end of the war 2,240 firms were assigned to designated banks, of which the „ B i g five" banks serviced 1,582 and the provincial banks 658. Most of the larger companies were assigned to the „ B i g five" 2 8 ." 28

Jerome B. Cohen, a. a. O., S. 95.

4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft

129

3. Ablauf der Industrialisierung zwischen 1937 und 1945

a) Umfang und Aufbau der industriellen

Produktion

Die Produktionsverhältnisse der damaligen Zeit sollen zunächst anhand einiger Produktionsindizes erläutert werden. Die Indizes des A m tes für die Stabilisierung der Wirtschaft (heute: Wirtschaftsplanungsamt), des „General Headquarters" und der Forschungsgemeinschaft der Volkswirtschaft verdeutlichen, daß die industrielle Produktion Japans i m Jahre 1944 den Höchstand seit 1868 erreichte (vgl. auch Tabl. 27). Allerdings zeigen die Indizes der Toyo-Keizai und der Diamant-Kaisha, daß der Höchststand bereits i m Jahre 1937 erreicht war. Bei den erstgenannten Indizes wurde das Schwergewicht auf die Rüstungsproduktion gelegt. Bei einer eingehenden Betrachtung der industriellen Produktion ist vor allem die Entwicklung der Schwer- und Chemieindustrien, insbesondere die der Rüstungsindustrien, zu beachten. Die Leichtindustrien, vor allem die Nicht-Rüstungsindustrien, wurden schon i n der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre durch den Mangel an rationierten Rohstoffen und durch die Finanzierungskontrollen hinsichtlich Anlage- und Umlaufvermögens i n ihrer Produktion beschränkt. Seit 1937 verschärfte die Regierung die Begrenzung der Rohstoffzuteilungen und die Finanzierung für Nicht-Rüstungsindustrien. Etwa seit 1940 verringerte sich die Produktion in den Leichtindustrien zunehmend. I m Jahre 1943 führte die Regierung die sog. „Neuorganisierung der Unternehmungen" durch, u m die Produktionsanlagen und Arbeitskräfte der Nicht-Rüstungsindustrie i n die Rüstungsproduktion einzubeziehen. Durch diese Maßnahmen wurde die Leichtindustrie Japans noch vor den Luftangriffen der USA praktisch vernichtet. I m Jahre 1937 schon fehlte es i n Japan an den Voraussetzungen für eine weitere industrielle Entwicklung. Als Grund dafür war der Mangel an Rohstoffen ausschlaggebend. Zur Überwindung dieses Mangels führte die Regierung die allgemeine Wirtschaftslenkung ein, was einen langsamen Anstieg der industriellen Produktion i n den folgenden Jahren bewirkte. Für die Wandlung der damaligen industriellen Produktionsstruktur spielte die Finanz- und Geldpolitik die wichtigste Rolle. Daneben waren vor allem folgende Faktoren für die Verminderung der industriellen Produktion ausschlaggebend: die Unvollkommenheit der Planung von Anlageinvestitionen, der Aufschub von Reinvestitionen, die unvollkommene Ergänzung der Produktionsanlagen, der Mangel an Arbeitskräften, die Schäden infolge von Luftangriffen und die Verminderung der Seetransportkapazitäten. „ I n the United States economic mobilization envisaged a substantial expansion of the entire level of Output... They 9

Ikeda - Kato - Taiyoji

130

Kotaro Ikeda

(Japanese) planned to adapt this to wartime needs — not to enlarge i t materially 2 0 ." „The defeat of Japan was assured before the urban air attacks were launched. The decline of Japan's war-making powers started before her industries were subjected to the main weight of the bombing attack during the months of March to August 1945. The insufficiency of the pigmy economy was the underlying cause of defeat. I t has been estimated that even without air attacks, overall production i n August 1945 would have been only half of that of the 1944 peak due to dwindling stockpiles of raw materials, cessation of imports, shortage of skilled labor, absenteeism, incompetent administration, and an ill-conceived and poorly-executed dispersal programm 3 0 ." b) Verhältnis zwischen Zaibatsu sowie Klein - und Mittelbetrieben Seit Ende der dreißiger Jahre führte die Regierung eine Politik der Konzentration kleiner und mittlerer Unternehmungen durch, so daß sich eine erhebliche Verminderung der Anzahl der Unternehmungen ergab. Diese Tatsache stellte einerseits die Anpassung der kleinen und mittleren Unternehmungen dar, gleichzeitig bedeutete sie aber, daß diese Unternehmungen der Export- und Nicht-Rüstungsindustrien entweder ihr Geschäft schließen oder sich auf Rüstungsproduktion umstellen mußten. Die kleinen und mittleren Handelsbetriebe hielten sich nur durch Einschränkung des Handelsvolumens und der Betriebsgröße. Die Verminderung der Unternehmungszahl bedeutete auch die Konzentration des Kapitals, vor allem die weitere Stärkung der Stellung der Zaibatsu i n der Wirtschaft. Aus Tabelle 31 und 32 ist die Position der Zaibatsu und ihr Aufstieg ersichtlich. Tabelle 31 Die Stellung der vier Zaibatsu in der Wirtschaft*) 1941

1946

Finanzierungsinstitutionen

25,2

49,7

Schwerindustrien

18,0

32,4

Leichtindustrien

7,5

10,7

Sonstige

5,7

12,9

12,0

24,5

Art

Durchschnittlich

a) Ausgedrückt im Anteil des eingezahlten Kapitals von Mitsui, Mitsubishi, Sumitomo und Yasuda (in v. H.) am gesamten eingezahlten Kapital. Quelle: Finanzministerium, a.a.O., 1. Bd., S. 216. 29 30

Jerome B. Cohen, a. a. O., S. 54. Jerome B. Cohen, a. a. O., S. 58.

131

4. Kap.: Quasi-Kriegs- und Kriegswirtschaft Tabelle 32 Die Stellung der zehn Zaibatsu in der Wirtschaft^) Art

1937

1946

Bergbau, Metallindustrie, Maschinen- u. Schiffsbau, Chemische Industrie

24,9

49

K e r a m i k - , T e x t i l - , Papier-, Nahrungsmittelindustrie u. versch. andere Branchen

13,5

16,8

Bank-, Treuhand- u. Versicherungsgewerbe

7,5 23,6

15,5 53

Insgesamt

15,1

35,2

öffentliche Unternehmungen, Verkehrswesen, L a gerhäuser, Grundbesitz

a) Ausgedrückt im Anteil des eingezahlten Kapitals von Mitsui, Mitsubishi, Sumitomo, Yasuda, Asano, Furukawa, Ayukawa, Okura, Nomura und Nakajima (in v. H.) am gesamten eingezahlten Kapital. Quelle: Mitsubishi Economic Research Institute (Hrsg.), Mitsui, Mitsubishi, Sumitomo. Present Status of the Former Zaibatsu Enterprises. Tokio 1955.

M i t der Vergrößerung der Anzahl privatrechtlicher Unternehmungen der öffentlichen Hand, der Gemischtunternehmungen, die als Instrumente der Staatspolitik gebraucht wurden, sowie der Institute für W i r t schaftsregulierung und der speziellen Geldinstitute verstärkte die Regierung ihre Eingriffe i n die industrielle Produktion immer mehr. Nun begannen die Zaibatsu ihren Einfluß auf diese Planungsorganisation auszuüben. Allerdings gab es auch umgekehrt den Fall, daß M i l i t ä r und Bürokraten i n den Vorstand der Großunternehmungen gewählt wurden. I m Jahre 1937 ernannte die Regierung T. Yuhki (ehemaliger Vorstand von Yasuda-Zaibatsu) zum Präsidenten der Bank von Japan. Dam i t konnten die Zaibatsu i n das Zentrum der Staatsgewalt vordringen. Seitdem wurden viele Vorstandsmitglieder der Zaibatsu Finanzminister oder erhielten andere wichtige Ministerämter. Die Träger der Institute für die Wirtschaftsregulierung waren ebenfalls Vorstände der Zaibatsu und anderer großer Unternehmungen. I n den letzten Kriegsjahren wurden viele Zaibatsu-Unternehmungen zu Rüstungsbetrieben erklärt, wodurch die persönliche Verbindung zwischen den Vorständen der Zaibatsu und dem M i l i t ä r immer enger wurde. Die Verbindung zwischen dem Konzern Sumitomo und der Marine stellte dafür ein typisches Beispiel dar. Bei der Verteilung der Rohstoffe und der Festsetzung der Preise der industriellen Produkte war diese Verbindung sehr vorteilhaft für die Zaibatsu-Unternehmungen. Auf diese Weise vereinigten sich Zaibatsu, M i l i t ä r und Verwaltung, so daß sie die japanische Wirtschaft beherrschten. e*

132

Kotaro Ikeda IV. Schluß

Während des Krieges war die Wachstumsrate der Produktionsanlagen der Grundstoffindustrien, wie Elektrizität, Eisen und Stahl, A l u m i n i u m u. a. so hoch, daß trotz großer Zerstörungen durch Luftangriffe zum Ende des Krieges die Produktionskapazität der Anlagen größer war als i n der Vorkriegszeit. Dagegen war die Verminderung der Kapazitäten i n den Leichtindustrien erheblich, sowohl durch die Kontrolle und Produktionsumstellung i n der Nicht-Rüstungsproduktion als auch durch Luftangriffe. Dies war ein Grund für die A r t und Weise des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs der Nachkriegszeit. Ein anderer ergab sich aus dem System der sog. zugeteilten Bank, das eine Finanzierungsform bedeutete, bei der bestimmte Banken ausschließlich bestimmte Rüstungsindustriebetriebe zu finanzieren hatten. Darauf ist die Verbindung bestimmter großer Industrieunternehmungen m i t Banken i n der Nachkriegszeit zurückzuführen. Tabelle 33 Die Produktionskapazität in der Vorkriegszeit und am Ende des Krieges Produktionsart

1937 (A)

2 320

Petroleumraffinierung (in 1 0001)

1945 (B)

B/A

2130

0,92

Elektrizitätserzeugung (Wasser)

1,59

Roheisen (in 1 000 t)

3 000

5 600

Stahl (in 1 000 t)

6 500

7 700

Kupfer

1,87 1,18 0,86

A l u m i n i u m (in t)

17 000

129 000

7,59

Magnesium (in t)

1800

4 500

2,50

Werkzeugmaschinen (Zahl)

22 000

54 000

2,45

Kaustische Soda (in 1 000 t)

380

661

1,74

Zement

0,47 12 165

2 369

0,19

570 000

88 600

0,16

Baumwolle (Zahl der Spindeln i n 1000) Rayon (in 1000 Pfund)

Quelle: Finanzministerium,

a.a.O., 1. Bd., S. 249.

Fünftes Kapitel

Einflüsse der Finanz- und Geldpolitik für den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die gegenwärtige Stufe des Kapitalismus (1945 bis heute) Von Yoshitaro Kato

I. Die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau i n der Nachkriegszeit A m 15. August 1945 ging für Japan der Zweite Weltkrieg zu Ende. Durch die Wirtschaftslenkung während der Kriegszeit hatte sich die Wirtschaftsstruktur Japans allmählich gewandelt. Die Zaibatsu z.B. hatten das Grundprinzip und die Organisationsform ihrer Betriebe geändert. Vor allem war die Strukturwandlung i n der Landwirtschaft auffallend. Erst durch die staatliche Manipulation der Nahrungsmittelproduktion wurde die Umgestaltung des Grundbesitzer-LandpächterVerhältnisses durchgeführt. Die Evakuierung der Industriebetriebe i n ländliche Bezirke bot den Bauern Nebenbeschäftigung und somit die Gelegenheit, ein Nebeneinkommen zu erzielen. Der A n t e i l der Maschinen», metallverarbeitenden und Chemieindustrie an der Produktion der gesamten Industrien hatte sich gesteigert. Die wirtschaftliche und finanzielle Herrschaft der Zaibatsu hatte sich auf das Gebiet der Schwerund Chemieindustrie ausgedehnt. Alle diese Erscheinungen waren sozusagen eine notwendige Folge der erheblichen Strukturwandlungen der japanischen Wirtschaft, die schon während des Zeitraums vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Weltwirtschaftskrise angefangen und durch die Finanz- und Geldpolitik in Verbindung m i t der Wirtschaftslenkung der Regierung eine weitere Förderung erfahren hatten. Das Schwergewicht der Finanz- und Geldpolitik hatte bei den Staatsausgaben und der Kreditgewährung für die Beschaffung von Militärbedarf gelegen. Diese Strukturwandlungen der Wirtschaft und Charakteristika der Finanz- und Geldpolitik reichten bis i n die Nachkriegszeit und fanden sich auch i n vielen Maßnahmen zur Demokratisierung Japans. Die Zaibatsu lebten i n neuen Formen wieder auf und dehnten sogar ihre wirtschaftliche Herrschaft aus. Zaibatsu-Unternehmungen der Nach-

134

Yoshitaro Kato

kriegszeit waren nach wie vor diejenigen vom sog. One-Set-Typus 1 . Der oligopolistische Wettbewerb zwischen den Zaibatsu-Unternehmungsgruppen zusammen m i t der Finanz- und Geldpolitik der Nachkriegszeit ermöglichten erst die hohe Wachstumsrate der japanischen Wirtschaft von heute. Diese seit der Vorkriegszeit fortgesetzte Wandlung der Wirtschaftsstruktur war eng m i t der der politischen Machtverhältnisse verknüpft. Während der Kriegszeit beteiligten sich die Zaibatsu neben dem Militär, den Parteien und Beamten am Kampf u m die politische Macht. U m ihren wirtschaftlichen Gewinn, der schon m i t ins Staatsgefüge eingegliedert war, zu schützen, hofften sie am Ende des Krieges auf die V e r w i r k lichung der echten konstitutionellen Monarchie, also einer gründlichen Änderung der Meiji-Verfassung und der bestehenden politischen Verhältnisse. I n diesem Sinne erwarteten sie das Ende des Krieges. A m Ende des Krieges gab es schon wesentliche Meinungsunterschiede zwischen den USA und der Sowjetunion über die Besatzungspolitik i n Japan. U m ihre eigenen Verluste möglichst gering zu halten und die Sowjetunion von der Besatzung auszuschalten, strebten die USA nach einem beschleunigten Abschluß des Krieges. Ferner beabsichtigten die USA, die konstitutionelle Monarchie i m Nachkriegsjapan einzuführen, da sie sich vor der Invasion des Kommunismus i n Japan fürchteten. Hinsichtlich dieser Furcht vor dem Kommunismus waren die politischen Machthaber Japans gleicher Auffassung wie die USA, so daß sie sich für die Kapitulation entschieden. I m Grunde genommen führte der Sieg der Zaibatsu i m politischen Machtkampf den Krieg zu Ende. Die politische Konstellation der Nachkriegszeit wurde nicht durch die Niederlage und die Besatzung neu gebildet, sondern durch die Machtverhältnisse zu Ende des Krieges bestimmt. Trotz des Unterganges der Grundeigentümer und Militärklasse waren die Zaibatsu nach wie vor Träger der politischen Macht, insbesondere der Demokratisierung i n der Besatzungsperiode. Für die politischen Machthaber war es sehr günstig, daß die USA bis zum Ende des Krieges keinen konkreten Plan für die Demokratisierung Japans besaßen. Sofort nach Ende des Krieges lösten die Zaibatsu ihre alten Vorstände ab und führten moderne Betriebsformen ein. M i t diesem demokratischen Scheinmanöver schmeichelten sie den Besatzungsländern, und nachdem Japan seine Selbständigkeit wiedererlangt hatte, nahmen sie wieder eine führende Stellung bei den finanzpolitischen, insbesondere wirtschaftspolitischen Entscheidungen ein. 1

Siehe S. 77 f.

5. Kap.: Finanzpolitik in der Wiederaufbau- und Gegenwartsperiode

135

Durch die Niederlage zerfiel die absolutistische, staatliche Ordnung (d. h. die sog. Tenno-Herrschaft). Das politische Grundprinzip des neuen Japan war die Demokratie und der Verzicht auf Krieg. Wie aus den folgenden Tabellen 34, 35 und 36 zu entnehmen ist, war der Zustand der japanischen Wirtschaft kurz nach dem Krieg am schlechtesten. Etwa 6,5 Millionen Japaner kehrten aus alten Territorien, Kolonien und Besatzungsländern heim, und überdies belief sich die jährliche Bevölkerungszunahme in der Nachkriegszeit auf etwa 1,5 Millionen. Die Wiederbelebung der Wirtschaft erfolgte sehr langsam, so daß der Lebensstandard der Bevölkerung äußerst niedrig war. Die Indizes der Verbrauchsausgaben des Volkes (der Durchschnitt von 1934 bis 1936: 100) betrugen i m Jahre 1946 69,3 (gesamte Verbrauchsausgaben), 62,3 (durchschnittliche Verbrauchsausgaben des Haushaltes) und 56,9 (durchschnittliche reale Verbrauchsausgaben pro Kopf). Außerdem mangelte es zu jener Zeit i n Japan an Nahrungsmitteln. Der Index der landwirtschaftlichen Produktion (1934 bis 1936:100) fiel i m Jahre 1946 auf 59,7 v. H. Die Ursache der niedrigen Produktion und somit des niedrigen Lebenstandards war hauptsächlich in den großen Kriegsschäden zu sehen (vgl. Tabelle 36). Tabelle 34 Gebietsverluste durch den Krieg (in 1000 k m 2 ) Fläche des japanischen Reiches v o r dem Kriege (A)

675

Verlorener Flächenraum

300

(B)

B/A

0,45

Quelle: Wirtschaftsplanungsamt, Die Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit, — Uberblick — (japanisch), Tokio 1957, S. 8 f.

Tabelle 35 Bevölkerungsentwicklung Japans von 1934 bis 1946 Jahr

Bevölkerung (in 1 000)

Index

1934 - 36

68 647

100,0

1945

71 998

104,9

1946

75 325

109,7

Quelle: Wirtschaftsplanungsamt,

a.a.O., S. 13 ff.

Der Schaden am gesamten inländischen Volksvermögen belief sich auf 64,3 Milliarden Yen, dazu kam noch der Verlust des militärischen, kolonialen und ausländischen Vermögens. Uber die Schätzung des Schadens

136

Yoshitaro Kato

an kolonialem und ausländischem Vermögen existieren zwei Angaben. Nach der Erklärung des „General Headquarters" betrug er einige M i l liarden Dollars, während die japanische Zeitung ihn auf 325 Milliarden Yen schätzte. Der letztere Betrag war ungefähr gleich der Summe des nichtmilitärischen und militärischen Vermögens, das Japan gehabt hätte, wenn der Krieg nicht ausgebrochen wäre. Wenn man m i t einem Verlust an kolonialem und ausländischem Vermögen von 325 Milliarden Yen rechnet, beläuft sich der Gesamtschaden auf etwa 459,3 Milliarden Yen, m i t anderen Worten, das Volksvermögen war auf das Niveau des Jahres 1935 gesunken. I n diesem hoffnungslosen Zustand stand Japan i n der Nachkriegszeit vor der schwierigen Aufgabe des wirtschaftlichen Wiederaufbaues. Tabelle 36 Der Kriegsschaden am Volksvermögen Summe des Kriegsschadens (1)

absolut relativ (in M i l i . i n v. H. Yen)

64 278

25,4

Restbetrag des Volksvermögens am Ende des Krieges (2)

als V e r h ä l t nis zum Vermögen absolut v o n 1935 1935 = 100

34,4

Quelle: Wirtschaftsplanungsamt,

188 852

(1) +

als Verhältnis zum absolut Vermögen v o n 1935 1935 = 100 101,1

253130

i2)

als V e r h ä l t nis zum Vermögen von 1935 1935 = 100

135,5

a.a.O., S. 11.

I I . Der Wiederaufbau und das Wachstum der japanischen Wirtschaft in der Nachkriegszeit Das Tempo des Wiederaufbaues und des Wachstums der japanischen Wirtschaft i n der Nachkriegszeit waren rapide. Während des Zeitraums von 1945 bis heute belief sich die reale jährliche Wachstumsrate der W i r t schaft auf etwa 9 bis 10 v. H. Diese Rate ist eine der höchsten, die es jemals i n der Vergangenheit und Gegenwart gab. Der ausschlaggebende Faktor für die Ermöglichung dieses hohen Wachstums war die Ausdehnung des gesamten Bedarfs, dessen Schwergewicht sich vom privaten Konsum zu privaten und öffentlichen Anlage- und Bauinvestitionen verlegte. Zu beachten ist dabei, daß zwischen der Zunahme der privaten und staatlichen Investitionen ein enger Zusammenhang bestand. Das

5. Kap.: Finanzpolitik in der Wiederaufbau- und Gegenwartsperiode

137

hohe wirtschaftliche Wachstum, das durch die Erhöhung der privaten Anlageinvestition bedingt war, führte unvermeidlich zu Engpässen, die zu überwinden eine weitere Zunahme der staatlichen Investitionen erforderlich machte. A u f diese Weise wurde die hohe Wachstumsrate der japanischen Wirtschaft relativ lange ermöglicht. Dieses langfristig hohe Wirtschaftswachstum hatte aber wiederum eine Uberproduktion und somit eine Depression zur Folge, so daß der Finanzpolitik eine entscheidende Rolle für die konjunkturelle Stabilisierung Japans zukam. Die wirtschaftspolitische Rolle der ordentlichen Staatsausgaben und Investitionsausgaben der Regierung wurde und w i r d immer wichtiger (vgl. Tabelle 38). Tabelle 37 Entwicklung des realen Sozialproduktes von 1946 bis 1961 a) 1946 = 100; b) 1934—1937 = 100 1946

1950

1955

1961

a)

100,0

149,3

228,7

382,3

b)

69,3

96,3

149,2

264,9

Tabelle 38 Struktur der Verwendung des Sozialproduktes von 1946 bis 1965 (in 5- Jahres-Durchschnitten) (in v. H.) Verbrauch

Kapitalbildung

Vorrats-

Außen-

Privat

Regierung

Regierung

Privat

vermehrung

beitrag

1946 - 50

60,7

9,7

10,3

12,2

9,6

-2,5

1951-55

63,7

11,4

7,5

11,2

5,7

0,5

1956 - 61

60,1

10,5

8,1

18,8

5,6

-3,1

1962 - 65

54,1

8,2

9,9

24,3

3,2

0,3

Jahr

Quelle der Tabellen 37 und 38: Die Quelle der Zahl von 1962—65 ist die neue amtliche Schätzung. Bei der neuen Schätzung siehe „Jahresbericht der Regierung über die Volkseinkommenstatistik" (japanisch), Tokio, April 1966 (von 1965 an unter Verwendung der Nominalrate und des Kalenderjahres).

Nicht nur das Wachstum, sondern auch die Strukturwandlung der japanischen Wirtschaft i n der Nachkriegszeit war erheblich. Der Anteil der Beschäftigten der Land- und Forstwirtschaft an der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung sank von 51 v. H. (im Jahre 1947) auf 24 v. H. (im Jahre 1965). Die Zahl der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die seit

Yoshitaro Kato der Meiji-Zeit gleichgeblieben war, verminderte sich ebenfalls. Die folgenden Tabellen (39 und 40) zeigen die enge Verbindung zwischen der hohen Wachstumsrate und der erheblichen Strukturwandlung der W i r t Schaft Japans. Die Ursache der Zunahme der Beschäftigtenzahl und des Einkommensbetrages des primären Bereichs i n der ersten Nachkriegszeit ist auf den Mangel an Nahrungsmitteln und an Arbeitsplätzen zurückzuführen. Später entwickelte sich die japanische Wirtschaft schnell, und viele Beschäftigte des primären Bereichs wanderten nach dem tertiären Bereich ab. Der Anteil der Beschäftigtenzahl und des Einkommensbetrages des sekundären Bereichs blieb unverändert. Tabelle 39 Verteilung der Beschäftigten auf Wirtschaftsbereiche in v. H.

^ ^ ^ ^ ^ Wirtschaftsbereiche

Jahr

1920

1930

1947

1950

1955

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0 100,0 100,0

50,9

46,9

49,9

45,3

37,9

30,2

22,8

Forst- u n d Jagdwirtschaft

0,7

0,6

1,4

1,2

1,3

1,0

0,5

Fischerei u. a.

2,0

1,9

2,0

1,9

1,8

1,6

1,3

53,6

49,4

53,3

48,4

41,0

32,8

24,6

Bergbau

1,6

1,1

2,0

1,6

1,4

1,2

0,6

Bauindustrie

2,7

3,3

4,0

3,9

4,5

6,2

7,0

Warenproduzierende Industrie

16,3

16,0

16,3

15,9

17,6

21,7

24,5

Sekundärer Bereich insgesamt

20,6

20,4

22,3

21,4

23,5

29,1

32,3

Groß- und Kleinhandel

9,8

14,0

6,3

10,8

13,9

15,7

17,8

1,0

1,6

1,8

2,4

Insgesamt Landwirtschaft

Primärer Bereich insgesamt

1960

1965

Bank, Versicherung u. a.

0,5

0,7

0,8

Verkehr, Nachrichten u n d die öffentl. u. halböffentl. Betriebe

4,3

4,4

5,2

5,1

5,2

5,6

6,6

Dienstleistungen i. e. S.

7,2

8,4

8,0

9,5

11,3

11,8

12,9

öffentliche Dienste, Beamte

2,1

2,5

2,7

3,6

3,5

3,0

3,1

Sonstiges, nicht zu klassifizieren

1,9

0,2

1,3

0,2

0,0

0,1

0,1

25,8

30,2

24,3

30,2

35,5

38,0

43,1

Tertiärer Bereich insgesamt Quelle: Wirtschaftsplanung 1964, S. 52 f.

samt, Wirtschaftsstatistik Japans (japanisch), 1. Bd., Tokio

5. Kap.: Finanzpolitik in der Wiederaufbau- und Gegenwartsperiode Tabelle 40 A u f t e i l u n g des Volkseinkommens nach Bereichen i n v. H.

Jahr

1920 1930 a) 1947 a) 1950«) 1955

1960

1964

Bereiche 100,0

100,0

100,0

14,0

29,1

21,2

17,8

10,7

Forst- u n d Jagdwirtschaft

1,3

3,7

2,0

2,2

1,9

Fischerei u. a.

1,6

2,7

2,8

2,7

2,2

16,9

35,5

26,0

Bergbau

1,9

3,1

2,9

1,9

1,6

Bauindustrie

3,9

4,9

4,1

4,5

5,8

7,3

100,0

Insgesamt Landwirtschaft

Primärer Bereich insgesamt

34,3

Sekundärer Bereich insgesamt

27,0

22,7 1 14,8

12,1 1,0

20,6

24,8

22,3

29,2

29,4

27,3 ! 28,6

31,8

28,7

36,6

37,7

21,5

Herstellungsindustrie

100,0 100,0 100,0

Groß- u n d Kleinhandel

15,1

13,8

16,5

16,3

17,1

17,2

Bank, Versicherung u. a.

11,2

1,6

3,2

8,8

8,2

8,8

Verkehr, Nachrichten, öffentl. u n d halböffentliche Betriebe

13,3

3,8

7,4

6,3

9,4

8,1

Dienstleistungen i. e. S.

11,8

13,3

11,1

11,8

9,9

11,0

öffentliche Dienste

3,2

2,2

3,8

5,1

4,2

4,6

Sonstiges, nicht zu klassifizieren

1,2

1,4

0,2

0,3

0,2

0,5

55,8

36,1

42,2

48,6

48,6

50,2

Tertiärer Bereich insgesamt

38,7

a) Bei der Schätzung der Zahlen von 1930, 1947 und 1950 wurden die alten amtlichen Schätzungen gebraucht. Quelle: Wirtschaftsplanungsamt,

a.a.O., 1. Bd., S. 290 f.

I I I . Die zum hohen Wachstum antreibenden Kräfte Die Faktoren, die die japanische Wirtschaft i n der Nachkriegszeit schnell zum Wiederaufbau und Wachstum antrieben, sind i n langfristige und kurzfristige zu unterscheiden. Man kann sie auch i n reinwirtschaftliche und soziale Faktoren gliedern. Meistens wirken erstere als kurzfristige, die zweiten dagegen als langfristige Faktoren. Während des Zeitraums von 1868 bis 1945 konnte Japan seine sehr hohe wirtschaftliche Wachstumsrate fortdauernd halten. Bei der Unter-

140

Yoshitaro Kato

suchung der Faktoren, die das hohe wirtschaftliche Wachstum i n der Nachkriegszeit ermöglichten, sind daher die Bedingungen der Vorkriegszeit besonders zu beachten. 1. Wachstumsfaktoren in der Nachkriegszeit

a) Der Wiederaufbau

von Wirtschaft

und Gesellschaft

I m allgemeinen kann festgestellt werden, daß m i t steigendem Kriegsschaden eines Staates das Tempo seines wirtschaftlichen Wiederaufbaues und Wachstums zunimmt, da hier stets ein großer Bedarf an Verbrauchsund Kapitalgütern besteht. Das galt auch für das Nachkriegsjapan. b) Die technischen Neuerungen I n der Nachkriegszeit war die Erneuerung der Produktionsanlagen notwendig. Die Produktionsanlagen der Leicht- sowie der Schwerindustrie waren während der Kriegszeit schwer beschädigt worden oder veraltet. Daraus ergab sich die Erneuerung und Erweiterung der Produktionsanlagen als dringendes Erfordernis. Auch die Einführung neuer wissenschaftlicher Industrietechniken war erforderlich. Die technischen Neuerungen erstreckten sich auf zwei Industriebereiche. Zum ersten zählten die Auto-, Mineralöl-, Präzisionsmaschinen- und Werkzeugmaschinenindustrie, zum zweiten die petrochemische Industrie, die Herstellung synthetischer Textilien und Kunststoffe, die Fernseh- und Rundfunkindustrie und die Elektronik, für deren Entwicklung technische Neuerungen schon deswegen unentbehrlich waren, weil diese Industriezweige erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Diese technischen Neuerungen waren nicht nur für die A n passung der Änderung der Konsumgewohnheiten und die Entwicklung der Schwerindustrie i n der Nachkriegszeit, sondern auch für die Verbesserung der sog. „terms of trade" erforderlich. c) Die Änderung der Sozialverfassung Die Änderung der sozialen und wirtschaftlichen Verfassung i n der Nachkriegszeit wurde hauptsächlich durch folgende drei Maßnahmen zur Demokratisierung bewirkt: M i t der Abschaffung des Pachtlandes wurden viele Bauern frei. Außerdem beschleunigte diese Maßnahme die Demokratisierung und Modernisierung der Landwirtschaft. Durch die Demokratisierung des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern stieg der A n t e i l der i n Gewerkschaften ein-

5. Kap.: Finanzpolitik in der Wiederaufbau- und Gegenwartsperiode

141

gegliederten Arbeiter an der gesamten Arbeiterschaft schnell. Das Maß der sogenannten bevorzugten Beschäftigung (disguised employment) verminderte sich, und das reale Lohnniveau der Arbeiter stieg. Durch die Maßnahme zur Demokratisierung der Wirtschaft wurden die Zaibatsu abgelöst. Dafür entstand ein Wettbewerb auf dem Markt. Das Ansteigen der Arbeitslöhne i n der freien Wirtschaft beschleunigte die Anwendung des technischen Fortschritts. Diese Maßnahmen zur Demokratisierung hatten zunächst einmal die Vermehrung der privaten Investitionen und des privaten Konsums zur Folge. Aber ihre wichtigere Folgewirkung war die Stärkung der Staatsintervention i n der Volkswirtschaft. Die sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Staatsausgaben, wie z.B. jene für die Stützung der Preise für landwirtschaftliche Produkte oder die Ausgaben für die Sozialversicherung u.a., bildeten einen wesentlichen Teil der Staatsausgaben überhaupt. Somit konnte der private Verbrauch nicht mehr unter eine bestimmte Grenze sinken. Infolge der Verminderung der Militär- und Kolonialausgaben sank der Anteil der staatlichen Verbrauchsausgaben für diese Zwecke, während der der staatlichen Investitionen an den gesamten Staatsausgaben stieg. Zur Erhaltung des hohen wirtschaftlichen Wachstums i n der Nachkriegszeit war die Rolle der öffentlichen Investitionen ausschlaggebend. Diese Investitionstätigkeit des Staates ist ein M i t t e l gegen das Absinken des Investitionsbedarfs und zugleich ein leistungsfähiges Instrument zur Wiederbelebung und Stabilisierung der Wirtschaft während der Depressionszeit. Außerdem bietet die ständige Steigerung der Aufwands-, Investitions- und Zuweisungsausgaben den Unternehmern eine Aussicht auf hohen Gewinn.

2. Eigentümlichkeiten der japanischen Wirtschaft

Charakteristisch für die japanische Wirtschaft ist die sogenannte dualistische Struktur, die zwar i n vielen Ländern ebenfalls gegeben ist, i n Japan jedoch besonders gravierend ist. I n bezug auf die Untersuchung der dualistischen Struktur der japanischen Wirtschaft ist die folgende Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung: Für die Entwicklung der Großunternehmungen ist die ständige Existenz der vielen, kleinen und mittleren Unternehmungen Bedingung. I n diesem Mechanismus einer arbeitsteiligen Wirtschaft können Großunternehmungen, um ihren eigenen Gewinn zu ziehen, kleine und m i t t lere Unternehmungen einschalten. Das bildet einen der Grundfaktoren, die die rasche Wiederbelebung und das schnelle Wachstum der W i r t schaft i n der Nachkriegszeit ermöglichten.

142

Yoshitaro Kato

Betrachten w i r nunmehr, auf welche Weise die dualistische Struktur der japanischen Wirtschaft ein entscheidender Anlaß zur Wirtschaftsentwicklung i n der Nachkriegszeit werden konnte. a) Lohnpolitische

Besonderheiten

Die dualistische Struktur des Arbeitsmarktes bedeutet eine weitgehende potentielle Unterbeschäftigung i n der Landwirtschaft, i n der kleinen und mittleren Industrie und i m Einzelhandel. Weiter bedeutet sie ein verhältnismäßig hohes Lohnniveau i n den Großunternehmungen und niedriges in kleinen und mittleren Unternehmungen. Alles dieses beschleunigte das allgemeine Absinken des Arbeitslohnes. Sogar die Gewerkschaften Japans, die i n allen Betrieben organisiert wurden, neigen zur Senkung des Anteils der Dividende der Arbeit und somit des Arbeitslohnes. Die Existenz der vielen, gut ausgebildeten Arbeiter m i t niedrigem Lohn und die stetig steigende Wachstumsrate der Zahl der neuen A r beitskräfte waren zwei der wichtigsten Voraussetzungen für die Beschleunigung des hohen wirtschaftlichen Wachstums i m Nachkriegsjapan, was andererseits eine hohe Akkumulationsrate des Kapitals bedeutete. b) Die kleinen und mittleren

Unternehmungen

Bei oberflächlicher Betrachtung ist man versucht zu meinen, daß die Träger des wirtschaftlichen Wachstums die modernen Großunternehmungen waren und noch sind. Aber erst durch ein vertikales Verhältnis zu kleinen und mittleren Unternehmungen ist es den Großunternehmungen möglich, die Rolle des Trägers der Wirtschaftsentwicklung i n Japan zu spielen. Sie erreichten damit folgende drei Zwecke: 1. Aufsplitterung der Macht der Gewerkschaften. 2. Nutzung der kleinen und mittleren Unternehmungen als Polster der Großunternehmungen i n Depressionszeiten. 3. Billige Teilzulieferung infolge niedriger Löhne i n den kleinen und mittleren Unternehmungen. Außerdem sind die kleinen und m i t t leren Unternehmungen Abnehmer veralteter technischer Anlagen der Großindustrie. I m allgemeinen streben die Banken und andere Geldinstitute i n Japan auf Kosten der kleinen und mittleren Unternehmungen die Erhaltung der finanziellen Stabilität der Großunternehmungen an. Dieses Verhalten garantiert den Großunternehmungen die Stabilität der Investitionstätigkeit und erleichtert somit die Durchführung technischer Neuerungen, die normalerweise m i t großen wirtschaftlichen Risiken und Belastungen verbunden sind. So können die Großunternehmungen

5. Kap.: Finanzpolitik in der Wiederaufbau- und Gegenwartsperiode

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ihre eigenen wirtschaftlichen Belastungen auf die kleinen und m i t t leren Unternehmungen abwälzen. Auch auf dem Gebiet des Außenhandels dienen die kleinen und m i t t leren Unternehmungen dazu, das Wachstum der Großunternehmungen zu beschleunigen. I n Japan ist der Außenhandel ein wichtiger Faktor des Wirtschaftswachstums, da die außenwirtschaftliche Abhängigkeit Japans sehr stark ist. Das hohe wirtschaftliche Wachstum macht eine ständige Zunahme des gesamten Bedarfs, d. h. des inländischen Bedarfs und der Ausfuhr, erforderlich. Die Ausfuhr i n der Nachkriegszeit dehnte sich erstaunlich aus und spielte eine große Rolle i m wirtschaftlichen Wachstum Japans nach dem Kriege. Während der ersten zehn Nachkriegs jähre machte die Regierung durch die Erhöhung der Ausfuhr der Leichtindustrieprodukte die Einfuhr der Waren und Stoffe, die eine Bedingung für das wirtschaftliche Wachstum i n der Nachkriegszeit sind, möglich. Während der nächsten zehn Jahre der Nachkriegszeit stieg der Anteil der Erzeugnisse der Schwer- und Chemieindustrie an der gesamten Ausfuhr. I m allgemeinen konnten die kleinen und mittleren Industrieunternehmungen die sog. „arbeitsintensiven Waren", denen das niedrige Lohnniveau sehr zustatten kommt, auch i n die traditionellen Industrieländer exportieren. Der Anteil ihrer Waren an der gesamten Ausfuhr betrug ungefähr 50 bis 60 v. H. Die Existenz der vielen kleinen und mittleren Industrieunternehmungen ist eine Ursache für die Senkung des Arbeitslohnes und somit der niedrigen Preise der Ausfuhrgüter von Großunternehmungen. Die kleinen und mittleren Unternehmungen fördern also mittelbar die Erhöhung der Ausfuhr von Schwerindustrieprodukten i n die Entwicklungsländer, da die Großunternehmungen ihre wirtschaftliche Belastung auf die kleinen und mittleren Unternehmungen abwälzen. Das wiederum steigert die Einfuhrkapazität und somit die wirtschaftliche Wachstumsrate. c) Die Landwirtschaf t Die dualistische Struktur der japanischen Wirtschaft beruht auch auf der Landwirtschaft. Trotz der Demokratisierung der Landwirtschaft i m Nachkriegsjapan blieben die wesentlichen Beziehungen zwischen der Landwirtschaft und der Industrie unverändert. Abgesehen von der ersten Nachkriegszeit sank das relative Einkommensniveau der Landwirtschaft immer mehr. Trotz ihrer finanziellen Hilfe konnte die Regierung diese Tendenz nicht hemmen, die allerdings überall i n der Welt zu beobachten war. Hervorhebenswert ist an dieser Stelle, daß i n Japan die

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Landwirtschaft eine Grundlage für das schnelle wirtschaftliche Wachst u m darstellt. Die Landwirtschaft war das Reservoir für Arbeitskräfte, durch die das hohe wirtschaftliche Wachstum i n der Nachkriegszeit ermöglicht wurde. I n den ersten Jahren kehrte ein großer Teil der Unbeschäftigten i n die Dörfer zurück. Aber seit dem Jahre 1955, d. h. seit der Periode des w i r t schaftlichen Aufstiegs, erhielten diese potentiell Unbeschäftigten wieder Arbeit i n der Industrie. I h r Arbeitslohn wurde auf verhältnismäßig niedrigem Niveau festgesetzt, da es noch viele potentiell Unbeschäftigte, z. B. viele Kleinbauern, die auf ein Nebeneinkommen angewiesen waren, i n den Dörfern gab. I h r relativ niedriger Arbeitslohn wiederum bestimmte das allgemeine Lohnniveau. Für die Beschleunigung des hohen wirtschaftlichen Wachstums i n Japan spielte und spielt die Maßnahme zur Sicherstellung billiger und reichlicher Nahrungsmittel eine ausschlaggebende Rolle. Außerdem bestimmt der Prozentsatz der Selbstversorgung m i t Nahrungsmitteln die Einfuhrkapazität und somit die Rate des wirtschaftlichen Wachstums. Die Regierung kontrolliert nach wie vor die Reisversorgung und hält den Reispreis niedrig. Seit der Meiji-Restauration ist das eine Grundlage zur Erhaltung niedriger Löhne. Vor allem gilt das für die erste Nachkriegszeit, da damals der Anteil der Nahrungskosten der privaten Haushalte besonders hoch war. Der niedrige Reis- und verhältnismäßig hohe Kontrollpreis der Produktionsgüter förderten darüber hinaus die Akkumulation des Kapitals. U m die geringe Lohnhöhe zu halten, steht Japan nun vor dem Problem, entweder billige Nahrungsmittel einzuführen oder die Schutzpolitik der Landwirtschaft aufzugeben. Dieses Problem zu lösen ist heute eine dringende Aufgabe. d) Die hohe Sparquote Die Ursache der hohen Sparquote i n der japanischen Wirtschaft ist auf die hohe wirtschaftliche Wachstumsrate, deren Höhe von der Produktivität, der Akkumulationsrate des Kapitals und dem niedrigen Lohnniveau abhängig ist, zurückzuführen. Charakteristisch für die Sparquote Japans ist die außerordentliche Höhe der privaten Sparquote. Der Hauptgrund dafür liegt i n der Höhe der Sparquote aus dem Unternehmereinkommen. Dabei spielt auch der Bonus 2 eine wichtige Rolle. Außerdem wurde die hohe Sparquote durch das Bestreben nach Wiederherstellung des Lebensstandards und der sog. „liquidity asset-ratio" der Vorkriegszeit erhöht. 2

Außer dem regelmäßigen monatlichen L o h n oder Gehalt erhalten viele Arbeiter und Angestellte i n Japan einige Male i m Jahre einen Bonus, der dem Gehalt von einigen Monaten entspricht.

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Alle bisher genannten Hypothesen, wie z. B. die sog. „income hypothesis", „liquidity assets hypothesis" und „permanent income hypothesis", gaben leider keinen Aufschluß über die absolute Höhe der Sparquote. Vielmehr liegt hier ein Komplex von Ursachen vor. Dazu wäre zunächst die Unzulänglichkeit der Sozialversicherung und anderer Wohlfahrtsmaßnahmen der Regierung zu nennen. Statt der Regierung müssen nun die einzelnen Unternehmer und Arbeiter diese Lücke schließen8. Hier entsteht ein Paradoxon; je niedriger ein Lohnniveau ist, desto höher w i r d die Sparquote. Viele kleine Spargelder des Volkes fließen zuerst i n die Banken und andere Geldinstitute, die danach das Geld den Großunternehmen leihen. Die sog. mittelbare Finanzierung nimmt einen großen Teil des Fonds der privaten Anlageinvestition ein, so daß das individuelle Sparen eine wichtige Rolle für das hohe wirtschaftliche Wachstum spielt. Selbst die Regierung erkannte den Nachholbedarf i n der Wohlfahrtspolitik und strebt nach ihrer Vervollkommnung. Diese Bestrebungen kann man als „Ablösungspolitik" von der dualistischen Struktur der japanischen Wirtschaft kennzeichnen. Obwohl die Existenz der dualistischen Struktur die Sozialpolitik und -Versicherung erforderlich macht, bringt das wirtschaftliche Wachstum unter der dualistischen Struktur eigentlich eine schwache Wohlfahrtspolitik der Regierung m i t sich, wodurch die hohe individuelle Sparquote bei niedrigem Einkommensniveau fortbesteht. Die hohe Sparquote macht nun die Akkumulation des Kapitals und somit das hohe wirtschaftliche Wachstum möglich. Dieses hohe Wachstum bringt wiederum die Notwendigkeit der Wohlfahrtspolitik m i t sich. A u f diese Weise besteht die hohe wirtschaftliche Wachstumsrate unter der dualistischen Struktur immer fort.

I V . Der Bildungsprozeß der dualistischen Struktur der Wirtschaft Japans Blicken w i r nunmehr kurz auf den Bildungsprozeß der dualistischen Struktur der Wirtschaft i n Japan. U m das zu klären, sind folgende drei Aspekte zu beachten: 1. Besonderheiten des Arbeitsmarktes i n Japan

Unter der Uberschußbevölkerung wurde der Arbeitsmarkt i n Japan zweigeteilt, d.h. die Arbeitskräfte verteilten sich auf Großunterneh3

Siehe auch Herbert Schmidt, Social Security, Sozialpolitik u n d Versicherimg. I n : Der moderne Kapitalismus u n d Versicherung, Festschrift für Hirokichi Innami (japanisch), Tokio 1964, S. 354 ff. 10 Ikeda - Kato - Taiyoji

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mungen einerseits und auf kleine und mittlere Unternehmungen andererseits. Der gravierende Unterschied besteht darin, daß Großunternehmungen das lebenslängliche Beschäftigungssystem 4/5 m i t Gehaltssteigerungen nach Dienstjahren eingeführt haben. Dabei stellen sie nur junge Probe-Arbeiter oder Lehrlinge als Arbeiter und die neuen Schulentlassenen aus der höheren Schule als Angestellte ein. Es herrscht das sogenannte geschlossene Beschäftigungssystem, i n dem sowohl Arbeiter als auch Angestellte sich der Idee der Loyalität verpflichtet fühlen. Auch diese Tatsache hat eine Senkung des Lohnniveaus zur Folge. Andererseits strömte eine große Anzahl überschüssiger Arbeitskräfte m i t sehr niedrigem Lohn i n kleine und mittlere Unternehmungen. Zu beachten ist dabei, daß, obwohl keine Mobilität der Arbeiter zwischen beiden Arbeitsmärkten bestand, diese doch i n der gesamten Wirtschaftsorganisation i n engem Zusammenhang miteinander standen. 2. Besonderheiten des Produktionsgütermarktes in Japan

Differenzen des Lohnniveaus bestehen überall dort, wo eine Differenz der Mehrwertproduktivität nach Betriebsgrößen und Überschußbevölkerung zu verzeichnen ist. Die Differenz der Mehrwertproduktivität läßt sich durch zwei einleuchtende Hypothesen erklären: die des verhältnismäßigen Preisaufbaues und die der Konzentration des Kapitals. W i r befassen uns zunächst mit der vom Standpunkt der Produktion ausgehenden Hypothese des verhältnismäßigen Preisaufbaues. Es gibt zwei Arten der Produktionspreise. Man muß den angenäherten Konkurrenzpreis der Produkte, hauptsächlich gegeben zwischen den kleinen und mittleren Industrieunternehmungen, unterscheiden vom oligopolistischen Preis der Produkte der Großunternehmungen. Bisher konnten die Gewerkschaften der Großunternehmungen den Lohn ihrer Mitglieder zwar erhöhen, aber trotzdem blieb der A n t e i l der Lohnkosten an den Gesamtkosten der Unternehmungen verhältnismäßig gering, weil hier der oligopolistische Preis entstand und die ständige Steigerung der Gewinnrate i n den Großunternehmungen gefördert wurde. Auch in diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß beide Arten der Produktionsmärkte i n enger Verbindung miteinander stehen, wodurch die Großunternehmungen einen Teil ihrer wirtschaftlichen Belastung auf die kleinen und mittleren Unternehmungen abwälzen können. 3. Die Hypothese der Kapitalkonzentration

Durch die Finanz- und Geldpolitik und das Finanz- und Geldwesen wurde viel Kapital auf die Großunternehmungen konzentriert. I n Ja4/5

Vgl. 3. Kapitel, S. 98 ff.

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pan war die sog. mittelbare Finanzierung, d. h. das Kreditgeschäft der Geldinstitute, ein leistungsfähiges Instrument für die Anlageinvestition der Großunternehmungen. Sowohl die Geldinstitute als auch das öffentliche Finanzwesen halfen den Großunternehmungen bei ihren umfangreichen Finanzierungsaufgaben. Zum Zweck der Erhöhung der Kreditkapazität der großen Banken bot die Bank von Japan einen sehr hohen Kredit an. Wegen dieses umfangreichen Kapitals spielten die Großunternehmungen eine entscheidende Rolle bei der Einführung technischer Neuerungen und der Bewältigung von Rationalisierungsaufgaben der Betriebe i n Japan. Dagegen leiden die kleinen und mittleren Industrieunternehmungen laufend unter dem Mangel an Kapital und der scharfen Konkurrenz. Die obengeschilderten Momente bildeten die Grundlage zur Entstehung und Entwicklung der dualistischen Struktur der Wirtschaft i n Japan, die sich während des Zeitraums vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Weltwirtschaftskrise entwickelte. Aber die Periode der Entstehung der dualistischen Struktur war gleichzeitig die des Anfangs der staatlichen Lenkungswirtschaft oder des Staatsmonopolkapitalismus i n Japan. Die Faktoren, die die Entstehung und Entwicklung der dualistischen Struktur beschleunigten, bestanden ohne große Änderung bis zur Nachkriegszeit fort und waren auch unter der demokratisierenden Gesellschafts- und Wirtschaftsverfassung der Antrieb für die schnelle Wiederbelebung und das hohe Wachstum der Wirtschaft Japans. Abschließend ist festzustellen, daß eine umfassende Würdigung der dualistischen Struktur der japanischen Wirtschaft erst möglich ist, wenn man berücksichtigt, daß die Leistung der dualistischen Struktur auf der besonderen Anwendung der allgemeinen Gesetze der Kapitalkonzentration i n Japan beruht.

V. Einflüsse der Finanz- und Geldpolitik auf die industrielle Entwicklung in der Nachkriegszeit Die industrielle Entwicklung i n der Nachkriegszeit ist i n folgende vier Zeitabschnitte zu unterteilen: 1. Periode des Wiederaufbaus i n der ersten Nachkriegszeit (1945—1950). 2. Periode der Wiedererreichung des Niveaus der Vorkriegszeit (1951 bis 1955). 3. Periode des hohen Wachstums (1956—1961). 4. Übergangsperiode zum neuen Wirtschaftssystem (1962 bis heute). I m weiteren Sinne ist die Periode der japanischen Wirtschaft während des Zeitraums von 1945 bis 1955, d. h. die erste und zweite Periode, als io#

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die des Wiederaufbaus i n der Nachkriegszeit zu bezeichnen, da i n dieser Zeit die Faktoren zur wirtschaftlichen und sozialen Wiederbelebung am stärksten gewirkt haben. I n der ersten Periode herrschte die sog. Lenkungswirtschaft vor. Dazu kamen allerdings auch viele Maßnahmen zur Demokratisierung. Daraus ergaben sich Unklarheiten i n der sozialen Ordnung und des Zielsystems der Politik. I n der zweiten Periode vermochte Japan aus dieser V e r w i r rung zu entrinnen und eine politische Idee zu wählen, womit es die neue Wirtschaftsordnung konzipierte und stabilisierte. Der politische Unterschied zwischen der ersten und zweiten Periode besteht i n der Besatzungszeit Japans durch die Alliierten und der Selbständigkeit Japans nach dem Friedensvertrag von San-Francisco. A m Ende der zweiten Periode stellte die Regierung i m „jährlichen Wirtschaftsbericht Japans" (japanisch) fest, daß die sog. Nachkriegszeit beendet sei. Das war das Ende der Existenz sowohl der für Japan günstigen internationalen Lage als auch der Faktoren des wirtschaftlichen Wiederaufbaues i n der Nachkriegszeit. Nun mußte Japan als selbständiger Staat i m harten Wettbewerb m i t den Industrienationen versuchen, sein wirtschaftliches Wachstum zu erhalten und voranzutreiben. So entstand während des Zeitraums vom Ende der zweiten bis Anfang der dritten Periode das streng nationalistische Bewußtsein i n der politischen Idee. Aus diesem Bewußtsein heraus ergriff die japanische Regierung die sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Entwicklung der Wirtschaft, woraus sich das höchste wirtschaftliche Wachstum i n der japanischen Geschichte ergab. Die wichtigsten Faktoren zur Beschleunigung des Wachstums i n dieser Periode waren die technischen Neuerungen und die dazu erforderlichen privaten Anlageinvestitionen. Gerade i n dieser Zeit lebten die Zaibatsu als Gruppe der oligopolistischen Unternehmungen i n neuer Form wieder auf. Andererseits brachte das hohe Wachstum eine weitgehende Strukturwandlung der Wirtschaft m i t sich, so z. B. die Tendenz zu Preissteigerungen. Die vierte Periode entstand i n der Zeit, i n der sich die übermäßige Produktion allmählich auswirkte. Überdies mußte Japan nun i n das freie Welthandelssystem eintreten und sich gegen die Herrschaft des ausländischen Kapitals i n Japan wehren. Anstelle des Prinzips eines hohen Wachstums erschien nun das der Stetigkeit und Stabilität des wirtschaftlichen Wachstums auf der Bühne der Wirtschaftspolitik. Die japanische Wirtschaft von heute befindet sich i m Prozeß der strukturellen Wandlung.

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1. Periode des Wiederaufbaus i n der ersten Nachkriegszeit

A m Anfang der ersten Periode stand die japanische Wirtschaft vor der Gefahr der Verwirrung und des völligen Zusammenbruchs. Charakteristisch war für Japan in der damaligen Zeit die erhebliche Herabsenkung der Produktionsfähigkeit, die galoppierende Inflation und der Umbruch i n der überkommenen Gesellschaftsordnung. U m dies alles zu überwinden und eine Wirtschaftsbelebung und Stabilisierung wiederherzustellen, war vorerst eine strenge Wirtschaftslenkung nötig, wozu aber auch noch viele Maßnahmen zur Demokratisierung kamen. Sofort nach dem Krieg hob die Regierung einige der Wirtschaftskontrollen, wie z. B. die Verkaufsmanipulation der frischen Nahrungsmittel, auf und führte inflationistische Maßnahmen ein. I n den ersten beiden Jahren nach dem Krieg wurde das unmittelbare, also konkrete Ziel und Prinzip der W i r t schaftslenkung und -politik noch nicht festgesetzt. Die staatliche A k t i v i tät schwankte immer zwischen zwei Alternativen, und zwar zwischen Wiederaufbau der Wirtschaft bzw. inflationistischen Maßnahmen einerseits und der Stabilisierung der Preise und somit der Wirtschaft bzw. deflationistischen Maßnahmen andererseits. Die Tatsache, daß das angestrebte Niveau der Volkswirtschaft Japans vom Reparations- und Besatzungsplan der alliierten Länder abhängig war, stellte einen Grund dafür dar. „Die Besatzungsmacht verfolgt zunächst das Ziel, den besiegten Gegner möglichst dauerhaft zu entmachten, u. a. auch durch eine entsprechende Umgestaltung der wirtschaftlichen Struktur des Landes 8 ." Zuerst mußte das wirtschaftliche Niveau des Nachkriegsjapan bis zu dem Stand der letzten normalen Vorkriegsperiode von 1934—1936 gehoben werden. Nach dieser Zeit änderten die USA allmählich ihre Besatzungspolitik und milderten das Reparationsprogramm Japans erheblich. Sie hatten vor, Japan zum Munitionsindustrieland des fernen Ostens zu machen. Die USA steigerten ihre W i r t schaftshilfe and verlangten von Japan eine schnelle Stabilisierung und Wiederbelebung seiner Wirtschaft. Zur Überwindung der bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten erließ die Regierung i m Jahre 1946 das Moratorium, führte die außerordentliche Vermögenssteuer ein und ergriff noch weitere finanzielle und fiskalische Maßnahmen. Es wurde eine deflationistische Wirtschaftspolitik betrieben. Jedoch erreichte sie damit nicht viel. Ende 1946 plante und verwirklichte die Regierung das sogenannte geneigte Produktionssystem, bei dem das Kapital, die Rohstoffe und die Arbeitskräfte auf die Rohstoffindustrien, insbesondere Kohlenerzeugungsindustrie konzentriert wurden. Aber die bestehende Inflation hemmte die Erhöhung der 6 Karl Hax, Japan. Wirtschaftsmacht des fernen Ostens, K ö l n u n d Opladen, 1961, S. 216.

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Produktivkräfte. Nach dieser Zeit führte die Regierung wieder inflationistische Maßnahmen ein. Trotzdem verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage Japans immer weiter. Zur Uberwindung der schwierigen Lage mußte man nun nicht die Wiederbelebung, sondern nur die Stabilisierung der Wirtschaft anstreben. Die USA verlangten von Japan die Änderung der Wirtschaftspolitik, d. h. die Aufnahme einer streng deflationistischen Politik. I m Jahre 1949 kam der Präsident der Bank von Detroit, Dodge, nach Japan und entwarf den Grundriß der Wirtschaftspolitik zur Stabilisierung der japanischen Wirtschaft. Das war eine sehr streng deflationistische Wirtschaftspolitik, wodurch der Staatshaushalt ausgeglichen und der Yen stabilisiert wurden. Zum Zweck der Ergänzung der sog. DodgeLinie auf dem Gebiet der Finanzpolitik, insbesondere der Steuerpolitik, legte i m gleichen Jahre der amerikanische Nationalökonom Shoup dem „General Headquarters" einen Bericht über eine Besteuerung vor 7 . Von dieser Zeit ab bis zum Ausbruch des Korea-Krieges i m Jahre 1950 liefen die japanische Wirtschaft und Wirtschaftspolitik i m Grunde auf der Dodge-Shoup-Linie. I m Korea-Krieg spielte Japan die Rolle der Munitionsfabrik des fernen Ostens, wodurch es seine Wirtschaftsmacht erhöhen konnte. Von den Maßnahmen zur Demokratisierung der sozialen und w i r t schaftlichen Ordnung sind die folgenden vier besonders hervorhebenswert. Die erste war die Demokratisierung des Kapitals. I m ersten Jahr nach dem Krieg übergab die Regierung den Rüstungsunternehmungen, u m den durch das Kriegsende erlittenen Verlust zu ersetzen, die noch vorhandenen staatseigenen Rüstungsmaterialien ohne Entgelt und leistete außerdem finanzielle Hilfe. Nach dieser Zeit führte die Regierung die Maßnahmen zur Demokratisierung des Kapitals durch. Diese waren z. B. die Auflösung der Zaibatsu, die Antimonopolgesetzgebung und die Gesetzgebung zur Beseitigung der übermäßigen Konzentration der W i r t schaftsmacht. Gleichzeitig führte die Regierung die Maßnahmen zur Förderung der Kapitalbildung und zur Beschleunigung weiterer A k k u mulation des Kapitals durch. Die Regierung gab den Großunternehmungen viele Hilfen, wie z.B. die Aufnahme des geneigten Produktionssystems, was bereits erwähnt wurde, die Gewährung von Geldzuschüs7 Der Shoupsche Bericht w a r i n dem Sinne rational, als er direkte Steuern, insb. die Einkommensteuer, i n den M i t t e l p u n k t der Steuerverfassung stellte u n d den Präfekturen u n d Gemeinden einige eigene, leistungsfähige Steuern freistellte. A b e r gleichzeitig hatte er eigentlich die Ermäßigimg der Körperschaftssteuer u. a. m. zur Folge, wodurch die A k k u m u l a t i o n des Kapitals beschleunigt wurde. Z u beachten ist, daß Shoup sich dabei u m die Erhöhung der freiwilligen Ersparnisse u n d der direkten Investition bemühte. Martin Bronlenbrenner u n d Kiichiro Kogiku, A f t e r m a t h of the Shoup T a x Reforms, i n : National T a x Journal, 10. Bd., Boston 1957.

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sen für einige besondere industrielle Produktionstypen 8 , die Manipulation des Außenhandelsfonds-Sonderetats 9 und die Finanzierung aus der Finanzierungskasse zum Wiederaufbau (Fukko-Kinyu-Kinko) 10 . A u f Kosten der Arbeiter, Bauern und anderer Schichten m i t niedrigem Einkommen erst konnte die Regierung alle diese Maßnahmen durchführen. Durch die Änderung der Besatzungspolitik def USA wurden die Demokratisierungsmaßnahmen schnell gemildert. Die zweite war die Demokratisierung der Arbeit. I m Jahre 1948 richtete die Regierung das Arbeitsministerium ein und setzte einige epochemachende Gesetze fest, wodurch die Rechte der Arbeiter garantiert w u r den. Die Zahl der den Gewerkschaften eingegliederten Arbeiter vermehrte sich. Aber trotz ihrer Bestrebungen hatte die Arbeiterbewegung keinen großen Erfolg zu verzeichnen, weil sie bisher wenig Erfahrung gesammelt hatte. Überdies wurde durch die Arbeitslohnkontrolle, die Senkung des Reallohnes durch die Inflation, die Existenz der vielen potentiellen Unbeschäftigten und das Zwangssparen durch die starke Besteuerung die Lage der Arbeiter und der kleinen Unternehmer verschlechtert. Die dritte war die Demokratisierung der Landwirtschaft. Von allen Maßnahmen zur Demokratisierung der Wirtschaftsgebiete war die der Landwirtschaft die auffallendste. Durch die Bodenreform verschwanden die bisher üblichen Grundbesitzer-Pächter-Verhältnisse, die von der Meiji-Restauration bis zu dieser Zeit fortbestanden hatten. Die Verkaufskontrolle der Agrarprodukte durch die Regierung war ziemlich streng. U m die Inflation und somit die Steigerung des Arbeitslohnes zu unterdrücken, verkaufte die Regierung die Hauptnahrungsmittel zu verhältnismäßig niedrigen Preisen. Aber gleichzeitig setzte sie ihren Erzeuger8 Z u m Zweck der Erhaltung des niedrigen Preissystems gewährte die Regierung den industriellen Unternehmungen einen Geldzuschuß, w o m i t sie bezweckte, die industriellen Unternehmungen zu fördern u n d die Belastung daf ü r den öffentlichen Finanzen (Steuern) u n d somit dem V o l k aufzubürden. 9 M i t dem Außenhandelsfonds-Sonderetat kaufte die Regierung die E x portgüter zu verhältnismäßig hohem Preis u n d verkaufte die Importgüter zu relativ niedrigem Preis, m i t dem Z i e l der Stabilisierung des Preisniveaus u n d des Aufschwungs der Exportindustrie. 10 A l s zentrales Geldinstitut zur finanziellen Unterstützung des geneigten Produktionssystems richtete die Regierung die Kasse ein. Die Kassen-Finanzierung hatte die folgenden v i e r Charakteristika: Erstens w u r d e der H a u p t t e i l ihres Finanzierungsfonds durch die Übernahme der Obligation der Bank von Japan bereitgestellt. Zweitens entliehen die Unternehmungen das Geld zur Benutzung als bewegliches Kapital, wobei die Kasse meistens die Rückzahlung nicht erwarten konnte, w e i l ein großer Teil der Verluste der U n t e r nehmungen auf die Maßnahmen der Regierung zur Erhaltung des niedrigen Preisniveaus zurückzuführen w a r . Drittens nahmen die Großunternehmungen einen erheblichen T e i l ihres Darlehens i n Anspruch. Viertens w u r d e der Hauptteil der nicht zurückgezahlten Beträge der Kasse durch die Regierung gedeckt.

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preis aus politischen Erwägungen relativ hoch fest. Der Betrag dieser finanziellen Hilfe der Regierung, d. h. einer A r t der Agrarsubvention, vermehrte sich von Jahr zu Jahr. Da i n den Städten ein großer Mangel an Arbeitsstätten und Nahrungsmitteln herrschte, kehrten viele Arbeiter i n die Dörfer zurück, und dort entstand dadurch eine große potentielle Unterbeschäftigung. Die Demokratisierung des Finanzwesens wurde hauptsächlich durch das neue Verfassungsrecht und die Finanzgesetze von 1947 durchgeführt. Formell stand nun das Finanzwesen vollständig unter der Kontrolle des Parlaments. Sowohl die langfristige öffentliche Verschuldung zur Bereitstellung der allgemeinen Staatsausgaben des Hauptetats, als auch ihre Ausgabe mittels Übernahme durch die Bank von Japan wurden verboten. Ein bestimmter Teil des Restbetrages des Budgets mußte für die Tilgung der noch bestehenden öffentlichen Schuld genutzt werden. I n politischer Hinsicht bedeutete dieses die Verwirklichung der klassischen Demokratie, aber wirtschaftlich hatte es eigentlich eine ausgeglichene und somit unelastische Finanzpolitik zur Folge. Wie bereits erwähnt, begann die Regierung die Finanz- und Geldpolit i k i n der Nachkriegszeit m i t inflationistischen Maßnahmen zur Erreichung der Stabilität und des Wiederaufbaus der Wirtschaft durch die Akkumulation des Kapitals als direktem und wirksamstem Mittel. Diese Idee bestand auch während der Zeit der deflationistischen Dodge-Wirtschaftspolitik und der Shoup-Steuerpolitik fort. Nehmen w i r die ShoupSteuerpolitik als Beispiel, so hatte sie zwar die Demokratisierung und Modernisierung des japanischen Steuerwesens bezweckt; aber i n W i r k lichkeit wurde die Idee der Gerechtigkeit in der Shoup-Steuerpolitik bald aufgegeben, und dafür entwickelten sich die Maßnahmen zur Massenbesteuerung und Begünstigung der Großeinkommen und somit der Großunternehmungen. Die günstige steuerliche Behandlung der beschleunigten Abschreibung der Anlagen und Kapitaleinkommen stellte nur eines vieler Beispiele dafür dar. Alle diese Maßnahmen zur Demokratisierung, Modernisierung und Erreichung der Gerechtigkeit hätten nur dann fortbestehen können, wenn sie nicht dem Wiederaufbau des kapitalistischen Systems i m Wege gestanden hätten. 2. Periode der Wiederherstellung des Vorkriegsniveaus

Die Wirtschaftsentwicklung der zweiten Periode fing an m i t dem erhöhten Rüstungsbedarf, der durch den Ausbruch des Korea-Kriegs i m Jahre 1950 verursacht wurde. Der große Warenvorrat, der unter der deflationistischen Dodge-Wirtschaftspolitik entstanden war, wurde ausgeräumt, und die industrielle Produktion steigerte sich erheblich. Nach dem Ende des Krieges i m Jahre 1951 erhöhte sich der Gesamtbedarf, da

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das Konsumniveau der Vorkriegszeit erreicht wurde. Aber bald nach dieser Zeit entstand eine Depression, die die Schwäche der japanischen Wirtschaft zum Ausdruck brachte. U m die Wirtschaftsentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit nach Erlangung der Selbständigkeit Japans zu erhöhen, ergriff die Regierung starke Maßnahmen zum Schutz der Industrie. Damals bezeichnete man diese Maßnahmen als Rückschritt, da die Regierung sie auf Kosten der Demokratisierung der Industrie durchgeführt hatte. I n der zweiten Hälfte der zweiten Periode vollzog sich eine Erhöhung der Anlageinvestition zur Rationalisierung der Betriebe, was wiederum den individuellen Konsum vermehrte. Nach dem Friedensvertrag von San-Francisco i m Jahre 1952 half Japan zusammen m i t den USA den Entwicklungsländern i n Asien, wobei die USA hauptsächlich finanzielle, Japan hingegen materielle Entwicklungshilfe in Form von Rohstoffen, technischen Anlagen und Arbeitskräften gaben. Dieses stellte auch einen Faktor der Wirtschaftsentwicklung dar. Die Wiederherstellung der normalen Konjunktur-Zyklen und Unerläßlichkeit der Stärkung der internationalen wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit i m Nachkriegsjapan brachten die Schutzpolitik der Regierung und die Umorganisierung der Groß- und Zaibatsu-Unternehmungen m i t sich. Die Zahl der Ausnahmen in der Anwendung der Antimonopolgesetze vermehrte sich immer weiter. I n dieser Zeit konnte man die Bezeichnung Zaibatsu als Firmen-Namen (wie z. B. Mitsui-Bank, Mitsubishi-Schwerindustrie-Gesellschaft) wieder verwenden, was seit der A u f lösung der Zaibatsu nicht erlaubt war. U m die Wettbewerbsfähigkeit der japanischen Wirtschaft zu stärken, führte die Regierung i n der zweiten Hälfte der zweiten Periode die deflationistische Wirtschaftspolitik durch, wobei die Regierung den Großunternehmungen reichlich Kapital bereitstellte und einen großen Betrag der Einfuhr erlaubte, wodurch die Einführung technischer Neuerungen i n den Großunternehmungen sehr erleichtert wurde. Dagegen konnten die kleinen und mittleren Unternehmungen ihre veralteten Produktionsanlagen nicht erneuern, und den Reallohn ihrer Beschäftigten nicht erhöhen. So wurde hier die vertikale Verbindung zwischen den Großunternehmungen und den kleinen und mittleren Unternehmungen, wie sie i n der Vorkriegszeit bestanden hatte, wiederhergestellt. A u f diese Weise stieg der Anteil der Schwer- und Chemieindustrie an der gesamten Industrieproduktion, wodurch die japanische W i r t schaft ein hohes wirtschaftliches Wachstum i n der dritten Periode vorbereitete. Die Lage der Arbeiterschaft i n der damaligen Zeit war schlecht. Die Wirtschaftsentwicklung i n der ersten Hälfte der zweiten Periode wurde

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weniger durch die Erhöhung der Beschäftigtenzahl, als vielmehr durch die Verlängerung der Arbeitszeit und Erhöhung der Arbeitsintensität erreicht. Überdies strömte die Überschußbevölkerung aus den Dörfern wieder i n die Städte. Hier entstand eine A r t der Antinomie: die Vermehrung der Arbeitslosen bei wirtschaftlichem Wachstum. Durch die Verbannung der Kommunisten wurde die politische Macht der progressiven Parteien und der Gewerkschaften entkräftet. Überdies isolierten die progressiven Parteien sich von dem Volk. Auch sank die Zahl der organisierten Arbeiter immer weiter. I n dieser Zeit war eine Verbesserung der Stellung der Landwirtschaft i m Rahmen der Gesamtwirtschaft nicht zu erkennen. Außer dem Reisverkauf wurden alle Verkaufskontrollen über die Agrarprodukte aufgegeben. Trotz der Steigerung der Produktivität der Arbeit i n der Landwirtschaft stieg weder die Kapital- noch die Grundstücksproduktivität. Aus diesen Gründen entstand der verhältnismäßig hohe Preis der Agrarprodukte i n Japan i m Vergleich zu den Preisen ausländischer Erzeugnisse. Dadurch hätte die Rate des wirtschaftlichen Wachstums herabgesetzt werden können, da eine erhöhte Einfuhr von Agrarprodukten sowie eine Einschränkung der Einfuhr der für das wirtschaftliche Wachst u m dringend notwendigen Waren erfolgt wäre, und somit eine Verschlechterung der Zahlungsbilanz zur Folge gehabt hätte. U m solcher Entwicklung entgegenzuwirken, gewährte die Regierung der Landwirtschaft hohe Subventionen. Jedoch vermehrte sich dadurch das Defizit des Sonderetats für Nahrungsmittelmanipulation erheblich. Die Verbesserung der Zahlungsbilanz war ein wichtiges wirtschaftspolitisches Ziel der Regierung der damaligen Zeit. Der Anteil der Leichtindustriewaren an der gesamten Ausfuhr sank, dagegen stieg der der Erzeugnisse der Schwerindustrie. USA und Süd-Ostasien waren die größten Ausfuhrmärkte. Während dieser Periode wandelte sich die Zielsetzung der Wirtschaftsund somit Geld- und Finanzpolitik von der Wiederherstellung des W i r t schaftsniveaus der Vorkriegszeit zur generellen wirtschaftlichen Stärkung der Nation. Der Kapitalmangel i m privaten Bereich, der ein Resultat des eingeschränkten, ausgeglichenen Budgets von Dodge war, wurde nun m i t dem Ausbruch des Korea-Krieges durch die Kreditschaffung der Bank von Japan abgelöst. Die Abhängigkeit der privaten Banken von der Bank von Japan wurde immer stärker, und es entstand das übermäßige Darlehen der Bank von Japan als allgemeine Erscheinung. Die Regierung stellte den sog. „Finanzierungsplan des Finanzfonds" auf, wodurch sie m i t den Regierungsersparnissen die wichtigen Rohstoffindustrien finanzieren konnte. Dadurch wurde die Entstehung von Geld- und Kredit-

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instituten gefördert, wie z. B. die Bank für die Wirtschaftsentwicklung Japans (Nihon-Kaihatsu-Ginko von 1951), die Export-Import-Bank von Japan (1950) u. a. m. Die Obligationen wurden m i t Regierungsgarantien ausgegeben. I n Wirklichkeit stellten diese Obligationen eine A r t öffentlicher Schuldscheine dar. Der Anteil der Staats- und Gemeindesteuereinnahmen am Volkseinkommen erreichte i m Jahre 1955 mit 19,6 v. H. das M i n i m u m der Nachkriegszeit. Während dieser Periode sank der Anteil der direkten Steuern, insbesondere der der Einkommensteuer an den gesamten Steuereinnahmen, dagegen stieg der der Körperschaftssteuer. Schon i n dieser Zeit zeigte das japanische Steuersystem eine ganz andere Gestalt als das Shoup-Steuersystem. Die Maßnahmen zu einer Begünstigung der Großunternehmungen i n der Besteuerung waren festgesetzt. Auch entstand hier das eigenartige Finanzierungssystem des industriellen Kapitals i n Japan. Der Hauptteil des Unternehmungskapitals wurde nun durch die Banken und andere Geldinstitute, d. h. durch die sog. mittelbare Finanzierung beschafft. Nun steigerten sich die Ausgabenanteile für die Subventionen und die öffentlichen Arbeiten, die den Aufschwung der Landwirtschaft und der Rohstoffindustrie bezweckten, an den gesamten Staatsausgaben. Überdies traten jetzt die Reparationszahlungen und die Rüstungsausgaben i n Erscheinung. 3. Periode des hohen Wirtschaftswachstums

Während der dritten Periode, d. h. von 1956 bis 1961, verdoppelte sich das Bruttosozialprodukt. Die Industrieproduktion verdreifachte sich sogar. Dazu trugen die privaten Anlageinvestitionen als wichtigster Faktor bei. Während dieser Periode führte die japanische Wirtschaft neue Techniken und Neuerungen ein, wodurch Japan seit dem Jahre 1957 z. B. i m Schiffbau die erste Stelle i n der Welt erreichte und damit Großbritannien übertroffen hat. Außerdem entwickelten sich einige neue Industriearten, z.B. die petrochemische Industrie. Das Konsumniveau des Volkes übertraf das der Vorkriegszeit und steigerte sich weiterhin, woraus sich die Produktion der dauerhaften Konsumgüter, z. B. Kameras, Fernsehapparate, Waschmaschinen usw. entwickelte. Auch die Demokratisierungsmaßnahmen zeitigten nunmehr wirtschaftliche Erfolge. Der traditionelle ständische Familienaufbau der Landbevölkerung wurde aufgelöst. Die Abwanderung der Agrarbevölkerung i n die Städte brachte ihre Verminderung auf dem Lande m i t sich. Das Bewußtsein der städtischen Arbeiter näherte sich allmählich dem kleinbürgerlichen an, was durch die Werbekampagnen der Großunternehmungen noch beschleunigt wurde. Für die Großunternehmungen war die Änderung der öffentlichen Meinung des Volkes keine sehr schwierige

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Aufgabe. Der sogenannte Demonstrationseffekt bildete einen Pfeiler zur Unterstützung des hohen wirtschaftlichen Wachstums. Glücklicherweise vermehrte sich auch die Ausfuhr der japanischen Waren infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs i m Ausland. Während dieser Zeit vollendeten die Zaibatsu die Umorganisierung ihres wirtschaftlichen Herrschaftsmechanismus, womit der Grundaufbau des Wirtschaftssystems i m Nachkriegsjapan abgeschlossen wurde. Die Antimonopolgesetze sind damit zu einer lediglich „titularen Existenz" herabgesunken. Zur Durchsetzung des technischen Fortschritts ist die Bildung großer Produktionsstätten und somit großer Kapitalgesellschaften unerläßlich, weswegen die Beschleunigung der Einführung technischer Neuerungen auch ein Resultat der Unternehmenskonzentration darstellte. Durch die breite Streuung der A k t i e n i m Volke, ein Resultat der Demokratisierung der Aktienausgabe, fiel es den Großunternehmen leicht, durch den Kauf verhältnismäßig kleiner Aktienpakete andere Unternehmungen zu beherrschen. Auch auf diese Weise wurden die Zaibatsu i n neuer Form wieder maßgebend. Alle Zaibatsu besaßen mehrere Großunternehmen i n jeder Industriebranche, was auch für die Zaibatsu der Vorkriegszeit gegolten hatte. I n der Vorkriegszeit konzentrierten die Zaibatsu ihre Investitionen meistens auf einige bestimmte Unternehmungen, i n der Nachkriegszeit dagegen finanzierten sie verschiedene Unternehmungen i n gleicher Weise. I m Prinzip verfolgten sie mit ihrer A k t i v i t ä t eher die Erhöhung ihres Marktanteils als die Erzielung von Maximalgewinnen. Jedoch stieg der Konzentrationsgrad des Kapitals der Zaibatsu allmählich, wogegen der ihrer Produktion und ihres Verkaufs sank. Diese Erscheinungen, d. h. die Kapitalkonzentration und der heftige Wettbewerb, waren der Hauptantrieb zur Vergrößerung der Anlageinvestitionen, welche das schnelle wirtschaftliche Wachstum i n dieser Zeit beschleunigten. Die Modernisierung der kleinen und mittleren Unternehmungen schritt sehr langsam fort. Hinsichtlich des Lohnniveaus, der Produktivität und des Zinsfußes ihrer Anleihen wurde die Differenz zwischen den Großunternehmungen und den kleinen und mittleren Unternehmungen immer größer. Die Zahl der Arbeiter stieg damals u m etwa 10 v. H. pro Jahr, wodurch die Arbeitslosigkeit i n Dörfern und Städten nunmehr verschwand. Die neuen Schulentlassenen gingen hauptsächlich i n Großunternehmungen. Nur die Großunternehmungen konnte die ständige hohe Kapitalakkumulation und den hohen Gewinn aufrechterhalten und dadurch den Arbeitern ihren Lohn erhöhen. Durch die Erhöhung der Produktivität i n den Großunternehmungen wurde der A n t e i l der Lohnkosten an den Gesamtkosten herabgesetzt, dagegen wurde i n den kleinen und m i t t -

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leren Unternehmungen die umgekehrte Tendenz erkennbar. A u f diese Weise wurden die Differenzen zwischen den Arbeitslöhnen nach Betriebsgrößen immer beträchtlicher. Die Lage der Landwirtschaft änderte sich erheblich. Während dieser Periode verminderte sich die Zahl der Agrarbevölkerung um etwa 2 M i l lionen. Auch das Agrareinkommen sank sehr schnell, und der Aufbau der Agrarbetriebe änderte sich. Der Anteil der Agrarbevölkerung m i t Nebenbeschäftigung an der gesamten Agrarbevölkerung machte etwa ein Drittel aus. Der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung, deren Haushalte hauptsächlich von dem nicht landwirtschaftlichen Einkommen abhängig war, stieg. Statt einer Demokratisierung der Landwirtschaft, wodurch viele kleine Freibauernstellen entstanden wären, plante die Regierung i m „Programm der verdoppelten Vermehrung des Volkseinkommens" (im Jahre 1960) Maßnahmen zur Vergrößerung der Agrarbetriebe und somit zur Freisetzung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte für die Industrie. Die unerwartet zügige Verwirklichung dieses Planes hatte eine schnelle Steigerung der Nahrungsmittelpreise zur Folge. M i t dem Mangel an Arbeitskräften und m i t der Preissteigerung der Nahrungsmittel und der Industrieprodukte der kleinen und mittleren Industrieunternehmungen stieg nun der Arbeitslohn. Auch die Konsumpreise erhöhten sich schnell. Trotz der Steigerung der Produktivität i n den Großunternehmungen sanken die Großhandelspreise infolge oligopolistischer Preisbildung nicht. Allerdings setzten die Großunternehmungen nunmehr ihre Ausfuhrpreise herab. Durch die günstigen Bedingungen, d. h. durch die Herabsetzung des Preises der Ausfuhrwaren und den wirtschaftlichen Aufschwung i m Ausland, konnte Japan in dieser Zeit den Ausfuhrbetrag steigern. Vor allem war die Erhöhung der Ausfuhr der Schwer- und Chemieindustriewaren auffallend, was sich i n der Steigerung ihres Anteils an der gesamten Industrieproduktion widerspiegelte. Aber gleichzeitig erhöhte das starke wirtschaftliche Wachstum die Einfuhr. Also bestand weiterhin die Möglichkeit eines Defizits i n der Zahlungsbilanz. Inzwischen verlangten die USA von Japan, daß es ein Glied des freien Welthandelssystems würde. U m dieses Ziel zu verwirklichen, führte die damalige Regierung einige stärkere nationalistische Maßnahmen durch, um das wirtschaftliche Wachstum weiter zu steigern. I m Mittelpunkt der Zaibatsu-Unternehmungen standen nun die Zaibatsu-Banken, weil i n Japan damals die sog. mittelbare Finanzierung vorherrschte. Bei Anlageinvestitionen wurde der dafür benötigte Fonds durch die Ausgabe von Aktien und die Finanzierung durch private Banken bereitgestellt. Damals gab es noch keinen leistungsfähigen Markt für die Bereitstellung der Aktien und der Schuldverschreibungen der

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Unternehmungen. Der Fehlbetrag des privaten Fonds wurde also durch die Finanz- und Geldpolitik, d. h. durch das Staatskapital i n Form von Postspareinlagen und Post-, Lebens- und Altersversicherungsprämien sowie die Schaffung des Staatskredits, ersetzt. Der Hauptteil dieser Fonds wurde den Zaibatsu-Unternehmungen zur Verfügung gestellt. Von den finanziellen Maßnahmen der Manipulation der Vorschriften über die Bildung von Reservefonds, den Offen-Marktoperationen und der Manipulation des Zinsfußes war eigentlich nur die letzte relativ leistungsfähig für Japan, aber wegen der künstlichen Festsetzung des Zinsfußes war auch sie nicht sehr effektvoll. Der große Betrag der langfristigen Darlehen der Banken brachte eine mangelnde Liquidität des Geldes m i t sich. Unter diesen Umständen konnte die Bank von Japan keine leistungsfähige Geld- und Währungspolitik durchführen. U m das schnelle wirtschaftliche Wachstum aufrechtzuerhalten, führte die Regierung Maßnahmen zur Erhaltung des billigen Geldes durch. Bei der Ausgabe von Obligationen m i t Regierungsgarantie wies die Regierung von dieser Zeit an zwangsweise den Banken ihren Ubernahmeanteil zu. Auch wurde die übermäßige Darlehensgewährung der Bank von Japan, also die Verschuldung der Geschäftsbanken bei der Zentralbank, ein Instrument der Wirtschaftspolitik. Wesentlich für die Finanzpolitik dieser Zeit war die aktive sogenannte Ifceda-Finanzpolitik. Trotz der Herabsetzung der Steuersätze u. a. Maßnahmen erhöhten sich die gesamten Steuereinnahmen und somit auch die Rate der Steuerbelastung des Volkes. Dies war nur ein Spiegelbild des hohen wirtschaftlichen Wachstums. Die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer lagen nunmehr an erster Stelle unter den Steuereinnahmen des Staates. Die Zahl der Einkommensteuerzahler m i t niedrigem Einkommen vermehrte sich erheblich, und außerdem erhöhte sich der Anteil der indirekten Steuereinnahmen an den gesamten Steuereinnahmen, ein Ergebnis der realen Steuervermehrung und der Massenbesteuerung. I n vermehrtem Maße wurden öffentliche Investitionen durchgeführt. Trotz der Ausweitung der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten war das Hauptziel der öffentlichen Investitionen nach wie vor auf die Erreichung eines wirtschaftlichen Wachstums gerichtet, weil die Regierung die Stärkung der japanischen Wirtschaft zur Teilnahme am freien Welthandelssystem als oberstes Ziel ansah. 4. Übergangsperiode zum neuen Wirtschaftssystem

I n den Konjunktur-Zyklen verkürzte sich von nun ab die Aufschwungsperiode, wogegen sich die der Depression verlängerte. Seit der zweiten Hälfte der dritten Periode wurden die Anlageinvestitionen der Unter-

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nehmungen nicht nur zum Zweck der Erhöhung des Anteils am M a r k t vollzogen, sondern auch zur Rationalisierung der Betriebe, womit die Unternehmungen vorhatten, die Steigerung der Produktionskosten, die durch den Mangel an Arbeitskräften und die Erhöhung des Arbeitslohnes verursacht wurde, zu umgehen. Es entstand die Überproduktion. Die Periode der Einführung technischer Neuerungen war vorüber. Der Investitionsbedarf verminderte sich und die jährliche Wachstumsrate der Anlageinvestitionen sank. Nach wie vor blieb jedoch ein hohes I n vestitionsniveau als ganzes bestehen, und der Beschäftigungsgrad der Unternehmungen sank nicht. Außerdem vergrößerte sich i n zunehmendem Maße die deflatorische Lücke. Der Erlös vermehrte sich, und der Gesamtbetrag der Kreditoren und Debitoren zwischen Unternehmungen belief sich auf die gleiche Höhe wie das Bruttosozialprodukt. Die Zahl der Konkurse und Fusionen kleiner und mittlerer Unternehmungen stieg erheblich, da die Zaibatsu-Unternehmungen ihnen entweder die Rationalisierung der Betriebe und danach eine Fusion m i t ihnen aufzwangen oder ihre bisherigen Schutzmaßnahmen für die kleinen und mittleren Unternehmungen aufgaben, was i n der Regel zum Konkurs dieser Firmen führte. I m allgemeinen verschlechterte sich die Lage der Industrieunternehmungen. Aus den großen Anlageinvestitionen ergaben sich auch höhere Kapitalkosten. Dazu kam die Vermehrung der Kosten für die Vorratsfinanzierung und die Werbung. Parallel zu den ständigen Preissteigerungen für Konsumgüter stiegen die Lohnkosten, weswegen sich i n dieser Zeit die Lohndifferenzen zwischen den verschiedenen Betriebsgrößen etwas verringerten. Aber seit dem Jahre 1965 wurden sie wieder schärfer. Die Gründe dafür lagen einerseits i n der Bildung der Kartelle zur Überwindung der Depression i n den Rohstoffindustrieunternehmungen und andererseits in der Verschlechterung der Lage der kleinen und mittleren Unternehmungen. Trotzdem sank i n den Großunternehmungen der Lohnanteil an den Gesamtkosten. I n dieser Zeit sanken sowohl das reale verfügbare Einkommen als auch das Konsumniveau der A r beiter. Während des Zeitraums von 1960 bis 1965 verminderte sich die Agrarbevölkerung u m 4,4 Millionen. I m Vergleich zum vorhergehenden Zeitraum verdoppelte sich das Tempo der Abnahme. Nun betrug der Anteil der Landwirtschaft am gesamten Volkseinkommen nur 10 v. H. Die Erntemenge stagnierte, und die Produktivität der Landwirtschaft sank allmählich. Der Anteil der landwirtschaftlichen Haushalte ohne Nebenbeschäftigung an den gesamten landwirtschaftlichen Haushalten sank auf etwa 20 v. H. Der A n t e i l der landwirtschaftlichen Haushalte, deren Einkommen vorwiegend aus Nebenbeschäftigungen nicht landwirtschaftlicher A r t herrührten, überholten jene anderer landwirtschaftlicher

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Haushalte trotz mehrerer Maßnahmen zur Ergänzung des Agrareinkommens. Der Preis für landwirtschaftliche Produkte überstieg i n Japan den der ausländischen Produkte, was wiederum die Beibehaltung des niedrigen Lohnes immer schwieriger machte. Für Japan führte so die Einfügung ins freie System der arbeitsteiligen Weltwirtschaft zu einer Krise. Bisher hing die Einführung technischer Neuerungen i n Japan von der Einfuhr der ausländischen Patente und Methoden ab. Die inländischen Industrieunternehmungen, in denen die neuen Techniken genutzt wurden, wurden vor dem Wettbewerb m i t dem Ausland geschützt. A u f Kosten des hohen inländischen Preises konnte Japan die bisher gegebene Billigkeit der Ausfuhrwaren aufrechterhalten. Erst i n dieser Zeit überstieg die Ausfuhr der Güter der Schwerindustrie und der chemischen Industrie die der Leichtindustrie. Grund dafür war der Vietnam-Krieg. Die Teilnahme Japans am freien Welthandelssystem w i r d i n Zukunft der Vergrößerung der Ausfuhr Japans einen schweren Schlag versetzen. Trotzdem w i r d Japan zur Ausfüllung der deflatorischen Lücke die Ausfuhr erhöhen müssen. I n dieser Hinsicht befindet sich die japanische Wirtschaft heute i n einem Dilemma. Zu der bisherigen Steigerung des Konsumpreises kam seit dem Jahre 1966 die des Großhandelspreises. Auch die reale Steuerbelastung erhöhte sich. A u f diese Weise sank das verfügbare Volkseinkommen. Auch nahm der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel an den Gesamtausgaben zu. Seit dieser Periode stieg der Anteil der Bevölkerung wieder, deren Einkommen das Existenzminimum nicht erreichte. Trotz der Einführung der regionalen Entwicklungspläne konzentrierte sich die Bevölkerung auf die Städte. Der Mangel an Wohnungen und sozialen Einrichtungen i n den Städten wurde immer offenkundiger, so daß die Notwendigkeit einer Änderung der Politik zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums immer stärker hervortrat. Auch während der Depression bestanden die Preissteigerungen fort. M i t der Bildung der Kartelle wehrten sich die Großunternehmungen gegen die Senkung der Absatzpreise, vergrößerten zugleich ihre Betriebe und führten Rationalisierungsmaßnahmen i n den Betrieben durch. Die kleinen und mittleren Industrieunternehmungen erhielten nur noch i n beschränktem Maße Darlehen von den Banken. Bei den Banken entstand ein Uberschuß, wodurch die Zinssätze gesenkt wurden. Das kurzfristige ausländische Kapital, das während der hohen Wachstumsperiode eingeströmt war, floß wieder ins Ausland zurück. Unter diesen Umständen hätte Japan eine elastische Zinspolitik und somit eine normale Geldund Währungspolitik durchführen können. Aber gerade i n dieser Zeit gab die Regierung zum ersten Mal seit dem Jahre 1947 einen erheblichen

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Betrag an öffentlichen Schuldscheinen aus, so daß eine Gelegenheit zur Wiederherstellung normaler Geldpolitik verloren war. Wegen des Mangels an Absatzmöglichkeiten für die öffentlichen Schuldscheine und Obligationen veranlaßte die Regierung die Banken und andere Geldinstitute, die öffentlichen Schuldscheine zu kaufen. Dies war nur möglich zu verhältnismäßig hohem Zins der öffentlichen Schuldscheine; das Problem der Manipulation der öffentlichen Schuld i n Japan entstand. Die oben erwähnten Tatsachen spiegeln die Wandlung der Finanzpolitik von einer das Wachstum beschleunigenden zu einer konjunkturstabilisierenden Politik wider. I n diesem Sinne führte die Regierung auch eine Politik des „billigen Geldes" durch. U m ihre geld- und währungspolitische Funktion auszuüben, mußte nun die Bank von Japan i n irgendeiner Weise die bestehende vertikale Bindung zwischen ihr und dem Finanzministerium ändern. Japan stand also vor dem Problem, ein normales Zusammenwirken zwischen Finanz- und Geldpolitik zu ermöglichen. Die Bedeutsamkeit der Finanzpolitik i n der gesamten Wirtschaftspolit i k wurde durch die Erhöhung der Steuereinnahmen und verstärkte Besteuerungen der Masseneinkommen erhöht. Der Belastungsunterschied zwischen der Einkommensteuer als Massenbesteuerung und den indirekten Steuern verschwand. A n die Stelle der bisherigen Vorstellung von einer Steuerreform, d. h. einer Verminderung der Steuerbelastung aus den verdienten Einkommen, der Herabsetzung des Anteils der Steuereinnahmen am Volkseinkommen und einer Gerechtigkeit i n der Besteuerung, traten nun die Idee und Durchführung einer Steigerung des A n teils der Steuereinnahmen am Volkseinkommen und einer Zunahme der indirekten Steuern. Von der Steigerung der öffentlichen Ausgaben war die für öffentliche Investitionen am ausschlaggebendsten. Auch vermehrten sich die staatlichen Investitionen i n das Sozialkapital und die sozialpolitischen Ausgaben, um die Produktivität sowohl der Landwirtschaft als auch der kleinen und mittleren Industrieunternehmungen zu steigern und zugleich die Preiserhöhungen zu unterbinden. Ob die Regierung auch i m Wiederbelebungsprozeß der Wirtschaft genügend M i t t e l zur Verfügung hat, u m die strukturellen Schwierigkeiten des bestehenden Wirtschaftssystems zu beseitigen, ist — als wichtigstes Problem der Wirtschaftspolit i k von heute — eine Frage der Abstimmung der kurzfristig konjunkturellen Finanzpolitik auf die langfristig strukturelle.

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BESONDERER T E I L

Die geistigen Grundlagen der industriellen Entwicklung in Japan Von Junichi Taiyoji

Vorbemerkung zum besonderen Teil Während die Aufgabe der vorhergehenden Kapitel darin bestand, die japanische industrielle Entwicklung historisch und statistisch darzustellen, handelt es sich nun i n diesem Teil darum, die geistige oder ideengeschichtliche Grundlage der Industrialisierung, d.h. die volkswirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Ideen, i n jeder Entwicklungsphase des japanischen Kapitalismus anschaulich zu machen. U m den Zeitgeist des japanischen Kapitalismus i n jedem Zeitabschnitt seiner geschichtlichen Entfaltung deutlich zu schildern, ist es zweckmäßig, nicht nur den Wandel i n dem Gedankengut führender W i r t schaftspolitiker, sondern auch die Geschichte der Nationalökonomie selbst zu betrachten. Diesem Abschnitt seien einige Bemerkungen vorangestellt, warum hier auf die Dogmengeschichte überhaupt eingegangen werden soll. Von der Meiji-Restaurationszeit bis zur Gegenwart versuchten viele japanische Wirtschaftspolitiker, die fortschrittlichen ausländischen Ideen und Verfassungen einzuführen, u m die dringende Aufgabe der Modernisierung und Europäisierung Japans zu erreichen. I n diesen Fällen wurden die importierten fremden Gedanken oder Einrichtungen i n der Regel von den jeweiligen Wirtschaftspolitikern nur für ein praktisches M i t t e l zum augenblicklichen Zweck der Tagespolitik gehalten bzw. nach ihrem eigenen Ermessen willkürlich ausgelegt. Die meisten Wirtschaftspolitiker hatten die ausländische K u l t u r nicht nur oberflächlich verstanden, sondern sie auch als Werkzeug der Propaganda gebraucht; sie führten häufig i n ihren Reden und Aufsätzen die berühmten fremden W i r t schaftsdoktrinen an und benutzten deren Geltung als Deckmantel, u m ihre eigenen Gedanken vor der breiten Masse oder den politischen Gegnern zu rechtfertigen. Sie behaupteten, daß die Theorie der europäischen und amerikanischen Nationalökonomie unmittelbar den idealen

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und zukünftigen Weg der japanischen Wirtschaftspolitik gezeigt hätte. I n diesem Sinne kann die Dogmengeschichte der eingeführten ausländischen Nationalökonomie i n Japan als prägende K r a f t aufgefaßt werden, die die obersten Ziele der Wirtschaftspolitik und die ideologische Grundlinie der aufeinanderfolgenden Realpolitiker beeinflußte und sich hier i n groben Umrissen widerspiegelte. Das ist ein Grund dafür, daß die Dogmengeschichte hier i n Betracht gezogen wird, u m die leitenden Ideen des japanischen Kapitalismus i n jedem Entfaltungsstadium eindeutig darzulegen. Obgleich die Hauptträger der japanischen Industrialisierungspolitik zum Zwecke ihrer ideologischen Rechtfertigung wiederholt behaupteten, daß ihre Praxis eine exakte Anwendung der fremden fortgeschrittenen Theorie sei, stand die von ihnen tatsächlich durchgeführte W i r t schaftspolitik aber meistenfalls nicht in Übereinstimmung m i t irgendeiner der ausländischen Theorien. I n der Tat waren die Gedankengänge der einzelnen Wirtschaftspolitiker weder i n ein logisch konsequentes System einzuordnen, noch wurden sie durch bestimmte vollendete Doktrinen theoretisch gestützt. Ihre wirtschaftspolitischen Gedanken beruhten nicht nur auf bloßen Einfällen, einigen praktischen Kenntnissen und oberflächlichen Nachahmungen ausländischer Gedanken, sondern noch mehr stießen sie wegen ihrer Systemlosigkeit und Effekthascherei auf innere Widersprüche. Wenn man unter diesen Umständen vorwiegend die jeweiligen realpolitischen Gedanken der einzelnen Wirtschaftspolitiker bruchstückweise aufzeigen wollte, so könnte man die allgemeine Tendenz des Wandels i m Zeitgeist des japanischen Kapitalismus eindeutig schildern. M.a. W. bloße tagespolitische Ideologien allein auszusuchen, würde uns wahrscheinlich wenig Anhalt dafür geben, die leitende Idee i n jedem Zeitabschnitt der industriellen Entwicklung Japans charakteristisch darzulegen; hierbei würde unsere nachstehende Erörterung über die Dogmengeschichte der „importierten Nationalökonomie" noch immer eine ergänzende Rolle spielen. Noch ein Wort über die zusätzliche Absicht dieses Abschnittes: Heutzutage haben nicht wenige europäische und amerikanische Gelehrte die historischen oder statistischen Forschungen über die Entstehung und das Wachstum des japanischen Kapitalismus veröffentlicht. I m Vergleich zu diesen empirischen und quantifizierenden Studien müßte die ideengeschichtliche Untersuchung des japanischen Kapitalismus doch jedem ausländischen Forscher weit größere Sprachschwierigkeiten bereiten. Deshalb dürfte unsere Erörterung über die geistigen Grundlagen der japanischen Industrialisierung für den ausländischen Leser von besonderem Wert sein.

Geistige Grundlagen

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Erstes Kapitel

Die Wirtschaftsideen in der Entstehungsperiode des Kapitalismus (1868-1890) I. „ I m p o r t " der liberalistischen Nationalökonomie Seit der Meiji-Restauration beabsichtigten die führenden Politiker, möglichst schnell die fremden liberalistischen Gedanken und Einrichtungen i n Japan einzuführen, u m die unentwickelte Gesellschaft zu modernisieren und zu europäisieren. Was zunächst die rasche Einfuhr der ausländischen Wirtschaftsdoktrinen betrifft, so brach die sog. „Blütezeit der übersetzten Nationalökonomie" i n den ersten Jahrzehnten der M e i j i - Ä r a dadurch an, daß die englischen, amerikanischen und französischen Volkswirtschaftslehren liberalistischer Prägung aufs Geratewohl importiert und ins Japanische übertragen wurden. Charakteristisch für die liberalistische Strömung der ersten japanischen Nationalökonomie war erstens, daß kein U r t e x t der englischen klassischen Schule selbst, sondern nur seine populäre bzw. vulgäre Darstellung zuerst i n Japan verbreitet wurde. Wenn hier einige Schriften von den japanischen Pionieren angeführt werden, so leuchtet es ein, daß der erste Weg zum fremden Wirtschaftsgedanken nicht immer von den ausländischen Nationalökonomen ersten Ranges aufgezeigt wurde. Z u m Beispiel war das früheste nationalökonomische Lehrbuch von Takahira Kanda 1 nichts anderes als eine gekürzte Ubersetzung des Buches von William Ellis „Outlines of Social Economy" (1846); oder die aufklärende Schrift von Yukichi Fukuzawa 2, einem anderen Urheber der japanischen Wirtschaftswissenschaft, war eine Sammlung der Teilübersetzungen von den Lesebüchern „The Elements of Political Economy" von Francis Wayland (1837) und „Political Economy for Use i n School and for Private Instruction", in: William & Robert Chambers's Educational Course 3 . Daneben spielten die japanischen Ubersetzungen der folgenden Bücher eine wichtige einleitende Rolle: Milicent Garret Fawcett, „Political Economy for Beginners" (1870)4; dieselbe, „Tales i n Political Economy" 1 Takahira Kanda t Die kurzgefaßte Nationalökonomie (japanisch), 1867; 2. Aufl. 1868. 2 Yukichi Fukuzawa , Die Sachlage i m Abendland (japanisch), 1866/69. 3 Das Lehrbuch von Wayland wurde von anderen Japanern noch dreimal i n den Jahren 1871—72 i n die japanische Sprache übertragen. Die japanischen Ausgaben des Lehrbuches von Chambers erschienen 1870,1874 und 1877.

4

Das Buch wurde 1877 ins Japanische übertragen.

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(1875)5; Arther Latham Perry, „Elements of Political Economy" (1866)®; Amasa & Francis Walker, „The Science of Wealth" (1866, 5. Aufl. 1869)7; Alfred B. Mason & John J. Laylor, „The Primer of Political Economy" (1875)8 und andere mehr. Noch waren die persönlichen und unmittelbaren Einflüsse von den Ausländern zu bemerken, die sich zu jener Zeit i n Japan aufhielten. Als Beispiele seien genannt: Dwight Whitney Learned, der als Theologe 1875 aus USA nach Japan kam und bis 1928 Vorlesungen auf verschiedenen Fachgebieten an der Doshisha-Universität hielt 9 , und Gustave Emil Boissonade, welcher während der Jahre 1873 bis 1895 aus Frankreich i n die japanische Regierung berufen wurde 1 0 und das erste Bürger- und Strafgesetz für Japan entwarf. Nach den oben angeführten Beispielen ist es als wahrscheinlich anzunehmen, daß der erste Schritt zu ausländischen liberalistischen W i r t schaftsdoktrinen nicht über die anerkanntesten und berühmtesten Ökonomen oder anhand der klassischen Meisterwerke getan wurde. Das zweite Charakteristikum der frühesten japanischen Nationalökonomie war, daß diese damals nicht auf der orthodoxen Strömung des westeuropäischen Liberalismus, sondern auf der Denkart seiner vulgären Epigonen beruhte. Die obenerwähnten Verfasser wie Ellis, Perry, Walker und Boissonade waren die Nachfolger in der optimistischen Theorie des bedingungslosen Laissez-faire. Auch soll man sich daran erinnern, daß die aufklärenden Nationalökonomen wie Mamichi Tsuda und Amane Nishi ihre geistes- und sozialwissenschaftlichen Kenntnisse i n den Niederlanden bei Simon Vissering gesammelt hatten 1 1 , dessen volkswirtschaftliche Anschauung beinahe m i t der französischen Manchesterdokt r i n von Frédéric Bastiat übereinstimmte. Desgleichen war Ukichi (Teiken) Taguchi, der als Begründer der liberalistischen Wirtschaftswissen5 Seine vier verschiedenartigen japanischen Ausgaben erschienen i n den Jahren 1873,1877,1880 u n d 1887. 6 Es wurde während der Jahre 1869 bis 1880 viermal ins Japanische übersetzt. 7 I m Jahre 1874 übersetzt. 8 Seine japanische Übersetzung wurde 1877 u n d 1880 wiederaufgelegt. 9 Die nationalökonomischen Vorlesungsmanuskripte von Learned w u r d e n m i t dem T i t e l „Neue Theorie der Nationalökonomie" (1886—87) oder „ G r u n d lage der Nationalökonomie" (1891) ins Japanische übertragen. 10 Die japanische Ausgabe wirtschaftswissnschaftlicher Vorlesungsmanuskripte von Boissonade t r u g den T i t e l „Vorlesung über die Nationalökonomie" (1876). 11 Die vierbändigen Übersetzungen verschiedener Vorlesungsmanuskripte Visserings w u r d e n von Tsuda u n d Nishi i n den Jahren 1868—1874 veröffentlicht.

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schaft sowie Vorkämpfer gegen die anti-liberalen Wirtschaftsgedanken sehr berühmt war, ein konsequenter Verfechter des Freihandels 12 . Dieser Prägung des japanischen Frühliberalismus entsprechend, w u r den die Originale des Urhebers der französischen Manchesterschule verhältnismäßig früh i n Japan eingeführt und verbreitet 1 3 . Drittens war es i m Anfangsstadium der japanischen Nationalökonomie noch eigentümlich, daß viele Nachahmer der fremden Wirtschaftsgedanken oft annahmen, die Wirtschaftswissenschaft selbst sei eine Lebensweisheit oder eine Kunst des Gelderwerbes; z. B. trugen die zwei durch das Finanzministerium herausgegebenen Lehrbücher der W i r t schaftswissenschaft den Titel „Essays über die Bank und die Kaufmannsgesellschaft" (japanisch), 1871, und „Kurzgefaßte Gründungsverfahren der Kaufmannsgesellschaft" (japanisch), 1871. Auch die japanische Ausgabe des oben genannten Buches von Wayland „Political Economy" hatte den Titel „Leitfaden der Lebenskunst" (japanisch), 1872. A u f gleiche Weise kann man unter den damaligen nationalökonomischen Schriften noch diejenigen anführen, die ebenfalls einen solchen pragmatischen bzw. irreführenden Titel trugen 1 4 . Daher ist es leicht zu verstehen, daß die importierte liberalistische Wirtschaftsdoktrin anfänglich nur vom praktischen Standpunkt her w i l l k ü r l i c h gedeutet wurde.

I I . Die Begründung der liberalen Nationalökonomie und ihre Modifizierung auf japanische A r t Zehn Jahre nach der Meiji-Restauration entstand allmählich die Neigung, sich m i t der Ubersetzung oder Erforschung der englischen klassischen Nationalökonomie selbst zu beschäftigen. Die erste vollständige Übersetzung des Meisterwerkes von Adam Smith „The Wealth of Nations" (1776) wurde während der Jahre 1884 bis 1888 in zwölf Heften geliefert und dann eine weitere i n zwei Bänden 1892 aufgelegt. Unter den berühmten Werken von John Stuart Mill wurden einige Urtexte auf dem Gebiet der Philosophie und der Politik seit Anfang der 12 Taguchis Erstlingswerk t r u g den T i t e l „ F ü r den Freihandel i n der japanischen Wirtschaft" (japanisch), 1878. 15 Der U r t e x t Bastians „Sophismes économiques" (1847) wurde 1878, „Ce qu'on voit et ce qu'on ne voit pas" (1850) i m Jahre 1880 u n d sein H a u p t w e r k „Les harmonies économiques" (1850) i m Jahre 1887 ins Japanische übertragen. 14 Z u m Beispiel Yunosuke Suzuki, Der neue Weg zur Bereicherung — Gelderwerb i m aufgeklärten Zeitalter, 1875. Yoshio Takahashi, Mammonismus — ein Zureden zum Geschäft, 1886. Gozo Sakuma, Geheimnisse, u m gute Geschäfte zu machen, 1887. Muitsusanjin, Eine wahre Geschichte des Obstbaumes, der goldene Früchte trägt, 1888, usw. (Alle japanisch).

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Meiji-Ära ins Japanische übertragen 15 . Sein volkswirtschaftliches Hauptwerk „Principles of Political Economy" (1848) wurde dagegen seit 1875 lieferungsweise übersetzt; schließlich wurde diese Arbeit jedoch 1884 unterbrochen. Was die Schrift von Thomas Robert Malthus betrifft, so wurde nur eine gekürzte Ubersetzung seines Werkes „ A n Essay on the Principle of Population" (1798) i m Jahre 1877 veröffentlicht. Die Urtexte von David Ricardo wurden auch zu jener Zeit noch nicht übersetzt. Eine andere Neigung, die i m Verlauf der 80er Jahre wuchs, war, die leitenden Begründer der liberalen Nationalökonomie i n Japan auftreten zu lassen. Der eine war Ukichi Taguchi; obgleich er über Tagesfragen zuweilen optimistische Ansichten über das Laissez-faire äußerte, begründete er aber auf dem Gebiet der reinen Wirtschaftstheorie beinahe die Smithsche Doktrin einer auf Eigeninteresse beruhenden natürlichen Harmonie der Wirtschaftsordnung 16 , so daß er i m allgemeinen „Adam Smith in Japan" genannt worden ist. Kurz danach trat der andere Begründer, Tameyuki Amano, hervor, welcher als „John Stuart M i l l i n Japan" bezeichnet worden ist. Amanos Meisterwerk „Allgemeine Volkswirtschaftslehre" (japanisch), 1886, formte, sich hauptsächlich nach J. St. Mill richtend, erst i m echten Sinne des Wortes ein theoretisch konsequentes System der liberalistischen W i r t schaftsdoktrin. Sein anderes Hauptwerk „Richtlinie der Handels- und Gewerbepolitik" (japanisch), 1886, legte das wirtschaftspolitische Fundament der liberalen Regierung; er vertrat i m Prinzip zwar eine liberale Wirtschaftspolitik, doch lehnte er das extreme Laissez-faire-Prinzip ab und erkannte staatliche Interventionen i n begrenztem Umfang an. Weiterhin wurde damit begonnen, eine realistische Revision des liberalistischen Prinzips durchzuführen. Die liberalen Nationalökonomen begannen angesichts der merkantilistischen Prägung der damaligen Regierungspolitik nach und nach den staatlichen Protektionismus zu vertreten. Um dafür treffende Beispiele anzuführen, äußerte sich z. B. der schon erwähnte Pionier Takahira Kanda zuweilen i m Gegensatz zu seiner ursprünglichen Meinung etwas pessimistisch über die Zukunft des Freihandels; i n der Mitte der siebziger Jahre, als das dringende Problem eines ständigen Defizits i n der japanischen Zahlungsbilanz zur Debatte 15 J. St. Mills Schrift „ U t i l i t a r i a n i s m " (1863) wurde 1877, u n d „ O n L i b e r t y " (1859) schon 1872, sowie „The Subjection of Woman" (1869) i m Jahre 1878 ins Japanische übersetzt. 16

Seine Aufsätze über die Wirtschaftstheorie w u r d e n m i t denen über Tagesfragen i n seinem Buch „Über die Wirtschaftsmaßnahme" (japanisch), 1882, oder „Nochmals über die Wirtschaftsmaßnahme" (japanisch), 1890, gesammelt.

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stand, empfahl er den japanischen Handelspolitikern vielmehr eine protektionistische Beschränkung der Wareneinfuhr und der Goldausfuhr 17 . Auch der führende Liberalist Yukichi Fukuzawa und seine Schüler lehnten die Freiheit des sog. „Zusammenlebens des Inländers m i t dem Ausländer" ab, über dessen Für und Wider in den Jahren 1874—75 diskutiert wurde; sie befürworteten den Standpunkt, daß keinem Ausländer eine Reise bzw. ein Wohnwechsel i n Japan außerhalb der besonderen, für den Außenhandel vertragsmäßig geöffneten Hafenstädte erlaubt werden sollte, um unwillkommene Störungen der inländischen Wirtschaft und Politik seitens der Ausländer zu verhindern. Ähnlich wollte Fukuzawa i n den Jahren nach der Satsuma-Revolte (1877) die inflationistische Finanzpolitik von Shigenobu Ohkuma, d.h. eine unheilvolle Ausgabe von Staatsnoten, theoretisch rechtfertigen. Indem er den Unterschied zwischen Banknoten und Staatsnoten außer acht ließ, vertrat er i n seinem Buch „Gedanken über das Währungswesen" (japanisch), 1878, die Meinung, daß zwar „ein kleines Quantum an Gold" zwecks Konvertierung der Noten reserviert bleiben sollte, „bloß um die dumme Masse zu trösten", doch wäre es „nach der nationalökonomischen Doktrin in der Tat entbehrlich", so daß, seiner Meinung nach, die galoppierende Inflation selbst, die der damalige Finanzminister Ohkuma herbeiführte, nie durch ein Ubermaß der zirkulierenden Staatsnoten verursacht worden ist. Aus diesen Beispielen ergibt sich, daß sogar der niemals beamtete L i beralist Fukuzawa gegen die merkantilistische Staatsintervention keine Bedenken hatte. Da von den meisten Liberalisten nichts anderes zu erwarten war, standen sie wie Fukuzawa der absoluten Staatsmacht nur versöhnlich bzw. realistisch gegenüber.

I I I . „ I m p o r t " der protektionistischen Nationalökonomie I n den ersten Jahren unmittelbar nach der Restauration war die Ursache dafür zu erkennen, daß die ausländische protektionistische Nationalökonomie neben der liberalen zugleich eingeführt wurde. Unter den damaligen weltpolitischen Umständen, worunter auch der Drang der westlichen Großmächte nach dem Fernen Osten zu verstehen war, mußte die japanische Regierung möglichst schnell die brennendste politische 17 Unter seinen Aufsätzen, die er über den Mangel an Münzgold i n der aufklärenden Zeitschrift „Meiroku-Zasshi" geschrieben hatte, w a r e n die folgenden berühmt: T. Kanda , Klagen u m die Ausfuhr von Münzgold (japanisch), Dezember 1874; Rettungsmittel zum Mangel an Münzgold (japanisch), März 1875.

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Aufgabe erfüllen: Wohlstand, Stärkung des neuen Staates sowie die Vermeidung einer Kolonialisierung. I m Bereich der Wirtschafts- und Handelspolitik bestand das Problem darin, daß die Tarifautonomie Japans i m ersten Handelsvertrag von 1858 durch die Weltmächte noch nicht anerkannt worden war, so daß die aufeinanderfolgenden japanischen Kabinette bis zum Jahre 1911 alle Kräfte daransetzten, um eine vollständig gleichberechtigte Stellung i m Außenhandel zu gewinnen. I n diesem Sinne bedeutete der Protektionismus für Wirtschaftspolitik und Diplomatie Japans nicht nur eine dringende Notwendigkeit, sondern war selbst noch fernes Ziel. Der erste Weg zu einer protektionistischen Nationalökonomie i n Japan wurde zunächst durch die englischen und amerikanischen Lehren geöffnet. Als bahnbrechendes Werk des Protektionismus wäre zunächst das Buch von Giichi Wakayama „Gedanken über den Schutzzoll" (japanisch), 1871, zu nennen; es war aber größtenteils nichts anderes als eine gekürzte Ubersetzung der Schrift von Henry Charles Carey „The Principles of Social Science" (1858—59). Wakayama wandte die Lehre Careys auf den japanischen Außenhandel an und behauptete, daß die Frage, ob entweder eine freie oder protektionistische Handelspolitik betrieben werden solle, i m Prinzip nach dem Entwicklungsgrad der betroffenen Volkswirtschaft beantwortet werden müsse, so daß die protektionistische Handelspolitik i m damaligen Japan die einzig angemessene sei, u m die noch unentwickelte inländische Industrie vor dem ausländischen Wettbewerb zu schützen. Auch einige der japanischen Aufklärer, wie Yoshiki Okada, Kyoji Sugi und Shigeki Nishimura, folgten i n der ersten Zeit der Meiji-Ära der Fahne des Schutzhandels. Das Buch von Okada „Theorie der Volkswirtschaft" (japanisch), 1874, war aber eine Teilübersetzung des oben erwähnten Urtextes von Carey; i n ähnlicher Weise übertrugen die Schriften von Sugi „Über die Reform des Außenhandels" (japanisch), 1874, und die von Nishimura „Besprechung über den Freihandel" (japanisch), 1875, die amerikanischen Schutzzollehren auf Japan. M i t dem Beginn der 80er Jahre trat ein anderer Vertreter des Protektionismus auf: Tsuyoshi Inukai, der später auch als Parteipolitiker i n hohem Ansehen stand. Als Gegenmittel zur freihändlerischen Ansicht von Taguchi gründete er 1880 eine Zeitschrift für Schutzhandel und wirkte dadurch auf die öffentliche Meinung ein; auch veröffentlichte er i n den Jahren 1884—88 eine vollständige Ubersetzung jenes Urtextes von Carey. Neben dem Text Careys als einflußreichem Lesebuch für Schutzhandel in Japan sind noch zusätzlich folgende Veröffentlichungen zu beachten:

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J. B. Byles, „Sophism of Free Trade" (1849) und R. T. Ely , „The Past and Present of Political Economy" (1887)18.

IV. Die allgemeine Neigung zur Übernahme der deutschen Staatswissenschaft Wie i m Vorhergehenden angeführt wurde, waren die ersten Schritte der protektionistischen Nationalökonomie i n Japan durch Nachahmung der englischen und amerikanischen Schule getan worden; aber i m Verlauf der 80er Jahre zeigte sich allmählich die Neigung, sich der Volkswirtschaftslehre der deutschen historischen Schule zuzuwenden. Bevor w i r darauf eingehen, erscheint es uns notwendig, darauf hinzuweisen, daß nicht nur die ökonomischen, sondern auch die allgemeinen politischen Ideen Japans Schritt für Schritt den deutschen Staatswissenschaften näherkamen. Unter den führenden Staatsmännern der neu gebildeten japanischen Regierung gab es von Anfang an eine Meinungsverschiedenheit über das ideale Zukunftsbild des Staates: während Tomomi Iwakura, Toshi michi Ohkubo und Hirobumi Ito u. a. Sehnsüchte nach Absolutismus und Despotismus aufwiesen, vertraten Taisuke Itagaki und Shigenobu Ohkuma i m großen und ganzen den Standpunkt des Parlamentarismus, wenn auch nicht i m exakten Sinne des Wortes. Der politische Streit zwischen diesen beiden Lagern endete i m Jahre 1881 m i t dem Sieg der ersten Gruppe über die letztere. Seit Itagaki und seine Genossen von der politischen Macht ferngehalten wurden, verbreiteten sich die Aufstände der liberalen demokratischen Bewegung i m ganzen Land. M i t dem Auftreten der liberalen Opposition versuchten Machthaber wie Ito i n höchster Eile eine japanische Verfassung auszuarbeiten, die der absoluten Monarchie eine autonome, nicht durch das Parlament beschränkte Macht sichern sollte. I n dieser Absicht hielten Ito und sein bester Mitarbeiter Kowashi Inoue es für angemessen, eine japanische, scheinbar moderne Verfassung hauptsächlich nach dem Vorbild der preußischen Verfassung auszuarbeiten und sie durch kaiserlichen Befehl zu erlassen. Wie ernsthaft Ito und seine Mitarbeiter der deutsch-preußischen Staatsidee nacheiferten, läßt sich aus den folgenden Tatsachen erklären: Sie luden Hermann Rösler als Rechtsberater der japanischen Regierung i n den Jahren 1878—93 nach Tokio ein und studierten i m Jahre 1882 auf 18 Das Buch Byles ' wurde von Wakayama i m Jahre 1877 ins Japanische übertragen. Die japanischen Ausgaben des Textes von Ely erschienen 1888 und 1891.

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einer Europareise persönlich bei Lorenz wissenschaften.

von Stein deutsche Staats-

Seit dem Jahre 1881, als die japanische Politik sich der deutsch-preußischen entscheidend zuwandte, förderte die K u l t u r - und Erziehungspolitik der Regierung überall ein Eindringen deutschen Gedankengutes in das allgemeine Geistesleben. Als ein notwendiges Ergebnis derartiger politischer Umstellung wuchs ein immer größeres Interesse an der deutschen historischen Schule auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaft.

V. „ I m p o r t " der deutschen älteren historischen Schule der Volkswirtschaftslehre Unter den großen Nationalökonomen der deutschen älteren historischen Schule hatte Wilhelm Roscher zunächst nach den 80er Jahren einen bedeutenden Einfluß auf die japanische Volkswirtschaftslehre. Es berührt besonders eigentümlich, daß die Wirtschaftsdoktrin Roschers anfänglich über die USA nach Japan gelangte, und zwar durch Inejiro Tajiri. Als Tajiri i n den Jahren 1875—79 bei William G. Sumner an der YaleUniversität studiert hatte, lernte er unter der Leitung dieses amerikanischen Vertreters 1 9 der deutschen historischen Schule vorwiegend die englische Ausgabe des Hauptwerkes von Roscher „Die Grundlagen der Nationalökonomie" (1854) kennen. Nach der Heimkehr spielte Tajiri als höherer Beamter und Vizeminister des Finanzministeriums bis zum Jahre 1901 bei der Ausbildung des höheren japanischen Beamtentums eine führende Rolle; er hielt auch während dieser Zeit Vorlesungen über Nationalökonomie an der Tokio- und der Senshu-Universität; seine Unterrichtsmanuskripte wurden sowohl von seinen Schülern als auch von i h m selbst wiederholt veröffentlicht 20 . Neben den einführenden Arbeiten von Tajiri erschien die japanische Ausgabe der Urtexte Roschers i n der zweiten Hälfte der 80er Jahre 21 . 19 Was die E i n w i r k u n g der historischen Schule auf die Wirtschaftsdoktrin Sumners betrifft, so k a n n man beispielsweise nicht n u r seine historische A r beit „ A History of American Currency" (1874), sondern auch die folgende T a t sache anführen: I n der ersten amerikanischen Ausgabe des Roscherschen Hauptwerkes ist das D a n k w o r t für die wissenschaftliche Beratung Sumners von dem Übersetzer selbst geschrieben worden. (Vgl. John J. Laylor, Principles of Political Economy b y W i l l i a m Roscher, 2 Bde., N. Y., 1878, Translator's Preface, p. vi.) 20 I. Tajiri, Nationalökonomie, 1884—1885; ders., Die kurzgefaßte Nationalökonomie, 1889; ders., Neue angewandte Nationalökonomie, 1894 usw. (alle japanisch). 21 Unter den Hauptwerken von Roscher wurde das Buch „Die Grundlagen der Nationalökonomie" (1854) i m Jahre 1894 u n d seine „Nationalökonomik

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Die Publizisten der Volkswirtschaftslehre Roschers (oder noch allgemeiner der deutschen älteren historischen Schule) gingen größtenteils aus dem Schülerkreis Tajiris hervor. Tsunejiro Nakagawa, der bei Tajiri studierte, veröffentlichte i n den Jahren 1886—87 das berühmte Lehrbuch „Die Vorlesung über die realistische Nationalökonomie" (japanisch). Es war der erste umfassende Leitfaden der deutschen historischen Schule der Volkswirtschaftslehre in Japan. Das früheste Lehrbuch solcher A r t war die Veröffentlichung „Die Vorlesung über die Volkswirtschaftslehre" (japanisch), 1886—88, von Yoshiro Hiranuma, der ein Schüler Tajiris war und später die Geschichtswissenschaft i n Japan begründete. Außer Tajiri und seinen Schülern haben noch einige ausländische Gelehrte, die sich i n Japan aufhielten, zur Einführung der Roscherschen Volkswirtschaftslehre beigetragen: Der eine war Karl Rathgen y welcher von 1882 bis 1890 auf Einladung der Regierung i n Japan lebte, sowohl u m die Regierung zu beraten als auch u m an der Tokio-Universität Vorlesungen zu halten; der andere war Georg Michaelis, ein deutscher Staatsmann, der i n den Jahren 1885—89 i n ähnlicher Weise eine Berufung nach Tokio erhielt 2 2 . Ein weiterer deutscher Nationalökonom, welcher neben Roscher wachsenden Einfluß auf den wirtschaftlichen Nationalismus Japans hatte, war selbstverständlich Friedrich List Sadamasu Ohshima hatte die Ehre, der „Friedrich List i n Japan" genannt zu werden. Er übersetzte zweimal, i n den Jahren 1889 und 1895, das Hauptwerk von List „Das nationale System der politischen Ökonomie" (1841) ins Japanische. Auch Ohshima hat sich einen Namen gemacht, indem er, auf der wirtschaftlichen Entwicklungsstufentheorie von List aufbauend, i n seinem Meisterwerk „Die heutige Wirtschaftslage" (japanisch), 1891, behauptete, daß der Schutz-1 handel für das rückständige Japan die einzig richtige Handelspolitik sei. I n dieser Weise hatte sich ungefähr am Ende dieses Zeitabschnittes die nationale Wirtschaftsgesinnung i n ihrer theoretischen Orientierung der deutschen protektionistischen Doktrin zugewandt. Daraus ergibt sich, daß die liberalen Wirtschaftslehren immer mehr für anachronistisch gehalten werden mußten, falls sie der absoluten Staatsmacht gegenüber keine versöhnende Haltung einnahmen, während die deutschen W i r t schaftsideen allmählich amtlich autorisiert wurden. Seither hat der des Ackerbaues u n d der verwandten Urproduktionen" (1859) zweimal i n den Jahren 1886—1889 u n d 1892 i n die japanische Sprache übertragen; die japanische Übersetzung seines Werkes „Nationalökonomik des Handels u n d Gewerbefleißes" (1881) erschien i m Jahre 1896. 22 Die japanischen Ausgaben ihrer Vorlesungsmanuskripte waren: Rathgen u n d Michaelis, Die Gewerbe- u n d Handelspolitik, 1886; Rathgen, Die V e r w a l tungslehre, 1892; Michaelis, Die Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 1890. 12 Ikeda • K ato • Taiyoji

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interventionistische Wirtschaftsgedanke die japanischen Politiker und die Beamtenschaft beeinflußt und lange Zeit das Schicksal unseres Landes bestimmt. VI. Die wirtschafts- und finanzpolitischen Gedanken von Kimimasa Yuri Die Meiji-Regierung hatte von Anfang an den großen Finanzbedarf für den Abbau des feudalen Systems sowie für die Bereicherung und Stärkung des neuen Staates zu decken. Der seinerzeit führende Staatsmann Iwakura konnte nur auf Grund des von den Feudalherrn überlieferten Gedankengutes annehmen, daß die bevorstehende Finanzkrise vorwiegend durch die Verminderung der Staatsausgaben und die Erhöhung der Staatseinnahmen überwunden werden könnte. Dagegen war Kimimasa Yuri, der erste Finanzminister der neuen Regierung, weitgehend fortschrittlich gesinnt, weil er den Mangel an Staatseinnahmen durch die Ausgabe von öffentlichen Schulden und Staatsnoten zu ergänzen suchte. Yuri bezweckte damit nicht allein die Deckung eines ungeheuren Defizits i m Staatshaushalt, sondern auch die Förderung der Kapitalbildung durch ein staatliches Darlehen von Papiergeld an Privatleute. Seine überwiegend inflationistische Finanzpolitik brachte aber bald Schwierigkeiten m i t dem Umlauf des nicht konvertierbaren Papiergeldes und der Abwertung der Staatsnoten i m Verhältnis zu den Goldmünzen m i t sich. Wegen seines Mißerfolges wurden i h m einstimmig bittere Vorwürfe gemacht sowohl von den meisten Kabinettsministern als auch von den ausländischen Abgesandten oder Kaufleuten; nach etwa einjähriger Amtstätigkeit mußte er zurücktreten. Was die theoretische Grundlage seiner Finanzpolitik betrifft, so beruhte sie i n der Tat auf keiner exakten Wirtschaftsdoktrin, obgleich er immer von der Richtigkeit seiner Finanzpolitik überzeugt blieb. Vielmehr lag der Grund der grenzlosen Inflationspolitik i n seiner früheren praktischen Erfahrung i m Fukui-Fürstentum, d. h. er hatte vor der MeijiRestauration als Gewerbepolitiker des Fürstentums durch die Ausgabe von vielen Staatsnoten nicht nur eine Finanzkrise seines Heimatlandes überwunden, sondern auch einen Aufschwung der bäuerlichen Hausindustrie erreicht. Die oben genannte Finanzpolitik, die er als Finanzminister der kaiserlichen Regierung trieb, war daher nichts anderes als der Versuch, die schon einmal von i h m i m Fukui-Fürstentum durchgeführte Geldpolitik nunmehr auf die Landesebene auszudehnen. I n beiden Fällen besaß Yuri allerdings keine exakten nationalökonomischen Kenntnisse über das

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richtige Niveau der zirkulierenden Geldmenge oder von der Konvertierung der Staatsnoten. Nach seiner Meinung war es die einzige Maßnahme gegen die Abwertung des Papiergeldes, jede Spekulation auf eine Änderung des Geldwertes i m Verhältnis zum Gold scharf zu bestrafen. Er pflegte jeden K r i t i k e r , der i h m i m Namen der wirtschaftswissenschaftlichen Wahrheit die unheilvolle Vermehrung des Papiergeldes vorwarf, spöttisch „den Klügler, welcher die ausländische Nationalökonomie nur halbwegs verstanden hat," zu nennen 23 . Aus diesen Worten erklärt sich, daß seine positive Finanzpolitik zwar auf praktischen Erfahrungen, aber überhaupt nicht auf irgendeiner systematischen Volkswirtschaftslehre beruhte.

V I I . Die Grundsteuerreform von Toshimichi Ohkubo Die Grundsteuerreform der neu gebildeten Regierung wurde hauptsächlich von Toshimichi Ohkubo durchgeführt, der während der Jahre 1871 bis 1873 zum Finanzminister und nach 1875 zum Vorsitzenden der Sonderbehörde für Grundsteuerreform ernannt wurde. Damals wurden von den leitenden Staatsmännern wie Munemitsu Mutsu u. a. verschiedene Pläne für das zukünftige Grundsteuersystem der Regierung entworfen. A n der Gestaltung des Gesetzentwurfes von Finanzminister Ohkubo hatte bereits Takahira Kanda gearbeitet, der nicht nur als liberaler Nationalökonom, sondern auch als hoher Beamter gerühmt wurde. I n seinen Vorschlägen 24 über die Grundsteuerreform war schon darauf hingewiesen worden, daß die traditionelle Naturalleistung i n Form von Reis durch die moderne Geldleistung und auch der Mengenertrag als Steuerbemessungsgrundlage durch den Grundstückspreis ersetzt werden sollte, der bei freiem Handel m i t Grund und Boden i m Marktprozeß bestimmt wird. Diese Vorschläge machten auf der Grundlage der liberalen Nationalökonomie die Idealbilder der Grundsteuerreform aus. A u f Kandas Antrag hin hat die Regierung die Gewerbefreiheit der Landwirtschaft i m Jahre 1871 und den freien Austausch von Grund und Boden 1872 gesetzlich anerkannt; das von Kanda entwickelte Steuersystem liberaler Prägung wurde i n erster Linie durch die Grundsteuerreform von 1873 zur Geltung gebracht. I n Wahrheit wurde die Grundsteuerreform von Ohkubo trotz demokratischer und bäuerlicher Aufstände durch Zwangsmaßnahmen durchgeführt. Die tatsächliche Belastung des Bauernstandes blieb auch nach 23

248.

Takeo Mitsuoka,

Das Leben Kimimasa

Yuris (japanisch), 1916, S. 207 u n d

24 T. Kanda, Gedanken über die Reform des Steuergesetzes (japanisch), 1869, u n d ders., Gedanken über die Grundsteuerreform (japanisch), 1870.

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dem Zustandekommen des neuen Grundsteuergesetzes von 1873 noch immer auf demselben Niveau i m Vergleich zu den harten Abgaben in der Feudalperiode 25 . Die neue Grundsteuer hat i n diesem Sinne trptz ihrer scheinbar modernen Gestalt die Natur des alten Tributes an die Feudalherrn beibehalten. Zusammenfassend kann festgestellt werden: Die von Ohkubo durchgeführte Grundsteuerreform erschütterte heftig die geistige und gesellschaftliche Struktur des ausgehenden Feudalismus, doch war die liberale Prägung der Grundsteuerreform niemals m i t den eigentlichen Gedanken Ohkubos zu vereinbaren. Er war und blieb bis zu seiner Ermordung i m Jahre 1878 ein Befürworter der Despotie und Diktator der Meiji-Regierung, der voller List und Ränke war und der keinesfalls für einen liberalen Politiker gehalten werden sollte. Obgleich er die moderne Steuerreform i n K r a f t setzte, ist dies doch so zu deuten, daß die liberale Wirtschaftsidee, sofern sie irgendwie brauchbar war, von einem absoluten Machthaber wie Ohkubo ganz anders ausgelegt und als M i t t e l zum tagespolitischen Zweck benutzt wurde.

V I I I . Die wirtschafts- und finanzpolitischen Gedanken von Shigenobu Ohkuma Shigenobu Ohkuma, der später i n der Parteienregierung eine wichtige Rolle spielte, war i n der ersten Periode seines politischen Lebens dafür bekannt, daß er während der Jahre 1873 bis 1880 als Finanzminister durch die inflationistische Finanz- und Geldpolitik die merkantilistische Akkumulation des Kapitals durchsetzte. I m Gegensatz zu Yuri vertrat er zwar rein theoretisch die Meinung, daß das Papiergeld durch Goldreserven gedeckt werden sollte, doch hatte er i n der Tat eine erhebliche Summe von Staatsanleihen und Staatsnoten auszugeben, weil der dringende Finanzbedarf für den Abbau des feudalen Systems und den Ausbau der neuen Herrschaftsstruktur u m jeden Preis gedeckt werden sollte. Besonders infolge der Kriegskosten der Satsuma-Revolte von 1877 mußte seine inflationistische Finanzpolitik noch weiter vorangetrieben werden. Aber für Ohkuma war die übermäßige Ausgabenpolitik von unkonvertierbaren Staatsnoten zugleich eine Maßnahme zu einem weiteren Zweck, nämlich zur Förderung der neuen Produktionsweise. Nach sei25 I n den Tagen des Tokugawa-Shogunats hieß es: „Eine Hälfte f ü r die Obrigkeit, die andere f ü r die Bauern" oder „ V i e r Zehntel f ü r die Obrigkeit, sechs Zehntel f ü r die Bauern", d. h. die gesamte Reisernte wurde i n solchem Verhältnis auf T r i b u t u n d Privatverbrauch verteilt. I n der M e i j i - Ä r a stand die neue Grundsteuer i n F o r m von Geld nach wie vor i n beinahe demselben Verhältnis zum verfügbaren Einkommen der Bauern.

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ner Meinung war die unmittelbare Ursache der Abwertung von Staatsnoten keineswegs ein Übermaß an unkonvertierbarem Papiergeld, sondern vielmehr der Wertzuwachs der Gold- und Silbermünzen selbst, was wiederum durch das Defizit i n der Zahlungsbilanz und durch den sich daraus ergebenden Export von Münzgeld ins Ausland verursacht wurde. So war seine Maßnahme gegen die galoppierende Inflation nichts anderes als der Versuch, die japanische Zahlungsbilanz ins Gleichgewicht zu bringen, m. a. W. u m der Vergrößerung der Warenausfuhr willen die inländischen Produktionskräfte zu fördern 26 . Dieser Gedankengang brachte ihn zu der finanzpolitischen Schlußfolgerung, daß es die vordringliche Aufgabe wäre, den Privatunternehmern Geldmittel zur Verfügung zu stellen und sie so zu einem Aufschwung ihrer Produktionskräfte zu veranlassen. Von diesem Standpunkt aus konnte die von i h m ausgegebene enorme Menge an Papiergeld nicht einmal zur Finanzierung des industriellen Kapitals ausreichen, geschweige denn übermäßig sein. Das war der Grund dafür, daß er i m Jahre 1878 eine weitere Beschaffung von industriellem Kapital durch eine zusätzliche Ausgabe von besonderen Staatsanleihen vorschlug und daß er i n der Inflation von 1879—80 nach wie vor nicht die Staatsnoten selbst einzulösen, sondern vorwiegend den freien Marktaustausch von Gold und Silber zum Zweck einer Stabilisierung des Wechselkurses zu kontrollieren versuchte. Diese Tatsachen lassen klar erkennen, daß Ohkuma kein volkswirtschaftliches Verständnis für das notwendige Niveau der zirkulierenden Geldmenge besaß. Seine andere finanzpolitische Schlußfolgerung war der Antrag einer Emission von Auslandsschulden, u m den Mangel an inländischem Münzgold auf einen Schlag zu ergänzen und dadurch alle Staatsnoten konvertierbar zu machen. Nach seinem Ermessen würde sich die japanische Zahlungsbilanz durch die sog. volkswirtschaftlichen Naturgesetze von selbst ins Gleichgewicht bringen, solange alles Papiergeld durch Goldreserven gedeckt war. M i t anderen Worten behauptete er unter der bloßen Voraussetzung konvertierbaren Papiergeldumlaufes die Durchsetzung folgenden Gesetzes: Defizit der Zahlungsbilanz — Goldausfuhr — Mangel an Münzgeld — Preisrückgang — Schwierigkeit der Einfuhr — Vergrößerung der Ausfuhr — Goldeinfuhr — Stabilisierung des Wechselkurses. Eine solche autonome Durchsetzung der volkswirtschaftlichen Naturgesetze hatte zu seinem Leidwesen auf die damalige japanische W i r t 26 Vgl. die verschiedenen von Ohkuma i n den Jahren 1875 bis 1881 dem Ministerpräsidenten eingereichten Denkschriften über die damalige Finanzu n d Geldpolitik; sie w u r d e n gesammelt i n : Waseda-Universität (Hrsg.), Die Dokumente Ohkumas, 3 Bde. (japanisch), 1960.

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schaft jedoch deswegen nicht wirken können, weil die Konvertierung des Papiergeldes noch nicht durchgeführt war. Insofern hatte Ohkuma also trotz seiner versuchten Nachahmung der englischen klassischen Nationalökonomie kein Verständnis dafür, daß der sog. natürliche Ausgleich der Zahlungsbilanz nur dann verwirklicht werden kann, wenn die zirkulierende Geldmenge auf einem rechten Niveau gehalten w i r d und das Papiergeld gegenüber dem Gold nicht i n einem Mißverhältnis steht. Wenn hier ein Wort über die derart irreführende Meinung von Ohkuma gesagt wird, so muß darauf hingewiesen werden, daß auch Takahira Kanda, Pionier der japanischen Nationalökonomie, bereits dieselbe Meinung geäußert hat 2 7 ; dieses Beispiel weist auf das damals noch geringe Niveau der japanischen Wirtschaftswissenschaft hin.

I X . Die Idee der sogenannten Matsukata-Finanzpolitik Nach dem Regierungswechsel von 1881 hatte Masayoshi Matsukata ungefähr zwanzig Jahre lang das A m t des Finanzministers inne. Seine finanzpolitische Tätigkeit w i r d nach ihrem großen Verdienst noch heute als „Matsukata-Finanzpolitik" bezeichnet. I m Gegensatz zu Ohkuma erkannte Matsukata richtig, daß die eigentliche Ursache der galoppierenden Inflation eine übermäßige Ausgabe von unkonvertierbarem Papiergeld war. Von diesem Gesichtspunkt aus ergaben sich die Charakteristika der Matsukata-Finanzpolitik: das erste war, den Staatshaushalt durch sofortige Einschränkung der Staatsausgaben und radikale Erhöhung der Steuereinnahmen auszugleichen; und zweitens, die Finanzmittel zur Konvertierung der Staatsnoten zu reservieren und dadurch das ungedeckte Papiergeld bis zu der Menge aus dem Verkehr zu ziehen, bei der sich das Wertverhältnis von Papier zu Gold normalisiert hatte; und endlich, eine Notendeckung durch die Zentralbank i n naher Zukunft durchzuführen und an die Stelle der Staatsnoten allmählich Banknoten zirkulieren zu lassen. Seine drastische Deflationspolitik führte sofort eine bedenkliche Depression herbei, von der die Großgrundbesitzer und Kaufleute, insbesondere die Regierungslieferanten als Vorläufer der späteren ZaibatsuKonzerne, begünstigt wurden, während die kleinen und mittleren Bauern und Fabrikanten einen harten Schlag erlitten und zu industriellen Proletariern wurden. A u f solche Weise spielte die MatsuJcata-Finanzpolitik bei der sog. „ursprünglichen Akkumulation" des japanischen Kapitalismus eine historische Rolle. 27 T. Kanda, Anliegen an die Konvertierung des Papiergeldes (japanisch), Meiroku-Zasshi, Dezember 1874.

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Was nun die geistigen Grundlagen seiner erzwungenen Deflationspolit i k betrifft, so war auch bei Matsukata nicht zu erkennen, daß er i n einer bestimmten Wirtschafts- und Finanzlehre seine theoretische Stütze gefunden hatte. Wenn etwa einer der ausländischen Wirtschaftsgedanken irgendeinen Einfluß auf ihn ausgeübt haben sollte, so wären es vielleicht die Gedanken des französischen Finanzmannes Léon Say und des Finanzwissenschaftlers Leroy-Beaulieu gewesen, die Matsukata einige Male besuchte, als er zur Weltausstellung 1879 nach Paris kam. Die japanischen Ubersetzungen der Bücher von Leroy-Beaulieu und L. Say w u r den nacheinander durch das damalige Finanzministerium selbst veröffentlicht 28 . Das veranschaulicht, daß auch die französischen Steuerideen zur Entstehung der Matsukata-Finanzpolitik beitrugen. Nun fragt es sich, warum Matsukata ein großes Interesse an den französischen finanzpolitischen Ideen und Verwaltungspraktiken hatte. Man erzählt sich i m allgemeinen über die Persönlichkeit Matsukatas, daß er kein Theoretiker oder Idealist, sondern nur ein praktischer Verwaltungsbeamter war, so daß seine Finanzpolitik, die dem Prinzip eines ausgeglichenen Staatshaushaltes immer treu blieb, gerade das Ergebnis seines Verhaltens als musterhafter Verwaltungsbeamter war, welcher an Ausgewogenheit, Sicherung, Zuverlässigkeit, Beharrlichkeit, Geschäftsfähigkeit usw. interessiert war 2 9 . Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu verstehen, daß er viele Lehren aus den Ideen sowohl von Léon Say, der als Finanzmann nach dem Prinzip des ausgeglichenen Staatshaushalts handelte, wie auch von Leroy-Beaulieu gezogen hat, welcher i h m praktische Kenntnisse von den Finanzsystemen und -Verwaltungen beigebracht hatte. Die sog. Matsukata-Finanzpolitik w i r d gewöhnlich m i t der angeführten Deflationspolitik der Jahre 1881—85 identifiziert, ihre Leistung bestand aber auch i n der Begründung der Beamtenherrschaftsstruktur i n der Finanz Verwaltung. Vor dem Zustandekommen der japanischen Verfassung von 1889, welche die absolutistische Kaiser- und Beamtenherrschaft gemäß der Absicht Hirobumi Itos vollendet hat, mußte Matsukata nach 1885 als Finanzminister des Kabinetts Ito ein Finanzsystem vorbereiten, das eine uneingeschränkte Befugnis zur Finanzkontrolle vor28 Das H a u p t w e r k von Leroy-Beaulieu „Traité de la science des finances" (1877) wurde teilweise i n den Jahren 1880, 1882, 1883, 1885, 1886 u n d 1887 v o m Finanzministerium selbst bzw. dessen höheren Beamten, w i e Inejiro Tajiri, ins Japanische übertragen. U n d sein Buch „Précis d'économié politique" (1888) wurde 1891 übersetzt. Was die Schrift von Léon Say betrifft, so erschienen die zwei japanischen Ausgaben seiner Gedanken „Über das Budget" i m Namen des Finanzministeriums i m Jahre 1890 nebeneinander. 29 Shokichi Endo, Toshihiko Kato, Makoto Takahashi, Die Finanzminister i n Japan (japanisch) 1964, S. 71—73 u n d 61.

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wiegend der kaiserlichen Regierung sowie seines Beamtentums sicherstellen und ein Recht des Parlaments auf Beratung des Staatshaushalts vermindern sollte. Als Vorbild eines solchen japanischen Finanz- und Steuersystems galten i h m wahrscheinlich auch die deutsch-preußischen Finanzgesetze und -praktiken; aber es ist durch die historischen Dokumente noch nicht bestätigt worden, von welcher Zeit an er sich mehr den deutschen als den französischen Lehren zuwandte. I n Zusammenhang m i t einer derartigen Charakterisierung seiner Auffassungen soll hier noch hinzugefügt werden, daß es heutzutage einige besondere akademische Auffassungen zu diesem Thema gibt, so etwa daß das Wesen der Matsukata-Finanzpolitik i m Vergleich zur „handelskapitalistischen" Finanzpolitik von Ohkuma geradezu „industriekapitalistisch" gewesen sei 30 ; oder daß Matsukata wie Friedrich List m i t seinen nationalökonomischen Gedanken eine die „Produktionskräfte" fördernde Wirtschaftsideologie verfochten hätte, während Ohkumas Verhalten durch das „merkantilistische" Ideengut gekennzeichnet worden wäre 3 1 . Aber es wäre voreilig und unbescheiden, wenn man etwa behaupten wollte, daß die finanzpolitischen Ideen von Matsukata i n einer bestimmten systematischen Wirtschafts- und Finanzlehre ihre logische Stütze konsequent gefunden hätten oder daß sie nicht von den französischen, sondern von Anfang an von den deutschen Gedanken beeinflußt worden wären. Da die allgemeine Umstellung der politischen und ökonomischen Ideen von der angelsächsischen zur deutsch-preußischen Strömung erst am Ende dieses Zeitabschnittes eintrat, so ist anzunehmen, daß auch die damaligen finanzpolitischen Gedanken allmählich von den deutschen Lehren beeinflußt wurden, entspricht es doch den historischen Tatsachen, daß das japanische Beamtentum i m allgemeinen nach den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem deutschen Ideengut einer ordnungsgemäßen Finanzwirtschaft völlig durchdrungen war.

30

Shinobu Ooe, Die Entstehimg des Meiji-Staates (japanisch), 1959. Yasushi Goto, Die liberal-demokratische Bewegung i n der M e i j i - Ä r a (japanisch), 1958. 31

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Zweites Kapitel

Die Wirtschaitsideen in der Aulschwungsperiode des Kapitalismus (1890-1920) I. Blüte der deutschen älteren und jüngeren historischen Schule Wie w i r ausführten, hat die deutsche ältere historische Schule die japanische Volkswirtschaftslehre nachhaltig beeinflußt. I m Verlauf der neunziger Jahre ist diese Überlegenheit der protektionistischen über die liberalistische Wirtschaftsdoktrin nicht allein i m rein wissenschaftlichen, sondern auch i m praktischen Sinne immer deutlicher geworden, weil der ökonomische Protektionismus kraft des neuen Handelsvertrages von 1899, wonach Japan die Tarifautonomie endgültig erwarb, auf die tagespolitische Praxis anwendbar wurde. Die Entwürfe für ein Freihandelssystem von Taguchi u. a. verfielen unter dem Einfluß der Zeitströmungen allmählich i n abstrakten Dogmatismus; dagegen wurde die Idee des Schutzhandels nach der Jahrhundertwende von Sen Kawazu und Hajime Kawakami übernommen und blühte noch mehr auf. Was nun die Einführung der deutschen jüngeren historischen Schule betrifft, so sind einige populäre Darstellungen darüber erschienen: Das Lesebuch von Tsunejiro Nakagawa „Die Vorlesung über die realistische Nationalökonomie" (japanisch), 1886—87, war z. B. die erste Schrift, i n der der deutsche Kathedersozialismus behandelt wurde. Kurz danach schrieb Kenzo Wadagaki auch einen Aufsatz über die Kathedersozialisten 1 . Außerdem ist zu bemerken, daß diejenigen deutschen Gelehrten, welche zur Ausarbeitung der japanischen Verfassung von 1889 persönlich beitrugen, als Verfechter dieser neuen Schule der Volkswirtschaftslehre eine wichtige Rolle spielten. Es waren Lorenz von Stein 2 und Hermann Rösler 3. 1 K . Wadagaki , Die Kathedersozialisten (japanisch), i n : Zeitschrift der Gesellschaft für Staatswissenschaften, März 1888. 2 Die Gedanken Steins über Sozialpolitik u n d Arbeiterfrage w u r d e n nach Japan sowohl durch die i m Jahre 1887 veröffentlichte japanische Teilübersetzung seines Werkes „Handbuch der Verwaltungslehre" (1870) eingeführt als auch durch zwei japanische Ausgaben seiner Vorlesungsmanuskripte, welche i n Österreich studierende japanische Beamte niederschrieben u n d unter dem T i t e l „Die Vorlesungsniederschrift von Stein" (1889) bzw. „Steins Vorlesung über die Besteuerung" (1888) ins Japanische übertrugen. 3 Außer der berühmten Denkschrift von Rösler „ E n t w u r f einer Verfassung f ü r das kaiserliche Japan" (1887) w u r d e n seine Werke und Vorlesungen ins Japanische übersetzt unter folgenden T i t e l n : „Das soziale Verwaltungsrecht" (japanisch), 1886, „Gedanken über die französische Revolution" (japanisch), 1885, u n d „Richtlinien der deutschen Staatswissenschaften" (japanisch), 1889.

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Die entscheidenden Versuche, die Nationalökonomie Japans m i t den sozialpolitischen Ideen der deutschen jüngeren historischen Schule zu durchsetzen, gehen auf Noboru Kanal zurück, der 1890 nach Japan zurückkehrte und seit 1886 bei Karl Knies, Wilhelm Roscher, Gustav von Schmoller, Adolph Wagner, Johannes Conrad u. a. i n Deutschland Volkswirtschaft studiert hatte. Dieser angehende Professor bezog sofort eine einflußreiche Position als „Gustav Schmoller in Japan" durch die verschiedenen Reden und Aufsätze, besonders durch seine Werke „Die politische Ökonomie" (japanisch), 1894, und „Die Sozialökonomie" (japanisch), 19024. Danach trat ein weiterer Begründer der jüngeren historischen Schule i n Japan auf, Tokuzo Fukuda, welcher während der Jahre 1898 bis 1901 bei Lujo Brentano und Karl Bücher studierte. Seine japanische Übersetzung 5 des Buches von Brentano „Über das Verhältnis von A r beitslohn und Arbeitszeit zur Arbeitsleistung" (2. Aufl. 1893) spielte bei der Einführung des deutschen Sozialliberalismus eine bahnbrechende Rolle. Seine Dissertation „Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung i n Japan" (Stuttgart 1900) war eine Pionierarbeit, w o r i n die wirtschaftliche Entwicklungsstufentheorie von Bücher erstmals auf die japanische Wirtschaftsgeschichte angewandt wurde 6 . Ferner sei auf folgende berühmte Vertreter der jüngeren historischen Schule hingewiesen: Die Schriften von Kumazo Kuwata „Uberblick über die europäische Arbeiterfrage" (japanisch), 1899, „Fabrikgesetzgebung und Arbeiterversicherung" (japanisch), 1909, und „Die soziale Frage i m gegenwärtigen Europa" (japanisch), 1917, beruhen vorwiegend auf der Staats- und Soziallehre von Lorenz von Stein; die Bücher von Hajime Seki „Die Gewerbepolitik" (japanisch), 1911, „Die Handels- und W i r t schaftspolitik" (japanisch), 1903, und „Gedanken über die Arbeiterschutzgesetzgebung" (japanisch), 1910, waren i n ähnlicher Weise eine Einführung i n das Werk von Heinrich Herkner „Die Arbeiterfrage" (l.AufL 1894). Die Schriften von Adolph Wagner wurden in einer erklärenden Veröffentlichung über sein Werk „Lehrbuch der politischen Ökonomie" (1876) i m Jahre 1906 von Hajime Kawakami dem japanischen Leser 4 Das letzte, sein Hauptwerk, wurde zuweilen nicht als Einführung i n die Wirtschaftsideen v o n Schmoller, sondern vielmehr als eine Teilübersetzung der Schriften von Gustav Schönberg „Handbuch der politischen Ökonomie" (1882) ausgelegt. 5 Die Übersetzung „Nationalökonomie der A r b e i t " (japanisch), 1899, wurde i n Zusammenarbeit von Fukuda m i t Brentano veröffentlicht. 6 Fukuda w u r d e seither als Professor an der Hitotsubashiund Keio-Universität nicht n u r auf dem Gebiet der historisch-ethischen Nationalökonomie, sondern auch i n der modernen Wirtschaftslehre aller ausländischer Schulen i m allgemeinen zur führenden Persönlichkeit.

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nahegebracht; eine japanische Teilübersetzung des Buches von Wagner erschien bereits 1895 unter dem Titel „Die politische Ökonomie von Wagner"; ferner wurde das umfangreiche Buch von Wagner „Finanzwissenschaft" (1877—1901) von Yoshio Takimoto i m Jahre 1904 ausführlich i n japanischer Sprache kommentiert. Die japanische Finanzwissenschaft, welche seit dem Ende der 80er Jahre, vorwiegend der Finanzpolitik von Stein anhängend, von den deutschen klassischen Lehren durchdrungen wurde, hat unter den Einflüssen von Wagner und seinem Nachfolger nach dem deutschen Muster ihre gefestigte Basis gefunden. Auch die Einflüsse von den anderen großen Ökonomen derselben Schule waren zu bemerken, z. B. von Werner Sombart, Eugen v. Philip povich und Karl Bücher 7. Nach diesen Beispielen w i r d verständlich, daß die Volkswirtschaftslehre der deutschen jüngeren historischen Schule in dem Zeitabschnitt von 1890—1920 i n Japan i n voller Blüte stand.

I I . D i e G r ü n d u n g des „ V e r e i n s f ü r S o c i a l p o l i t i k " i n J a p a n 1. Die Prinzipien des „Vereins für Socialpolitik" i n Japan

Die führende Stellung der japanischen historischen Schule der Volkswirtschaftslehre u m die Jahrhundertwende wurde durch die Gründung des „Vereins für Socialpolitik" i n Japan unter Beweis gestellt. Der Verein wurde 1896 nach dem deutschen Muster nicht nur als eine einheitliche akademische Zusammenkunft, sondern auch als praktische Aufklärungsorganisation geschaffen, durch die man eindringlich auf die öffentliche Meinung und die Gesetzgebung einwirken wollte. Die Entstehung des Industriekapitalismus und die sich daraus ergebende Arbeiterfrage und die sozialistische Bewegung waren die Ursache für die Zusammenfassung der japanischen Kathedersozialisten i n einem einheitlichen Verein. Schon seit dem Ende der 70er Jahre waren zwar die ausländischen, sozialistischen Gedanken von William Thompson , Thomas Moore , Robert Owen , Charles Fourier, Henry George u. a. bruchstückweise i n Japan eingeführt worden, und einige sporadische Putsche der „proletarischen Unterschichten", wie der Aufstand der Bergleute und Sträflinge i m Ta/cashiraa-Kohlenbergwerk von 1878, waren h i n und wieder aus7 Die japanische Übersetzung des Werkes von Sombart „Sozialismus u n d soziale Bewegung" (1. Aufl. 1897) erschien i m Jahre 1903. Die Schrift von Philippovich „Allgemeine Volkswirtschaftslehre" (1893) w u r d e i m Jahre 1904 u n d „Volkswirtschaftspolitik" (1899—1907) i n den Jahren 1906—1908 ins Japanische übertragen. Die japanische Ausgabe des Buches von Bücher „Die Entstehung der Volkswirtschaft" (1893) wurde 1917 veröffentlicht.

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gebrochen; doch bis zum Ende der 90er Jahre hatte die revolutionäre Theorie nie die breiten Massen ergriffen; jene damaligen Arbeitsstreitigkeiten wurden noch nicht von der modernen Industriearbeiterschaft selbst getragen oder hervorgerufen. Die echte Geschichte der Arbeiterbewegung in Japan begann 1897 m i t der Bildung des „Bundes zur Förderung der Gewerkschaften", welchen Fusataro Takano und Sen Katayama nach dem Vorbild des „Business-Unionism" der „American Federation of Labor" gründeten. Die erste sozialistische Bewegung entstand aus Anlaß der Errichtung der „Gesellschaft für Sozialismus" i m Jahre 1898, durch die Isoo Ahe — ein christlicher Sozialist m i t amerikanischer Ausbildung — anfing, politische Propaganda zu machen. Diese zwei Arbeiterbewegungen, nämlich Trade-Unionism und Sozialismus, wurden von Katayama bald miteinander verbunden (1900), indem er sich unter dem Einfluß von Ahe gedanklich vom Reformismus auf den Revolutionismus umstellte. Sobald die frühen Arbeiterbewegungen sozialistisch geprägt wurden, versuchte die kaiserliche Regierung unverzüglich durch das „Sozialistengesetz" von 1900 die revolutionäre Arbeiterbewegung zu unterdrücken, u m künftige Gefahren des Umsturzes zu verhüten. Trotz des Sozialistengesetzes gründeten Ahe und Katayama m i t Genossen wie Denjiro (Shusui) Kohtoku nun „Die Sozialdemokratische Partei Japans" i m Jahre 1901, welche aber sofort nach der Gründung durch Polizeigewalt gezwungen wurde, sich aufzulösen. Die Tatsache, daß die sozialpolitischen Gedanken der deutschen historischen Schule stürmisch i n die akademischen Kreise Japans eindrangen, hatte sowohl soziale wie politische Hintergründe. I m Anfangsstadium wurde das reformistische Prinzip des Vereins für Socialpolitik sowohl von den politischen Machthabern, als auch von der breiten Masse nicht immer richtig verstanden; es war nicht selten, daß man die Sozialpolitik m i t dem Sozialismus verwechselte. Deshalb legte der Verein 1899 der Öffentlichkeit eine Schrift über seine Grundidee vor, u m seine Prinzipien von denen des Sozialismus klar abzugrenzen. Was i n dem „Prospekt des Vereins für Socialpolitik" vom 19. J u l i 1899 veröffentlicht wurde, erinnert stark an die „Rede zur Eröffnung der Besprechung über die sociale Frage in Eisenach" vom 6. Oktober 1872 von Gustav v. Schmoller. Der „Prospekt" lautet: „ W i r widersetzen uns dem Laissez-faire, denn der übermäßige Egoismus und die unbeschränkt freie Konkurrenz führen zu einem immer schrofferen Gegensatz zwischen den reichen und armen Klassen. W i r widersetzen uns auch dem Sozialismus, denn der Umsturz aller bestehenden Wirtschaftsverhältnisse und die Ausrottung jedes Kapitalisten beeinträchtigen den Fortschritt unseres Landes. W i r wollen keine Aufhebung des Privateigen-

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tums; w i r verlangen, unter den bestehenden Verhältnissen mittels der Selbst- und Staatshilfe die Klassengegensätze auszugleichen und damit die soziale Harmonie aufrechtzuerhalten ..." Aus diesen Ausführungen w i r d deutlich, daß der „Verein für Socialp o l i t i k " i n Japan sowohl den Liberalismus als auch den Sozialismus abgelehnt hat und völlig dem V o r b i l d des deutschen Vorläufers gefolgt ist.

2. Der Prinzipienstreit zwischen Sozialpolitik u n d Sozialismus

Angesichts des Sozialistengesetzes von 1900 und der Schaffung der Sozialdemokratischen Partei von 1901 hatte der Verein wieder seine „Rechtfertigungsschrift des Vereins für Socialpolitik" vom 7. J u l i 1901 veröffentlicht. Die „Rechtfertigungsschrift" war teils eine Wiederholung des oben erwähnten „Prospekts", teils eine zusätzliche K r i t i k an der japanischen Sozialdemokratie. Der Streitpunkt sei an dieser Stelle kurz dargestellt: Das Programm der Sozialdemokratischen Partei Japans, das außer ihren ursprünglich revolutionären Prinzipien noch die sozialpolitischen Forderungen wie Fabrikgesetzgebung, Arbeiterversicherung, Koalitionsfreiheit usw. einschloß, zeigte die unbestrittene Wahrheit auf, daß der Sozialismus notwendigerweise die realistischen Maßnahmen „von der Sozialpolitik zu entlehnen" hätte, w e i l die revolutionäre Propaganda nur auf „utopischen" und „unrealistischen Annahmen" beruhte, so daß die Sozialpolitik „das einzig richtige M i t t e l zur Lösung der sozialen Frage" wäre. Über die „Rechtfertigungsschrift" des Vereins schrieb Isoo Ahe als Führer der damaligen Sozialdemokratie sofort eine A n t i k r i t i k i n einer Zeitung 8 . Er behauptete: „ W i r glauben nicht, daß Sozialpolitik und Sozialismus i n jedem Falle einander gegensätzlich gegenüberstehen, obgleich die beiden nicht immer auf das gleiche herauskommen. Die Sozialp o l i t i k ist uns vielmehr willkommen, w e i l sie ein Übergangsstadium vom Kapitalismus zum Sozialismus ist. W i r können m i t den Sozialpolitikern ganz und gar nicht übereinstimmen, wenn sie behaupten, daß die Sozialpolitik das einzige M i t t e l zur Lösung der sozialen Frage sei." Nach den Aussagen von Ahe wären Sozialpolitik und Sozialismus daher nicht dem Wesen, sondern dem Grad nach verschieden; m.a.W. bestünde der Unterschied zwischen den beiden ausschließlich darin, „ob man von Tokio nach Kyoto oder weiter nach Kobe reist". Die japanischen Kathedersozialisten wie Kanai und Kuwata, welche eine Mehrheit i m Verein fanden, kamen n u n aus Anlaß dieser Debatte 8

Tokio-Mainichi-Zeitung

vom 12. Juli 1901.

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dazu, die Sozialdemokratie immer schärfer anzugreifen, um die Sozialpolitik vom Sozialismus deutlich zu unterscheiden; damit ging ihnen jedes Verständnis für die autonome, von unten her wachsende Arbeiterbewegung überhaupt ab. I m Verlauf ihrer Prinzipienstreitigkeiten m i t der Sozialdemokratie waren sie geneigt, mehr und mehr die patriarchalische, von oben her getriebene Staatshilfe allein zu verteidigen und jede unterdrückende Maßnahme der Regierung gegen die sozialistischen sowie gewerkschaftlichen Bewegungen zu rechtfertigen. Hinsichtlich der Entwicklung der Arbeiterbewegung unter dem Sozialistengesetz kann festgestellt werden, daß der Einfluß des christlichen Sozialismus von Ahe allmählich abnahm und statt dessen der Marxismus von Katayama und Kohtoku zur Geltung kam; unter ihrer Leitung stand die japanische Sozialdemokratie seither i n radikaler Opposition zur Staatsgewalt und entfaltete während des Russisch-Japanischen Krieges (1904—05) auch eine heftige Antikriegsbewegung. Diese marxistische Arbeiterbewegung spaltete sich bald nach dem Kriege i n zwei Lager auf, i n das sozialdemokratisch-parlamentarische von Katayama und das anarchistisch-syndikalistische von Kohtoku. Mitten in einer solch stürmischen Entwicklung der revolutionären Agitationen nahm die Regierung, dem Beispiel von Bismarck i n Deutschland folgend, ein fingiertes Attentat auf den Kaiser zum Vorwand, u m gegen die Linksradikalen vorzugehen. Anläßlich des sog. „HochverratVorfalls" von 1910 wurde zunächst die Bewegung des anarchistischen Flügels durch die Massenverhaftung führender Aktionäre wie Kohtoku völlig zerstört. Der sozialdemokratische Flügel seinerseits hatte aus Angst vor den sich wiederholenden Unterdrückungen durch die Polizeigewalt fast keinen M u t mehr, seine Agitation fortzuführen; Katayama emigrierte 1914 i n die USA, und die neuen Führer Toshihiko Sakai und Hitoshi Yamakawa zogen sich völlig aus der Politik zurück. Nach dem angeblichen Hochverratsfall von 1910 erstarrte die A k t i v i tät der Arbeiterbewegung zunächst. Weder sozialistische noch gewerkschaftliche Organisation waren vorhanden, ausgenommen die „Arbeiterverbrüderung", welche der spätere Gewerkschaftsführer Bunji Suzuki schon 1912 als Selbsthilfe- und Bildungsverein für die Arbeiter gegründet hatte. Dieser Verlauf der Arbeiterbewegung hat dem Verein für Socialpolitik, welcher angesichts der obrigkeitlichen Einschränkung der Meinungsfreiheit seinen Unterschied von der Sozialdemokratie beweisen mußte, eine günstige Gelegenheit gegeben, seine Gedanken öffentlich kundzutun; denn die Radikalisierung der sozialen Bewegung einerseits, die immer zustimmende Haltung des Vereins für Socialpolitik zum Sozialistengesetz andererseits brachten der Obrigkeit das notwendige

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Verständnis für den eigentlichen Sinn des Kathedersozialismus nahe. Wie Kuwata i n seiner Eröffnungsrede der achten Tagung des Vereins von 1914 voller Stolz sagte9, ist die Sozialpolitik zu jener Zeit „zum politischen Leitsatz des Staates" geworden, den „man unter Billigung der Obrigkeit über das ganze Land verkünden kann". 3. Der Prinzipienstreit zwischen Sozialpolitik und Liberalismus

Der japanische Kathedersozialismus wurde durch den allmählich einflußlos gewordenen Liberalismus ebenso in einen Prinzipienstreit verwickelt wie sein deutscher Vorläufer, der i n den 70er Jahren m i t dem Manchestertum i n heftigen Debatten stand. A n der oben erwähnten „Rechtfertigungsschrift" des Vereins für Socialpolitik von 1901 übte der alleinstehende liberale Vorkämpfer Taguchi wiederholt K r i t i k 1 0 . Nach den Aussagen Taguchis sind „die Interessen von Kapital und Arbeit unter der Bedingung der freien Konkurrenz immer harmonisch. Deshalb ist es m i r ganz und gar nicht verständlich, daß trotzdem jedes Mitglied des Vereins für Socialpolitik die Interessen von Kapital und Arbeit für unharmonisch und die sozialpolitische Intervention des Staates bedingungslos für wünschenswert h i e l t . . . Die sozialpolitische Intervention i n der freien Konkurrenz muß den Arbeiter immer mehr zur Opposition zum Unternehmer reizen und die soziale Harmonie beeinträchtigen". Diesen optimistischen Glauben an die natürliche Harmonie von Kapital und Arbeit bestritt Nobutora Nakajima i m Namen des Vereins für Socialpolitik kurz und treffend wie folgt: Die Behauptung des Vereins, daß die freie Konkurrenz nicht nur keine harmonische Sozialordnung herbeiführen könne, sondern auch jede Entwicklung der Produktionskapazität infolge des häufigen Ausbruches der Arbeitsstreitigkeit hemmen müsse, sei gerade durch die Erfahrungen i n jener Zeit bestätigt worden, wie z. B. die zunehmenden Streiks der Arbeiter, die zahlreichen Aussperrungsmaßnahmen seitens der Arbeitgeber, schnelles Anwachsen der sozialistischen Bewegung usw. 11 . Dieser Debatte wurde durch die sich rasch wandelnden politischen Verhältnisse i n Japan bald ein Schlußpunkt gesetzt, denn ein erster Ent9 Vgl. Schriften des Vereins f ü r Socialpolitik i n Japan, Bd. 8, „Die Frage des Kleinbauernschutzes" (japanisch), 1915, S. 2 f. 10 Taguchis K r i t i k e n an der „Rechtfertigungsschrift" des Vereins w u r d e n i n den Monaten v o m J u l i 1901 bis zum Januar 1902 i n der von i h m redigierten Zeitschrift „Tokio-Wirtschaftsarchiv" (japanisch) vielfach veröffentlicht. 11 Der streitbare Aufsatz von Nakajima erschien Ende 1901 unter dem T i t e l „Tokio-Wirtschaftsarchiv u n d Sozialpolitik" i n der Zeitschrift „Schriftenreihe der Wirtschaft" (japanisch), deren Originalauflage leider heute nicht mehr nachzuschlagen ist; so w i r d der Streitpunkt hier aus den Zitaten i n den oben zitierten, gegen den Verein gerichteten Aufsätzen von Taguchi aufgezeigt.

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w u r f der Fabrikgesetzgebung wurde i m Jahre 1902 durch das Agrarund Handelsministerium ausgearbeitet und der Öffentlichkeit vorgelegt. Unter solch günstigen Umständen konnte der Verein für Socialpolitik trotz wiederholter Forderung Taguchis zum Wortstreit nunmehr schweigen. Obgleich die Fabrikgesetzgebung i n Japan erst i m Jahre 1911 zustandekam, hatte sich die allgemeine politische Lage bereits zugunsten des Vereins gewandelt. Nach der Jahrhundertwende war die Idee des Liberalismus hinter dem seinerzeitigen Zeitstrom zurückgeblieben, und die Entwicklung der Sozialpolitik war von der Wissenschaft entscheidend vorangetrieben worden. Seither beherrschte die japanische historische Schule völlig die volkswirtschaftlichen und politischen Anschauungen i n Japan, indem sie gegen den liberalen Optimismus einerseits und den sozialistischen Radikalismus andererseits eine ablehnende Stellung bezog. Der Verein für Socialpolitik wurde nach 1907 von der kleineren Arbeitsgemeinschaft der sozialpolitischen Forscher zur umfassenden Gesellschaft für W i r t schafts- und Sozialwissenschaften umorganisiert, welche alle Professoren der Staatswissenschaften, fortschrittliche Beamte, aufgeklärte Unternehmer, sozialreformistisch gesinnte Gewerkschaftsführer u. a. aus dem ganzen Land zusammenführte. Nach dem Vorbild des „Vereins für Socialpolitik" in Deutschland hat auch der japanische Verein jedes Jahr eine Tagung veranstaltet und die Protokolle m i t dem Titel „Schriften des Vereins für Socialpolitik" (japanisch) veröffentlicht. Der Verein hatte seine führende Stellung bis zum Jahre 1924 inne. Unter Zugrundelegung dieser nationalökonomischen Ansichten und Gegebenheiten seien nunmehr die wirtschaftspolitischen Vorgänge in jenem Zeitabschnitt aufgezeigt.

I I I . Die K l u f t zwischen Theorie und Praxis der Wirtschafts- und Sozialpolitik I n der Aufschwungsperiode des japanischen Kapitalismus von 1890 bis 1920 wurden die positiven wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen zur Förderung der industriellen Produktivkräfte i m Vergleich zum vorhergehenden Zeitabschnitt nur selten angewandt. Der Wunsch zur „billigen Regierung" wurde von verschiedenen Interessenten geäußert, wenngleich er wegen des großen Finanzbedarfs für den Chinesisch-Japanischen (1894—95) und den Russisch-Japanischen Krieg (1904 —1905) nicht zu erfüllen war. I n diesem Sinne konnte man die damaligen wirtschafts- und finanzpolitischen Ideen als „liberal" kennzeichnen; aber es ist auch eine Tatsache, daß der japanische Kapitalismus kein Zeitalter des klassischen Liberalismus hatte. Weder unter der Unter-

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nehmerschaft i n der Spinnereiindustrie, den Trägern des Außenhandels, noch unter den Schwerindustriellen als Regierungslieferanten gab es überzeugte Liberale. Es war zwar sehr seltsam, aber zu den typischen Befürwortern der „billigen Regierung" i n Japan zählten erstens die Grundbesitzer, die den größten Teil des Finanzbedarfs m i t ihrer Grundsteuer deckten, und zweitens die Großbankiers, welche zum Zweck der Durchführung der beiden Kriege bedeutende Summen von Staatsanleihen zeichneten. Daher blieben konsequente Liberale wie Taguchi bei den seinerzeit herrschenden wirtschaftspolitischen Auffassungen i n der Minderheit, und immer mehr stimmten interventionistische Maßnahmen m i t der geltenden Meinung überein. Gute Ansatzpunkte dazu bot die i n voller Blüte stehende historische Schule i n der Nationalökonomie Japans. Es ist dabei bemerkenswert, daß die ökonomischen Leitideen der historischen Schule bei der speziellen Sachlage der japanischen Tagespolitik von den ursprünglichen Ideen des deutschen Vorläufers ziemlich weit entfernt waren. Besonders charakteristisch für die japanische Schule war, daß ihre wirtschafts- und sozialpolitischen Ideen unter den Einflüssen der tatsächlichen weltpolitischen Notwendigkeit zugleich eine imperialistische oder militaristische Neigung hatten, weil die japanische historische Schule m i t der Sozialpolitik nicht nur den Ausgleich m i t der sozialistischen Arbeiterbewegung, sondern auch ein imperialistisches Eindringen i n den Weltmarkt bezweckte. Die führenden Kathedersozialisten, wie z. B. Kanai und Kuwata, hielten die Sozialpolitik vorwiegend für eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung des Burgfriedens und somit zur Stärkung der Landesverteidigung 12 . Diesen sozialpolitischen Gedanken i n der akademischen Welt entsprechend, erfolgte auch die erste japanische Fabrikgesetzgebung i n Wahrheit nach militärischen Gesichtspunkten, d. h. das japanische K i n derschutzgesetz von 1911, genau wie das preußische „Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter i n Fabriken" von 1839, wurde vornehmlich aus der Angst der absolutistischen Regierung erlassen, daß der Ruin der Kinder und Jugendlichen die Aushebung der vorgesehenen Truppenkontingente unmöglich machen werde 18 . Ebenso war für den sozialpolitischen Gedanken i n Japan eigentümlich, daß eine ökonomische „Grenze" des Arbeiterschutzes von Anfang an 12 Vgl. Kuwatas Referat anläßlich der Tagung des Vereins f ü r Socialpolitik von 1907, i n : „Fabrikgesetzgebung u n d Arbeiterfrage" (japanisch), Schriften des Vereins, Bd. 1, 1908, S. 70; u n d Kanals Nachlaß „Sozialpolitik u n d I n d i v i dualismus", abgedruckt i n : Eijiro Kawai, Leben u n d Leistung von Noboru Kanai (japanisch), 1925, S. 656 f. 13 Das A g r a r - u n d Handelsministerium Japans, Prospekt der Fabrikgesetzgebung (japanisch), 1902, S. 57; u n d dasselbe, E r k l ä r u n g des Entwurfes der Fabrikgesetzgebung (japanisch), 1909, S. 2.

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wegen der imperialistischen Konkurrenz auf dem Weltmarkt gezogen wurde. Dazu werden einige Beispiele angeführt: So war nach der Meinung Kanais „zu befürchten, daß ein strenger Arbeiterschutz die Entwicklung der inländischen Industrie beeinträchtigen mag" 1 4 ; oder nach dem „Bericht des Vereins für Socialpolitik von der Beratung des Agrarund Handelsministeriums wegen der Fabrikgesetzgebung" von 1910 müsse der Arbeiterschutz i n Japan „ m i t Rücksicht auf industrielle Entwicklung m i t milden Regelungen zufrieden sein" 15 . Ein solches Verständnis für die ökonomischen Grenzen des Arbeiterschutzes war unseres Erachtens dem deutschen Kathedersozialismus der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts unbekannt. Die Notwendigkeit eines Ausgleiches von Arbeiterschutz und Konkurrenzfähigkeit der Industrie wurde vielmehr, wie es i n einem Erlaß Kaiser Wilhelms II. zur Arbeiterfrage vom 4. Februar 1890 lautete, erst i m imperialistischen Zeitalter eingesehen. Die japanischen Kathedersozialisten versuchten dagegen, unter Voraussetzung der militärischen Weltpolitik und der imperialistischen Wirtschaftskonkurrenz die ökonomische Grenze der japanischen Sozialpolitik vom Ausgangspunkt aus zu rechtfertigen. Da die akademischen Befürworter des Arbeiterschutzes selbst auch diese Ansichten vertraten, mußte die erste japanische Fabrikgesetzgebung von 1911 i n der Tat völlig verstümmelt werden; z. B. ließ die gesetzliche Bestimmung des zwölfstündigen Höchstarbeitstages für Jugendliche und Frauen eine zweistündige Mehrarbeit i n den ersten 15 Jahren nach dem Inkrafttreten (1916) des Gesetzes zu, d. h. gerade bis zum Jahre 1931; die Einführung des Nachtarbeitsverbotes sah vor, daß jede moderne Fabrik, die i n zwei zwölfstündigen Arbeitsschichten betrieben werden sollte, der Verbotsbestimmung ausnahmsweise entgehen kann. A u f diese Weise wurde das erste Arbeiterschutzgesetz zum toten Papier, indem es i n Wahrheit eine Hintertür zur Beschäftigung der jungen Spinnereiarbeiterinnen, die den K e r n der gesamten Fabrikarbeiterschaft i n den damaligen japanischen Industrieunternehmen bildeten, i n den führenden Exportindustrien offenließ. Daraus erklärt sich, daß die scheinbare Blüte der sozialpolitischen Schule der Volkswirtschaftslehre i n Japan kaum i n Zusammenhang m i t der sozialpolitischen Praxis stand. Was nun die „soziale" finanzpolitische Idee der deutschen historischen Schule betrifft, so trifft es anscheinend zu, daß das japanische Beamtent u m i n diesem Zeitabschnitt rein theoretisch von dem deutschen Finanz14

S. 13.

Vgl. Schriften des Vereins f ü r Socialpolitik, Bd. 1 (japanisch), a. a. O.,

15 Zitiert nach dem Bericht i n der „Zeitschrift der Gesellschaft f ü r Staatswissenschaften" (japanisch), Dezember 1910. Der U r t e x t des „Berichtes des Vereins f ü r Socialpolitik" von dem Fabrikgesetzentwurf ist heute nicht zu erlangen.

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gedanken durchdrungen war. Aber man kann auch sagen, daß der sozialpolitische Finanzgedanke von deutscher Herkunft noch kaum i n die japanischen finanzpolitischen Praktiken eingedrungen war. So haben sich z. B. außer der Grundsteuer die direkten Steuern und die progressive Einkommensteuer i m seinerzeit gültigen Steuersystem nicht entwickelt, und das Steueraufkommen durch die indirekte Besteuerung nahm einen hohen Prozentsatz der gesamten Staatseinnahmen ein. Die Ausgaben für sozialpolitische Zwecke waren gegenüber den militärpolitisch bedingten Investitionen i m Rahmen des gesamten Staatshaushalts geringfügig. Wenn überhaupt der soziale Gedanke i n der praktischen Finanzpolit i k zum Ausdruck kam, dann nur i n der bejahenden Haltung für produktive Einwirkungen der Staatsanleihen auf die Akkumulation des Kapitals oder für Produktivität der Staatsausgaben, wie Verteidigungsausgaben und Subventionen, zur Förderung der Kapitalbildung. Man kann aus diesem Beispiel ersehen, daß die fremden Wirtschaftsideen noch immer von dem japanischen Wirtschaftspolitiker oberflächlich nachgeahmt und i n der Tagespolitik nicht konsequent angewandt w u r den.

I V . Die wirtschafts- und finanzpolitischen Ideen der jeweils amtierenden Finanzminister Finanzminister Matsukata, dessen Wirken w i r oben bereits beschrieben haben, hatte bis zum Jahre 1900 m i t einer kurzen Unterbrechung dieses A m t inne. Nach seinem Rücktritt begann erst m i t Yoshiro Sakatani, der aus dem echten Beamtentum des Finanzministeriums hervorging, seit 1901 Vizefinanzminister war und 1906 Finanzminister wurde, wieder eine bedeutende Periode der Finanzpolitik. Seine vornehmste finanzpolitische Aufgabe war es, vor und während des Russisch-Japanischen Krieges umfangreiche Finanzierungsmittel zur Kriegsführung aufzubringen und i n der Nachkriegszeit die aufgehäuften Kriegsschulden zu tilgen. Infolge des großen Krieges konnte Japan allerdings keine Reparationszahlungen erhalten; die Kriegskosten überstiegen bei weitem die Kräfte der japanischen Volkswirtschaft, so daß ungeheure Summen von Staatsanleihen i m In- und Ausland schwer abzulösen waren. Zudem hörte der erste ökonomische Aufschwung des japanischen Kapitalismus m i t der Depression von 1907—08 auf. I n diesem Augenblick mußte Sakatani, der lange Zeit unter der Führung von Matsukata ein musterhafter Verwaltungsbeamter war, als Finanzminister seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Es war die finanzpolitische Idee von Sakatani, nach dem traditionellen Prinzip eines ausgeglichenen Staatshaushaltes vorzugehen. Seine Idee 1

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beruhte auf seinen praktischen Erfahrungen i n der Verwaltungstechnik, die er als Untergebener Matsukatas gesammelt hatte, aber keineswegs auf irgendeiner orthodoxen, liberalen Finanz- und Steuerlehre, welche die sog. Neutralität der Besteuerung vertrat oder jede Vergrößerung des Finanzbedarfs und Staatshaushaltsdefizits theoretisch ablehnte. Zwar kam seine Einschränkungspolitik der öffentlichen Finanzwirtschaft i n der Tat auch den Wünschen der Großbankiers zur „billigen Regierung" entgegen, die angesichts der schleichenden Depression wachsendes Interesse daran hatten, den Preis für die angesammelten Staatsanleihen zu stabilisieren und diese darüberhinaus möglichst schnell zu tilgen. Doch auch ein anderer Umstand wirkte i n entgegengesetzter Richtung. Der japanische Kapitalismus trat nämlich allmählich i n eine neue Entwicklungsphase ein, und es zeigte sich eine unvermeidliche Tendenz zur Vergrößerung der Staatsausgaben. Die damalige Finanzpolitik hatte notwendigerweise einen großen Finanzbedarf zur Förderung der Schwerund Rohstoffindustrie und zur Aufrüstung gegen die Weltmächte zu decken. Daraus erklärt sich, daß die überlieferte finanzpolitische Idee der „billigen Regierung" von Sakatani kaum mehr durchführbar war. Er fiel so auch bei der Aufstellung des Staatshaushaltsplans für das Jahr 1908 der Antinomie zwischen der Idee des ausgeglichenen Staatshaushalts und dem expansiven Finanzbedarf an Kriegs- und Aufrüstungskosten zum Opfer und mußte vom A m t zurücktreten. Die auf ihn folgenden Finanzminister versuchten das finanzpolitische Prinzip des ausgeglichenen Staatshaushalts einerseits und die Tendenz zur Vergrößerung des Finanzbedarfs andererseits möglichst zu v e r w i r k lichen, aber auch sie konnten diese Antinomie nicht überwinden. Dies zeigte z. B. Tatsuo Yamamoto, der schon seit 1898 Präsident der Bank von Japan war und i m Jahre 1911 zum Finanzminister ernannt wurde. Dieser erste dem Kreis der Wirtschaftsführer entstammende Finanzminister war schließlich bei der Aufstellung des Staatshaushaltsplans für das Jahr 1913 nicht imstande, die zunehmenden Aufrüstungsansprüche zu senken, obwohl er dem heißen Wunsch der Großbankiers zur Sanierung der Finanzwirtschaft entsprechen wollte. Wegen der Angriffe der Militärs auf seine einschränkende Finanzpolitik wurde das ganze Kabinett gestürzt. Als Nachfolger des Finanzministers Yamamoto ging Reijiro Wakatsuki, der zwischen 1912 und 1915 zweimal zum Finanzminister und später zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, m i t dem Ziel der Lösung dieser schwebenden Probleme einen Kompromiß ein. Da er, wie Sakatani, aus dem echten Beamtentum des Finanzministeriums hervorging und daher die traditionelle Idee des ausgeglichenen Staatshaushalts vertrat, versuchte er unter dem Schlagwort „no loan, no tax" alle laufenden Staatsanleihen abzulösen und dadurch dem Wunsch der Wirtschaft entgegen-

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zukommen. Aber er machte zugleich den Militärs viele Zugeständnisse und erfüllte die dringenden Aufrüstungsansprüche, wie die Schaffung von zwei Infanteriedivisionen, indem er die Anträge auf Steuerermäßigung und öffentliche Wohlfahrtsausgaben ablehnte bzw. verschob. M i t diesen Maßnahmen schien er i n gewissem Sinne eine Versöhnung von Aufrüstung und Etatausgleich zustande zu bekommen; damit legte er jedoch i n Wahrheit auf Kosten der Volksmasse den K e i m für die dominierende, den militärischen Gesichtspunkten gerecht werdende Finanzpolitik i m folgenden Zeitabschnitt.

Drittes Kapitel

Die Wirtschaftsideen in der Stagnationsperiode des Kapitalismus (1920-1931) I. Die Einwirkung der bürgerlichen Demokratie Seit dem Jahre 1916 wurde das Argument für die sog. „Taisho-Demokratie", die auf die Beseitigung der despotischen Herrschaft des Kaisers und seines Beamtentums sowie auf die Reform des scheinbaren Parlamentarismus als „Feigenblatt des Absolutismus" zielte, von Sakuzo Yoshino und anderen polemisch ins Feld geführt und m i t immer größerem Interesse verfolgt. I m Jahre 1924 waren die Bemühungen der politischen Parteien u m die Verteidigung des Konstitutionalismus und die Geltendmachung des allgemeinen Wahlrechts von Erfolg gekrönt. Seitdem begann eine Zeit, die man die „Parteikabinettszeit" i n der japanischen politischen Geschichte nennt. Diese Periode dauerte bis zum Jahre 1932. Die Zeit dieses politischen Wandlungsprozesses entsprach, vom ökonomischen Gesichtspunkt aus gesehen, der Periode der Festigung der Hegemonie von Monopol- und Konzernkapital, gekennzeichnet durch die Rationalisierungs- und Rettungsmaßnahmen zugunsten des Großkapitals, welche die Regierung gegen die Auswirkungen der sich wiederholenden Wirtschaftskrisen unternahm. .Die Folge war die Konzentration des Bankkapitals, seine Herrschaft über das Industriekapital, die Verarmung der Arbeiter und Bauern, die Ausbeutung der kleinen und m i t t leren Industrieunternehmungen durch das Monopolkapital usw. Die Taisho-Demokratie entwickelte sich also i n Verbindung m i t dem Steigen der Machtstellung der Großbourgeoisie innerhalb der herrschenden Schicht, und sie wurde schrittweise zur bürgerlichen Demokratie zugunsten des Monopol- und Konzernkapitals geführt.

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Seit dem Beginn der Showa-Ära. strebte kein Führer der politischen Parteien seinem Ideal i n der parlamentaristischen Demokratie mehr nach, sie versuchten vielmehr, den Interessen der alten, absolutistischen Machthabern oder des Interessentenkreises der führenden Wirtschaftsunternehmen entgegenzukommen. Infolgedessen war die politische Welt so verdorben und korrumpiert, daß das Mißtrauen des Volkes gegen die politischen Parteien immer größer wurde. I n der Zeit der Parteienkabinette wurde der über dem Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit stehenden absolutistischen Macht allmählich der Mantel der Neutralität genommen und ihre einseitige Orientiertheit deutlich sichtbar gemacht. Diese Umstände übten Einflüsse auf die Wirtschaftsideen jener Zeit aus. Der Verein für Socialpolitik in Japan, der seit dem Jahre 1907 die Gedankenwelt der Nationalökonomie prägte, paßte sich immer weniger den Forderungen der neuen Zeit an; das leitende Prinzip des japanischen Kathedersozialismus, das durch die „über den egoistischen Klasseninteressen stehende" 1 monarchistische Sozialpolitik auf die Erreichung des Burgfriedens zielte, mußte die „einzig neutralen Elemente i m sozialen Klassenkampf" 2 als Träger der monarchistischen Sozialpolitik aufgeben. Damit wurde auch der Glaube an die Allmacht der „klassenlosen" Sozialpolitik erschüttert. I n der neuen Ära sollten die Träger der anderen Wirtschaftsideen, die die besonderen Interessen von Kapital oder Arbeit offen vertraten, immer beliebter werden. Auch die neuen wirtschaftspolitischen Ideen, die an die Stelle der Lehren der historischen Schule der Volkswirtschaftslehre zu treten begannen, sollten die folgenden neuen Erscheinungen theoretisch erklären und dazu Maßnahmen treffen: Entstehung des Monopolkapitals, Herrschaft des Konzern- und Finanzkapitals, Stagnation der Konjunktur, Ausbeutung der Arbeiterklasse und des Mittelstandes usw. Als stärkster Feind der überkommenen Leitsätze der Wirtschaft trat die marxistische Nationalökonomie auf, zumal die bereits einflußlos gewordene liberale Nationalökonomie ihre führende Stellung i n der akademischen Welt nicht wieder erreichen konnte.

I I . Die Blüte der marxistischen Wirtschaftsgedanken Nach dem ersten Weltkrieg, unter den Einflüssen der russischen Revolution und der revolutionären Strömungen i n den europäischen Ländern, blühten auf einmal i n Japan die sozialistischen und gewerkschaftlichen 1 Vgl. Gustav Schmoller, Leipzig 1890, S. 9. 2 Ebenda, S. 62.

Z u r Sozial- u n d Gewerbepolitik der Gegenwart,

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Bewegungen auf. So waren z. B. die „Massenaufstände nach Reis" von 1918, die Umwandlung der „Arbeiterverbrüderung" als Selbsthilfe- und Bildungsverein zum „Allgemeinen Gewerkschaftsbund" als Kampfkoalition von 1919, die Ausbrüche der anarchistisch-syndikalistischen Bewegung von Sakae Ohsugi und der bolschewistischen von Toshihiko Sakai und Hitoshi Yamakawa seit dem Jahr 1919 zu verzeichnen. Nach dem jahrelangen „Streit zwischen Syndikalismus und Bolschewismus" hatte etwa i m Jahre 1922 die marxistische Gruppe die Initiative der revolutionären Bewegungen i n der Hand. Seit dem Jahre 1924 ergab sich wieder der Gegensatz zwischen dem bolschewistischen und sozialdemokratischen Flügel innerhalb der marxistischen Gruppe. A m Ende des Jahres 1926 spaltete sich sowohl die Gewerkschaft als auch die sozialistische Partei i n Japan, entsprechend der Einteilung i n KPD, USPD und SPD in Deutschland, i n drei Flügel, die Linke, die Mittlere und die Rechte. Auch i n der akademischen Welt stand die marxistische Wirtschaftsund Sozialwissenschaft i n voller Blüte. I n diesem Zeitabschnitt wurden die Hauptwerke von Karl Marx sowie die Leitfäden zu den Marx'schen Schriften nacheinander ins Japanische übertragen 3 . Die seinerzeit tätigen japanischen Publizisten der Marx'schen Nationalökonomie waren T. Sakai , H. Yamakawa , Hajime Kawakami, Motoyuki Takahata, Eitaro Noro, Kazuo Fukumoto, Ikuo Ohyama, Tamizo Kushida, Tatsuo Morito u. a. Abgesehen von ihren verschiedenartigen marxistischen Zeitschriften und Kommentaren, die nach dem ersten Weltkrieg wie Pilze aus dem Boden schössen, hat es doch bis etwa 1930 gedauert, bis ausführlichere Literatur zum Marxismus vorlag. So wurde z. B. die endgültige Ubersetzung der Gesammelten Werke von Marx und Engels (28 Bände) erst während der Jahre 1928—1933 in japanischer Sprache veröffentlicht. Als weitere Studien über die auf den japanischen Kapitalismus anzuwendende marxistische Methode, die bis zur Gegenwart unsterblichen 3 I n den Jahren 1923, 1926, 1929 u n d 1931 w u r d e n die verschiedenen japanischen Ausgaben des Marxschen Werkes „ Z u r K r i t i k der politischen Ökonomie" (1859) veröffentlicht. U n t e r den Übersetzungen seines Hauptwerkes „Das K a p i t a l " (2. Aufl. 1872—73), welche seit 1919 von den eigenen Gelehrten vereinzelt unternommen wurden, erfolgte die Vollübersetzung des Gesamtwerkes n u r durch Motoyuki Takahata ; sie erschien erst i n den Jahren 1920—1922 u n d ihre verbesserte Ausgabe i n den Jahren 1927—28. Z w e i Übersetzungen der ersten Auflage des „Kapitals" (1867) w u r d e n 1929 u n d 1931 veröffentlicht, u n d sein großes Werk „Theorien über den M e h r w e r t " , hrsg. v o n K . Kautzky (1905 bis 1910) wurde i n den Jahren 1929—1931 ins Japanische übertragen. A l s einflußreiche Leitfäden der Marx sehen Wirtschaftslehre w u r d e n die Übersetzungen seiner Broschüre „Lohnarbeit u n d K a p i t a l " (1849) i n den Jahren 1919, 1924, 1926 u n d 1928, sowie dieselbe „Value, Price and Profit" (1865) i n den Jahren 1921, 1924,1929 u n d 1935 veröffentlicht; die japanische Ausgabe des Buches von Karl Kautzky „ K a r l Marx* ökonomische Lehren" (1887) erschien i m Jahre 1924 sowie 1933 u n d spielte zusammen m i t den oben erwähnten Leitfäden von Marx eine große Rolle.

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Ruf bekommen haben, sind noch folgende Werke anzuführen: E. Noro, „Die Entwicklungsgeschichte des japanischen Kapitalismus" (japanisch), 1930; Moritaro Yamada, „Die Analyse des japanischen Kapitalismus" (japanisch), 1934, Yoshitaro Hirano, „Die Struktur der kapitalistischen Gesellschaft Japans" (japanisch), 1934, und die zusammenfassenden Schriften von der sog. „Lehrstuhlschule" 4 , nämlich von E. Noro, M. Yamada, Y. Hirano, Katsujiro Yamada, Korefusa Hattori u. a., „Der Lehrstuhl für die Entwicklungsgeschichte des japanischen Kapitalismus" (japanisch), 1932—33. Eine solche Durchdringung des Marxismus durch die Nationalökonomen mußte notwendigerweise die Initiative des Vereins für Socialpolitik Japans vernichten, nach dessen Prinzip die soziale Frage nur durch die Sozialreform i m Rahmen des Kapitalismus gelöst werden konnte.

I I I . Der Stillstand des „Vereins für Socialpolitik" i n Japan Anlaß für den Zerfall des Vereins für Socialpolitik war die Meinungsverschiedenheit über das Für und Wider der sozialistischen und gewerkschaftlichen Bewegungen i n der Nachkriegszeit. Unter den Einflüssen der Taisho-Demokratie und der revolutionären Strömung in Europa versuchte zwar die Regierung während der Jahre 1919 bis 1926 einen Gewerkschaftsgesetzentwurf, wenn auch nur vorübergehend, öffentlich zur Diskussion zu stellen, womit sie einen gemäßigten Trade-Unionism fördern wollte; doch verwarf die Regierung diese Vorlage bald und erließ endlich i m Jahre 1925 ein noch strengeres „Gesetz zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens" als das Sozialistengesetz von 190Ö, um die immer radikaler werdenden sozialen Bewegungen vorwiegend m i t Gewalt zu unterdrücken. Als „Zuckerbrot" gegen die „Peitsche" wurde das erste Krankenversicherungsgesetz von 1922 erlassen, das nebenbei die Unterdrückungsmaßnahmen gegen überbetriebliche Gewerkschaften durch die Förderung innerbetrieblicher Unterstützungskassen ergänzen sollte. Angesichts dieser sozialpolitischen Maßnahmen der Regierung standen sich die verschiedenen Meinungen i m Verein für Socialpolitik u m die Gewerkschaftsfrage gegenüber. Bei der Verhandlung auf der Tagung vom Jahre 1919 über das allgemeine Thema „Gewerkschaft" wurde eine Erschütterung der traditionellen Ideen offenkundig. A u f der Tagung des Jahres 1924 unter dem Thema „Probleme des Gewerkschaftsgesetzes" wurde die K r i t i k an dem überlieferten Prinzip des Vereins unvermeidlich. Die älteren Vertreter des Vereins, wie Kanai und Kuwata, beharr4

So werden die marxistischen Vertreter dieser „Lehrstühle" bezeichnet.

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ten auf ihrer hergebrachten Meinung, d. h. Vernichtung der selbständigen Arbeiterbewegung von unten, Befürwortung des patriarchalischen Arbeiterschutzes von oben und der Unterdrückungsmaßnahmen gegen den Sozialismus. Die anderen folgten der von Fukuda eingeführten These Lujo Brentanos , daß die das Arbeitsverhältnis auf friedliche Weise ausgleichenden Gewerkschaften gebildet werden sollten; aber sie blieben immer eine Minderheit i m Verein. Gegen diese aus der deutschen historischen Schule abgeleiteten Gedanken hielt Iwasaburo Takano es für notwendig, die noch unentwickelte autonome Gewerkschaftsbewegung zu pflegen und die Unterdrückungsmaßnahmen gegen sie sofort zu beseitigen. Die vom Marxismus beeinflußten jüngeren Professoren folgten i h m und behaupteten, daß die traditionellen Ideen des Vereins, die nur Vorbeugungsmaßregeln gegen soziale Unruhen von oben her geben würden, durchaus veraltet seien, so daß der Weg zum Sozialismus das einzige M i t t e l zur Lösung der Arbeiterfrage überhaupt sei. Wegen dieses unversöhnlichen Meinungsstreites wurde es nach 1924 unmöglich, die Tagungen des „Vereins für Socialpolitik" i n Japan abzuhalten, obgleich der Verein nicht aufgelöst worden war. Seine Tätigkeit ruhte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

I V . Die Erforschung der neuen Schule der Nationalökonomie durch Tokuzo Fukuda und seine Schüler U m dem einzigen akademischen Verein, dem Verein für Socialpolitik i n Japan, aus der Krise zu helfen, versuchte Tokuzo Fukuda statt der traditionellen Ideen die neuen nationalökonomischen Leitgedanken einzuführen. Seiner Meinung nach war die „erste Periode" der japanischen Sozialpolitik, die von Kanai begründet wurde, vorbei und ihre „zweite Periode" gekommen. Was seine Bemühung u m die Wiederbelebung der sozialpolitischen Ideen betrifft, so handelte es sich meistenteils nur u m unfertige Ideen von ihm. Er befürwortete seit dem Jahre 1916 z. B. die „Sozialpolitik des Rechts auf Existenz", indem er sich auf den Gedanken des „Rechts auf den vollen Arbeitsertrag" von Anton Menger bezog. Damit beabsichtigte er einen Ausgleich zwischen Sozialpolitik und Sozialismus zu bewirken. Oder er ahmte die soziologische Begriffsbestimmung der Gesellschaftspolitik nach, die Otto von Zwiedineck-Südenhorst in seinem Meisterwerk „Sozialpolitik" (1911) aufzeigte; durch diese Erweiterung des Begriffes „Sozialpolitik" versuchte er nicht nur den Arbeiterschutz, sondern auch alle kommenden sozialpolitischen Einrichtungen wie Sozialversicherung, Tarifvertrag, soziale Fürsorge usw. i n sein gesellschaftspolitisches System aufzunehmen.

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Unter dem Einfluß Fukudas begannen seit ungefähr 1925 seine Nachfolger Toru Nagai, Kimio Hayashi, Shiro Kawada, Hanya Ito u. a. nacheinander, die neuen soziologischen Doktrinen der Gesellschaftspolitik von Zwiedineck, Richard van der Borght, Alfred Amonn, Adolf Günther, Leopold von Wiese, Ludwig Heyde u. a. i n Japan einzuführen. Es ist bemerkenswert, daß sich die Pionierarbeit von Fukuda nicht nur auf das Gebiet der Sozialpolitik erstreckte, sondern auch über die verschiedenen modernen Schulen der theoretischen Nationalökonomie. Seine berühmten Werke: „Vorlesungen über die Nationalökonomie" (1909), „Studien über die Nationalökonomie der Wohlfahrt" (1930) und „Grundlagen der Nationalökonomie" (1928—30) waren Ergebnisse seiner Forschungsarbeit über die Cambridge-, Grenznutzen- sowie die Lausanner Schule der theoretischen Wirtschaftslehre; und sie bedeuteten zugleich seine kritische Beurteilung der Marx'schen Wirtschaftsdoktrin. Seit dem Jahre 1918 diskutierte er immer wieder m i t Hajime Kawakami, einem der größten Theoretiker der marxistischen Wirtschaftslehre, über die Gültigkeit der Marx'schen Werttheorie, Krisentheorie und materialistischen Geschichtsauffassung i n vielen akademischen Zeitschriften. Auf diese Weise suchte er nach der neuen leitenden Doktrin für die japanische Volkswirtschaftslehre. Aus seinen Schülern gingen zahlreiche Vermittler und Befürworter der modernen theoretischen Nationalökonomie hervor, die der marxistischen Wirtschaftslehre widersprachen. Nach der Mitte der zwanziger Jahre unternahmen die unter Fukudas Einfluß stehenden Professoren ernstlich die Einführung der neuen W i r t schaftswissenschaft in Japan; sowohl die führenden Werke von Alfred Marshall, Arthur Cecil Pigou u. a., den großen Nationalökonomen der sog. neoklassischen Schule 5 , als auch die von Hermann Heinrich Gossen, Antoine Augustin Cournot, Carl Menger, William Stanley Jevons, Léon Walras, Eugen von Böhm-Bawerk u. a., den führenden Ökonomen der Grenznutzen- oder Lausanner Schule 0 , wurden seit jener Zeit nachein5 Kinnosuke Otsuka, ein Schüler von Fukuda, veröffentlichte i n den Jahren 1925—1926 eine endgültige japanische Übersetzung des Hauptwerkes von Alfred Marshall „Principles of Economies" (1890). Die Bücher von Marshall „ I n d u s t r y and Trade" (1919) u n d „Money, Credit and Commerce" (1923) w u r d e n i m Jahre 1923 bzw. i m Jahre 1927 von anderen Übersetzern ins Japanische übertragen. Die japanische Ausgabe der Schrift „Memorials of A l f r e d M a r shall, ed. b y A.C. Pigou" (1925) erschien 1927. Eine Teilübersetzung des H a u p t werkes von Arthur Cecil Pigou „The Economies of Weifare" (1920) erschien i m Jahre 1934, u n d auch sein kleines Werk „Unemployment" (1913) w u r d e 1921 übersetzt. 6 Die japanische Übersetzung des klassischen Buches von Hermann Heinrich Gossen „ E n t w i c k l u n g der Gesetze des menschlichen Verkehrs u n d der daraus fließenden Regeln f ü r menschliches Handeln" (1854) wurde i m Jahre 1920, die von Antoine Augustin Cournot „Recherches sur les principes mathématiques de la théorie des richesses" (1838) i m Jahre 1927 veröffentlicht. Die

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ander ins Japanische übertragen. Bei der Einführung dieser neuen theoretischen Nationalökonomie spielten Juro Tezuka, Shinzo Koizumi , Tora jiro Takagaki, Kinnosuke Otsuka, Ichiro Nakayama neben anderen eine wichtige Rolle. Die neue, moderne Schule der theoretischen Nationalökonomie i n Japan eröffnete bald die Polemik gegen die damals i n voller Blüte stehende marxistische Schule. Besonders während der Jahre 1922 bis 1928 stritten sich die beiden Schulen, die ehemaligen Debatten zwischen Fukuda und Kawakami übernehmend, heftig über die Gültigkeit der theoretischen Instrumente. Die wichtigsten neuen Vertreter der modernen Schule der Nationalökonomie waren Yasuma Takada, Shinzo Koizumi, Seibi Hijikata. Die marxistische Schule wurde besonders durch Tamizo Kushida, Hitoshi Yamakawa, Tsunao Inomata, Chogoro Maiide, Yoshitaro Ohmori vertreten. Bei dieser Gelegenheit war es von großer Bedeutung, daß die Schrift von Böhm-Bawerk „ Z u m Abschluß des Marxschen Systems" (1896) sowie die von Rudolf Hilferding „BöhmBawerks M a r x - K r i t i k " (1904) i n den Jahren 1930—31 ins Japanische übersetzt wurden. Die Herausgabe der „Bücherei der politischen Ökonomie, 63 Bde.", (Kaizo-Verlag, 1928—34) gab einen allgemeinen Überblick über die japanische Nationalökonomie i n der frühen Showa-Zeit. Die „Bücherei" zeigte anschaulich, daß die Veröffentlichungen der beiden nationalökonomischen Schulen, an deren Spitze Fukuda und Kawakami standen, sich zu jener Zeit beinahe das Gleichgewicht hielten, weil ungefähr die gleiche Anzahl von Verfassern aus den zwei Schulen durch Beiträge i n der Bücherei vertreten waren.

V. Der Keim des faschistischen Ideengutes Hinter der parallel zueinander verlaufenden Entwicklung dieser beiden nationalökonomischen Schulen begann die Idee des Faschismus kurz nach dem Ersten Weltkrieg, eine weitere Geistesstörung zu bilden. Jede wichtige Gruppe des japanischen, extrem rechtsstehenden Flügels gründete seit 1919 ihre eigene politische Organisation, u m m i t Terrormethojapanische Ausgabe des Werkes von Carl Menger „Grundsätze der V o l k s w i r t schaftslehre" (1871) erschien 1921 teilweise, die von William Stanley Jevons „The Theory of Political Economy" (1871) i m Jahre 1913. Eine Teilübersetzung der Schrift von Léon Walras „Eléments d'économie politique pure ou théorie de la richesse sociale" (1874—1877) wurde 1933 veröffentlicht; auch das Buch von Walras „Théorie mathématique de la richesse sociale" (1833) wurde 1931 übersetzt. Der Aufsatz von Eugen v. Böhm-Bawerk „Grundzüge der Theorie des wirtschaftlichen Güterwertes" (in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1886) wurde i m Jahre 1932 ins Japanische übertragen.

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den gegen sozialistische Bewegungen und verderbte Interessenpolitik des Wirtschaftsführerkreises vorzugehen. Die Grundlagen der faschistischen Ideen wurden von einer Gruppe verfochten, die auf der staatssozialistischen Anschauung von Ikki Kita basierten. Dieser forderte einerseits — vom antikapitalistischen Standpunkt ausgehend — die staatliche Lenkung der privaten Industrie durch die Verstaatlichung des Großkapitals und andererseits — m i t antiparlamentaristischer Absicht — die Reform des Verfassungsrechts und die Auflösung des Reichstages. Seine Gedanken wurden später zum Leitbild für die jungen Offiziere und ihren Staatsstreich vom 26. Februar 1936. Die zweite Gruppe zielte auf die Aufrechterhaltung der „Tenno-Herrschaft". Dieser Gedanke wurde von Shumei Ohkawa, Kiichiro Hiranuma und vielen Ultranationalisten verbreitet. Daran näherte sich die Idee des sog. „Tenno-Sozialismus" von Motoyuki Takahata an, welcher seit 1919 seine marxistische Gesinnung umstellte und Pionier eines den Tenno an die Spitze der Staatsmacht stellenden Staatssozialismus wurde. Diese Geistesströmung hatte i m nächsten Zeitabschnitt großen Einfluß nicht nur auf die jungen Offiziere des Heeres, sondern auch auf die rechtsgerichteten Sozialdemokraten und auf den Teil der sich auf den Faschismus umstellenden Marxisten. Die dritte Gruppe vertrat die sog. „agrarstaatliche" Idee von Seikyo Gondo. Sie befürwortete die agrarstaatliche Bevölkerungszusammensetzung m i t Schlagworten wie: „von der Zentralisation zur Dezentralisation", „vom Reichstag zur lokalen Selbstverwaltung", „Förderung der patriarchalischen Landwirtschaft an Stelle der städtischen Industrie". Derartige Strömungen des extrem rechten Flügels gaben einigen Terroristenbünden Anlaß zu ihrer Entrüstung gegen die Verarmung der Bauern und waren Anlaß zu den Attentaten, welche sie zu Beginn der dreißiger Jahre auf wichtige Staatsmänner und Wirtschaftsführer verübten. Die letzte Gruppe verfocht die Idee der sog. „Asia-Gemeinschaft" von Shumei Ohkawa, dessen Gedanke später eine bedeutende Rolle spielte, um den Eroberungskrieg i n der Mandschurei, China und i m südöstlichen Asien zu rechtfertigen. Alle Vertreter der oben erwähnten Geistesströmungen des rechten Flügels hatten i n diesem Zeitabschnitt noch keine soziale und politische Macht, sie stützten sich auf Einzelterror. Aber nach dem MandschureiKrieg von 1931 begannen sie, zusammen m i t den jungen Offizieren, eine Reihe von Staatsstreichen vorzunehmen.

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V I . Die Abweichung der Wirtschaftsideen von der wirtschaftspolitischen Praxis Welche Schule der erörterten Wirtschaftsideen war fähig, die historische Wirklichkeit i n der Stagnationsperiode des japanischen Kapitalismus, wie z. B. Monopolbildung, Rationalisierung der Industrie, W i r t schaftskrise, Arbeitslosigkeit usw. und die zu ihrer Überwindung betriebenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der damaligen Regierung theoretisch zu erklären? Als eine solche Schule kann man zuerst die marxistische nennen. Obgleich sie vorwiegend negative K r i t i k an der volkswirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Wirklichkeit übte, beschäftigte sie sich i n der Tat m i t der Analyse des japanischen Kapitalismus, der Klassenherrschaft des Monopols, des Untergangs der kleinen und mittleren Unternehmung, Ausbeutung der Bauern, Notwendigkeit der Arbeitslosigkeit, Zusammenbruch der bestehenden Wirtschaftsordnung durch Wirtschaftskrisen, Klassenkampf u. a. Die traditionelle Schule innerhalb des „Vereins für Socialpolitik" Japans machte dagegen fast gar keinen Versuch, die neuen ökonomischen Erscheinungen des Monopolkapitalismus theoretisch zu erklären. Wenn irgendein Gedanke des Kathedersozialismus i n die wirtschaftspolitische Praxis umgesetzt wurde, so nur jene Tatsache, daß die Regierung den verarmten Arbeiter- und Mittelschichten die Steuerbelastung einigermaßen zu ermäßigen versuchte. Die neueingeführte moderne Schule der theoretischen Nationalökonomie beschränkte sich auch zu jener Zeit noch auf eine bloße Nachahmung der ausländischen Vorläuferinnen und war nicht imstande, die reine Theorie auf die Wirklichkeit anzuwenden. Als theoretischer Leitfaden unter den Werken der Wirtschaftstheorie der modernen Schule für die Erklärung der monopolkapitalistischen Wirklichkeit wären einzig und allein die Schriften von Robert Liefmann über Kartelle, Trusts und Konzerne zu nennen 7 . Unter diesen Umständen konnten die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung gegen industrielle Rationalisierung und Kartellbildung auf keiner systematischen Wirtschaftsidee beruhen; sie ließen i m großen und ganzen der Selbstverwaltung und Selbstkontrolle jedes privaten Industrieverbandes freie Hand oder orientierten sich allein an den praktischen Erfahrungen der Rationalisierungsbewegung i n den USA und dem Deutschland der zwanziger Jahre. 7

Das Buch von Robert Liefmann „Die Unternehmungsformen" (1912) wurde i n den Jahren 1920 u n d 1922, u n d derselbe , „Allgemeine V o l k s w i r t schaftslehre" (1924) i m Jahre 1927 ins Japanische übertragen.

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Die Hilfsmaßnahmen gegen die Wirtschaftskrise beschränkten sich noch immer auf eine Politik der Einschränkung der öffentlichen Finanzwirtschaft sowie auf die Wiedereinführung des Goldwährungssystems. Auch diese Regierungspolitik hatte keine konsequente nationalökonomische Grundlage, sondern beruhte nur auf einem optimistischen Glauben an die ökonomischen Naturgesetze der internationalen Goldwährung, d. h. an den autonomen Ausgleich der Zahlungsbilanz. Sowohl die Finanzwelt, die infolge der Wirtschaftskrise große Summen von Geldkapital brachliegen ließ, als auch die Unternehmer in Industrie und Handel, welche auf die Stabilisierung des Devisenkurses hofften, verlangten seit 1928 die Rückkehr zum Goldstandard deshalb, weil sie die ökonomischen Einwirkungen einer derartigen Finanz- und Geldpolitik nicht von Grund auf verstanden, sondern vielmehr eine Wendung ihrer Geschäftslage, d. h. einen wirtschaftlichen Aufschwung, an Stelle der dauernden Wirtschaftsstagnation erwarteten. Zwar verbreiteten sich zu jener Zeit die Wirtschaftslehren von Gustav Cassel über den Zusammenbruch der Goldwährung und von John Maynard Keynes über die historische Notwendigkeit der Devisenbewirtschaftung 8 , doch war ihr Einfluß noch nicht stark genug, u m die durch die Regierung und die Wirtschaftsführer befürwortete Wiedereinführung der Goldwährung zu widerlegen. Auch findet sich, wie schon früher, wieder die Tatsache, daß die ausländischen nationalökonomischen Gedanken auf die japanische wirtschaftspolitische Praxis nicht leicht angewandt werden konnten.

V I I . Die wirtschafts- und finanzpolitischen Gedanken von Osachi Hamaguchi Erwähnenswert sind die wirtschafts- und finanzpolitischen Ideen von Osachi Hamaguchi, der 1924 zum Finanzminister und gerade i n der Zeit der Weltwirtschaftskrise zum Ministerpräsidenten ernannt wurde. Er studierte die Wirtschafts- und Finanzwissenschaft der deutschen historischen Schule, und sein Fachwissen wurde während seiner Beamtenzeit vor allem i m Finanzministerium sehr gerühmt. Zur Zeit seines Amtsantritts als Finanzminister l i t t der japanische Kapitalismus infolge der chronischen Depression und der großen Erdbebenkatastrophe i m KantoDistrikt besonders stark unter diesen Folgen. U m die Wirtschaftsstag8 Die Schriften von Gustav Cassel „The Wolrd's Monetary Problems" (1921) w u r d e n i m Jahre 1928, u n d „Money and Foreign Exchange after 1914" (1922) i m Jahre 1927, sowie „The D o w n f a l l of the Gold Standard" (1936) i m Jahre 1938 ins Japanische übersetzt. Auch die japanische Ausgabe des Buches von J. M. Keynes „ A Tract on Monetary Reform" (1923) w u r d e bereits i m Jahre 1924 veröffentlicht.

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nation zu überwinden, versuchte auch er, die traditionelle Politik der Einschränkung der öffentlichen Finanzwirtschaft zu verfolgen. Obgleich die zusätzlichen Staatsausgaben durch die Erdbebenkatastrophe erheblich vergrößert werden mußten, wurde der Haushaltplan für das Jahr 1925 infolge seiner Bemühungen um Verwaltungsreform, Sanierung der Sonderetats, Verminderung der Staatsanleihen, Regulierung des m i l i tärischen Finanzbedarfs usw. i m Verhältnis zum vorjährigen wesentlich eingeschränkt. Hamaguchi führte auch i m Jahre 1926 eine gründliche Reform des Steuerwesens durch, die das japanische Steuerwesen bis zur großen Reform von 1940 bestimmte. Dabei zielte er auf eine „sozialpolitische" Revision der Steuerbelastung ab, wie z. B. eine Verstärkung der direkten und progressiven Besteuerung auf Einkommen und Erbschaft, die Steuerbefreiung kleinen landwirtschaftlichen Besitzes, die vollständige Neugestaltung der indirekten Steuern, die Änderung des Zolltarifs zum Zweck der Förderung der Stammindustrien sowie eine Preissenkung der Lebensmittel. Diese Maßnahmen zeigten, daß die Wirtschaftsideen der deutschen historischen Schule teilweise i n der japanischen Finanzpolitik durchgeführt wurden, wenn auch die Arbeit des „Vereins für Socialpolitik" Japans schon stillstand. Die wichtigsten politischen Vorhaben nach dem Amtsantritt Hamaguchis als Ministerpräsident waren die Einschränkung des Finanzbedarfs und die Einstellung der Ausgabe von Staatsanleihen, die sozialpolitischen Hilfsmaßnahmen für die Arbeitslosen und Bauern und die Rationalisierung der Industrie durch eine deflationistische Finanzpolitik, die Stabilisierung des Devisenkurses und der Ausgleich der Zahlungsbilanz durch die Rückkehr zum Goldstandard. Ein wichtiger Prüfstein dieser Programme war die Aufstellung des Etats für das Jahr 1931, denn die Staatseinkünfte wurden angesichts der stagnierenden Konjunkturlage immer geringer, während der Finanzbedarf für Arbeitslosen- und Bauernfürsorge und die Aufwendungen für die Marine erheblich zunahmen, die infolge der Londoner Abrüstungskonferenz von 1930 der englischen und amerikanischen Flotte quantitat i v unterlegen war. Jedenfalls war die zusätzliche Ausgabe von Staatsanleihen unvermeidlich, das aber bedeutete gerade den Bruch seines öffentlichen Versprechens, nicht von einem ausgeglichenen Staatshaushalt abzugehen und die Goldwährung einzuführen.. Zwar gehört die Durchführung dieser Finanzpolitik i n den Wirkungsbereich des später erwähnten Finanzministers Inoue, doch sprach Hamaguchi als Ministerpräsident selbst die breite Masse an und vertrat die Ansicht, daß eine Rückkehr zum Goldwährungssystem der einzige Weg zur Überwindung der chronischen Depression sei. I n Wahrheit aber

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wurde es immer aussichtsloser, selbst m i t Hamaguchis nationalökonomischen Kenntnissen die wirtschaftliche Wirklichkeit zu begreifen, denn der internationale Kapitalismus hatte seine alte, auch international w i r kende organisatorische Einheit verloren und war nicht mehr imstande, i n seinem kritischen Entwicklungsstadium das klassische Goldwährungssystem aufrechtzuerhalten. So konnte Hamaguchi nicht erkennen, daß eine Erhöhung der Staatsausgaben i n der Tat als Hemmungsfaktor für eine weitere konjunkturelle Verschlechterung fungiert hätte, daß dagegen seine Politik der drastischen Einschränkung der öffentlichen Ausgaben die Depression nur verstärkte.

V I I I . Die Idee der sogenannten Inoue-Finanzpolitik Die Wiedereinführung der Goldwährung und die konsequente deflationistische Finanzpolitik von Junnosuke Inoue, der i n den Jahren 1918—23 und 1927—28 Präsident der Bank von Japan war und i m Jahre 1923 das A m t des Finanzministers innehatte, werden noch heute wegen ihrer Eindringlichkeit und Folgerichtigkeit als „Inoue-Finanzpolitik" bezeichnet. I m Jahre 1929, sofort nach seinem E i n t r i t t ins HamaguchiKabinett, traf Inoue Vorbereitungen, das Goldausfuhrverbot abzuschaffen. Er zielte zuerst auf Preissenkungen, Rationalisierung der Industrie und Ausgleich der Zahlungsbilanz durch eine grundlegende Einschränkung des öffentlichen Finanzbedarfs und der Ausgabe von Staatsanleihen ab. Dann versuchte er, den Mangel an Reserven von Münzgold durch Zahlungsbilanzüberschüsse sowie durch Auslandsanleihen zu überwinden. Sobald er die Stabilisierung des Devisenkurses erreicht hatte, entschied er unverzüglich die Abschaffung des Goldausfuhrverbotes i m November 1929, d. h. kurz nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise. Aber die ohnehin von der Weltwirtschaftskrise betroffene japanische Volkswirtschaft erlitt durch die Rückkehr zum Goldstandard dennoch unheilvolle Schläge, die sich i n der raschen Ausfuhr von Münzgold, Flucht des Kapitals ins Ausland, Stockung der Finanzierung industrieller Unternehmungen, Rückgang der Preise, Erhöhung der Arbeitslosigkeit durch Rationalisierungsmaßnahmen, Herabsetzung des Arbeitslohns, Konzentrationstendenzen der Großunternehmen, Ausdehnung der Panik in der Landwirtschaft, Radikalisierung der Arbeiterbewegung, Verbreitung der sozialen Unruhe u. a. zeigten. I m Jahre 1931 kam dazu, daß der Ausbruch des Mandschurei-Krieges, das Aufkommen der Finanzkrise i n Mitteleuropa und die Abschaffung der Goldwährung i n Großbritannien auf die Geld- und Devisenpolitik Japans die vielfältigsten Einflüsse ausübten.

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Unter diesen chaotischen Umständen tätigte Inoue die „Spekulationskäufe von Dollars" durch uneingeschränkte Verkäufe von Dollars durch die Devisenbank, er verfügte eine Zinserhöhung durch die Bank von Japan und die Übersendung von Münzgold ins Ausland, u m das Goldwährungssystem m i t allen Mitteln zu verteidigen. Trotz seiner Anstrengungen änderte sich die allgemeine Wirtschaftslage nicht mehr und Ende 1931 mußte das ganze Kabinett zurücktreten; das Goldausfuhrverbot wurde von dem nächsten Finanzminister Takahashi wieder eingeführt. Was die gedankliche Grundlage der Inoue-Finanzpolitik betrifft, so orientierte sie sich wahrscheinlich an den Erfahrungen westlicher Großmächte, die nach dem Ersten Weltkrieg dank der relativen Stabilität des Weltkapitalismus zum Goldstandard zurückgekehrt waren. Inoue glaubte wie die liberale Nationalökonomie an den Goldautomatismus und versuchte, die klassischen Wirtschaftsideen i n die Praxis umzusetzen i n einer Zeit, i n der sich der Gedanke der Devisenbewirtschaftung und der Großraumwirtschaft in der ganzen Welt allmählich ausbreitete. Daraus erklärt sich, daß seine charakteristische Finanzpolitik nichts anderes war als ein Versuch, m i t unzeitgemäßen M i t t e l n eine von der historischen Wirklichkeit abweichende Wirtschaftsidee praktisch anzuwenden. Die dadurch ausgelösten Unruhen i n der japanischen Gesellschaft gaben den extrem rechten Terroristen Anlaß zum Attentat auf Hamaguchi i m Sommer 1931 und auf Inoue i m Februar 1932.

Viertes Kapitel

Die Wirtschaitsideen in der Quasi-Kriegs- und der Kriegszeit (1931-1945) I. Unterdrückungsmaßnahmen gegen den Marxismus und die politischen Folgen der geistigen Wandlung seiner Führer Der Marxismus hatte am Anfang der Showa-Zeit auf japanische Sozialund Wirtschaftsideen unvergleichlich großen Einfluß gehabt. Aber er wurde i n dieser Zeit, d. h. i n den Jahren 1931 bis 1945, infolge der Unterdrückungsmaßnahmen der Regierung und der geistigen Wandlung seiner Führer in die Zerstörung hineingetrieben. Die Kommunistische Partei Japans, die i m Jahre 1922 unter der Leitung der Komintern als ein Geheimbund gegründet wurde, betrieb, 4

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bedingt durch innere und äußere Einflüsse, eine allmähliche Auflösung ihrer Organisation. Die Verhaftung eines Großteils der Führer war eine der Ursachen. I h r Vorstand Manabu Sano und Sadachika Nabeyama, die damals i m Gefängnis waren, hatten i m Jahre 1933 ihre Abkehr vom Kommunismus erklärt. Dabei machten sie nicht nur von der Selbstkrit i k an dem Grundprogramm der Komintern und der Kommunistischen Partei Japans Gebrauch, sondern unterstützten die Tenno-Herrschaft und sprachen sich sogar für die aktive Zusammenarbeit zwischen dem Militär und dem Proletariat aus. Die Sozialdemokratische Partei Japans hatte sich seit dem Jahre 1926 i n drei Gruppen gespalten, und zwar i n die rechte, die mittlere und die linke. Weil sich die A k t i v i t ä t der Kommunistischen Partei auf die linke erstreckte, hatte dieser Flügel wegen des Auflösungsgesetzes der Regierung und der terroristischen Tätigkeit einiger außerparteilicher ultranationalistischer Gruppen i m Jahre 1928 keine Existenzgrundlage mehr. Der „Japanische Gewerkschaftskongreß", der von der Kommunistischen Partei und der Linken geführt worden war, wurde i m Jahre 1928 verboten. Die Rechte hatte sich aus Anlaß des Mandschurei-Krieges gespalten, und einige ihrer Führer, Katsumaro Akamatsu und Rikizo Hirano, vertraten nun die Ideen eines Staatssozialismus, i n deren Mittelpunkt die Idee der Tenno-Herrschaft stand. Die übrigen Anhänger der Rechten und die Mittleren hatten i m Jahre 1932 eine sozialdemokratische Partei gegründet, aber schon 1933 hatte sich i h r Führer Hisashi Aso ebenfalls zum Staatsozialismus bekannt. Dieser Staatssozialismus hatte sein Hauptziel i m Zusammenwirken zwischen dem Militär und der Arbeiterschaft. Nach dem Attentat auf Kabinettsmitglieder durch die jungen Offiziere (26. 2. 1936) und dem Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg hatte sich diese sozialdemokratische Partei schließlich entschieden, die A k t i v i t ä t des Militärs und dessen Idee voll zu unterstützen. Der „Allgemeine Japanische Gewerkschaftsbund", welcher unter der Leitung der Rechten und der Mittleren gebildet wurde, hatte dann i m Jahre 1937 die M i t w i r kung zum Krieg und Burgfrieden erklärt. Auf diese Weise war die antikapitalistische Arbeiterbewegung infolge der Unterdrückungen der Regierung und der gedanklichen Umstellung ihrer Führer ausgerottet worden. Ebenso setzte die Regierung ihre Unterdrückungsmaßnahmen gegen die marxistischen Denker fort; Hajime Kawakami z. B., der ein typischer Vertreter der japanischen marxistischen Wirtschaftswissenschaft war, wurde i m Jahre 1933 verhaftet; die Gruppe leninistischer Nationalökonomen, die sog. „Lehrstuhl-Schule", wurde 1937 infolge der Einkerkerung ihrer führenden Mitglieder, wie Moritaro Yamada und Yoshitaro

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Hirano, völlig zerstört; die Vertreter sozialdemokratischen Gedankengutes, die sog. „Arbeiter- und Bauern-Schule", zu denen Hitoshi Yamakawa und Kanson Arahata gehörten, wurden i n demselben Jahre ins Gefängnis geworfen; die Professoren der sog. „Volksfront-Schule", wie Hyoe Ohuchi und Hiromi Arisawa, wurden i m folgenden Jahre verhaftet; die sozialistischen Schriftstellerinnen Yuriko Miyamoto und Inako Sada, welche der proletarischen Literatengruppe angehörten, wurden 1937 und die Philosophengruppe, die sich m i t der Erforschung des Materialismus beschäftigte, 1938 eingekerkert. M i t der Zerstörung der marxistischen Ideen und der A k t i v i t ä t ihrer Gegner war die Sympathiebezeugung der rechten sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaften gegenüber der Regierung auf dem Höhepunkt angelangt. So löste i m Jahre 1940 die Sozialdemokratische Partei freiwillig ihre Organisation auf und vereinigte sich mit dem einzigen damals existierenden politischen Verein, m i t der „Untertanengesellschaft für Tenno-Herrschaft", deren Zweck i n der aktiven M i t w i r kung am Krieg bestand. I m gleichen Jahre vereinigten sich auch die rechten Gewerkschaften m i t der japanischen Arbeitsfront, der „patriotischen Arbeitsgemeinschaft", die eine Organisation zur Zusammenarbeit zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern zur Durchführung des Krieges war.

I I . Ausrottung der liberalen Ideen

I m Jahre 1924 begann für die japanische Politik eine wichtige Zeit; denn die Parteien konnten ein Kabinett bilden, wenn auch die Grundlage dieses politischen Systems weit von den bürgerlich-demokratischen Ideen entfernt war. Dieses System dauerte allerdings nicht lange und wurde am 15. 5.1932 aus Anlaß eines terroristischen Vorfalls beendet. M i t dem durch diesen Vorfall entstandenen Koalitionskabinett, dessen Ministerpräsident ein A d m i r a l war, kam die Zeit wieder, in der das Kabinett nicht mehr von den Parteien gebildet wurde. Vielmehr unterstützten die bürgerlichen Parteien das M i l i t ä r und die imperialistischen Monopolunternehmungen und versuchten, dadurch Vorteile zu erlangen. I m Parlament erhob nur ein Liberalist, Takao Saito, Einspruch gegen die durch das Nationalmobilisierungsgesetz von 1938 bedingte allseitige Kontrolle und auch gegen die Eroberungspolitik, die die Regierung seit 1937 durch den Angriff auf China betrieb. Aber infolge des Zusammenwirkens der m i t dem M i l i t ä r sympathisierenden Parteien wurde der Veteran Saito Anfang 1940 aus dem Parlament ausgestoßen. A u f diese Weise hatten die Parteien selbst den Weg zur Verneinung des Parlamentarismus beschritten. Endlich lösten sich die Parteien i m Herbst 1940 freiwil1

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l i g auf, und ihre Mitglieder beteiligten sich so eilig wie möglich an der „Untertanengesellschaft für Tenno-Herrschaft" von Ayamaro Konoe. Die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die bürgerlichen oder liberalen Denker verstärkten sich m i t dem oben genannten Untergangsprozeß des Parlamentarismus. Als Beispiele mögen gelten: Verbot der Lehrtätigkeit des progressiven Professors Koshin Takigawa i m Jahre 1933; der V o r w u r f gegen die Verfassungstheorie von Tatsukichi Minobe seit 1935, der behauptete, daß der Tenno nicht als ein Gott (als der er bis dahin angesehen wurde), sondern nur als ein Organ des Staatsapparates zu betrachten sei; Verbot der Lehrtätigkeit des Professors Tadao Yanaihara i m Jahre 1937; das Verkaufsverbot von Büchern des liberalen Sozialreformers Eijiro Kawai und seine Aburteilung usw. Ähnlich den vorgenannten Maßnahmen beschnitt man allen liberalen Professoren und Denkern, die gegen den damaligen Ultranationalismus opponierten, ihre Freiheit der Meinungsäußerung und ihre allgemeine Aktivität.

I I I . Herrschaft der faschistischen Ideen Der rechte Flügel, der nach dem Ersten Weltkrieg entstand, terrorisierte zuerst die sozialistisch Denkenden und die Führer der Gewerkschaften. Vor und nach dem Ausbruch des Mandschurei-Krieges 1931 hatte dieser extrem rechte Flügel zusammen m i t jungen Offizieren eine Reihe von Staatsstreichen versucht, deren Zweck i n der Reform des bestehenden Staats- und Wirtschaftssystems bestand, so z.B. das Attentat auf den Ministerpräsidenten Osachi Hamaguchi 1931, die zweimaligen Putschversuche durch die Offiziere des Heeres 1931, das Attentat auf den ehemaligen Finanzminister Junnosuke Inoue 1932, das Attentat auf Takuma Dan, den damaligen Generaldirektor des Mitsui-Konzerns, im Jahre 1932, das Attentat auf den Ministerpräsidenten Tsuyoshi Inukai durch Zusammenwirken junger Offiziere der Marine und des rechten Flügels 1932 und endlich den Staatsstreich durch die Offiziere und Ikki Kita am 26. 2.1936. Nach dem versuchten Staatsstreich von 1936 wurden Maßnahmen gegen das Heer getroffen. Von den zwei faschistischen Gruppen i m Heer wurde durch diese Maßnahmen die eine Gruppe, die sog. Untertanengruppe, die sich den Ultranationalismus zur Aufrechterhaltung der TennoHerrschaft zum Ziele gesetzt hatte, stark getroffen, während die andere, die sog. Zentralverwaltungs-Gruppe, die sich die staatssozialistische Lenkung Japans auf die Fahne geschrieben hatte, i n der Armee sehr mächtig wurde. Aus Anlaß dieses Staatsstreiches wirkte das M i l i t ä r m i t der traditionellen herrschenden Klasse zusammen, die damals die Staatsführung übernommen hatte. Danach konnte der japanische Faschismus

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als tonangebender Machtfaktor gesetzmäßig den Weg zum Totalitarismus beschreiten. Das bedeutete, daß zur Förderung des Faschismus die privaten radikalen Bewegungen nicht mehr nötig waren. Die „Zentralverwaltungs-Gruppe" des Heeres hatte vorwiegend die Idee des zentralisierten Staatsreformplans von Ikki Kita unterstützt. Diese Vorstellungen entsprachen auch meistenteils denen von Masaatsu Yasuoka , der der Führer der später erwähnten sog. „neuen Beamtengruppe" war und Ideen einer staatlichen Wirtschaftslenkung vertrat. Die Idee des Staatssozialismus von Motoyuki Takahata, die schon i m letzten Kapitel behandelt wurde, hatte auf die faschistische Gruppe der rechten Sozialdemokraten starken Einfluß. Derartige Gruppen hatten insofern das Vertrauen der „Zentralverwaltungs-Gruppe" des Heeres. Dagegen hatte die „Untertanentreue-Gruppe", gegen die infolge des Staatsstreiches Maßnahmen getroffen worden waren, seit 1940 durch den politischen Verein Konoes , d.h. durch die „Untertanengesellschaft für Tenno-Herrschaft" wieder die Macht i n die Hand genommen. Die Idee dieser Gruppe gehörte zur Geistesströmung von Shumei Ohkawa und Kiichiro Hiranuma , die die Erhaltung der Tenno-Herrschaft und den Ultranationalismus verfochten. Neben diesen beiden Geistesströmungen gab es damals noch einige andere, wie z. B. die bereits in anderem Zusammenhang erwähnte „agrarstaatliche" Idee von Seikyo Gondo; in ihr kam die Entrüstung gegen die Verarmung der Bauern und gegen die terroristischen Bewegungen zum Ausdruck, und sie widersprach der Wirtschaftspolitik der Kapazitätserweiterung in den Stammindustrien i n der Kriegszeit. Eine andere Richtung, die die Ratgeber des Konoe-Kabinetts umfaßte, organisierte einen Verein zusammen m i t den ehemaligen progressiven Denkern und verfolgte das Ziel, eine Nationalpartei m i t den Parteipolitikern sowie m i t den Intellektuellen zu gründen, u m die Autokratie des Militärs zu unterdrücken, was ihr jedoch nicht gelang. Welche Wirtschaftsideen beherrschten nun unter den oben genannten Umständen die nationalökonomische Welt?

I V . Uberblick über die totalen Volkswirtschaftslehren 1. Der Aufschwung der ultranationalistischen Volkswirtschaftslehre Als Reaktion auf die europäische, amerikanische und marxistische Volkswirtschaftslehre entstanden zu jener Zeit hintereinander die ultranationalistischen Volkswirtschaftslehren hauptsächlich auf der Grundlage der traditionellen Idee der Tenno-Gottheit, des Shintoismus, des

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Mythos des Staates und des Familienstaates. Uber dieses Thema erschienen damals plötzlich eine Reihe von Veröffentlichungen. Diese Bücher hatten jedoch keinen wissenschaftlichen Charakter, sondern eher ein Bekenntnis zum Inhalt 1 . I m damaligen Japan nahmen diese Bücher die gleiche Stellung ein wie das Buch von Alfred Rosenberg „Der Mythos des 20. Jahrhunderts" (1930) i n Deutschland 2 . 2. Die Herkunft der Lehre Gottl-Ottlilienfelds

Während der Kriegszeit vollzog sich i n Japan wiederholt eine Wiederaufwertung der nationalen und organischen Anschauung der deutschen historischen Schule. Bemerkenswert ist dabei, daß auch in Japan sich die nationalsozialistische Interpretation der Vertreter der historischen Schule ausbreitete 8 . Der Methodenstreit zwischen K. W. Rath und Hans Peter i m Finanzarchiv (N. F., Bd. 3 und 4, 1935—1936) bot der japanischen „politischen" Ökonomie eine Grundlage zu ihrer methodischen Begründung. Die Vertreter der „politischen" Ökonomie in Japan führten diesen Streit als „neuen Werturteilsstreit" ein 4 . Die Abhängigkeit der japanischen Volkswirtschaftslehre von der deutschen erreichte insbesondere m i t ihrer Abhängigkeit von der Gottischen Lehre vom Wirtschaftsleben, die sich auf die onthologische Methode und die Anschauung der Wirtschaft als soziales Gebilde oder als Lebenseinheit gründete, ihren Höhepunkt 5 . Auch die Herausgabe der Leitfäden über Gottls Lehre war bemerkenswert zahlreich 6 . 1 A l s typisches Beispiel mögen die folgenden Bücher gelten: Seibi Hijikata, Der Weg zur japanischen Volkswirtschaftslehre (japanisch), 1938; Haruo Naniwada, Staat u n d Wissenschaft (japanisch), 5 Bde., 1938—1943. 2 Die japanische Übersetzung des Buches von Rosenberg erschien i m Jahre 1938. 3 A l s ein deutsches Beispiel ist das Buch von Erwin Wiskemann u n d Heinz Lütke „Der Weg der deutschen Volkswirtschaftslehre" (1937) zu nennen. Japanische Ausgaben dieses Buches w u r d e n i n den Jahren 1938 u n d 1943 veröffentlicht. 4 Yoichi Itagaki, „Die Methode der politischen Ökonomie (japanisch), 1942" stellte ein typisches Beispiel dafür dar. 5 Die japanischen Übersetzungen der Werke von Friedrich v. Gottl-Ottlilienfeld w u r d e n w i e folgt veröffentlicht: I m Jahre 1939 wurde die Übersetzung von „ V o l k , Staat, Wirtschaft u n d Recht" (1936), 1942 wurde „Wesen und Grundbegriffe der Wirtschaft" (1933), ebenfalls 1942 wurde die Übersetzung von „Der Mythos der Planwirtschaft" (1932) veröffentlicht. 6 Außer der i m Jahre 1941 erschienenen japanischen Übersetzung v o n Otto Steins „ E i n f ü h r u n g i n die Grundlage v o m Wirtschaftsleben" (1938) w u r d e n viele Bücher über die Gottische Lehre veröffentlicht: Kiyozo Miyata, Eine Untersuchung über die Lehre v o n der Volkswirtschaft als Leben (japanisch), 1938; Yoshihata Sakaeda, Die deutsche Lehre v o m Wirtschaftsleben (japanisch), 1939; Nobuyuki Ohkuma, Probleme der politischen Ökonomie (japanisch), 1940;

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3. Die Abhängigkeit von den Wirtschaftsgedanken des deutschen Nationalsozialismus

Die japanische Übersetzung der Werke von H. H. Lammers und Hans Pfundtner „Grundlagen, Aufbau und Wirtschaftsordnung des nationalsozialistischen Staates, 3 Bde." (1936—1939) wurde i n den Jahren 1939 bis 1941 in 12 Bänden veröffentlicht, wodurch der japanische Leser in das politische und wirtschaftliche Grundprinzip des nationalsozialistischen deutschen Staates systematisch eingeführt wurde. Außerdem sind zahlreiche Bücher über die Einführung i n die wirtschaftliche, soziale und politische Ideologie des Nationalsozialismus erschienen. I n bezug auf die Wirtschaftspolitik war der Einfluß der Lehre von der „Autarkie" und der „GroßraumWirtschaft" auf das damalige Japan wesentlich. Diese bot den japanischen Lehren vom „Ostasia-Wirtschaftsblock" bzw. von der „Groß-Ostasia-Gemeinschaft" einen Vorwand zur Eroberung von Ostasien. Zu diesem Zweck wurde nicht nur die Lehre von der Geopolitik Karl Haushof ers, sondern sogar das Buch von Johann Heinrich v. Thünen „Der isolierte Staat" (1826) benutzt. Weiter wurde auf die Arbeitsbeschaffungspolitik des Nationalsozialismus zur Rechtfertigung der Einschränkung der Arbeiterschutzpolitik, der Durchführung des Arbeitseinsatzes, der Einführung des Führerprinzips i m Betrieb, der Ablösung der Gewerkschaften zurückgegriffen 7 . 4. Die Blüte des universalen Gedankens von Spann

Der universale Gedanke Othmar Spanns wurde ohne Rücksicht auf seinen katholischen Glauben und den Unterschied zwischen dem Nationalsozialismus und seinen Ideen als Vertreter des totalitären Gedankens i n Deutschland und Österreich eingeführt. Die nationalökonomischen Kreise wurden für einige Zeit m i t den japanischen Übersetzungen der Werke von Spann überflutet 8 . ders., Der Weg zur Staatswissenschaft (japanisch), 1941; Koji Fukui, Wirtschaft als Leben (japanisch), 1936; derselbe, Wirtschaft und Gesellschaft (japanisch), 1939. 7 Durch die folgenden Bücher wurde die Arbeitspolitik des Nationalsozialismus eingeführt: Zentralbüro der DAF, Deutsche Sozialpolitik, 1937 (die japanische Übersetzung 1939); dasselbe , Fundamente des Sieges, 1940 (die j a panische Übersetzung 1942); Franz Seldte, Sozialpolitik i m D r i t t e n Reich, 1938 (die japanische Übersetzung 1942); Johannes Gerhardt , Deutsche Arbeits- u n d Sozialpolitik, 1939 (die japanische Übersetzung 1942). 8 Die japanische Übersetzung des Buches von Spann „Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre" (1911) erschien i m Jahre 1930; die Übersetzungen seiner anderen Werke erschienen wie folgt: „Wirtschaft u n d Gesellschaft" (1907) 1931, „Gesellschaftslehre" (1914) 1931, „ D e r wahre Staat" (1921) 1934, „Kämpfende Wissenschaft" (1934) 1934, „Die Irrungen des Marxismus" (1929) 1932 u n d „Die Krisis i n der Volkswirtschaftslehre" (1930) 1940.

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Junichi Taiyoji V. Die Erforschung der reinen Theorie und der Geschichte der Nationalökonomie

Die meisten Wirtschaftswissenschaftler, die sich nicht m i t den totalitären Ideen identifizieren wollten, forschten damals entweder auf dem Gebiet der reinen Theorie oder der Geschichte der Nationalökonomie, u m sich einer konkreten Stellungnahme gegenüber der Politik zu enthalten. Durch ihre Bemühungen aber konnte die japanische Volkswirtschaftslehre auf einigen Gebieten das höchste Niveau i m Verhältnis zu den ausländischen Lehren erreichen. 1. Ergebnisse der Erforschung der englischen klassischen Schule der Nationalökonomie

Während der Quasi-Kriegszeit und des Krieges selbst entwickelte sich die Erforschung der englischen klassischen Volkswirtschaftslehre sehr schnell. Die endgültigen japanischen Ausgaben der Hauptwerke von Adam Smith, Thomas Robert Malthus, David Ricardo und John Stuart Mill wurden erst zu jener Zeit veröffentlicht 9 . Zugleich erschienen auch die Ergebnisse der Forschung über die englische klassische Schule der Nationalökonomie 10 . 2. Entwicklung des Studiums der deutschen historischen Schule der Volkswirtschaftslehre

Die Untersuchungen, die der deutschen historischen Schule während der Kriegszeit zu einer Wiederaufwertung verhalfen, hatten i n wissenschaftlicher Hinsicht auch Erfolg. Bei den Versuchen zur Wiederbelebung der Lehren von Friedrich List hat man zum Teil seine Bedeutung nicht voll erkannt, denn man sah i n i h m nur den Großvater der „nationalen" oder „politischen" Ökonomie; gleichzeitig gelangte man aber zu einigen wissenschaftlich wichtigen Ergebnissen 11 . 9 V o n Adam Smith „The Wealth of Nations" erschienen zwei Übersetzungen i n den Jahren 1931—1933 u n d 1940—1944, von David Ricardo „ O n the Principles of Political Economy and Taxation" w u r d e n drei Übersetzungen i n den Jahren 1928 u n d 1930 veröffentlicht. Das Buch von Thomas Robert Malthus „Principles of Political Economy" erschien 1937; sein Werk „ A n Essay on the Principle of Population" wurde v i e r m a l übersetzt u n d erschien i n den Jahren 1923, 1924, 1933 u n d 1941. I m Jahre 1939 wurde das Werk von John Stuart Mill „Principles of Political Economy" veröffentlicht. 10 Tsuneo Hori, Grundrisse der Volkswirtschaftslehre (japanisch), 3 Bde., 1931—1933; Shinzo Koizumi, Smith, Ricardo u n d Malthus (japanisch), 1934. Zenya Takashima, Die Grundprobleme der Wirtschaftssoziologie (japanisch), 1941; Kazuo Ohkouchi, S m i t h u n d List (japanisch), 1943. 11 Die endgültige japanische Übersetzung seines Hauptwerkes „Das nationale System der politischen Ökonomie (1841) wurde 1940, die Übersetzung von

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H ä u f i g w u r d e n d i e A u f s ä t z e ü b e r d e n W e r t u r t e i l s s t r e i t v o n Gustav v. Schmoller als M i t t e l z u r U m w a n d l u n g der V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e i n eine politische Wissenschaft b e n u t z t , a l l e r d i n g s erforschte m a n auch seine V o r s t e l l u n g e n ü b e r eine ethische, organistische V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e als solche 1 2 . I n e n g e m Z u s a m m e n h a n g m i t d e r E r f o r s c h u n g d e r L e h r e v o n Schmoller w u r d e das N i v e a u d e r M e t h o d e n l e h r e d e r Sozialwissenschaften i n J a p a n e r h e b l i c h d u r c h das einsetzende S t u d i u m d e r L e h r e n v o n Max Weber e r h ö h t 1 3 . D i e japanische A u s g a b e d e r W e r k e v o n Werner Sombart w u r d e auch wiederholt veröffentlicht u n d übte einen großen Einfluß auf die w i r t schaftswissenschaftliche G e d a n k e n w e l t Japans aus 1 4 . I m Z u s a m m e n h a n g m i t der E r f o r s c h u n g seines Begriffs des m o d e r n e n K a p i t a l i s m u s

„Outline of American Political Economy" (1827) wurde 1942 u n d die von „Die politisch-ökonomische Nationaleinheit der Deutschen" (1845—1846) wurde 1941 veröffentlicht. Als authentische Erforschungen über die Volkswirtschaftslehre Lists von japanischen Verfassern erschienen die oben zitierten Bücher von Z. Takashima und K. Ohkouchi; Noboru Kobayashi, Einführung i n die Lehre von Friedrich List (japanisch), 1943. 12 Die japanische Übersetzung einiger seiner Aufsätze erschien während dieser Zeit: I m Jahre 1938 wurde seine Schrift „Volkswirtschaft, V o l k s w i r t schaftslehre und -methode" (1911), 1939 wurde die „Über einige Grundfragen des Rechts u n d der Volkswirtschaft" (1875), u n d i m gleichen Jahre wurde „Die Gerechtigkeit i n der Volkswirtschaft" (1881) ins Japanische übertragen. 13 Die japanische Übersetzung seiner Werke ist w i e folgt erschienen: I m Jahre 1936 u n d 1937 w u r d e n die zwei Übersetzungen seines Aufsatzes „Die ,Objektivität' sozialwissenschaftlicher u n d sozialpolitischer Erkenntnis" (1904) veröffentlicht; 1937 die Übersetzung seines Aufsatzes „Der Sinn der »Wertfreiheit' der soziologischen u n d ökonomischen Wissenschaften" (1917—1918); 1930 die Übersetzung seines Aufsatzes „Methodische Grundlagen der Soziologie" (1920); 1936 die Übersetzung seines Büchleins „Wissenschaft als Beruf" (1919); 1937 die Übersetzung seiner Diskussionsreden auf den Tagungen des Vereins für Socialpolitik" (1909); 1937 die Übersetzung seines „Geschäftsbericht und Diskussionsreden auf den deutschen soziologischen Tagungen" (1910); 1938 die Übersetzung seines Aufsatzes „Die protestantische E t h i k u n d der »Geist4 des Kapitalismus" (1904—1905); u n d 1939 die Übersetzung seines B u ches „ P o l i t i k als Beruf." (1918). Als bemerkenswertes Werk über die Methodenlehre von Max Weber nennen w i r die folgenden: Takeo Toda, Die Probleme der Sozialwissenschaften u n d Werturteilung (japanisch), 1937; Yuzo Deguchi , Nationalökonomie u n d geschichtliches Bewußtsein (japanisch), 1943. 14 Obgleich sein Buch „Deutscher Sozialismus" (1934) — die japanische Ausgabe 1936 — oft v o n den japanischen Ultranationalisten benutzt wurde, w a r auch sein wissenschaftlicher Einfluß sehr stark. I m Jahre 1933 wurde die Übersetzung seines Werkes „Die drei Nationalökonomien" (1930), u n d 1939 wurde die Übersetzung seines Aufsatzes „Ideale der Sozialpolitik" (1897) v e r öffentlicht. Der erste Band seines Hauptwerkes „Der moderne Kapitalismus" (2. Aufl., 3 Bde., 1916 u n d 1927) wurde i n den Jahren 1942—1943 und der dritte Band wurde 1940 ins Japanische übertragen. Außerdem sind einige Übersetzungen seiner anderen Werke über den Kapitalismus während dieser Zeit erschienen.

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Junichi T a i y o j i

f a n d die S c h r i f t ü b e r die Geschichte des K a p i t a l i s m u s v o n Lujo tano große B e a c h t u n g 1 5 .

Bren-

A u f der G r u n d l a g e des S t u d i u m s d e r deutschen h i s t o r i s c h e n Schule h a t t e die japanische V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e besonders a u f d e n G e b i e t e n d e r S o z i a l p o l i t i k 1 6 , der W i r t s c h a f t s - u n d Sozialgeschichte 1 7 , der F i n a n z wissenschaft 1 8 u n d d e r S t a t i s t i k 1 9 sehr w i c h t i g e E r f o l g e i n wissenschaftlicher Hinsicht.

3. Die Festsetzung der Grundlage zur Entwicklung der modernen Wirtschaftstheorie W ä h r e n d dieser Z e i t w u r d e auch das S t u d i u m d e r m o d e r n e n t h e o r e tischen N a t i o n a l ö k o n o m i e fortgesetzt, w o b e i die E n t w i c k l u n g e n d e r L e h r e n d e r C a m b r i d g e - , W i e n e r - u n d L a u s a n n e r - S c h u l e f o r t l a u f e n d ber ü c k s i c h t i g t w u r d e n . Z u beachten i s t dabei, daß erst i n dieser Z e i t das i n t e n s i v e S t u d i u m der L e h r e v o n John Maynard Keynes 20 u n d Joseph 21 Schumpeter begann. 15 Die japanische Übersetzung einiger Aufsätze über die Geschichte des Kapitalismus von Brentano, die die wichtigen K a p i t e l seines Werkes „Der wirtschaftende Mensch i n der Geschichte" (1923) gebildet hatten, wurde i m Jahre 1941 veröffentlicht. 16 A u f dem Gebiet der Sozialpolitik muß man das Werk von Kazuo Ohkouchi „Die Geschichte der deutschen sozialpolitischen Gedanken" (japanisch), 1936, nennen, das bis zur Gegenwart unübertroffen war. Durch dieses Werk bekommt man einen ausgezeichneten Überblick über das deutsche M a n chestertum, den Kathedersozialismus, den Sozialliberalismus, den W e r t urteilsstreit, die sozialdemokratische Sozialpolitik, die soziologische Gesellschaftspolitik u n d die nationalsozialistische Sozialpolitik. 17 A u f dem Gebiet der Wirtschafts- u n d Sozialgeschichte sind die Pionierarbeiten von Hisao Otsuka „Einleitung i n die Wirtschaftsgeschichte Europas" (japanisch)", 1937, u n d „Einleitung i n die moderne Wirtschaftsgeschichte Europas (japanisch)", 1945, besonders bemerkenswert. I n diesen Werken versuchte er eine Synthese der Methoden von Karl Marx u n d Max Weber i n der E r forschung der Wirtschaftsgeschichte festzustellen. 18 I n der Finanzwissenschaft müssen die Werke von Hanya Ito „Prinzip der Finanzwissenschaft" (japanisch), 1931, u n d „ S t r u k t u r u n d E n t w i c k l u n g der Lehre von den Grundsätzen der Besteuerung" (japanisch), 1935, erwähnt w e r den. Durch sein Studium der Lehren v o n Adolph Wagner u n d den modernen deutschen Finanzwissenschaftlern hat er die Grundlage der japanischen F i nanzwissenschaft geschaffen. 10 A u f dem Gebiet der Statistik sind beachtenswert die Übersetzungen der Klassiker der Statistik, w i e z. B. Johann Peter Süssmilch, Karl Knies, Georg Friedrich Knapp, Adolph Wagner, Wilhelm Lexis u n d Ernst Engel, die von 1941 bis 1944 durch die Forscher des OTiara-Instituts f ü r soziale Fragen veröffentlicht wurden. 20 Unter der L e i t u n g u n d M i t h i l f e von Torajiro Takagaki w u r d e n die Hauptwerke von J. M. Keynes ins Japanische übertragen, d. h. i n den Jahren 1932—1934 wurde die Übersetzung von „ A Treatise on Money" (1930) u n d 1941 wurde die von „The General Theory of Employment, Interest and Money" (1936) veröffentlicht. Außerdem ist die Übersetzung von „ A Tract on Monetary

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Außerdem wurden seit dem Beginn der 40er Jahre Ubersetzungen aus der reinen Wirtschaftslehre wiederholt vorgenommen, obgleich das wegen des individuellen Charakters dieser Theorien durch die strenge Wirtschaftskontrolle der Kriegszeit sehr schwierig war. Die Hauptwerke von Walter Euchen , Wilhelm Röpke , Ludwig v. Mises, Friedrich August v. Hayek, Gottfried Haberler , Roy Forbes Harrod , John Richard Hicks , Knut Wicksell, Gunner Myrdal u. a. wurden während dieser Zeit ins Japanische übertragen. A u f diese A r t und Weise entwickelte sich die Erforschung der modernen Wirtschaftstheorie sehr schnell in der japanischen Wirtschaftswissenschaft, obgleich die totalitären oder interventionistischen Volkswirtschaftslehren anscheinend in voller Blüte standen. Es handelte sich dabei um die Verfeinerung der reinen Wirtschaftstheorie; m. a. W., man konnte damals diese theoretischen Erkenntnisse als Instrumente zur Analyse und K r i t i k der japanischen Wirtschaft nicht benutzen. Lediglich die Wirtschaftsrechnungstheorie von Mises und Hayek bot einigen japanischen Wirtschaftswissenschaftlern eine Möglichkeit zur K r i t i k der Planwirtschaft und des Interventionismus, obgleich diese Anwendung ihrer Ideen ziemlich weit von der eigentlichen liberalistischen Absicht von Mises und Hayek entfernt war 2 2 . Zur theoretischen Begründung der Wirtschaftslenkung bzw. der Planwirtschaft benutzten einige der modernen Nationalökonomen den Begriff „Konkurrenzsozialismus" von Enrico Barone und Oscar Lange2*. Reform" (1923) i m Jahre 1924 u n d die von „ H o w to Pay for the W a r " (1940) i m Jahre 1940 erschienen. Die wichtigen Werke über die Wirtschaftstheorie der sog. neo-klassischen Schule w u r d e n von den japanischen Verfassern wie folgt veröffentlicht: von Ichiro Nakayama, Wohlfahrtsökonomie (japanisch), 1936; Gleichgewichtstheorie u n d Kapitaltheorie (japanisch), 1938; Gleichgewichtsanalyse des W i r t schaftsentwicklungsprozesses (japanisch), 1939; Allgemeine Theorie von K e y nes (japanisch), 1939; von Eiichi Sugimoto, Die Grundprobleme der theoretischen Nationalökonomie (japanisch), 1939; u n d v o n Nisaburo Kito , D y n a m i k des Geldes u n d Zinses (japanisch), 1942. 21 I m Jahre 1936 wurde die Übersetzung eines seiner Hauptwerke „Das Wesen u n d der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie" (1908) u n d 1937 die von „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" (1912) veröffentlicht. I. Nakayama schrieb auf der Grundlage seiner Erkenntnis der Schumpeterschen Lehre die folgenden Bücher: Reine ökonomische Theorie (japanisch), 1933; Die allgemeine Theorie der Nationalökonomie (japanisch), 1944. Außer Nakayama spielten auch japanische Autoren w i e Seiichi Tohata, Takuma Yasui, Kenko Kimura bei der Einführung der Nationalökonomie Schumpeters eine große Rolle. 22 E i n typisches Beispiel w a r das Buch von Katsuichi Yamamoto „Die Grundprobleme der Planwirtschaft" (japanisch), 1939, i n dem i n die Disputationsscfirift von Hayek (Hrsg.) „Collectivist Economic Planing" (1935) eingef ü h r t wurde. 23 Die japanische Ausgabe des Buches von B. E. Lippincott (Hrsg.) „ O n the Economic Theory of Socialism" (1938) ist i m Jahre 1942 erschienen. I m Jahre

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Junichi Taiyoji

Aber auch m i t ihrer Lehre von der Planwirtschaft oder der W i r t schaftslenkung war es nicht möglich, sich gegen die historische W i r k lichkeit der japanischen Zwangswirtschaft bzw. über das Für und Wider klar zu äußern, weil man damit einerseits für die wirtschaftliche Rationalität der Wirtschaftslenkung i m allgemeinen und andererseits gegen die Irrationalität der Wirtschaftslenkung i m damaligen Japan kämpfen mußte. M i t den i m vorhergehenden genannten drei Strömungen unter den japanischen Nationalökonomen i n der Kriegszeit haben w i r jene erwähnt, die dem Faschismus und Militarismus nicht entgegenkommen oder zumindest sich ohne Stellungnahme der historischen Wirklichkeit entziehen wollten, indem sie sich ausschließlich in die Erforschung der reinen Theorie bzw. der Geschichte der Nationalökonomie vertieften. Ihre wissenschaftlichen Erfolge sammelten sich in der Herausgabe der „Neuen Bücherei der politischen Ökonomie", 31 Bde. (Nikon-Hyoron-Verlag, 1939—1941), welche das höchste Niveau der japanischen Volkswirtwirtschaftslehre bis zum Zweiten Weltkrieg gezeigt hatte.

VI. Übergang zur militär- und wirtschaftsführungsfreundlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik Von Ende 1931 bis Anfang 1936, d. h. seit dem Verbot der Goldausfuhr bis zum Attentat junger Offiziere auf Kabinettsmitglieder, war bis auf eine kurze Unterbrechung Korekiyo Takahashi Finanzminister. Schon i m Jahre 1911 war er der Präsident der Bank von Japan und seit 1913 hatte er mit Unterbrechungen mehrmals das A m t des Finanzministers inne, einmal auch das des Ministerpräsidenten. Als Nachfolger des Finanzministers J. Inoue führte er Ende 1931 das Goldausfuhrverbot durch und schaffte das Goldwährungssystem ab; weiter führte er das manipulierte Währungssystem sowie eine aktive Verschuldungspolitik ein. Dam i t versuchte er, die Überwindung der chronischen Stagnation zu erreichen. Die sog. TakahasTw-Finanzpolitik bot unabhängig von ihrer eigentlichen Absicht ein leistungsfähiges M i t t e l zur Kriegsfinanzierung, ob1944 wurde die Übersetzung des Aufsatzes von Enrico Barone veröffentlicht, welcher einen T e i l des Buches von Hayek „Collectivist Economic Planing" gebildet hatte. Typische Beispiele der japanischen Planwirtschaftslehre, die durch die Teilverbesserung des Konkurrenzsozialismus entstanden, waren die folgenden: Yuzo Yamada, Einführung i n die Wirtschaftstheorie der Planung (japanisch), 1942; Eiichi Sugimoto, Prinzip der Wirtschaftslenkung (japanisch), 1944; Yasuma Takada, Die Lehre von der Wirtschaftslenkung (japanisch), 1944.

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gleich der Hauptzweck ihrer Ausgabenmethode der Staatsanleihen weder in der inflationistischen Finanzpolitik noch i n der positiven Aufrüstungspolitik lag. Hier w i r d eine weitere Erörterung der Ideen der TaJcahashi-Finanzpolitik ausgelassen, weil Inhalt und Wertung dieser Finanzpolitik bereits eingehend behandelt wurden 2 4 . Die Nachfolger Takahashis nutzten erst die finanzpolitischen Maßnahmen als M i t t e l zur Vorbereitung und Durchführung des Krieges. Das wichtigste Vorhaben des neuen Kabinetts, das nach dem Attentat auf einige Kabinettsmitglieder (26.2.1936) in Angriff genommen wurde, war die Verstärkung der Wehrmacht. Eiichi Baba, der Präsident der Hypothekenbank von Japan gewesen war und sich zugleich m i t dem Militär befreundet hatte, wurde zum nächsten Finanzminister ernannt. Das Grundprinzip seiner Finanzpolitik war die Aufgabe der Maßnahmen gegen die Einschränkung der Staatsanleihen, die Erhöhung des Steueraufkommens und die Durchführung einer Politik des billigen Geldes. M i t diesen Maßnahmen erzielte er eine Vergrößerung der Müitärausgaben, eine planmäßige Förderung der Produktion i n den Rüstungsindustrien und die Verstärkung der Wirtschaftskontrolle beim Ubergang zur Kriegswirtschaft. Nachfolger von Finanzminister Baba wurde Toyotaro Yuhki, der ehemalige Präsident der Industriebank von Japan. Er beabsichtigte, die allgemeinen Verwaltungsausgaben so niedrig wie möglich zu halten und die Steigerung der Preise zu hemmen. Er ernannte Seihin Ikeda, der damals der erste Vorstand des Mitsui-Konzerns war, zum Präsidenten der Bank von Japan und versuchte, damit die enge Zusammenarbeit zwischen dem Wirtschaftsführerkreis und dem Militär zu verwirklichen. Zugleich reformierte er die Verfassung der Bank von Japan, wodurch er die Bank als M i t t e l zur finanziellen Lenkung sowie zur Erhöhung der Produktionskapazität der Stammindustrie zum Zweck der Vorbereitung des Krieges benutzen konnte. I m Jahre 1938 bildete der Ministerpräsident Konoe sein Kabinett um, wobei er S. Ikeda zum Finanzminister und T. Yuhki zum Präsidenten der Bank von Japan ernannte. Durch die Zusammenarbeit von Ikeda und Yuhki wurde die Verbindung zwischen dem Wirtschaftsführerkreis und den Militärs immer mehr verstärkt. A u f diese Weise traten die Zaibatsu-Konzerne ins Zentrum der Herrschaft ein, und zusammen m i t der oberen Schicht des Militärs und Beamtentums bereiteten sie den Weg für die kriegsbedingte Wirtschaftslenkung.

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Junichi Taiyoji V I I . Die wirtschaftspolitische Leitidee der sogenannten „neuen Beamtengruppe"

Der Träger des Entwurfs und der Durchführung der Wirtschaftslenkung während des Zeitraums von 1937 bis 1945 war hauptsächlich die sog. „neue Beamtengruppe", die eine ähnliche Gesinnung aufwies wie die staatssozialistische sog. Zentralverwaltungs-Gruppe des Militärs. Das Zentralorgan dieser Beamtengruppe war zunächst die Forschungskommission des Kabinetts, die i m Jahre 1935 ins Leben gerufen wurde; danach war es das „ A m t für Planung", das 1937 an die Stelle der Kommission trat. Bei diesem A m t arbeiteten die talentierten und progressiven Beamten aus dem Verkehrs-, Landwirtschafts-, Finanz- und Heeresministerium sowie dem Ministerium für Industrie und Handel. Der damalige Mandschuko-Beamte Nobususke Kishi, der nach dem Zweiten Weltkrieg zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, vertrat die gleichen Ideen wie die „neue Beamtengruppe". Das Gesetz der staatlichen Kontrolle über die Elektrizitätserzeugung, das Mitte 1937 verabschiedet wurde, war das erste Beispiel, w o r i n sich die wirtschaftspolitischen Gedanken der neuen Beamtengruppe widerspiegelten. Das Gesetz bedeutete die Einführung eines neuen Verfahrens der Wirtschaftslenkung i n der Kriegszeit, da die betroffenen Betriebe Privateigentümern gehörten, aber unter staatlicher Kontrolle und Leitung standen. Das führte dazu, daß die Regierung oder das „ A m t für Planung" die privaten Unternehmungen unter dem Prinzip des Vorranges des öffentlichen Interesses vor dem privaten kontrollieren konnten. Damit war eine Revolution der bisherigen liberal-kapitalistischen Betriebsformen gegeben. Viele Unternehmer und Parteipolitiker hatten Angst vor der Idee dieses Wirtschaftslenkungsverfahrens. Das Programm für die Festsetzung des neuen Kriegswirtschaftssystems, das i m Jahre 1940 durch das „ A m t für Planung" vorgeschlagen wurde, war ein weiterer Schritt i n dieser Entwicklung. Hervorhebenswert ist dabei, daß die „Institute für Wirtschaftsregulierung", die durch das Programm i n jedem Wirtschaftszweig errichtet wurden, nicht mehr die autonomen Regulatoren der privaten Unternehmer waren, da die Regierung m i t besonderer Rücksicht auf öffentliches Interesse die Vorstände dieser Regulierungsinstitute ernannte. Von der Wirtschaftsführerschicht wurden die Vertreter der „neuen Beamtengruppe" als „Kommunisten" oder „bürokratische Sozialisten" bezeichnet, und man machte ihnen Vorwürfe wegen ihres radikalen Charakters. Einige Mitglieder dieser Gruppe wurden i m Jahre 1940 verhaftet. Allerdings kann gesagt werden, daß die Grundidee der „neuen Beamtengruppe" und ihre Wirtschaftslenkungsmaßnahmen sich m i t Hilfe

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der staatssozialistischen Gruppe des Militärs i m großen und ganzen verwirklichten. Die Einrichtung der „Institute für Wirtschaftsregulierung" als Zwangskartell stellten ein typisches Beispiel dafür dar. Was die ideologische Grundlage der „neuen Beamtengruppe" betrifft, so muß hier erstens der Einfluß des japanischen Faschismus erwähnt werden. Ihre Vorstellungen waren das Ergebnis einer Mischung vom Führerbewußtsein des Beamtentums, zentralisiertem Nationalsozialismus und dem Gedanken der „Asia-Gemeinschaft". Zweitens kann man den Einfluß des deutschen Universalismus nennen; bei der Äußerung ihrer Meinung zitierten die Vertreter der „neuen Beamtengruppe" häufig aus den Büchern von Othmar Spann und Friedrich v. Gottl. Drittens war der Marxismus eine Quelle ihres Ideengutes. Dies scheint uns bei oberflächlicher Betrachtung ein Paradoxon, deshalb soll darauf etwas näher eingegangen werden. Fast alle Beamten der neuen Gruppe hatten während des Zeitraums zwischen dem Ersten Weltkrieg bis zu den zwanziger Jahren studiert, so daß sie unter dem Einfluß des Marxismus gestanden hatten. Als Beamte gaben sie schon bald die radikalen Gedanken des Marxismus, wie z. B. den Revolutionismus, auf. Sie hielten aber ihre Ablehnung des bürgerlichen Parlamentarismus, die Anschauung der vollständigen W i r t schaftslenkung u. a., die hauptsächlich vom Marxismus stammten, aufrecht. Dies war eine Einstellung, wie sie i n ähnlicher Weise damals viele ehemalige Kommunisten hatten. Hier begegnen w i r wieder einem Beispiel für die spezifisch japanische A r t der Einführung ausländischer Ideen. Die Japaner führten manchmal willkürlich, ohne Rücksicht auf die sozialen Bedingungen und die praktische Bedeutung i n den betreffenden Ländern, einige Teile aus dem gesamten Gedankengut gesondert ein.

EXKURS

Die Wirtschaftsideen nach dem Zweiten Weltkrieg (1945-heute) Bei der Untersuchung der Wirtschaftsgedanken seit 1945 müssen w i r zwei Tatsachen beachten; die erste betrifft die Wirtschaftstheorie, die zweite die Wirtschaftspolitik. Was die erste anbelangt, so muß man sowohl die rapide Wiederbelebung der marxistischen Wirtschaftslehre als auch die weitere Entwicklung der angelsächsischen theoretischen Natio-

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nalökonomie i m Auge behalten. Zweitens muß man die Tatsache beachten, daß die sog. New Economics m i t ihrem theoretischen Instrumentar i u m einen maßgeblichen Einfluß auf die Pläne der Finanz- und W i r t schaftspolitik sowie auf die Konjunktur- oder Wirtschaftsprognose ausübt. Da man i n der geschichtlichen und theoretischen Forschung zu der eingehenden Wertung der noch lebenden Wissenschaftler und Politiker keine direkte Stellung nimmt, so müssen w i r uns auf einen kurzen Überblick über die jüngste Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der Wirtschaftslehre und -politik beschränken.

I. Die Wiederbelebung und weitere Entwicklung der marxistischen Wirtschaftslehre I m Nachkriegsjapan wurden die Gewerkschaften aufs neue aufgebaut, und die sozialistischen Bewegungen belebten sich wieder. Die Marxistische Wirtschaftslehre beherrschte sowohl die journalistische als auch die sozialwissenschaftliche Gedankenwelt. Für die Beseitigung der faschistischen und halb-feudalen Elemente, die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges existierten, sowie für die K r i t i k an der Besatzungspolit i k bot die marxistische Schule eine starke Stütze. A u f rein theoretischem Gebiet wurde die Verfeinerung der Lehre des Marx'schen Hauptwerkes „Das Kapital" durchgeführt. Viele Wirtschaftswissenschaftler nahmen an den Debatten über die Marx 1 sehe Lehre — Wert, Verelendung, Reproduktion, Geld und Kredit, Preise, Inflation, Sozialpolitik, Weltwirtschaft, Staatsmonopolkapitalismus — teil. Bei der Erforschung der Geschichte der Volkswirtschaftslehre griff man jetzt aber nicht mehr allein auf die „Theorien über den Mehrwert" von Marx als die Bibel der marxistischen Schule zurück, sondern man erforschte die Klassiker der Volkswirtschaftslehre direkt durch das Studium ihrer eigenen Werke. Aus Anlaß der Veröffentlichung des Aufsatzes von Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili (Stalin) „Die wirtschaftlichen Probleme des Sozialismus i n der UdSSR" (1952) und des Rohentwurfes von Karl Marx „Grundrisse der K r i t i k der politischen Ökonomie" (1857—58) i m Jahre 1953 wurde die marxistische Wirtschaftstheorie i n Japan noch mehr verfeinert. Sowohl i n methodischer Hinsicht als auch i n der Anwendung der Marx'sehen Lehre auf die Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus erreichte sie i n kaum 10 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg das gleiche Niveau, wie sie der höchste Stand der theoretischen Forschung i n der UdSSR und der DDR aufwies.

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Seit 1956 richtete Nikita Chruschtschew offene Angriffe gegen den Stalinismus, was der japanischen marxistischen Schule den Weg zur realistischen, nicht doktrinären Auslegung der Marx'sehen Lehre bereitete. Die Anhänger dieser Schule hatten das Gefühl, daß sie i n der Analyse des gegenwärtigen Standes der japanischen Wirtschaft weit hinter den sog. New Economics zurückständen. Bisher behandelte die marxistische Schule die japanische Wirtschaft hauptsächlich nur i n bezug auf die Existenz des halb-feudalistischen Charakters, den imperialistischen Wiederaufbau des Kapitalismus i m Nachkriegsjapan und die Unterordnung der japanischen Wirtschaft unter die amerikanische Wirtschaft. Für sie w i r d es nun aber immer weniger möglich, die Tatsache zu übersehen, daß die japanische Wirtschaft unter der Leitung der konservativen Regierung ein langfristig hohes Wirtschaftswachstum erreicht. Nunmehr muß sie die strukturelle und funktionelle Analyse der japanischen Wirtschaft m i t fast gleichem Instrumentarium wie die sog. New Economics durchführen.

I I . Die Entwicklung der angelsächsischen Nationalökonomie im Nachkriegsjapan Von der deutschen Volkswirtschaftslehre abgesehen ist die japanische Volkswirtschaftslehre der Nachkriegszeit i n eine tiefe Abhängigkeit von der angelsächsischen Lehre geraten. Die Schule der New Economics i n Japan stand ungefähr 10 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg auf gleichem Niveau wie die der New Economics i n den USA und i n Großbritannien. Die analytischen Instrumente der New Economics waren nun ein unentbehrliches M i t t e l zur Analyse der japanischen Wirtschaft und der Bildung der Wirtschaftspolitik der Regierung. Welch maßgeblichen Einfluß die New Economics auf die Analyse der japanischen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik hatten, w i r d deutlich an dem Werk von Ichiro Nakayama und Shigeto Tsuru (Hrsg.) „Analyse der japanischen Wirtschaft", 2 Bde., (japanisch), 1953, das ein monumentales Ergebnis der Anwendung der makrodynamischen Theorie der Keynes'schen Schule sowie der Wachstumstheorie von Roy Forbes Harrod und Evsay David Domar i n der Analyse der japanischen Wirtschaft darstellte. Die Methode der makroökonomischen Analyse wurde seit 1953 i m „Jährlichen W i r t schaftsbericht Japans" (japanisch) vom Wirtschaftsplanungsamt benutzt. Das Ministerium für Industrie und Handel und das Wirtschaftsplanungsamt benutzten seit 1955 das Schema der Input-Output-Analyse von Wassily Leontief als Grundlage der Entscheidung der Wirtschaftspolitik.

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Junichi Taiyoji I I I . Der wirtschaftspolitische Gedanke von Tanzan Ishibashi

Tanzan Ishibashi, der i m Mai 1946 durch den Ministerpräsidenten Shigeru Yoshida zum Finanzminister ernannt wurde, war seit langem der Herausgeber der liberalistischen Wochenschrift „Orientalische W i r t schaft" (japanisch) und auch als Wirtschaftskritiker bekannt. Seine w i r t schaftswissenschaftlichen Ansprachen i m Parlament hinterließen auf seine Zeitgenossen einen sehr starken Eindruck, da man damals meistens nur sehr banale Aussagen der Finanzminister hören konnte. Er führte die rapide Zunahme der Geldmenge und die Verwirrrung der Wirtschaftsstagnation i n der unmittelbaren Nachkriegszeit auf die außerordentliche Unterbeschäftigung zurück; folglich entschloß er sich zu dem einzigen möglichen Lösungsplan, nämlich die brachliegenden Produktionsmittel zu mobilisieren und die Produktion dadurch wieder zu beleben. Zu diesem Zweck nahm er ein Haushaltsdefizit und eine Vermehrung der Währungsmittel i n Kauf, u m später m i t der wiederbelebten Wirtschaft diese unechte Inflation und die Preissteigerungen zurückzudrängen. Wegen des Mangels an Rohstoffen i m damaligen Japan hatte aber seine Wirtschaftspolitik, d. h. die Politik der Vergabe von Subventionen und begünstigten Darlehen der amtlichen Finanzierungskasse zum W i r t schaftswiederaufbau für die Rohstoffindustrien, keinen großen Erfolg. Damals konnte man diese Gelder nicht als Investitionsfonds, sondern nur als Spekulationsfonds benutzen, wodurch die Rate der Inflation immer stärker wurde. Ishibashi mußte schließlich Ende 1946 eine Kehrtwendung i n seiner Wirtschaftspolitik einleiten. Er führte jetzt Maßnahmen gegen die Inflation ein. Dies waren Maßnahmen zur Verminderung des Defizits i n den öffentlichen Finanzen und zur Verstärkung der Finanzierungskapazität i n den Geldinstituten, was durch die Förderung der Ersparnisse des Volkes erreicht wurde. Zugleich förderte er die Finanzierung der Stammindustrien und beschränkte die der unwichtigen Industrien sowie die der Klein- und Mittelbetriebe immer mehr. Trotz der Umwandlung seiner Finanzpolitik wurde der A n t e i l der Anleihen an den gesamten Einnahmen der Sonderetats immer größer; zudem begann die Ausgabe der Obligationen der amtlichen Finanzierungskasse zum Wirtschaftswiederaufbau durch die Übernahme der Bank von Japan und des Depositen-Büros des Finanzministeriums, so daß die Inflation nicht überwunden werden konnte. So bedeuteten diese Maßnahmen einen Wirtschaftswiederaufbau auf Kosten der Masse. Die historische Rolle der Wirtschafts- und Finanzpolitik Ishibashis besteht i m großen und ganzen darin, daß er auf seine A r t und Weise ein Muster des Wirtschaftswiederaufbaues i m Nachkriegsjapan geschaffen hat.

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IV. Der wirtschaftspolitische Gedanke von Hayato Ikeda I m Yoshida-Kabinett hatte Hayato Ikeda während der Jahre 1949 bis 1952 als Träger der Wirtschafts- und Finanzpolitik eine Finanzpolitik des ausgeglichenen Staatshaushalts zum Zweck der Stabilisierung der japanischen Wirtschaft durchgeführt. Danach — seit 1956 i m Ishibashiund Kishi-Kabinett als Finanzminister oder Minister des Ministeriums für Industrie und Handel und seit 1960 als Ministerpräsident — führte er die für ein hohes Wirtschaftswachstum benötigte Wirtschafts- und Finanzpolitik ein. Als Faktoren zum hohen Wirtschaftswachstum des damaligen Japan können w i r sowohl die unaufhörliche Zunahme der Anlageinvestitionen, die m i t den technischen Neuerungen einhergingen, als auch die Entwicklung des mittelbaren Finanzierungsverfahrens durch Geldinstitute nennen. Hier wollen w i r uns kurz m i t dem Zusammenhang zwischen den Anlageinvestitionen und der sog. IJceda-Finanzpolitik beschäftigen. Seit Mitte der fünfziger Jahre vergrößerten sich die öffentlichen Finanzen schnell. Es wurden daneben laufend Förderungsmaßnahmen für private Kapitalbildung und wirtschaftlichen Aufschwung durchgeführt. Die daraus entstandene Wirtschaftslage brachte die rapide jährliche Zunahme des Steueraufkommens, was wiederum zur Vergrößerung der allgemeinen Staatsausgaben, insbesondere der staatlichen Investitionen und der Finanzierung führte. Die Steuereinnahmen konnten nun nicht mehr als „built-in-stabilizer", sondern nur als Akzelerator der Konjunkturzyklen wirken. I n der Zeit der I/ceda-Finanzpolitik vergrößerten sich die staatlichen Investitionen an den gesamten Staatsausgaben immer mehr. Dieser Teil wurde hauptsächlich ohne Rücksicht auf die Wohlfahrt des Volkes zur Bildung des Sozialkapitals, d. h. als Fonds zur Verstärkung der Grundlage der Wirtschaft benutzt, was wiederum die privaten Anlageinvestitionen beschleunigte. M i t niedrigem Zinssatz finanzierten die Geldinstitute, die durch das Staatskapital eingerichtet worden waren, die wichtigen Wirtschaftszweige, wie z. B. Elektrizitätserzeugung, Schiffahrt u. a. m. Zum Zweck der Förderung der privaten Anlageinvestitionen und der Beschleunigung der Rationalisierung der Betriebe wurden weiter die steuergesetzliche Sonderbehandlung für die Abschreibungen und die Rückstellungen der Unternehmungen eingeführt. A u f diese Weise erhöhte die W i r t schafts- und Finanzpolitik die Wachstumsrate der japanischen W i r t schaft. Diese übertraf die Vorausschätzung der Regierung bei weitem. Aber andererseits brachten diese oben geschilderten Faktoren die Stabilisierung des Geldwertes i n Gefahr und hatten eine negative Wirkung 1

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auf die Zahlungsbilanz. Außerdem brachten sie nicht nur eine äußerst ungleiche Entwicklung i n den Indudstriezweigen und Unternehmungen m i t sich, sondern auch den Rückstand der Wohlfahrtsmaßnahmen. Um diesen zu überwinden und ein stabiles Wachstum wiederherzustellen, mußte Ikeda 1962 wieder die restriktive Wirtschafts- und Finanzpolit i k einführen, m i t der sich die besonderen Probleme der „Zeit der Wende" i n der japanischen Wirtschaft einstellten.

Personenregister Abe, Isoo 188 ff. Akamatsu, Katsumaro 210 Allen, George C. 16,21, 84,108,110,113 Amano, T a m e y u k i 172 Amonn, A l f r e d 202 Arahata, Kanson 211 Arisawa, H i r o m i 211 Aso, Hisashi 210

Goldscheid, Rudolf 19 Gondo, Seikyo 204,213 Gossen, Hermann H. 202 Goto, Yasushi 184 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von 214, 223 Günther, A d o l f 202 Gutenberg, Erich 100

Baba, Eiichi 221 Barone, Enrico 219 Bastiat, Frédéric 170 Böhm-Bawerk, Eugen von 202 f. Boissonade, Gustave E m i l 170 Borght, Richard v a n der 202 Brentano, L u j o 186,201,218 Bronfenbrenner, M a r t i n 150 Bücher, K a r l 186 f. Byles, John Barnard 175

Haberler, Gottfried 219 Hamaguchi, Osachi 206 ff., 209, 212 Harrod, Roy F. 219, 225 Hattori, Korefusa 200 Haushof er, K a r l 215 Hax, K a r l 16, 27,121,149 Hayashi, K i m i o 202 Hayek, Friedrich A . von 219 Herkner, Heinrich 186 Heyde, L u d w i g 202 Hicks, John R. 219 Hicks, Ursula K . 110 H i j i k a t a , Seibi 203,214 Hilferding, Rudolf 203 Hirano, Rikizo 210 Hirano, Yeshitaro 36,200,211 Hiranuma, Kiichiro 204,213 Hiranuma, Yoshiro 177 Hirschmeier, Johannes 26 Hori, Tsuneo 216

Carey, Henry Ch. 174 Cassel, Gustav 206 Chambers, W i l l i a m & Robert 169 Chruschtschew, N i k i t a 225 Cohen, Jerome B. 119,120,121,128,130 Conrad, Johannes 186 Cournot, Antoine A. 202 Dan, Takuma 212 Deguchi, Yuzo 217 Dodge, Josef 150,152 Domar, Evsey D. 225 Ellis, W i l l i a m 169 Ely, Richard T. 175 Endo, Shokichi 183 Engel, Ernst 218 Engels, Friedrich 199 Eucken, Walter 219

Ikeda, Kotaro 54 Ikeda, Seihin 221 Innami, Hirokichi 145 Inomata, Tsunao 203 Inoue, Junnosuke 86, 90, 92, 105, 110,

112, 212,220

Inoue, H a r u m a r u 123,207 ff. Inoue, Kowashi 175 Inukai, Tsuyoshi 174 Ishibashi, Tanzan 226 f. Itagaki, Taisuke 175 Itagaki, Yoichi 214 Ito, Hanya 202,218 Ito, H i r o b u m i 175,183 I w a k u r a , Tomomi 175,178

Fawcett, Milicent G. 169 Fourier, Charles 187 Fukuda, Tokuzo 186, 201 ff. Fukui, K o j i 215 Fukumoto, Kazuo 199 Fukuzawa, Y u k i c h i 169,173 F u r u k a w a 98,131

Jevons, W i l l i a m S. 202

George, Henry 187 Gerhardt, Johannes 215

K a j i n i s h i , Mitsuhaya 71,76 Kanai, Noboru 186,189,193 f., 200 f.

230

Personenregister

Kanda, Takahira 169,172,179,182 K a t a k u r a 72, 95 Katayama, Sen 188,190 Kawada, Shiro 202 Kawai, E i j i r o 193, 212 Kawakami, H a j i m e 185,202 f., 210 Kawazu, Sen 185 Keizai, Toyo 38, 43,44,46, 66, 69, 70, 74, 76 Keynes, John M. 111, 206, 218 K i m u r a , Kenko 219 Kishi, Nobususke 222 Kita, I k k i 204, 213 Kito, Nisaburo 219 K l a t t , Sigurd 23 Knapp, Georg F. 218 Knies, K a r l 186, 218 Kobayashi, Noboru 217 Kogiku, Kiichiro 150 Kohtoku, Denjiro 188,190 Koizumi, Shinzo 203, 216 Konoe, Ayamaro 212 f., 221 Kuhara, Fusanosuke 98 Kushida, Tamizo 199, 203 Kuwata, Kumazo 186,193, 200 Lammers, H. H. 215 Lange, Oskar 219 Laylor, John J. 170 Learned, D w i g h t W. 170 Leontief, Wassily 225 Leroy-Beaulieu, Pierre P. 183 Lexis, W i l h e l m 218 Liefmann, Robert 205 Lippincott, B. E. 219 List, Friedrich 177,184, 216 Lockwood, W i l l i a m W. 22, 25, 30,42, 44, 46, 73 Lütke, Heinz 214 Maiide, Chogoro 203 Malthus, Thomas R. 172,216 Mann, Fritz K. 105 Marshall, A l f r e d 202 M a r x , K a r l 199, 202, 218, 224 Mason, A l f r e d B. 170 Matsukata Masayoshi 33, 45, 48 f., 51, 59,105,182 ff., 195 Menger, A n t o n 201 Menger, Carl 202 Michaelis, Georg 177 M i l l , John St. 171 f., 216 Minobe, Tatsukichi 212 Mises, L u d w i g von 219 Mitsuoka, Takeo 179 Miyamoto, Y u r i k o 211 Miyata, Kiyozo 214 Moore, Thomas 187 Morito, Tatsuo 199 Muitsusanjiu 171

Mutsu, Munemitsu 179 Myrdal, Gunnar 219 Nabeyama, Sadachika 210 Nagai, Toru 202 Nakagawa, Tsunejiro 177,185 Nakajima, Nobutora 131,191 Nakayama, Ichiro 203,219, 225 Naniwada, Haruo 214 Nishi, Amane 170 Nishimura, Shigeki 174 Nomura 131 Norman, Herbert E. 22, 39 Noro, Eitaro 199 f. Ogura, Masatsune 127 Ohkawa, Kazushi 40,43, 55, 78, 99 Ohkawa, Shumei 204, 213 Ohkubo, Toshimichi 47,175,179 Ohkuchi, Kazuo 216 Ohkuma, N o b u y u k i 214 Ohkuma, Shigenobu 47 f., 105,173,175, 180 if., 184 Ohmori, Yoshitaro 203 Oshima, Sadumasu 177 Ohsugi, Sakae 199 Ohuchi, Tsutomu 77 Ohura 131 Ohyama, I k u o 199 Okada, Yoshiki 174 Otsuka, Hisao 218 Otsuka, Kinnosuke 202 Oue, Shinobu 184 Owen, Robert 187 Perry, A r t h u r L. 170 Peter, Hans 214 Pfundtner, Hans 215 Philippovich, Eugen von 187 Pigou, A r t h u r C. 202 Rath, K . W. 214 Rathgen, K a r l 177 Ricardo, D a v i d 172,216 Röpke, W i l h e l m 219 Rosier, Hermann, 175,185 Roscher, W i l h e l m 176,186 Rosenberg, A l f r e d 214 Rostow, W a l t W. 24,29, 37 Sada, Inako 211 Saito, Takao 211 Sakaeda, Yoshihata 214 Sakai, Toshihiko 190,199 Sakatani, Yoshiro 195 f. Sakuma, Gozo 171 Sano, Manabu 210 Say, Léon 183 Schmidt, Herbert 145 Schmoller, Gustav von 186,198,217

Personenregister Schulze, Siegfried 111 Schumpeter, Joseph A. 218 f. Seki, H a j i m e 186 Seldte, Franz 215 Shinohara, Miyohei 93 Shoup, Carl 150,152,155 Smith, A d a m 171,216 Sombart, Werner 15, 28, 30, 36,48 f., 59, 187, 217 Spann, Othmar 215, 223 Stalin, Josef W. 224 Stein, Lorenz von 176,185 f. Stucken, Rudolf 111 Süssmilch, Johann P. 218 Sugi, K y o j i 174 Sugimoto, Eiichiro 219 f. Sumner, W i l l i a m G. 176 Suzuki, B u n j i 190 Suzuki, Yunosuke 171 Taguchi, Ukichi 170,172,185,191 ff. T a j i r i , Inejiro 176 Takada, Yasuma 203,220 Takagaki, Torajiro 218 Takahashi, Kamekichi 89,91,209 Takahashi, Korekiyo 104 ff., 209,220 f. Takahashi, Makoto 183 Takahashi, Yoshio 171 Takahata, M o t o y u k i 199,203,213 Takano, Fusataro 188, 201 Takano, Iwasaburo 201 Takashima, Zenya 216 Takigawa, Koshin 212 Takimoto, Yoshio 187 Tezuka, Juro 203 Thompson, W i l l i a m 187 Thünen, Johann H. von 215 Toda, Takeo 217

Tohata, Seiichi 219 Tsuda, Mamichi 170 Tsuru, Shigetu 225 Usami, Seijiro 123 Vissering, Simon 170 Voigt, Fritz 67 f. Wadagaki, Kenzo 185 Wagner, A d o l p h 186,218 Wakatsuki, Reijiro 196 Wakayama, Giichi 174 Walker, Amasa & Francis 170 Walras, Léon 202 Wayland, Francis 169 Weber, M a x 15,34,217 f. Wicksell, K n u t 219 Wiese, Leopold von 202 Wiskemann, E r w i n 214 Yamada, Katsujiro 200 Yamada, Moritaro 200,210 Yamada, Yuzo 41, 50, 55,112,220 Yamakawa, Hitoshi 190,199,203,211 Yamamoto, Katsuichi 219 Yamamoto, Tatsuo 196 Yanaihara, Tadao 212 Yasui, Takuma 219 Yasuoka, Masaatsu 213 Yokoyama, Gennosuke 78 Yoshida, Shigeru 226 f. Yoshino, Sakuzo 197 Y u h k i , Toyotaro 221 Y u r i , Kimimasa 178,180 Zwiedineck-Südenhorst, Otto von 201 f.

Sachregister Agrarstaats-Idee 204 Allgemeiner Gewerkschaftsbund 199 A m t für Planung 120,222 A m t zur Rationalisierung der Industrien 91,101 A n t i k o m i n t e r n p a k t 118 Arbeiterbewegung 188,190,201 Arbeiterschutz 193 f. Arbeiterverbrüderung 190,199 Asano 98,131 Asia-Gemeinschaft 204,215,223 A u f k l ä r e r 174 A y u k a w a 131 B a k u f u 37 billige Regierung 57 f., 192,196 Captains of Industry 27 Chinesisch-Japanischer-Krieg 58 ff., 71 f., 122,192, 210 Clan 23 — schuld 24, 33 Daiichi-Bank 90,128 Daimyo-Regierung 22 f. Deflationspolitik 182 f. Deutsche Staatswissenschaft 175 Diamant-Kaisha 129 Dollar-Kauf-Affäre 92 f., 116 dualistische S t r u k t u r 21,141 ff. Einkommensteuersystem 54 Erdbebenkatastrophen-Wechsel 88 Erste Nationalbank 31, 34 Fabrikgesetzgebung 192,194 Faschismus 203,212 f. Finanzclique 27, 39, 65, 86 Finanzkontrolle 183 f. Fiscal Policy 111 Freihandelssystem 185 Fünfzehnte Nationalbank 47,66 Fuji-Seishi-Kaisha 72, 96

F u j i t a 98 F u k k o - K i n y u - K i n k o 151 F u k u i - F ü r s t e n t u m 178 Gesellschaft für Wirtschafts- u n d Sozialwissenschaften 192 Gesundungsfinanzpolitik 108 ff. Gewerbefreiheit 179 Goldwährungssystem 62, 81 f., 87, 92, 104, 206 ff. Grenznutzen-Schule 202 Grundsteuerreform 35 f., 179 f. Gunze 72, 92 Historische Schule 29, 79, 175, 176 ff., 185 ff., 193 f., 198, 201, 206 f., 214, 216 Hitachi-Elektromaschinen-Werk 116 Hochverrat-Vorfall 190 Hypothekenbank 62,85 Ikeda-Finanzpolitik 105,158,227 J u n b i k i n (Reservefonds)-Sonderetat 32 f., 48 Kamaishi-Eisenwerk 73 Kamasaki-Werft 73 Kanto 81 Kanto-Erdbeben 206 f. Karafuto-Papierherstellungsgesellschaft 96 Kartelle 77 ff., 91,115,120 Kathedersozialismus 185,187,189,191, 193 f. Kato, Toshihiko 183 Kautzky, K a r l 199 Kawase-Kaisha 30 f. Kawase-Kata 34 f. Kinderschutzgesetz 193 Kishi-Finanzpolitik 227 K o m i n t e r n 209 f. Kommunistische Partei Japans 209 ff. Konkurrenzsozialismus 219

Sachregister Konve-Kabinett 117,119 Krankenversicherungsgesetz 200 Kyodo-Unyu-Kaisha 33 Kyodo-Yushi-Ginko 127 Laissez-faire 172 lebenslängliches Beschäftigungssystem 100,146 Lehrstuhl-Schule 210 Manchesterschule 171 Mandschurei-Krieg 81 f., 102 f., 105, 204, 208,210, 212 Marxismus 190,198 ff., 203 ff., 209, 223 Matsukata-Finanzpolitik 182 ff. Meiji-Restauration 15, 22 ff., 30, 34, 37 f., 40, 42, 45, 49 ff., 144, 167, 169, 171,178,184 — Japan 30,40, 50 f. — Zeit 22, 23, 29, 38, 42 f., 45, 49 ff., 62, 67,105,138,180 Merkantilismus 28, 30,47,180 Militärausgaben-Sonderetat 122 f. Minsei-Zaibatsu 86 Mitsubishi 98,130 f. — Bank 66, 90,128 — Denki 74 — Gesellschaft 33 — Zaibatsu 86,117 M i t s u i 130 f. — Bank 31, 33, 35, 66, 90,128 — Zaibatsu 86, 96,117, 212, 221 Nagasaki-Werft 73 Nationalsozialismus 214 ff., 223 Neoklassik 202 neue Beamtengruppe 213,222 f. N e w Economics 111,224 f. Nihon-Kaihatsu-Ginko 155 Nihon-Seiseito-Kaisha 72 Nihon-Stahlrohr-Kaisha 73,117 Nihon-Stahlwerk 73,117 Nihon-Yusen-Kaisha 33, 60 Ohji-Seishi-Kaisha 72,96,117 Ono 35 Onoda 98 Open-market-operations 107 Osaka-Shosen-Kaisha 60 Osaka-Spinnerei 71

233

Parlamentarismus 175 Parteienkabinett 197 ff. Plan des Staatsfonds 126 positive Finanzpolitik 179 Prinzipienstreit 191 f. Protektionismus 173 ff., 177,185 Regierungslieferant 28, 35, 39, 49, 193 Rentenablösung 24 f., 41 Russische Revolution 198 Russisch-Japanischer K r i e g 58, 63 ff., 70,190,192,195 Sake-Brauerei 22 Samurai 23 ff. — herrschaf 124 — stand 23, 28 Satsuma-Revolte 47,173,180 Schutzhandel 185 Seiyu-Kai 86 Seiri-Kosai-Jorei 54 Shimada 35 Shintoismus 213 Shizoku 23 f., 26 ff., 31, 49 ff. — klasse25 ff., 47 f. Shogunats-Regierung 22 f., 37 Shoho-Kaisho 30 Showa-ElektrochemieindustrieGesellschaft 116 Showa-Zeit 58,105,198, 203,209 Silberwährungssystem 49 Sozialdemokratische Partei 189 Sozialismus 188 ff. — Gesellschaft f ü r 188 Sozialistengesetz 188 f., 200 Sozialliberalismus 186 Staatssozialismus 204,210,213 Staatsstreich 212 Süd-Mandschurei-Eisenbahn A G 64 Sumitomo 98,130 f. — Bank 66,90,128 — Zaibatsu 127 Suzuki-Handelsgesellschaft 88 f. Taisho-Demokratie 197,200 Taisho-Zeit 58,74 Taiwan-Spezialbank 88 Takahashi-Finanzpolitik 104 ff., 122, 125,220 f. Takashima-Kohlenbergwerk 187

234

Sachregister

Tenno-Herrschaft 135,210,212 f. Tenno-Sozialismus 204 teure Regierung 57 Tokugawa-Shogunat 180 Toyo-Keizai 114,129 Toyo-Kisen-Kaisha 60 Trade-Unionism 188, 200 Untertanengesellschaft für die Tennoherrschaft 213 Verein für Socialpolitik 187 ff., 198, 200 f., 205, 207 Volksfront-Schule 211 Weltwirtschaftskrise 208 Werturteilsstreit 214,217

Yasuda 35,130 f. — bank66,90,128 Yawata-Staatseisenwerk 60,73,97,117 Yokohama-Spezie-Bank 31 f., 45 Yokusuka-Öffentliche Schiffswerft 37 Yostino, Sakuzo 197 Zaibatsu 39, 49, 65, 86, 92, 116 f., 127, 130 f., 133 f., 141,148,150,156 f. — banken 66,157 — konzern 77,182,221 — Unternehmungen 115,120,153, 158 Zentralinstitut für die finanzielle Regulierung 126 Zentralverwaltungsgruppe 212 f.