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German Pages 385 Year 2007
Soziale Orientierung Band 19
Die fragile Demokratie – The Fragility of Democracy
Herausgegeben von
Anton Rauscher
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ANTON RAUSCHER (Hrsg.)
Die fragile Demokratie – The Fragility of Democracy
Soziale Orientier ung Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach
In Verbindung mit
Karl Forster · Hans Maier · Rudolf Morsey
herausgegeben von
Anton Rauscher
Band 19
Die fragile Demokratie – The Fragility of Democracy
Herausgegeben von
Anton Rauscher
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6917 ISBN 978-3-428-12608-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem damit verbundenen Ende des Ost-West-Konflikts entfaltete der amerikanische Politologe Francis Fukuyama seine These vom „Ende der Geschichte“. Die Demokratie, die auf den Grundwerten der Freiheit und Gleichheit der Bürger aufbaut, hatte den Sieg über die totalitären Herrschaftsformen errungen und gilt seither unwidersprochen als überlegenes politisches Modell. Für viele Menschen ist die Demokratie auch deshalb die präferierte Regierungsform, weil sie am ehesten die Voraussetzungen mitbringt, für die Gewährleistung der Menschenrechte zu sorgen. Während in den weitgehend stationären Gesellschaften in der Antike und im Mittelalter die monarchische Herrschaftsform dominierte, ist die Demokratie in der evolutionären Gesellschaft der Moderne sehr viel eher in der Lage, der Dynamik und dem ständigen Wandel der Verhältnisse zu entsprechen. Allerdings unterscheidet sich die Demokratie heute von den ursprünglichen Vorstellungen, wonach die Bürger selber die Aufgaben des (überschaubaren) Gemeinwesens regeln sollten. In der Massendemokratie, die sich mit den urbanen Lebenszentren herausgebildet hat, sind die Chancen einer direkten Demokratie geschwunden. Nur die repräsentative Demokratie, in der mehrere Parteien den politischen Handlungsrahmen bilden, bietet dem Wahlvolk die Möglichkeit, seinen Willen durch die Wahl von Parteien und Abgeordneten zum Ausdruck zu bringen. Im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern, in denen das Mehrheitsprinzip für die klare Trennung zwischen Regierung und Opposition sorgt, führt die Verhältniswahl zu einer Zersplitterung des Parteiensystems, so dass Kompromisslösungen zum politischen Alltagsgeschäft gehören. Dies kann dazu führen, dass sich Wähler mit ihren Anliegen nur unzureichend von den Parteien und Abgeordneten vertreten fühlen. Hier liegt sicherlich einer der Gründe für die weitverbreitete Politikverdrossenheit und für die Wahlmüdigkeit, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern zu beobachten sind. Es herrscht der Eindruck vor, der Wählerwille sei ohne Belang bzw. nur jeweils im Vorfeld der nächsten Wahl relevant. Forderungen nach direkter politischer Beteiligung mittels Plebisziten erzielen deshalb bei Umfragen meist hohe Zustimmungswerte. Insbesondere bei weitreichenden Grundsatzentscheidungen wünschen sich viele Wähler eine deutlichere Partizipation. Auf der anderen Seite haben Plebiszite, wie sie heute schon auf kommunaler bzw. auf Länderebene möglich sind, zum Teil mit geringen Wahlbeteiligungen zu kämpfen. Eine gewisse Widersprüchlichkeit zwischen der Unzufriedenheit mit der Entscheidungsfindung im gegenwärtigen demokratischen System einerseits und
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Vorwort
einem mangelnden politischen Engagement der Wähler andererseits ist nicht zu übersehen. Unzufrieden sind die Wähler oftmals auch mit ihren Politikern. Viele Wähler unterstellen ihnen gerne Populismus und gebrochene Wahlversprechen. Umgekehrt zählen heute bei der Wertschätzung der Politiker weniger die Überzeugungen, für die sie einzutreten bereit sind, sondern eher persönliche Sympathiewerte. Die Fähigkeit zur Selbstinszenierung, beispielsweise in diversen Talkshows, ist heute fast schon zu einem unerlässlichen Qualifikationskriterium eines Politikers geworden. Zudem wird die Personalisierung der Politik durch die Dauerpräsenz der Medien im politischen Alltag verstärkt, so dass heute vielfach schon von einer „Mediendemokratie“ gesprochen wird. Eine andere Schwierigkeit hängt mit der zunehmenden Komplexität der politischen Probleme und Aufgaben zusammen, die auf die Abgeordneten zukommen. Es wächst allenthalben die Neigung, durch Expertengremien die Sachfragen klären und Entscheidungen vorbereiten zu lassen. Bei den Wählern wiederum nimmt der Verdacht zu, in derartigen Kommissionen werde unter Ausschluss der Öffentlichkeit, zuweilen unter massiver Beteiligung von einflussreichen Lobbygruppen, politische Entscheidungen über die Köpfe des Volkes hinweg „ausgeklüngelt“. Dieser Verdacht, ob berechtigt oder nicht, führt leicht dazu, dass die demokratische Regierungsform an Vertrauen verliert. Die innere Distanz zur Politik bedeutet letztlich eine schwere Gefährdung des demokratischen Systems, denn die Demokratie lebt gerade davon, dass das Volk diese Regierungsform aktiv mitträgt. Jede Schwächung der Zustimmung zum demokratischen Modell stellt deshalb ein Einfallstor für extreme Positionen dar. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass Abgeordnete – einmal gewählt – zu wenig darum bemüht sind, die zu entscheidenden Fragen so zu vermitteln, dass die Bürger sie verstehen, die Alternativen diskutieren und die Lösungen mittragen können. Dadurch schwindet das Interesse, dass das, worüber im Parlament abgestimmt wird, das ganze Wahlvolk angeht. Außerdem wächst die Distanz zwischen Wählern und Gewählten, was heute aufseiten der Bürger oftmals durch die abschätzige Wendung „Die da oben“ zum Ausdruck gebracht wird. Neben dem Zustand des politischen Systems selbst können auch die sozialen Verhältnisse die Zustimmung zur Demokratie gefährden. Existenzängste der Bürger und der Eindruck mangelnder sozialer Gerechtigkeit stellen weitere Gefährdungsmomente der demokratischen Staatsform dar. So waren der Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft und der gut ausgebaute Sozialstaat für das Vertrauen in die Demokratie in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zweifelsohne von großer Bedeutung. Diesbezüglich kommt heute der sozialen Ausgestaltung der Globalisierung hohe Priorität zu. Denn solange die Wähler das Gefühl haben, die Globalisierung diene vor allem den Großkonzernen und man-
Vorwort
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chen Finanzjongleuren, während die Menschen die Öffnung der Märkte mit Arbeitslosigkeit und Wohlstandseinbußen zu bezahlen hätten, dann wird diese Entwicklung schnell zur Gefahr für die Demokratie. Jedes Eingeständnis politischer Ohnmacht gegenüber ökonomischen Prozessen unterminiert die Zustimmung zur Demokratie. An diesen wenigen Beispielen wird deutlich, auf welchem schmalen Pfad sich eine demokratische Ordnung bewegt. Die hier angeführten Gefährdungsmomente der Demokratie wurden auf dem 9. Deutsch-Amerikanischen Kolloquium vom 9. bis 14. Juli 2006 in Wildbad Kreuth von Wissenschaftlern aus den USA, Australien und Deutschland behandelt. Es zeigte sich, dass die Wahrnehmung der Schwächen der Demokratie auch von den jeweiligen geistesgeschichtlichen Traditionen abhängig ist, wobei diesbezüglich zwischen der angelsächsischen bzw. kontinentaleuropäischen Denkweise sowohl übereinstimmende als auch divergierende Erkenntnisse zu konstatieren sind. Gemeinsam stellte sich den Teilnehmern des Kolloquiums die Herausforderung, die Menschen für die Gefährdungen der Demokratie zu sensibilisieren und geeignete Mittel und Wege zur Stärkung der Demokratie aufzuzeigen. Die Verantwortung für das Kolloquium lag bei Jude P. Dougherty von der Catholic University of America, Washington, D. C., und Anton Rauscher von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach. Wir haben besonders der Hanns-Seidel-Stiftung zu danken, in deren Bildungszentrum in Wildbad Kreuth das Kolloquium stattfinden konnte. Die großartige Bergwelt im Umfeld des Tagungsortes trug zweifelsohne ihren Teil dazu bei, dass sich der Gedankenaustausch in einer offenen und anregenden Atmosphäre vollzog. Großen Anteil bei der organisatorischen Vorbereitung des Kolloquiums sowie bei der Erstellung des Berichtsbandes hatten der Wissenschaftliche Referent Gerhard Steger und Frau Wilma Cremer von der KSZ und Mrs. Mary Rakow in Washington. Mönchengladbach, im Mai 2007
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Inhaltsverzeichnis I. Die Demokratie – Zu ihrer ethischen und kulturellen Begründung und Gefährdung The Fragility of Democracy By Jude P. Dougherty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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The Natural Moral Law: Foundation of Legal Realism By Archbishop Raymond L. Burke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Moralische Werte zur Stabilisierung der Demokratie Von Wolfgang Ockenfels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Authority and the Common Good in Democratic Governance By William A. Frank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Menschenwürde und Naturrecht in Deutschland am Beispiel der Kontroverse um die verbrauchende Embryonenforschung Von Karl-Heinz Nusser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Community, Religion and Virtue in Modern Liberal Democracies By Christopher Cullen, S. J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Macht der Medien als Herausforderung der Demokratie Von Wolfgang Bergsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Christlich-abendländisches Profil für die pluralistische Demokratie Von Elmar Nass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
II. Politische und rechtliche Strukturprobleme der Demokratie The Unattainability of What We Live Within: Liberal Democracy By David Walsh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Congress und Bundestag: Parlamentarische Erosionstendenzen Von Heinrich Oberreuter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Die westlichen Demokratien und die Herausforderung des Terrorismus Von Stefan Mückl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 The Rule of Law: Judicial Actions and Democracy By Bernard Dobranski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
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Inhaltsverzeichnis
Föderalismus – Stärke oder Schwäche der Demokratie? Von Winfried Becker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Moral Character and Democratic Capitalism By Fred D. Miller, Jr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Von der „Bonner Republik“ zur „Berliner Republik“? Von Jürgen Aretz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
III. Demokratie im globalen Kontext Islam and Democracy in the West By Cardinal George Pell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Representative Democracy’s Feet of Clay By Peter Simpson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Eine demokratische Struktur für die Europäische Union Von Jürgen Schwarz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Democracy and the Multinational By Nicholas T. Pinchuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
IV. Kirche, Katholiken und Demokratie Hanns Seidel – Politisches Denken zwischen ethischer Norm, wissenschaftlicher Analyse und pragmatischem Realitätssinn Von Reinhard C. Meier-Walser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Kirche und Demokratie. Der lange Weg des Zueinanderfindens Von Anton Rauscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Democracy and the Thin Veneer of Civilisation By Michael A. Casey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Chancen und Grenzen der Demokratie. Ein Kommentar zu Centesimus Annus Nr. 46 und 47 Von Manfred Spieker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
I. Die Demokratie – Zu ihrer ethischen und kulturellen Begründung und Gefährdung
The Fragility of Democracy By Jude P. Dougherty I. It is reported that as the delegates to the Constitutional Convention trudged out of Independence Hall in Philadelphia on September 17, 1787, an anxious person in the crowd inquired of Benjamin Franklin, “Well, Doctor, what have we got, a republic or a monarchy?” “A republic,” Franklin replied, “if you can keep it.”1 The keeping of it is the subject of this essay. The democracy brought into being on that historic day in 1787 was not judged to be imperishable, even in the eyes of its framers. This essay will first examine the commonplace meaning of the term “democracy” and some of the pre-political conditions for its establishment and then consider some of the perennial threats to its perpetuation. In common usage, the word, “democracy,” is far from a univocal term.2 “The Peoples Democratic Republic” is not what Woodrow Wilson had in mind when he led a crusade to make the world safe for democracy. For John Dewey, the leading American philosopher of Wilson’s day, democracy is more than a form of government. It is a way of life, a creed directed to a social ideal. While it is customary to distinguish among democracy’s several forms, i. e., direct, representative, constitutional, and social or economic, what is usually meant by democracy is representative or constitutional democracy. Direct democracy is identified with political life in ancient Greece where policy decisions were made directly by the populace as a whole, the majority determining the outcome. Apart from New England town meetings, initiated in the colonial period and continued through today in some states, notably in Vermont and New Hampshire, the procedure is otherwise unknown in the United States, and those town meetings that survive take place only where the body of citizens is small enough to enable participation by all. Referenda as employed in the United States in some way resemble the direct democracy of ancient Greece insofar as
1 From the notes of James McHenry, one of the delegates to the Federal Convention of 1787 and a signer of the draft of the U.S. Constitution (Documents Illustrative of the Formation of the Union of the American States, Government Printing Office). 2 “Democracy” as a term literally means rule of the people: from the Greek demos (people) and kratos (rule).
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they seek the counsel of the populace as a whole, but they are not binding and can be ignored by political authorities or reversed by the courts. Today when we call a form of government a democracy, we usually have in mind representative democracy in which citizens exercise their right to form policy, not in person but through representatives elected by them. In a constitutional democracy, such as those that prevail in Europe and the United States, the powers of the majority are exercised within the framework of a written constitution designed to guarantee the rights of minorities and the protection of other rights governing speech, press, and religion. A constitution need not be a single written instrument or even a legal document. It may be nothing more than a commonly accepted set of fixed norms or principles that are recognized as the fundamental law of the polity. The essence of a constitution is that it formalizes a set of fundamental norms governing the political community and fixes a limitation on the exercise of power. Political parties are the chief instrument through which the electorate is involved in both the exercise and transfer of power. The political party is at once the means of representing the diverse interests of the electorate in the exercise of power and also a device for allowing a replacement of one set of power holders with another. Greek democracy was a brief historical episode and is not to be taken as the exemplar of modern democratic governments. Modern democratic ideas were shaped to a large extent by medieval ideas and institutions, notably by the concept of divine, natural, and customary law as a restraint on the power of kings, including the right to levy taxes. Accordingly, the king was obliged to consult the several “estates” or group interests in the realm. Gatherings of representatives of these various estates were the origins of modern parliaments that first appeared in America, Great Britain, and France. Representative parliaments, freely elected under universal franchise, became the key institutions of Western democracy in the late 19th and early 20th centuries. As a matter of fact, few states in the modern world have constitutional arrangements that are more than a century old. Great Britain and the United States are almost alone in possessing constitutions that predate the 20th century. Contributing to the development of modern democracy was the introduction into political discourse of a number of profound intellectual ideas, notably the concepts of “natural rights” and the “equality of all mankind,” ideas that played an important role in the American War for Independence and in the French Revolution. The liberal notion of democracy that prevails in intellectual circles today presupposes not only the concepts of natural rights and equality but the acceptance of all cultures on an equal footing with obvious consequences for morality and religious observance as well as immigration and educational policy. Given what seems to many contemporary observers as a radical departure from its early intellectual moorings, the time is ripe to examine anew the concept of democracy and its undergirding rationale.
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As the United States, like Europe, drifts from its Christian past into an unknown secular future, discussions of the pre-political foundations of democracy gain importance. The principles both implicitly assumed and denied by the European Constitution are worthy of extended study, but I will limit my study to the American founding.3 The history of that founding is significant because it addresses the pre-political conditions of democracy. The pertinent literature is extensive and divides scholars who write on the subject. Many historians betray a personal disposition by the emphasis they place on the sources of certain key ideas enshrined in the founding documents. Some give primacy to the secular Enlightenment sources represented by John Locke, while others give weight to the religious milieu in which the Declaration of Independence and the Constitution of the United States with its Amendments were actually written. The latter acknowledge the influence of Richard Hooker, Roger Williams, and other Puritan leaders who are often overlooked by those who insist on viewing the founding from an entirely secular perspective. Richard Hooker (1554–1600), is not to be confused with Thomas Hooker (1586–1647), the founder of the state of Connecticut, who is sometimes called the “Founder of American Democracy.” Richard Hooker is the author of On the Laws of Ecclesiastical Polity, one of the most influential works in the development of political theory from medieval thought to contemporary natural rights theory.4 On the Laws attempted to reconcile the Thomistic doctrines of transcendence and natural law with the authority of the Elizabethan Anglican Church.5 That work was not only widely read in the colonies but had a profound influence on Locke, as can be seen from Locke’s many quotations of Hooker.6 But there is a major difference between Locke and Hooker, especially in their understanding of “contract” and “rights.” The “contract” for Hooker is an expression of the corporate disposition of the whole, not the consent or disposition of the individual taken one by one. “Equality” for Hooker refers not so much to an individual’s status as it does to the individual’s equal obligation to 3 We are reminded of Paul Valery’s insistence that Europe cannot be understood apart from Roman Catholicism and Roman humanism. Heidegger, by contrast, put all the emphasis on the Hellenic patrimony of the West. 4 Hooker’s “On the Laws of Ecclesiastical Polity” was first published as “Survey of the Summe of Church Discipline” in 1648. In 1972 the Arno Press, New York, reprinted the 1648 edition. John H. Hallowell is one of a number of scholars who recognizes the influence of Hooker and Williams in the drafting of the nation’s founding documents. Speaking of Hooker, Hallowell writes: “The first stirrings of liberalism in America might be said to have found specific expression in [his] ‘Survey of the Summer of Church Discipline’” (Main Currents in Modern Political Thought (New York: Henry Holt & Co., 1950), p. 150). 5 Cf. D. Alan Heslop, “Richard Hooker’s adapted Thomism,” Political Philosophy, The New Encyclopedia Britannica (Chicago, 1943–1973), Vol. 14, p. 689 ff. 6 John Locke, The Second Treatise on Government, ed. by Thomas P. Peardon (New York: Macmillan/Library of Liberal Arts, 1952).
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the community. Hooker’s arguments for the democratic organization of Church governance with its emphasis on consent were to serve the Founding Fathers of the new American republic. Those scholars of the left who tend to ignore the Christian sources of the founding emphasize the influence of Locke on writers such as Thomas Paine, Benjamin Franklin, and Thomas Jefferson. It may be that liberalism in America owes more to the theologies of Richard Hooker, Roger Williams, and John Wise than to the Enlightenment philosophy espoused by Thomas Jefferson. Widely read in the colonies, Hooker anticipated the political philosophy of Locke by more than a generation when, emphasizing the element of consent, he defined the church as “a company of people combined together by covenant for the worship of God.” Many of the notions, especially the idea that although fundamental authority may stem from God, power rests upon the consent of the governed, find concrete expression in Thomas Hooker’s The Fundamental Orders of Connecticut. Drafted in l639, the Fundamental Orders has been called the first written constitution of modern democracy.7 The orders dispense with the then-usual property and religious qualifications for voting and provide for town-meeting government and for popular elected assemblies. It was due to the influence of Thomas Hooker that Puritan theocracy gradually gave way to liberal constitutionalism, with the idea of “consent” replacing the strict Calvinist notion of “foreordination” and doctrine of the elect. Implicit in the doctrine of consent is the idea that the church is an instrument of the people created for purposes shared by each, an idea which when carried into the civil order fosters “government of the people, by the people, for the people.” Established by mutual agreement for definite ends, government is consequently limited in what it can do. Its primary purpose is to conserve the peace and protect people’s bodies and goods. Some would delve further into history to find the source of these doctrines in what Brian Tierney calls the “theological jurists,” who by his account were the first to formulate a theory of natural rights. No one would look to Suarez, Bellarmine, Vitoria, and Las Casas as the immediate source of the principles assumed in these founding documents, yet their discussions of “natural rights” and “equality” laid the foundation for what was to come. These ideas played an important role in the American and French “revolutions.” A full accounting, no doubt, would acknowledge a distinctive Western intellectual tradition, extending from Aristotle and the Stoics through the medieval canonists to their impact on English common law.8 Harry Jaffa, in a book on the American founding, sees
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Cf. Encyclopaedia Britannica, Micropedia, Vol. V, p. 121. Brian Tierney, The Idea of Natural Rights: Studies on Natural Rights, Natural Law and Church Law, 1150–1625, Grand Rapids: Erdmans, 1997. 8
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the Declaration of Independence as interpreted by Lincoln to be based on a kind of Aristotelian Christianity.9 John Stuart Mill, like Richard Hooker but writing from an entirely different perspective, acknowledged the people as the source of all civic authority, yet he feared what he called “social tyranny.” The will of the people, he warned, is not alone an adequate safeguard of liberty. “Self government” and “the power of the people to rule themselves” do not express the complete picture. The will of the people practically means the will of the most numerous or the will of the most active part of the people. Mill consequently advocated measures to thwart the tyranny of the majority. Mill also addressed the possibility of a small group of like-minded people seizing the levers of power to achieve their own ends quite apart from the disposition of the people and even the elected government.10 Jacques Maritain, in a short work entitled Christianity and Democracy11 reflecting on the relationship between the two suggests, “The democratic impulse has arisen in human history as a temporal manifestation of the Gospel.” He speaks of Christianity as “a leaven in the social and political life of a nation.” Yet Maritain recognized that Christianity is not linked to democracy. To be a Christian, he held, does not compel one to support a democratic form of government. He reminds us that it was only after the Second World War that the Vatican declared in favor of parliamentary democracy. Looking to the recent history of the Continent, no one can deny that Christianity played a central role in the formation of the new European democracies in the post-war period, in the drafting of their basic law, and in the drafting of the United Nations Declaration on Human Rights. Maria Mitchell, in her essay, “Antimaterialism in Early German Democracy,” tells us that at its formation there was no agreement in the CDU as to the meaning of “Christian Democracy.”12 Sufficient for the time was the unity of 9 Harry V. Jaffa, American Conservatism and the American Founding (Durham: Academic Press, 1984). 10 Without judging the merits of the claim, something like this may have happened when the United States invaded Iraq at the behest of a small group of like-minded officials and advisors who had gained control of the levers of power to advance an agenda contrary to the interest of the country and one that had been repudiated internationally. So weak was the case for the military invasion of Iraq that the U.S. Department of State sent five prominent Catholics to Rome to convince the Holy See of the righteousness of the war, a mission notably unsuccessful. Democracy, as Mill feared, may indeed be that fragile. 11 Jacques Maritain, Christianity and Democracy (London: Geoffrey Bles, 1945), p. 28. Maritain will also say, “Not only does the democratic state of mind proceed from the Gospel, but it cannot exist without it,” op. cit. p. 39. 12 Maria Mitchell, “Antimaterialism in Early German Christian Democracy,” in: European Christian Democracy: Historical Legacies and Comparative Perspectives, ed.
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Catholics and Lutherans in their endorsement of a democratic form of government and in their opposition to materialism and secularism. Conservative Protestants as well as Catholics recognized the link between materialism and national socialism, and in the post-war years Protestants joined Catholics in portraying the task of politics as the transformation of secular society. “Inherent in political activity,” explained Paul Bausch, a former member of the Christian Social People’s Service (CSVD), “is the responsibility to subordinate every aspect of political life to the demands of Christian laws. . . . ‘The Ten Commandments of God’ delineate the iron foundation for state life . . . The task for us today is to replace a Godless government with a government that respects God’s commandments and makes them principles of life for the Volk and of the state.”13 Bausch implied that if we are not ready to organize in the light of Christian principles, the opposition would organize society for us on utilitarian principles. Mitchell concurs: Despite their agreement that only a Christian Germany could prevent the return of the evil of materialism, Catholics and Protestants grounded their critiques in two fundamentally different world views. . . . The dissimilarities, although conceptual and seemingly abstract, would nevertheless govern the dynamics of early Christian Democratic policy making. Even on such a fundamental level as the Protestant and Catholic understandings of the Christian individual, theologically based differences within the CDU shaped profoundly interconfessional cooperation.14
Drawing upon the work of Wilhelm Simpfendorfer and Otto Heinrich von Gablente, Mitchell locates the difference between Protestant and Catholic in the Reformation’s emphasis on “the freedom of the individual,” as contrasted with the Catholic emphasis on Gemeinschaft. Emphasis on the individual inevitably leads to a political liberalism at variance with the recognition of responsibility to a higher moral order. Catholic leaders in the CDU, she notes, only felt comfortable with the liberal position when it was willing to accommodate personal freedom to that higher moral responsibility. The social and political influence of the Christian democratic parties remains, sometimes in ersatz form where the Christian roots are not openly acknowledged. The continued secularization of the masses obscures the pre-political values that gave rise to an inherited political order. It may be plausibly argued that to survive, European democracy must acknowledge its pre-political roots, roots that may be difficult to recover without reference to the Hellenic and Christian sources of Europe itself. Neither source can be understood apart from its common realistic – in the classical metaphysical sense – conception of human nature and human destiny, one that includes the transcendent as well as the by Thomas Kselman and Joseph A. Buttigieg (Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 2003), p. 174. 13 As quoted by Mitchell, op. cit. 14 Mitchell, “Antimaterialism,” p. 175.
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material. Western liberalism and Marxism alike ignore the spiritual dimension of human striving. The fatuous optimism of the contemporary left, underestimating human passion and mistakenly believing that man’s needs are limited and easily satisfied, can only lead to hopeless despair. II. Having called attention to the pre-political conditions of democracy and the unity provided by a common faith or civic creed, it is necessary to acknowledge that democracy is vulnerable from a number of interior threats. The benefits of self-governance can be lost by the indiscriminate awarding of suffrage to illegal immigrants, by a politically biased media that limits access to vital information, by the excessive toleration of deviant behavior and the concomitant failure to punish, by the surrender of basic freedoms in the name of safety, and by the docile acceptance of a bureaucratic imperium and a politicized judiciary. Undoubtedly the list could go on. In contemporary political discourse we hear much about the value of diversity, multiculturalism, and globalization. Yet diversity under the rule of law presupposes an accepted order of society. In the United States the 19th century melting pot successfully blended elements of Christian Europe, but in the 20th the melting pot has become a cauldron of unmeltable – not simply ethnics – but cultures. The contemporary Western liberal concept of democracy assumes uncritically that men are naturally and morally equal, an assumption that does not bear empirical scrutiny. Wide disparity as a result of parental upbringing and education leaves the populace polarized in a way that is more fundamental than disparity of income. That is only one among many divisive factors. In many American states the electorate is likely to contain undocumented aliens as well as lawful immigrants. Both groups are likely to be deficient with respect to the English language as well as ignorant of American history and the Western political tradition. Universal suffrage, given that it rests on the doctrine that all men are naturally equal, may be the undoing of modern democracy. It is not simply a matter of recognizing that however unequal citizens are with respect to their actual condition that their inequalities can be ignored or at any rate made irrelevant through their equal standing before the law and the abolition of privilege. That doctrine rightly asserts that whatever differences exist in race, language, religion, political opinion, or personal and social conditions, all citizens are peers in human dignity and before the law. Equality, thus construed, means nondiscrimination, a positive value that no one disputes. But equality as a principle is distorted and perverted when used to confer on the illegal immigrant a claim equal to that of the citizen with respect to public benefits and when used even to give the convicted felon voting rights equal to those of the law-abiding. Equality so construed is unjust insofar as it ignores the greater economic and
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social contribution of the law-abiding citizen and his rightful claim on the common wealth. Access to information is another factor that can undermine the electoral process. With both academic and media elites at war with the intellectual tradition that brought the nation into being, it would take a well-informed public, better educated than that which seems to prevail, to resist the political demands of the same academic and media intelligentsia that control the major media. It remains to be seen whether the electorate can withstand the unrelenting assault on its inherited beliefs and still make good decisions. Informed decision rests upon the availability of information. The deconstructionists with their rewriting of history, abetted by the willing assistance of major university presses, have obscured if not expunged the Christian sources of Western civilization. We witness a cultural war between a militant atheism confronting a weakened Christianity, a conflict that many are reluctant to acknowledge. John Rawls, in his celebrated volume, A Theory of Justice, raises the relevant question: “How is it possible that there may exist over time a stable and just society of free and equal citizens profoundly divided by reasonable though incompatible religious, philosophical and moral doctrines?”15 The answer from Rawls’s perspective is that all sides need only embrace the principle of tolerance. But is toleration really the answer? Presumably a tolerant society would be obliged to protect if not cultivate immorality as well as morality. Under such circumstances those who reject such indifference to the good would eventually desire to form a society of their own, where their own laws and customs would be honored, thus repudiating or undermining the goal of a single, stable society. In fact, we see religious and ideological differences rending societies from Indonesia to Ukraine. Toleration insofar as it implies acceptance by society of any and all goods proposed by its members, is more an abstract goal than a practical solution. It is unavoidable that some individual goals will be destructive of the goals of others such that they cannot exist side by side without regulation whereby the state curbs some for the benefit of others. But by such curbing, the principle of toleration is breached. The state will necessarily act in the light of some norm that is dependent on some concept of fairness. Either the state offers equal opportunity to all, or it adjusts opportunities in the interest of certain courses of action deemed fair. In fact, the promotion of tolerance as a virtue is often self-serving or indicative of a political agenda. Tolerance is not mentioned as a virtue by Aristotle or by the Stoics. Nor does Aquinas speak of tolerance as a virtue. To the contrary, Roget’s venerable English Language Dictionary of Synonyms and Antonyms gives as synonyms for tolerance: leniency, clemency, indulgence, laxity, suffer15 John Rawls, A Theory of Justice (Cambridge: Harvard University Press, 1971), p. 98.
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ance, concession, and permissiveness, terms generally regarded as designating questionable behavior. When tolerance is advocated in contemporary political discourse, it is usually religious tolerance that the speaker has in mind, and the admonition is usually singularly directed; it is the Christian who is asked to be tolerant. Religious tolerance, though not confined to Christianity, seems to have a particular appeal to the Christian conscience, perhaps for reasons intrinsic to Christianity itself. The classical and Christian sources of Western civilization, although under attack for the past 200 years, still remain the unacknowledged basis of Western culture. Appeals for tolerance may resonate within that culture, if within no other. Unfortunately, respect for intellect, for the rule of law, and for the rational foundation of religious faith is not characteristic of all who would have their views tolerated. If the classical and biblical roots of Western culture are not respected by the immigrant who seeks shelter within the West, and if, furthermore, those sources are ignored in the common schools, can the freedoms grounded in their unacknowledged source long survive? The answer seems obvious. The call for a tolerance that ignores or abuses those foundations is inconsistent and self-destructive of its own warrant. It remains to be seen whether the West is able to defend its intellectual and cultural patrimony while yet accommodating the other. Throughout history, political entities have recognized the need for unity of outlook among their peoples.16 At times in classical Greece and Rome, atheism could be punished by death. Modern socialist regimes, wherever they come to power, recognizing the influence of ideas, work to suppress religious education, if not religion itself. Within the Western democracies, practical accommodation is one thing, but a nonjudgmental, nondiscriminating acceptance is another. How tolerant can a society be and yet maintain itself in existence? Of course, where nothing is prized, everything can be tolerated. Acceptance of the principle of tolerance necessarily leads even its defenders to the question of limits and leaves open the question of what should and should not be tolerated. It would be foolish, in the name of toleration, to ignore differences due to greater or lesser natural abilities, habitual patterns of good and evil, prudence and imprudence, and law-abiding and criminal actions. Toleration often turns out to be what those of a liberal perspective think ought to be and ought not to be tolerated. Since policy built upon a liberal concept of 16 Recognizing the importance of unity and its root in a common allegiance, George Washington in his Farewell Address to the nation (1796) explicitly called attention to the bond that unites them when he called upon his fellow countrymen to renounce their sectional differences and to look upon themselves as American and not as citizen of some section of the country. “With slight shades of difference,” he said, “you have the same religion, manners, habits, and political principles. . . . [you have] in a common cause fought and triumphed together; the independence and liberty you possess are the work of joint counsels, and joint efforts of common dangers, sufferings and successes.”
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tolerance is often at variance with common sense and the desires of the great majority, it can only be implemented through some form of coercion. Eventually the question has to be faced by our secularized, intellectual elites: Can Western institutions survive the repudiation or neglect of the sources that gave them birth? Friedrich Nietzsche, no friend of Christianity, recognized the issue. “It is an English inconsistency,” he wrote, to be “rid of the Christian God” and yet “believe all the more firmly that they must cling to Christian morality. They have forgotten that the origin of their morality stands and falls with faith in God. The English do not recognize that what follows from the abandonment of their morality’s guarantee is an expression of the strength and depth of the dominion of Christian judgment.”17 Without the moral framework of Christian civilization that has made freedom possible, a framework that has defined the moral boundaries in which liberty could blossom, European society has but two ways to go: either toward the secular totalitarianism it has experienced in the past or toward the replacement of Christianity with a self-confident Islam. The multiculturalist liberals have regarded the Muslims as allies in their attempt to destroy Christian civilization but in the process may have signed their own death warrant. In its war with secular Europe, Islam is likely to emerge the victor. Bertrand de Jouvenel, writing in occupied France in early 1940s, recognized another threat to the democratic franchise. Reflecting on the Roosevelt administration, barely ten years old at the time, he saw that the creation of commissions and agencies with legislative, executive, and judicial authority within the same organization could only lead to a disenfranchisement of the electorate. We see this happening in Europe as more and more power gravitates to Brussels and its numerous agencies. Policy decisions made far removed from a willing constituency can destroy inherited modes of production and social custom with little or no accountability to the populace affected.18 To the extent that the European Constitution allows Brussels to become the organizer-in-chief of European society, it will become the enemy of democracy, shifting effective power from the people to a bureaucratic imperium that tolerates little authority outside itself.19 17 Friedrich Nietzsche, “Twilight of the Idols,” in: The Portable Nietzsche, trans. by Walter Kaufmann (New York: Penguin, 1976), pp. 515–516. 18 Bertrand de Jouvenel, On Power (New York: Viking Press, 1949). 19 Writing in the later 1950s, the French Dominican R. L. Bruckberger, in a tribute to America reminiscent of de Tocqueville, wrote, “I feel certain that if the day comes when European nations, instead of moving toward more and more centralization, move toward more and more individual autonomy and give private initiative the greatest possible scope, Europe will once again astound the world” (La République Américaine [Image of America], trans. from the French by C. G. Pauling and Vergilis Peterson (New York: Viking Press, 1959), p. 106).
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The Declaration of Laeken of December 2001 grapples with this issue. Yet to be resolved at that time was the question of federation or confederation, whether the European Union was to be governed by an intellectual elite from the top down or by regional constituencies from the bottom up, The Declaration of Laeken acknowledged that European institutions must be brought closer to the citizens while affirming at the same time that the European constitution should opt for “a clear, open, effective, democratically controlled community approach, developing a Europe which points the way for the world. An approach that provides concrete results in terms of more jobs, better quality of life, less crime. decent education and better health care. There can be no doubt that this will require Europe to undergo renewal and reform.” But of what kind? A cosmopolitan and homogenized Western Europe, severed from its traditions and controlled by a centralized bureaucracy? The situation is not new. Subsequent to the American Civil War, the defeated Robert E. Lee in a letter to Lord Acton, dated December 15, l866, fearful of the usurpation of power by the newly empowered federal government wrote: “I yet believe that the maintenance of the rights and authority reserved to the states and to the people, are not only essential to the adjustment and balance of the general system, but the safeguard of the continuance of free government. I consider it to be a chief source of stability to our political system, whereas the consolidation of the states in to one vast republic, sure to be aggressive abroad and despotic at home, will be the precursor of that ruin which has overwhelmed all that preceded it.”20 Lee may be considered, not only prescient with respect to the United States, but prophetic with respect to the European Union. The danger is perennial. Lee’s judgment is echoed by James M. Buchanan who, writing in 2004, concluded: “The separate nation states of Europe are not likely to shed off their histories of national autonomy and jump in, as it were, into a new unitary monolith that remains in the process of being created . . . (yet) over a long period the European Leviathan may well become a dominant and dangerous force.”21 In the United States it is beginning to be recognized that the most serious threat to democracy comes from a politicized judiciary. Appointments to the highest courts are made with a political objective in mind. The left recognizes that a liberal political agenda could never be implemented purely and simply through the legislative process. Given the nature of the legal system, those appointed to the judicial bench are more likely to be attuned to the liberal Zeitgeist of the academy than to the temper of the people. The chasm between the academy and Main Street is notorious. It is not so much that judges are
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Special Collections, Leyburn Library, Washington and Lee University. “Competitive Federalism by Default,” in: A Constitution for the European Union, ed. by Charles B. Blankart and Dennis C. Mueller (Cambridge, MA: MIT Press, 2004), p. 35. 21
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often instruments of special-interest parties or sectional financial interests as it is the pragmatic and naturalistic conscience they have developed in their university years. The reigning philosophy of education disposes one to challenge an inherited moral and cultural order. Carried into the practical realm this often leads to a negative evaluation of an imperfect past in favor of an idealized future. Because both philosophy and theology are organically connected to political policy, we find federal courts in the United States ruling against the public display of the Ten Commandments and Christmas crèches, disregarding even from a secular perspective their symbolic value in calling attention to the principles undergirding the rule of law. At the time of the American founding the fathers of the new republic appended to the Constitution a Bill of Rights to guarantee explicitly that certain principles would prevail over the course of time. The First Amendment reads in part: “Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof.” As understood at the time, the clause prohibited the establishment of a national religion but did not prohibit or abolish the state churches then existing in the majority of the colonies. The Supreme Court through a series of rulings since 1947 has all but prohibited the expression of religion in the public sector while at the same time it has attempted to impose secular norms on religious bodies. In responding to the Zeitgeist of the academy and by ignoring the beliefs of the overwhelming majority the Court provides another example of the fragility of democracy. Another challenge to democracy arises when a nation perceives itself to be under attack either from within or without. George Washington in his Farewell Address, after serving two terms as the nation’s first president, admonished his fellow countrymen to avoid foreign entanglements, advice rarely heeded in the following centuries.22 The foreign policy of the United States has led to treaties and alliances that have involved nearly every generation in warfare since its founding. With every conflict new curtailments and abridgments to normal patterns of commercial and personal life come into being. Bureaucracies expand to meet the supposed threat. Although the United States has not been called upon to defend its borders since the War of 1812, it now has a Department of Homeland Security, with a director of cabinet rank.23 This department now commands upward of 140,000 employees. Officials in its sister agency, the Transportation Security Administration, can issue directives that affect the lives of 22 Washington’s exact words are: “It is our true policy to steer clear of permanent alliances with any portion of the foreign world; so far, I mean, as we are at liberty to do it.” 23 In the Mexican war of 1846–47, the United States was clearly the aggressor. Although the United States fought the Mexican forces in what is now Texas, California, and New Mexico, those territories became part of the nation only with the defeat of Mexico.
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the entire populace.24 Threats, real and imagined, curtail the ease of air travel, lead to previously unimagined security checks even to gain entrance to an art museum. These measures are instituted without the give and take of significant public discussion and offer no real recourse to the affected person. In the interest of security, the citizen not only loses considerable freedom but is often humiliated in the process. This takes place without an examination and public discussion of the foreign policy that brought on the threat that is ostensibly being met. Apart from the surrender of popular or local control to a centralized bureaucracy, the most serious threat to democracy is the implicit repudiation of the charter that produced “government of the people, by the people.”25 In the fifth century B.C. Heraclitus of Ephesus wrote: “The people must fight for their laws as for their walls.” After two-and-a-half millennia, the dictum must be taken seriously. Since the last half of the 20th century, the people of the United States have seen their laws eroded as the federal judiciary, notably the Supreme Court, has struck down many legislatively enacted laws normally associated with the protection of life, property, and civility. The reasons for the invalidation of legislation by the courts are complex and often defy analysis, but this much can be said: judicial activism has become a feature of American life. The courts, notably at the federal level, seem peculiarly vulnerable to the ideology of the academy, often taking their lead from university discourse rather than legislative intent. Whereas legislation is necessarily hammered out in the give-and-take process of an assembly, where it is often a tissue of compromise and citizens at least have some representation, judge-made law is issued by decree. Courts are particularly vulnerable to persuasion by intellectual and media elites, who themselves are at war with the moral and cultural traditions of the nation. Given the monolithic posture of the media and the lockstep of the professorate, the people are left without adequate defense at the intellectual level of the beliefs they 24 Amendment IV to the U.S. Constitution reads: The right of the people to be secure in their persons, houses, papers and effects against unreasonable searches and seizures shall not be violated, and no warrants shall issue, but upon probable cause, supported by oath or affirmation, and particularly describing the place to be searched, and the persons or things to be seized.” Heretofore it was accepted that under existing law a person cannot be arrested or detained without a charge being brought against him. Authorities were obligated at least to suspect one of a crime before detention, interrogation, or search. Yet at airports nationwide the law is clearly ignored, where the arriving passenger is automatically a suspect by virtue of his presence, no evidence of any kind required. It may be argued that even respecting the Fourth Amendment, the practice is justified given the threat of international terrorism. Yet the shortterm benefits may not outweigh long-term dangers when Constitutional rights are readily surrendered because of an imagined threat. 25 I use the word “charter” loosely to stand for the Declaration of Independence, the Constitution, the records of the Federal Convention of 1787, and the Federalist Papers. These documents hold the key to the national identity of the American republic.
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hold to be true. If the Supreme Court can contradict the clear intent of the First Amendment and all but abolish the public expression of religion, the fragility of democracy is all too apparent. The United States is not alone in facing a threat to a democratic way of life. Christie Davies has entitled a recent book The Strange Death of Moral Britain.26 Decades ago the British Lord Patrick Devlin reminded his fellow jurists that if the morality of a people deteriorates, the laws based on that morality will crumble.27 The future of Europe under a European Constitution written in a moral vacuum is by no means secure.28 The future does not bode well for Europe when a candidate for the European Commission can be rejected on the basis of his Catholic faith. Europe desperately needs leaders who are resolutely willing to defend its Hellenic and religious traditions against alien modes of thought. As Jacques Maritain has argued, sooner or later nations will have to declare for or against the Gospel, for without it, democracy cannot be maintained. The European Union’s refusal to recognize its Christian origins is a visible sign that democracy is in crisis. To paraphrase Christopher Dawson, “Only a dying civilization ignores its dead.” The European Constitution seems to be founded on the aberrant post-modern democratic values of tolerance, multiculturalism, and internationalism. Like Europe, the United States may be in danger of losing its way, but it is better positioned by reason of its founding documents, perennial standards to which appeals can be made in the interest of corrective action. Summary This paper seeks a working definition of “democracy,” a term by which we usually mean representative government. It attempts to identify the principles, political and other, whose adoption is a precondition of democracy so defined. To that end it addresses the historical context of the American founding. Some political theorists give the impression that John Locke wrote the American Constitution, albeit with Thomas
26 Christie Davies, The Strange Death of Moral Britain (London: Transaction Publishers, 2004). Toward the end of this work Davies writes, “The adoption of an evertightening European constitution will mean the end of Britain as a nation. Britain will fall, and it will have fallen because of the prior death of moral Britain, which reduced the national will to resist.” Davies adds that “The willingness of successive British governments to relinquish British sovereignty over moral issues to the European Court of Human Rights has been matched by their far more dangerous willingness to hand over political and economic decision making to the European Union” (p. 239). 27 Lord Patrick Devlin, The Enforcement of Morals (London: Oxford University Press, 1968). 28 In 1929, facing a disintegrating Europe, Werner Jaeger felt it necessary to call attention to a basic truth: “Our morality goes back to the Christian religion and our politics to the Greco-Roman conception of the state” (Paideia: The Ideals of Greek Culture, trans. by Gilbert Highet (New York: Oxford University Press, 1929), p. XVIII.
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Jefferson as his scribe. Others point to the larger intellectual milieu that prevailed at the time, including the influence of the New England divines and that of Richard Hooker whom Jefferson himself cited extensively. The point made is that the U.S. Constitution was established within a theological context and not simply in that of the Enlightenment philosophy of John Locke. A subsequent part of the paper considers how representative government can be lost in the face of an expansive bureaucracy, with legislative, executive, and judicial power under one roof, and by an activist judiciary exercising similar power. It asks, absent an acknowledgment of the Hellenic and Christian sources of Western culture, can Western democracies survive? Can the West survive the Islamic threat? A common threat on both sides of the Atlantic is the absence of conviction and the attendant loss of will to defend the inherited.
Zusammenfassung Dieser Beitrag sucht nach einer brauchbaren Definition der „Demokratie“, einem Begriff, den wir gewöhnlich mit der repräsentativen Regierungsform in Verbindung bringen. Es ist der Versuch, politische und andere Grundsätze zu formulieren, deren Akzeptanz eine Vorbedingung der Demokratie darstellt. Diesem Zweck dient der Bezug zum historischen Kontext der Gründung Amerikas. Manche politischen Denker erwecken den Eindruck, als ob John Locke die amerikanische Verfassung geschrieben habe, wenngleich mit Hilfe von Thomas Jefferson. Andere weisen auf das breite intellektuelle Umfeld hin, das damals vorherrschte, einschließlich des Einflusses Neu-Englands und dem von Richard Hooker, auf den sich Jefferson selbst ausführlich berief. Wesentlich ist, dass die US-Verfassung innerhalb eines theologischen Kontextes erarbeitet wurde und nicht einfach im Dunstkreis der Aufklärungsphilosophie John Locke’s. Der Beitrag macht sich auch Gedanken darüber, wie die repräsentative Regierungsform unterhöhlt werden kann, beispielsweise durch eine expandierende Bürokratie, wenn sich die legislative, exekutive und judikative Gewalt unter einem Dach befindet, und durch Richterrecht. Es stellt sich die Frage, ob die westliche Kultur und Demokratien ohne Anerkennung des griechischen und des christlichen Ursprungs überleben können? Kann der Westen die islamische Bedrohung überstehen? Was auf beiden Seiten des Atlantiks bedroht ist, ist der Mangel an Überzeugung und die damit verbundene Schwäche, dass Ererbte zu verteidigen.
The Natural Moral Law: Foundation of Legal Realism By Archbishop Raymond L. Burke I. Introduction To speak of the fragility of democracy as a form of government is necessarily to speak of the fragility of the rule of law, upon which any stable form of government depends. The actual fragility of democracy, in fact, seems to be owed, in good part, to a profound confusion regarding the rule of law and its foundations. Aristotle’s reflection on the political life and his preference for the republic as a form of government help us to understand the foundational importance of the rule of law. Commenting on Aristotle’s reasons for favoring a republican form of government, combining good features of both oligarchy and democracy, Robert Sokolowski underlines the essential relationship between a stable political life and the respect for the norm of law: In a republic, a large middle class – middle in both an economic and an ethical sense – is established between the rich and the poor, and the laws and not men rule, and they do so for the benefit of the whole city, not for any particular part. To live this way is a great human accomplishment. It is a truly exalted exercise of reason for citizens to allow the laws to rule, to have the strength of reason and character to subordinate themselves to the law, which they allow to rule for the benefit of the whole. Not all people have the civic habits and public vision to let the laws and not their own partisan interests rule over the whole; not all people are immediately capable of being citizens.1
The stability of democracy depends upon the education of the people in the civic virtue which respects the rule of law for the good of all. If democracy is “government of the people, by the people, for the people,” as Abraham Lincoln described the United States government during the time of the great struggle to eliminate the evil of slavery, it cannot be reduced to the rule of the majority.2 While the rule of the majority can be qualified, according
1 Robert Sokolowski, “The Human Person and Political Life,” in: Christian Faith and Human Understanding: Studies on the Eucharist, Trinity, and the Human Person (Washington, D.C.: The Catholic University of America Press, 2006), pp. 184–185.
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to a literal understanding, as government “by the people,” it may well not be government “of the people” and “for the people.” In other words, the majority of the people may lose respect for the rule of law in its essential relationship to the common good. Then, the majority aligns itself with partisan interests and supports laws which deny the recognition of fundamental rights to a certain class of people, for example, a law denying to the members of a certain class the right to life, because they are seen to be in the way of the pursuit of individual interests. Government, in that case, cannot be said to be “of the people” and “for the people.” II. The Common Good If democracy or any form of government is to serve a community or nation, society must recognize a certain order which permits the individual to pursue his own good, while, at the same time, respecting the good of others who form a community with him. The good is defined by the order found in the nature of persons and things, by which the same persons and things are directed to objective ends. In truth, the individual must understand that his own good cannot be served, while the good of others and the order of creation are violated. The individual cannot achieve his proper end and, therefore, happiness, apart from the respect of the proper end and ultimate happiness of his neighbor, and the proper end of the things with which he interacts. Government is, otherwise, reduced to the tyranny of whatever group is able to prevail by winning the support of a majority. Without the recognition of the common good, to which the individual good is essentially related and which it serves, society breaks down and a government is soon beset by the violence and destruction which is the inevitable fruit of unbridled individualism and self-pursuit. The Second Vatican Ecumenical Council described the common good precisely in the context of the formation of a political community: Individuals, families, and the various groups which make up the civil community, are aware of their inability to achieve a truly human life by their own unaided efforts; they see the need of a wider community in which each one will make a specific contribution to an even broader implementation of the common good. For this reason, they set up various forms of political communities. The political community, then, exists for the common good: this is its full justification and meaning and the source of its specific and basic right to exist. The common good embraces the sum total of all those conditions of social life which enable individuals, families, and organizations to achieve complete and efficacious fulfillment.3 2 Abraham Lincoln, “Address at Gettysburg, Pennsylvania,” 19 November 1863, in: Abraham Lincoln: Speeches and Writings 1859–1865 (New York: The Library of America, 1989), p. 536.
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The English word, fulfillment, translates the original Latin word, perfectio. Fulfillment does not signify some self-defined condition but rather the perfection of the individual or group, according to man’s proper nature and end. In The Declaration of Independence of the first thirteen states of the United States of America, the objective fulfillment which the common good safeguards and promotes is described as “Life, Liberty, and the Pursuit of Happiness.”4 The metaphysical basis of the description of the common good in the Pastoral Constitution Gaudium et spes, “On the Church in the Modern World,” of the Second Vatican Ecumenical Council and the description in The Declaration of Independence is the same. The laws of a democratic nation, therefore, are to be ordered to the common good, which, one hopes, will coincide with the will of the majority, but which will, in any case, not only be laws “by the people” but also laws “of the people” and “for the people.” The Second Vatican Ecumenical Council also taught the necessary relationship of the legal and juridical order of a society with the common good and, therefore, the moral order: It follows that political authority, either within the political community as such or through organizations representing the state, must be exercised within the limits of the moral order and directed toward the common good (understood in the dynamic sense of the term) according to the juridical order legitimately established or due to be established. Citizens, then, are bound in conscience to obey. Accordingly, the responsibility, the dignity, and the importance of those who govern is clear.5
3 “Homines, familiae et varii coetus, qui communitatem civilem constituunt, propriae insufficientiae ad vitam plene humanam instituendam conscii sunt et necessitatem amplioris communitatis percipiunt, in qua omnes, ad commune bonum semper melius procurandum, cotidie proprias vires conferant. Quapropter communitatem politicam secundum varias formas constituunt. Communitas ergo politica propter illud commune bonum exsistit, in quo suam plenam iustificationem et sensum obtinet, et ex quo ius suum primigenum et proprium depromit. Bonum vero commune summam complectitur earum vitae socialis condicionum, quibus homines, familiae et consociationes, suam ipsorum perfectionem plenius atque expeditius consequi possint.” Second Vatican Ecumenical Council, Pastoral Constitution Gaudium et spes, “On the Church in the Modern World,” 7 December 1965, Acta Apostolicae Sedis, 58 (1966), 1095– 1096, n. 74a. English translation from: Vatican Council II: The Conciliar and Post Conciliar Documents, ed. by Austin Flannery, O. P. (Collegeville, Minnesota: Liturgical Press, 1975), pp. 980–981. 4 The Declaration of Independence: Action of Second Continental Congress, 4 July 1776, in: The Constitution of the United States with the Declaration of Independence and the Articles of Confederation (New York: Barnes and Noble Books, 2002), p. 81. 5 “Sequitur item auctoritatis politicae exercitium sive in communitate ut tali, sive in institutis rem publicam repraesentantibus, semper intra fines ordinis moralis ad effectum deducendum esse, ad commune bonum – et quidem dynamice conceptum – procurandum, secundum ordinem iuridicum legitime statutum vel statuendum. Tunc cives ad obedientiam praestandam ex conscientia obligantur. Exinde vero patet responsibilitas, dignitas et momentum eorum, qui praesunt.” Second Vatican Ecumenical Council, Pastoral Constitution Gaudium et spes, Acta Apostolicae Sedis, 58 (1966), p. 1096,
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The objectivity of the common good, as it is discovered in the natural order, determines the good order of a nation. Laws which safeguard the common good rest on the reality of the nature and end of the persons and of the things which they govern. It is essential that citizens be educated to understand the relationship between the political order and the common good, in order that they obey the laws. It is essential that lawmakers and servants of justice understand the meaning of law for the citizens as individuals and as a community. III. Legal Realism The realism of laws, their foundation upon the objective nature and end of things, has been, for some time, severely questioned or rejected in the democratic government of the United States of America, for example, some legal theorists use the term, “legal realism,” to reject directly the role of the objective common good in a just society. Notably, Oliver Wendell Holmes, Jr., in an address given on January 8, 1897, defined legal realism in such a way as to deny that any objective reality underlies the law. Holmes epitomizes the law in the approach of the “bad man,” “who cares only for the material consequences” of either observing or violating the norm of the law.6 In other words, the compliance or lack of compliance with the law has nothing to do with the nature and end of the persons or things governed by the law. The “bad man” is contrasted by Holmes with the “good” man “who finds his reasons for conduct, whether inside the law or outside of it, in the vaguer sanctions of conscience.”7 For Holmes, the law is an autonomous reality, without relationship to the common good, and is defined without reference to the nature or end of what the law treats. He observed: For my own part, I often doubt whether it would not be a gain if every word of moral significance could be banished from the law altogether, and other words adopted which should convey legal ideas uncolored by anything outside the law.8
The alienation of law from morality in the thinking of Holmes is evident. Holmes made it clear that his understanding of the content of the law is what the men who administer the law decide. He declared: The prophecies of what the courts will do in fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the law.9 n. 74d. English translation from: Vatican Council II: The Conciliar and Post Conciliar Documents, p. 981. 6 Oliver Wendell Holmes, Jr., “The Path of the Law,” in: Philosophy of Law, ed. by Conrad Johnson (New York: Macmillan Publishing Company, 1993), p. 47. 7 Holmes, “The Path of the Law,” p. 47. 8 Holmes, “The Path of the Law,” p. 50. 9 Holmes, “The Path of the Law,” p. 47.
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The laws, therefore, no matter what be their objective reference, have meaning only in accord with what the subjects who administer justice decide. Clearly, any reference to the common good and an objective order, knowable by reason, is understood by Holmes to be part of the “vaguer sanctions of conscience,” of the “pretentious,” of which the law should be purified. IV. Philosophical Presuppositions of “Legal Realism” Edward J. Richard, in his article published in two parts, “Law and Morality: Taking a Theoretical Break from the Norm,” describes the philosophical underpinnings of the theory of “legal realism.”10 He also examines a parallel development among certain Catholic moral theologians who follow a moral theory which is called consequentialism or proportionalism. The moral theory in question judges the goodness of an act, according to an intended good consequence, even if the means of achieving the intended good is evil in itself. Both the legal theory and the moral theory are rooted in an instrumentalist view of the world. Richard comments: With norms as means to ends, the legal or moral outcome can never be indicated by the norm itself. In other words, acting contrary to a norm is not in itself to be considered morally or legally wrong. In both the legal theory and the moral theory presented, the rule or norm is considered a guide. One must consider the relevant circumstances, including the purposes and ends of the rules and the actions in question, before the moral or legal determination is reached. Competing values or interests at the root of the formulation of the rule may, in a given case, give rise to a conflict. Only when this conflict is resolved in light of the relevant circumstances and possible outcomes is the legality or morality of the act decided.11
The parallel development in moral theology among some Catholic moralists has added to the confusion regarding the nature of the law and its service of the common good. Moral theory, distorted and betrayed by the consequentialist or proportionalist doctrine, is not in the position to carry out its native service of pointing to the truth about the law and, in fact, participates in the deadly confusion of “legal realism.” The late and most beloved Pope John Paul II, in his Encyclical Letter Veritatis splendor, refuting the serious errors of consequentialism or proportionalism, noted the importance of sound moral teaching to the political order. He recalled the reason for the Church’s insistence upon the objective moral order, when he wrote:
10 Edward J. Richard, M.S., “Law and Morality: Taking a Theoretical Break from the Norm,” Studia Moralia, 35 (1997), 427–443; and 36 (1998), 239–265. 11 Edward J. Richard, M.S., “Law and Morality: Taking a Theoretical Break from the Norm,” Studia Moralia, 36 (1998), 255.
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Raymond L. Burke The Church’s firmness in defending the universal and unchanging moral norms is not demeaning at all. Its only purpose is to serve man’s true freedom. Because there can be no freedom apart from or in opposition to the truth, the categorical – unyielding and uncompromising – defense of the absolutely essential demands of man’s personal dignity must be considered the way and the condition for the very existence of freedom.12
The recognition, in law, of an objective moral order is, therefore, necessary, if freedom is to be served. The Church’s clarity in teaching the moral truth and in refuting moral error is critical to the sound political order. The Church’s moral teaching forms the character of the citizens who are her faithful and also of other men of good will, who recognize the truth of her teaching, in accord with the common good. On the other hand, moralists whose theories do not correctly account for universal, unchanging moral norms undermine human freedom in the political order. Pope John Paul II went on to reflect upon the danger of “a totalitarian conception of the world,” which democracies in the West have deplored in governments of Marxist inspiration, while at the same time they deny “the fundamental rights of the human person” and absorb “the religious yearnings which arise in the heart of every human being” into politics.13 The late Roman Pontiff observed: This is the risk of an alliance between democracy and ethical relativism, which would remove any sure moral reference from political and social life, and, on a deeper level, make the acknowledgment of truth impossible.14
12 “Ecclesiae firmitudo in moralibus normis universalibus immutabilibusque tuendis nihil habet contumeliosi; verae hominis libertati solummodo inservit: quandoquidem praeter vel contra veritatem nulla libertas habetur, absoluta defensio, nimirum laxamentis et accomodationibus amotis, earum rerum, quas omnino necessarioque hominis personalis dignitas postulat, via est dicenda et condicio ipsius exsistentiae libertatis.” Pope John Paul II, Encyclical Letter Veritatis splendor, “Regarding Certain Fundamental Questions of the Church’s Moral Teaching,” 6 August 1993, Acta Apostolicae Sedis, 85 (1993), 1209, n. 96a. English translation published by the Libreria Editrice Vaticana, Vatican City State. 13 “Post lapsum multis in Nationibus doctrinarum, quae rationem civilem conectebant cum totalitaria mundi visione – in primis inter eas Marxiana doctrina – discrimen nunc emergit, non minus grave, ob repudiationem fundamentalium iurium personae humanae atque usurpationem ex parte rei publicae administratorum ipsius religiosae postulationis quae exsistit in corde cuiusvis hominis . . .” Pope John Paul II, Encyclical Letter Veritatis splendor, Acta Apostolicae Sedis, 85 (1993), 1212, n. 101a. English translation published by the Libreria Editrice Vaticana, Vatican City State. 14 “[E]st discrimen foederis inter democratiam et ethicum relativismum, qui convictum civilem privat quavis tuta morali ratione eum efficiendo omnino veritatis agnitione nudatum.” Pope John Paul II, Encyclical Letter Veritatis splendor, Acta Apostolicae Sedis, 85 (1993), 1212, n. 101a. English translation from the Libreria Editrice Vaticana, Vatican City State.
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Pope John Paul II then quotes a telling declaration from his Encyclical Letter Centesimus annus: “As history demonstrates, a democracy without values easily turns into open or thinly disguised totalitarianism.”15 The wisdom of Pope John Paul II’s caution is sadly verified in the legal system of the United States democracy which, uncritically accepting the legal doctrine of Holmes and others who have followed him, has placed the foundation of the laws upon the shifting sands of relativism. Pope John Paul II’s clarification of the moral truth to be taught in the Church and his correction of consequentialism and proportionalism are most timely also for the world of politics. I note that the term, values, which is commonly used today in the discussion of the relationship between morality and law, can be problematic, for it comes from the economic world and the relative assessment of the worth of things. I prefer the word, goods or virtues. In other words, values can change, according to human assessment, while goods or virtues, inherent in the God-given nature and end of persons and things, endure. V. Effects of Legal Realism What are the concrete effects of the doctrine of “legal realism,” as espoused by Holmes? The effects, it is clear, will be seen in every aspect of the law and its administration. For example, Stephen L. Pepper, following in the line of Holmes, applies his definition of law to the work of the attorney. Describing what he calls “the dominant view of law inculcated in the law schools,” namely, “legal realism,” he defines the “amoral ethical” role of the lawyer or servant of the law.16 The very qualifier, “amoral ethical,” points to the alienation of the law from morality. According to the view inculcated, the law has no objectivity “to be discovered and applied.” Pepper declares: By “legal realism” I mean a view of law which stresses its open-textured, vague nature over its precision; its manipulability over its certainty, and its instrumental possibilities over its normative content. From “positivism” modern legal education takes the notion of the separation of law and morality: in advising the client, the lawyer is concerned with the law as an “is,” a fact of power and limitation, more than an “ought.” From “legal realism” it takes the notion of law as a prediction of what human officials will do, more than as an existent, objective, determinable 15 “Populare tandem regimen principiis carens, in totalitarismum manifestum occultumve prompte vertitur, ut hominum annales commonstrant.” Pope John Paul II, Encyclical Letter Centesimus annus, “On the Hundredth Anniversary of Rerum novarum,” 1 May 1991, Acta Apostolicae Sedis, 83 (1991), 850, n. 46c. English translation from the Libreria Editrice Vaticana, Vatican City State. 16 Stephen L. Pepper, “The Lawyer’s Amoral Ethical Role: A Defense, A Problem, and Some Possibilities,” American Bar Foundation Research Journal, Vol. 1986, 624.
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Raymond L. Burke limit or boundary on client behavior . . . To the extent that legal education inculcates these views, “the law” becomes a rather amorphous thing, dependent upon the client’s situation, goals, and risk preferences.17
Legal realism, as defined by Pepper, divorces the law from any reference to metaphysics, to an objective order of things. At the same time, it strips the law of any moral authority. The law is defined by the will of those who apply it or enforce it. The understanding of the word “realism” clearly does not refer to “reality” but to “realistic expectations.” In other words, “realism” is understood as pragmatism. Pepper applies the doctrine of so-called “legal realism” to the service of attorneys. From his application, it is easy to see how the view of “legal realism” affects every citizen, resulting ultimately in a loss of respect for law and an increase of violence, the fruit of individuals striving to rule over one another without respect for the fundamental rule of the law, as defined by the common good. Pepper himself addresses a difficult factispecies, namely the case of the lawyer who wants to prevail in the court for the sake of his client by proposing to do what is wrong, for example, telling a lie in court, while his client does not wish to win by immoral strategies.18 Pepper views the client’s adherence to telling the truth as a fundamental misunderstanding of the nature of law. In another example, a client’s lawyers have learned and verified “the location of the hidden bodies of two murder victims,” but they “did not reveal this information for six months, even when it was personally sought from them by the parents of one of the victims.”19 Regarding the conduct of the attorneys, Pepper comments: Normal morality would condemn such callous behavior. The amoral role demanded such behavior, for the lawyers were not legally obligated to disclose the information and they perceived it to be in the client’s legal interest to delay divulging the information.20
The doctrine of “legal realism,” as expounded by Stephen Pepper, has completely divorced the law from all reality, creating a legal world which is the creature of individual self-interest and of the manipulation of those who, in the past, were said to carry out a ministry in the service of justice. Holmes’ understanding of the law and Pepper’s application of his understanding are not a matter of some merely theoretical considerations. They influence the decisions of the highest courts of the United States of America. For 17 18 19 20
Pepper, Pepper, Pepper, Pepper,
“The “The “The “The
Lawyer’s Lawyer’s Lawyer’s Lawyer’s
Amoral Amoral Amoral Amoral
Ethical Ethical Ethical Ethical
Role,” Role,” Role,” Role,”
624–625. 630–631. 633. 633.
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example, the decision of the United States Supreme Court, in Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Casey, given on June 29, 1992, declared: At the heart of liberty is the right to define one’s own concept of existence, of meaning, of the universe, and of the mystery of human life.21
The decision in question uncovers an understanding of the law which is totally divorced from any objective reality, any metaphysical order. According to the decision, the law and its application must respect the individual’s “concept” of the world and of human life. The declaration of the Court condones a form of individualism and pursuit of self-interest, which is truly totalitarian. The so-called “legal realism,” which according to Pepper, is the “dominant view of law inculcated in the law schools” of the United States of America, ignores any metaphysical or moral order. It can only result in the tyranny of the predominant views of individuals and of their interests. It has, in fact, resulted in the wholesale death of the innocent and defenseless unborn in a political order founded on the principle that all men “are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty, and the Pursuit of Happiness.”22 It has also resulted in a redefinition of marriage and of the family, the first cell of society, to include sexual relationships of persons of the same sex, which are contra naturam. In a landmark decision of the United States Supreme Court, given on June 26, 2003, in the case, Lawrence v. Texas23, the high court reversed its earlier decision in the case, Bowers v. Hardwick24, which upheld the constitutional validity of state laws regarding sodomy. In Lawrence v. Texas, the court ruled that a Texas statute criminalizing sodomy committed between persons of the same sex violated the Due Process Clause of the Fourteenth Amendment to the United States Constitution. Citing the decision in Planned Parenthood v. Casey, the decision stated: The Casey decision again confirmed that our laws and tradition afford constitutional protection to personal decisions relating to marriage, procreation, contraception, family relationships, child rearing, and education.25
The fact that the court determined the outcome of the case on the basis of the Due Process Clause means that it considered the right of consensual sodomy a fundamental one.26 In effect, the language used by the highest court of the 21
Planned Parenthood v. Casey, 505 U.S. 833, 852 (1992). The Declaration of Independence: Action of Second Continental Congress, July 4, 1776. 23 Lawrence v. Texas, 539 U.S. 558 (2003). 24 Bowers v. Hardwick, 478 U.S. 186 (1986). 25 Lawrence v. Texas, 539 U.S. 558, 570 (2003). 26 Interestingly, the court side-stepped a challenge on the basis of the Equal Protection Clause. In its decision, the court stated that Texas might try to remedy an Equal 22
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United States of America establishes the individual right to determine the nature and meaning of human sexuality in contrast with what is revealed in the human body. VI. True Legal Realism What makes the law truly realistic, that is, in conformity with the God-given nature of persons and things, and their proper ends? The perennial answer to this critical question for the future of democracy in the United States of America and elsewhere is the natural moral law. The natural law establishes the first and evident principles which guarantee the realism and, therefore, the justice of laws. Law is more than the command of the sovereign or the will of the majority. It has its foundation in the unchanging truth about ourselves and our world, which is safeguarded by the natural moral law written by God upon every human heart. The natural moral law alone gives positive law the profound and stable foundation which it requires and which can truly bind individuals and communities. Only when positive law is founded upon natural moral law is it truly “realistic,” as opposed to the false “legal realism” of Holmes. Wolfgang Waldstein has shown that knowledge of the law of nature or the natural law as the foundation of the legal order is evident in the earliest known legal documents. He concludes: “As far back as we have sources concerning legal problems we find the clear awareness of the fact that man finds himself in a legal order not produced by man himself, but being part of the creation of the world.”27 Waldstein, citing the ancients sources, for example, Cicero, refutes the false claim that the concept of the natural law rests upon the so-called “naturalistic fallacy,” showing that the claim “departs from the positivistic presupposition that nature is only material reality.”28 Reflecting on the results of Protection claim by making sodomy between persons of opposite sex illegal, since the statute in question was directed only to persons of the same sex. Lawrence v. Texas, 539 U.S. 558, 571 (2003). 27 Wolfgang Waldstein, “Natural law and the defence of life in Evangelium Vitae,” in: Evangelium Vitae: Five Years of Confrontation with the Society, Proceedings of the Sixth Assembly of the Pontifical Academy for Life (Vatican City, 11–14 February 2000), ed. by Juan de Dios Vial Correa and Elio Sgreccia (Vatican City State: Libreria Editrice Vaticana, 2001), p. 225. Cf. Wolfgang Waldstein, “The capacity of the human mind to know natural law,” in: The Nature and Dignity of the Human Person as the Foundation of the Right To Life: The Challenges of the Contemporary Cultural Context, Proceedings of the Eighth Assembly of the Pontifical Academy for Life (Vatican City, 25–27 February 2002), ed. by Juan de Dios Vial Correa and Elio Sgreccia (Vatican City State: Libreria Editrice Vaticana, 2003), pp. 58–63. 28 Wolfgang Waldstein, “The responsibility of the law towards the applications of biotechnologies of man,” in: Human Genome, Human Person and the Society of the Future, Proceedings of the Fourth Assembly of the Pontifical Academy for Life (Va-
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the false claim, advanced not only by legal theorists but also by certain moral theologians, Waldstein quotes a passage from Pope John Paul II’s Encyclical Letter Evangelium vitae, which is especially pertinent to the discussion of the fragility of democracy: If, as a result of the tragic obscuring of the collective conscience, an attitude of skepticism were to succeed in bringing into question even the fundamental principles of the moral law, the democratic system itself would be shaken in its foundations, and would be reduced to a mere mechanism for regulating different and opposing interests on a purely empirical basis.29
Natural law expresses the metaphysical order which can be, has been and is known by the use of human reason. The natural law expresses the end to which our practical action must tend, if it is to be true and free. Saint Thomas Aquinas declared: Hence this is the first precept of law, that good is to be done and pursued, and evil is to be avoided.30
The good for man is that which most perfectly corresponds to his nature and finality. Saint Thomas Aquinas immediately derives other precepts from the first precept of the natural law. The first of these is “whatever is a means of preserving human life, and of warding off its obstacles, belongs to the natural law.”31 The natural law presupposes that our consideration of particular practical actions or laws, for example, is based on the proper ends of persons and things, and not on my individual purposes. It presupposes that man, because of his intellect and through the use of reason, can know the proper ends of persons and things, and respect them in the political order. Saint Thomas Aquinas described the relationship of reason and the natural law:
tican City, 23–25 February 1998), ed. by Juan de Dios Vial Correa and Elio Sgreccia (Vatican City State: Libreria Editrice Vaticana, 1999), p. 399. 29 “Si autem, ob omnium conscientiae miserrimam obtenebrationem, sceptica ratio in dubium prima principia quoque moralis legis devocat, ipsa democratica institutio funditus evertitur atque ad meracam machinationem redigitur, quae re diversa dissonaque commoda moderatur.” Pope John Paul II, Encyclical Letter Evangelium vitae, “On the Value and Inviolability of Human Life,” 25 March 1995, Acta Apostolicae Sedis, 87 (1995), 482, n. 70e. English translation published by Libreria Editrice Vaticana, Vatican City State. It is interesting to note that the title of the Encyclical Letter in Latin reads” “de vitae humanae inviolabili bono,” which is more accurately translated: “on the inviolable good of human life.” 30 “Hoc est ergo primum praeceptum legis, quod bonum est faciendum et prosequendum, et malum vitandum.” Saint Thomas Aquinas, Summa theologiae, I–IIae, q. 94, art. 2. 31 “[P]ertinet ad legem naturalem ea per quæ vita hominis conservatur, et contrarium impeditur.” Saint Thomas Aquinas, Summa theologiae, I–IIae, q. 94, art. 2.
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Raymond L. Burke [T]he precepts of the natural law are to the practical reason, what the first principles of demonstrations are to the speculative reason; because both are self-evident principles.32
Natural law, therefore, establishes positive law upon metaphysical principles of the good and freedom of man, and safeguards it against the tyranny of selfinterest and of individual purposes. In reflecting upon the relationship of the natural law to positive civil laws, the analysis of Robert Sokolowski, grounded in the philosophy of Aristotle and Saint Thomas Aquinas, while employing the method of Husserlian phenomenology, is most helpful. Sokolowski reflects upon the distinction between ends and purposes. Ends are inherent in the nature of things and are discoverable by human reason. The fact that they can be discovered by human reason does not change their objective reality. Purposes, on the other hand, are the fruit of our inclinations and desires which may or may not respect the objective order of the world.33 Sokolowski analyzes what blocks us in distinguishing our human purposes from objective ends. He writes of four groups of people who are hindered in making the essential distinction: “the impulsive, the obtuse, the immature, and the vicious.”34 He comments: These, then, are four ways in which the truth of ends can be occluded: impulsiveness, moral obtuseness, immaturity, and vice. In any given case, the lack of moral insight into the ends of things might be explained by some combination of these four, just as an agent’s deficiency might be caused by something intermediate between weakness and malice. What we are discussing is the way that the difference between ends and purposes comes to light, which amounts to the way in which the truth of things is disclosed. If we are to show how truth occurs, it is necessary to show what impedes such an occurrence, what hides the truth.35
The analysis of the impediments to reason in knowing the natural law is also an indication of what is necessary in the upbringing and education of children and young people, if they are to be responsible citizens, responsible contributors to the political order. Sokolowski makes reference to the analysis of Francis Slade, concerning the relationship between our failure to distinguish ends from purposes, and violence 32 “[P]ræcepta legis naturæ hoc modo se habent ad rationem practicam, sicut principia prima demonstrationum se habit ad rationem speculativam: utraque enim sunt quædam principia per se nota.” Summa theologiae, I–IIae, q. 94, art. 2. 33 Robert Sokolowski, “What Is Natural Law?: Human Purposes and Natural Ends,” in: Christian Faith and Human Understanding: Studies on the Eucharist, Trinity, and the Human Person (Washington, D.C.: The Catholic University of America Press, 2006), pp. 215–220. 34 Sokolowski, “What Is Natural Law?: Human Purposes and Natural Ends,” p. 220. 35 Sokolowski, “What Is Natural Law?: Human Purposes and Natural Ends,” p. 221.
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in society. Slade, referring to a film in which “end is reduced to purpose and consequence,” observed: In such a world there cannot be any congruity or incongruity of purposes with ends. There being no ends by which purposes can be measured, all purposes are in themselves incommensurate and incongruous with one another. This is a world in which everything is violent, because there is no natural way for anything to move. But a world in which everything is violent means that violence becomes the ordinary, the usual, the way things are.36
The analysis of Slade helps us to understand the reason why legislation and applications of the law, which are based on the individual’s concept of reality, formed according to his purposes and desires, leads to violence and the destruction of human life and the world around us. Sokolowski also addresses the relationship of the natural law to the Church’s teaching of it. Often, natural law doctrine is rejected in the United States of America as the attempt of a religious confession to impose its confessional beliefs on the general population. Sokolowski reminds us that the teaching of the natural law in the Sacred Scriptures does not destroy its “natural visibility” to human reason.37 In other words, the Church did not invent the notion of the natural law. He insightfully cautions us against the pitfall of seeing the natural law proclaimed in the Sacred Scriptures as an expression of God’s purposes, rather than an expression of the order which He has written in nature and inscribed in the “hearts of men,” as Saint Thomas Aquinas teaches us.38 The inscription of the natural law in the heart of man means that man, by the use of reason, is meant to know the true ends of things and to act accordingly. It is not a question of divine voluntarism. Sokolowski observes: I would suggest that when Aquinas says that the natural law is written in the hearts of men, he is referring to the capacity for truth that we have been describing when we said that the natural ends of things must be distinguished from our own purposes and from convention. This elementary differentiation, this recognition that my purposes are not all there is, and that the way we do things is not all there is, is a way of being truthful that is achieved by the heart, which if it is sound can cut through the impediments of being impulsive, obtuse, immature, and vicious.39
36 Francis Slade, “On the Ontological Priority of Ends and Its Relevance to the Narrative Arts,” in: Beauty, Art, and the Polis, ed. Alice Ramos (Washington, D.C.: American Maritain Association, 2000), p. 67. Quoted in Sokolowski, “What Is Natural Law?: Human Purposes and Natural Ends,” p. 222, footnote 8. 37 Sokolowski, “What Is Natural Law?: Human Purposes and Ends,” p. 229. Cf. Wolfgang Waldstein, “The capacity of the human mind to know natural law,” p. 65. 38 “Sed lex scripta in cordibus hominum est lex naturalis.” Summa theologiae, I–IIae, q. 94, art. 6. 39 Sokolowski, “What Is Natural Law?: Human Purposes and Ends,” pp. 230–231.
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The understanding of man’s capacity for truth is the inspiration of the moral and civic education of children and young people who, as a result of the education, will be freed from the slavery of their individual purposes and of “the way things are done” to serve their proper good and end, and the proper good and end of their fellow citizens and of the created order. At the same time, they will be disciplined against the tendency to be “impulsive, obtuse, immature, and vicious.” The teaching of the natural law in the Sacred Scriptures does not change the law as God has written it upon the human heart but invites the Christian to call upon the help of divine grace in knowing and respecting more fully God’s plan for us and our world. Sokolowski describes in a striking way the relationship of the knowledge of the natural law through faith and through reason: Christians believe that God has revealed a deeper sense of goodness and virtue (as well as a deeper sense of evil and vice). Faith, hope, and charity, as gifts of God, dispose us to act in a new context, in which we are elevated into God’s own life, through the redemptive actions of the incarnate Son of God. In this domain, we do have a kind of “theoretical” priority of knowledge over practical reason; we have to accept certain truths about ourselves before we know we are able and obliged to act in certain ways. However, this new dimension does not override the evidences of natural practical reason. What seemed noble and decent in the natural order remains so, and it is confirmed in its goodness by being involved in this new context of grace. In fact, grace intensifies the appeal of natural virtue, which now shows up not only as admirable, but also as a reflection of divine goodness. Grace heals and elevates nature.40
Christian faith inspires and strengthens the citizen to foster legislation and to interpret laws according to the proper nature and end of things, that is, in accord with the common good. Christian faith in no way disqualifies him from insisting that the political order and the laws which govern it be coherent with the natural moral law. A true legal realism, an approach to the law which respects its service of the common good, builds its foundation on the natural moral law, in order that the making of law and the application of law may respect the truth about the persons and things governed by the law. Citizens, likewise, will rightly respect the rule of law, only when they recognize its foundation in the natural moral law. VII. Conclusion Christians cannot fail to be concerned about the fragility of democracy. Christians cannot fail to be active in the rebuilding of the solid foundations of democracy, in the rebuilding of the respect for the rule of law. 40 Sokolowski, “What Is Natural Law?: Human Purposes and Natural Ends,” pp. 232–233.
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On March 30, 2006, Pope Benedict XVI spoke to the members of the European Popular Party, addressing the role of the Church in the political order. He brought to mind the irreplaceable contribution of the Church to democracy in Europe, both historically and at present, through the formation of citizens in the Christian virtues. He cautioned that the elimination of Christians, as Christians, from the political order would result in the loss of the strength which the Christian faith and its practice bring to any nation or political body. He described the perennial service of the Church and of her teaching to the civic community. He stated: It must not be forgotten that, when Churches or ecclesial communities intervene in public debate, expressing reservations or recalling various principles, this does not constitute a form of intolerance or an interference, since such interventions are aimed solely at enlightening consciences, enabling them to act freely and responsibly, according to the true demands of justice, even when this should conflict with situations of power and personal interest.41
He had already presented the same teaching, in a more solemn manner, in his Encyclical Letter Deus caritas est, in which he discusses the relationship of justice, politics and ethics. Regarding the Church’s involvement in the political order, he declared in Deus caritas est: Faith enables reason to do its work more effectively and to see its proper object more clearly. This is where Catholic social teaching has its place: it has no intention of giving the Church power over the State. Even less is it an attempt to impose on those who do not share the faith ways of thinking and modes of conduct proper to faith. Its aim is simply to help purify reason and to contribute, here and now, to the acknowledgment and attainment of what is just.42
Pope Benedict XVI makes it clear that the Church’s social teaching “argues on the basis of reason and natural law, namely, on the basis of what is in accord with the nature of every human being.”43
41 Pope Benedict XVI, “Ad Congressum a Populari Europae Factione provectum,” Acta Apostolicae Sedis, 98 (2006), 344. 42 “Fides rationi tribuit quo melius compleat munus suum meliusque hoc quod proprium est sibi intueatur. Hic reponitur catholica doctrina socialis: quae non vult Ecclesiae potestatem inferre in Civitatem. Neque iis qui fidem non participant imponere cupit prospectus et se gerendi modos huius proprios. Simpliciter prodesse cupit ad rationem purificandam suumque adiumentum afferre ita ut quod iustum habetur, hic et nunc agnosci ac postea ad rem perduci possit.” Pope Benedict XVI, Encyclical Letter Deus caritas est, “On Christian Love,” 25 December 2005, Acta Apostolicae Sedis, 98 (2006), 239, n. 28. 43 “[A]rgumentatur initium sumens a ratione et a naturali iure, id est ab eo quod congruit naturae cuiusque personae humanae.” Pope Benedict XVI, Encyclical Letter Deus caritas est, Acta Apostolicae Sedis, 98 (2006), 239, n. 28.
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In his address to the European politicians, Pope Benedict XVI declared that certain principles are “not negotiable,” if the inviolable dignity of every human life is to be respected. He enunciated three principles, in particular: 1. “protection of life in all its stages, from the first moment of conception until natural death”; 2. “recognition and promotion of the natural structure of the family – as a union between a man and a woman based on marriage – and its defence from attempts to make it juridically equivalent to radically different forms of union, which in reality harm it and contribute to its destabilization, obscuring its particular character and its irreplaceable social role”; and 3. “the protection of the right of parents to educate their children.”44 Pope Benedict XVI makes it clear that the principles which he has enunciated “are not truths of faith, even though they receive further light and confirmation from faith; they are inscribed in human nature itself and therefore they are common to all humanity.”45 The Christian faith does not contradict human reason but gives it inspiration and strength in considering what is right and just, above all, in the political order. Robert Sokolowski observed: “What seemed noble and decent in the natural order remains so, and it is confirmed in its goodness by being involved in this new context of grace.”46 There can be no question that democracy and the laws which govern it must be founded upon legal realism. The legal realism required, however, must be the fruit of right reason, distinguishing ends from purposes, and respecting fully the natural law which God has written upon every human heart. The Catholic Church, by her very nature, exists to work with God-the-Son Incarnate for the salvation of the world. In the present situation, the Church’s service of the world demands of her, above all, a witness to the foundation of the political order upon the unchanging precepts of the natural moral law, which God has taught and teaches to all men and women of every place and time. Summary To speak of the fragility of democracy as a form of government is necessarily to speak of the fragility of the rule of law, upon which any stable form of government depends. The actual fragility of democracy, in fact, seems to be owed in good part to a profound confusion regarding the rule of law and its foundations. Aristotle’s reflection on the political life and his preference for the republic as a form of government help us to understand the foundational importance of the rule of law. From an Aristotelian point of view, the stability of democracy depends on the education of the peo44 Pope Benedict XVI, “Ad Congressum a Populari Europae Factione provectum,” Acta Apostolicae Sedis, 98 (2006), 345. 45 Pope Benedict XVI, “Ad Congressum a Populari Europae Factione provectum,” Acta Apostolicae Sedis, 98 (2006), 345. 46 Sokolowski, “What Is Natural Law?: Human Purposes and Natural Ends,” p. 233.
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ple in civic virtue. If democracy or any form of government is to serve a community or nation, society must recognize a certain order that permits the individual to pursue his own good while at the same time respecting the good of others who form a community with him. Government is, otherwise reduced to the tyranny of whatever group is able to prevail by winning the support of a majority. Without the recognition of the common good, to which the individual good is essentially related and which it serves, society breaks down, and a government is soon beset by the violence and destruction which are the inevitable fruit of unbridled individualism and self-pursuit.
Zusammenfassung Wer sich zur Zerbrechlichkeit der Demokratie als einer Regierungsform äußert, der muss auch über die Zerbrechlichkeit der Rechtsstaatlichkeit sprechen, wovon jede stabile Regierungsform abhängt. Die Probleme der modernen Demokratie haben nämlich hier ihren Ursprung. Die Überlegungen Aristoteles zum politischen Leben und seine Vorliebe für die republikanische Regierungsform hilft uns, die grundlegende Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit zu verstehen. Die Stabilität der Demokratie ist zudem angewiesen auf die Erziehung der Menschen zu bürgerlichen Tugenden. Wenn die Demokratie oder eine andere Regierungsform dem Gemeinwesen dienlich sein soll, dann muss die Gesellschaft eine gewisse Ordnung anerkennen, die es dem Einzelnen erlaubt, sein eigenes Wohl zu verfolgen, und gleichzeitig das Wohl der Anderen zu respektieren. Die Regierung kann zur Tyrannei werden, wenn es einer Gruppe gelingt, eine Mehrheit zu gewinnen und zu herrschen. Ohne Anerkennung des Gemeinwohls, mit dem das individuelle Wohl wesentlich verbunden ist und dem es dient, zerbricht die Gesellschaft, und die Regierung muss sich mit Gewalt und Zerstörung auseinandersetzen, die geradezu zwangsläufig einem ungezügelten Individualismus und einem radikalen Egoismus entspringen.
Moralische Werte zur Stabilisierung der Demokratie Von Wolfgang Ockenfels Ein altes deutsches Vorurteil besagt, dass Politik ein „garstig Lied“ sei und den Charakter verderbe. Es dient vielen Bürgern als Vorwand, sich nicht mit dem angeblich „schmutzigen Geschäft“ der Politik abzugeben und sich der Demokratie zu verweigern. Das Schimpfen auf „die da oben“ hat Hochkonjunktur. „Politikverdrossenheit“ greift um sich und zeigt das große Unbehagen gegenüber bestimmten Defiziten der Demokratie. I. Zur neuen Wertedebatte In Deutschland bahnt sich wieder eine neue Wertedebatte an. Jedenfalls plädiert eine große Mehrheit der deutschen Führungskräfte in Politik und Wirtschaft für eine stärker „an Werten“ ausgerichtete Politik. Nach Auskunft des Allensbacher Instituts für Demoskopie halten es neun von zehn Befragten unserer Eliten für notwendig, politische Entscheidungen stärker mit Werten zu begründen. Aber mit welchen? Und wozu? Über Werte redet man gern und oft, wenn sie einem abhanden gekommen sind. Dann stellt sich die „ewige Wiederkehr“ der Werte als periodische Wiederholung des öffentlichen Redens über Werte heraus. Man redet dabei über alles, was einem persönlich gerade wertvoll erscheint. Aber gerade dieser verwirrende Überfluss an subjektiven Wertschätzungen läuft auf einen Verlust objektiv verbindlicher Werte hinaus. Dieser wird zunächst als Vertrauensverlust wahrgenommen. Geschwunden ist namentlich das Vertrauen in die politische und wirtschaftliche Elite, die diesen Verlust natürlich am meisten beklagt und durch verstärkte Wertebeschwörung zu kompensieren versucht. Um welche Werte geht es hier? Schon in den siebziger Jahren hatten wir eine „Grundwerte-Debatte“, die sich unterschwellig auch nach der Wiedervereinigung fortsetzte. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob und wieweit der demokratische, weltanschaulich neutrale Rechtsstaat auch für den Bestand der moralischen Grundwerte Verantwortung zu tragen habe. Diese Frage wurde damals von der Mehrheit der Parteien und Wähler eher verneint. Dies hing wesentlich mit dem sogenannten „Wertewandel“ zusammen, über den seit den 80er Jahren eine breite Diskussion entstand, die immer neue Auflagen erfuhr angesichts fortschreitender Individualisierung der Gesellschaft.
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Solche Debatten deuten darauf hin, wie umstritten die metaphysischen, religiösen und moralischen Werte sind, die unsere Gesellschaft zusammenhalten sollen, wie ratlos die Leute, wie orientierungslos vor allem die Führungskräfte inzwischen geworden sind. Von einem „klaren Wertekoordinatensystem“ (Renate Köcher) kann de facto keine Rede sein, auch wenn ein verbindlicher Wertekanon von vielen ersehnt wird. Freilich hat sich in vielen westlichen Demokratien jener „Relativismus“ der Werte verfestigt, den Papst Benedikt XVI. beklagt und überwinden will. Die Gefahr einer „Diktatur des Relativismus“ scheint sich auch auf die politische Ebene zu erstrecken und die Demokratie als Staatsform zu erreichen. Die politische Ethik im christlichen Kontext einer wertgebundenen Demokratie steht heute vor einer zweifachen Herausforderung. Einerseits muss sie sich von jenen wertrelativistischen Tendenzen abgrenzen, die allein in der Mehrheitsregel ein Instrument zur Ermittlung und Durchsetzung von moralischen (und rechtlichen) Verbindlichkeiten erblick. Zum anderen muss sie sich von jenen religiös-wertfundamentalistischen Positionen distanzieren, wie sie heute verstärkt in islamischen Ländern auftreten und eine freiheitliche Demokratie nicht zulassen. II. Krisenphänomene Aber kommen wir zunächst auf einige Krisenerscheinungen des demokratischen politischen Lebens in Deutschland zurück, welche die politische Wertfrage aufwerfen. Hierzu zählen u. a. schwindende Wahlbeteiligung, Mitgliederschwund bei den Parteien und mangelndes ehrenamtliches Engagement. Allerdings hat dieser Trend inzwischen fast alle gesellschaftlichen Institutionen erfasst, in denen dann auch das Bewusstsein vorherrscht, von einer allgemeinen Krise erfasst zu sein. An diesem Krisenbewusstsein leiden etwa auch die Kirchen und die Gewerkschaften. Die Ursachen für das schwindende öffentliche Engagement in den westlichen Industriegesellschaften lassen sich in dem ausfindig machen, was Soziologen als „Wertewandel“ und „Individualisierung“ beschreiben, wozu es aber auch schon wieder Gegenbewegungen gibt. Problematischer als der Rückgang des demokratischen Engagements ist wohl das rapide abnehmende Vertrauen der Bevölkerung in die Politik des Staates und der politischen Parteien. Nach repräsentativen Umfragen hat sich die Enttäuschung über alle politischen Parteien in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt. Auch das Vertrauen in alle wichtigen demokratischen Institutionen ist in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken. Was den Verfall der persönlichen Glaubwürdigkeit der Politiker betrifft, so ist das Ansehen dieser Berufsgruppe auf einem Tiefpunkt angelangt. Die am häufigsten mit dem Politikerberuf assoziierten Vorwürfe sind heute: Unehrlichkeit, Bestechlichkeit, Eigennutz, Handlungsunfähigkeit und Unglaubwürdigkeit.
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Dieses Negativ-Image verdanken die Politiker natürlich nicht nur ihrem eigenen Verhalten, sondern auch der Art und Weise, wie ihr Tun und Lassen öffentlich wahrgenommen wird – und wie darüber in den Medien berichtet, gewertet und diskutiert wird. Zweifellos lässt sich in der üblichen Medienberichterstattung ein wichtiger Faktor ausmachen, der das Unbehagen gegenüber den vermeintlichen oder tatsächlichen politischen Übeln noch verstärkt. Seit jeher verstehen sich die freien Medien und die kritischen Journalisten auch als Hüter der öffentlichen Moral und sehen in der Aufdeckung von Missständen eine wichtige Aufgabe. Dieses Rollenverständnis führt aber auch oft zu einem Negativismus, dem die „gute Nachricht“ nicht erwähnenswert – oder die Schilderung der Normalität als langweilig erscheint. Andererseits ist es bei der zunehmenden Komplexität und globalen Interdependenz der politischen Sachprobleme überaus schwierig geworden, dem Publikum ein objektives, differenziertes Bild zu vermitteln, also zur Klärung der Unübersichtlichkeit beizutragen. Die notwendige Reduktion der Komplexität geschieht dann freilich oft auf dem Wege der Simplifizierung und Personalisierung politischer Zusammenhänge nach dem Motto: Warum gleich sachlich werden, wenn es auch persönlich geht. Die Kapitulation vor dem komplizierten Sachverhalt führt leicht zu einer emotionalen und moralisierenden Auseinandersetzung mit Personen. Beim Fernsehen herrscht überdies ein Visualisierungsdruck und Unterhaltungszwang vor, die es kaum zulassen, begrifflich unter die sichtbare Oberfläche zu dringen und die Wurzeln der Probleme auszugraben. Sind die Politiker wirklich so schlecht, wie sie zu sein scheinen oder wie sie gemacht werden, oder sind bloß die moralischen Maßstäbe und Erwartungen zu hoch und einseitig angesetzt? Inzwischen beeilen sich die Politiker, ihr Image moralisch aufzubessern. „Politische Kultur“ ist wieder gefragt, regelmäßig vor allem im Wahlkampf, in dem Stilfragen entscheidend werden können. Dabei reagiert das sittliche Gefühl des Publikums besonders empfindlich auf die Umgangsformen der Politiker, während die moralische Qualität bestimmter politischer Sachinhalte weniger Aufmerksamkeit findet. Man würde sich z. B. viel stärker moralisch entrüsten über einen Finanzminister, der bei einer Steuerhinterziehung ertappt worden ist, als über einen, der eine Steuerreform betreibt, die gravierende Ungerechtigkeiten enthält. Im letzteren Falle liegen die Moral oder ihr Mangel weniger in der konkreten Person als vielmehr in einem abstrakten System, was die moralische Bewertung erheblich erschwert. Denn die Beurteilung eines komplexen Systems setzt zunächst die Kenntnis seiner Funktions- und Wirkungszusammenhänge voraus, bevor man moralische Kriterien der Gerechtigkeit und Solidarität anwenden kann. Gleiches gilt für die politischen Strukturprobleme, die uns heute besonders bedrängen, etwa die hohe Arbeitslosigkeit, die Erosion der Sozialversicherungen, die Standortfragen der Globalisierung – oder die wachsende Korruption. Diesen Problem-
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stau, der sich hier seit Jahren gebildet hat, aufzulösen, ist nicht allein eine Frage der persönlichen Moral, der guten Absichten und Gesinnungen, sondern hängt mit komplexen Sachproblemen und umständlichen demokratischen Entscheidungsverfahren zusammen, die kurze Prozesse nicht zulassen.
III. Reale Bedingungen demokratischer Politik 1. Unterscheidung von Glaube und Politik
Wer sich mit politischen Anstandsformen und Sachproblemen moralisch auseinandersetzt, gerät ins bloße Moralisieren, wenn er keinen realistischen Begriff des Politischen und keinen klaren Blick für die realen Bedingungen und Möglichkeiten des politischen Handelns hat. Der religiöse Enthusiasmus und seine säkularisierte Kehrseite als ideologischer Fanatismus haben eines gemeinsam: Sie begünstigen den politisch unbedarften Moralisten, der von der Wirklichkeit abhebt und nach den Sternen der Utopie greift. Für den verantwortlichen politischen Realisten ist es hingegen immer ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, den Himmel auf die Erde herunterholen und das Reich Gottes politisch herstellen zu wollen. Gescheiterte Versuche hierzu hat es in der Geschichte immer wieder gegeben, und man möchte gerne hoffen, dass das Zeitalter der Ideologien, die im 20. Jahrhundert entsetzliche Trümmerhaufen hinterlassen haben, endgültig vorbei sei. Der marxistische Realsozialismus war der Versuch, ein „Arbeiter- und Bauernparadies“ hervorbringen zu wollen, eine Art säkularisiertes Reich Gottes auf Erden, in dem aber der Mensch als Kollektiv die Stelle Gottes einnehmen sollte. Konstitutiv für einen christlich geprägten, abendländischen und freiheitlichen Politikbegriff ist die Unterscheidung der „zwei Reiche“, des göttlichen und des weltlichen, sowie die Bescheidung des Politischen auf den weltlichen Bereich, der immer nur ein mangelhaftes Provisorium bleibt. Diese erste abendländische Gewaltenteilung entwickelte sich vor allem seit dem „Investiturstreit“ (1077, Gang nach Canossa: Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII.) und hat überhaupt erst eine freiheitlich demokratische Ordnung in Europa ermöglicht. Sie bleibt die Grundvoraussetzung für eine nicht-totalitäre politische Form. Werden diese beiden Bereiche miteinander vermengt, entsteht ein explosives Gemisch, das wir heute als Fundamentalismus in weiten Teilen der islamischen Kultur kennenlernen. Gerade weil sich religiöse Hoffnung auf das politisch nicht machbare ewige „Heil der Welt“ bezieht und sich auch nicht mit der ideologischen Vision einer „heilen Welt“ ersatzweise abspeisen lässt, kann sich demokratische Politik darauf beschränken und konzentrieren, eine staatlich-rechtliche Gemeinwohlordnung verantwortlich nach jenen Werten zu gestalten, die für alle Menschen, auch die Nichtgläubigen, gelten. Nach einem solchen Politikverständnis kann es nicht um die endgültige Realisierung letzter Glaubenswerte
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gehen, sondern immer nur um vorletzte Werte, die der sittlichen Vernunft aller Bürger zugänglich sind. 2. Politische Machtfragen
Konkrete Wirkung zeitigt dieser Einsatz für das zeitliche Wohl aller freilich nur auf dem Wege der „Macht“, etwas zu bewegen. Ob sie „von unten“ oder „von oben“ ausgeübt wird: Ohne Macht in irgendeiner Form lässt sich keine Politik machen, und wer als Moralist die Macht für etwas in sich Unanständiges hält, muss auf Politik verzichten, ohne ihr entrinnen zu können. Denn ein Vakuum der Macht zieht vor allem jene an, die sie missbrauchen. Allerdings ist in einer freiheitlichen Demokratie die politische Macht vielfältig geteilt und kontrolliert. Sie ist hierzulande so weit eingeschränkt, dass es wegen der föderalistischen Verfassung oft zu gegenseitigen Blockaden von Bundesrat und Bundestag gekommen ist. Und unser Wahlrecht enthält einen eingebauten Zwang zu Koalitionen, mithin also einen Zwang zu dauernden, oft langwierigen und faulen Kompromissen, die eine klare Wertausrichtung und konsequente Durchsetzung der Regierungspolitik erschweren. Wer als einzelner Politiker kann heute noch machtvolle Entscheidungen treffen, souverän und maßgebend? Politikwissenschaftler haben inzwischen auf die „Sündenbockfunktion der Politik“ aufmerksam gemacht. Dem Politiker bleibt oft nur noch die Rolle dessen, der „Verantwortung trägt“, während die eigentlichen Entscheidungen in anonymen Gremien der Bürokratie, der Wissenschaft und der Interessenverbände gefällt werden. Hier werden ständig neue Kommissionen, Räte, Bündnisse und Ausschüsse gegründet, die meist die Probleme nicht lösen, sondern durch Kompromisse verdecken oder auf die lange Bank schieben. Wenn sich die Ebenen von Entscheidung und Verantwortung derart voneinander entfernen, lässt sich eine erheblich verminderte persönliche Verantwortungsfähigkeit „der“ Politiker vermuten. 3. Kampf der Interessen
Dieser Umstand verdankt sich nicht zuletzt dem massiven Einfluss, den mächtige Interessenverbände auf die politischen Verantwortungsträger und Instanzen ausüben. Nicht die oft aufgebauschten Einzelfälle von Korruption sind hier das moralische Hauptproblem, sondern das Drohpotential einer möglichen Leistungsverweigerung und eines Loyalitätsentzugs. Arbeitgeberverbände können mit Investitionsverweigerung drohen und die Gewerkschaften mit Streik. Konfliktbereiten Interessenverbänden stehen sehr wirksame Waffen zur Verfügung, die sie gegen die demokratische Regierung richten können. Somit zeugt es schon fast von einer heroischen Moral und der Richtigkeit eines Vorhabens, wenn sich Politiker gegen den kompakten Widerstand der Interessenverbände
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durchsetzen und sich zum Anwalt derer machen, die kaum organisierbar und damit schwach vertreten sind: die Arbeitslosen etwa, oder Hausfrauen und kinderreiche Familien, auch Ungeborene und Behinderte. Sie können ihre berechtigten Belange kaum öffentlich artikulieren und machtvoll zur politischen Geltung bringen. Die Politik ist also vom Kampf der Interessen durchdrungen und hart vom demokratischen Wettbewerb um die Macht geprägt. Unter diesen Umständen ist sie also eine „res dura“, eine harte Angelegenheit, und begünstigt bestimmte Verhaltensweisen, die moralisch zweifelhaft sind: Wie etwa den Egoismus der Gruppen, das Denken in Kategorien von Freund und Feind, aber auch eine Mehrheitsgläubigkeit, die keine Rücksicht auf die Rechte von Minderheiten nimmt. Offensichtlich erschwert schon der ständige Zwang zum Kompromiss eine reine und glaubwürdige Darstellung von moralischen Werten in der Politik.
IV. Moralische Wertkriterien Dennoch ist die moralische Frage unverzichtbar. Sogar der Machttheoretiker Machiavelli kam ohne Moral nicht aus, wenn er sie auch vor allem zur Bemäntelung fürstlicher Macht empfahl. Der Fürst, so meinte er, müsse nicht moralisch sein, sondern nur so erscheinen. Diese nicht nur in der Renaissance weitverbreitete Praxis stößt jedoch regelmäßig auf den Widerstand derer, die sich ein sensibles moralisches Gewissen bewahrt haben – oder selber Opfer politischer Willkür geworden sind. Wie jedes menschliche Handeln muss sich auch das politische, das nicht nur technische Sachfragen betrifft, moralisch bewerten und gestalten lassen. Aber was sind und woher beziehen wir die maßgebenden Wertkriterien und Tugenden? Vor allem können sich Christen nicht mit einem gängigen Wertrelativismus anfreunden, der seine Kriterien aus einem jeweils demoskopisch erhobenen „Wertewandel“, einer bloßen Mehrheitsentscheidung oder einem gängigen Zeitgeist bezieht. So lässt sich, um zwei extreme Beispiele zu nennen, der Archipel Gulag nicht mit dem Hinweis auf den revolutionären Wertewandel von 1917 entschuldigen; oder gar Auschwitz mit dem gewandelten Zeitgeist von 1933 relativieren. Die Moral fragt nicht nach der „Normativität des Faktischen“, sondern fordert die Faktizität des Normativen. Und das ethisch Normative lässt sich nicht begründen auf das, was zufällig und empirisch greifbar vorhanden ist, sondern bezeichnet das Gute, das sein sollte. Die moralische Unterscheidung ist die zwischen „gut“ und „böse“ bzw. „schlecht“. Diese Unterscheidung setzt freilich einen orientierenden und Halt gebenden Maßstab voraus, der dem Wandel des Zeitgeistes und den Modeströmungen einigermaßen enthoben ist. Solche Maßstäbe finden sich in den geschichtlichen Erfahrungen eines Volkes, einer Kultur, aber auch und vor allem
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in den religiösen Traditionen und Glaubensgemeinschaften. Moralische Imperative spiegeln sich auch im unverfälschten Gewissen eines jeden Menschen, der spätestens dann, wenn er sich selber als Opfer böser Machenschaften erfährt, zu ahnen beginnt, was eigentlich für alle positiv gelten sollte. Wer die Existenz universaler moralischer Werte anerkennt, wird das Ethische nicht mit dem Ästhetischen verwechseln können. Moralische Verantwortung achtet nicht bloß pragmatisch darauf, „was ankommt“, sondern fragt danach, „worauf es ankommt“, damit das Leben aller Menschen gelingen kann. Diese bis heute umstrittene Grundfrage läuft für Christen auf die Alternative hinaus: Soll man sich an eine religiös begründete Moral halten, die nur für die Gläubigen gilt, aber doch gesamtgesellschaftlich-politisch wirksam werden soll? Oder soll man sich an ein allgemeingültiges Sittengesetz halten, das in der praktischen Vernunft bzw. im Gewissen verankert ist? Relativ unproblematisch, weil sowohl biblisch bezeugt als auch vernünftig einsehbar, ist das politische Handeln nach der „Goldenen Regel“: Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu. Dasselbe hat Immanuel Kant mit seinem „Kategorischen Imperativ“ zum Ausdruck bringen wollen. Auf breite Zustimmung stoßen auch in einer säkularisierten Gesellschaft die Zehn Gebote, die für Juden, Christen und (eingeschränkt) auch für Muslime verbindlich sind – und so etwas wie eine „geronnene Menschheitserfahrung“ darstellen. Aus diesem Grunde haben vor einigen Jahren die katholischen und evangelischen deutschen Bischöfe in einer gemeinsamen Stellungnahme die Zehn Gebote für die Politik konkretisieren können. Anders steht es freilich mit einigen radikalen und rücksichtslos klingenden Forderungen der „endzeitlichen“ Ethik Jesu, die sich nicht als soziale oder politische Ethik versteht und auch keine allgemeine Gesetzesethik darstellt. So lassen sich etwa die Gebote des Schuldenerlassens und der grenzenlosen Vergebungsbereitschaft – wie auch die Verbote des Zürnens, des begehrlichen Blickes, des Schwurs, des Widerstandes und der Ehescheidung nicht als politische Normen verallgemeinern oder gar mit rechtlichen Zwangsmitteln durchsetzen. Denn diese Anforderungen richten sich an einzelne Gläubige, die ihnen nur entsprechen können, wenn ihr Handeln zuvor durch Gnade ermöglicht wurde. Eine Politik, die auf Glaube und Gnade aufbaut, ist vielleicht in einem Kloster möglich, aber auch dort nur eingeschränkt. Das politische Ordnungshandeln in einer weitgehend säkularisierten und pluralisierten Großgesellschaft kann sein Maß nicht an der Bergpredigt nehmen, mit der sich, wie Bismarck bemerkte, kein Staat machen lässt. Wie verderblich für die Politik und wie diskreditierend für den Glauben sich eine politisch-fundamentalistische Glaubensethik auswirken kann, wird gegenwärtig in einigen islamischen Staaten sichtbar. Aber auch in einigen christlichen (evangelikalen) Kreisen machen sich hier und da Tendenzen bemerkbar, die eine integralistische Vereinnahmung der Demokratie zu betreiben versuchen.
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Was bleibt nun nicht nur für Christen, sondern für alle Bürger in der demokratischen Politik verbindlich – und worin sollen sie sich moralisch bewähren? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Eine allgemeinverbindliche Antwort müsste ziemlich abstrakt ausfallen, ohne andererseits völlig inhaltsleer zu sein. Denn moralisch-normative Werte sollen ja lediglich eine Orientierung bieten und die Richtung anzeigen, in der nach konkreten Lösungen zu suchen ist. Die kommunikative Suche nach für alle tragbaren Lösungen setzt jedoch bereits die allgemeine Beachtung von Grundwerten voraus, ohne die ein gesellschaftlicher Diskurs nicht gelingen kann. Diese Grundwerte müssen der Natur des Menschen entsprechen und dürfen nicht beliebig postuliert werden. Sie sind der Gesellschaft vorgegeben, also Voraussetzungen und nicht erst Folgen einer gesellschaftlichen Kommunikation oder Übereinkunft. Man kann sich z. B. nicht mit anderen über den Grundwert der Wahrheit verständigen, wenn man sich nicht bereits während des kommunikativen Prozesses an die Wahrheit hält. Mit notorischen Lügnern ist eine Verständigung unmöglich. Dasselbe gilt auch für die Grundwerte der Gerechtigkeit, der Liebe (bzw. Solidarität) und der Freiheit. Eine konkrete Vereinbarung über sie ist nur dann möglich, wenn bereits gerechte, solidarische und freie Gesprächsbedingungen herrschen. Diese Grundwerte lassen sich auch als Friedenswerte auffassen, ohne deren Beachtung kein Konsens, kein sinnvoll geordnetes Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft und zwischen den Staaten möglich ist. Neu sind diese vier Grundwerte gewiss nicht. In seiner Enzyklika „Pacem in terris“ (1963) hat Johannes XXIII. seine Friedenslehre auf eben jene Werte aufgebaut: Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit. Sie kommen einem von Kindesbeinen an ziemlich bekannt vor. Schon ein gedeihliches Familienleben hängt nämlich von jenen gelebten Werten und Tugenden ab, die – praktisch eingeübt – zur „zweiten Natur“ werden: Wenigstens als selbstkritische, das persönliche Gewissen schärfende Fragen, die uns den bleibenden Abstand zwischen dem moralischen Anspruch und der oft miserablen Faktizität ständig vor Augen führen. Wenn sie in Frageform vorgetragen werden, entfalten die moralischen Grundwerte ihr notwendig kritisches Potential. Eine Verwechslung mit der vermeintlich „normativen Kraft des Faktischen“ ist dann nicht mehr so leicht möglich. Obwohl von der Französischen Revolution verstümmelt und verbogen, gehören diese Grundwerte zum christlichen und abendländischen Kanon. Andererseits könnte man im Anklang an Heraklit oder Darwin geschichtsmetaphysisch behaupten: Nichts ist beständiger als der Wandel, in dem alles, auch die schönsten Werte, zu zerfließen scheint. Nach der Logik dieses Wertewandels, der das Bewusstsein der Massen prägt, gehört die „Umwertung aller Werte“ zum normalen Spiel jener Kräfte, die ihren individuellen Nutzen maximieren wollen: Aus Wahrheit wird Ehrlichkeit, Gerechtigkeit degeneriert zur Gleichheit, Liebe vermindert sich zu Solidarität und Sex, und Freiheit wird mit Selbstverwirklichung verwechselt.
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Die Rede vom „Wertewandel“ wurde aber schnell trivial, als man die Werte oder Wertvorstellungen, die sich wandelten, nicht mehr klar definieren – und den Wandel der Werte nicht mehr bewerten konnte. Gibt es einen Wertmaßstab, mit dem wir den Wandel moralischer Werte bewerten können? Das müsste ein Maßstab sein, der selber dem geschichtlichen Wandel einigermaßen enthoben, universal und reziprok gültig ist, damit man geschichtliche und kulturübergreifende Verhaltensweisen angemessen beurteilen kann. Gäbe es einen solchen Wertmaßstab nicht, wären Kannibalismus, Kindermord und Folter nicht zu verurteilen. Die klassischen Grundwerte beginnen mit der Wahrheit und geben damit eine „Hierarchie der Werte“ zu erkennen. Allerdings lässt der heutige Pluralismus bereits Schlüsse auf die gängige Behandlung der Frage nach der Wahrheit zu. Die alte Pilatus-Frage „Was ist Wahrheit?“ wird heute meist ausgeklammert. „Postmoderne“ Philosophen scheinen nur individuelle Wahrheiten als subjektive Interpretationen zuzulassen. Und was die wahre Freiheit (Gerechtigkeit, Liebe) bedeutet, ist fraglicher denn je. Dabei ist der Wahrheitsanspruch nicht erst Ergebnis, sondern Voraussetzung jeder Kommunikation. Wie wäre sonst ein Dialog mit dem Islam (und anderen Weltreligionen) möglich? Das Dilemma eines globalen Dialogs in Sachen Grundwerte scheint gegenwärtig kaum auflösbar zu sein. Man kann sich mit „den anderen“ nicht über die wahren Grundwerte verständigen, wenn nicht schon in der Kommunikation diese Wahrheit praktiziert wird. Letztlich sind die Grundwerte in der Menschenwürde – und diese in der Gottebenbildlichkeit begründet – und erhalten von dort her ihr Maß und ihre Verbindlichkeit. In der personalen Würde und Freiheit des Menschen liegt auch der Grund für seine unveräußerlichen Rechte, die allerdings verbunden sind mit den entsprechenden Pflichten, die Rechte anderer zu respektieren. Ob die konkreten politischen Forderungen und Strukturen, die sich auf diese Werte, Rechte und Pflichten berufen, notwendig aus ihnen folgen, kann hier und dort bestritten werden. Es gibt schließlich mehrere Wege, auf denen man ein Ziel erreichen kann – auch Umwege. Dass man sich möglicherweise auf Abwegen oder Holzwegen befindet, stellt sich oft erst nachträglich heraus. Darum gehört die Möglichkeit von Kurskorrekturen und kritischen Einwänden wesentlich zu einer moralisch verantwortbaren Demokratie.
V. Christliche Wertverantwortung Ohne die Beachtung der Werte scheinen Dialog und Kooperation, also der Friede zwischen den Kulturen, kaum möglich zu sein. Die Frage ist schließlich, ob wenigstens die Kirche im globalen Wirrwarr der Werte zur Klärung und Verständigung beitragen könnte.
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Die öffentlichen Bereiche von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden in ihrer krisenhaften Erschütterung gegenwärtig zunehmend mit Sinn- und Wertfragen konfrontiert, auf die der gewöhnliche Pragmatismus keine Antwort zu geben vermag. Auf die vielfältigen Anfragen reagiert der postmoderne Markt der Möglichkeiten mit zahlreichen Angeboten von Sinn und Unsinn, die inzwischen ins Unübersichtliche gewuchert sind und die Orientierungslosigkeit eher noch verstärken. Zweifellos haben sich die religiösen Bindungen der Grundwerte immer mehr gelockert, auch der menschliche Lebenswert ist ins Wanken geraten und hat an Plausibilität eingebüßt. In dieser zu Beliebigkeit und Willkür tendierenden Situation der Pluralität von Wertvorstellungen, die sich auch noch ständig wandeln, haben es die Kirchen nicht leicht, die klassischen Werte und Tugenden zu vermitteln. Ja sie sind gelegentlich selber ratlos und unsicher, den durch sie überlieferten Werten eine zeitgemäße Fassung, eine konkrete Form und einen verbindlichen Ausdruck zu geben. Als Sinnvermittlungsinstanzen haben die Kirchen ernstzunehmende Konkurrenz bekommen, besonders in den elektronischen Bildmedien, die den Lebensstil immer stärker bestimmen. Stellungnahmen der katholischen Weltkirche zu politisch-ethischen Ordnungsfragen sind eher selten. Das hängt gewiss auch damit zusammen, dass das kirchliche Lehramt nicht den Eindruck erwecken will, in die Macht- und Interessensphäre demokratischer Politik autoritativ zu intervenieren und im Streit der politischen Parteien selber zur Partei zu werden. Freilich ist nicht zu verkennen, dass der gesellschaftliche Pluralismus und die politische Demokratie weltweit vor großen Problemen stehen und mancherorts auch krisenhaft erschüttert sind. Die mit den (post)modernen Phänomenen der Individualisierung und Pluralisierung zusammenhängenden Probleme lassen einen Mangel an allgemeinen Sinn- und Wertstrukturen erkennen: Der sinnstiftende Zusammenhang des Pluralismus schwindet und die Grundwerte, von denen die Demokratie lebt und auf die sie ausgerichtet sein soll, geraten in Vergessenheit. Darum ist es sinnvoll und sogar notwendig, dass sich das kirchliche Lehramt zu diesen Fragen äußert und dabei jene Werte in Erinnerung ruft, von denen der Bestand einer menschenwürdigen Gesellschaft auch politisch abhängt. Die von Joseph Cardinal Ratzinger verfasste Stellungnahme der Glaubenskongregation aus dem Jahr 2003 trägt den Titel „Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben“. Sie wendet sich „in besonderer Weise an die katholischen Politiker sowie an alle gläubigen Laien, die zur Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben“ berufen sind, und zwar weltweit. Damit respektiert die Kirche die „Arbeitsteilung“ zwischen Klerus und Laien. Es sind die Laien, die als kompetente Fachleute in konkreten politischen Sachbereichen „autonom“ wirken. Das politi-
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sche Engagement lässt sich freilich nicht von den religiösen und moralischen Grundlagen ablösen. Und besonders von katholischen Politikern ist zu erwarten, dass sie sich nicht rein pragmatisch oder nach Nützlichkeitserwägungen verhalten, sondern ihr Gewissen strapazieren. Das römische Dokument will zur politischen Gewissensbildung anregen und damit die politische Praxis auf grundlegende ethische Orientierungen hinweisen. Es erinnert uns zunächst an Thomas Morus, den Patron der Regierenden und der Politiker. Dieser Heilige richtete sich auch im politischen Leben nach seinem Gewissen – und wurde dafür hingerichtet. Mit seinem Martyrium bezeugte er, dass es auch in der Politik zuweilen um Gewissensentscheidungen geht, die keinen bequemen Kompromiss zulassen. Gegenwärtig wächst die Gefahr eines sehr problematischen ethischen Pluralismus, der auf eine völlige Relativierung und Auflösung zentraler Prinzipien hinausläuft. Angesprochen ist hier der Kernbereich absolut und universal gültiger Prinzipien, die im Glauben wie auch im natürlichen, d.h. der Vernunft zugänglichen Sittengesetz verankert sind. Zu den moralischen Prinzipien, die „keine Abweichungen, Ausnahmen oder Kompromisse irgendwelcher Art zulassen“ zählen vor allem die Verbote der Abtreibung und der (aktiven) Euthanasie. Von daher sollte es eigentlich für Katholiken – und nicht nur für sie – selbstverständlich sein, sich für das „vorrangige Recht des Menschen auf Leben von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende“ (Nr. 4) schützend einzusetzen. Und zwar gerade auch in Politik und Gesetzgebung. Wo der an sich absolut gebotene Lebensschutz auf gesetzlicher Ebene bereits unterlaufen wurde, bleibt es freilich erlaubt, auf dem Weg des parlamentarischen Kompromisses zu einer Schadensminimierung beizutragen. In der aktuellen bioethischen Debatte kommt es vor allem auf den Schutz menschlicher Embryonen an, die nicht als bloße Objekte wissenschaftlicher Forschung und medizintechnischer Verwertung herabgewürdigt werden dürfen. Unaufgebbar sind überdies die naturrechtlichen Forderungen, Ehe und Familie zu schützen, das Erziehungsrecht der Eltern zu wahren, die Religionsfreiheit zu gewährleisten sowie den Frieden zu fördern. Hierbei handelt es sich keineswegs um „konfessionelle Werte“, die nur für Katholiken oder Christen gelten und die in der „Laizität“ einer säkularen pluralistischen Gesellschaft bedeutungslos wären. Vielmehr lebt auch die Autonomie der politischen Sphäre, um menschlich zu bleiben, von der Anerkennung jener prinzipiellen Wahrheiten, die im menschlichen Wesen, d.h. im natürlichen Sittengesetz aufleuchten. Diese Wahrheiten sind der beste Schutz gegen Utopien und Ideologien, die schon in den letzten Jahrhunderten soviel Unheil angerichtet haben. Sie verpflichten namentlich die Katholiken, die nicht nur privat, sondern auch öffentlich und politisch, nicht nur in ihren konfessionellen Gruppierungen, sondern in ökumenischer Öffnung und Zusammenarbeit für diese Wahr-
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heit Zeugnis ablegen. Es ist die Wahrheit, die uns frei macht. Dadurch können wir einen wesentlichen Beitrag zur Sinnerfüllung des Pluralismus und zur Bewältigung gegenwärtiger Krisen leisten. Angesichts wachsender Korruption, Gewalt und Willkür glauben viele Politiker, besonders in Deutschland, den Mangel an persönlicher Moral durch zunehmende Verrechtlichung des gesellschaftlichen Lebens auszugleichen. Der rechtliche Zwang führt aber zur Einengung persönlicher Freiheits- und Verantwortungsspielräume. Wenn mangelnde Moral durch zwingendes Recht ersetzt wird, leidet die Freiheit, die eine wesentliche Grundlage des moralischen Handelns bildet. Die besten rechtlichen Strukturen und politischen Ordnungen können zu Grunde gehen, wenn die einzelnen Subjekte nicht mehr freiwillig tugendhaft handeln. Die Korruption der politischen Moral beginnt im lasterhaften Verhalten der Bürger. Ohne gemeinwohlbewusste, moralisch engagierte Demokraten gibt es keine Demokratie, die sich ethisch legitimieren ließe. Die Annahme jedoch, bei den Berufspolitikern handele es sich um die negative Auslese einer Bevölkerung, die sonst nur aus Tugendbolden besteht, ist kaum haltbar. Wie viel Moral sich ein Politiker leisten kann, hängt nicht zuletzt von den wertbewussten Bürgern und Wählern ab. Heilige in der Politik sind ziemlich selten, also Persönlichkeiten wie Thomas Morus und Nikolaus von der Flüe. Leider sind Politiker, nüchtern betrachtet, eher Abbilder als Vorbilder einer Gesellschaft, die sie demokratisch gewählt hat. Insofern scheint jedes Volk die Politiker zu haben, die es verdient – und jene Form der Demokratie, die zu ihm passt. Um so notwendiger wäre ein kritisch-konstruktives Korrektiv namens Kirche, die innerhalb der Demokratie für jene moralischen Werte wirkt, welche die Demokratie auf Dauer stabilisieren, die aber die Demokratie nicht selber hervorbringen und garantieren kann. Zusammenfassung Einige konkrete Demokratieprobleme haben eine neue Debatte um politikleitende moralische Werte provoziert. Hier steht die christliche politische Ethik vor einer doppelten Herausforderung: 1. Wertrelativistische Tendenzen, die allein im Diskurs und mit der Mehrheitsregel moralische (und rechtliche) Verbindlichkeiten ermitteln wollen. 2. Religiös-wertfundamentalistische Positionen (Islamismus), die eine freiheitliche Demokratie nicht zulassen. Die Katholische Soziallehre bietet eine Alternative an, indem sie zwischen Glaube und Politik unterscheidet und die Sphären der Macht und der Interessen mit moralischen Werten und Sozialprinzipien vermittelt, die als biblisch kompatibel, vernünftig erkennbar und universalisierbar gelten können. Vor allem sind es die Grundwerte der Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe (Solidarität) und Freiheit, die zum Gelingen des Diskurses und zur Sinnerfüllung der Demokratie führen.
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Summary Some specific problems of democracy have provoked a new debate concerning moral values applicable to public policy. Clearly, Christian political ethics is confronted with a double challenge – i. e., the adoption of: 1. principles based on majority sentiment tend to weaken a sense of absolute values, and 2. religious fundamentalists positions (Islamism) that do not permit a liberal democracy. The social doctrine of the Church offers an alternative insofar as it distinguishes between faith and policy and provides spheres of power and interests with moral values and social principles as we can find them through rational inquiry and through Sacred Scripture. After all, truth, justice, solve (solidarity), and freedom are the fundamental values which make discourse possible and contribute to democracy.
Authority and the Common Good in Democratic Governance By William A. Frank Democracy carries in a fragile vessel the terrestrial hope . . . of humanity. Jacques Maritain
As a type of government, democracy has assumed a variety of concrete historical forms. For instance, the direct participatory democracy of ancient Athens differs markedly from the representative democracy of a constitutional republic such as the United States of America. In general, the particularized forms of political regimes are not so much natural types as inventions of art and reason worked out in historical circumstances. Much like the historical architectural forms we find in the buildings (namely, the homes, churches, and public institutions) and in the passage ways (such as the streets, bridges, and public squares) that embody the settlements in which we dwell, actual political structures are historical conventions that subsist in traditions shaped by creative choice. Though it is man’s natural destiny to dwell in community, the history of his governance does not come about by natural necessity. Aristotle was right when he said man is by nature a political animal;1 it is no mere contingency that men dwell together in communities. But the form of that togetherness, at least at the most inclusive level of the city or nation-state, is not given along with the common end. Democracy is one of the historical alternatives. Democracy itself has assumed many different forms, and there is no reason to think that the democratic impulse in human governance has exhausted the historical possibilities for new structures.2 1
Politics 1.2; 1253a2. Contemporary efforts at democratization around the globe have generated an enormous literature on the identity and development of democracies. I have found the following studies helpful: Robert Dahl, Democracy and Its Critics (New Haven and London: Yale University Press, 1989), Samuel P. Huntington, The Third Wave: Democratization in the Late Twentieth Century (Norman and London: University of Oklahoma Press, 1991), and Larry Diamond and Marc F. Plattner, eds., The Global Divergence of Democracies (Baltimore and London: The Johns Hopkins University Press, 2001). For an insightful philosophical account of how modernity has transformed democracy see Pierre Manent, A World beyond Politics? A Defense of the Nation-State, trans. by Marc LePain (Princeton and Oxford: Princeton University Press, 2006). 2
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Despite the different ways that the details are worked out and the many qualifications that are built into the actual practice, democratic governments rest upon an identity between those who are governed and those who govern. Abraham Lincoln’s expression, “government of the people, by the people and for the people,”3 captures the point nicely. The identity obtaining between those who are ruled and those who rule is constituted in the various ways that participation and representation are expressed in the practice of governance. In the direct participatory practice of ancient Athens, for instance, the idea of self-governance is evident: it is the same individuals who follow the laws that make, administer, and adjudicate the laws. In more representative democracies of the modern sort, the identity continues, even if it is attenuated, by the fact that representatives are elected to governing offices by those who are governed. It is the purpose of this essay to reflect upon the interesting kind of identity that is forged in the activity of political participation and representation particular to democracy. In what follows we shall see how two essential principles of any government, of government as such – namely, the common good and authority – are mediated by the roles participation and representation play in democratic practice. In the end, we shall come to see how much the vitality – and fragility – of democracies rest upon the bonds of trust that exist among members of the democratic community. I. It is helpful to see democracy’s distinctive identity as a response to the broader, general necessities of government as such. In these first two sections we leave off a direct consideration of democracy and turn to a general consideration of essential principles of government. Our starting point is the empirical observation that men everywhere, and as far back as historical memory takes us, live in communities. Aristotle seems to say as much when he remarks that man is by nature a political animal. He understands that our societies are different from the hives of bees or the packs of wolves. Human societies are formed in, and sustained by, the exercise of practical reason and public speech. Among communities there is a continuum of scale and adequacy: from the extended family to the tribe or clan, to the village, and to the larger more complete political society.4 In this essay, our thoughts are chiefly keyed to the larger, complete societies of the polis or nation-state. Thomas Aquinas observes that “government is nothing other than the directing of things governed to the end.”5 His simple phrase draws our attention both 3 4
Gettysburg Address, November 11, 1863. Politics 1.2; 1252a24–b35.
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to directing, which is a kind of ordering reason that speaks with authority, and to the end, typically designated the common good. Authority and the common good are the most essential concepts in the understanding of the nature of government.6 The common good is an end to be achieved in an actual, concrete situation of a political society. Authority is practical reason that directs resources toward that shared end; it gives form and direction to common action for the sake of a common end. Common Good. In order to view the living whole of a political society, it is helpful to envision it engaged in some united action. Such common action requires unifying bonds interconnecting subsidiary elements of the society. The connecting bonds are instituted and sustained by some sort of reason and volition. Political unities do not “just happen;” they are considered, decided, and maintained. A thought-experiment might help make this point. Imagine a settlement existing as a mere sum or collection of autonomous social units, say, families, business corporations, churches, each of which, as it were, governs itself relative to the respective limits of the household, the factory, or the worshipping congregation. Who in that settlement is responsible for protection, for standards of equity and justice in exchanges, for maintaining means of transportation and commerce, none of which are immediate concerns of the household, the corporation or the church? A moment’s reflection reveals confusion in this imagined scenario. It begins with a settlement that has distinct units – families, business corporations, churches, as I have imagined it. In other words, it posits an articulated settlement in the absence of a common good. The problem is that settlements arise in the first place only in the effort to achieve the common good.7 There is something absurd about trying to depict a settlement without the conditions for there being a settlement in the first place. In other words, the collection of elements that we have imagined as just being there, like the raw 5
Summa theologiae I, q. 103, a. 3. In the following exposition I follow closely Yves Simon’s “Philosophy of Democratic Government” (Chicago: University of Chicago Press, 1951). Some of the following themes are discussed in my “Authority As Nurse of Freedom and the Common Good,” Faith and Reason 16 (1990): 371–386. 7 Although the notion of the common good finds little favor in liberal political philosophies that are based on contract theory, the political theory developed in the Aristotelian and scholastic traditions is central to Catholic social teaching. One of the more sustained defenses of the importance of the common good in the twentieth century is Charles De Koninck’s “De La Primauté Du Bien Commun Contre Les Personalistes” (Québec: Éditions De L’Université Laval; Montéral: Éditions Fides, 1943; an English translation by Sean Collins is published in: The Aquinas Review 4 (1997): 1– 132. For recent discussions of the common good see V. Bradley Lewis, “The Common Good in Classical Political Philosophy,” Current Issues in Catholic Higher Education 25:1 (2006): 25–41; Thomas V. Smith, “Aristotle on the Conditions for and Limits of the Common Good,” American Political Science Review 93 (1999): 625– 636; and Mark C. Murphy, “The Common Good,” Review of Metaphysics 59 (2005): 133–164. 6
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materials for the construction of a house, in fact materialize as functioning elements within a totality or whole. The common good is the end, in virtue of which the settlement or community strives for its structural and functional totality. The “whole” intended here is human life, in its completeness, to the degree it is realistically or practically possible. The common good is not just one more, last element alongside other elements in the community. It is not the addition of a final institution or governmental office. The structural elements or components of a community would simply have incomplete meaning apart from the common life that they support. The common good is present to the degree that the human life that transpires in a community is complete. The effort to imagine the material elements of a human settlement, its institutions and offices, existing in the absence of the governing meaning of the common good, attempts an interesting kind of logical impossibility. It wants to speak about an organized entity but not allow any sense of the ordering principle to enter into the topic at hand. It would be like trying to imagine making moves in the game of chess without knowing the rules of the game.8 The common good works as a final cause, or what Aristotle understands as a telos. Given the confusion over the meaning of teleology, it is useful to cite Francis Slade’s explanation of the difference between end (telos) and purpose. “End as a translation of telos means what a thing will be that has become fully determined in its being, the defined, the complete, a condition of perfection, completion, fulfillment. End, as telos, signifies a continuing state of perfectedness. . . . [It] does not mean purpose. . . . Purposes are motives, ‘motor’ propelling actions of various sorts. The words motive and purpose are words that denote something possessing an exclusively ‘mental existence,’ whose being is in consciousness. Ends, on the other hand, are characteristic of all kinds of things. . . . Ends are not executed by agents. Purposes require agents. ‘Man’ has an end; individual men have intentions and purposes in executing actions.”9
8 To use another analogy, it would be like trying to make sense of the words, lines, or stanzas of a poem without reading them for their meaning. In this comparison, the meaning of the poem – what we most achieve in our reading – is analogous to the common good of a community. The poem’s meaning is the reason for the appearance of its material elements; similarly, the material elements of a community simply would not be there at all, or at best only incompletely, if not in the service of some particular form of common life. The logical principle cited here is discussed by GianCarlo Rota, “Fundierung as a Logical Concept,” in his Indiscrete Thoughts, ed. by Fabrizio Palombi (Boston, Basel, Berlin: Birkhäuser, 1997), 172–181. 9 “On the Ontological Priority of Ends and Its Relevance to Narrative Arts” in: Beauty, Art, and the Polis, ed. by Alice Ramos (Washington D.C.: American Maritain Association, 2000), 58–59.
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Applied to the case at hand, the common good is an end of community life given by nature. As a species, man does not choose to live in political communities. We may in fact live in imperfect or incomplete communities, some individuals could in principle “opt out” of society, and there may be cases of human deprivation in which civic development is arrested at the level of the household or clan. But these cases are understood as privations against the backdrop of the more perfect and normal condition of life in civic wholes such as the polis or the nation-state. However, as we observed earlier, the end does not materialize through the forces of natural necessity. To the contrary, it is achieved only by human action, and hence needs must become a governing purpose of action by which a community establishes those institutions and laws ordered to the common good. A more substantive description of the common good would include, at a minimum, security and general prosperity. These goods are founded on material necessities realized in systems of transportation, business and commerce, public health, diplomacy and defense, utilities of water and energy. No body politic is secure or prosperous without there being a healthy “hum” to such operations and activities. There are also spiritual elements of the common good, which are realized in a society’s educational institutions and its maintenance of its cultural, religious, artistic, and historical traditions. People find meaning in life by involvement in the elements of their spiritual heritage. Through its art, religion, culture, and history, a people find their identity. These elements of social life keep before a people their origins and aspirations. Among the non-tangible common goods we must also include systems of justice and governance. No society would be thought complete without the vital presence of the kinds of goods we have listed.10 Nor are these goods particular or private. The common good cannot be reduced to either a particular or a material good. It is a form that pertains to a whole that consists of parts. It belongs equally to each member of the social unit to which it belongs and is aimed at the fulfillment of each participant. It is not food, but the order of a society that provides for production and marketing of agricultural products. It is not this school, those books, or these scholars, but the end or goal of education and personal development to be achieved through them. It is not that museum, those dances, or these ceremonies, but the culture expressed, sustained, or cultivated through them. In other words, the common good is an animating function of the individuals active in society and the various particular institutions or laws that condition a society as a whole. What we must now look at is the source or cause that realizes the animating function in a given society or body politic. 10 See Jacques Maritain’s comparable description of the elements on the common good in his Person and the Common Good (New York: Scribner’s, 1947), 42–44.
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II. Authority. Two things are needed in order for this end to be actualized, namely, motivation and direction. The people or the assembled social units must have a common desire for this end. They must also have a unified plan for common action. In short, they must be moved to the end, and they must settle on specific means to the end. It is the work of authority to articulate the common desire and to determine the unified means for the action that realizes the common good. Authority, then, is the efficient cause behind the formation of the ultimate “whole,” the living corporate identity of civil society. Any well informed and rightly intentioned member of society would desire those goods that perfect the body politic; it is in fact incumbent on any responsible citizen. Yves Simon calls this kind of desire the formal volition of the common good. Governing personnel (whether citizens in assembly or elected officials) are obliged to will the common good with a more focused, more intent interest. It is their duty to draw from an understanding of the ends of political society concrete practices and policies suitable for the realization of the desired end. Simon refers to this effective desire as the material intention of the common good.11 The concept of authority is not yet fully established. After all, one can imagine a homogenous community of intelligent, informed, virtuous individuals gathered for the purpose of passing laws on matters that affect the lives of the whole society. For example, whether to wage war, extend suffrage, or restrict immigration would be specific political issues. We might go on to imagine that all of those assembled equally desire the contribution to the common good represented by the proposed law. The scenario furthermore requires we imagine the assembly’s deliberations conclude in the unanimous recognition of a uniquely determined means to the end they all hold concretely in view. It depicts the community at the level of the largest totality – the city or nation-state – acting in unanimity of desire, judgment, and decision. In this scenario, no authority shows itself, since it is obviated by the unanimity of both attentive concern for the common good and choice of means to its ends. The main point is to emphasize that authority becomes necessary only when members of a society lack unanimity in their concern for the common good.12 The lack of unanimity can be due to any number of deficiencies on the part of community members – typically some combination of apathy, weak practical intelligence, inadequate knowledge, dominating shortsighted or private interests, and the bad will of greed, pride, or envy. But deficiencies do not alone give rise to authority. In practical reality, equally intelligent, informed, virtuous par11 On the distinction between the formal and material intention of the common good see Simon, 36–48. 12 Simon, 29–33.
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ticipants in a common venture can fail to arrive at unanimity due to the abundance or plentitude of acceptable means to the same end. Authority also becomes necessary when the modality of government shifts deliberative, decisive power away from the direct execution of the people to specific governing personnel, rulers, if you will, who are but a small fraction of those who are ruled. The criteria for determining rulers will differ by regime. In the case of modern democracies, the ruling officials are elected and charged with representing their constituents. Rulers in monarchies, aristocracies, and oligarchies are otherwise determined. But the important thing to keep in mind is that authority enters into the picture when effective unanimity among the totality of those ruled is not forthcoming for the sake of unity of action. Two kinds of authority: paternal and essential. There are two kinds of authority, which Yves Simon distinguishes as “paternal” and “essential.”13 The paradigm instance of paternal authority is the action of a father who directs the activities of his family and its members, supplying their want of right judgment and desire with his own, in order that the household will achieve its ends. It is understood that in the process of maturation those who now must play their part in obedience eventually will acquire their own capacity for self-governance. The idea of such authority is not limited to the governance of the father in the family, but extends to certain kinds of governance in social units of any scale. Paternal authority is marked by two features. First of all, it is substitutional, in the sense that it is meant to disappear when those subject to authority mature. Until the subject reaches his majority, the judgments of the authority figure substitute for the subject’s personal, autonomous judgment. Secondly, it is pedagogical, meaning that it works for the goal of autonomy by communicating the habits necessary for independence and equality among citizens who have reached their majority. It aims at equality and the dismantling of a hierarchy explicit in the distinction between ruler and ruled. Some form of deficiency generates the need for paternal authority. For instance, in a complete political society, some subsidiary body might fail, and so the authorities of the state intervene until the subsidiary entity regains its relative autonomy. Yves Simon imagines the example of a state taking over a failed city school system, in order to restore it to its autonomy. The key point to remember is that “the function of paternal authority . . . is animated with the dynamism of autonomy.”14 Insofar as a political government exercises paternal authority it governs best when it governs least. Respect for such autonomy belongs to any just regime, democratic or otherwise. The notion of self-governance ingredient in the identity of democracy is not the same as liberation from paternal authority.
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On the distinction between paternal and essential authority see Simon, 7–33. Simon, 15.
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The essence of democratic rule, therefore, is to be found beyond considerations of paternal authority. The second kind of authority Simon calls “essential” authority. It is not fundamentally based in deficiencies among members of a given community. There are, in fact, reasons for authority that are due to human perfections and the intrinsic nature of the world of action. As we observed earlier, failure to arrive at unanimity can be a function of a plentitude of being. It can happen in circumstances where different minds, equally intelligent, experienced, and well intentioned, anticipating future action, differ as to the best means toward their common purpose. In addition, the indeterminate reality of the future and the complex of non-deterministic variables that figure into the means to the anticipated common action mean that there can be no certainty in judgments of practical reason. In these circumstances, practical judgment need not command universal assent on the basis of the evidence, even among discerning and objective audiences. And yet, common life requires common action, which in turn requires unity of judgment. Authority decides. There is also a second justification of essential authority. It would be wrong to think that authority’s reason, whose functions we have identified as the intention and volition of the realization of the common good of a political society, is necessarily calibrated to directing the internal governance of the subsidiary units of the body politic. It is not meant as a replacement for the local prudence, for instance, of parents in a family or the CEO of a private corporation. Respect for the relative autonomy of a nation-state’s subsidiary units – its families, churches, corporations, cities and counties – is itself part of the common good. As we noted above, this is not to deny justified instances of intervention of higher authorities when subsidiary units fail. The unique, irreplaceable roles that subsidiary units play in the political economy require their restoration to healthy autonomy when they are found seriously dysfunctional. Particular interests and goods thrive because subsidiary agents devote their energies and talents to them. Parents raise their children; teachers teach; entrepreneurs create goods and services; pastors shepherd their flocks. They can do this not only because higher government respects their autonomy, but because they need not divert their energies and talents to providing for the material elements of common good. Essential authority nurses the freedom and relative autonomy of judgment and action at subsidiary levels. Authority’s claim. A final point further clarifies the role that authority plays in fashioning the “being together” of a political society. The issue can be put best with a question: In a political society, why do those who are ruled obey their rulers? Here we are not really concerned with what Natan Sharansky15 15 The Case for Democracy: The Power of Freedom to Overcome Tyranny and Terror (New York: Public Affairs, 2004).
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calls “fear societies,” in which government authorities appropriate to themselves virtually all power and responsibility in a society and rule by the coercive forces of fear and intimidation. Fear societies are not political in the sense that rulers govern politically through public speech and reason and with the consent of the governed, however variously that consent is construed. Jean-Jacques Rousseau put the point at issue in a memorable phrase: “the strongest is never strong enough to be always the master, unless he transform strength into right and obedience into duty.”16 What, then, is the basis for the right to govern and the duty to obey? In the theory being developed here, the rights and duties of governance derive from the final causality of the common good as it is mediated through the practical reason of those who intend and will it. Without at least a formal desire for the common good on the part of any citizen, obedience to the law degenerates to a calculation of the particular harms and benefits that one will accrue by either adhering to or violating the law. A calculus of sanctions is thought to obviate the need for duty. In this framework, only particular actions and particular goods matter; common action and common goods lack substance, they do not figure into practical judgments. But Rousseau’s belief that duty’s obedience and government’s right must be rooted in a force stronger than some sum of material power cannot be so easily dismissed with the assertion that the particular goods of one’s self-interest suffice. Self-interest however properly it is understood is not sufficient. Attempts to build politics on the principles of individual autonomy and personal self-interest seem to envision the human person as essentially non-spiritual and self-centered. In other words, at the core of the human person it posits no essential orientation to communion with other persons. Absent a natural inclination to communion, man does not have an essentially political nature, and any language about participation in common action for the sake of common goods is empty of substance. Obedience to the law and the right to make and administer civic law is a function of the claim the common good makes upon the members of a society. The fact that the ends of human life are achieved in lives lived in community generates the imperative at work in obedience to law.17 16
On Social Contract Bk 1, ch. 3. Jacques Maritain’s discussion of the same issue is apropos: “Authority and Power are two different things: Power is the force by means of which you can oblige others to obey you. Authority is the right to direct and command, to be listened to or obeyed by others. Authority requests Power. Power without authority is tyranny. Thus authority means right. If, in the cosmos, a nature, such as a human nature, can be preserved and developed only in a state of culture, and if the state of culture necessarily entails the existence in the social group of a functions of commandment and government directed to the common good, then this function is demanded by Natural Law, and implies a right to command and govern. . . . [T]he relation of authority among men proceeds from Natural Law . . . At the origin of the democratic sense, there is not the desire to ‘obey only oneself,’ as Rousseau put it, but rather the desire 17
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Let me sum up the main points on authority. Authority appears to be both necessary and good. Its good is ultimately rooted in the fact that cities or nation-states serve man’s natural political ends. Its necessity is tied to the need for unity of direction in common action when the members of a community lack unanimity in their deliberations, which lack is the norm, generally and for the most part. The need for authority responds as much to the plentitude of human genius and undeterminable richness of possibilities for action as to deficiencies among those to whom it gives direction. In addition, governmental authority is ordered to securing the vitality and relative autonomy of subsidiary units of the body politic. Finally, political life requires of its citizens the habits of duty and obedience, which in turn rests upon some measure of recognition of the common good of a people. It is the work of authority to understand the requirements of the common good and to bring about those actions that realize them. III. Participation, Representation, and Trust. Authority and the common good are at work in distinctive ways in the specifically democratic forms of government. It is interesting to see how the various virtues and vices of democracy are a function of the way the dynamics of authority adapt to the requirements of a democratic regime. We noted earlier in our discussion of democracy the prominence of participation and representation. Every (enfranchised) citizen is expected to participate in the life of governing. Participation signifies personal agency in a common enterprise.18 Representation signifies standing in for others, acting on their behalf. Because the ends of these actions finally come down to the common good, both participation and representation involve a special kind of care for others. I would like to develop this point by transferring our more immediate experience of personal moral action to the more remote reality of political action. In accordance with the general form of individual, personal moral action, an acting person takes as his own good the good of another. For instance, in an act of generosity, a person will actualize his own perfection as a human being by extending himself in providing, let us say, shelter or solace to an unfortunate neighbor; all the while, the agent’s direct intent is to look after the good of the neighbor. When acting morally, a person finds his own good precisely in bringto obey only because it is just.” Man and the State (University of Chicago Press, 1951), 126–127. 18 For a personalist exposition of participation and the common good see Karol Wojtyla, The Acting Person, trans. by Andrezej Potocki (Dordrecht, Boston, London: Reidel, 1979), 27–83, and Rocco Buttiglione, Karol Wojtyla: The Thought of the Man Who Became Pope John Paul II, trans. by Paolo Guietti and Francesca Murphy (Grand Rapids, MI and Cambridge UK: Eerdmans, 1997), 168–176.
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ing about the good of another person.19 Political agency is similar, but with an important difference. When acting politically, the agent does not directly, or at least not in the primary instance, aim at the good of this or that particular individual. The political agent targets his actions on laws and policies that foster “the sum total of all those conditions of social life which enable individuals, families, and organizations to achieve complete and efficacious fulfillment.”20 When acting politically, one has to entertain the good of others at a more corporate and remote level. At any stage of participation, be it at the fundamental level of voting or at the more specialized level of making, adjudicating, or executing the law, the person acting politically keeps in view and promotes those common social conditions that allow all members of society to seek and achieve their happiness. What is distinctive about democratic government, therefore, is that it expects each member of political society to exercise agency on behalf of and to take some responsibility for the common good. It follows, then, that in the practice of democratic government, citizens find themselves mutually entrusting their own well-being to the effective judgment of one another. The conferral of trust is especially obvious in the case of elected representatives. But insofar as it is the many individual voters who agree to the democratic charter, citizens in a democracy entrust themselves politically to one another more universally. The ties of mutual trust give rise to a relatively immediate form of solidarity among members of a democratic community, a social unity that is not so thoroughly established in societies of more purely aristocratic or oligarchic regimes. It becomes evident that participation and representation at work in democratic action entail a kind of mutual trust and an active concern for the structural good of the whole of a body politic. It is precisely in this requirement that we encounter democracy’s greatest weakness. First of all, in order to bear the responsibilities of this trust, citizen must acquire a democratic civic character. Like moral character in general, civic character results from a process of education, which itself requires constant vigilance on the part of society’s elders. Secondly, it is not easy to trust others. Human frailty, with its selfishness and malevolence, will always work its effects into the warp and woof of public life. Trusting opens up possibilities for betrayal. Elected representative can betray the trust invested in them by the public, and ordinary citizens can renege on their duties to exercise responsible participation at the levels of voting and the engagement of public opinion. 19 Robert Sokolowski, Moral Action (Bloomington IN: University of Indiana Press, 1985); “What Is Moral Action?” New Scholasticism 63 (1989), 18–37; and “Moral Thinking” in: Husserl and the Phenomenological Tradition, ed. by Robert Sokolowski (Washington D.C.: The Catholic University of America Press, 1988), 235–248. 20 Pontifical Council for Justice and Peace, Compendium of the Social Doctrine of the Church (London and New York: Burns and Oates, 2005), No. 164.
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The concept of trust that has arisen as an issue in our thoughts about democracy is implicit in the commonly understood responsibilities of democratic civic life. First of all, democratic government requires from its populace a measure of informed intelligence regarding political matters; its pursuit is neither a luxury nor a curiosity. Second, citizens can credit themselves for the personnel and decisions of those who legislate or administer the laws, either because it is they themselves who do it, or because it is their votes that seat and can unseat those who do act. Third, political power takes its rise from the collected body of citizens, each of whom is considered an equal before the law. Fourth, democracies esteem liberty as a privileged value. Fifth, identity between the individual citizen and his city or nation-state is based as much, if not more, on active participation in governance than on birth or culture. Sixth, the need for civic virtue is at least tacitly recognized. These demands specify the dignity and personal responsibility required for the mutual trust and the special identity between those who are governed and those who govern and which is fashioned in the practice democratic life.21 IV. In this last section I shall take up five challenges that beset democratic governments within the contemporary setting. It is interesting to see how in each case what is at issue is the maintenance of the identity between those who are governed and those who govern. This identity, in turn, depends of the dynamics of participation and representation, at the base of which lies the integrity of mutual trust among members of the political community. It is through the nature and quality of participation and representation particular to democratic gov21 These qualities are captured in Pericles’s praise of the public spirit of Athenian democracy in his famous funeral oration: “. . . our government is called a democracy, because its administration is in the hands, not of the few, but of the many; yet while as regards the law all men are on an equality for the settlement of their private disputes, as regards the value set on them it is as each man is in any way distinguished that he is preferred to public honors not because he belongs to a particular class, but because of personal merits; nor, again, on the ground of poverty is a man barred from a public career by the obscurity of rank if he but has it in him to do the state a service.” (ch. 37) “And you will find united in the same persons an interest at once in private and in public affairs, and in others of us who give attention chiefly to business, you will find no lack of insight into political matters. For we alone regard the man who takes no part in public affairs, not as one who minds his own business, but as good for nothing; and we Athenians decide public questions for ourselves or at least endeavor to arrive at a sound understanding of them, in the belief that it is not debate that is a hindrance to action, but rather not to be instructed by debate before the time comes for action. For in truth we have this point also of superiority over other men, to be most daring in action and yet at the same time most given to reflection upon the ventures we mean to undertake . . .” (ch. 40). Thucydides, History of the Peloponnesian War, Book 2, trans. by Charles Forster Smith (Cambridge MA: Harvard University Press, 1969), vol. 1, 323–331.
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ernance that authority and the common good are realized in the constitution of a democratic people. Our consideration of the following practical issues is not for the purpose of engaging controversy. Rather their consideration is useful for emphasizing the actuality of the underlying topics of identity and trust at work in the way in which modern democracies mediate authority and the common good through their various forms of participation and representation. As we have seen, the practice of democratic governance spins an interesting web out of ideas of identity, trust, participation, representation, authority, and the common good. Imagining how this web is stressed by the winds of history and the forces of actual practice illuminates both the genius and the fragility of democracy. Accountability of elected representatives. It is important for political rulers to make public the reason at work in determining the means to the common good. They also have to make evident to the public a commitment to the common good as the dominating motivation in their making and administering of the laws. These requirements elevate civic understanding. Such public discussion acknowledges that rational articulation and determination of the public good motivates obedience to the law. In the specific case of democratic government, the public discussion of common means in their ordination to the common good is needed to vitalize the mutual trust at work in the participation and representation of democratic life. Nevertheless, there is the risk of giving the impression that law-abidingness is tied to the citizen’s agreement with the deliberative reasons and decisions of governing officials, if not by all, then at least by a majority. The democratic practice of elections creates a special opportunity for confusion here. One might regard elected officials after the fashion of hired hands or managers employed to carry out the wishes of their constituents.22 But the reality is otherwise. Part of the meaning of elections lies in the fact that through the voting mechanism citizens turn the winning candidates over to their own best judgment on behalf of their own best understanding of the public good. Election confers on them the office of authority, the autonomy of which must be respected. The mistaken view that citizens, often acting by the concerted efforts of lobbies or mass public opinion, retain authority can undermine the effectiveness of elected officials. It is certainly true that citizens retain the power to seat and unseat officials, but authority belongs directly to those who govern.23 When there is confusion of this point, the prudence of authoritative 22 In this respect Yves Simon talks about what he calls the mistaken “coach driver” theory of sovereignty, Philosophy of Democratic Government, 146–154. 23 Once the people have designated their ruler, however, they give over their power to govern. It is invested in their designees. At this point, they lack authority and are obliged to obey. The fact that elected representatives are accountable to the people and the common good should not be understood as a basis for undercutting their authority; see Maritain, Man and the State, 132–136.
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personnel will be weakly exercised or diverted from its service to the common good. In the situations envisioned here, participation is employed to weaken representation. Tendency to mediocrity. That democratic government inevitably gives rise to a society and culture of mediocrity is an old charge leveled against it. The idea is that the majority of any society represent low, common tastes and values. Elections, it is said, are won by appeal to the lowest common denominator in a society. Commitment to noble and virtuous interests is thought to belong to “the few,” and their concerns will always be out-voted where there is broad, universal enfranchisement. The successful politician secures his seat by appealing to self-serving interests that are broadly common to his constituencies. The additional criticism that democracy is one short step away from demagoguery follows the same logic.24 Something like this criticism was on the minds of America’s founding fathers when they divided the federal legislature into its two houses and in their insistence on a bill of rights. The idea was to have institutional protections against the de facto tyranny of “the many” over “the few.” This criticism of democracy takes for granted a rather low estimation of the good sense and public spirit of the majority of citizens; it also assumes there are small cadres of elites blessed with elevated good sense and enlightened judgments. The truth of these assumptions ought not to be readily granted. In a larger sense, however, the criticism points to a sure source of fragility in democratic government. Democracy will live up to the image of its detractors if its citizens’ participation does not proceed from a just and dignified vision of the human person, which in turn, only flourishes within the context of a community realizing the common good. Pluralism and relativism. Given the intellectual and spiritual tendencies of contemporary liberal societies, the concept of the “demos” as a homogenous people of shared beliefs thins out under the pressure of ideological pluralism and moral relativism. Cultural and moral diversity becomes a problem insofar as democratic government requires a citizenry with shared fundamental commitments or values. Some minimal but sufficient sense of “being together” must animate both the people and their elected officials. In his Man and the State, Jacques Maritain spoke of the “Democratic Charter,” which is a kind of political creed, a statement of the articles of public orthodoxy that must become second nature to a people who wish to govern themselves democratically.25 He 24
Plato, Republic, Bks 8–9 is the classical locus of this line of criticism. “Such a charter would deal, for instance, with the following points: rights and liberties of the human person, political rights and liberties, social rights and social liberties, corresponding responsibilities; rights and duties of persons who are part of a family society, and liberties and obligations of the latter toward the body politic; mutual rights and duties of groups and the State; government of the people, by the people, and for the people; functions of authority in a political and social democracy, 25
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envisions a “creed of freedom,” with “practical points of convergence” uniting men and women of different religious and philosophical commitments.26 Democracy cannot be neutral to the values of freedom or law. It needs its common faith, which is a civic or temporal, not a religious or spiritual, faith.27 The sheer quantity and diversity of peoples gathered together in contemporary nationstates preclude unity grounded in a common religion or metaphysical world view. As our previous analysis showed, the solidity of democracy’s participation and representation is grounded in a network of mutual trust uniting the citizenry of a body politic. Who would entrust the well-being of one’s self and one’s own to agents who did not share one’s basic vision of a just and good life and the basic social conditions necessary for securing these goods? The differences of pluralism can be stretched in a democratic society only so far as participation and representation are buoyed by a mutual trust in the use of social institutions for the maintenance of the common good. Oligarchy of special interests. In modern democratic republics special interests or lobbies exercise influence of the democratic process disproportionate to their numbers. The dictum “One man, one vote” increasingly signifies less. Money, expertise, and technology, when brought together by special interests,
moral obligation, binding in conscience, regarding just laws as well as the Constitution which guarantees the people’s liberties; exclusion of the resort to political coups (coups d’état) in a society that is truly free and ruled by laws whose change and evolution depend on the popular majority; human equality, justice between persons and the body politic, justice between the body politic and persons, civil friendship and the ideal of fraternity, religious freedom, mutual tolerance and mutual respect between various spiritual communities and schools of thought, civic self-devotion and love of the motherland, reverence for its history and heritage, and understanding of the various traditions that combine to create its unity; obligations of each person toward the common good of the body politic and obligations of each nation toward the common good of civilized society, and the necessity of becoming aware of the unity of the world and of the existence of a community of peoples.” Man and State, 112–113. 26 Man and State, 109: “A society of free men implies basic tenets which are at the core of its very existence. A genuine democracy implies a fundamental agreement between minds and wills on the bases of a life in common; it is aware of itself and of its principles, and it must be capable of defending and promoting its own conception of social and political life; it must bear within itself a common human creed, the creed of freedom.” 27 It is important to distinguish practical conclusions uniting democratic minds from their theoretical justifications, that is, from the philosophical and theological world-views that justify or ground those beliefs. It is a highly pragmatic matter how much agreement one must have at the theoretical level in order to share a body of practical conclusions at the level of public commitment. Needless to say, Maritain’s “creed of freedom” is not meant to discourage, let alone substitute for, the practice of religion in confessional faiths. He accepts the crucial distinction and separation between temporal and spiritual authorities. Because it is probable that only religion and metaphysics, with their appeals to transcendent, divine reality, are able to provide theoretical grounds justifying the elements of the common charter, the political freedom for religious practice is essential to the lives of democratic people.
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greatly amplify the influence of a few on the laws of the community. When the influence of the few is perceived as overwhelming by the majority of citizens, popular participation fades. Democratic elements in a society are effectively suppressed by its “oligarchic” interests. The point here is not to condemn the activities of organized special interests but to counterbalance their influence by fostering closer immediate ties between voter participation and the public deliberation and decision of their representatives. Enfranchised citizens have to shoulder their responsibilities to be informed on issues and candidates and on their elected representatives’ work on their behalf. This is not something that can be delegated. By acquiescing to ignorance and apathy they cede their vote to organized, well-funded special interests. Participation wanes and representation restricts itself to the interests of the active few.28 Technical reason supplants political prudence. A powerful threat to democratic government lies in the reliance of modern governments on bureaucracies that wield great regulative power. This threat to democracy is not a matter of skewing one way or the other the dynamics of participation and representation. Instead, it is a matter of supplanting political authority and usurping political power that derives from the dynamics of participation and representation. The problem of bureaucracy is closely connected with the application of modern scientific modes of reasoning to political governance. The modes of reasoning and judgment proper to political prudence are not the same as the methods of modern science. The truth of prudence is tied to irreducible conditions of particularity of both the circumstances of action and the character of agents. It does not enjoy the universality and unconditionality of mathematical scientific knowledge. In accordance with the logic of a politics of prudence, different judgments will compete with one another in the sort of large and diverse societies typical of all contemporary nation-states. Unless one moves to authoritarian or totalitarian regimes, achieving the common good will require political and social structures where legitimate and diverse judgments with respect to the means to the ends of a common life can be argued, accommodated, and ultimately put to the vote. The interesting challenge for governments of large democratic societies is how to accede to the need for bureaucracies of professional technocrats without compromising the primacy of proper political authority. It is important to recognize the tendency for the judgments of scientific, technical experts to trump the judgments worked out in the political process among 28 As a concrete practical matter, the health of most modern democratic systems requires attention to the way their political parties mediate the relation between the electorate and their candidates. A democracy fails to the degree that substantive participation, other than voting, is increasingly limited to the few, who stand out because of their wealth or fame.
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representative authorities whose warrants lie in the interests and reasons of their constituents. Every person and family and business is situated. The kind of thinking exercised in political representation requires imagination for the structures that serve the flourishing of people as they actually live their lives. Political reason, when it is prudential, aims to fashion the means to actualize or perfect the already present ends of human society. By contrast, it is the goal of technical, scientific reason, which is not truly political, to fashion a social body by prescribing the “enlightened” purposes to which the people must conform in their public lives. In effect, people are required to conform to a universal rational template of a governmental bureaucracy. In a true polity, however, laws do not derive from the sort of reason or intellect that maintains an imperial stance above the practice of a common life. Genuine political reason rises up from within a particular society in the contest between participants in the social whole. Political reason manifests itself in the argument between different interests, most broadly, between the interests of “the many” and those of “the few,” each striving to set the conditions for the actualizing the good life on the terms that animate their corporate life. The legitimate claims of these different interests cannot be obviated or overcome in some universal political logic.29 It is the genius of democratic life to find, through its processes of participation and representation, those rational bases for mutual trust that shall prove sufficient to sustain the social “whole” adequate to a reasonably complete human life.30 Summary It is the purpose of this essay to reflect upon the kind of identity that is forged in the activity of political participation and representation particular to democracy. We observe how two essential principles of any government, namely, the common good and authority, are mediated by the roles participation and representation play in democratic practice. In the end, we come to see how much the vitality of democracies rests upon the bonds of trust that exist among members of the democratic community. The essay concludes with a consideration of five challenges to the contemporary practice 29 My ideas contrasting the premodern notion of political prudence against the modern concept of scientific rationality are indebted to Francis Slade, “Rule as Sovereignty: The Universal and Homogeneous State” in: The Truthful and the Good. Essays in Honor of Robert Sokolowski, ed. by John J. Drummond and James G. Hart (Dordrecht, Boston, London: Kluwer, 1996), 159–180, and “Rule and Argument in Political Philosophy” in: Ethics and Theological Disclosures in the Thought of Robert Sokolowski, ed. by Guy Mansini, O.S.B. and James G. Hart (Washington, D.C.: The Catholic University of America Press, 2003), 149–161 and to Robert Sokolowski, “The Person and Political Life,” Thomist 65 (2001), 505–527. 30 Versions of this essay were read before the University of Dallas Philosophy Department and the Ninth German-American Colloquium held in Wildbad Kreuth, Germany, and I am grateful to colleagues in both assemblies for their critical comments. Permission of the Editor of the Review of Metaphysics to reprint this essay, which appears in its March 2007 issue, is gratefully acknowledged.
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of democratic government. Insofar as the practice of democracy spins an interesting web out of ideas of identity, trust, participation, representation, authority, and the common good, imagining how this web is stressed by the winds of history and the forces of actual practice illuminates both the genius and the fragility of democracy.
Zusammenfassung Dieser Beitrag will über die Identität reflektieren, wie sie durch politische Partizipation und demokratische Repräsentation geformt wird. Wir können beobachten, wie zwei Prinzipien einer jeden Regierung, nämlich das Gemeinwohl und die Autorität, vermittelt werden durch die Art und Weise, wie Partizipation und Repräsentation in der Demokratie praktiziert werden. Schließlich wird deutlich, wie sehr die Vitalität von Demokratien vom Vertrauen abhängt, das unter den Bürgern eines demokratischen Gemeinwesens herrscht. Abschließend werden fünf Herausforderungen erörtert, vor die sich heute eine demokratische Regierung gestellt sieht. Einerseits beruht die demokratische Praxis auf einem Netz von Ideen, auf Vertrauen und Identität, auf Partizipation und Repräsentation, auf Autorität und Gemeinwohl, andererseits wird dieses Netz durch die Geschichte und durch die Wirkkräfte des Alltags beansprucht, so dass man ermessen kann, wie sehr die Demokratie zwischen Ideal und Zerbrechlichkeit schwankt.
Menschenwürde und Naturrecht in Deutschland am Beispiel der Kontroverse um die verbrauchende Embryonenforschung Von Karl-Heinz Nusser I. Der rechtliche Status der Embryonen Im Jahre 1975 setzte das Bundesverfassungsgericht den rechtlichen Lebensbeginn auf den Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle fest. 1993 separierte es das „werdende Leben“ als eigenständiges Schutzgut (im Sinne des Artikels 2 Grundgesetz) vom Lebens- und Menschenwürdeschutz der Mutter, der ja ebenfalls vor allen Eingriffen durch Dritte schützen soll. Danach hat das deutsche Stammzellgesetz vom 28.06.2002 neu entnommene und angezüchtete Embryonalstammzellen, nicht aber bestimmte (schon ältere und importierte) embryonale Zelllinien verboten. Eine Produktion von Humanembryonen allein zum Verbrauch soll nicht erlaubt sein.1 Was ist mit diesem bisher in Deutschland erreichten gesetzlichen Schutz gewonnen? Würde man einmal davon ausgehen, dass die relativ strenge deutsche Schutzregelung – soweit sie nicht intern durch die Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch schon ausgehöhlt ist – dem Druck der Wirtschaftsgesellschaft und ihren finanziellen Interessen in Deutschland standhält, so bleibt immer noch die Frage nach ihrer Durchsetzung als geltendes Recht in Europa und darüber hinaus im internationalen Rahmen. Hier darf man mit Recht skeptisch sein; denn vor kurzem hat das europäische Parlament den deutschen Versuch, die durch die EU geförderten Projekte nur auf eine kleine Zahl bereits existierender Zellkulturen einzuschränken, abgelehnt. Der Embryonenverbrauch für die Forschung wird somit nicht gedrosselt, da man für die Gewinnung der Stammzelllinien Embryonen benötigt, die nur wenige Tage alt sind und bei der Prozedur zerstört werden.2 Von rechtstheoreti1 Petra Gehring, Was ist Biomacht? Vom zweifelhaften Mehrwert des Lebens, Frankfurt 2006, S. 78, 77. Inzwischen gibt es massive Vorstöße das Stammzellgesetz vom Jahre 2002 zu revidieren. Der fixe Stichtag (1.1.2002) soll zugunsten eines rollenden Stichtages geändert werden. Mit einem „rollenden Stichtag“ könne man, so wird argumentiert, auf das riesige internationale Angebot von Embryonen zurückgreifen. Quelle: FAZ vom 13.12.2006. 2 FAZ vom 16.06.2006. Inzwischen hat der Rat für Wettbewerbsfähigkeit der EU die Förderung der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen ausdrücklich in das neue EU-Rahmenprogramm aufgenommen. Briten, Franzosen und Spanier drängen innerhalb der EU auf freizügigere Lösungen. In den USA dagegen wird die embryo-
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scher und ethischer Seite wird das Embryonenschutzgesetz bereits angegriffen. Eine rechtstheoretische Arbeit behauptet die Verfassungswidrigkeit des Stammzellgesetzes, weil der Gesetzgeber den Embryo zwingend nur ab der Nidation, nicht aber zuvor schützen müsse. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits Handlungen, die zur Tötung eines Embryos vor der Nidation führen, rechtlich freigestellt, sodass es sich mit dem Stammzellgesetz in einen Widerspruch verwickle.3 Diese These ist jedoch eher im Rahmen der Verhütungsproblematik zu diskutieren, weil die Spirale ja nicht per se befruchtete menschliche Eier angreift. Von ethischer Seite hat der Philosoph Willhelm Vossenkuhl gegen das Stammzellgesetz eingewandt, dass der Embryo vor der Nidation noch nicht als Anfang des Menschen betrachtet werden könne. Beim Verbrauch befruchteter menschlicher Eier müsse nur darauf geachtet werden, dass diese nicht instrumentalisiert würden.4 Diese These ist jedoch nicht – wie ich später zeigen werde – mit den Prinzipien der Entwicklung von Lebewesen vereinbar. Die deutsche Industrie wird auf das restriktive Stammzellschutzgesetz mit einer Verschärfung des Standortarguments reagieren und mit einer Verlagerung der Produktion ins Ausland drohen. Sollte der Gesetzgeber den Wünschen der Wirtschaftsgesellschaft durch eine weichere Embryonenschutzgesetzgebung nachgeben, so würde in der Tat das Menetekel von Giorgio Agamben bestätigt. Giorgio Agamben hat argumentiert, dass die souveräne demokratische Staatsmacht das menschliche Leben tendenziell schutzlos mache, nachdem der Lebensbegriff durch die Biowissenschaften instrumentalisiert werde und die Verfassungsgerichte unter der Vorgabe der Neutralität des liberalen Staates und des gesellschaftlichen Pluralismus entschieden. Die Embryonen verbrauchende Forschung verlängert in gewisser Weise die Situation der Schutzlosigkeit des Lebens wie sie in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten bestand. Auf das europäische Menschenrechtsverständnis scheint in dieser Hinsicht beziehbar zu sein, was Agamben vom Ausnahmezustand sagt: „Der Ausnahmezustand definiert einen Zustand des Gesetzes, indem die Norm gilt, aber nicht angewendet wird (weil sie keine Kraft hat), und auf der anderen Seite Handlungen, die nicht den Stellenwert von Gesetzen haben, deren Kraft aber gewinnen.“5 Von einer Naturrechtsposition bzw. einer ethischen Ebene sind die rechtspositivistischen und dezisionistischen Annahmen von Agamben energisch zu bestreiten. Es ist keineswegs so: „dass die Sondermaßnahmen, die es für die Vernenverbrauchende Stammzellforschung bislang nicht mit Geldern des Bundes unterstützt. 3 Karsten Klopfer, Verfassungsrechtliche Probleme der Forschung an humanen pluripotenten embryonalen Stammzellen und ihre Würdigung im Stammzellgesetz, Berlin 2006. 4 Wilhelm Vossenkuhl, Die Möglichkeit des Guten. Ethik im 21. Jahrhundert, München 2006, S. 103 ff. 5 Giorgio Agamben, Ausnahmezustand, Frankfurt 2004, S. 49.
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teidigung der demokratischen Verfassung zu rechtfertigen gilt, dieselben sind, die zu ihrer Zerstörung führen.“6 „Wirksame Sondermaßnahmen“ bestehen in der Überzeugungskraft naturrechtlicher Argumente, die von der Philosophie aus einer Beteilungsperspektive heraus geführt werden. Die Philosophie verweist auf die Erkenntnis des naturhaft Guten und d. h. hier, sie verlangt die Anerkenntnis der evolutiv grundsätzlich vollendeten menschlichen Natur und den von dieser ausgehenden Lebenstendenzen. Dazu ist es nötig, den in der aktuellen bio-medizinischen Forschung implizierten Gesundheitsbegriff zu durchleuchten und dessen utopisches Fundament, das in der Behauptung besteht, dass alle Erbkrankheiten, Krebs, Immunschwächen und Aids geheilt werden könnten, einer kritischen Prüfung zu unterziehen.7 Der Anspruch die totale Gesundheit herzustellen, verlangt umfassende gentechnische Diagnoseverfahren, so z. B. die pränatale Diagnostik, den Gentest an Kindern, Tests im Interesse der individuellen Lebensführung, Tests im Sinne von Arbeitgebern und Versicherungen, Tests an frühen Embryonen in der Petrischale. Während die Forschung an Grundlagenproblemen arbeitet und weit entfernt ist, irgendeine kausale Gentherapie einzuleiten, werden jedoch alle Maßnahmen und Verfahren von der Biomedizin – die z. B. die Annahme implizieren, der zur menschlichen Spezies gehörende Embryo sei nur ein „Zellhaufen“ – mit dem Gesinnungsargument vorangetrieben, dass man schwerkranken Patienten helfen wolle.8 II. Gegensätzliche Ethik-Typen Es sind vor allem zwei Ethik-Typen, die beanspruchen die richtige ethische Begründung für den Umgang mit Embryonen zu haben.9 Ich beginne mit den naturrechtlichen Argumenten. Für diese stehen der Schutz und die Abwehr der Instrumentalisierung des menschlichen Lebens im Vordergrund. Ethik-Typen dagegen, die primär die Vermehrung des Nutzens erstreben, orientieren sich am Fortschritt der medizinischen Verfahren bei der Heilung schwerer, bisher unheil6
Ebd., S. 15. Dietmar Mieth, Die Diktatur der Gene, Freiburg 2001, S. 56. In jüngster Zeit hat Dietmar Mieth die Gefahr der drohenden Verletzung des Würdeschutzes beim Menschen erneut beschrieben: „Statt Exportmeister im Sozialstaat wird Deutschland zum Importeur des Wirtschaftsstaats.“ Dietmar Mieth, Die ungeteilte Menschenwürde, in: Hoffmann, Th./Schweidler, W. (Hrsg.), Normkultur versus Nutzenkultur, Berlin 2006, S. 71. 8 Vgl. ebd., S. 56. 9 Ausführlich, mit ihren Auswirkungen auf die Rechtstheorie, werden diese beiden Ethiktypen in einem Buch analysiert, das erst nach der Abfassung des ursprünglichen Vortrags des Verfassers erschienen ist: Hoffmann, Th./Schweidler, W. (Hrsg.), Normkultur versus Nutzenkultur, Berlin 2006. Zur Einführung in die Problematik sind hilfreich: Höffe, O./Honnefelder, L./Isensee, J./Kirchhof, P. (Hrsg.), Gentechnik und Menschenwürde, Köln 2002. Höffe, O., Medizin ohne Ethik, Frankfurt 2002. Göbel, B./ Kruip, G., Gentechnologie und die Zukunft des Menschen, Münster 2003. 7
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barer Krankheiten. Die Vertreter naturrechtlich fundierter Ethik halten aufgrund einer teleologischen Beurteilung des menschlichen Werdeprozesses jede Güterabwägung zwischen dem Wohl des Kranken und dem Verbrauch eines auf irgendeine Weise gewonnenen Embryos für unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn der Embryo für Zwecke der Heilung verwendet wird; denn dies ist eine Instrumentalisierung. Von dieser Ablehnung ist auch die In-vitro-Fertilisation betroffen, weil bei diesem Verfahren – in den meisten Ländern – mehr Embryos erzeugt, als für die Einpflanzung benötigt werden. Die überzähligen Embryos werden instrumentalisiert, d. h. sie dienen als Mittel, um mögliche Ausfälle zu kompensieren. In jedem Fall sind Anfänge des menschlichen Lebens manipulativ herbeigeführt und die Bahnen des natürlichen Entstehens und Werdens unterbrochen. Der Einwand, dass es Verhütungsmittel gebe, die eine natürliche Entwicklung zur Empfängnis verhinderten und rechtlich als völlig unproblematisch angesehen würden, ist nicht triftig, weil die Natur in den Lebewesen immer eine Überfülle von Samen produziert, die nicht zur Entwicklung neuen Lebens dienen. Darüber hinaus wird durch Verhütungsmittel kein existierendes menschliches Leben zerstört. Im Falle der im Reagenzglas erzeugten überzähligen menschlichen Embryonen bewegt sich der Mensch aus seiner Natur heraus und liefert eine Handhabe für das Argument der Güterabwägung, dass das hohe Gut des Heilens von Krankheiten die Tötung der überzähligen Embryonen verlange, nachdem diese sowieso keine natürlichen Chancen, Menschen zu werden, mehr hätten. Der eigentliche Dissens, der die verschiedenen Ethik-Typen trennt, ist die Betrachtung der Zeugung und Entstehung des Menschen als eines Tabus, d. h. als zur unantastbaren Würde gehörig, etwas also, was der Mensch unbedingt beachten müsse. Dem steht die Annahme entgegen, dass der Fortschritt der medizinischen Wissenschaft nur durch eine zunehmende Vergegenständlichung des menschlichen Körpers zustande komme. Die Grenze für eine solche Forschung könne nur der bewusste und entwickelte Mensch sein, der in der Lage sei, seine Interessen selbst zu vertreten; denn nur dieser könne die Einsicht in die Grundlage der Menschenrechtsmoral haben, die Kant mit dem Grundsatz formuliert hat, dass der Mensch „Zweck an sich selbst sei“. Da der menschliche Körper in dieser Auffassung eine bloße Materie, somit ein Faktum ist, begeht die naturrechtliche Auffassung, die aus diesem Faktum ein moralisches Sollen ableiten will, aus dieser Sicht einen naturalistischen Fehlschluss. Eine Grenzziehung für die Forschung ist nach dieser Auffassung nicht möglich, weil die methodische Betrachtungsweise der gentechnologischen Forschung, die zu erforschenden Zellen rein als kausal strukturierte Verbindung von Elementen betrachtet, die keine eigene Zielstrebigkeit und somit keine Beseelung haben. Der eigentliche Differenzpunkt zwischen den beiden skizzierten Ethik-Typen liegt in der Interpretation und Bewertung des Status des beginnenden menschlichen Lebens. Ich skizziere im Folgenden die Argumente der beiden Typen.
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Die ethisch-naturrechtliche Argumentation baut auf den modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auf, interpretiert diese aber im Lichte philosophischer teleologischer Prinzipien. Mit dem Abschluss der Verschmelzung von Eizelle und Sperma liegt eine Selbststeuerungsfähigkeit der Zelle vor, somit Zielstrebigkeit und Beseeltheit des Lebewesens. Der Anfangszustand der embryonalen Stammzellen besteht in der unbegrenzten Teilbarkeit und ihrer Totipotenz, die darauf beruht, dass jede einzelne Zelle ein selbständiges lebensfähiges Individuum hervorbringen kann.10 Die Antizipation des voll entwickelten menschlichen Lebens, die in der Dynamik der Finalursache liegt, ist im Lebewesen selbst verwurzelt, kann aber von der modernen Biologie nicht wahrgenommen werden, weil sich diese auf die Kausalursächlichkeit beschränkt. Bei Prozessen des Lebens sind Zweck-, Formal- und Wirkursachen real identisch. Die Zweck- und Formalursachen werden von der modernen Biologie methodisch ausgeklammert. Die Philosophie dagegen, die den moralischen Status des Menschen im Sinne eines Besten, das erreicht wird, im Blick hat, erkennt, dass das Menschsein keine Sache der Zuschreibung und Definition durch die anderen bereits Lebenden ist, sondern dem Menschen zukommt, insofern er auf dem Wege zum Geborenwerden ist, weil er bereits dann schon Person ist. In einer Stellungnahme zur Schrift von Habermas über Bioethik erklärt Spaemann: „Jedes Exemplar der Gattung Homo sapiens tritt nicht kraft Kooptation, sondern als geborenes Mitglied ohne jede Qualitätsprüfung in diese Gemeinschaft ein.“11 In dem Buch über „Personen“ geht Spaemann vom Sprachgebrauch aus und verbindet mit dem Begriff der Person mentale und physische Prädikate. Person darf also nicht so aufgefasst werden wie etwa bei Descartes im Sinne eines denkenden Dinges. Die Einmaligkeit des Personenseins macht Spaemann durch den Unterschied zwischen „jemand“ und „etwas“ klar. Spaemann stellt fest: „Das Wort Person ist kein sortaler Ausdruck, mit dem wir etwas als ein So-und-so kennzeichnen und dadurch identifizierbar machen. Auf die Frage: Was ist das? antworten wir nicht: Das ist eine Person, so wie wir sagen würden: Das ist ein Mensch oder Das ist eine Lampe. Wir müssen vielmehr schon zuvor wissen, ob dies ein Mensch oder eine Lampe ist, um wissen zu können, 10 In dieser Totipotenz des Embryos besteht dessen Attraktivität für die Stammzellforschung. Inzwischen versucht man Embryonen absichtlich zu schädigen (die Methode des „altered nuclear transfer“, kurz ANT) um dem Vorwurf zu entgehen, man vernichte real mögliche Individuen. Ein entsprechendes Gutachten von Ach, J. S./ Schöne-Seifert, B./Siep, L., Totipotenz und Potentialität: Zum moralischen Status von Embryonen bei unterschiedlichen Varianten der Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen. Gutachten für das Kompetenznetzwerk Stammzellforschen NRW, wird von Friedo Ricken mit einsichtsvollen Argumenten widerlegt. Friedo Ricken, Verhinderte Totipotenz und Totipotenz als zentraler Schutzbegriff, beides in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik Band 11, Berlin 2006, S. 261–321 (Ach u. a.) und S. 324–326 (Friedo Ricken). 11 Robert Spaemann, Habermas über Bioethik, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 2002, S. 105.
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ob es eine Person ist. Der Begriff Person dient nicht der Identifizierung von etwas als etwas, sondern sagt etwas aus über ein bereits als ein So-und-so Bestimmtes.“12 Spaemann will in diesem Buch zeigen, dass aus „etwas“ nicht „jemand“ werden kann, sodass, wenn wir uns als Personen ansehen, die gleichwohl geboren wurden, unser Personsein nicht von einer bloßen materiellen Potenzialität in ein wirkliches Personsein übergegangen sein kann. Wenn man Person ist, dann lag dies bereits in der Strebetendenz des Embryos, der jeder einmal war. Damit kann Spaemann ausschließen, dass ein menschlicher Zellverband, der am Beginn des Lebens selbst Steuerungsfähigkeit besitzt, zwar ein potenziell individuelles Leben haben, aber noch keine Person sein kann; denn es ist kein eigentlicher Übergang gradueller Art im Sinne einer zunehmenden Personintensität zum Personsein denkbar. Dieses Argument richtet sich gegen jene ethische Position – die ich weiter unten diskutieren werde – die das Embryo vor der Einnistung im Uterus für die verbrauchende Forschung freigeben will. Die Verbindung personalen Seins mit unserem zielgerichteten körperlichen Anfangszustand wird deutlich, wenn wir auf das natürliche Kontinuum unseres Entstehens zu sprechen kommen und sagen: „Ich wurde damals bei dieser Gelegenheit gezeugt“ – oder wie Rubinstein von sich sagte: „Meine Mutter wollte mich abtreiben!“ Solche sprachlichen Wendungen verdeutlichen, dass die Sprecher Lebensbeginn und Personsein identifizieren. Spaemann hat sicher Recht damit, wenn er sein Argument als Anzeige für das Vorliegen eines Sachverhaltes versteht und einen Zusammenhang zwischen Vernunft und Sprache annimmt, der über bloße Metaphorik hinausgeht.13 Die Sprache wird nicht nur von Konventionen gebildet, sondern vermag auch unmittelbare Erfahrungen der Freiheit und des Personenseins auszudrücken. Sofern es um den Personenstatus einer bereits geborenen Person geht, kann man diesen mit Kants These, dass die vernünftige Natur als Zweck an sich selbst existiere, untermauern. Die hier vertretene Kontinuumsthese der Person lässt sich jedoch mit Kant nicht begründen und zwar nicht deshalb nicht, weil, wie Höffe meint, Kant den moralischen Status des Embryos nicht reflektiert habe14. Kant folgt in dieser Hinsicht dem Ausschluss der Finalität bei Descartes und deshalb hat die Zweckbetrachtung für ihn keinen konstitutiven empirischen Status. Die Vernunftreflexionen zum Organismus liegen für Kant auf der Ebene einer regulativen Idee. Im Unterschied dazu liefert die Lehre des Aristoteles von der Erzeugung und Embryonalentwicklung Analysen zur realen Einheit von Bewegungs-, Zweck12 Robert Spaemann, Personen. Versuche über den Unterschied zwischen „etwas“ und „jemand“, Stuttgart 1996, S. 14. 13 Spaemanns Argument beruht nicht auf einer Sprachkonventionalität im Sinne des „linguistic turn“. 14 Otfried Höffe, Wessen Menschenwürde? In: Biopolitik, hrsg. von Chr. Geyer, Frankfurt 2001, S. 67.
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und Formursache. Auch wenn wir durch die moderne Biologie über die Einzelheiten der Embryonalentwicklung besser als Aristoteles informiert sind, so macht die aristotelische Betrachtung des Endzwecks, auf den die vorausgehenden Stufen des Lebewesens hingeordnet sind, klar, dass empirisch zu beobachtende Zielstrebigkeit des Lebewesens auf diesen Endzweck hinzielt. Die in dessen Anlage vorhandenen Fähigkeiten treiben die Entwicklung des zielgerichteten Lebewesens auf den Endzustand voran. Die Tatsache, dass das im Reagenzglas befindliche Embryo der Einnistung im Uterus bedarf, ist kein Einwand gegen seine aktual vorhandene Strebetendenz. Die fehlende Bedingung des Uterus ist nur durch das manipulative Eingreifen des Menschen gegeben, ähnlich wie ein Ahornsamen, der von einem Menschen dem Humus entnommen und auf eine Steinplatte gelegt wird, hat auch der experimentell isolierte Embryo faktisch keine Entwicklungschance. Die in der modernen Gentechnik üblichen Verfahren der Isolation des Embryos – z. B. bei der In-vitro-Fertilisation – widersprechen der Würde des Zeugungsvorgangs und insbesondere der Menschenwürde der Frau. Die bei Ehepaaren vorkommende Unfruchtbarkeit wird von der modernen Medizin ebenso wenig als „naturgegeben“ akzeptiert, wie das menschliche Genom, das in manchen Fällen Krankheiten implizieren kann. Der Gesundheitsbegriff der medizinischen Science geht von einem völlig gesunden Menschen aus und schließt Krankheiten aus. Der natürliche und gesunde Mensch ist jener, der dann keine Krankheiten mehr hat. Grundsätzlich unheilbare Krankheiten kann es für die moderne Medizin nicht mehr geben. Die Grenzen der medizinischen Wissenschaft sollen nach und nach wegfallen.15 Die natürliche Erfahrung des Menschen, dass die meisten Menschen gesund und darüber eine verlässliche Eigenerfahrung haben und Krankheiten zwar nicht das Normale sind, aber zum Menschen dazu gehören, wird von der szientistisch ausgerichteten Medizin tendenziell geleugnet. Die Ausschaltung des natürlich Besten zugunsten des utopisch Vollkommenen ist von Descartes vorbereitet worden. Im 6. Kapitel der Meditationes der prima philosophia kritisiert Descartes die Finalursächlichkeit damit, dass ein Wassersüchtiger Durst empfindet und trinken will, obwohl dies seinem kranken Körper schadet. Dies zeige, dass die Na15 Die utopischen Erwartungen an die Ergebnisse der medizinischen „science“ drücken sich in den gebündelten Forschungsenergien aus, die im Wachstumsbereich Biotechnik eingesetzt werden. Dietmar Mieth bemerkt in diesen Zusammenhang: „In einem abstrakten Sinn ist die Forschungsfreiheit ein hohes Menschenrecht, das sich ebenfalls aus der Menschenwürde ableiten lässt. Das Problem besteht freilich darin, dass die Forschungsfreiheit an Wachstumsbranchen gekoppelt wird, die wiederum mit Optionen und Verheißungen für Güter werben, so dass sich ganze Forschungslandschaften derzeit in einem ökonomisch ausgerichteten Drive auf Produkte der Erkenntnis und der Anwendung fokussieren lassen müssen.“ Dietmar Mieth, Die ungeteilte Menschenwürde, a. a. O., S. 72.
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tur ihm nichts lehren könne. Das Argument, dass der Wassersüchtige als Kranker eine verderbte Natur habe, wird von Descartes mit einem falschen theologischen Argument widerlegt. Er sagt nämlich, dass ein kranker Mensch ebenso gut ein Geschöpf Gottes sei, wie ein gesunder und man Gott eine betrügerische Natur nicht anlasten könne. Thomas von Aquin hatte, auf der aristotelischen Linie argumentierend, dazu bemerkt, dass die Vorsehung Gottes in den Zweitursachen sehr wohl fehlerhaftes Wirken zulassen könne.16 Die Natur ist nach Descartes in Wirklichkeit keine vorgegebene Erfahrung, sie kann uns nichts lehren, weil sie eine Konstruktion des Denkens ist. Er erklärt: „Die Natur ist in diesem Falle nämlich nichts Anderes, als eine bloße, von meinem Denken abhängende Bezeichnung, in dem ich den kranken Menschen und die schlecht angefertigte Uhr mit der Idee des gesunden Menschen und der richtig gemachten Uhr vergleiche; und sie haftet den Dingen, von welchen sie ausgesagt wird, nur äußerlich an.“17 Die Vorgegebenheit der Natur wird bei Descartes zugunsten der konstruktiven Begriffe des Denkens aufgelöst. Das System naturwissenschaftlichen Forschens ist bei Descartes nicht mehr an die Faktizität von Naturneigungen und zielgerichteten Prozessen in Naturordnungen gebunden. Natur wird nur noch als Mittel für den unbegrenzten wissenschaftlichen Fortschritt, an dessen Ende die Heilung aller Krankheiten steht, relevant. Descartes’ Entsprechung von menschlicher Krankheit und defekter, aber reparierbarer Uhr hebt mit dem Leben auch die Zielursächlichkeit des Lebendigen auf. Die Differenz zwischen dem von Natur aus Gewordenen und dem künstlich Gemachten wird geleugnet. Die Angleichung des Lebewesens an Automaten ermöglicht einen höheren Grad an Perfektion des Ablaufs bzw. den Ausschluss von Mängeln. Während bestimmte Metalle in Maschinen kaum noch Mängel aufweisen, haben Lebewesen in ihrer zielstrebigen, sich selbst regulierenden Natur immer wieder Krankheiten. Sieht man in diesem Lichte die moderne Medizin, dann ist nicht nur das Programm der positiven Eugenik – z. B. eine Verlängerung des Lebens um 100 oder 200 Jahre – sondern bereits das Ziel der negativen Eugenik, die Heilung aller Krankheiten oder die Garantie eines gesunden Lebens, schlechthin unrealistisch und utopisch. Nimmt man Descartes’ Maschinenmodell als Ausgangspunkt, dann scheinen die gentechnischen Ziele des Ausschlusses aller Krankheiten und der Steigerung körperlicher und geistiger Fähigkeiten durch einen mit entsprechendem Geldeinsatz vorangetriebenen wissenschaftlichen Fortschritt erreichbar. Das Problem all dieser wissenschaftlichen Wunschträume ist, dass das Leben als sich selbst regulierendes Prinzip nicht durch mechanische Zusammenhänge zu ersetzen ist. Die Erfahrung der Gesundheit ist eine Botschaft an das menschliche Lebewesen, die durch den Leib übermittelt wird – detailgenaue Messperspektiven medizinischer Geräte können nur Ergänzungen darstellen. 16
Thomas von Aquin, Summa contra gentiles III, 71/1. Descartes, Meditationes de prima philosophia, hrsg. von A. Buchenau, Hamburg 1972, S. 72 ff. 17
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III. Der ontologische Status des Embryos und die wechselseitige soziale Interaktion Der Ethik-Typ der wechselseitigen sozialen Interaktion wird vor allem durch Ernst Tugendhat und Jürgen Habermas vertreten. Bei Tugendhat wird die Ethik auf die interpersonale Kooperationspflicht von mündigen Personen begrenzt: „Die Rede er ist einer von uns ist entscheidend für die moralische Betrachtungsweise, wenn es richtig ist, dass Moral etwas wesentlich Gemeinschaftsbezogenes ist.“18 Eine Ethik, die plausibel sein und ihren allgemeinen Geltungsanspruch einlösen will, muss den Interessen der Menschen Rechnung tragen. Es ist ein „unbezweifelbar natürlicher Tatbestand“, so erklärt Tugendhat in den „Vorlesungen zur Ethik“, dass „alle Menschen, sofern sie ein Interesse daran haben, dass alle mit allen darin übereinkommen, ein gewisses System von Normen einhalten.“19 Nach Ludwig Siep beruht diese Ethik auf einem „motivationalen Fehlschluss“. „Man schließt von dem, wozu man die meisten Menschen glaubt, motivieren zu können, auf das, was moralisch wichtig ist. Was richtig ist, muss aber in der ethischen wie in der theoretischen Erkenntnis von den eigenen Interessen unabhängig sein.“20 Interesselos ist der Mensch nur, wenn er sich dem anerkannten Guten unterstellt. Nach Platon, Aristoteles und Kant kommt das moralisch Gute nicht durch die Gemeinsamkeit von Interessen zustande, sondern gerade umgekehrt verdankt sich die wirkliche Gemeinsamkeit von Interessen der Unterstellung unter das Gute bzw. den Kategorischen Imperativ. Das Recht entspringt nicht der willkürlichen Setzung eines oder einiger Menschen. Es entzieht sich menschlicher Verfügungsgewalt und hat insofern göttlichen Ursprung. Nach Platon darf man unter keinen Umständen Unrechtes tun und Sokrates argumentiert im Gorgias, dass Unrecht leiden besser sei als Unrecht tun. Dieser platonische Gedanke findet über Aristoteles, die Stoa und das christliche mittelalterliche Naturrechtsdenken schließlich Eingang in die moderne universalistische Menschenrechtskonvention. Für Habermas besteht jedoch jede Voraussetzung, die sich nicht der Ableitung aus autonomen Diskursen verdankt, aus „metaphysischen oder religiösen Hintergrundannahmen“. „Im normativen Streit einer demokratischen Öffentlichkeit“, so erklärt er, „zählen letztlich nur moralische Aussagen im strengen Sinne. Nur weltanschaulich neutrale Aussagen über das, was gleichermaßen gut ist für Jeden können den Anspruch stellen, für alle aus guten Gründen akzeptabel zu sein.“21 Wenn wir fragen, was „moralische Aussagen im strengen Sinne“ sind, finden wir bei Habermas fol18
Ernst Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, Frankfurt 1993, S. 195. Ebd., S. 173. 20 Ludwig Siep, Eine Skizze zur Grundlegung der Bio-Ethik, in: Zeitschrift für philosophische Forschung, 1996, S. 241. 21 Jürgen Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik, Frankfurt 2001, S. 60, 61. 19
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gende Erklärung: „Moralisch nenne ich Fragen des gerechten Zusammenlebens.“ Diese generell richtige Aussage wird in den dann folgenden Sätzen weiter bestimmt: „Für handelnde Personen, die miteinander in Konflikt geraten können, stellen sich solche Fragen im Hinblick auf den normativen Regelungsbedarf von sozialen Interaktionen. Es besteht die vernünftige Erwartung, dass solche Konflikte grundsätzlich in gleichmäßigem Interesse eines Jeden rational entschieden werden können.“22 Wir können die Auffassung von Habermas so verstehen, dass Fragen des gerechten Zusammenlebens im „gleichmäßigen Interesse eines Jeden rational entschieden werden können.“ Unsere Frage ist nun, wie es zu einem solchen „gleichmäßigen Interesse“ kommt. Entweder wird dies durch Verfahren rechtlicher Art geschaffen, die im Grundgesetz schon vorgegeben sind. Dies würde in unserem Fall, wo gerade die Anspruchnahme von Grundgesetz Artikel 1 und 2 durch den Embryo23 geklärt werden soll, nicht weiterführen. Oder es bleibt die Frage, wer das gleichmäßige Interesse definiert? Wenn dieses Interesse durch alle festgesetzt werden soll, dann gibt es eine vierfache Möglichkeit: (1) Es wird überhaupt kein gemeinsames Interesse artikuliert, sodass die philosophische Moral schweigt und andere gesellschaftliche Kräfte die Frage entscheiden. (2) Alle haben daran ein gemeinsames Interesse, ein gemeinsames Interesse nur gemeinsam zu schaffen. Dieses Verfahren bleibt formal und bleibt inhaltslos. Auch hieraus ergibt sich, dass die philosophische Moral dem Staat und Recht gegenüber schweigt. (3) Alle haben ein gemeinsames rationales Interesse, den Embryo aus der für ihn real möglichen zukünftigen Partizipation an der Rechtsgemeinschaft auszuschließen. Ein solches Interesse wäre jedoch rein willkürlich und würde den Beschließenden ein Recht zur Tötung unschuldigen Lebens Anderer einräumen. Diese Möglichkeit steht im Raum und wird von Habermas jedenfalls indirekt behauptet, wenn er erklärt: „Der weltanschaulich neutrale Staat kann, wenn er demokratisch verfasst ist und inklusiv verfährt, in einer ethisch umstrittenen Anspruchnahme von Grundgesetzartikel 1 und 2 nicht Partei ergreifen.“24 Giorgio Agamben würde diese als rational behauptete Möglichkeit zum Beleg dafür nehmen, dass der moderne demokratische Souverän den Menschen nackt und wehrlos macht.
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Ebd., S. 71. Die Befürworter der Anwendung des Menschenrechtsschutzes schreiben dem Embryo die in den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes garantierte menschliche Würde zu. Begründet wird dies, wie oben gesagt, damit, dass der Embryo die Anlage der Totipotenz zu einem vollständigen Individuum hat. 24 Jürgen Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur, a. a. O., S. 70. 23
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(4) Alle haben ein gemeinsames rationales Interesse, den Embryo als reale zukünftige vollwirkliche Person anzuerkennen und zu schützen. Das Lebensrecht des Embryos ist dabei ein absolutes schlechthinniges Gut, das jede mögliche Güterabwägung ausschließt und mögliche partikulare Interessen zum Schweigen bzw. zur Unterordnung bringt. Die naturrechtliche und moralische Forderung, das Lebensrecht des Embryos absolut und schlechthin zu schützen, muss die Philosophie an den am Recht orientierten Staat stellen. Habermas entwickelt im Anschluss an den politischen Liberalismus von John Rawls eine genetische bzw. prozedurale Moral. Bei ihm heißt es: „Nur die Mitglieder dieser Gemeinschaft können sich gegenseitig moralisch verpflichten und voneinander normenkonformes Verhalten erwarten. Wie ich zeigen möchte, ist Menschenwürde im streng moralischen und rechtlichen Verstande an diese Symmetrie der Beziehungen gebunden.“25 Damit nennt Habermas jedoch nur Verfahrensbedingungen und keine Begründungen; wenn er meint, dass der Embryo, weil er noch kein Mitglied der Gemeinschaft ist, auch noch keine moralische Verpflichtungskraft gegenüber den Beschließenden hat, bringt er eine Verfahrensbedingung in den Status der Begründung einer Entscheidung. Entweder gehen demokratische Rechte aus dem geschlossenen Club derer hervor, die sich faktisch wechselseitig verpflichten können, oder dieses Verpflichtungsverfahren schließt alle Menschen, auch jene, die faktisch nicht teilnehmen bzw. noch nicht teilnehmen können, ein. Damit wären Embryos ebenso eingeschlossen wie Heranwachsende unter 18 Jahren bzw. Menschen mit schweren Krankheiten, die es ihnen nicht mehr erlauben ihren Willen zu artikulieren. Nur mit dieser Offenheit gegenüber den in der weiteren Zukunft hinzukommenden Teilnehmern wird die Verfahrensbedingung im Sinne der universellen Menschenrechte richtig interpretiert. Habermas sieht völlig richtig, dass es über die Zuschreibung des Beginns des menschlichen Lebens zwei kontroverse „ontologische Grundannahmen“ gibt. Einerseits, die des „szientistischen Naturalismus, aus denen sich die Geburt als relevante Zäsur ergibt“ und andererseits die Position mit angeblichen „metaphysischen und religiösen Hintergrundannahmen“26. Weil Habermas letztere vermeiden will, verlässt er die ontologische Ebene und gerät auf die interaktionistische Ebene der Persönlichkeitsentwicklung, wie wir sie aus der Phase der Sozialisation und generell aus dem Zusammenleben der Menschen kennen. Habermas spricht von der „Unantastbarkeit, die allein in den interpersonalen Beziehungen
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Ebd., S. 62. Der Endzustand des Embryos ist keine metaphysische Größe. Die Entwicklung vom Anfangszustand der Totipotenz der Zelle zum Endzustand ist empirisch beobachtbar und „wir benötigen keine Annahmen darüber, dass sie etwa von einer göttlichen Vernunft intendiert ist“. So Friedo Ricken, Verhinderte Totipotenz und Totipotenz als zentraler Schutzbegriff, in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik, a. a. O., S. 323. 26
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reziproker Anerkennung im egalitären Umgang von Personen miteinander eine Bedeutung haben kann.“27 Der „Unvollständigkeit einer Individuierung durch DNA-Sequenzen“ wird „der Prozess gesellschaftlicher Individuierung“ gegenüber gestellt. „Erst im Augenblick der Lösung aus der Symbiose mit der Mutter tritt das Kind in eine Welt von Personen ein, die ihm begegnen, die es anreden und mit ihm sprechen können . . . erst in der Öffentlichkeit einer Sprachgemeinschaft bildet sich das Naturwesen zugleich zum Individuum und zur vernunftbegabten Person.“28 Der ontologische Gesichtspunkt, dass etwas da sein muss, das die substantielle Voraussetzung für Sprach- und Vernunftentwicklung ist, wird von Habermas zu einem Rechtsschutz abgeschwächt. Vor dem Eintritt in den öffentlichen Interaktionszusammenhang genieße „das menschliche Leben als Bezugspunkt unserer Pflichten Rechtsschutz, ohne selber Subjekt von Pflichten und Träger von Menschenrechten zu sein.“29 Dieser Rechtsschutz bestehe im Unterschied zu der jeder Person garantierenden Menschenwürde im Respekt vor „der Würde des menschlichen Lebens“. Eine solche Würde gebe es, wie Habermas vielsagend sagt, auch in unserem „gefühlsbeladenen Umgang mit Toten“. Der respektvolle Umgang mit toten Föten zeige auch für den toten Embryo eine „verbreitete und tief sitzende Scheu vor der Integrität des werdenden menschlichen Lebens, an das keine zivilisierte Gesellschaft ohne weiteres rühren darf.“30 Der Verbrauch und die Tötung von Embryos sind als Verlust eines Wertes durch andere Werte – etwa der zu erwartenden Heilung vorher unheilbarer Krankheiten – zu kompensieren. Die Frage, ob nicht bei der In-vitro-Fertilisation durch die mehrfache Bereitstellung von Embryonen zur Nidation eine Instrumentalisierung des Embryos geschehe und ob diese nicht erst recht von der Stammzellforschung zu erwarten sei, wird von Habermas nicht diskutiert. Indem dem Embryo Lebensrecht abgesprochen wird, vermeide man nach Habermas, dass „moralisch gesättigte juristische Begriffe wie Menschenrechte und Menschenwürde durch eine kontraintuitive Überdehnung nicht nur ihre Trennschärfe, sondern auch ihr kritisches Potential“ verlören.31 Die Ersetzung der ontologischen Fragestellung, die Aufhebung der Frage nach dem Sein des Embryos, weil er noch kein Träger der interaktionistischen Moralableitung ist, ist nichts anderes als eine pseudo-demokratische Spielart des Rechtspositivismus; denn dieser geht davon aus, dass nur das Recht ist, was durch Rechtsetzungsverfahren zustande kommt und dass es davon unabhängig 27 28 29 30 31
Jürgen Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur, a. a. O., S. 62. Ebd., S. 64. Ebd., S. 66. Ebd., S. 67. Ebd., S. 68.
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kein Recht gibt. Indem die Moralbegründung bei Habermas die Vollzugsbedingungen des ethischen Diskurses an die Stelle der Begründung aus dem Recht der Person in ihren verschiedenen Ausdruckphasen setzt, verwirkt sie ihren Anspruch eine Moralbegründung zu sein und setzt jenen Vorwurf von Giorgio Agamben ins Recht, der da lautet, dass Rechtsbegründungstendenzen in den modernen Demokratien den Menschen schutz- und wehrlos machen. IV. Lebewesen, Naturrecht und positives Recht In einer Kritik an der naturrechtlichen Form der Begründung der Menschenwürde des Individuums bemerkt der Rechtstheoretiker Reinhard Merkel, dass diesem Argument ein naturalistischer Fehlschluss zugrunde liege. Das Speziesargument verlange das Tötungsverbot des Embryos, weil dieser der Spezies Homo sapiens angehöre. Die „molekulare Mikrostruktur unserer DNA“ begründe jedoch keine fundamentalen Rechte. Auch „könne die rein faktische Verteilung von irgend etwas innerhalb einer biologischen Familie keine Norm erzeugen. Warum sollte eine solche Schutznorm nicht für alle Säuger gelten?“32 Mit dem ersten Argument behauptet Merkel, dass sich der Embryo nur aus Mikrostrukturen zusammensetze. Er fasst diesen somit nur als Summe seiner Teilungsprodukte auf. Ontologisch entspricht jedoch einer solchen Kategorie kein Lebewesen, sondern eine Anordnung von leblosen Körpern, die sich aufgrund eines Impulses verändern, wie z. B. eine Welle, oder das Feuer. Für ein Lebewesen ist charakteristisch, dass es tätig ist und sein Vermögen aktualisiert. Die Entwicklungsfähigkeit des aus der Vereinigung von Samenzelle und Ei bestehenden Embryos bedeutet eine erste Form von Leben. Und ohne den Eingriff des Menschen in den natürlichen Zeugungsablauf stünden ihm die natürlichen Wachstumsbedingungen des mütterlichen Uterus zur Verfügung. Stupende Entwicklungsschritte gehören zum Lebewesen: „Lebewesen wachsen und entwickeln sich und verändern sich dabei erheblich; dennoch beschreiben wir diese Veränderungen nicht als das Entstehen und Vergehen verschiedener Individuen, sondern als Veränderung eines einzigen, verschiedene Stadien und Zustände durchlaufenden Individuums.“33
Unsere Körper sind keine Prozess-Dinge wie ein Wasserwirbel, ein Sturm, eine Welle oder eine Flamme, weil sie auf das In-sich-Bestehen eines Ganzen, des Lebewesens hinarbeiten und damit das Endstadium, das „Lebewesen Mensch“ erreicht wird, muss dieses Ziel von Anfang an wirksam sein; deshalb ist es unerfindlich, warum man – wie Reinhard Merkel meint – das Schutzargu32 Reinhard Merkel, Rechte für Embryonen? In: Biopolitik, hrsg. von Chr. Geyer, Frankfurt, 2001, S. 56. 33 Zur Ontologie des Lebewesens vgl. Marianne Schark, Lebewesen als ontologische Kategorie, in: Philosophie der Biologie, hrsg. von U. Krohs/G. Toepfer, Frankfurt 2005, S. 180 f.
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ment, das dem Embryo gilt, auf alle Säuger ausdehnen sollte. Die Zielursache ist zusammen mit der Formursache das steuernde Prinzip, damit von Anfang an die Zielerreichung angestrebt wird. Wie bereits oben angedeutet hängt die Ausschaltung der Finalursächlichkeit bei der Interpretation des Embryos durch die moderne Gentechnik als „chemische Maschinen“34 an der durch Descartes eingeführten Voraussetzung, dass Lebewesen Automaten sind und im Falle einer Krankheit eine ähnliche Störung wie bei einer falsch gehenden Uhr vorliege. Bei Descartes hängt die Leugnung der Seele von Lebewesen und von deren Selbsttätigkeit damit zusammen, dass unser Denken als die einzige zielgerichtete Tätigkeit aufgefasst wird, während „dasjenige Prinzip, durch das wir ernährt werden, wachsen und alles übrige, was wir, da wir es mit den Tieren gemein haben, ohne jede Denktätigkeit vollbringen.“35 Die von Descartes und Leibniz eingeführte Maschinenanalogie hat zwar heute ausgedient, die Leugnung der Seele und des Lebendigseins und damit die Reduzierung des Embryos auf einen bloßen Körper ist zur vorherrschenden Betrachtungsweise der Gentechnik geworden; denn nur so kann sie, ohne sich in normative Widersprüche zu verwickeln ihre utopischen Ziele, die genetischen natürlichen Grundlagen des Menschen zu verbessern, ungehindert verfolgen. Wenn dem Embryo vor der Nidation der absolute Lebensschutz abgesprochen wird, wie es in dem jüngst veröffentlichten Buch von Wilhelm Vossenkuhl geschieht, liegen dieselben argumentativen Fehler wie bei der oben angeführten These von Reinhard Merkel vor.36 Die Vernachlässigung der teleologischen Struktur des Lebewesens, das der Embryo ist, führen bei Vossenkuhl zur Forderung, das Embryonenschutzgesetz so zu ändern, dass „der Beginn des Lebensschutzes auf den Zeitpunkt der Einnistung festgelegt würde“. Da durch wissenschaftliche Gutachten garantiert werden könne, dass der Verbrauch des Embryos nur „dem Lebensschutz künftiger Generationen“ diene, sei der Vorwurf der Instrumentalisierung des Embryos nicht gegeben.37 Diese Überlegungen zum Verständnis des Lebewesens zeigen, dass die Frage nach dem moralischen Status des Embryos auf dessen Lebewesensein, das untrennbar mit seinem Personcharakter verbunden ist, zurückgreifen muss. Eine Diskussion zwischen klassisch ausgerichteter Naturphilosophie und moderner Biologie findet jedoch so gut wie nicht statt.
34 Hubert Markl, Evolution und Gentechnik, Eröffnungsvortrag auf dem Kongress für biochemische Analytik, München 18.4.1988. 35 Descartes, Meditationes de prima philosophia, a. a. O., S. 328. 36 Wilhelm Vossenkuhl, Die Möglichkeit des Guten, Ethik im 21. Jahrhundert, a. a. O., S. 103. 37 Ebd., S. 104.
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Ohne die naturrechtlichen Grundlagen der Menschenwürde sind die Menschenrechte in den modernen Demokratien in Gefahr als „Willenserklärungen einer historisch begrenzten Gemeinschaft“ aufgefasst zu werden. Auch die Rechte einer Person sind dann primär „das Resultat einer Willenserklärung“, wie Tilman Borsche ausführt.38 Ich fasse am Schluss die wichtigen Punkte zusammen. Das naturrechtliche Prinzip „jedem das Seine zu geben“, bedeutet im Falle des Gegenstands der Biowissenschaft die Würde der Mutter, deren Leibesfrucht und überhaupt den ganzen Vorgang der Zeugung zu schützen. Aus naturrechtlich-ethischer Sicht ist zu fordern, die hormonelle Stimulierung von Frauen, „die Eizellen- oder Nabelschnur-Entnahmehandlungen schlicht als Verstoß gegen die guten Sitten“ zu ächten.39 Die vorgegebenen natürlichen Abläufe der Zeugung des Menschen werden durch die Biowissenschaften aufgehoben und in ein Verhältnis der Güterabwägung versetzt, in dem die Heilungs- und Gewinninteressen sich autonom verstehender Personen dominieren, die keine Bedenken haben, die Tötung befruchteter menschlicher Eier als Mittel zur Forschung einzusetzen. Weder ist das Leben eine „chemische Maschine“ (Hubert Markl), noch ist Leben und Personalität mit Bewusstheit oder Diskurskompetenz von Rechtssubjekten gleichzusetzen. Die Begründung des Lebensschutzes des Embryos ergibt sich nicht allein aus dem Kantischen Gedanken des Selbstzwecks der Person, sondern aus der Ergänzung der Ethik durch eine naturteleologische Betrachtungsweise des Embryos. Robert Spaemann hat in diesem Sinne darauf hingewiesen, dass Personsein dem Menschen ursprünglich zukommt und nicht aufgrund der Definitionsmacht einer Rechtsgemeinschaft. Es dürfe nur ein einziges Kriterium zur Beurteilung des Lebensschutzes des Embryos geben und das ist, „die biologische Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht“.40 Grundlage der Person ist das menschliche Lebewesen, das von den ersten Anfängen der Selbststeuerungsfähigkeit den voll entwickelten Zustand des Lebewesens teleologisch und formal anzielt. Zur Beurteilung des moralischen Status des befruchteten menschlichen Eies genügt es nicht, wie Habermas meint, vom Prinzip der sozialen Interaktion auszugehen und Fragen des gerechten Zusammenlebens und des Lebens überhaupt „im gleichmäßigen Interesse eines Jeden rational“ entscheiden zu wollen. Dieser Rückfall in die rationale Kalkulierungsmethode von Hobbes, den Habermas dem „Politischen Liberalismus“ von John Rawls entnimmt, würde jede Ethik zum Instrument eines absoluten Rechtssouveräns in der Form kontingenter 38
Tilman Borsche, Mensch und Person, in: fiph Journal (Februar 2005), S. 6. Vgl. dazu aus feministischer Sicht Petra Gehring, Was ist Biomacht? Vom zweifelhaften Mehrwert des Lebens, Frankfurt 2006, S. 84. 40 Robert Spaemann, Personen. Versuche über den Unterschied zwischen „etwas“ und „jemand“, a. a. O., S. 264. 39
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Mehrheiten machen und in der Tat das menschliche Leben, wie Giorgio Agamben formuliert, „nackt“ machen. Die unheilvolle Tradition des Rechtspositivismus würde durch die Definitionsmacht des staatlichen Gesetzgebers, welchen Entwicklungsstufen des Menschen unantastbare Würde und Lebensschutz zukomme, wiederaufleben. Das in der rechtspositivistischen Sichtweise verbreitete Argument, das auch Reinhard Merkel vorbringt, lautetet, dass der moralisch begründete Lebensschutz des befruchteten Eies, einen naturalistischen Fehlschluss darstelle und d. h., ein Sollen aus einem bloßen faktischen Sein ableiten. Merkel interpretiert den Anfang des menschlichen Lebens nur als Prozessstruktur, bzw. als ein Prozessgebilde, was z. B. auf eine Welle, oder ein Feuer zutrifft. Da das befruchtete menschliche Ei aber bereits den Endzustand, das „Lebewesen Mensch“ aktuell anzielt, gilt bereits für dieses Gebilde, dass es Selbstzweck im Sinne der menschlichen Person ist. Wer in dieser Weise den Embryo als Zellstruktur interpretiert, müsste – wie es z. B. Peter Singer tut – konsequenterweise auch Leben und Personalität nur vom bewussten und handlungsfähigen menschlichen Personen gelten lassen. Am Ende ist zu hoffen, dass ethische Einsichten dazu beitragen, dass das restriktive Stammzellschutzgesetz vom Jahre 2002, das sich an der Menschenwürde des Embryos orientiert, nicht aufgeweicht wird. Zusammenfassung Statt Prinzipien des Naturrechts in der Demokratie aufzugeben, wie Jürgen Habermas und Reinhard Merkel, oder die Demokratie mit Giorgio Agamben anzuklagen, sie mache den Menschen rechtlos, kommt es darauf an, dem menschlichen Embryo den moralischen Status eines sich entwickelnden Menschen zuzusprechen und ihn unter den unbedingten Schutz des deutschen Grundgesetzes zu stellen. Embryonen können nicht, wie Habermas meint, durch das „gleichmäßige Interessen eines jeden“ geschützt werden, weil Interessen immer standpunktrelativ sind. Grundlage der Person und unbedingt schützenswert ist das menschliche Lebewesen, das von den ersten Anfängen der Selbststeuerungsfähigkeit den voll entwickelten Zustand des Lebewesens zielgerichtet anstrebt.
Summary The human embryo has the moral status of a developing human being and must be protected by the German Grundgesetz. It would be wrong to deny the unborn human being the rights of human dignity, as Jürgen Habermas and Reinhard Merkel suggest, or to accuse democracy for making men lawless, as Giorgio Agamben proposes. Embryos cannot be protected, as Habermas believes, by the interest of everyone because interests always depend on a particular point of view. As a person, the human being has to be protected from the moment of conception to natural death.
Community, Religion and Virtue in Modern Liberal Democracies By Christopher Cullen, S. J. I. Introduction: September 11, 2001 On September 11, 2001, from the top of the building where I teach in Manhattan, I saw the Twin Towers of the World Trade Center burning – gigantic columns of smoke pouring upward into a clear blue sky. As I learned of the mass murder of thousands of my fellow citizens at my doorstep, I found myself esteeming more than ever the polity that was at hand to oppose such barbarism. My experience that day made me realize that I dare not take the American polity for granted. The attack suddenly disclosed an existential enemy, that is, an enemy that seeks not merely some particular policy change or parcel of land but the very life of Western civilization. Another realization also came to me: that the American polity, like other liberal democracies, would need profound inner strengths to defend itself. September 11th reminds us of the fragility of modern liberal democracies and lends considerable urgency to facing certain fundamental problems in the political system that is dominate in the West and, more recently, in the world.1 In this paper, I would like to suggest that there are three fundamental problems for modern liberal democracies that threaten their long-term sustainability: their individualism, secularism, and moral skepticism. In this short paper, I obviously cannot resolve all of the complicated issues involved; I can do no more than sketch these problems and then suggest some antidotes. The larger task is a communal one.
1 Samuel P. Huntington has chronicled the world democratic revolution and divided it into the three “waves”: The first wave lasted a hundred years and took place from the 1820s to the 1920s; the second started at the end of World War II and lasted until the mid-1960s; the third wave began with the end of the Portuguese dictatorship in 1974 and continues. “Since then democratic regimes have replaced authoritarian ones in more than thirty countries in Europe, Asia, and Latin America” (Huntington, “Religion and the Third Wave,” The National Interest 24 (Summer 1991), 29). The first wave, he explains, received its remote impulse from the Puritan Revolution in the seventeenth century and a more immediate impulse from the American and French Revolutions.
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II. Liberalism What exactly do I mean by liberalism? Liberalism is the philosophy that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain inalienable rights, and that to secure these rights governments are instituted among men, deriving their powers from the consent of the governed. In essence, liberalism is the view that the polity ought to arise from democratic consent for the sake of securing the individual’s natural rights. Over the past two centuries this political philosophy has reordered the world on these principles. Liberalism’s triumph in modern politics is so complete that much of contemporary political debate is really between two forms, or branches, that have developed in the history of liberalism. One form, which is older and finds classic expression in the thought of John Locke at the time of the Glorious Revolution of 1688, argues that government exists primarily to insure private rights for individuals; consequently, it also argues for minimum government regulation of the life of its citizens, especially in economic affairs.2 Classical liberalism usually goes by the name of “conservatism,” especially in the United States. The other branch of liberalism argues for a government that exists to insure liberty for all its citizens, but it fears that unregulated social and economic forces lead to excessive inequality and so uses extensive government legislation to create and extend “opportunities” to a greater number of citizens. Its focus is the progress of justice. These two forms of liberalism disagree over a key premise: that private interest and general welfare will largely coincide. Classical liberalism accepts this premise by and large and so defends a market economy, while progressive liberalism adamantly rejects it and so argues for the extensive regulation and direction of the economy of the nation, i. e., either a mixed or planned economy. As a result, for classical liberalism the state’s role is primarily negative, while for progressive liberalism it is largely positive. Furthermore, because they differ somewhat in their conceptions of the human being, they have divergent legislative concerns: classical liberalism is concerned primarily with insuring rights, while progressive liberalism tries to balance concern with protecting rights with equality. As a result the progressive government attempts to secure certain positive rights for all citizens, i. e., that all individuals have access to the means of fulfillment, such as, a minimum wage, education, health care, and similar economic opportunities.3 Nevertheless both forms of liberalism are united by a common belief in the sovereignty of the individual and personal freedom. 2 John Locke, Two Treatises of Government, Cambridge Texts in the History of Political Thought (New York: Cambridge University Press, 1988). 3 George H. Sabine sketches the main tenets of liberalism and its two principal branches (George H. Sabine, A History of Political Theory, 3rd ed. [New York: Holt, Rinehard and Winston, 1961]).
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III. The Fragility of Modern Liberalism 1. Individualism: A State without Community
The belief that the individual is sovereign disposes liberal regimes to operate on a procedural view of the polity. In this view government exists primarily to insure that proper “procedures” are followed among the various sovereign individuals and competing forces of society. The state itself comes into existence through the consent of individuals to a social contract. Insuring proper procedure is one of the state’s fundamental tasks, because it is the individual who is sovereign over the big questions, such as, the meaning and purpose of life, the ultimate goods that are to be desired and sought, and what religion, if any, ought to be practiced. The two forms of liberalism may disagree over the extent and nature of the procedural regulation of the economic life of the nation, i. e., whether they are to be few or numerous, whether they are primarily to restrain excess or are to promote economic and social egalitarianism, etc., but they are united in a view that the state exists to insure individual liberty, serving as a referee when disputes arise. Citizens are not juridically united in the pursuit of any common conception of a supreme good. In the procedural and bureaucratic state, the common good is often reduced, both in thought and in public discourse, to mere public order. The political regime does not exist for what the Greeks often called “the noble and good.” It exits for the sake of good procedures or “public order,” i. e., policies which prevent citizens from “hurting” each other. 2. Secularism: A State Without Religion
Liberalism banished religious questions and disputes from the political arena in response to the devastation wrought by the early modern wars of religion between Protestants and Catholics. The founders of liberalism did not think, by and large, that citizens could come to agreement about the truths of various religions. Hence, liberalism, at least in its Continental forms, adopted a strongly secular view of the state: the state was to build a wall of separation between itself and all religious bodies. In this tradition, the state not only eschews any one religious denomination, but it also strictly avoids favoring religion at all. In this regard the modern liberal state is anomalous: pre-modern societies dared not function without an official religion and an ultimate end, that is, without telling their citizens what they should live and die for, what gods to worship for survival’s sake, and what is the purpose of life. For the ancients and the medievals, society must have its protecting gods; sacrilege and heresy are mortal threats to the body politic – they sow dissension among the citizens about the most fundamental questions of human life.
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Christopher Cullen 3. Skepticism and Relativism: A State without Virtue
It was not a very large step from skepticism about religious claims to a broader skepticism about the ultimate end or highest good of the human being. In rejecting confessional states liberal theorists also came to find themselves not only undermining the most important promoter of virtue but also weakening the theoretical basis for public consensus about morality, namely, common agreement about the universal human end or telos. Since we cannot know what is the properly human end, each individual is free to determine it for himself. Indeed, we might say that liberalism often adopts a “Don’t ask, don’t tell” approach with regard to virtue: the state won’t ask about the virtue of its citizens and the citizens ought not to demand that the state contribute to making its citizens virtuous. In other words, what is missing from the modern state is any conception of the importance of virtue and how that state ought to foster the virtue of its citizens. We live “after virtue,” to borrow Alasdair MacIntyre’s expression. It is the sort of polity described by MacIntyre, “where government does not express or represent the moral community of the citizens, but is instead a set of institutional arrangements for imposing a bureaucratized unity on a society which lacks genuine moral consensus.”4 Such polities create slaves or libertines – hollow men who live for the day and the hour, unaware of the noble and the good. In the light of the twentieth-century totalitarian states that claim to know the good for man, whether defined by class as in communism or by race as in Nazism, it is with reason that one might follow classical liberalism’s tendency to libertarianism and seek a very narrowly circumscribed state. This preserves the maximal rights of the individual against the modern Leviathan. After the gulags of the Soviet Union, the killing fields of Pol Pot’s Cambodia, and the concentration camps of the National Socialists, the Leviathan state is a legitimate fear. In short, liberal democracies find three grave problems at their very heart: individualism, secularism, and a skepticism that leads to relativism. These contemporary philosophies turn liberal regimes away from the community, virtue and religion they need to sustain themselves. In order to correct these grave problems, the modern liberal state needs a renewed appreciation of its constitutive communities and a re-orientation to virtue and religion. How to achieve this reform, this reorientation, is no easy task.
4 Alasdair MacIntyre, After Virtue (Notre Dame: University of Notre Dame Press, 1981), 236.
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IV. Community in the Modern Liberal State One of the key questions for liberal democracies is how to achieve the sense of community necessary to sustain the virtuous life and the cohesion of an orderly society in which individuals do not find themselves isolated and cut-off. The quest for civil society has become a cottage industry.5 The communitarianlibertarian debate is more than we can discuss in the confines of this paper. What is important for our purposes is the recognition of the importance of community for the virtuous life.6 Aristotle, I think, shows a way back to community and virtue. He also has a clear awareness of the pre-political society that is the household and the family. Aristotle’s theory can help illumine the nature of the problem and suggest ways of overcoming liberalism’s radical individualism without losing sight of the dignity of the citizen as a participant in the deliberations of the polity. His balanced political theory helps to light the way between the extremes of libertarianism’s license and totalitarianism’s slavery. What is necessary is moderation – a moderation found in Aristotle.7 V. Parallels to Modern Liberal Democracies in Aristotle’s Politics We can find an instructive parallel to the procedural state in Aristotle’s discussion of a community of commercial relations in book three of the Politics. Aristotle argues by means of an example that almost everyone would readily admit: If business and trade were the adequate telos of the polis, then trading partners would be a polis. But this is clearly not the case:
5 Among those engaged in this communitarian endeavor are the following: MacIntyre, After Virtue; Michael Sandel, Liberalism and the Limits of Justice; Charles Taylor, Sources of the Self. 6 MacIntyre, After Virtue. 7 I disagree with the notion that Aristotle holds a totalitarian view of the state as C. W. Taylor suggests in his discussion of Aristotle’s political thought in a well-known guide (C. W. Taylor, “Politics,” in: The Cambridge Companion to Aristotle, ed. by Jonathan Barnes [New York: Cambridge University Press, 1995], 240). He bases this view on a passage where Aristotle could be taken to imply that the individual has no independent good apart from the state (Aristotle, Politics, 1255b9–10). But Taylor’s interpretation of Aristotle on this point is problematic for various reasons, not the least of which is that Aristotle has a profound awareness of pre-political societies and their natural sovereignties that ought to prevent the state from suppressing them. In addition, Taylor has an inadequate notion of totalitarianism. George H. Sabine has a better notion of totalitarianism: “Government is not only absolute in its exercise but unlimited in its application. Nothing lies outside its province. Every interest and value – economic, moral, and cultural – being part of the nation resources were to be controlled and utilized by government” (Sabine, 916).
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[I]t [the polis] does not exist for the sake of trade and business relations – for if so, Etruscans and Carthaginians and all the people that have commercial relations with one another would be virtually citizens of a single state; at all events they have agreements about imports and covenants as to abstaining from dishonesty and treaties of alliance for mutual defense, but they do not have officials common to them all appointed to enforce these covenants, but different officials with either party, nor yet does either party take any concern as to the proper moral character of the other, nor attempt to secure that nobody in the states under the covenant shall be dishonest or in any way immoral, but only that they shall not commit any wrong against each other.8
Notice several points here. First, a polity cannot exist merely for trade and business, for this would make the Etruscans and Carthaginians together a polity, which is clearly not the case. Secondly, mere commercial relations cannot be the basis for a polity, because it is not an adequate telos. That is to say, the polis does not exist merely for the sake of wealth, nor for life, nor military alliance, nor trade. Each of these conceptions of the telos of the city is reductionistic – it takes one part of the city’s telos for the whole. Thirdly, he mentions three elements that are absent in a community of commercial relations (which, by implication, are essential elements of a true polity): common officials to enforce legal contracts, concern for the moral character of the parties, and a means of enforcing honesty and morality. The parties of such commercial relations are only concerned that they not harm each other. Aristotle does not see how one can really even call this a polis, since it has so deficient a view of the telos of the city. It reduces the telos to merely living, rather than living well (eudaimonia). The polis exists for the noble life: “The political fellowship must therefore be deemed to exist for the sake of noble actions, not merely for living in common.”9 This inadequate telos for the city, namely, business and trade, also alters the nature of the laws: “And in such alliances the law becomes mere contract: And the law is a covenant, or in the phrase of the sophist, Lycophron, a guarantee of men’s just claims on one another but it is not designed to make the citizens virtuous and just.”10 This contractual view of law develops in such a community. It sets the standard too low for a true polity – its only purpose is to prevent people from committing any wrong against each other, or to put it modern English, from hurting each other. Aristotle then proceeds to explain that even if two cities were brought together to be contiguous, this would not make them one city. Not even if they 8 Aristotle, Politics, trans. by H. Rackham, Loeb Series (Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1932), 3.5.1280a35–1280b4. All references are to this translation unless specified otherwise. 9 Aristotle, Politics, 3.5.1281a3–4. 10 Aristotle, Politics, 3.5.1280b11–13.
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had intermarriage between them would they be one city. Nor would they become one if they had “laws to prevent their wronging one another in their interchange of produces.” If their “mutual dealings” are limited to such things as the “exchange of commodities” and “military alliance,” “this would still not be a state.” “It is manifest therefore that a state is not merely the sharing of a common locality for the purpose of preventing mutual injury and exchanging goods. These are necessary pre-conditions of a state’s existence, yet nevertheless, even if all these conditions are present, that does not therefore make a state.”11 There is another instructive analogue to the modern liberal state, because it presents us with a perennial danger for democracy. This second analogue or parallel is found in book six, where Aristotle discusses the most extreme or “last” form of democracy. In this most extreme form of democracy, the law has almost completely ceased to function. It is not just that the demos fails to rule for the common good and instead rules for its own good, but even the law itself has lost its force. In this extreme form of democracy Aristotle says, “Liberty to do whatever one likes cannot guard against the evil that is in every man’s character.”12 In the same book he speaks of the failure to live with restraint: Moreover the characteristics of a tyranny also are all thought to be democratic, I mean for instance license among slaves, which may really be advantageous for the popular party up to a point, and among women and children, and indulgence to live as one likes; a constitution of this sort will have a large number of supporters, as disorderly living is pleasanter to the mass of mankind than sober living.13
The license of extreme democracy ends in tyranny, because it cannot guard against “the evil that is in every man’s character.” VI. Back to Community and Virtue What has proven a difficult problem is the place that virtue ought to hold in legislating for pluralistic modern democracies where there is usually no agreement about human nature or its ends. Aristotle thinks that one must have a proper understanding of the material cause before going on to the formal or final cause of the polity, namely the pre-political societies and relations that are constitutive of the polity. In book one of his Politics he carefully examines the relations in which the human being is enmeshed before he begins to discuss politics. He begins with distinctions, such as that between male and female. The male-female union is not “by choice.” For it is natural to want to leave behind another like oneself. 11 12 13
Aristotle, Politics, 3.5.1280b30–33. Aristotle, Politics, 6.2.1318b40–1319a1. Aristotle, Politics, 6.2.1319b27–33.
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Aristotle is concerned here with relations that are rooted in the natural order, in the biological order. The next relation is that of parents and children. In the text he does not stop and analyze the subjective wants and desires of the individual, because the individual human being necessarily implies a distinction, and a relation. Single out any human being and you have relations built into his very biology. Aristotle then proceeds to discuss the household, which implies an even larger set of relationships. This too is natural: “The partnership therefore that comes about in the course of nature for everyday purposes is the ‘house,’ the persons whom Charondas speaks of as ‘meal-tub-fellows’ and the Cretan Epimenides as manger fellows.”14 Table-fellowship is part of man’s natural order. Politics must take account of this fact. Before he discusses man as a citizen, he shows how a human being is a father and a son, a household member and a friend, a farmer or a tradesman. One searches in vain for the autonomous individual. For the individual citizen is already defined by his various roles which he plays in all sorts of pre-political societies. Given this regard for context of the individual, it is not then surprising that Aristotle argues that the polis has a priority over the individual, even though the latter exists temporally before it. It has a sort of “metaphysical” priority. In short, the isolated and autonomous individual is not the foundation of Aristotelian political theory. This has enormous consequences. Aristotle gives a succinct definition of the polis which significantly goes beyond mere commercial relations or a military alliance: “A state is a partnership of families and clans in living well, and its object is a full and independent life.”15 This definition includes both the telos of the city and its material substratum, namely, the family and clans. The end of the city is not merely living, but living well. This means living in a properly human way for properly human goods, above all, with the distinctly human good of a virtuous life. What is more, it is the family that is one of the constitutive elements of the very definition of a polis. Aristotle thus points the way to a polity that is turned to the noble and the good. He reminds the modern reader: you have a soul. And “the best life, whether separately for an individual or collectively for states, is the life conjoined with virtue furnished with sufficient means for taking part in virtuous actions.”16 Aristotle’s theory further implies that virtue is not just for a few but 14 15 16
Aristotle, Politics, 1.1.1252b13–15. Aristotle, Politics, 3.5.1280b34. Aristotle, Politics, 7.1.1223b40–1224a2.
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for the many, as Mary Nichols has recently argued.17 Indeed, it is precisely because of their capacity for virtue that Aristotle argues that the many are to be included in the polis. Virtue ought to be a concern of the many. It is not sufficient just for the statesman, let alone the philosopher king, to be virtuous. A thinker who continues in the spirit of Aristotle’s tradition is the American theologian, John Courtney Murray, who argued that public morality does fall in the domain of the state’s proper duty. He distinguishes between the common good and public order. The former is the responsibility of the whole society, while the state bears responsibility for the latter. “The common good includes all the social goods, spiritual and moral as well as material, which man pursues here on earth in accord with the demands of his personal and social nature.” Murray defines public order to consist of three goods: (1) public peace; (2) public morality; (3) justice.18 Note the key move here: the state is responsible for moral goods insofar as they concern public morality. Obviously, a great deal depends on how public morality is defined; nevertheless, the path is open to virtue. He was not trying to claim that the state ought to prescribe all virtues nor criminalize every sin. He was, in fact, following the view of Thomas Aquinas in question 96, article 2 in the prima secundae of the Summa theologiae: Now human law is framed for a number of human beings, the majority of whom are not perfect in virtue. Wherefore human laws do not forbid all vices, from which the virtuous abstain, but only the more grievous vices, from which it is possible for the majority to abstain; and chiefly those that are to the hurt of others, without the prohibition of which human society could not be maintained: thus human law prohibits murder, theft and such like.19
How to insure a public morality in a pluralistic society that does not agree on many fundamental issues remains an exceedingly difficult question. Murray’s project of appealing to a universal natural law retains a compelling stance to my mind. Writing in the American context, Murray understood the difficulty of resolving moral questions. As a minimal condition for resolving fundamental conflicts, Murray argues for the importance of civility in public discourse. In his view civility is the foundational virtue of civilization. What is clearer now than in his day, however, is that intolerance can cloak itself in the very name of tolerance, precisely because cries for tolerance often mask deeply held intellec17 Mary Nichols, Citizens and Statesmen: A Study of Aristotle’s Politics (Maryland: Rowman & Littlefield Publishers, Inc., 1992), 53. 18 John Courtney Murray, S.J., “The Problem of Religious Freedom,” Theological Studies 25 (1964), 520–521. 19 Thomas Aquinas, Summa theologiae, trans. by the Fathers of the English Dominican Province, I–II, q. 96, a. 2 corpus.
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tual commitments to skepticism and relativism, the quintessential beliefs of postmodernism. Civility remains the condition for the possibility of settling moral disputes. VII. Religion in the Modern Liberal State It is religion that seems the most difficult to return to the modern liberal state. Indeed, early modern liberalism banished religion from the state precisely because religious disputes had caused so much division within the body politic. There are three general possibilities for configuring the relationship between religious bodies and the state. The first of these is the one that prevailed through much of Christianity after the conversion of Constantine, namely, that of the confessional state. In this approach, the church and state are explicitly united, even though there is usually a division of labor. Whether the state or the church was subordinate to the other varied: in the West the church, or more specifically, the papacy claimed primacy; in the East the emperor. The former tended to subordinate the king and state to the church; the east subordinated the church to the emperor and the state. A second approach is that of secularism, which I have described above and has been dominate in certain, primarily Continental traditions of liberalism, since the Enlightenment. In this approach the state is explicitly lay and assiduously avoids favoring or benefiting religious organizations in any way. There is a wall of separation between the state and any church or cult. Hence, the secularist tradition is “separationist” when it comes to religious bodies. A third approach is a moderate one between the two extremes outlined above. There have been many attempts at some type of moderating view. One thinker who has given considerable attention to developing a particularly insightful moderate approach is Joseph Ratzinger. As long ago as a 1980 article in the German periodical, Internationale katholische Zeitschrift (also published in the Italian version of Communio), Ratzinger argues that Christianity opened a completely new chapter in church-state relations with Christ’s teaching in Matthew 22:21, “Render unto Caesar.”20 “Until then,” he says, “the general rule was that politics itself was the sacral.”21 Ratzinger thinks that Christianity introduced a sharp break with ancient politics, which conceived the sacred and the secular as one. Indeed, the gods were the gods of the city, its protectors, and 20 Joseph Ratzinger, “Theology and the Church’s Political Stance,” in: Church, Ecumenism and Politics (New York: Crossroad, 1988), 161; originally published in: Internationale katholische Zeitschrift 9 (1980), 425–434; Communio 53 (1980), 60–71; reprinted in Lorenz S. Schulz (ed.), Wem nützt die Wissenschaft? (1981), 106–117. 21 Ratzinger, “Theology and the Church’s Political Stance,” 161.
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providers. Without their life-sustaining aid, the city was lost.22 In short, Ratzinger sees Christianity as the origin of a dualistic understanding of the political and religious orders of society. He writes: “It is precisely this separation of the authority of the state and sacral authority, the new dualism that this contains, that represents the origin and the permanent foundation of the western idea of freedom. From now on there are two societies related to each other but not identical to each other, neither of which had this character of totality.”23 Ratzinger understands Jesus to have founded a new community or society that is distinct from any particular society or political order and meant to remain so. Ratzinger explains that the balance between church and state has often been disturbed and was especially so in the Middle Ages and early modern period. But it is not just that there was an imbalance during there periods, it is that the blending of the two communities “falsified the faith’s claim to truth and turned it into a compulsion so that it became a caricature of what was really intended.”24 “Dualism, which is the precondition for freedom, presupposes for its part the logic of the Christian thing.”25 Without this Christian dualism, Ratzinger thinks freedom becomes very difficult. The church (in the sense of any religious body) must work to maintain a dualistic balance between itself and the secular authority precisely because this dualism is the precondition for freedom. Indeed, Christianity helps preserve a “pattern of freedom.” What this seems to mean in the first place is that Christianity preserves the inviolability of the conscience. It does so by bringing the believer into a relationship with God which the state may not trespass. The believer lives in relationship with God and thus possesses a citizenship no earthly authority can take away, and a freedom to obey the moral law that no earthly authority ought to violate. The Christian faith thus introduces a sacral authority that protects “the pattern of freedom presented in the fundamental evidences of the faith.” The church always remains an authority to which the conscience can appeal. The church thus helps check any claim to total authority.26 Without the church as “a public and publicly relevant authority,” freedom remains in danger of being extinguished, “because there the state once again claims completely for itself the justification of morality.”27 In post-Christian societies, this problem becomes particularly acute, because in them the total state does not take the form of a sacral author22 Fustel de Coulanges, The Ancient City: A Study on the Law, Religion and Institutions of Greece and Rome (Garden City, N.Y.: Doubleday, 1956). 23 Ratzinger, “Theology and the Church’s Political Stance,” 161. 24 Ratzinger, “Theology and the Church’s Political Stance,” 161. 25 Ratzinger, “Theology and the Church’s Political Stance,” 162. 26 Ratzinger, “Theology and the Church’s Political Stance,” 162. 27 Ratzinger, “Theology and the Church’s Political Stance,” 162.
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ity but what is far more dangerous, of an ideological authority. The ideological state, without a publicly recognized authority of conscience, risks becoming totalitarian. Furthermore, the church carries out “a humanizing service” by teaching moral values. In 1992 Ratzinger was inducted into the French Academy, Academie des science morales et politiques, taking the seat of Andrei Sacharow.28 In his speech praising his predecessor Ratzinger argues that “liberty only preserves its dignity if it remains connected to its foundation and ethical mission.” A liberty of simply satisfying one’s needs is not a true human liberty – it is the license of an animal. Ratzinger asks, how are we to give law and goodness the force they need against the naiveté and cynicism of our time. Here he appeals to Alexis de Tocqueville’s Democracy in America.29 Tocqueville argues that the absolutely essential condition of ordered liberty is a fundamental moral conviction that is nourished by Christianity. Ratzinger says, “For a culture and a nation to cut itself off from the great ethical and religious forces of its history is to commit suicide.” The church helps to safeguard the dignity of every person and to work for the common good.30 For in the Christian view, the underlying value of human dignity precedes any human political act.31 Ratzinger thinks that the American political order is an example of a moderate polity that places a division between church and state but without denying churches important public weight, as he puts it.32 “This separation has created a special relationship between the state and private spheres that is completely different from Europe. This private sphere has an absolutely public character. . . . Most of America’s cultural institutions are non-governmental, such as universities or arts organizations.”33 Finally, a democracy that rests simply on the rule of the majority risks falling into a dogmatism that destroys itself. In other words, democracy conceived of as absolute rule of the majority can leads to the tyranny of the mob. In order to preserve itself, democracy must possess a liberty that is ordered by law, right and goodness.34 28 Joseph Ratzinger, Résponse, Installation du Cardinal Joseph Ratzinger comme associé étranger, 6 Novembre 1992. http://www.asmp.fr/fiches_academiciens/textacad/ ratzinger/installation_ratzinger.pdf/. 29 Alexis de Tocqueville, Democracy in America, trans. by Arthur Goldhammer (New York: The Library of America, 2004). 30 Benedict XVI, Weekly Audience, Wednesday, September 13, 2005. 31 Benedict XVI, “The Soul of Europe,” Inside the Vatican (July 2005), 14. 32 Benedict XVI, “The Soul of Europe,” Inside the Vatican (July 2005), 13. 33 Ratzinger, “Letter to Marcello Pera,” 111. 34 Joseph Ratzinger, Résponse, Installation du Cardinal Joseph Ratzinger comme associé étranger, 6 Novembre 1992. http://www.asmp.fr/fiches_academiciens/textacad/ ratzinger/installation_ratzinger.pdf/.
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Modern liberal democracies desperately need community, virtue, and religion to sustain themselves, especially in the face of the West’s highly motivated and disciplined, existential enemies. The heroes of September 11 did not learn their virtues from the state alone and the question of how they acquired the character of selfless sacrifice is an important one that we ought to ask. Modern liberal democracies would do well to orient themselves to community, virtue and religion. Summary This essay sketches three problems with modern liberal democracies – their inherent individualism, secularism, and skepticism – that render them fragile and vulnerable, and then, it suggests three antidotes to alleviate these problems: a re-orientation to community, religion, and virtue.
Zusammenfassung Der Beitrag skizziert drei Probleme der modernen liberalen Demokratie: den Individualismus, den Säkularismus und den Skeptizismus. Sie machen die Demokratie zerbrechlich und verwundbar. Um die Demokratie wieder in Griff zu bekommen, bedarf es der Ausrichtung des demokratischen Gemeinwesens auf Religion und Tugend.
Die Macht der Medien als Herausforderung der Demokratie Von Wolfgang Bergsdorf Karin Wolff, die hessische Kultusministerin, wurde vor wenigen Tagen mit der Behauptung zitiert: „Fernsehen macht dick, dumm und gewaltbereit“. Das ist ein bemerkenswert apodiktisches Urteil. In diesen von König Fußball regierten Weltmeister-Wochen kletterte der allgemeine Fernsehkonsum dramatisch in die Höhe. Natürlich zielte Frau Wolff nicht auf diese Spezies von WM-Fernsehzuschauern, nicht einmal auf den gewöhnlichen TV-Konsumenten, sondern auf jene Gruppe von Fernsehzuschauern, die man in der amerikanischen Medienforschung als „heavy viewers“ bezeichnet, die mindestens doppelt so viel Lebenszeit vor dem Bildschirm verbringen wie der Durchschnitt, dabei „fast food“ verzehrend und/oder Chips knabbernd und Cola, Limonade oder Bier trinkend. Das macht dick. „Fernsehen an sich“ gibt es nicht. Es gibt in Deutschland hunderte von TVFormaten, mehrere Dutzend Sender können per Kabel oder Satellit empfangen werden. Es gibt öffentlich-rechtliche und private Fernseh-Veranstalter, die um die begrenzte Ressource „Aufmerksamkeit“ wetteifern. Es gibt den informatorischen und kulturellen Grundversorgungsauftrag an die öffentlich-rechtlichen Programme und das Diktat der Einschaltquote für die auf Werbeeinnahmen angewiesenen privaten Veranstalter. Und es gibt – ausschließlich in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft – den Informations- und Ereigniskanal Phoenix, der in vorbildlicher Weise dem Informationsauftrag nachkommt. Es gibt das von ARD, ZDF, ORF und SRG getragene Satelliten-Programm 3sat, das ein anspruchsvolles Kulturprogramm anbietet und es gibt den deutsch-französischen Kulturkanal Arte, der sich der europäischen Kultur verpflichtet hat. Diese drei Programme zusammen haben eine Einschaltquote deutlich unter fünf Prozent, weil sie anspruchsvoll sind und man durch sie klüger wird. Die überwiegende Mehrheit der Fernsehformate, auch eine Mehrheit der ÖffentlichRechtlichen, bekennen sich zum Primat exzessiver Unterhaltung, die man sich gar nicht naiv, primitiv und anstößig genug vorstellen kann. Gerichtsshows, Fragespiele, Verkaufssendungen, Wahrsagerinnen-Formate und vor allem unsägliche Talkshows mit unsäglichen Themen und unsäglichen Moderatoren und Gästen machen den Alltag der Programme aus. Paul Nolte hat hierfür die Vokabel „Unterschichtenfernsehen“ in Umlauf gebracht, andere Kritiker wollen das
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Kürzel TV höhnisch mit „Totaler Verblödung“ auflösen. Dazu gibt es auch Forschungsergebnisse. Gerade vor wenigen Tagen hat das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsens unter der Leitung seines Vorstandes Professor Christian Pfeiffer eine Studie vorgelegt, die deutlich macht, dass der Besitz eines eigenen TV-Gerätes und der eines eigenen Computers zehnjährige Schulkinder deutlich schlechtere Zensuren in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachkunde beschert.1 Schon vor Jahren formulierte Ulrich Saxer und Heinz Bonfadelli – die schweizerischen Autoren der Wissenskluftforschung als summa ihrer Erkenntnisse: Fernsehen macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer.2 Es sind die weniger gebildeten und jüngeren Zuschauer, die sich der Dauerberieselung durch vorwiegend private Programme aussetzen. Also auch hier hat Frau Wolff recht: Fernsehen macht dumm. Dick und dumm ist nicht gesellschaftsschädigend. Jeder hat die Freiheit der Entscheidung, welche und wie viel Nahrung er seinem Körper zumutet und mit welchen Inhalten er seinen Kopf speist und welche er ihm verbietet. Aber mit der Frage, ob das Fernsehen Gewaltbereitschaft fördert, nähern wir uns unserem eigentlichen Thema, nämlich die Herausforderung der rechtsstaatlichen Demokratie durch das Fernsehen. Jeder Staat beansprucht für sich das Gewaltmonopol und fordert Gesetzestreue von seinen Bürgern, wozu vor allem der Gewaltverzicht gehört. Über die Wirkung fiktionaler und non-fiktionaler Gewaltdarstellungen im Fernsehen ist seit vielen Jahren in Amerika und Europa viel geforscht worden. Es gibt kein eindeutiges Ergebnis, aber eine Vielzahl von Indizienbeweisen. Wer sich z. B. einem exzessiven Fernsehkonsum aussetzt, entwickelt 10-fach höhere Furcht, selbst Opfer von Gewalt zu werden als es die Kriminalitätsstatistik wahrscheinlich macht. Es wurde einmal ausgerechnet, dass an jedem Tag in den empfangbaren Fernsehprogrammen 500 Menschen fiktional ermordet wurden und dreimal mehr schwer verletzt wurden. Bevor ein Kind in die Schule kommt, hat es selbst bei restringiertem Fernsehkonsum einige hundert fiktive Morde verfolgen können. Die meisten Morde werden durch Gewalthandlungen vorbereitet. Der kleine und auch der erwachsene TV-Konsument lernt, dass es Alternativen zur Gesetzestreue gibt. Es gibt auch Forschung, vor allem im Auftrag der Fernsehveranstalter, die Beweise zu suchen hatten, dass Gewaltdarstellung im Fernsehen keinerlei negative Wirkun1 Vgl. hierzu Peter Philipp Schmitt, Gewalt im Kinderzimmer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.6.2006. 2 Heinz Bonfadelli, Die Wissenschafts-Perspektive. Medien und gesellschaftliche Informationen, Konstanz 1994; Ulrich Saxer, Medieninnovationen und Mediendistanz, in: Walther A. Mahle (Hrsg.), Medienangebot und Mediennutzung, Berlin 1989.
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gen auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene hätten. Belastbare Ergebnisse für die Wirkungslosigkeit wurden nicht gefunden. Deshalb muss man annehmen, dass die Gewalt im Fernsehen zu einer schleichenden Delegitimierung des staatlichen Gewaltmonopols führt, von Videos und DVDs will ich hier gar nicht sprechen. Zu Beginn seiner Kanzlerschaft definierte unser früherer Bundeskanzler Gerhard Schröder das mediale Handwerkzeug. Er meinte: „Zum Regieren brauche ich nur die Bildzeitung, die BamS und die Glotze“. Da man sowohl die Bildzeitung wie auch ihre Sonntagsausgabe als gedrucktes Fernsehen verstehen kann, konzentriere ich mich im Folgenden auf das Fernsehen. Zuvor aber einige analytische und theoretische Bemerkungen über unser Regierungssystem: Die liberale Demokratie ist ein kompliziertes System von Machtbeziehungen zwischen Bürgern, Verbänden, Parteien, Parlament und Regierung. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf die politische Kommunikation. Das parlamentarische Regierungssystem kann nur dann die angeforderte Ordnungsleistung erbringen, wenn es transparent ist. Die Durchsichtigkeit der Machtbeziehungen, der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses wird zum immer erneuerungsbedürftigen Legitimationsbeweis des Systems gegenüber den Bürgern. Die Komplementarität von Effizienz und Transparenz ist Voraussetzung seines politischen Erfolges und seiner Stabilität. Heinrich Oberreuter hat schon vor vielen Jahren pointiert die Gesamtaufgabe des Parlaments als „Legitimation durch Kommunikation“ charakterisiert, denn die Struktur der politischen Willensbildung im parlamentarischen Regierungssystem sei als kommunikativ vermittelte Repräsentation zu verstehen.3 Durch sie werde die parlamentarische und vorparlamentarische Willensbildung verstärkt. Die Kommunikation über politische Inhalte, das Bereitstellen und der Austausch von Informationen über politische Meinungen und Absichten, Ereignisse und Zusammenhänge werden so zu entscheidenden Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des politischen Systems. Weil das Parlament in der liberalen Demokratie nicht allein die Hauptlast der politischen Integration zu leisten hat, weil den Bürgern und den gesellschaftlichen Organisationen eine Beteiligungschance eingeräumt werden muss, ist die prinzipielle Offenheit politischer Kommunikation Voraussetzung für Integration, für Stabilität wie auch für Legitimität dieses Regierungssystems. Dem im vorletzten Jahr verstorbenen Doyen der deutschen Kommunikationswissenschaftler Otto B. Roegele ist zuzustimmen, wenn er feststellt, das vom Grundgesetz der 3 Heinrich Oberreuter, Kann der Parlamentarismus überleben? Zürich/Osnabrück 1978.
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Bundesrepublik Deutschland postulierte Jedermanns-Recht auf ungehinderten Zutritt zu den Quellen der Information über öffentliche Dinge stellte nichts anderes dar als die konsequente und systemgerechte Anwendung der Selbstbestimmungsprinzips in der Kommunikation.4 Die zunehmende Komplexität des politischen Prozesses (hier mit Stichworten wie Spezialisierung, Arbeitsteilung, wachsender Staatstätigkeit, Bürokratisierung, schwächer werdenden Mehrheiten, Globalisierung, terroristischen Herausforderungen nur angerissen) stellt an die politische Kommunikationsfähigkeit des parlamentarischen Regierungssystems wachsende Ansprüche. In der dreifachen Herausforderung durch Sachverstand und Sachzwang, durch organisierte Interessen und durch die militanten Partizipationsforderungen fluider Gruppen kann dieses Regierungssystem seine Legitimation nicht nur formal begründen. Es kann sich nicht nur durch Beweise seiner gelegentlich auch bezweifelbaren Effizienz untermauern. Es muss seine Legitimation auch kommunikativ ständig unter Beweis stellen, wenn sie nicht ebenso ständig bestritten werden soll. Dies ist nur von einem Massenkommunikationssystem zu leisten, das – spiegelbildlich zur Gesellschaft – pluralistisch organisiert und so offen ist für das politische Gespräch der Gesellschaft über sich und mit sich selbst. Die Medien müssen sich ihrer Funktion für das politische System bewusst werden und dürfen sich nicht als autonomes Zentrum verstehen, das mit dem politischen System konkurriert.5 Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf das Fernsehen: Trotz des neuen Massenmediums Internet ist das Fernsehen das wichtigste Massenkommunikationsmittel, gemessen an seiner Reichweite und an seiner Nutzung. 2005 verfügten 98 Prozent aller Haushalte in Deutschland über mindestens einen Fernsehapparat, verbrachte der von der Statistik konstruierte Durchschnittsbürger täglich fast sechs Stunden vor dem Bildschirm (356 Minuten) und las 28 Minuten lang Zeitung. Vor 20 Jahren war dies noch völlig anders.6 Der durchschnittliche Fernsehkonsum betrug damals zwei Stunden gegenüber einer 45-minütigen Zeitungslektüre. Allerdings ist die Explosion des Fernsehkonsums auch dadurch bewirkt, dass Fernsehen immer stärker zu einem Nebenbei-Medium geworden ist: das TV-Gerät ist eingeschaltet, auch wenn es nicht die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers erfährt. Die hohe Glaubwürdigkeit des Fernsehens gründete in der Suggestion, die Wirklichkeitstreue der sprachlich angebotenen Information könne durch Bilder und Filme bewiesen werden. Winfried Schulz hat diese Annahme in einer Untersuchung des Fernsehzuschau-
4 Otto B. Roegele, Massenmedien und Regierbarkeit, in: Wilhelm Hennis u. a. (Hrsg.), Regierbarkeit, Band 2, Stuttgart 1979. 5 Heinrich Oberreuter, Übermacht der Medien, Zürich/Osnabrück 1982. 6 Media Perspektiven, Basisdaten, Frankfurt a. M. 2006.
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erverhaltens bestätigt gefunden. Er macht darauf aufmerksam, dass das Fernsehen seinen Botschaften durch die Bilder einen besonders hohen Grad an Ausdruckskraft verleihen kann. Offenbar können durch das Bild Nachrichten mit positiver Anmutungsqualität noch positiver und Mitteilungen mit negativer Anmutungsqualität noch negativer gemacht werden. Erich Straßner hat in zwei Forschungsprojekten über Inhalt und Verständnis von Fernsehnachrichten diese Feststellung untermauert und darauf hingewiesen, dass die Farbe dem Fernsehen zusätzliche Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit verschafft. Diese Hinweise sind insofern von Bedeutung, als das Fernsehen einem Visualisierungszwang unterliegt: Informationen, die nur verbal zu vermitteln sind, haben eine wesentlich geringere Präsentationschance im Fernsehen.7 Dies hat erhebliche Folgen zum Beispiel für die Auslandsberichterstattung des Fernsehens. Die rigorose Informationsverweigerung autoritärer Systeme kann – in einem buchstäblich kommentarlosen Ausblendungsverfahren – die Karriere von Themen in westlichen Fernsehsystemen behindern bzw. gar nicht erst entstehen lassen. Der Visualisierungszwang oder – wie Ulrich Hommes ihn genannt hat – der „Zeigezwang“ führt zu einer bevorzugten Darstellung von Ereignissen, auf welche die Kamera gerichtet werden kann. Gefilmt werden können immer nur konkrete Dinge, Ereignisse und Personen. Doch deren jeweilige Bedeutung wird nur verständlich in ihrer Beziehung zu meist abstrakten, unsichtbaren und deshalb nicht zeigbaren Zusammenhängen. Hinzu kommt, dass das Fernsehen bei den zeigbaren Ereignissen deren Oberflächenstruktur bevorzugt. So wird die Politik verkürzt auf das Vorzeigbare, zentriert sich die Information auf die politischen Persönlichkeiten. Claudia Mast hat nachgewiesen, dass es immer nur wenige Politiker sind, die im Fernsehen zu Wort kommen, entweder weil sie hohe Funktionen bekleiden oder weil sie Positionen vertreten, die von der Politik ihrer Parteien abweichen.8 Hinzu kommt: Die Situationen, in denen politische Persönlichkeiten auf dem Bildschirm gezeigt werden, sind nicht beliebig zu erweitern. Deshalb wird das Handeln der politischen Prominenz in wenigen, immer wiederkehrenden Situationstypen wie Staatsbesuchen, Pressekonferenzen, Sitzungsbeginn, Diskussionsrunden gezeigt. Mit dieser Ritualisierung der politischen Situationen und mit der Personalisierung der Politik hat das Fernsehen einen Weg eingeschlagen, der die wirklichen, 7 Vgl. z. B. David B. Hill, Viewer Characteristics and Agenda Setting by Television News, in: Public Opinion Quarterly, Fall 1985. 8 Claudia Mast, Politiker im Fernsehen, in: Publizistik, Heft 1, 1977.
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nicht visualisierbaren Willensbildungs- und vor allem Entscheidungsprozesse ausblendet. Die zunehmende Komplexität und Abstraktion politischer Probleme ist in ihrer Mehrdimensionalität fast nur noch in Ausschüssen und Expertendiskussionen in Parlament und Regierung erkennbar. Für das Fernsehen wird sie unvermittelbar. Die Personalisierung und Ritualisierung der Politik durch das Fernsehen scheint eine unmittelbare Folge des Visualisierungszwangs und nicht der Organisationsformen zu sein. Für England hat Jay Blumler9, für die Vereinigten Staaten Philips Davison10 einen entsprechenden Befund nachgewiesen; in Frankreich hat Roger-Gérard Schwartzenberg11 diesem Effekt ein Buch gewidmet. Und Jean Cotteret12 hat einem Sonderheft seiner Zeitschrift „Cahiers de la Communication“ den Titel „Démocratie cathodique“ gegeben – die demokratische Legitimität habe mit der Herausforderung der Legitimität aus der Röhre („légitimité cathodique“) zu rechnen. Ritualisierung und Personalisierung der Politik durch den Visualisierungszwang des Fernsehens gehen Hand in Hand mit den Auswahlkriterien „Verknappung“ und „Aktualität“. Diese Kriterien gelten für alle Massenmedien. Aber das Fernsehen komprimiert sie zu einem engen Filter, den nur solche Informationen passieren, die fähig sind, sich in knappster Verdichtung als neu gegenüber dem Vorhandenen auszuweisen. Vor allem das Fernsehen hat Neuheit mit einem so hohen Wert versehen, dass Otto B. Roegele von „strukturbedingter Neophilie“ spricht.13 Nachrichtenfähig sind vor allem Mitteilungen, die eine Veränderung anzeigen. Die Annahme, dass sich diese Präferenz des Fernsehens für das Neue allein auf die Nachrichtensendungen im engeren Sinne bezieht, ist unzutreffend; sie gilt für nahezu alle Programmangebote mit Ausnahme der Unterhaltung. Die Dominanz der Aktualität setzt das Vorhandene unter einen Rechtfertigungsdruck; sie bewirkt eine größere Präsentationschance für Krisenporträts wie generell für Signale der Veränderung. Vor allem wirkt das Fernsehen mobilisierend für neue Ideen, Entwicklungen, Produkte und Technologien, die ihrerseits einen hohen Erwartungshorizont entfalten. 9 Jay Blumler, The Reform of Elective Broadcasting, in: Media Culture and Society, Vol. 1, 1985. 10 W. Phillips Davison, Mass Media Systems and Effects, New York2 1982. 11 Roger-Gérard Schwartzenberg, Politik als Showgeschäft, Düsseldorf 1982. 12 Jean-Marie Cotteret (Hrsg.), Démocratie cathodique, in: Cahiers de la Communication, Nr. 4/5, 1982. 13 Otto B. Roegele, a. a. O.
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Aber das Gebot der Aktualität hindert das Fernsehen daran, sich der ebenso wichtigen Demobilisierungsaufgabe zu stellen: nämlich die Grenzen, Kosten, die unerwarteten und langfristigen Folgen von Modernisierungsprozessen aufzuzeigen oder aber die positiven Entwicklungen zunächst negativ bewerteter Ereignisse darzustellen. So beschränken Visualisierungszwang und Präferenz für Neues und Negatives als die spezifischen Produktionsbedingungen des Fernsehens dessen Fähigkeit, Entwicklungen und Zusammenhänge darzustellen. Sie machen die Frage dringlicher, ob die vom Fernsehen geleistete „Reduktion der Komplexität“ – um ein Stichwort von Niklas Luhmann aufzugreifen – zu einer Veränderung der Kommunikationsbedingungen geführt hat, unter denen die politischen Gruppierungen in der liberalen Demokratie um Zustimmungsbereitschaft kämpfen. In das Zentrum der Fragestellung rückt so die politische Urteilsfähigkeit des Bürgers, an die die liberale Demokratie höhere Anforderungen stellen muss als jede andere politische Ordnung. Staatsbürgerliche Erziehung und politische Bildung können bestenfalls Grundlagen schaffen. Die politische Urteilskraft des Bürgers muss sich jedoch schärfen durch die Kommunikation über die laufenden Ereignisse der Politik. Gut informiert zu sein als Voraussetzung politischer Urteilsfähigkeit verlangt nicht nur die Kenntnis politischer Tagesereignisse, sondern vor allem Wissen um politische Zusammenhänge und Entwicklungen. Die Medien überfluten den „Orientierungswaisen“ (Hermann Lübbe) mit einer nicht endenden Fülle von Informationen und Teilinformationen, die bei mangelnder Verarbeitungs- und Einordnungskapazität einen desinformierenden Charakter erhalten können. Der Einzelne wird erdrückt vom Zwang, Stellung zu nehmen, und seiner Unfähigkeit, die Informationsflut zu verarbeiten, um so eine Grundlage für die Stellungnahme zu schaffen. Weil sein Vertrauen in Institutionen geschwächt ist, verliert er die Unterscheidungskraft, Unwesentliches vom Wesentlichen zu trennen, Zufälliges vom Regelmäßigen, Behauptetes vom Tatsächlichen, Meinungen über die Wirklichkeit von der Wirklichkeit selbst. Je mehr der Bürger das Fernsehen als Hauptquelle politischer Information benutzt, desto abhängiger wird sein Welt- und Wirklichkeitsverständnis von der durch das Fernsehen vorgeprägten Realität. Gefährdet wird seine Fähigkeit, sich mit der Komplexität des Politischen auseinanderzusetzen, weil das Medium Fernsehen – anders als zum Beispiel die Tageszeitung – Schwierigkeiten hat, komplexe Zusammenhänge darzustellen. Analytiker und Demoskopen stimmen darin überein, dass sich die politischen Kenntnisse der Bevölkerung und ihr Informationsstandard auch hinsichtlich aktueller Sachfragen nicht erhöht haben. Dies gilt allerdings nicht für die Kenntnis der politischen Persönlichkeiten. Der Bekanntheitsgrad der Spitzenpolitiker hat
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enorm zugenommen. Dies gilt vor allem für die Zeit nach der Aufhebung des öffentlich-rechtlichen Monopols und das Hinzutreten zahlreicher privater Fernsehveranstalter. Dies und auch der Befund, dass die Sympathiekurve der Politiker deutlich stärkere Ausschläge zeigt als die der Parteien, lässt vermuten, dass die Personalisierung der Politik im Fernsehen durchaus die politischen Perzeptionen des Publikums beeinflusst. Oberreuter warnt vor einer auseinander gehenden Schere: Einerseits sei angesichts der Komplexität der Probleme das politische Interesse immer wichtiger; andererseits würden die Bürger durch das Fernsehen auf eine eher gefährliche Weise „anpolitisiert“. Nicht der politische Prozess stehe im Vordergrund, sondern die politische Dramaturgie, die politische Unterhaltung: „Die Massenmedien, insbesondere das Fernsehen, beeinflussen nicht nur Gestalt und Bild der Politik, sondern auch die überwiegend passive Art, in der die Bürger sich ihr zuzuwenden pflegen.“14 Neuere Ansätze in der Medienwirkungsforschung behaupten, dass die Informationen der Medien aufgrund ihrer komplexen sprachlichen Struktur die Informationskluft zwischen den gebildeteren und den weniger gebildeten Zuschauergruppen vertiefen.15 Es wird erkennbar, dass Fernsehen zur Primärquelle der Information über die Umwelt werden kann, soweit sie sich der unmittelbaren Beobachtung entzieht. Und dies ist wohl umso häufiger und nachhaltiger der Fall, je weniger der Fernsehzuschauer andere Medien benutzt und je weniger er in ein Geflecht dialogischer Kommunikation eingebettet ist. So kann vermutet werden, dass das Fernsehen aufgrund seiner Ubiquität und Omnipräsenz, der Intensität seiner Nutzung und seiner Glaubwürdigkeit die Vorstellungen von der Realität stärker prägt als jedes andere Medium.16 Dies geschieht in doppelter Hinsicht: Das Fernsehen bestimmt stärker als jedes andere Medium die Tagesordnung des gesellschaftlichen Gesprächs. Es kann einem Ereignis, einer Information maximale Publizität verschaffen, oder 14
Oberreuter, vgl. Anm. 3. Bonfadelli, vgl. Anm. 2. 16 Der französische Soziologe Pierre Bourdieu bezeichnet das Fernsehen als „eine besonders schädliche Form symbolischer Gewalt. Die symbolische Gewalt ist eine Gewalt, die sich der stillschweigenden Komplizenschaften derer bedient, die sie erleiden und oft auch derjenigen, die sie ausüben, und zwar in dem Maße, in dem beide Seiten sich dessen nicht bewusst sind, dass sie ausüben oder erleiden . . . Die politischen Gefahren, die mit der üblichen Nutzung des Fernsehen verbunden sind, kommen daher, dass es erzeugen kann, was Literaturkritiker den effet du réel nennen, den Wirklichkeitseffekt. Es kann zeigen und damit erreichen, dass man glaubt, was man sieht. Diese Macht, etwas vor Augen zu führen, hat narkotisierende Wirkung. Sie kann Gedanken und Vorstellungen ins Leben rufen, aber auch Bevölkerungsgruppen konstituieren.“ Pierre Bourdieu, Wider den Terror der Einschaltquoten, in: Süddeutsche Zeitung, 27.12.1997. 15
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es kann sie ihm verweigern. Amerikanische Untersuchungen zeigten, dass der Einfluss des Fernsehens auf die Tagesordnung des Alltagsgesprächs dann steigt, wenn der Zuschauer Vorkenntnisse aus der Presse über die Themen der politischen Informationssendung hat oder auch wenn er über eine höhere Schulbildung verfügt. Und zudem – so die Studien – prägt das Fernsehen auch die Betrachtungsweise seiner Zuschauer, indem es Informationen aus ihren Zusammenhängen herauslöst und sie so zu Standbildern erstarren lässt. Die Vorgeschichte, der Zusammenhang, alternative Handlungsmöglichkeiten werden ausgeblendet, vor allem aber werden Wirkungen von ihren Ursachen abgeschnitten; letztere fallen der Aktualität und Vereinfachung fast regelmäßig zum Opfer.17 Die Kommunikationsforschung hat jahrzehntelang von der These gelebt, dass die Massenmedien nur eine bestätigende Wirkung für das politische und kulturelle System hätten. Weil sich jedoch das Fernsehen in seinen Produktions- und Rezeptionsbedingungen erheblich von den Printmedien und auch vom Hörfunk unterscheidet, kann die Bestätigungsthese nicht ungeprüft auf das Fernsehen übertragen werden. Elisabeth Noelle-Neumann hat für die Bundesrepublik Deutschland gezeigt, dass das Fernsehen – vor allem bei ungefähr gleicher Stärke der politischen Gruppierungen – nachweisbare politische Effekte zugunsten der einen und zu Lasten der anderen Gruppierung ausüben kann.18 Dies gelingt nicht zuletzt deshalb, weil die hohe Authentizität des Fernsehens und seine produktionsbedingte Verkürzung politischer Informationen und Themen eine Simplifizierung in der Politik bewirkt. Die starke Vereinfachung politischer Vorgänge durch das Fernsehen fördert die Fiktion, politische Probleme seien leicht zu verstehen, ihre Lösung sei nur eine Frage des guten Willens. Politik wird aus den Erfahrungen und Normen des Privatlebens interpretiert, so eingängig gemacht und verstanden. Vermittelt wird durch das Fernsehen eher Atmosphärisches als Sachliches, eher die Erscheinung von Konflikten als deren Anlässe, Strukturen und Ursachen. Auf diese Weise werden die Möglichkeiten einer eigenständigen Bewertung von konfliktbehafteten Ereignissen verringert. Es muss vermutet werden, dass sich die politischen Vorstellungen und Forderungen des Fernsehpublikums von der komplexen Realität mit noch unbekannten Folgen entfernen.
17 Vgl. hierzu: Ben J. Wattenberg, The Good News is that the Bad News are Wrong, New York 1984. 18 Elisabeth Noelle-Neumann, Die Schweigespirale, München 1982. Diese bahnbrechende Studie ist 2001 in 6. erweiterter Auflage bei Langen-Müller in München erschienen.
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Das Fernsehen kann die komplizierten Machtbeziehungen im parlamentarischen Regierungssystem offensichtlich nicht einsichtig machen. Visualisierungszwang und Personalisierung verlagern das Schwergewicht seiner politischen Information vor allem auf die Exekutive; sie entziehen dem Parlament öffentliche Aufmerksamkeit und damit auch Verständnis für seine Funktionen im politischen System. Die liberale Demokratie muss mit einer politischen Sozialisationsinstanz rechnen, die sich ihrer Funktion für das politische System nicht immer bewusst ist und sich nicht in gebotener Weise an der Bildung und Formulierung jenes Minimalkonsenses beteiligt, den dieses Herrschaftsmodell zum Überleben benötigt. Daraus erwächst dem Fernsehjournalismus eine besondere politische Verantwortung. „Die Verantwortung und Sorgfaltspflicht derer, die Informationen über Tagesereignisse sichten und einordnen, ihren Umfang und ihr Gewicht für Nachrichten oder Magazinsendungen bestimmen oder gar ihre Bewertung im politischen – und dabei notwendig auch historischen – Zusammenhang vornehmen, wiegt hier noch schwerer als die wissenschaftliche Verantwortung eines Historikers, schon weil man es im Fernsehen nicht mit vorbereiteten, geduldigen Lesern, sondern mit einem meist unvorbereiteten, nur punktuell aufmerksamen Massenpublikum zu tun hat – und zwar gerade in den Tagessendungen“.19 Politische Legitimationen, Selbstverständnis der Journalisten und die Ansprüche und Bedürfnisse der Rezipienten klaffen auseinander. Die traditionellen Aufgaben des Journalismus, Chronist des Geschehens zu sein, eine Dienstleistung im Interesse der Gesamtheit zu erbringen, treten im Selbstverständnis von Journalisten oft in den Hintergrund. Nicht die Vermittlung der Informationen, sondern die Bewertung der Information durch Journalisten prägt das professionelle Selbstverständnis des Journalisten, das mehr und mehr zum anwaltlichen Journalismus tendiert. Das hat Folgen: Weil es sich bei Journalisten um eine Gruppe von Mitbürgern handelt, die – jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland – sich mehr für die Zukunft als für die Herkunft, mehr für Ideen als für Fakten, mehr für Entwicklungen als für Strukturen interessieren, wird im deutschen Mediensystem die Meinung von der Information dominiert.20 Priorität genießen die Aktualität, die Sensation, das Außergewöhnliche, das Atypische, das Aparte, das Gegen-den-Strich-Gekämmte, das dem journalistischen Fortschrittsverständnis Verpflichtete, das von Journalisten als zukunftsorientiert Angesehene. Das Normale, das Notwendige hingegen, das Selbstverständliche, dass Alltägliche und auch das, was Journalisten als Gegenwarts19
Karl Dietrich Bracher, Geschichte und Gewalt im 20. Jahrhundert, Berlin 1987. Renate Köcher, Bloodhounds and Missionaries, in: European Journal of Communication, Vol. 1, 1986. 20
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oder Vergangenheitsorientierung missverstehen, kommt zu kurz. Wolfgang Donsbach resümiert, die Journalisten hätten ihre Aufgabe, den Kommunikationsbedürfnissen der Rezipienten zu dienen, aufgegeben zugunsten eines den eigenen Anschauungen verpflichteten anwaltlichen Journalismus.21 Um hier kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Dass Journalisten den Mächtigen und auch denjenigen gegenüber, die sich für mächtig halten, kritisch eingestellt sind, dass sie die Affirmation für eine Todsünde wider den Geist der Profession halten, ist nicht nur verständlich, es ist auch eine entscheidende Voraussetzung für eine aufgeklärte Öffentlichkeit. Autonomie und Distanz des Mediensystems gegenüber dem politischen System sind unerlässlich, aber Medien und Politik sind verantwortlich für die Bildung und Sicherung eines gesellschaftlichen Grundkonsenses, ohne den gerade pluralistische Systeme nicht zu überleben vermögen.22 Bemerkenswert ist die Zufriedenheit der Journalisten, die über mehr Arbeitsfreude, Kontaktfähigkeit und Bereitschaft zur Wachsamkeit und Kritik als andere Professionen verfügen. Sie verbinden dies allerdings mit einem Defizit an selbstkritischem Vermögen. „Wer dieses Defizit zu mindern oder zu beseitigen sich anschickt, muss bedenken, dass er damit auch ein Glücksempfinden stört, das nicht allein seinem Träger zugute kommt, sondern indirekt auch der Allgemeinheit, die wenig zu gewinnen hätte, wenn die professionellen Übermittler des Weltgeschehens dessen ohnehin tristen Verlauf auch noch durch die Brille ihrer eigenen Unzufriedenheit sähen.“23 Es bedarf eines Berufsethos der Journalisten, das sie sich ihrer Verantwortung für das Überleben der liberalen Demokratie stärker bewusst werden lässt. Die Elemente dieses Berufsethos können parallel zu dem von Kielmannsegg betonten Amtsethos des parlamentarischen Mandatsträgers gesucht werden. Denn der Amtsgedanke, „der alle Befugnis, für andere zu entscheiden, als übertragene, rechtlich verfasste und begrenzte, zu verantwortende Vollmacht begreift“, ähnelt der Dienstleistungs- und Chronistenaufgabe des Journalisten. Unter dem Vorzeichen der modernen Massengesellschaft ist der Dienstleistungscharakter der journalistischen Tätigkeit auch im Mediensystem die „einzig annehmbare Lösung des Problems der Institutionalisierung politischer Freiheit“.24 21 Wolfgang Donsbach, Legitimationsprobleme des Journalismus, Freiburg/München 1982. 22 Franz Ronneberger, Das Syndrom der Unregierbarkeit und die Macht der Medien, Nürnberg 1983. 23 Otto B. Roegele, Warum so viele Journalisten glückliche Menschen sind, in: Horst Baier (Hrsg.), Öffentliche Meinung und Sozialer Wandel, Festschrift für Elisabeth Noelle-Neumann, Opladen 1981. 24 Peter Graf Kielmannsegg, Mehr als eine Versammlung der Volksvertreter, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.1985.
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Aber auch die Benutzer der Medien sind nicht hilflos den Botschaften der Massenkommunikation ausgeliefert. Sie können sich die Kenntnis der Bedingungen aneignen, unter denen die Informationen der Medien zustande kommen und sie können die Erkenntnisse der Medienpädagogik benutzen, um die Manipulationsmechanismen zu durchschauen. Aufklärung heißt heute, sich von den Zwängen fremdbestimmter Kommunikation zu befreien. Nur so wird der Bürger befähigt, sich nicht für Zwecke einspannen zu lassen, die er nicht kennt. Entscheidend wird jedoch sein, inwieweit ihm Journalisten dabei behilflich sind. Notwendig ist ein neues Selbstverständnis der Journalisten, die sich ihres Einflusses und damit auch ihrer Verantwortung für die Wirklichkeitsvorstellungen ihrer Mitbürger bewusster werden müssen. Dies verlangt neue Überlegungen zur Journalistenausbildung wie auch neue Impulse für eine berufsständische Ethik, die Überlegungen für eine Stärkung der Institution der Selbstkontrolle einschließen müssten. Nur so wird die liberale Demokratie die Herausforderung durch das Fernsehen bestehen. Und sie wird diese Herausforderung bestehen, weil nur diese Regierungsform die Kraft hat, nicht nur sich selbst immer wieder zu erneuern, sondern auch ihre Anhänger zu befeuern, sich neuen Herausforderungen zu stellen. James Reston, der Journalist mit den zahlreichsten und auflagenstärksten Publikationen der Welt, hat seine unerschütterliche Zuversicht in seinem Abschiedsartikel so formuliert: „Nach mehr als 50 Jahren in der besten Zeit für Journalisten – die nur ein Viertel jener zwei Jahrhunderte ausmacht, als die amerikanische Verfassung geschrieben wurde – bleibe ich ein unverbesserlicher Optimist. Überall gibt es Gewalt, Rebellion, Aufruhr aller Art, Massenheuchelei und falsche Aufrichtigkeit, verstärkt durch das Fernsehen und einen generellen Niedergang der Höflichkeit und einen Verlust an Anstand; aber ich werde nicht verzweifeln.“25 Diese Botschaft sollten auch wir uns zu Eigen machen, Katholiken sind ohnehin zum strukturellen Optimismus verpflichtet. Zusammenfassung Macht Fernsehen dumm? Untersuchungen hierzu legen diesen Schluss nahe – zumindest bei starkem Konsum bestimmte „Formate“. Aber macht Fernsehen auch gewaltbereit? Ausgehend von dieser Frage untersucht dieser Beitrag grundlegende Strukturen dieses Mediums. Der Visualisierungszwang, dem das Fernsehen ausgesetzt ist, seine strukturbedingte Neophilie, beschränken gleichzeitig seine Fähigkeit, Zusammenhänge und Entwicklungen darzustellen. Priorität genießen die Sensation, das Atypische, nicht das Selbstverständliche, das Alltägliche. Dabei werden Themen und Informationen – auch produktionsbedingt – tendenziell verkürzt und simplifiziert dargestellt. Das Fernsehen hat nachweisbar, anders als etwa die Printmedien und das Radio, 25 James Reston, A Personal Message from a Retired Columnist, in: International Herald Tribune, 3.8.1987.
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nicht nur systembestätigende Wirkung. Es wird so zu einer Sozialisationsinstanz. Vor diesem Hintergrund fordert der Autor ein journalistisches Berufsethos, das sich der politischen und kulturellen Verantwortung wieder stärker bewusst wird.
Summary Does television make people stupid? Investigations suggest a retarding effect on a certain type of viewer. Does television also inspire violence? Addressing this question, this essay investigates the fundamental structure of this medium. Because television is a visual medium, its ability to explain contexts and developments is restricted. Priority is given to the sensational, to the atypical, and not to the self-evident or the ordinary. There is therefore a tendency to reduce topics and information to sound bites and simplicity. Television – different from print media and radio – not only reinforces the superficial but becomes an authority for it in its own right. Against this background the author demands a professional journalistic ethics that reinforces the political and cultural responsibility of this medium.
Christlich-abendländisches Profil für die pluralistische Demokratie Chancen der ordnungspolitischen Idee Sozialer Marktwirtschaft für kulturelle Identität und sozialen Frieden Von Elmar Nass I. Der Pluralismus auf der Suche nach Werten In manchen Ländern des abendländischen Kulturkreises hat sich vor allem im Gefolge der späten 60er Jahre des letzten Jahrhunderts ein Bruch mit christlichen Wertvorstellungen Bahn gebrochen. Die Skepsis gegenüber Autorität und objektiver Normativität wurde vor allem von linken Ideologen wie Jürgen Habermas philosophisch weltanschaulich untermauert. In den letzten Jahren ist aber ein neues Interesse an Objektivität und Religion zu beobachten. Gründe dafür sind zum einen die zunehmenden Gefahren durch den internationalen Terrorismus, aber auch ein wachsender Verdruss über opportunistische Politikermentalität oder über die auf Sensation und Effekte statt auf Information und Inhalte setzenden Medien. Das zu beobachtende Empfinden eines Wertvakuums bedeutet nicht schon eine Renaissance der Kirche. Zumindest ist die erkennbar wachsende Intensität der Suche nach einem glaubwürdigen Wertprofil aber eine große Chance, das christliche Profil den Subjektivismen der Gegenwart entgegenzusetzen. Für eine zunehmende gesellschaftliche Abkehr vom Zeitalter des subjektivistischen Relativismus sprechen erfolgreiche wirtschaftswissenschaftliche Annäherungen an den Objektivismus (vgl. etwa den Nobelpreisträger Amartya Sen), das Ende der so genannten Spaßgesellschaft wie auch die vielseitig zu beobachtende Suche nach klarer Orientierung:1 so etwa Reaktionen auf Katastrophen ebenso wie die Gemeinschaftssuche bei Glaubensfesten (z. B. Weltjugendtag) oder das Flaggezeigen während der Fußballweltmeisterschaft 2006. Wir stehen an einem Scheideweg, der für die gesellschaftliche Gestaltungskraft christlicher Werte richtungsweisend sein wird. An dieser Entwicklung hängt die kulturelle Identität des Abendlandes, und damit auch die Überlebensfähigkeit der vor allem in Deutschland erfolgreich erprobten ordnungspoliti1 Vgl. Elmar Nass, Das unantastbar Absolute. Eine Antwort auf den Relativismus, in: TThZ 3 (2006), S. 229–243.
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schen Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft. Mit ihrem im christlichen Menschenbild und in den katholischen Sozialprinzipien gründenden Wertprofil der Demokratie hat sie Stabilität und Wohlstand eingebracht. Damit ist sie zu einem Vorbild auch für andere westliche Demokratien geworden.2 Denn sie bietet von ihrer Grundidee her eine Symbiose aus human begründeter Gerechtigkeit, Effizienz und sozialem Frieden an. Die deutschen Gründerväter dieser Konzeption – wie etwa Alfred Müller-Armack, Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke – machen für deren Gelingen einen gesellschaftlichen Konsens über christliche Grundwerte zur Bedingung, so dass demzufolge christliches Wertprofil und Wertkonsens aufeinander angewiesen sind. Dieser scheint im Kontext moderner pluralistischer Gesellschaften aber nicht mehr gegeben zu sein. Und tatsächlich ist die gegenwärtige Krise etwa des deutschen Sozialstaats auch eine Krise der viel beschworenen Sozialen Marktwirtschaft. Entweder heißt dies nun, dass ein christliches Wertprofil für den pluralistischen Kontext westlicher Demokratien ein Auslaufmodell ist. Dann gehört auch die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft der Vergangenheit an. Oder aber der für sie als notwendig reklamierte christliche Wertkonsens muss vor dem Hintergrund pluralistischer Wirklichkeit neu beleuchtet werden. Dafür möchte ich plädieren. Nicht zuletzt die zunehmende Suche nach einem Ausweg aus dem Wertevakuum bietet dafür eine viel versprechende Gelegenheit. II. Ohne Freiheitsprofil kein sozialer Frieden Kulturelle Identität und Wirtschaftsordnung sind eng miteinander verflochten. Ordnungskonzeptionen geht es um die Frage nach der Gerechtigkeit, deren Beantwortung nicht ohne eine weltanschauliche Entscheidung möglich ist. Diese Frage betrifft in der marktwirtschaftlich liberalen Demokratie den grundlegenden ordnungspolitischen Konflikt zwischen negativer und positiver Freiheit, der den sozialen Frieden gefährden kann. Gerechtigkeit gilt zwar als konsensfähige Ordnungsidee. Doch wie ein entsprechend an der Menschenwürde orientiertes Recht aussehen muss, das Freiheits- und Gleichheitsgedanken miteinander versöhnt, dies ist durchaus strittig. Und an der Beantwortung dieser Frage entzünden sich Interessenkonflikte. Die einen definieren eine gleiche negative Freiheit als gerecht. Dann ist es die vordringliche Aufgabe der für legitim befundenen Ordnung, die Individuen vor Willküreingriffen höherer Instanzen wie etwa des Staates zu schützen. Jeder ist zur Eigenverantwortung herausgefordert. Das Subsidiaritätsprinzip folgt diesem Gerechtigkeits- und Freiheitsgedanken. Wird dieser nun in einem radikal liberalen Sinn fehlinterpretiert, so sind keine normativen Schranken zulässig, die anders als aus dem Eigennutzen der Individuen abgeleitet werden können. 2
Michel Albert, Kapitalismus contra Kapitalismus, Frankfurt a. M. 1992.
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Schwache Glieder der Gesellschaft sind zur Minderung ihres „Drohpotentials“ auf so genannte „Duldungsprämien“ angewiesen, die der Absicherung des sozialen Friedens dienen, nicht aber aus einem Begriff menschlicher Würde abgeleitet sind. Das Verhältnis der Stärkeren zu den Schwächeren wird tendenziell auf ein Gegeneinander hinauslaufen, so dass trotz gegenteiliger Absicht der Duldungsprämien der soziale Friede langfristig in Gefahr gerät. Es fehlt eine soziale Wertidentität. Andere fordern dagegen eine gleiche positive Freiheit ein. Dann ist Freiheit an ein Ziel gebunden, etwa gleiche Ressourcen für alle oder Chancengleichheit. In diesem Fall können nun soziale Ansprüche der Schwachen gegenüber den Starken geltend gemacht werden. Damit besteht eine gegenseitige juristische Verpflichtung der Gesellschaftsmitglieder: Einer für alle, alle für einen. Dies entspricht dem Solidaritätsprinzip. Eine überzogene Auslegung führt zu einer uferlosen Egalisierung mit entsprechend negativen Anreizeffekten für die Leistungsbereitschaft wie auch für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Entgegen der erklärten Absicht ist eine Desolidarisierung das Resultat (etwa schlechte Steuermoral, Ausnutzung der sozialen Sicherungssysteme, Kinderarmut, Bildungsverlust, Trittbrettfahrer- oder Versorgungsmentalität). Das Ergebnis ist wiederum eine durch mangelnde soziale Wertidentität bedingte Gefährdung des sozialen Friedens mit einer zunehmenden Individualisierung. Freiheitsvorstellungen, die einen Wertkonsens auf einseitige Gleichheitsbegriffe stützen, verschärfen damit tendenziell den sozialen Konflikt. Der soziale Friede hingegen kann nur über eine mehrheitlich getragene Wertidentität geschaffen werden, die ein konsensfähiges Freiheitsprofil der Gesellschaft voraussetzt. III. Ohne Wertkonsens keine Soziale Marktwirtschaft Die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft schlagen die Rückbindung von Subsidiarität und Solidarität an die Personalität vor. Sie eröffnen im Einklang mit den katholischen Sozialprinzipien zwischen Liberalismus und Kollektivismus einen dritten Weg, der nicht nur sozialen Frieden verspricht, sondern ihn über einen Wertkonsens auch einzulösen vermag. Gerecht ist danach eine Ordnung, die es den Menschen ermöglicht, ihrer gottgegebenen Bestimmung entsprechend leben zu können. Dieses Verständnis der Menschenwürde als Personalität umschließt individualitas wie socialitas. Es ist ein klares Bekenntnis zur Forderung negativer Freiheit und Subsidiarität. Denn die Individuen als Personen sind von Natur aus auf die Entfaltung ihrer Kreativität und Eigenverantwortlichkeit hin angelegt. Eine (etwa kollektivistische) Ordnung, die dies unterbindet, ist deshalb ungerecht. Der Markt gilt als funktionales Instrument (ohne Selbstwert), das eine solche Entfaltung fördert und individuelle Leistung belohnt. Maßnahmen zum Schutz des Marktes (wie etwa Vermeidung von Monopolen, Bereitstellung öffentlicher Güter, Vermei-
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dung externer Effekte) sind damit selbstverständlich zulässig und konsensfähig, denn sie schaffen effiziente Allokationen. Die legitimierbare positive Freiheit ist neben der aus einem absoluten Begriff der Würde abgeleiteten Subsistenzsicherung der Allerschwächsten beschränkt auf die Befähigung zur Eigenverantwortlichkeit. Die daran Gehinderten, die dazu aber grundsätzlich fähig sind, haben demnach einen sozialen Anspruch gegenüber den Stärkeren, ihre Kreativitätspotentiale zur Entfaltung bringen zu können. Hier geht es also nicht um eine Ressourcen-, sondern um eine Chancengleichheit als Ziel der Freiheit. Eine Versorgungsmentalität wird damit unterbunden, denn dem Prinzip ,Fördern und Fordern‘ entsprechend ist der Anspruch auf eine solche Befähigung beschränkt. Um eine Befähigungsfreiheit zu gewährleisten, müssen die Stärkeren dennoch Eingriffe in ihre Verfügungsrechte zulassen, obwohl dies nicht unmittelbar ihren individuellen Nutzen erhöht. Eine solche Notwendigkeit gründet in der mit einem sozialen Anspruch verbundenen gegenseitigen solidarischen Verpflichtung, den Schwachen zu ihrer subsidiär wirksamen Eigenverantwortlichkeit zu verhelfen. Die steuerlichen Zwangseingriffe bergen ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential für den sozialen Frieden. Sehen etwa die Stärkeren in der Gesellschaft nicht ein, warum sie diesen Zwang erdulden müssen oder empfinden die Schwachen ihre Chancengleichheit als nicht hinreichend eingelöst, so kommt es zu gegenseitigem Misstrauen und/oder zu Neid. Dies läuft wiederum einer verbindenden sozialen Wertidentität entgegen. Sozialer Friede ist – das haben die Gründerväter bereits erkannt – dagegen nur herzustellen, wenn durch einen Wertkonsens eine breite Zustimmung in die normativen Grundlagen dieser Freiheits- und Gerechtigkeitsidee vorhanden ist. IV. Die Aktualität christlicher Werte fordert heraus Eine realistische Analyse unserer abendländischen Gesellschaften zeigt, es sind verschiedene Gefährdungen bzw. Relativierungen des für die Väter der Sozialen Marktwirtschaft noch selbstverständlich christlich begründeten Wertkonsenses auszumachen. Diese Herausforderung sollte aber gerade auch vor dem Hintergrund einer aufkeimenden Sinnsuche eine Ermutigung zum Handeln sein. Drei wesentliche Problem- bzw. Handlungsfelder machen dies deutlich. 1. Eine Mehrheit der Menschen guten Willens
Es besteht eine faktische Pluralität grundsätzlich verschiedener Weltanschauungen innerhalb der westlichen Demokratien. Mit der christlichen Weltanschauung, die in der Gottesebenbildlichkeit des Menschen wie der Inkarnation eine überzeugende Begründung für die Freiheits- und Gerechtigkeitsidee der Sozialen Marktwirtschaft vorlegen kann, konkurrieren hier vor allem islamische und
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der Aufklärung entspringende religionskritische Vorstellungen. Letztere können sich dabei auf eine kantische Tradition stützen und die Erkennbarkeit von Transzendenz und göttlicher Absolutheit leugnen. In diesem Fall erkennen sie dennoch aus den Denknotwendigkeiten der Vernunft im Sittengesetz absolute Normen an. Ja für Kant ist Gott sogar zumindest eine denknotwendige Idee. Ein normativer Individualismus im Gefolge von David Hume bricht hingegen mit allen Absolutheiten und erkennt allein hypothetische Normen an, die ausschließlich aus den individuellen Präferenzen erschlossen werden dürfen. In diesem Fall sind die Begriffe von positiver Freiheit wie Solidarität, wie sie in der Konzeption Sozialer Marktwirtschaft vorgesehen sind, nicht konsensfähig. Ein Wertkonsens kann sich dann nur auf eine allein negative Freiheit beschränken, die aber dem christlichen Personbegriff widerspricht. Dem soll und kann ein Schulterschluss aller Menschen guten Willens, die einem normativen Individualismus zuwider Freiheits- und Personalitätsgedanken der Sozialen Marktwirtschaft teilen, entgegentreten. Er eint neben Christen mit gewissen Abstrichen in der Frage der Letztbegründung auch Kantianer, nicht-christliche Ökonomen (wie etwa Amartya Sen in seinem Befähigungsansatz) oder Humanisten anderer Weltanschauungen. Kantianer erkennen immerhin absolute Normen an und fordern deshalb auch absolute Menschenrechte gegen einen der Beliebigkeit offenen Relativismus ein. Sen geht noch einen Schritt weiter, wenn er sich ausdrücklich auf das aristotelische Naturrecht beruft, um die natürliche Bestimmung des Menschen als ordnungspolitisches Ziel einzufordern. Es fehlt in dieser Konzeption jedoch die in der christlich-naturrechtlichen Tradition schlüssig vorgebrachte Letztbegründung dieser absoluten Würde, aus der Rechte etwa auf Gesundheit, Bildung, Nahrung, Kleidung und die Entfaltung individueller Kreativität abgeleitet werden. Absolute Würde als solche Befähigungsfreiheit darf nicht auf die zur Befähigung Fähigen beschränkt werden. Das absolute Recht auf Unterstützung haben gerade auch die Allerschwächsten, die, auch wenn sie nicht zur Befähigungsfreiheit fähig sind, Menschen sind. Dies gesteht Sen zwar ein, ohne es aber im Rahmen seines Ansatzes schlüssig begründen zu können. Dafür aber öffnet er der Ökonomie und den Ökonomen das Tor zum Naturrecht und so für den in der katholischen Tradition verankerten christlichen Wertbegründungsansatz. Trotz unterschiedlicher Antworten auf die Frage nach der absoluten Würde gelingt ein weltanschaulich übergreifender Konsens über den Inhalt derjenigen Gerechtigkeits- und Freiheitsidee, wie sie von den Gründervätern Sozialer Marktwirtschaft vorgelegt wurde. Kantisch oder ökonomisch denkende Menschen (guten Willens) gleichermaßen können – ohne sich ausdrücklich zum Christentum oder gar Katholizismus bekennen zu müssen – einen solchen humanistischen Wertkonsens mittragen, der somit auch in pluralistischem Kontext mehrheitsfähig sein kann. Gemeinsamer Gegner ist der normative Individualismus, der eine solche Wertidentität leugnet.
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Elmar Nass 2. Klares Profil für Katholiken und Ökumene
Selbst wenn in den westlichen Demokratien eine christliche Wertorientierung vorherrschte, so ist ein entsprechender Wertkonsens dennoch nicht evident. Grund dafür ist nicht nur die Spaltung des Christentums in verschiedene Konfessionen, sondern auch innerhalb dieser Konfessionen eine Konfusion über die sozialethische Orientierung. Dies trifft auch auf die katholische Seite zu. Hier treten neben den Befürwortern der lehramtlich abgesicherten und der Tradition entsprechenden naturrechtlichen Auslegung auch Vertreter eines mehr oder minder kollektivistischen Sozialismus oder in jüngster Zeit zunehmend auch eines normativ individualistischen Werteverständnisses im Namen der Kirche auf. In diesem Stimmengewirr ist auch der bewusst nach christlichem Wertprofil suchende Politiker und Bürger oft auf sich allein gestellt. Dies gilt für die protestantische Seite in gleicher Weise. Es herrscht also offenbar keine Klarheit selbst unter den christlichen Sozialethikern, was eine christliche Humanitätsidee und Wertidentität inhaltlich bedeutet. Diese faktische Konfusion schafft allerdings keine Normativität. Innerhalb der christlichen Sozialethik gibt es auf katholischer Seite ein klares lehramtliches Bekenntnis zum Naturrecht. Dies unterstreicht auch wieder Papst Benedikt XVI.: „Die Soziallehre der Kirche argumentiert von der Vernunft und vom Naturrecht her, das heißt von dem aus, was allen Menschen wesensgemäß ist.“3 Wer diese Auffassung aber nicht teilt, muss sich nach seiner Identität fragen lassen. Vor allem ist es nicht nachvollziehbar, wie die Vorstellung von Gottes Schöpfungsplan, aus dem die natürliche Bestimmung des Menschen zum Ziel unmittelbar abzuleiten ist, mit einem normativen Individualismus vereinbar sein soll. Auch die anbiedernde Soziologisierung christlicher Werte in säkulare („anschlussfähige“) Formeln nimmt ihnen ihr erkennbares Profil und damit ihre gesellschaftliche Relevanz. Selbst dann, wenn viele es nicht wahrhaben wollen, auch heute gibt es noch eine katholische Soziallehre, die in Vernunft und Naturrecht wurzelt. Und ökumenische Annäherungen dazu mögen manchen „Anschlussfähigen“ da überraschen. Denn von protestantischer Seite sind interessante Konvergenzbestrebungen auf die katholische Tradition hin zu beobachten, die trotz aller Reserviertheit zum Naturrechtsbegriff die Grundinhalte der scholastischen Tradition neu entdecken (neben den Gründervätern der Sozialen Marktwirtschaft etwa Arthur Rich oder Richard Sturn). Und auch das, was der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber die eschatologische Dimension der Ethik nennt, kommt dem scholastischen Finalitätsgedanken sehr nah.4 Eine gemeinsame christliche Wertidentität erscheint auch vor dem Hintergrund der ökumenischen Tradition der Sozialen Marktwirtschaft und neuesten Stellungnahmen der 3
Benedikt XVI., Enzyklika ,Deus Caritas est‘, Vatikanstadt 2006, 28. Wolfgang Huber, Gerechtigkeit und Recht. Grundlinien christlicher Rechtsethik, Gütersloh 1996, S. 167 ff. 4
Christlich-abendländisches Profil für die pluralistische Demokratie
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EKD zum Greifen nah.5 Angesichts der gesellschaftlichen Suche nach Sinnprofil wird eine solche bekennende Identität auch für das säkulare Umfeld eine große Anziehungskraft haben. So ist es wichtiger denn je, die Selbstmarginalisierung zu überwinden, der gemeinsamen Stimme mehr Kontur zu verleihen und diese mit Entschiedenheit zu vertreten.6 3. Wertprofil für das Abendland
Grundlegend verschiedene Vorstellungen sozialer Identität im angelsächsischen und kontinentaleuropäischen Denken sind nicht zu übersehen. Eine Konvergenz zu der einen oder anderen Richtung hin führt zu einem Bruch mit den Pfadabhängigkeiten der jeweiligen Traditionen. So kann etwa die durch den Unabhängigkeitsgedanken geprägte und deshalb vor allem auf eine negative Freiheit setzende angelsächsische Wertidentität in Deutschland nicht friktionsfrei an die Stelle der vor allem auf einen Einheitsgedanken und die damit verbundene positive Freiheit setzende Wertidentität treten. Ein anzustrebendes Wertprofil muss immer auch die jeweiligen historischen Pfade mit berücksichtigen. Das Freiheits- und Personalitätsverständnis, wie es der Sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegt, verbindet aber gerade kontinentaleuropäischen und angelsächsischen Identitätsgedanken. Soziale Rechte und Solidaritätsgedanke mit entsprechendem Wir-Gefühl folgen eher der europäischen Tradition. Das Subsidiaritätsprinzip soll den sozialen Rechten entsprechende Grenzen setzen. Einheitsund Unabhängigkeitsgedanke erfahren so eine Symbiose, die für die Menschen eine soziale Wertidentität möglich macht, sei es in Mitteleuropa oder im angelsächsischen Raum. V. Christlich-abendländische Wertidentität Es kann festgehalten werden: Der Schulterschluss einer erkennbar katholischen Wertidentität mit Protestanten, Kantianern und Ökonomen guten Willens diesseits und jenseits des Atlantiks (einschließlich Australien, Neuseeland u. a.) macht einen humanistischen Wertkonsens möglich, der trotz weltanschaulicher Pluralität die Vorzugswürdigkeit der naturrechtlichen Begründung nicht preisgibt. Bei allen Unterschieden der jeweiligen sozioökonomischen Pfadabhängigkeiten kann die Soziale Marktwirtschaft mit dem ihr zugrunde liegenden Wertprofil damit ein Baustein für eine abendländische Wertidentität sein, die ihren äußeren wie inneren Gefährdungen mit Nachdruck entgegentritt.
5 EKD, Gerechte Teilhabe. Befähigung zur Eigenverantwortung und Solidarität, Gütersloh 2006. 6 Elmar Nass, Aufbruch zu gemeinsamer Relevanz. Christlicher Humanismus als Grundlage einer ökumenischen Sozialethik, Gregorianum 86 (2005), S. 28–44.
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Zusammenfassung In den pluralistischen Gesellschaften des europäischen Kulturraums ist inzwischen eine zunehmende Abkehr von dem allein am Nutzen orientierten Menschenbild zu beobachten. Die noch diffuse Nachfrage nach Grundwerten und Glaubwürdigkeit findet ein überzeugendes Angebot in der christlichen Sicht der Gesellschaft, wie es der Sozialen Marktwirtschaft entspricht. Die christliche Sicht des Menschen als „Träger, Schöpfer und Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen“ kann von allen Menschen guten Willens verstanden werden als eine angemessene Antwort auf die Unsicherheit der heutigen Zeit.
Summary In the pluralistic societies of the Western world, one observes a growing dissatisfaction with a simplistic, utilitarian view of man. The still-vague demand for a return to basic values and credible standards finds a convincing answer in the Christian view of society, one compatible with the idea of the “social market economy”. The Christian view of the human person “as the foundation, the cause and the end of society” is something that can be understood by all men of good will as an adequate answer to the disorientation of today.
II. Politische und rechtliche Strukturprobleme der Demokratie
The Unattainability of What We Live Within: Liberal Democracy By David Walsh Concern about the fragility of democracy, especially liberal democracy, has been an abiding feature since its inception. The simultaneous narrowing of principles toward an essential consensus and the heightening of their moral significance defined a liberal political order. It was an unstable enterprise from the start. Would the authoritative evocation be sufficient to sustain itself? Or would the incoherence of its abbreviations ultimately overwhelm its deeper resonances? Even to an expositor as confident as John Locke the answer was far from clear for, despite the rhetorical cogency of the Two Treatises of Government (1689), he still felt the need to explore the possibility of a more substantive philosophic and religious consensus. The need to resolve questions of moral and religious truth was, he explains in the “Epistle to the Reader,” the genesis of his great philosophical inquiry, An Essay Concerning Human Understanding (1689). It was no doubt partly out of a sense of dissatisfaction with the fruits of that endeavor that he turned his attention to a “plain reading” of Scripture as the basis for a Latitudinarian Christianity. Unfortunately neither On The Reasonableness of Christianity (1695) nor the later Paraphrase and Notes on the Epistles of Saint Paul (1707) succeeded in establishing the theological universality his hermeneutic had promised.1 All that remained was the political authority of the liberal democratic evocation without benefit of the philosophical and religious amplifications Locke had envisaged. Only the truth of its self-evidence could be evoked by Jefferson and others who would have to find their own way of dealing with the anxieties surrounding it. The quest for “foundations” had been set in motion as an arc that reaches all the way up to John Rawls and the present. Fragility has been the inescapable companion of democracy. That awareness has hardly been absent from the great historic conflicts in which the democratic societies have been involved. One thinks of the rise of the totalitarian states in the twentieth century with their genesis in failed democ1 Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. by P. H. Nidditch (Oxford: Clarendon Press, 1979); Political Writings of John Locke, ed. by David Wooten (New York: Mentor, 1993); The Reasonableness of Christianity, ed. by George W. Ewing (Washington: Regnery, 1965); A Paraphrase and Notes on the Epistles of St. Paul, ed. by Arthur Wainwright (Oxford: Clarendon Press, 1987).
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racies. Or there was the shock engendered in the democratic states that opposed them, uncertain at first if they possessed the resources to resist a foe armed with the ruthlessness of ideological invincibility. The flabbiness of liberal democratic societies has perennially provoked and prompted dreams of aggression against them. Viewed from the outside it was hard to imagine such regimes of private preoccupation as anything more than the final stages of declining decadence. Was there anything that could rouse their citizens to an effort of public sacrifice? Or were they doomed to slumber into their inevitable demise? The less advanced cases of the democratic disease have since become capable of noticing their condition and fitfully rousing themselves against the “crisis of values” they sensed as engulfing them. A particularly striking example is the contrast between the United States and Europe in their different responses to the perceived deficit of civic virtue. In the former the concern about such barometers as “bowling alone” has called forth affirmations of religiosity that would appear distinctly unwelcome in the more secular indifference of the old world. Neither case, however, provides much reassurance that the liberal democratic founding can be sustained in its own terms.2 Whether support is sought outside the democratic frame of reference or whether the danger is simply ignored amounts largely to a difference of degree. The “crisis” of liberal democracy looms, and perhaps looms ever more ominously to the extent that its source within liberal democratic principles is glimpsed so little. The irony of the situation cannot be overlooked. For it is precisely when liberal democracies have not only defeated their totalitarian foes but are engaged in a robust effort of selftransmission that the secret of their own success remains so elusive. The problem of irony of course is that it is rarely carried far enough. Often it is taken as an excuse for avoiding the opening that irony has laid before us, as if by taking note we had ourselves escaped from the contradiction between what is said and what is done. This was the insight that made Kierkegaard such an acute analyst of irony, a category that shaped his entire understanding of the modern world.3 Ironic distance cannot enable us to bridge the abyss by which we are separated from our existence. Only the movement of existence itself can intervene when “talk” of intervention has assumed the form of interminability. A similar paralysis can grip liberal democratic societies that contemplate their uncertainties while forgetting the struggles by which they became what they are. Irony always turns out to be a double edged sword. The wielders of critical 2 For a fascinating recent exploration of the question see the exchange in Jürgen Habermas/Joseph Ratzinger, The Dialectic of Secularization: On Reason and Religion (San Francisco: Ignatius, 2007). 3 Søren Kierkegaard, The Concept of Irony With Continual Reference to Socrates, trans. by Howard V. Hong/Edna H. Hong (Princeton: Princeton University Press, 1989). Contrast this with Richard Rorty, Contingency, Irony, and Solidarity (New York: Cambridge University Press, 1989).
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distance are invariably exposed as the ones who are furthest removed from the sources of their own critique. What, after all, could be more ironic than the discovery that the lessons in democratic virtue are to be taught most effectively by the very societies whose faltering steps are to be aided by the ostensible holders of the democratic mantle? Yet the pattern has been repeated more than once. Recall the witness to liberal democratic heroism exhibited by the dissident movements of the late Cold War era. Andrei Sakharov lived it so deeply that he was virtually proclaimed a secular saint, while such leaders as Vaclav Havel can still speak with an authority far above the petty politics of Europe. But nowhere is the astonishment as great as when we witness the seriousness with which the newly democratizing societies embrace the august responsibilities of voting. Turnout even in the election in Iraq, under most adverse conditions, was far higher than it routinely is among our own more apathetic electorates. Disaffection runs highest where democracy is secured and is at its lowest when the democratic aspiration is most in doubt. Could it be that the ironic reversal of the roles of teacher and student is more than a coincidence? What is it about liberal democratic constitutions that makes their emergence easy and their preservation hard? The pattern has certainly been noted before. Tocqueville made the appeal to return to the founding struggle for liberty the principal means by which he thought democracy might overcome its deleterious absorption with equality. Only the spirit of liberty could defeat the demand for equality that arose within it. He understood that the attainment of liberty was only the beginning and that its betrayal was the most fateful consequence of the modern democratic revolutions. Far more significant was the realization of what was entailed in the preservation of liberty, for it would require nothing less than the willingness to risk the very equality that had been its correlative. A society that places the primacy of emphasis on equality has already signaled its willingness to abandon liberty. But its equality can have no meaning unless it is rooted in the very liberty from which it has arisen. The tensions of the founding are never resolved or, to speak more precisely, they must be resolved in every moment. Success is no guarantee of success, for every generation must confront anew the issues that in one way or another spring from the very beginning of the constitution. Statesmanship is marked by the capacity to recognize that the struggles of the day are not simply what they appear to be but implicate us in the decision of the character of the regime in which we find ourselves. It was this capacity that distinguished Abraham Lincoln’s response to the civil war. He understood that the conflict was neither about regional tensions nor the abolition of slavery but about the meaning of the American founding. Was the United States to maintain itself as the union that had been constituted through the Declaration of Independence or would it simply disintegrate along increasingly factional lines? Democracy may have ignored the presence of slavery in its midst but could it countenance its
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expansion? The struggle that followed was all the more momentous because it was engaged as a re-founding of what had not yet been adequately founded. The question of course is whether democracy ever is adequately founded. Yet even when the question is raised, it is rarely confronted with the full force of its impact. We have not always been willing to think with the harrowing depth of Nietzsche who saw that “disregard for and the decline and death of the state, the liberation of the private individual, is the consequence of the democratic conception of the state.”4 We prefer to comfort ourselves with the thought that the founding is securely in a past whose permanence we seek to make palpable in the monuments we erect to it. By remembering we try to forget what cannot be forgotten, that the past is no more. The future is not yet, for its arrival depends entirely on the response we make in the present. Our task is therefore not simply the transmission of some stable heritage we have received from the past but the invention of democracy anew in the present. The very meaning of history presupposes the openness of each generation to its possibilities, for we are not the products of predecessors who have fixed forever the range within which our nature will operate. (This is the nightmare possibility glimpsed in the contemporary cloning and genetic intervention debates.) We have a history just because we do not live in history as mutely determined results. Instead we live in partnership, a partnership that presupposes freedom, with all who have come before us and all who will follow after us. None possess an exclusive superiority over the rest and none are compelled to live entirely on their own resources. Only beings who are free can possess a history but it is only beings who are free that can live from history. We live within what we cannot fully understand and we contribute to what cannot fully be stated. Without freedom there would neither be history nor the benefits to be derived from it. History may not be able to settle the questions that define our existence but the movement toward settlement is drawn by the settlement that has already taken place within history. Every generation is a founding generation and every generation depends on the founders who came before it. We know this as a matter of general observation but we have not necessarily grasped its significance. The inclination to see ourselves as mere caretakers of democracy has mitigated the impact of the realization that it is democracy that takes care of us. Democracy is not the issue, it is the “we” who are its putative guardians. Without democracy, would there even be a “we”? That is the question that all talk of preserving foundations overlooks in its easy assumption of a realm of fixed quantities. Forgotten is the realization that founding presupposes that there is no foundation, or at least not one that dispenses forever with the need to found. Equally absent is the realiza4 Nietzsche, Human, All Too Human: A Book for Free Spirits, trans. by R. J. Hollingdale (New York: Cambridge University Press (1986), 172.
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tion that no founding would be possible unless it had already occurred, as the point of recognition at which arrival is possible. In the movement of recollection or repetition there is not only the time of the founding but also the founding of time. What is present in eternity must be distended in time. Indeed the possibility of time and existence is bound up with the nonpresence of what is present. It is because the founding of democracy is the work of democracy that it can have no foundations. To secure the foundations of democracy beyond peril is to lift it out of the movement by which it is constituted. It is to bring history to its conclusion. History itself has recurrently disabused us of our fantasies in such a direction, to remind us bluntly that no generation escapes the burden of struggle that is tantamount to the work of founding. We are responsible because response-ability remains the dynamic of our existence. The work of preservation is the work of foundation from which no generation can excuse itself if it wishes to remain faithful to the undertow of its existence. Settlement in this sense presupposes the impossibility of settlement. I. Paradox of the Person The formulation is a paradox but only because it attempts to grasp the container within the contained. Taken as the tension that provides the possibility of existence there is nothing inherently paradoxical about it. The rationale is eminently clear as Kierkegaard understood in first announcing paradox as what structures our lives in every sphere.5 That which we live within cannot be subsumed under the living of it. Everything we do presupposes the forgetfulness of self, otherwise the self interposes a distance that prevents the actual doing. Thought cannot think itself except by not thinking of its content, just as a gift cannot really be a gift if it calls attention to itself. Our goal is not defined by the activity but rather the other way around. The more we attempt to close the circle and include one in the other the more we botch the possibility of acting at all. So while science may aim at a comprehensive understanding of reality its viability depends on avoiding its own consummation, for science would itself be over once the movement of inquiry no longer animates it. Thought thinking itself is the millennial theme of Western philosophy but thinking depends on remaining within the suspension of its outcome. An equally enduring paradox has surrounded the theme of freedom, occupying ever more prominence as the symbol that has come to support an ever greater weight in the modern world. The difficulty of distinguishing between freedom and arbitrariness has tarnished the valuation of freedom from which it springs. Debates over positive and negative liberty remain irresolvable so long as we fail to recognize their source 5 Søren Kierkegaard, Philosophical Fragments, trans. by Howard V. Hong/Edna H. Hong (Princeton: Princeton University Press, 1985), see Part III, “The Absolute Paradox.”
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within a paradox, i. e. within irresolvability itself. Freedom can mean only our determination by chance so long as its meaning as non-freedom is not recognized. To say we are obliged is to insist that we are not free.6 Nothing of course prevents the rejection of our obligation but that is more properly characterized as a failure of freedom rather than its exercise. And freedom is not to be defined by its failure but by the possibility of transcending itself. Paradox is not in this sense the irrational, not even an antinomy, but the exceeding of existence that makes existence possible. It is the unattainability of what we live within, for to attain it would be to close off living it. Ultimately it is the paradox of the person whose disclosure is never a disclosure. No matter how exhaustive the expression, the person who undertakes it remains outside of the expressed. We know that there is always more, inexhaustibly more. The person, in the words of St. Augustine, is “a mystery so deep as to be hid from him in whom it is.”7 Intuitively we know this and we have given it conceptual shape in the language of human dignity. The impossibility of weighing one human being against another or even against all human beings has been enshrined within the liberal language of rights. Each human being is entitled to equal concern and respect simply by virtue of being human. Through such formulations we hold ourselves accountable before a high ideal, one so high that the greatest danger is that it trails off into realms of abstraction disconnected from the concrete complications of life. Indeed talk of the mystery of the person or the sanctity of human life seems to suggest a remoteness from where we actually are. Ideals and aspirations insinuate alibi for failing them, even though this is quite contrary to the intentions that lie behind them. For we do not mean that it is desirable to treat every human being with equal dignity and respect, but that we must do so. Human rights are not “values” we have chosen to defend.8 They are rather the imprescriptible boundaries of our very existence. We have no other choice but to live within the acknowledgment of their imperative. It is not we who have chosen them; it is they that have chosen us. Unfortunately little of that moral compulsion is contained within the abstractions by which human infinity is expressed. Universality has betrayed us. In seeking to connote the transcendence of the person we all too readily assume the adequacy of the denotation. Confusing the signifier with the signified we fall victim to the misplaced concreteness of our language. The failing only becomes egregious when the signified lies radically beyond all signification, 6 Emmanuel Levinas, Totality and Infinity, trans. by Alphonso Lingis (Pittsburgh: Duquesne University Press, 1969), Section III, C, “The Ethical Relation and Time.” 7 Commentary on Psalm 49, Ennarationes in Psalmos (391–420). 8 “Rather, it is important finally to realize that precisely through the characterization of something as a ‘value’ what is so valued is robbed of its worth.” Heidegger, “Letter on Humanism,” Basic Writings, trans. by David Farrell Krell (San Francisco: Harper San Francisco, 1977), 228.
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when it is this transcendence or “différance,” that provides the possibility of signification.9 The difficulties we encounter in giving linguistic finitude to the infinite depth of the person are related to the interpersonal possibility of all linguistic communication. We cannot speak of the inexhaustibility of the other because it is just this inexhaustibility that sustains all possibility of speaking. If we could reach that point in conversation where we meant what we said and said what we meant then conversation would cease. Fortunately this danger is of very little concern to us. We may get tired and break off because of the physical limits that impose a finitude on all communications between human beings. But we would not have begun to speak with one another if we were not drawn by the glimpse of the infinity of communication that underpins our mutuality. Faith in the resumption of our conversation after all inevitable interruptions is sustained by awareness that is prior to awareness. The romantic aspiration for perfect transparency between two human beings is just one such indication of the strength of the undertow. It is not by any means the most definitive testament to its force. Kierkegaard saw that the project of total communication could become so obsessive that it preferred the ideal to the reality. A far more authentic witness, he contended, was the acceptance of partial communication infinitely extended over a whole life. By choosing marriage over the romantic leap into perfection the very inexhaustibility of the relationship was given its truest expression. What cannot be said cannot be “said” as art. It can only be lived, for in the living of it we invest our very selves as the most eloquent declaration of the impossibility of saying.10 Living is indeed our saying. Now this is both an insight into the possibility of communication and into the meaning of marriage. But it yields an even greater insight into the meaning of time, the possibility of possibility, that underpins both of them. We need time, the flow of our existence, in order to unfold what cannot be unfolded: the unfathomable depth of the person. It is this unreachable horizon of the person that opens the time of our existence as the horizon of unreachability itself. We do of course live within physical time as measured by movement within space, for everything is chronologically datable, but this derives its meaning from interpersonal time as the only setting within which datability acquires significance. We do not live within the physical universe; we live within the human community. Exploration of the vastness of space is shot through by the possibility of contact with the other, as evidenced by the intense interest in extraterrestrial life as its pervasive accompaniment. Continuity with the personal is the primor9 Jacques Derrida, “Différance,” in: Margins of Philosophy, trans. by Alan Bass (Chicago: University of Chicago Press, 1982), 1–27. 10 Kierkegaard, Either/Or, trans. by Howard V. Hong/Edna H. Hong (Princeton: Princeton University Press, 1987), “The Esthetic Validity of Marriage;” Stages on Life’s Way (Princeton University Press, 1988), “Some Reflections on Marriage in Answer to Objections by a Married Man.”
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dial passion lodged deep within our most impersonal modes of inquiry. The guiding intimation of meaning is the meaning of the person whose infinitude cannot be contained in any finite tangibilities but who, for that very reason, contains the possibility of just such an infinitude in the finite. Only a person can open the infinite dimension of the finite. It is in this sense that the eschatology of the person, the impossible possibility of infinite self-giving, opens the mysterious interest of everything that draws us in existence. Impersonal mystery is sustained by the mystery of the person as gift. The very language of gift is inseparable from the gift of self for there is no gift, despite all appearances, unless there is such self-giving. This is why it is possible to give without giving, or to give only in appearance. Even our traditional understanding of existence as a gift or the other as a gift has often not fully developed its personal meaning. We talk about giving one’s heart or giving one’s whole self but the conception is not easily articulated, since it is ultimately impossible to give oneself. Isn’t the self what one possesses least, the unfathomable mystery of Augustine? And even if one wanted to give oneself, as in marriage, how can it be conveyed? All that one human being can give to another is particular and tangible. What lies behind cannot be conveyed although, and this is the essential point, it must be conveyed. The only genuinely human communication is one in which there is a mutual giving of self. Communication therefore takes the form of noncommunication. Whatever gifts are given do not constitute true giving for that entails the giving of all. Nevertheless the finite containers must carry the infinite they cannot contain. The gift, we finally realize, is the gift of giving itself.11 We possess it only as a gift, as what we do not possess, so that the giving consists in giving away what we cannot give away. There is thus nothing to receive for the receiving consists in recognizing that it has already been received. We live in time only because we do not live in time but have already reached the end that is gifted to us as the unfolding of time. It is in this sense that the ideal of human dignity is misconceived when it is posed as a goal of our existence within time, for there would be no time of existence without the horizon of interpersonal infinity that is the invisible beyond of all horizons. We do not sustain the moral imperatives of our lives; they sustain us. The philosophic revolution that began with Kant has largely been an effort to come to grips with this realization. Hegel’s criticism of Kant was that he had left morality too much in the realm of aspiration and thereby missed its constitutive role within ethical life. Merely making that observation, however, was not enough, for it then transferred the aspirational character to ethical life or sug11 Derrida, Given Time: I. Counterfeit Money, trans. by Peggy Kamuf (Chicago: University of Chicago Press, 1992) and id., The Gift of Death, trans. by David Wills (Chicago: University of Chicago Press, 1995).
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gested the historical inevitability of its realization. What was needed was the more thoroughly existential development that has been the occupation of philosophy ever since and received its first definitive expression through Kierkegaard. The gap between “is” and “ought”, between knowledge and deed, is then recognized as a gap that opens only from the perspective of contemplation, as if existence could be achieved merely by thinking it. Such an attitude, Kierkegaard diagnosed, was a postponement that ultimately could not postpone existence. The illusion of abstraction could only be overcome through the recognition that the imperatives were truly imperative. There was no escaping them, even by thinking, so long as we sought to exist. What that existence would be could only be determined by the responsive unfolding of the principles that offered us the possibility of existing. The “either/or” was not between good or evil but between existing or not existing, for there is no possibility of existing without accepting the responsibility it entails. The language of ideals always suggests that there is still an “I” after I turn my back on them and so suggests the capacity to hold them at a distance. But we can no more disregard the moral imperatives that draw us than we can leap outside of existence. The choice of good or evil is the choice of existence or non-existence. We are constituted by the unfolding of moral responsibility toward the other which, far from offering an option for the exercise of our freedom, is the very substance of our existence within time. Morality provides time, time does not provide morality. The mastery we routinely exercise over the world of objects is inclined to lead us to overlook the momentous difference when the mastery is over ourselves. Our language is dominated by the subject-object model of relationship. In the realm of ethics the model has no relevance since there is no subject other than through the temporal exercise of responsibility. The fixities of philosophical language that have been developed to grapple, albeit inadequately, with this situation have yet to complete the transition to a language of paradox that incorporates the self-limitation of language as such. All that we have are the abbreviations or intuitions that glimpse what is already known as what remains to be known in the unfolding of time. The mystery of the person can neither be contained nor exhausted. That is the bedrock from which our thinking begins as it is indeed the very possibility of thinking. Our problem is to secure it within a world of finitude and immanence. The challenge is both intellectual and political and on both fronts progress has been made although confusion remains, especially when we seek to explain ourselves to ourselves. Within a world of instrumental rationality, in which the efficient coordination of means and ends is the highest necessity, it is difficult to explain why human beings should alone escape cost benefit analysis. How can there be ends-in-themselves when every end is subsumable as a means to a further end? What is it about the operators that releases them from the logic of the machine? Questions about the “iron cage,” the catastrophes of the sorcerer’s apprentice or of the Frankenstein mons-
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ter, and all that menaces as the crisis of technology, are familiar extrapolations of the condition in which we find ourselves. Their very ubiquity testifies to the degree to which we have overstepped the limits that threaten to engulf us. They are raised only because we cannot be held within the boundaries of a system and have erected a political order that, as far as possible, definitively places every single person beyond the calculation of utility. Besides the growth of impersonal rationality there has also arisen the awareness of the inviolability of the person. II. The Impossibility of Giving Reasons The person is at the core of the political paradox within which we live. Everything about the liberal democratic ordering we take as authoritative escapes the giving of reasons we might attempt. Perhaps this has something to do with the wreckage of liberal theorizing with which its history is strewn. Already in the famous “contract” theorists we discern the modulations away from the term toward “covenant,” “compact,” and anything that might avoid the implication of a contract rooted in self-interest. Eventually “contract” is rehabilitated as a moral or eternal contract before simply being dropped altogether.12 It is not clear that liberal theorizing has ever adequately recovered from the demise of its first conceptualizations. Instead it has drifted through ever more incoherent evocations of its own foundations to finally reach the point at which it has turned its back on the project as such. The only thing that is clear is that liberal democracy, for all its inadequacies, works far better in practice than it does in theory. More than a hint of suspicion is cast upon the enterprise of justification as precisely what tends to call into question what is more safely secured by convictions that rest beyond question. Only one step remains to this line of reflection, namely to recognize why the effort of rationalization must fail. The giving of reasons presupposes that the reasons adduced stand at a more fundamental level than what is being justified. But what can have a higher claim in priority than the respect that is owed to each person? Is there an ordering or summation of benefits that might finally conclude the measuring? Or is it not the case that the imprescriptibilty of persons has a claim on us that stands outside of both benefits and costs? That we are committed to it most of all when the costs outweigh the benefits? Granted that many positive consequences flow from a society of mutual respect, but they would hardly follow if the respect were conditional on the consequences.
12 The convenience of the term “contract” leads us to overlook Hobbes’s insistence on “covenant,” Locke’s preference for “compact,” Rousseau’s conception of a moral contract, and Burke’s adoption of “eternal contract.”
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We have no recourse but to admit that the most central conviction of our lives together cannot be explained further. Everything else can be referred to it but the absolute priority of the person cannot lead beyond itself. Historically the language of theology, of the imago Dei, has been available as a marker for what we cannot understand and much has been made of its withdrawal from the public square. Often overlooked is that there were good reasons for that withdrawal which is therefore not to be excessively lamented. It is not the demands of pluralism that foreclosed the possibility of theological translation, but the realization that even theological justification detracted from the utter primordiality of the person. Respect for the person is diminished if it is seen merely as a means toward any extraneous other, even when that third party is God. To put it most bluntly, persons command our unalloyed respect even if it were to entail the violation of a divine command. Nothing stands higher since unconditional valuation of the person is the condition of all valuation. A God who would command such disvaluation is not worthy of acknowledgment as God. Of course that is not a plausible theology but it does suggest an opening for the curious phenomenon of the revolt against God that arises in the name of God. An important strand of modern atheism reads itself in this light as the surrender of God for the sake of God. These are simply dynamics of the shift in which theology too must become existential, taking its direction from the mystery within which it finds itself rather than from pre-existing conceptual certainties. Liberal democratic forms are not so much anti-theological as theological in their own right. Rather than depending on a theology outside of themselves, the understanding of man as imago Dei, they can more properly be seen as the route by which the meaning of the imago Dei is regained from within the encounter with the other. In prioritizing the other we glimpse God’s prioritizing of all others.13 Nothing is thereby explained, rather we have entered more deeply into the mystery in which we live. Surely this is the real meaning of explanation and of the ever unsuccessful search for foundations. Theological or philosophical glibness would only deflect the quest for what cannot be found rather than answer it. Thinking, it has long been recognized, is not the attainment of a result. It is the movement or the activity toward it, as the very name of philosophy suggests. But this realization has often been mistaken for the ultimate result, the one by which the movement of the arrival could be eclipsed. The temptation is one with which philosophy has itself struggled from the Platonic Ideas to the Hegelian System, for it has never been easy to accept the implication of Socratic ignorance that is entailed in the activity of thought. Thinking can never really know itself for it can never encompass that from which it derives. “The more we know the less we know” has been a dearly bought concession that is 13 Levinas, Of God Who Comes to Mind, trans. by Bettina Bergo (Stanford: Stanford University Press, 1998); John Paul II, Splendor Veritatis (1993).
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one of the principal achievements of modern philosophy. Acceptance of it depends, as Kierkegaard above all saw, on the reversal from the negative to the positive connotations. The failure of thought to think itself does not finally emerge as a net loss but as an inestimable gain, one that ensures that the possibility of thinking is not foreclosed within some finite realm before us. We are saved from answers and liberated to questioning for questioning is the only mode of answer available to us. It is the very meaning of existence that we exist from what we do not know and that our existence is guarded by the nonknowledge of its source. The unattainability of the centrality of the person within liberal democracy is not simply an instance of this existential ignorance. It is a heightening of it. This has been the secret of the liberal democratic success. For it is not just a political form that “works” as confirmed by its widespread durability or appeal but one that lives within the very principles it espouses. That has entailed the deepening of the mystery by which it is sustained, drawing ever closer to what it cannot comprehend but in that failure realizing it more intensely. This is what explains the capacity of liberal democracy to deepen its inspiration without clarifying the source of that movement. The secret of its success, in other words, is that the secret cannot be penetrated or perhaps that there is no secret other than the living of it. At any rate the living serves only to intensify the mystery by which it is constituted. Even the meaning of liberal democracy proves to be a moving target for definitional purposes, a source of dissatisfaction to categorizers who would prefer that it exhibit greater constancy of meaning. The pattern is well known as those who are revolutionary in one era become liberal in another, or liberal in one and conservative in another. Burke is, for example, a classic case of such shifting appellations but one could hardly accuse him of inconsistency any more than the alterations in context are unrelated to a constancy of direction. The inviolable liberty of the person remains at the center, ready to be evoked anew in light of the challenges that confront it while never being comprehended outside of the struggle to attain it. As a result the definition of liberal democracy changes while its inspiration escapes all definition. Even the term “liberal” is a relatively late emergence and indicates a new awareness of the liberty of the person that must lie at the core of any genuine political liberty. The pattern is well illustrated in the major shift in the meaning of the term “liberal” itself. With its center of gravity located in the right of property as the primary means by which the property of one’s person was protected, the implication of an absolute right to private property was quickly drawn. Locke’s location of the right within the application of labor, by which objects in the state of nature are appropriated for individual use, seemed a plausible account. But it could not survive the full scale development of an industrial-capitalist economy in the nineteenth century. Then the social consequences of private property and
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especially their impact on the concrete exercise of individual liberty became apparent. Political liberty, it was realized, could not endure unaccountable concentrations of economic power, and individual liberty would be set at naught without protection from the worst vulnerabilities to which it was exposed. The result was an extensive readjustment of modern liberal democracies that recognized the imperative of controlling private liberty in order to preserve it. Partial socialization, as well as the emergence of the regulatory and welfare state, were all part of the trial-and-error quest for a balance between the public and the private that aimed at the preservation of the liberty of each of them. No great theory exists to define or defend the outcome and it is arguable that the search for a balance has not by any means been concluded. Adjustments and readjustments continue apace. But what is not at issue is that the state has a role in mitigating the worst excesses of a system of private liberty. That concession followed, as much as the political and economic shifts in which it was reflected, from the priority that had already been given to individual liberty. In order to preserve it we were prepared to limit it. Liberty could not extend to the annihilation of liberty that the commodification of human beings would entail. Freedom of contract required the acknowledgment of the limits of contractual freedom. The question today is whether a similar resolve will emerge in response to the next great crisis that seems to endanger liberty. At the moment even the perception that we are in a crisis has not crystallized within public consciousness. Our politics is still looking in the rearview mirror at the battles of the past or, at best, scouring the horizon for their contemporary manifestations. Globalization and its attendant anxieties is a case in point, although it is not a case in principle. The issue that raises a crisis in principle for liberal democracy is the expanding possibility of biotechnological control over human beings. Again the issue is presumptively framed within the rights of private liberty but the implications raise unsettling questions as to the very meaning of liberty. Does it extend to the exercise of control over the genetic endowments of other human beings? In the name of whose liberty are such interventions undertaken? Can there be a right to procure a clone of oneself? If not, on what basis is such a choice prohibited? And what about the permissibility of therapeutic cloning intended to promote the health of the fully present human being? Such are the questions that loom before us and a resolution is crucially dependent on the recognition of their convergence on the inviolability of the person enshrined at the heart of our constitutional tradition. To the extent that the cases are viewed in isolation the response will simply reflect popular or market forces, or the familiar vacillations of policy in response to pragmatic assessments of costs and benefits. In reality what is at stake is the viability of liberal democracy as such. Just as in the slavery crisis Lincoln understood that the ownership of one human being by another was radically incompatible with the very idea of democratic
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self-government. Is the design of one human being by another any more reconcilable? What then of the instrumentalization of the embryonic gestation of human beings? Are there any limits to the manipulation of the biological processes on which human life depends? Does respect for persons entail respect for their non-personal constituents? Advancing scientific understanding is a necessary ingredient in reaching such decisions but it is not sufficient to resolve questions that science itself has generated. Their only resolution must be political, that is, existential.14 We are compelled to descend deeper into the convictions within which we live, conscious that the answers we retrieve implicate us to the very core. Information cannot settle the responsibility we alone can exercise. III. Founding as Re-Founding No generation is spared the burden of founding, least of all one that lives during a moment when the crisis of foundations looms. It is at such a time that the inescapability of founding becomes apparent. All founding is a re-founding that is necessitated by the impossibility of founding. Just as there are no ready made answers so there is no already made founding. The burden cannot be shifted to our predecessors for the life we are called to live. Surrogate living is not an option, especially when it is the very meaning of living that is at issue. It may be readily acknowledged that every individual is required to live his or her own life but the implication, that every life exceeds the meaning of it, is less frequently adduced. There can be no guidance, however authoritative, that takes the place of the singular movement of self-realization. A blueprint to living would deprive living of its life, because living is precisely the capacity to follow more than a blueprint. This is the distinction between a mechanism and an organism. Teleology is merely a convenient way of conceiving the ordering process at work but, from within, the movement is characterized by the supersession of all strictly teleological limits. Even the simplest organisms seem to delay rather than accelerate the movement toward their goal of using themselves up in the propagation of the species. Teleology then really means the avoidance of a telos. Kierkegaard thought deeply about the way in which the individual, the religious, exceeds the universal, the ethical. In analyzing the story of Abraham’s readiness to sacrifice Isaac he spoke of a “teleological suspension of the ethical.”15 The intuition that the individual is immediately related to the infinite arises from this insight. What has yet to emerge is the 14 See Jürgen Habermas, The Future of Human Nature (Cambridge: Polity Press, 2003) for a good example of such reflection on the biotechnology questions. A very different but convergent approach is developed in Leon Kass, Life, Liberty and the Defense of Dignity: The Challenge for Bioethics (San Francisco: Encounter, 2002). 15 Kierkegaard, Fear and Trembling, trans. by Howard V. Hong/Edna H. Hong (Princeton: Princeton University Press, 1983).
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realization that it is this uncontainability of the individual that constitutes the very possibility of living. No matter how comprehensive the founding the individual always stands outside of it, not as a defection from it, but as its supereminent realization. The founding can therefore mean nothing apart from the persons whose founding it is. Nothing is founded as a product or result that exists outside of them. It is the founding that supports and sustains their being as what cannot be contained within it. Founding is always in the mode of non-founding. Neither the burden of living nor the exercise of responsibility are lifted by the articulation of principles achieved. This is not just because principles must be implemented if they are to be taken seriously, but because over and above all realizations is the superabundance of the person who transcends and sustains them. Persons are contained and they are not contained in the formulations they adduce, for the very meaning of their existence is the giving of what they cannot give, namely, themselves. We are all equal as persons but this is not an abstract equality; it is the concreteness of our existence. Superiority or inferiority, founders or followers, are categories that have no place when we meet as persons or, at best, their place is strictly ancillary. Differences are quickly superseded as we recognize the mutuality of exchange that must take place. None can give only a part and none can be received only as a part. They are all wholes open to all other wholes and thus constituting a community of wholes. Not even the community as a whole outweighs such parts that, as Maritain expressed it, are themselves wholes.16 Calling each one an infinite center of meaning and value in the universe is simply an attempt to evoke what cannot be said directly, but which can be approximated existentially. That is, to recognize that the founding is the work of every one of them, not because they are equally equipped to achieve it, but because it is equally present within them as the very essence of their being. The work of founding is the work of persons who can found because the possibility of self-donation is the foundation of a community of persons. Theorists have expended a good deal of effort in trying to understand the process of community formation. Political leaders engaged in nation building are naturally more than a little intrigued by the topic. Social science studies have identified an array of factors that enter into such an emergence, and much is to be learned from the fruit of such labors. Yet it is difficult not to feel that the essential has been missed. Having mastered all the incidentals that go into the growth of community we have overlooked its core. The reason for this neglect, a notorious failing of social science, is not hard to discover. We are inclined to avoid what we cannot understand. Social science is in search of 16 Jacques Maritain, The Person and the Common Good, trans. by John J. Fitzgerald (Notre Dame: University of Notre Dame Press, 1946).
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explanations, that is, the discovery that social processes are reducible to other more palpable processes. But the founding of community is not of that type. It cannot be understood in terms of anything other than itself. None of the explanations are ultimately sufficient, for it is a mystery that we live within. We cannot even reach, let alone reach beyond, the boundaries of our own existence. Founding can only be understood from within the struggle of founding, an act of such utter simplicity that it is available to every human being. We can understand the more elaborate and elaborately celebrated foundings of history only because that more elementary reality is readily available to us.17 We know that the founding occurs whenever the miracle of generosity breaks through. The willingness to suffer for another, to put one’s own existence at risk, is the unanticipated event that invites the formation of community between human beings. Nothing can predict it and nothing can explain it, for it is the basis of all predictability and explanation. A community of trust arises from the gift of vulnerability exceeding all expectation. The founder is in this sense not the one who first signs the document but the one who lives it most deeply, a sentiment that is the secret of the Gettysburg Address. Lincoln had an uncanny affinity with this realization but it is at the core of all authentic political rhetoric. Yet the appeal is not simply rhetorical. Reminders of the founding struggles are effective only if they are more than reminders; they must become invitations to outdo the founding in existential generosity. Without that inexplicable self-giving no amount of genius can effect a founding. The question naturally is how such a spirit can be induced. Here it is very important not to diverge from the already intuited, for there is no way of communicating a spirit of generosity except through the spirit of generosity. Nothing extraneous can substitute. The mystery of the founding is thus inseparable from the mystery of the founding. It depends less on the attainments of the most visible participants than on the more numerous invisible participants whose unheralded generosity can neither be commanded nor anticipated. Conventionally we are inclined to applaud the notion that “everyone does their part” or that “every little counts.” But here we are referring to much more. The little is indeed the all. Contributions are neither large nor small; they are all of irreplaceable value because they are nothing less than the persons who make them. Measurement is not on the scale of the finite or the temporal but on the infinite and the eternal. We are not producing a product. The community we are founding is nothing less than a community of selves, constituted by the free gift of ourselves to one another. Such a community does not exist within its external trappings, nor is it to be identified with the most substantial professions of its presence, for the externalities are really the furthest from its essence. Community exists, we might say, most of all in the virtually inarticulate promptings 17
Hannah Arendt grappled with this in: On Revolution (New York: Viking, 1963).
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of the heart by which it is concretely built up between human beings. Matryona, the woman who in Solzhenitsyn’s story was universally overlooked in her insignificance, is the one who preserves the secret of community most faithfully with an inward purity of heart. She is the one just person without whom the city cannot stand.18 The power of the powerless turns out to be the only power that creates. This is not to suggest that the power of the “powerful” is a negligible factor in founding community; there is an ineliminable role for the power that removes the obstacles to the formation of community. Arresting the lawbreakers is indispensable to the reality of law, for it is not a wholly interior order but one that is reciprocally constituted through action. Only if law is reliable can it be relied upon. Without the hand of law everyone must take the law into their own hands. This is the state of mutual mistrust that Hobbes called the state of nature, a state that he understood could not be overcome simply by force. Whatever force was called upon to resist violence could not be the source of itself; the sovereign acquired power through consent and remained powerful only so long as trust in his power persisted. Even the Leviathan could not penetrate the mystery of his own genesis in an uncoerced act of freedom.19 His power too arose from the power of the powerless and therefore must acknowledge its own dependent reality. The spectacle of dictators whose power melts away as soon as the first brittle periphery is breached confirms this. But it does not shed light on the positive formation of power, a process to which only those willing to risk their own vulnerability have any access. Democratic power has long been recognized as an awesome sight, for a community united in free self-sacrifice cannot easily be defeated. But how it emerges is a mystery even to those in whom it occurs. This is why we cannot readily export democracy. One human being cannot transfer the exercise of his freedom to another. All that we can do is suffer on behalf of another thereby becoming a suffering witness. Short-cuts are anathema to the truth of the witness because they directly contradict it. A short-sighted pragmatism turns out to be the least pragmatic policy because it undermines the very possibility of what is aimed at. By placing the means ahead of the end expediency demonstrates that the former is taken more seriously than the latter. Impatience with results, the pressure for accomplishments, negate the very struggle they seek to consummate. Disappointment at the futility of our efforts to promote democracy arises because we have not fully counted the cost; it is a course we have embarked on without realizing that it may demand our all. Can we be in favor of democracy only if it does 18 Alexander Solzhenitsyn, “Matryona’s House,” Stories and Prose Poems, trans. by Michael Glenny (Harmondsworth: Penguin, 1973). 19 David Walsh, The Growth of the Liberal Soul (Columbia: University of Missouri Press, 1997), Ch. 4.
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not demand too much of us? Or if it results in regimes we regard as acceptable? Or it is a success? There is nothing unreasonable about such questions for they are implicated in the value of democracy itself. After all there is something horrible about a democratic revolution that devolves into brutality, oppression, and chaos. In politics the best is the enemy of the good, for the achievement of tangible human gains is far preferable to the obstinacy that must have all or nothing. The problem is that such reasonable judgments apply when we have placed a reasonable distance between ourselves and our existence. From within the perspective of existence no such detachment is possible because detachment is tantamount to the deferral of existence. Depth of conviction impinges directly on the unfolding of the reality in which we find ourselves. The emergence of democracy is utterly dependent on the unconditionality of our dedication to it. Anything less than a total commitment condemns its unseriousness from the start. Unconditional respect for the inviolable freedom of the other cannot be simultaneously conditional. Love is not love if it is within reason. Such complete self-giving is of course no guarantee of reciprocation, although it is the only possibility of evoking a response that is more than reciprocation. IV. Democracy as Eschatology No one can determine the outcome, for it would be the height of madness to presume that our actions can determine the historical reality in which they take place. There will always be a role for the pragmatic humility that is willing to make adjustments along the way, but always without doing the slightest thing that might compromise the principles that lie at the core of democratic respect. A willingness to accept less perfect democracy in reality rather than an insistence on an unrealizable ideal is a fully consistent attitude. Indeed it flows from the deepest commitment to the democratic reality. An acceptance of limits has historically been the route of the most democratic polities that, while never fully incarnating the principles that lie behind them, have never ceased to approach them in their concrete unfolding. What has sustained that movement, however, is neither an expectation of inevitable success nor a commitment to succeed at any cost. It is rather the realization that success is irrelevant for it has already been achieved. What remains to be accomplished in time has already been accomplished in the eternity of its beginning. “Democracy to come” is eschatologically now.20 External success, while not unimportant, is strictly 20 Derrida has sought to articulate this notion of “democracy to come,” beginning with Specters of Marx, trans. by Peggy Kamuf (New York: Routledge, 1994), then id., On Cosmopolitanism and Forgiveness, trans. by Mark Dooley/Michael Hughes (New York: Routledge, 2001), and most recently in: Rogues, trans. by Pascale-Anne Brault/ Michael Naas (Stanford: Stanford University Press, 2005).
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secondary to the inner reality from which it derives. Democracy does not exist within institutions and places, but within the hearts and minds of the human beings who occupy them. Whether the number of adherents is many or few, so long as the democratic impulse lives within a single individual it has achieved its reality. Plato struggled to articulate this insight in regard to the best constitution in the Republic and arrived at a roughly similar conclusion. Even for the man of preeminent goodness the conviction of the best constitution is not simply an idea he carries within. He experiences it rather as the idea that carries him forward, one that would not have sustained him if it did not already exist before him. It is that insight into the priority of democracy over history that is the faith that underpins its historical emergence. To the extent that we wish to be missionaries of the democratic idea then we must be upheld by the faith that assures us of the attainment of the goal we seek. Not only is this the faith that alone can sustain the vicissitudes of the struggle, but it is the only faith that can preserve us from the temptation to sacrifice principle for the sake of short term success. Expediency cannot deflect us from commitment to a goal that is already reached. How would it be possible to turn our backs on the reality we now know more thoroughly than any confirmation can provide? To betray it would indeed be the suicide of the spirit that only the spirit itself can commit. The mere non-emergence of a response, the historical failure of the democratic experiment in generosity, can work no such damage. When the end has already been reached in the first step then the ill-fortune of time, its trials and tribulations, can hardly reverse the direction. Democracy is already achieved once the readiness to suffer the consequences of freedom has been embraced. In recognizing the other as an inviolable center of the universe the democratic ethos has dawned.21 The mystery of that emergence, which cannot be penetrated further, is that, as an unconditional openness to the other, it is not conditioned on the response. A response would indeed be welcome but it is not dependent upon it. Democracy will not emerge historically in its absence, but the invitation to it has already exceeded even the necessity of a response. This is the meaning of the only generosity that is appropriate toward the infinity of the person. Nothing can be predetermined in advance. Imposition of conditions would simply demonstrate that we did not believe what we said, that we were finally not unconditional in our conviction of the unconditional respect owed to each human being. When we ask again how such faith can be sustained, how the foundation of democracy can be secured, we realize that the question has been misdirected. It is not we who sustain the faith, it is the faith that sustains us. We cannot com21 The position of Christ in “The Legend of the Grand Inquisitor” has long been sensed as just such an ultimate affirmation of liberty but it is only now we begin to understand why. Dostoyevsky, The Brothers Karamazov.
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prehend it because it is what comprehends us. To say that we have through faith reached the goal toward which we strive is not quite correct, because it is more properly the case that the goal has reached us. Even the Kierkegaardian language of a leap, a term that is not quite so widely used by him as is often assumed, fails to capture the pre-leap toward us that is entailed. When we arrive at the democratic infinity of the other it is not as the result of a ratiocinative movement on our part. Nor is it simply a leap in the sense of a raw decision, a will to believe. Instead it is the encounter with what has been present before we even began to search, what we have known from the start, and what we could not have known if we had not always known it. Modern philosophers since Kant have grappled with this conception that our decisions are not made in time but somehow in eternity, that it is the eternal rather than the temporal that constitutes the real boundary of our existence.22 What might be meant by such a notion is perhaps best seen in the faith that sustains the democratic openness. We would not have been able to reach the opening if we had not already reached it, so that its actual discovery within the time of our existence carries the implication of arriving too late. The recognition entailed could not have taken place unless we knew without knowing it before. It is the realization that we are already within a state of community with all other human beings that provides the possibility of the formation of particular communities. While living in time we know that we do not live in time because we can become contemporaneous in understanding with every single person past, present and future. Yet we cannot explain this possibility to ourselves. It remains the unsurpassable horizon of our existence. No one is in a better position to explain to anyone else what the formation of community is, otherwise we would not be equally positioned to bring it about within our own lives. Every one must begin anew to form the community in which they live. All talk of schemes of perfection, or of historical crisis, merely defers the moment when that beginning must occur. Of all the political forms liberal democracy is the one that most fully recognizes this existential imperative. It is not just a reflection of the liberal democratic reality that we must each day “improvise a government23,” but that this is explicitly acknowledged as the principle within which we live. Crisis would then be the ordinary form of liberal democracy. Jefferson’s remark about every generation undertaking its own revolution may be taken as a rhetorical nod toward this eternal unachievable ever-achievable revolution. The dignity of the individual within liberal democracy is directly 22 A still insufficiently absorbed resource in this regard is the powerfully compressed metaphysics of freedom in Schelling’s last published work: Philosophical Inquiries into the Nature of Human Freedom (1809), trans. by James Gutman (La Salle: Open Court, 1936). 23 The phrase is John Stuart Mill’s characterization of the American approach to government, On Liberty (Indianapolis: Bobbs Merrill, 1956), 137.
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related to this realization of the unique irreplaceable responsibility of each member. It is a political form that not only values the individual but one that is constituted by its valuation of the individual. To say that rights are indivisible is not to posit some mystical bond by which human beings are united. It is to recognize the very core of the democratic idea. Individuals found an order that acknowledges the dependence of its founding on individuals. This is why there is no founding before there is a founding, for it would be to place something before the inviolable respect that is owed. Consent has long been recognized as its hallmark. But this is always more than a mere factual event. Within the requirement of consent is encapsulated a whole understanding of the irreducibility of the personal inwardness it entails. The movement of consent can be exercised in no other way than through the non-transferable authorization that the individual alone can make. To the extent that everything depends on the singular decision of each individual, it cannot be penetrated further than it is available to every one who makes it.
V. From Democracy as Concept to Democracy as Existence No one can ultimately tell us why we must respond to the call of the other. We simply know we must. To explain it further would be to step outside of the exercise of responsibility. Most men, Aristotle remarked, prefer to talk about ethics rather than to act for the talking becomes a way of deferring what must be done. When we must move forward in action the talking is left behind as a hindrance to where we have to go. All that is left is the inexorability of the imperative within which we find ourselves. Even the talking draws its luminosity from that imperative, although it runs the risk of deluding itself that it has escaped the imperative at the same time. Theorists have been grappling for some time now with the conundrum of why democracy works so much better in practice than it does in theory. It may well be that we are finally gaining an insight into the priority of life over reflection on it, especially through the recognition of the extent to which democracy is premised on that realization. A person is just what cannot be explained, not even to him- or herself. Infinitely eluding the movement of self-disclosure, a person is an unending movement of self-disclosure. Whatever identity is formulated or reached there is always more for, without the ever-going-beyond what he or she is, the person would scarcely exist. A person is in that sense what cannot actually exist as a fixed quantity. It is thus in the person that the very meaning of existence, of the movement by which it is constituted, is glimpsed. Existence is personal because the personal is existing. “Democracy” is both a term that names this process from the outside and the reality that is constituted by it from within. The ambivalence is pervasive throughout our political language and the failure to grasp the distinction is the source of many of the confusions that afflict us.
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Once we keep the distinction in mind it is striking how many of the fractures that seem to define our democratic societies are resolved, or point the way toward a resolution that has yet to be reached. Most notably in the great crisis thrown up by the expansion of biotechnological control over human beings, it often appears as if our traditional language of individual rights has abandoned us. The right to have a baby of a particular kind seems to be merely an exercise of parental prerogatives over their own reproductive capacities. Yet the prospect of designer babies gives us pause, especially because it collides with the very notion of the absolute worth of each individual. Do the rights of the parents trump the rights of the child? Can any rights be secure if they are variable across generations? The further we proceed the more bewildering the outcome. It is no wonder that many have despaired of the coherence of the language of rights or of its capacity to respond to the novel challenges posed within it. Yet we are not simply in a position to invent a newly authoritative language. It begs credibility to suggest that we simply jettison the only viable moral language that constitutes the world in which we live. The impasse, however, can be resolved if we recognize that it has arisen because of a failure to distinguish between the conceptual and the existential meanings of our prevailing terminology. Rights are indeed prerogatives we can assert so long as we regard them as possessions whose objectivity must be acknowledged by all around us. Ownership of rights is an unfortunate implication of an “ownership society.” The situation is quite different if we shift to the existential mode and recognize that rights own us. We are the possessed, not the possessors. Our rights cannot extend to the design of another human being because our very rights depend on the incapacity of anyone to determine the existence of another. We may be procreative but we are not creative. Our very humanity depends on the preservation of that limit. Once that line is crossed an abyss opens before us, for the other is then no longer a person, an inviolable source of self-disclosure in the universe. We would have destroyed the very principle from which we ourselves embark on the adventure of self-disclosure. The possibility of that misstep is of course always present within the exercise of liberty protected by a regime of rights. An expansionist pressure on the boundaries of liberty is almost a given, for the boundaries receive their definition from that agonistic struggle. The pattern only becomes problematic when it contemplates the abolition of the boundaries as such, that is, when the balancing of rights permits one party to become the holder of the balance in relation to the other. No one can explain why this must not be permitted. We simply know that it cannot, for to be able to explain why would be to claim to have reached a viewpoint higher than the mutual inviolability of persons. Since there is nothing higher in the universe, such an explanation could only take the form of a descent below the level of the personal. The exercise of our liberty always implicates us in relation to the self-understanding of liberty. But when the ap-
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plication includes the very conditions from which liberty itself arises, then the prospect of dehumanization is intrinsic to the action as well as intrinsic to its consequences. The bright line that demarcates the limits of genetic intervention in the life of an other must always be the imperative of the good of the other uncontaminated by any further consideration. The liberty of parents and doctors must thus be wholly subordinated to the liberty of the child. To do anything less would be, not only to rob the child of the independence from subordination to which he or she has a right to expect, it would be to rob the parents as well of the possibility of a relationship with their child that is unconditionally affirmed. Love can only love that which is utterly beyond our sphere of calculation and control, for it is only then that we can meet as equals in the equality of response to one another. To place any other factor ahead of the inviolability of the other is to lose the very possibility of love that loves the other beyond all reasons. Resistance to the nightmare of instrumentalization that threatens to overwhelm our democratic liberties is the great struggle of the day. Resources may at times appear slender but that is only from the perspective of an external assessment. From within, the growth of the liberal democratic soul, as Tocqueville suggested, remains a possibility. To those who wish to bring it about, it is incumbent on them to trust in the principles they espouse to defend. A detached bemoaning of the problems must be exchanged for an inner immersion within them. Then the possibility of a founding opens up, as a gleam of light. But it is not the light we shine on the issues that counts but the light that flashes back toward us. We find ourselves held fast by that which we dare not let go. The language of human rights turns out, as it did for the dissidents of the totalitarian regimes, to have more staying power than anyone had suspected. Not only is there the possibility of holding the line against some of the worst abuses of the biotechnological machine but the very struggle yields an unexpected result. There is now the possibility of reaching a clarification of the language of rights that had hitherto escaped the most astute theorists of the tradition. When the rights of one so totally threaten to envelop the rights of another then we have no recourse but to bring forth the intimations that have led us to insist on the inviolability of the rights of all. It is a result that will have been reached, not by way of a philosophical meditation, but by virtue of the lived necessity within which we find ourselves. Principles will have been clarified by way of a new founding, one that now recognizes the origin of principles within the founding event. It is for this reason that the fragility that impels our efforts can be understood more profoundly, not as sheer fragility, but as the indispensable invitation to go beyond it. Fragility is strength when it prompts the founding in which we discover that we have found again what was never lost.
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Summary The fragility of liberal democracy has been a theme since its inception. All its great political theorists, from Locke onward, have been preoccupied with the question of whether liberal democracy possesses the resources it needs to survive. So far no answer has been forthcoming other than the continued existence of regimes of self-government. This pattern suggests that liberal democracy is not derived from its theoretical foundations, but endures primarily as a mode of existence. Recently the phrase “democracy to come” has been coined by Jacques Derrida to suggest this existential momentum. The consequence is that we can be more sanguine about the outcome of the experiment in liberty, for it possesses resources that have yet to be called forth. Recurrent crises, whether against totalitarianism in the recent past or the biotechnological threat looming in the future, provoke a defense of the inviolable dignity and respect owed toward every human being.
Zusammenfassung Die Zerbrechlichkeit der liberalen Demokratie ist seit jeher ein Thema gewesen. Alle großen politischen Denker, angefangen mit Locke, haben sich mit der Frage beschäftigt, ob die liberale Demokratie über die Ressourcen verfügt, die sie benötigt, um zu überleben. Bis jetzt wurde keine andere Antwort gefunden, als auf den Fortbestand des Systems der Selbstverwaltung zu vertrauen. Dieses Modell lässt den Eindruck entstehen, dass sich die liberale Demokratie nicht von ihren theoretischen Grundlagen herleitet, sonder primär als Lebensform besteht. Neuerdings weist das Wort von der „kommenden Demokratie“, das von Jacques Derrida geprägt wurde, auf dieses existentielle Moment hin. Dies hat zur Folge, dass wir zuversichtlich sein können über den Ausgang dieses Experiments mit der Freiheit, weil die Demokratie über Ressourcen verfügt, die erst noch aktiviert werden müssen. Wiederkehrende Krisen, sei es wie bis vor kurzem angesichts des Totalitarismus, oder im Blick auf die biotechnologische Bedrohung in der Zukunft, fördern eine Verteidigung der unverletzlichen Würde und der Achtung, die wir jedem Menschen schulden.
Congress und Bundestag: Parlamentarische Erosionstendenzen Von Heinrich Oberreuter I. Disaffected Democracies (Demokratieverdrossenheit) Ein früheres Forschungsprojekt1 fortführend, fragten Susan Pharr und Robert Putnam mit ihrem Team führender Sozialwissenschaftler zu Beginn dieses 21. Jahrhunderts2, wieso in erfolgreichen, demokratisch erprobten Nationen Europas, Asiens (Japan) und Amerikas (USA) das öffentliche Vertrauen in politische Führung und Institutionen sich auf einem All-time-Niedrigstand befindet. Im Focus sind die repräsentativen Institutionen. Die Forschung fragt nach ihrer Leistungsfähigkeit, nach den Informationen, die den Bürgern über sie zugänglich sind und nach den Kriterien, die die Bürger ihrer Evaluation zugrunde legen. Gründe der Misere werden nicht zuletzt in der begrenzten Kapazität der politischen Akteure sowie ihrer Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit, im Sinne der Bürger zu handeln, gesehen. Zwischen Vertrauen und Sozialkapital politischer Systeme besteht ein Zusammenhang. Diesem Großprojekt und seinem Ansatz kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Aufgegriffen sei allerdings, dass in den letzten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts das Vertrauen in die Parlamente überwiegend signifikant gefallen ist. In den USA von 52% (frühe 80er) über 45% (frühe 90er) auf 30% (Mitte 90er Jahre). Die Autoren sehen zu Recht im Parlament die Schlüsselinstitution der repräsentativen Demokratie – als Verbindungsglied zwischen Bürgern und Eliten. In Deutschland sind die jüngsten Daten besorgniserregend. Zwischen 1995 und 2005 sank das Vertrauen in den Bundestag von 58% auf 34%, in die Bundesregierung von 53% auf 26%, in die Parteien von 41% auf 17%.3 Dass die Abgeordneten nicht die Interessen der Bürger vertreten, meinten 2005 46% –
1 Michael Crozier/Samuel P. Huntington/Joji Watanuki, The Crisis of Democracy. Report on the Governability of Democracies to the Trilateral Commission, New York 1975. 2 Susan J. Pharr/Robert D. Putnam, Disaffected Democracies. What’s troubling the Trilateral Countries? Princeton 2000. 3 Umfrage von TNS Emnid für Reader’s Digest Deutschland, Pressemitteilung vom 10.08.2005. Vgl. auch Werner Patzelt, Warum verachten die Deutschen ihr Parlament und lieben ihr Verfassungsgericht? In: ZParl 36. Jg. (2005), S. 517–538.
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etwa so viele wie in der noch von alten politisch-kulturellen Erbteilen belasteten Gründerphase der Republik. Noch nie zuvor glaubten so wenige Bürger, es bedürfe großer Fähigkeiten, ein Abgeordnetenmandat auszufüllen: 1996: 25%; 1972: 63%; 1953: 49%.4 Dabei haben diese Bürger über die Jahrzehnte durchaus einen leistungsfähigen und verantwortungsbewussten Parlamentarismus erlebt, der nicht nur Wiederaufbau und Wiedervereinigung Deutschlands, sondern auch gesellschaftliche und ökonomische Modernisierungsprozesse erfolgreich mitgesteuert hat. Nicht wesentlich anders steht es um die Systemzufriedenheit in den USA. Antipolitischer Missmut und Hass auf die politische Elite „within the beltway“ sind seit längerem tief verwurzelt. Zynismus hat sich breitgemacht. Beklagt und kritisiert werden die Privilegierung mächtiger Interessen und des großen Geldes gegenüber den Bürgern und deren demokratiewidriger Ausschluss von oder zumindest ihre Marginalisierung in der politischen Willensbildung. Bezweifelt wird – zugespitzt – sogar die Repräsentativität des Systems: eine Scheindemokratie? Bei allem Vertrauen auf die prinzipielle und positive Wandlungsfähigkeit der Demokratie erscheint diese sich in der Literatur5 widerspiegelnde Verdrossenheit nicht so einfach und auch nicht kurzfristig korrigierbar. Im Folgenden ist es nötig, sich auf einige subjektiv ausgewählte Aspekte der Erosion parlamentarischer Institutionen in den USA und Deutschland zu beschränken. Eine vollständige Bestandsaufnahme ist in diesem Rahmen nicht möglich – weder in der Sache, noch in den Perspektiven. Es werden mehr Desiderate bleiben als abschließende Einsichten vermittelt werden können, wenn nun zunächst nach den wichtigsten Differenzen der beiden politischen Systeme Deutschlands und der USA und dann nach vordringlichen Tendenzen in jedem einzelnen gefragt wird. II. Zu den Unterschieden der politischen Systeme Der zentrale Unterschied zwischen dem US-amerikanischen „checks and balances“-System und parlamentarischen Regierungssystemen britischer oder 4 Jährlich durchgeführte Repräsentativumfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach. Vgl. Zusammenstellung bei Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, Bd. 3, hrsg. v. Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages, Baden-Baden 1999, S. 3508 ff. 5 Nur eine Auswahl: E. J. Dionne, Why Americans Hate Politics, New York 1992; William Greider, Who Will Tell the People. The Betrayal of American Democracy, New York 1992; Philip M. Stern, Still the Best Congress Money Can Buy, Washington 2 1992; Kathleen H. Jamieson, Dirty Politics. Deception, Distraction and Democracy, New York 1993; Matthew A. Cranson/Benjamin Ginsberg, Downsizing Democracy: How America Sidelined its Citizens and Privatized its Public, Baltimore und London 2002; Mark Green, Selling out. How Big Corporate Money Buys Elections, Rams through Legislation, and Betrays our Democracy, New York 2002.
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deutscher, jedenfalls überwiegend europäischer Prägung liegt in den unterschiedlichen Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive.6 1. Anders als der US-Präsident, der durch einen direkten Wahlakt eigene Legitimation durch den Wähler beanspruchen kann, wird beispielsweise der deutsche Kanzler mittelbar von der Mehrheit im Parlament gewählt. In der Regel ist eine Koalition zwischen zwei oder mehr Parteien dazu erforderlich. Die Kohäsion von Koalitionen erzwingt erhebliche interne Koordinationsprozesse, die weithin informell geschehen, gleichwohl aber geradezu institutionalisiert sind. Parteien und Fraktionen spielen eine bedeutsame Rolle, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern auch der Bundesrat als zweite zunehmend parteipolitisch überwölbte Kammer. Bei unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat gewinnt dieser sogar eine letztlich nicht überwindbare Vetoposition bei Gesetzen, die seiner Zustimmung verfassungsrechtlich zwingend bedürfen. Vor allem aber muss der Kanzler darauf vertrauen können, dass seine Politik von seiner Fraktion bzw. Koalition im Bundestag mitgetragen wird. Politische Führung kann er nicht freihändig ausüben. Seine Führungslinie unterliegt kontinuierlich parlamentarischer Mitbestimmung. Staatsrechtliche Organtrennung der funktionalen Kernbereiche7 bleibt zwar gewährleistet. Politisch ist jedoch von einer regierungsbildenden und regierungsführenden parlamentarischen Mehrheit auszugehen. Insoweit fusionieren – wie schon Walter Bagehot8 erkannt hatte – Parlament und Regierung. Die außerhalb dieser Funktionseinheit stehenden und sie bekämpfenden parlamentarischen Kräfte bilden die Opposition als dauerhafte, kontrollierende Alternativposition – ein „alternative system of conduct“9. Dieses parlamentarische Regierungssystem ist eine Konsequenz der indirekten demokratischen Legitimation der Exekutive. 2. Im – in der Regel präsidentiellen – Gegenmodell stützen sich dagegen beide, Parlament und Regierung, auf direkte und autonome Legitimation durch das Volk. Der demokratische Prozess entwickelt sich auf einem Zweiinstanzenzug. Beide branches of government genießen innerhalb ihres Handlungsfeldes relative Souveränität. Flexibilität ist allerdings an jenen Nahtstellen der Kompetenzverteilung erforderlich, an denen beide zusammenwirken müssen, um Entscheidungen zu ermöglichen und Blockaden zu vermeiden. Parlament und Re6 Vgl. z. B. Emil Hübner/Heinrich Oberreuter, Parlament und Regierung. Ein Vergleich dreier Regierungssysteme, München 1977; Winfried Steffani, Parlamentarische und präsidentielle Demokratie, Opladen 1979; R. Kent Weaver, Are parliamentary systems better? In: Brookings Review 3/4 1985, S. 16–25; Charles O. Jones, The presidency in a separated system, Washington 22005. 7 BVerfGE 9, S. 279 ff. 8 Walter Bagehot, The English Constitution, London 1867. 9 Auch dies eine alte Erkenntnis: Henry St. John Bolingbroke, Letters on the Spirit of Patriotism and the Idea of a Patriot King, 1749 (Oxford 1926, ed. by A. Hassal).
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gierung, Congress und President, scheinen einander konfrontiert und Gewaltenteilung stärker ausgeprägt zu sein. Checks and balances hängen in ihrem Funktionieren jedoch immer mehr von einer informellen Substruktur ab, welche von Kooperation deutlicher geprägt wird als von dogmatischer Trennung. Allerdings bleibt es in der Praxis dem politischen Kräftespiel überlassen, inwieweit Konsens oder Konflikt vorherrscht. Auch in den USA ist selten von der „seperation of powers“ die Rede, sondern mehr von „checks and balances“. Schon Madison hatte erkannt und verteidigt, dass beide Gewalten ineinander greifen10. Die anschaulichste Formel dafür stammt von Richard Neustadt: Es handele sich um „seperated institutions, sharing powers“.11 Gleichwohl führt die je eigene demokratische Legitimation zu einem rechtlich wie politisch prinzipielleren Konkurrenzverhältnis, in dem um Entscheidungen gerungen werden muss. Durch eher osmotische politische Prozesse wie im parlamentarischen System kommen sie nicht zustande. Kein Präsident kann sich auf „seine Mehrheit“ stützen: Zum einen ist es nicht die Regel, dass die gleiche politische Richtung White House und Capitol Hill beherrscht; zum anderen sind Parteien keineswegs relativ geschlossene Handlungseinheiten europäischer Prägung. Sie werden als lose verkoppelte Stratarchien12 beschrieben und sind lokal orientiert, wie ganz besonders auch die Mandatsträger. Das Schicksal präsidialer Vorlagen ist für Repräsentanten und Senatoren weniger bedeutsam als die Zustimmung ihrer Wählerbasis und ihre Wiederwahl. 3. Zusammengefasst: Die amerikanische Verfassung sieht geradezu programmatisch eine Eigenständigkeit von Legislative und Exekutive vor. Das parlamentarische Regierungssystem – England, Deutschland – in welchem Mehrheit und Regierung zur Aktions- und Funktionseinheit verschmelzen, kennt demgegenüber grundsätzlich geschmeidigere Willensbildungsprozesse und klare wie kontinuierlich positionierte Handlungseinheiten. Hingegen ist Aktionsfähigkeit in den USA ein Problem ständig erneuerter, weithin gegenstandsabhängiger Mehrheitsfindung und „Koalitionsbildung“ zwischen Präsident und fragmentierten parlamentarischen Institutionen. Prinzipiell ist im parlamentarischen Regierungssystem die Machtfrage (von krisenhaften Zuspitzungen abgesehen) gelöst. In den USA ist sie rechtlich wie politisch offen geblieben, da die Institutionen konkurrieren. Auf dieses Arrangement blickte schon vor hundertvierzig Jahren Walter Bagehot skeptisch, Stillstand und Blockaden befürchtend. Von daher lässt sich auch die lapidare Aussage von Charles Jones verstehen: „Ours is not a presidential system.“13 10 Alexander Hamilton/James Madison/John Jay, The Federalist (hrsg. v. Jakob E. Cook), Middletown 31989 (1788), S. 327 ff. 11 Richard E. Neustadt, Presidential Power and the Modern Presidents. The Politics of Leadership from Roosevelt to Reagan, New York 31990, S. 29. 12 Samuel J. Eldersveld/Hanes Walton, Political Parties in American Society, Boston 22000.
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Parteibindung14 lässt die Scharniere dieses Systems im Prinzip nur höchst bedingt ineinandergreifen. Dennoch ist die durch sie bestimmte politische Nähe auch in den USA ein bestimmendes Element der Mehrheitsbildung, das in jüngster Zeit zunehmender Ideologisierung und Polarisierung sogar erheblich an Bedeutung gewonnen hat.15 Aber dennoch existieren weder Parteiregierung noch Fraktionenparlamentarismus deutscher Prägung. Entscheidungsrelevante politische Nähe ist aber dann keinesfalls gegeben, wenn Exekutive und Legislative politisch unterschiedlich beherrscht werden – wie vorwiegend in den letzten Jahrzehnten. Divided government gilt vielen Autoren als Ursache für gridlock – ein Synonym für Abschottungstendenzen der Institutionen und Politikstillstand, für Führungs- und Entscheidungsschwäche.16 Die Verfassungsväter definierten die Grenzen zwischen Congress und President fließend. Sie überließen die Beantwortung der Machtfrage dem politischen Kräftefeld und zugleich dem historischen Wandel. Zu gegebener Zeit kann jede der beiden Thesen richtig sein: die von der Übermacht des Präsidenten („imperial presidency“)17 wie die von seiner relativen Durchsetzungsschwäche. Grundsätzlich ist der Präsident genötigt, politikfeldabhängige, meist parteiübergreifende Ad-hoc-Koalitionen zu schmieden und durch „Überzeugungskraft“18 Leadership zu demonstrieren. Er trifft dabei auf Repräsentanten und Senatoren mit eigener institutioneller Identität – so wenigstens die bisher vorherrschende Lehre. 4. Für die historische Tendenz zur grundlegenden Stärkung der Präsidialmacht gab es im 20. Jahrhundert strukturelle Gründe, von denen auch in parlamentarischen Regierungssystemen Regierung und Verwaltung profitierten: Abgesehen von den in ihrer über den jeweiligen Anlass weit hinaus wirkenden verwaltungstechnischen Kriegsnotwendigkeiten, sind dies zum einen der Wandel der Funktionen des Staates, also der Wandel vom liberalen Nachtwächter13
Charles O. Jones (Anm. 4), S. 1. Martin P. Wattenberg, The Decline of American Political Parties 1952–1992, Harvard University Press 1994. Auf Gegentendenzen seither wird weiter unten hingewiesen, sie bleiben jedoch in die politisch-kulturellen Rahmenbedingungen der USA einzuordnen. 15 Samuel C. Patterson, Parteien und Ausschüsse im Kongress, in: Uwe Thaysen/ Roger Davidson/Robert Livingston (Hrsg.), US-Kongress und Deutscher Bundestag. Bestandsaufnahme und Vergleich, Opladen 1988, S. 236–259; Leroy N. Rieselbach, The evolving legislative system, Boulder 21995. 16 James L. Sundquist (Hrsg.), Beyond Gridlock? Prospects of Governance in the Clinton Years – and after, Washington 1993; Morris P. Fiorina, Divided Government, Boston 21996; Gary Cox/Samuel Kernell (Hrsg.), The Politics of Divided Government, Boulder 1991; David Mayhew, Divided We Govern. Party Controll, Law Making and Investigations 1946–1990, New Haven 1991. 17 Arthur M. Schlesinger, The Imperial Presidency, Boston 1973. 18 Richard E. Neustadt (Anm. 11), S. 29 ff. 14
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staat zum „état actif“ (Bertrand de Jouvenel), der zu ungeahnter Vermehrung der Staatsaufgaben, zur wachsenden Bedeutung der Verwaltung und eben auch zum Wachstum des Entscheidungsbedarfs geführt hat; zum zweiten die Internationalisierung der Politik, verbunden mit der Großmachtstellung der USA und ihrem weltweiten Engagement – eine Entwicklung, welche zwangsläufig Regierungsaktivitäten förderte. Das Pendant dazu in Deutschland ist die Europäisierung der Entscheidungsprozesse. Beide Tendenzen haben die parlamentarischen Institutionen herausgefordert. Doch interessanterweise verbinden sich mit beiden auch traditionelle und aktuelle Spannungsfelder der amerikanischen Politik sowie zwischen Präsident und Congress: Wie weit der Staat aktiv gestaltend in die Gesellschaft eingreifen soll, ist die Frage, die schon immer Demokraten und Republikaner scheidet. Und das Problem, wie weit die außen-, militär- und notstandspolitischen Vollmachten des Präsidenten reichen19, bezeichnet ein klassisches Spannungsfeld zwischen den Institutionen. In Deutschland ist die Lage nicht unähnlich. Insofern stehen hinter strukturellen Entwicklungen zugleich auch strukturelle Konfrontationsmuster. Diese sind in den letzten Jahrzehnten objektiv verschärft worden. III. USA: Dominanz des Präsidenten – Rückzug der Legislative Ohne Zweifel tritt in den USA die Sorge um die institutionelle Machtbalance bei Gefahr im Verzuge zurück. Die Bevölkerung erwartet dann vom Präsidenten politische Führung und Schutz des Landes. Die erneuerte präsidale Dominanz ist daher nicht zuletzt auf die Anschläge vom 11. September 2001 und die von ihnen ausgehenden Herausforderungen zurückzuführen. Zugleich vollzogen sich aber auch erstaunliche Veränderungen im Selbstverständnis auf Capitol Hill, die bewährte institutionelle und verfassungspolitische Orientierungen ins Wanken brachten. 1. 9/11, ein Pearl Harbor im eigenen Land, musste den Präsidenten stärken – nicht nur wegen seiner konstitutionellen Prärogativen, sondern auch wegen seiner hervorgehobenen politischen Position. Der Congress kennt Machtzentren, aber keine einzelne Führungs- und nationale Integrationsfigur. Der Terror gab der ohnehin evidenten Absicht der Bush-Administration, den unter Clinton erstarkten Congress zu beschneiden20, zusätzliche, objektiv erscheinende Gründe: 19 Louis Fisher, Constitutional Conflicts Between Congress and the President, Kansas University Press 41997, S. 256–294. 20 Josef Braml, Machtpolitische Stellung des Präsidenten als Schutzpatron in Zeiten nationaler Unsicherheit, in: Hannes Adomeit u. a. (Hrsg.), Zwei Jahre Präsident Bush (= SWP-Studie S 9), Berlin 2003, S. 35–39; zur anderen Konstellation in der ClintonÄra: Jürgen Wilzewski, Triumph der Legislative. Zum Wandel der amerikanischen Sicherheitspolitik, Frankfurt/New York 1999.
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Konzentration der Macht bei der Exekutive. Chief Justice William Rehnquist warnte stets vor der Versuchung des „Commander in Chief“, durch zusätzliche Befugnisse den Verfassungsrahmen zu überdehnen.21 Allerdings nimmt sich die Judikative in derartigen Krisenzeiten selbst zurück, wie auch im „Krieg gegen den Terror“, um als „unpolitische“ Instanz dem Oberbefehlshaber nicht in den Arm zu fallen. Die Dominanz der nationalen Sicherheit beschränkt die Kontrollfunktion des Congress. So konnte z. B. der Patriot Act vom 26.10.2001 mit seinen weitreichenden Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten ohne größere Friktionen das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Auch bei seiner Verlängerung wurden wider Erwarten trotz öffentlichen Widerstands und ungewöhnlicher Enthüllungen von Missbrauch22 exekutive Befugnisse nicht eingeschränkt. Der Congress gab klein bei. Es gelang lediglich, das Folterverbot zu kodifizieren. Dem fügte der Präsident jedoch seine eigene Interpretation hinzu: Dieser McCain-Zusatz sei verfassungsmäßig limitiert durch seine präsidiale Autorität und die Grenzen der richterlichen Gewalt. New York Times und Washington Post kritisierten die Ignorierung des Gesetzgebers, den Anspruch auf unbegrenzte imperiale Macht und unkontrollierten Missbrauch.23 Der War-time-President weist Judikative und Congress eine untergeordnete Rolle zu. Letzterem ist es nicht gelungen, eine Balance zwischen Freiheitsrechten und Sicherheit herzustellen oder effiziente Kontrolle auszuüben. 2. Diese Schwächung gilt nicht nur für nationale Notlagen, in denen dem Präsidenten die Potentiale der contingency power zufallen. Jüngere Untersuchungen ausgewiesener Experten zeigen, dass speziell bezüglich Außenpolitik und nationaler Sicherheit, aber nicht nur auf diesen Politikfeldern, die parlamentarische Kontrolle geradezu zusammengebrochen ist. Senator Byrd hatte am Tag der Abstimmung über die Irak-Resolution gemahnt: „By passing the resolution, we can put a sign on top of this capitol: Gone home, gone finishing, out of business!“24 Ornstein und Mann25 konstatieren, zu Beginn des 21. Jahrhun-
21 William H. Rehnquist, All the Laws but one: Civil Liberties in Wartime, New York/Toronto 1998. 22 Josef Braml, Vom Rechtsstaat zum Sicherheitsstaat? Die Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte durch die Bush-Administration, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 45/2004, S. 6–15. 23 Siehe „The imperial presidency at work“ und „Another cave-in on the Patriot Act“, in: New York Times vom 15.1.2006 bzw. 11.2.2006 sowie „Unchecked abuse“, in: Washington Post vom 11.1.2006. 24 Nach „For many, a resigned endorsment“, in: Washington Post vom 11.10.2002. Vgl. zum ganzen Kontext: Bob Woodward, State of Denial, New York 2006. 25 Norman J. Ornstein/Thomas E. Mann, When Congress Checks Out, in: Foreign Affairs Vol. 85 No. 6 (2006), S. 67–82.
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derts habe der Congress „ausgecheckt“. Zwar habe es nie ein „golden age“ parlamentarischer Kontrolle gegeben. Aber zu allen Zeiten – auch zu Kriegszeiten – und unter allen Konstellationen – auch bei parteipolitischer Identität von Präsident und Mehrheit (united government) – sei die Kontrolle („oversight“) erheblich robuster gewesen als derzeit. In der aktuellen Situation habe der Kongress seine Verantwortung – von der homeland security über Abhörpraktiken, die Irakkriegsführung bis Abu Ghraib – meist ignoriert. Susan Milligan fand heraus, dass das House 1993/94 135, 2003/04 aber gerade noch 37 „Oversight“-Hearings veranstaltete und zur damaligen Zeit 140 Befragungsstunden aufwendete, um zu klären, ob Clinton seine Weihnachtspost zur Akquise von Wahlkampfspenden missbraucht hatte, 2004/05 aber nur 12 Stunden zur Aufklärung von Abu Ghraib. Für die Debatte über den Irak-Krieg interessierten sich in beiden Kammern gerade je 10% ihrer Mitglieder.26 Die Kontrollfunktion war auf die Medien übergegangen. Der Congress setzte weder die power of the purse noch pointed public hearings dazu ein, die Exekutive zur Verantwortung zu ziehen. Diese, „that once viewed congress with at least some trepidation now regard it with contempt.“27 Minister, Militärs und Beamte suchen sich zu entziehen, sind respektlos, schlecht präpariert und neigen dazu, der Sache ihren Ernst zu nehmen. Die Bush-Administration „thinks of congressional oversight as if it were a trip to the dentist, to be undertaken reluctantly and gotten over with as quickly as possible. Most astonishingly, it reserves the right simply to ignore congressional dictates that it has decided intrude too much on executive branch power.“28 Zugleich werden dem Congress wie der Öffentlichkeit, durch präsidiale Erlasse formal abgesichert, zunehmend Informationen keineswegs nur militärischer und sicherheitsrelevanter Art vorenthalten und in wachsendem Umfang Dokumente klassifiziert. Dieser Prozess hatte schon zu Beginn des Jahres 2001 begonnen, also vor 9/11. Er reflektiert also nicht nur die Sondersituation des Kampfes gegen den Terrorismus, sondern die prinzipielle Einschätzung ihrer Prärogativen durch die Bush-Administration und ihre Absicht, effektive Positionsgewinne des Kongresses in den letzten 30 Jahren zurückzudrängen. 3. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Verschiebung der Macht hin zum Präsidenten ist ein Wandel im Verhalten und im Selbstverständnis auf Capitol Hill. Anscheinend sind die eingangs als dem US-System eigen beschriebenen verfassungspolitischen Orientierungen wenigstens vorläufig in den Hintergrund entschwunden zugunsten von „europäisierenden“ Tendenzen. Diesen liegen keinerlei systematische oder theoretische Überlegungen zugrunde wie zuvor hin und wieder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Schon 1946 hatte z. B. 26 27 28
Ebd., S. 71 ff. Ebd., S. 75. Ruth Marcus in Washington Post, zit. n. ebd., S. 76.
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das Committee on Political Parties der American Political Science Association ein mehrheitsgestütztes Cabinet Government empfohlen – eine inadäquate, auch als kurios und naiv bezeichnete Perspektive.29 Daran angelehnt schlug das mit angesehenen Fachleuten besetzte „Committee on the Constitutional Reform“ zum Bicentennial 1976 einen parlamentarisierenden Systemumbau vor30 – ohne erkennbare positive Resonanz. Regieren und Blockieren hängen in den USA nicht vom Modus der Gewaltenteilung ab. Sie sind vielmehr unter allen denkbaren politischen Konstellationen möglich. Der aktuelle nicht zuletzt irakkriegsbedingte Wandel scheint tiefer durch die Oberfläche der Systemkonstruktion hindurch zu dringen. Was die genannten Committees nicht bewirkten, hat offensichtlich neuerdings Terrain im parlamentarischen Selbstverständnis gewonnen. Bereits seit den 1980er Jahren erodiert im Kongress jene ausgeprägte institutionelle Identität,31 die im Grunde seinen Rang als machtbalancierendes Element im Regierungssystem bestimmt. Das System wird nicht dogmatisch umgebaut, seine Funktionsweise aber dadurch transzendiert, dass – unter unified government – die Mehrheit sich als Präsidialpartei fühlt statt als Teil eines independent branch of government. Damit wankt ein Fundament der politischen Kultur. Ernsthafte öffentliche Kontrolle und Kritik verlieren ihre Bedeutung grundsätzlich, wenn eine Mehrheit ihr „eigenes“ Weißes Haus schützt. Unterstützt wurde dieser Vorgang durch Prozesse ideologischer Polarisierung und Parteipolitisierung in den 1990er Jahren, als Wahlen zu nationalen Referenden über den Kongress und seine Politik umgestaltet wurden und ihren Charakter als individuellen Entscheid über Amtsinhaber verloren: die Gingrich-Revolution. Dementsprechend änderte sich auch die Einstellung der Gewählten gegenüber der Institution, in die sie gewählt worden waren. Ihre Orientierung folgte außerinstitutionellen tagespolitischen Kriterien wie z. B. der Verteidigung (oder Durchbrechung) schmaler Mehrheitsverhältnisse. Die republikanische Führung im Kongress scharte sich um den republikanischen Präsidenten. So erklärte 2005 z. B. Tom DeLay, der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, unter der Bedingung von unified government Kontrollhearings für überflüssig. Ideologi29 Dazu George K. Romoser, Politische Opposition zwischen Konsens und Instabilität. Das amerikanische Präsidialsystem, in: Heinrich Oberreuter (Hrsg.), Parlamentarische Opposition. Ein internationaler Vergleich, Hamburg 1975, S. 52–82 (S. 69 f.), der den Bericht des Komitees über politische Parteien der American Political Science Association, Toward a More Responsible Two-party-system, New York 1950 kommentiert. Siehe auch: Evron M. Kirkpatrick, Toward a More Responsible Two-party-system: Political Science, Policy Science or Pseudo-Science? In: American Political Science Review, Vol. 65 (1971), S. 965–990. 30 Donald Robinson (Hrsg.), Reforming American Government. The Bicentennial Papers of the Committee of the Constitutional System, Boulder 1985. 31 Norman Ornstein/Thomas Mann (Anm. 25), S. 79 ff.; John E. Chubb/Paul E. Peterson (Hrsg.), The new direction in American politics, Washington 1985; Patrick Horst, Der neue Republikanische US-Kongress: Polarisiert, zentralisiert und nachgiebig gegenüber den Präsidenten, in: ZParl 36. Jg. (2005), S. 680–699.
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sche Polarisierung und angenäherte Parität der Parteien in beiden Häusern untergraben die Funktionalität der Institution. Die neuen, nach außen und auf die Wahlkreise gerichteten Orientierungen der Mitglieder von House und Senat schwächen zugleich das Interesse an der parlamentarischen Arbeit, „as members rush away from Capitol Hill whenever they can to make fundraising phone calls“32. Plenum und Ausschüsse werden spärlich besucht. Der derzeitige 109. Congress weist die geringste Sitzungsfrequenz seit Menschengedenken auf. Wer wenig tagt, kann auch nicht viel Macht entfalten. Das alles überwölbende Interesse an der Wiederwahl hat den Congress, sein Selbstverständnis, seine Organisation, seine Machtposition und offensichtlich auch seine Gestaltungskompetenz erheblich verändert. Symbolische Politik, Konzentration auf kurzfristige Probleme und Befriedigung von Partikularinteressen sind in den Vordergrund getreten. Dem Niedergang parlamentarischer Präsenzzeiten entspricht, bedingt durch Minderungen in den Beratungsstäben seit Mitte der 1990er Jahre, auch ein Rückgang an Ressourcen, Informationen und Expertise. Genau dies sind aber die Quellen für die ehemals beispielhafte selbständige Machtposition von Capitol Hill gewesen, die auch verfassungspolitisch anders verankerte Parlamente wie den Deutschen Bundestag dazu veranlasst hatten, sich Beratungsstäbe zu schaffen, sich zu spezialisieren und arbeitsteilig zu organisieren, um im Entscheidungsprozess informiert und wettbewerbsfähig mit der Exekutive zu sein. Nicht zuletzt die Befristung der Ausschussvorsitze – statt der früheren seniority rule – hat den Wert von Committee-leadership in beiden Kammern reduziert und mit ihr auch deren Beratungsqualität. Arbeitsstil und Effizienz sind nicht mehr dieselben. Es fehlen nicht nur Anreize, sich mit vorausliegenden Zukunftsproblemen zu befassen. Auch die aktuelle Kompetenz erlitt nicht zu unterschätzende Bedeutungsverluste.33 4. Gefordert wird in den USA, gemäß den verfassungspolitischen Fundamenten, eine Reinstitutionalisierung in beiden Häusern. Sie ist vor allem eine Herausforderung an das Selbstverständnis der Mandatsträger und damit der Personalrekrutierung. Umso schwieriger erscheint es, den eingetretenen Wandel zu revozieren. Man sollte ihn auch nicht oberflächlich interpretieren – etwa als eine Art Dearistokratisierung oder (wegen der Hinwendung zu Öffentlichkeit und Wahlkreisen) Demokratisierung von Capitol Hill. Denn Demokratie und Machtbalance in den USA beruhen auf der Funktionalität und Autonomie beider Institutionen. Diese sind nicht nur geographisch an den Endpunkten der Pennsylvania Avenue positioniert. Für eine Parteipolitisierung und die damit unweigerliche Rücknahme institutioneller Selbstständigkeit nach dem Muster des parlamentarischen Regierungssystems fehlen in den USA sowohl der poli32
Ornstein/Mann, S. 80, dort auch das Zitat von Tom DeLay. Sarah A. Binder, Can Congress legislate for the future? John Brademas Center for the Study of Congress Research Brief Number 3, December 2006. 33
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tisch-kulturelle Unterbau als auch die institutionellen und quasi-institutionellen Arrangements. Darüber hatten die Committees 1946 und 1976 nachgedacht. Solche Arrangements entstehen nicht von selbst. Andererseits ist der praktische Wandel derart fortgeschritten, dass eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse zwar einen aggressiven Konfrontations- und Kontrollstil zwischen den beiden branches of government revitalisieren würde. Ob aber Ernsthaftigkeit und Kompetenz in der Sache zunähmen, ist nach den Erfahrungen seit dem Republikanischen Congress unter Clinton fraglich.34 Die Herausforderung ist grundsätzlicher Art: „to mend the broken legislative branch and restore a healthy balance to U.S. democracy“.35 Dazu bedarf es offensichtlich einer Unterstützung institutionell orientierter Mandatsträger durch die Öffentlichkeit und die Medien. IV. Der Bundestag: Marginalisierung im Entscheidungsprozess? Nach einer erfolgreichen Phase verantwortungsvoller Parteiendemokratie und stabiler Regierungen werden auch in Deutschland seit über einem Jahrzehnt Fragen nach dem Bundestag als Zentrum politischer Willensbildung und Entscheidungsfindung gestellt. Im Kontext der unterschiedlichen Systemstrukturen beziehen sie sich auf den gesamten Bereich der Politik und ihrer Prozeduren (policies and politics). Sie nehmen ihren Ausgangspunkt bei den eingangs angesprochenen Tendenzen sozialstaatlicher Entwicklung. Dieser Leistungsstaat stärkt die Exekutive. Gemäß der Themenstellung bleibt die Föderalismusproblematik im Folgenden ausgeklammert. Der Blick richtet sich auf Eigenheiten der parlamentarischen Parteiregierung, des Fraktionenparlamentarismus, der supranationalen Einbindung und der Mediendemokratie. In einer knappen These zusammengefasst: Es besteht die Tendenz zur Auswanderung der realen Entscheidung aus dem engeren institutionellen Raum oder sogar aus dem nationalstaatlichen Kontext, der allein wirksamer parlamentarischer Kontrolle unterliegt.36 Von daher wächst die Skepsis, ob der Bundestag noch das Zentrum der Entscheidungsfindung ist.37 1. Im nationalstaatlichen Rahmen fördern Parteiendemokratie und die spezifische Form der Koalitionsregierung das Wachstum und die Komplexität infor-
34 Dazu Haynes Johnson/David Broder, The System. The American Way of Politics at the Breaking Point, Boston u. a. 1996. 35 Ornstein/Mann, S. 81. 36 Dazu u. a. Ralf Dahrendorf, Traurige Parlamente, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. September 1999, S. 8; Jean-Marie Guéhenno, Das Ende der Demokratie, München 1994. 37 Klaus von Beyme, The Bundestag – Still the Centre of Decision-Making? In: Ludger Helms (Hrsg.), Institutions and Institutional Change in the Federal Republic of Germany, Houndmills u. a. 2000, S. 32–47.
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maler Strukturen und Prozesse.38 Durch Koalitionsregierungen ergibt sich ein dichtes Geflecht von Koordinations- und Kommunikationsgremien zwischen den Partnern auf den verschiedensten Ebenen, von denen die Treffen der Spitzenpolitiker nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Alle Mehrheiten haben lernen müssen, dass ohne solche Strukturen Kommunikations- und Koordinationskanäle austrocknen und Regierungsfähigkeit gefährdet wird. Ein zweiter Grund für solch informale Verfahrensweisen liegt aber in der zunehmenden Komplexität der gesetzgeberisch zu regelnden Materien. Um dieser gewachsenen Komplexität des Problemlösungsanspruchs gerecht werden zu können und die Funktionsfähigkeit des Gesamtorgans Bundestag zu gewährleisten, haben sich korrespondierende, komplexe Verfahrenstechniken herausgebildet. Erhebliche Kritik zieht die Einschaltung außerparlamentarischer Expertengremien in Entscheidungsprozesse nach sich, insofern solche Kommissionen dazu geeignet scheinen, Parlament und Regierung von politisch und gesellschaftlich umstrittenen, unbequemen Materien zu entlasten. Ethikkommissionen begleiten die politischen Akteure z. B. nicht nur mit ihrem Rat. Sie präformieren weithin die Problemlösung. Praktisch werden sie an die Stelle der legitimen Entscheidungsträger gesetzt.39 Diese Entwicklungen fordern die Transparenz und die klaren Verantwortlichkeiten parlamentarischer Verfahrensweisen heraus. Speziell die politischen Koordinationsnotwendigkeiten von Koalitionsregierungen im Rahmen einer verfestigten Parteiendemokratie werden nicht an sich, aber doch wegen der zunehmenden Reichweite der von ihnen ausgehenden Berücksichtigungszwänge als Eingriff in wichtige parlamentarische Prinzipien interpretiert: „Wenn diese Absprachen ihrer Intention und Ausführung nach allerdings so weit gehen, dass den Parlamenten, genauer den Abgeordneten und Fraktionen, kein eigener Entscheidungsspielraum mehr verbleibt, wenn jede selbständige Regung, die im parlamentarischen Prozess aufkommt, nicht mehr dort ausgetragen, sondern in Koalitionsausschüssen – Elefantenrunden – verhandelt wird, wenn die dort ausgehandelten Kompromisse hernach den Abgeordneten im Parlament nur zur Absegnung zurückgegeben werden, unter der kaum verhohlenen Drohung, bei Nichtbefolgung würden Regierungskrise und Parlamentsauflösung die Folge sein, so erwächst daraus eine nicht mehr zu übersehende Beeinträchtigung der Repräsentativität des demokratischen Prozesses. Denn die politische Willensbil38 Vgl. Manfred Schwarzmeier, Parlamentarische Mitsteuerung. Strukturen und Prozesse informalen Einflusses im Deutschen Bundestag, Wiesbaden 2001; Martin Morlok, Informalisierung und Entparlamentarisierung politischer Entscheidungen als Gefährdung der Verfassung? In: VVDStRL 62. Jg (2003), S. 37–84; Wolfgang Rudzio, Informelles Regieren, Wiesbaden 2005. 39 Siehe Klaus Stüve, Informales Regieren. Die Kanzlerschaften Gerhard Schröders und Helmut Kohls im Vergleich, sowie Sven T. Siefken, Regierten die Kommissionen? Eine Bilanz der rot-grünen Bundesregierungen, beide in: ZParl 37. Jg. (2006), S. 544– 559 bzw. S. 559–581.
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dung wird auf diese Weise ein weiteres Stück weit der Öffentlichkeit entzogen, die notwendige Fraktionsdisziplin entartet immer stärker zum Fraktionszwang, das Parlament wird seiner Funktion, die von ihm und der ihm verantwortlichen Regierung verfolgte Politik dem Volke zu vermitteln, immer weniger gerecht, sein Ansehen schwindet.“40 2. Ähnlich kritisch wird von Seiten des Staatsrechts die Tendenz zum verhandelnden und zum paktierenden Staat gesehen: ein neuer Typus staatlicher Aufgabenwahrnehmung, der teils neben die verfassungsrechtlich vorgesehenen Typen, teils an deren Stelle tritt. Dieses Verhandlungssystem erstreckt sich mittlerweile auf fast alle Materien, auch auf die Gesetzgebung. Absprachen zwischen Staat und Privaten erzielen dadurch praktisch gleiche Verbindlichkeit wie die Gesetze. Im Unterschied zu diesen „gehen sie aber nicht aus allgemeiner Diskussion und Partizipation hervor. Verhandlungsteilnehmer sind keineswegs alle Betroffenen, denen sich der Staat als eine Art Moderator zur Verfügung stellte, sondern diejenigen gesellschaftlichen Kräfte, die die staatlichen Pläne durchkreuzen können und auf deren Folgebereitschaft er daher zur Erreichung seiner Ziele angewiesen ist. Verhandlungssysteme prämieren also diejenigen Interessen, die ohnehin mächtig sind. Sie schaffen eine neue Privilegienstruktur“41. Die an den Verhandlungen Beteiligten erwarten, dass die Ergebnisse gelten, ohne Rücksicht auf die jeweils noch zu durchlaufenden internen Verfahren, wobei sie diese Verfahren eher als Störquelle empfinden. Entwertet werden dadurch Verfassungsprinzipien, Entscheidungsorgane und Entscheidungsverfahren – speziell die parlamentarischen. Auch hier kann das Parlament, in ähnlicher Weise wie bei Koalitionsabsprachen und Vorabentscheidungen von Kommissionen, keine Veränderungen mehr vornehmen. Es gerät in eine Ratifikationssituation. Erneut bleiben Transparenz, Verantwortlichkeit und Partizipation auf der Strecke. 3. Noch erheblich komplexer und effizienzorientierter sind die Entscheidungsverfahren auf europäischer Ebene, die kraft ihrer Verbindlichkeit auf den nationalstaatlichen Raum zurückwirken. Auch dort sind Verhandlungssysteme speziell zwischen der Brüsseler Kommission und organisierten Interessen entstanden, auf welche die bereits erwähnten kritischen Einwände in gleicher Weise zutreffen.42 Die demokratische Legitimierung europäischer Verbindlichkeiten hat sich längst zu einem Kardinalproblem ausgewachsen. 40 Hans Hugo Klein, Das Konkurrenzverhältnis der parlamentarischen Ebenen nach Verfassungsreform und Maastricht, in: Parlamentarische Konkurrenz? Landtag – Bundestag – Europaparlament (= Bayerischer Landtag, Beiträge zum Landesparlamentarismus 9/2) München 1996, S. 41. 41 Dieter Grimm, Das Grundgesetz nach 50 Jahren – Versuch einer staatsrechtlichen Würdigung, in: Bundesministerium des Innern unter Mitarbeit von Otto Depenheuer und Heinrich Oberreuter (Hrsg.), Bewährung und Herausforderung. Die Verfassung vor der Zukunft, Opladen 1999, S. 57. 42 Beate Kohler-Koch, Regieren in der Europäischen Union. Auf der Suche nach demokratischer Legitimität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 6/2000, S. 30–38.
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Wo liegen die Kompetenz- und Funktionsverluste des Bundestages durch den ja gewollten, im Grundgesetz von Beginn an intendierten europäischen Integrationsprozess? Natürlich ist das Parlament zunächst Herr des Verfahrens, weil es durch seine Zustimmungskompetenz gegenüber den völkerrechtlichen Verträgen über den Umfang seiner Kompetenzeinschränkung selbst befindet. Allerdings wird durch die in den Verträgen angelegte Selbstläufigkeit von Kompetenzerweiterungen und -ergreifungen durch die EU sogar diese Übertragungskompetenz substantiell ausgehöhlt. Das Ergebnis ist eine Europäisierung nationaler Institutionen und Entscheidungsprozesse43, die zunehmend Legitimitätszweifel begründet. Verordnungen mit unmittelbarer Wirkung, die nicht mehr in nationales Recht umgewandelt werden müssen, schränken die Gesetzgebungsfunktion des Bundestages direkt ein. Bei Richtlinien gäbe es einen gewissen Gestaltungsspielraum. Faktisch zeichnen sie sich aber „immer häufiger durch eine detaillierte Regelungsdichte aus, so daß der Spielraum für die Umsetzung erheblich reduziert wird“44: eine mittelbare Funktionseinschränkung durch inhaltliche Vorgaben. Berücksichtigt man nur die nachvollziehbaren Fälle, so ist allein zwischen der 10. und 12. Wahlperiode des Bundestages die Zahl der durch europäische Impulse beeinflussten Gesetze um 63% gestiegen.45 Dabei sind informale Vorgänge noch gar nicht erfasst, wenn zum Beispiel nationale Gesetze in Kenntnis laufender europäischer Konsultationen von vornherein so gestaltet werden, dass sie der zu erwartenden europäischen Richtlinie entsprechen.46 Nach kompetenten Einschätzungen des Bundesverfassungsgerichts waren schon Ende der 1980er Jahre nahezu 80% aller Regelungen im Bereich des Wirtschaftsrechts durch das Gemeinschaftsrecht festgelegt und nahezu 50% aller deutschen Gesetze durch das Gemeinschaftsrecht veranlasst.47 Mitakteur auf europäischer Ebene ist natürlich die Bundesregierung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Maastricht-Urteil angemahnt, dass auch dem Bundestag Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht erhalten bleiben müssten.48 Die Frage ist allerdings, wie der Bundestag diesem An43 Roland Sturm/Heinrich Pehle, Das neue deutsche Regierungssystem, Wiesbaden 2006. 44 Annette Elisabeth Töller, Europapolitik im Bundestag. Eine empirische Untersuchung zur europapolitischen Willensbildung im EG-Ausschuss des 12. Deutschen Bundestages, Frankfurt am Main 1995, S. 45. 45 Ebd., S. 46. In der 14. Wahlperiode (1998–2002) betrug die Zahl der EU-Vorlagen insgesamt 3137. 46 Vgl. bis 1990 die Zusammenstellung bei Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999. Bd. 2, S. 2386; für die Zeit bis 2002 beziffert Michael F. Feldkamp unter Mitarbeit von Birgit Ströbel, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1994–2003, hrsg. vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages, Baden-Baden 2005, S. 601 f. solche Vorgänge auf 35,3% der innenpolitischen Gesetzgebungsakte. 47 Vgl. BVerfGE 89, S. 155, hier S. 173. 48 Vgl. BVerfGE 89, S. 155, hier S. 186.
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spruch gerecht werden kann, wie er die Bundesregierung einzubinden und zu kontrollieren und wie er auf europäischer Ebene mit zu gestalten vermag. Die Bundesregierung handelt lediglich im Rahmen ihrer generellen parlamentarischen Verantwortlichkeit, kann sich also relativ leicht über die vom Parlament geäußerten Vorstellungen hinwegsetzen. Sie steht dabei allerdings unter den Sanktionsmöglichkeiten der Prinzipien parlamentarischer Parteiregierung, also der Mehrheit. Dass aber wegen „Europa“ Koalitionen zerbrechen oder innerfraktionelle Solidarität erodiert, erscheint eher unwahrscheinlich. Damit ist letztendlich der europäische Integrationsprozess ebenso exekutivisch geprägt wie der innerstaatliche Föderalismus. 4. Abschließend bleibt noch auf die kommunikative Beeinträchtigung der Parlamentskompetenz aufmerksam zu machen – in Deutschland nicht anders als in den USA.49 Anders als in den frühbürgerlichen Zeiten besteht der unmittelbare Kommunikationszusammenhang zwischen Parlament und Öffentlichkeit nicht mehr. Parlamentarische Kommunikationsangebote verfangen sich oft im Netz journalistischer Selektions- und Interpretationsmuster und erreichen ihre Adressaten nicht. Was aber nicht in den Medien ist, wird nicht Teil der Alltagswirklichkeit des Publikums. Insoweit ist auch über die Repräsentationsfunktion des modernen Parlamentarismus nachzudenken. Die Auswahlkriterien der Medien gehorchen deren eigener Logik, nicht der Logik politischer Bedeutsamkeit. Aber gerade wo es um Gesetzgebung und Legitimation geht, lässt sich Entscheidungspolitik nicht durch Darstellungspolitik überwölben. Die Logik des Politischen kann nicht gänzlich annulliert werden. Solche Mediatisierungsresistenz entwickelt nicht zuletzt der Parlamentarismus als Institution. Denn der weitaus größte Teil seiner substantiellen Verhandlungs-, Kompromissbildungs- und Entscheidungsprozesse entzieht sich der fernsehgerechten Visualisierung. Er eignet sich auch nicht zur Inszenierung. Einstweilen verteidigen Parlamente überkommene Verhandlungs-, Informationserhebungs- und Diskussionsrituale, die der Rationalität des Fernsehdiskurses durchaus widerstreiten – vielleicht auch nur, weil sie aus Rechts- oder Sachgründen keine andere Wahl haben. Schließlich unterliegen sie formalen, rechtlichen und geschäftsordnungstechnischen Bindungen. Adäquate Problemlösungen bedürfen rationaler Verfahren. Für die Verteidigung der Rituale und Prozeduren wird aber ein hoher Preis bezahlt: In einem an sich demokratischer Legitimation dienenden Kommunika-
49 Die Literatur dazu ist Legion. Aus den USA sind zu nennen: Murray Edelmann, Roderick P. Hart, Kathleen H. Jamieson, Samuel Kernell, Thomas Patterson, Neil Postman, Jeffrey Tulis, Hedrick Smith, Joshua Meyrowitz. Für Deutschland mit entsprechenden Literaturhinweisen: Heinrich Oberreuter, Parlamentarismus in der Talkshow-Gesellschaft, in: ZParl 36. Jg. (2005), S. 508–516.
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tionsprozess verfestigen sich Fehlvorstellungen über Institutionen, ihre Leistungsfähigkeit und Problemlösungskapazität, weil in der Mediengesellschaft nicht präsent ist, was nicht vermittelt wird. Das Parlament mag im Binnenbetrieb noch so sehr seine Rationalität als Institution verteidigen, in der politischen Kommunikation wird es trotzdem in den Strudel der Medieninszenierung und der symbolischen Politik hineingerissen. Selbst wenn – was immer schwieriger wird – Leistungsentfaltung gelingt, bewahrt sie nicht vor Kritik und Vorurteilen. V. Fazit Offen bleibt allerdings, wie sehr der Bundestag wirklich substantiell seine parlamentarische Rationalität verteidigt, wenn gleichzeitig nicht anders als in den USA der Hang zu symbolischer Politik zunimmt. Bei allen Unterschieden der Systeme lassen sich durchaus ähnliche Entwicklungstendenzen feststellen, wenn sie auch in den differierenden Kontexten ungleiche Tiefen und Reichweiten besitzen mögen. So wirkt die Deinstitutionalisierung des parlamentarischen Selbstverständnisses im US-System wegen der unterschiedlichen verfassungspolitischen Ausgangslage sicher dramatischer als in Deutschland. Aber auch dort werden Eigenständigkeiten der Fraktionen und einzelner Abgeordneter zunehmend von Koalitionszwängen begrenzt. Dramatischer als im Bundestag, der unter der elementaren Bedingung der Parteiendemokratie seine Funktionen entfaltet, erscheint auch die neue, über alle gewohnten Maße hinausgehende Ideologisierung auf dem Capitol und die sie begleitende zunehmende Parteilichkeit. Moderner Staat, Internationalisierung, Europäisierung, Krisen und Kriege stärken hier wie dort – wenn auch erneut in unterschiedlichem Ausmaß – die Exekutive. Die Entscheidungsprozesse leiden unter Intransparenz und – in Deutschland mehr noch als in den USA – mangelhafter Zurechenbarkeit der Verantwortlichkeit. Schließlich nimmt auch beiderseits des Atlantik die Orientierung an kurzfristigen Interessen und ökonomischen Erwartungen statt an langfristigen Zukunftsperspektiven zu. Dafür wächst die Orientierung an der Wahlkreispflege auf Kosten parlamentarischer Arbeit und Präsenz. Letztere verlieren Attraktivität, weil das vordringliche Interesse an der Wiederwahl Spezialisierung, Expertise und Informiertheit im arbeitsteiligen parlamentarischen Beratungs- und Entscheidungsverfahren zurückdrängt. Sich am überregionalen Gemeinwohl, an den generellen Aufgaben des nationalen Parlaments zu engagieren, bietet den Abgeordneten leider keine ausschlaggebenden Anreize. Ihre Wähler wollen „Wahlkreislöwen“. Position und Konkurrenzfähigkeit im Machtspiel mit der Exekutive in seinen in beiden Systemen unterschiedlichen Ausprägungen sind davon negativ betroffen. In beiden Systemen existieren Privilegierungen gut organisierter Interessen, herrschen Zweifel an der Repräsentativität des Entscheidungs-
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prozesses, wächst die Distanz zu den Bürgern und schwindet das Vertrauen in Institutionen und Mandatsträger. Zusammenfassung Neuere Forschungsergebnisse zeigen einen besorgniserregenden Vertrauensverlust in politische Institutionen und politische Führung. Das betrifft auch die Parlamente in Deutschland und den USA. In einem ersten Schritt werden wesentliche Unterschiede der politischen Systeme in beiden Ländern aufgezeigt und danach die Erosionstendenzen parlamentarischer Entscheidungs-, Gestaltungs- und Steuerungsmacht untersucht. Beim US-Congress ist ein Nachlassen der institutionellen Identität festzustellen, was die schleichende Machtverschiebung hin zum Präsidenten begünstigt. Der Deutsche Bundestag droht durch informelle Prozesse, wandelnde Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft, die Europäisierung der Politik und nicht zuletzt die Eigenlogik der Medien zunehmend an Einfluss zu verlieren.
Summary Recent research shows an alarming loss of trust in political institutions and political leadership, a loss of trust that extends to the parliaments of both Germany and the United States. This article addresses first the crucial differences between the political systems of both countries. The consequences of this erosion of trust can be seen on both sides of the Atlantic in decisions that have shaped public policy and governance. The U.S. Congress shows a loss of institutional identity, favoring the drift toward an imperial presidency, away from the system of checks and balances. The German Bundestag is challenged by informal processes, changing relations between state and society, the Europeanization of politics, and the inherent laws of the mass-media.
Die westlichen Demokratien und die Herausforderung des Terrorismus Von Stefan Mückl I. Begriff des Terrorismus und des Terroristen Um die Qualität der Herausforderung zu ermessen, welche der internationale Terrorismus für die westlichen Demokratien darstellt, bedarf es an erster Stelle der Vergewisserung über die Begrifflichkeiten: Was charakterisiert den Terrorismus, wer ist ein Terrorist 1 ? Eine erste Annäherung kann an den Erscheinungsformen des Phänomens ansetzen. Erst auf dieser Grundlage erscheint der Versuch einer auch juridischen Erfassung sinnvoll. Denn der „Terrorismus“ ist auf der einen Seite eine in der politischen Geschichte der Neuzeit wiederholt aufgetretene Herausforderung, gerade auch für den Staat. Auf der anderen Seite handelt es sich nicht selten um einen standpunktabhängigen Kampfbegriff, was der eine als „Terrorismus“ brandmarkt, verherrlicht der andere als „Freiheitskampf“. Betrachtet man nun die Erscheinungsformen des Terrorismus, so lassen sich – in Abgrenzung zu ähnlichen, aber eben doch zu unterscheidenden Phänomen – diese Linien ausmachen: – Der Terrorismus wird von „idealistischen“ und „unbestechlichen“ Überzeugungstätern getragen, – deren primäres Ziel die Erzielung von Angst und Schrecken ist (wohingegen das Endziel, sofern – noch – vorhanden, sich als überaus diffus darstellt), – und deren Handlungen sich in Gewaltakten erschöpfen, die potentiell jedermann zu jeder Zeit und an jedem Ort treffen können. Deshalb ist der Terrorismus, der sich in diesem Punkt entscheidend vom Partisanentum2 abhebt, objektiv irrational und darum sinnlos. 1 Dazu Stefan Diebitz, Versuch über den Begriff des Terrors, ARSP (= Archiv für Rechts- und Staatsphilosophie) 91 (2005), S. 558 ff.; Christian Tomuschat, Internationale Terrorismusbekämpfung als Herausforderung für das Völkerrecht, DÖV (= Die Öffentliche Verwaltung) 2006, S. 357 (360 f.). 2 Klassisch Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1932 (7. Aufl. 2002); ders., Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, 1963; im aktuellen Kontext William E. Scheruman, Carl Schmitt and the Road to Abu Ghraib, Constellations Volume 13 (2006), S. 108 ff.
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– Der Terrorist hat einen vollständigen und radikalen Bruch mit der Gesellschaft, der er entstammt, und seiner (zumeist: geordneten) Rolle, die er in ihr innehatte, vollzogen. Gleichwohl lebt er weiter inmitten der Gesellschaft, freilich um sie zu bekämpfen und zu vernichten. Diese Erscheinungsformen lassen sich bei diversen Bewegungen des Terrorismus der Neuzeit ausmachen – unabhängig von ihren gewiss unterschiedlichen (anfänglichen) Triebfedern: Verwiesen sei auf politisch-emanzipatorische Bewegungen wie den russischen Terrorismus des 19. Jahrhunderts, politisch-religiösnational orientierte Gruppierungen wie die irische IRA, die baskische ETA und diverse palästinensische Organisationen oder speziell in Deutschland die sich politisch-sozialrevolutionär gerierende „RAF“ ab den 1970er Jahren. Als aktuelle Herausforderung steht nunmehr der internationale, islamistisch motivierte Terrorismus, vor allem in Gestalt des „internationalen Terror-Netzwerks Al-Qaida“, im Focus. Auch wenn es schon früher „Internationalisierungs“-Tendenzen im Terrorismus gegeben hat (etwa bei der Kooperation von „RAF“ und palästinensischen Gruppierungen), übersteigt der internationale Terrorismus die bisherigen Erfahrungen in vielfacher Hinsicht: Jenes Netzwerk hat sich seit dem „Fanal“ des 11. September 2001 als in der Lage erwiesen, an beliebigem Ort zu beliebiger Zeit mit gezielt auf die Zivilbevölkerung gerichteten Angriffen Angst und Schrecken zu verbreiten, wie am 11. März 2004 in Madrid oder am 7. Juli 2005 in London. Die Anschläge vom 11. September haben die einschlägigen Mechanismen internationaler Organisationen nach sich gezogen, der UN-Sicherheitsrat erblickte in ihnen eine Bedrohung des Weltfriedens3, die NATO stellte (zum ersten Mal in ihrer Geschichte) den Bündnisfall fest. Der Präsident der Vereinigten Staaten erklärte den „Krieg gegen den Terror“, der – nach verschiedenen Äußerungen hochrangiger Politiker und Militärs – durchaus Jahrzehnte dauern könnte. Die genannten Erscheinungsformen des (zeitgenössischen) Terrorismus spiegeln sich allerdings nicht durchweg in den rechtlichen Definitionsbemühungen, zumal auf internationaler Ebene, wider. In Anbetracht der unterschiedlichen Auffassungen über den sog. Staatsterrorismus ist dies auch nicht unverständlich. Als eine der neuesten Formeln unter verschiedenen UN-Resolutionen und -Übereinkommen hält der Bericht der „16 Weisen“ zur Reform der Vereinten Nationen vom 2. Dezember 2004 folgende Umschreibung fest: „Any action that is intended to cause death or serious bodily harm to civilians or non-combatants, when the purpose of such act, by its nature or context, is to intimidate a population, or to compel a Government or an international organization to do or to abstain from doing any act.“4 3 Siehe die UN-Dokumente S/RES/1368 (2001) v. 12. September 2001; S/RES/ 1373 (2001) v. 28. September 2001 und S/RES/1378 (2001) v. 14. November 2001. 4 United Nations, General Assembly, UN-Dok. A/59/565 v. 2. Dezember 2004, Tz. 164.
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Terrorismus zeichnet sich demnach dadurch aus, dass – die Zivilbevölkerung angegriffen und in ihren fundamentalen Rechtspositionen Leib und Leben gefährdet oder verletzt wird; – die Zielsetzung dieser Aktionen in der Einschüchterung der Bevölkerung sowie der (versuchten) Nötigung von Staaten und internationalen Organisationen besteht, – wobei die letztgenannte „politische“ Motivation keine Entlastung bewirkt – die Aktionen werden geächtet und unterliegen internationaler Strafverfolgung. II. Der (moderne, westliche Verfassungs-)Staat als Schutz- und Friedensverband Der moderne Staat ist aus den Wirren der konfessionellen Bürgerkriege des 16. und 17. Jahrhunderts hervorgegangen. In ihm ist als erstes die vorgängige Vorstellung, die (wie immer begründete und geartete) Wahrheit mit den Mitteln des physischen Zwangs durchsetzen zu können, zerbrochen. Der freiheitliche Verfassungsstaat brachte als zusätzlichen Entwicklungssprung die Erkenntnis, dass dem Staat keine umfassende Macht zukommt. Als „sektoraler Staat“5 ist er auf die Wahrnehmung weltlicher Angelegenheiten und Zwecke beschränkt, und auch deren Regelung bedarf zur Vermeidung eines Missbrauchs der Macht der Verteilung auf unterschiedliche Gewalten. Die Legitimation des Staates war bekanntlich das zentrale Thema der Staatstheoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts. Als die großen Linien sind an dieser Stelle nur in Erinnerung zu rufen: Der Staat monopolisiert die Ausübung physischen Zwangs bei sich selbst. Vom Sonderfall der Notwehr und Selbsthilfe Privater abgesehen, kommt ihm allein das Gewaltmonopol zu. Damit ist Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele vorbehaltlos ausgeschlossen, allein dem Staat steht es zur Realisierung des Rechts – als den gleichsam „geronnenen“ politischen Zielen aufgrund der formalisierten Vorgaben der Staats- und Verfassungsordnung – zu Gebote. Daraus resultiert eine Wesensnatur des modernen Staates: Er verbürgt allen seinen Rechtsunterworfenen Schutz und Frieden. Ex negativo darf niemand, aus welchen Gründen auch immer (mögen sie sittlich, moralisch oder auch religiös noch so hochstehend sein), Gewalt anwenden. Ex positivo steht jedermann der Schutz des Staates zu, wenn ein anderer Rechtsunterworfener das Gewaltverbot missachtet und in
5 Terminus: Josef Isensee, Staat und Verfassung, in: ders./Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 3. Aufl. 2004, § 15 Rn. 75 ff.
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seine Rechtssphäre einzudringen droht. Kurz formuliert: Der Staat fordert und gewährt den Frieden. Der nach dieser Konzeption omnipotente Staat wird bekanntlich durch den freiheitlichen Verfassungsstaat „gezähmt“. Die bei ihm konzentrierte und monopolisierte Gewalt wird so organisiert, dass der Rechtsunterworfene nicht bloßer Untertan bleibt, sondern als Person und Bürger seine der Organisation „Staat“ voraus liegenden Rechte auszuüben in der Lage ist. Das Medium jener Zähmung ist die Verfassung, ihre herausragenden Mittel die Grundsatzentscheidungen für die Gewaltenteilung, die Grundrechte und die Demokratie. Vor dieser Folie entfaltet sich sogleich die doppelte Aufgabe des modernen demokratischen Verfassungsstaates: Er hat gleichzeitig die beiden – tendenziell gegenläufigen – Staatszwecke zu verfolgen, Sicherheit herzustellen und Freiheit zu gewähren. Und eben diese ausbalancierte Zuordnung wird durch den internationalen Terrorismus vor Herausforderungen gestellt, die wesentliche Rückwirkungen auf Demokratie und Verfassungsstaat haben können. III. Die fundamentale Herausforderung durch den (internationalen) Terrorismus Jede Erscheinungsform des Terrorismus, vor allem aber in seiner neuen Spielart des international agierenden Islamismus, stellt den freiheitlichen Verfassungsstaat nicht nur vor eine Herausforderung6, sondern mehr noch vor ein Dilemma. Dieses hat seine wesentliche Ursache darin, dass die Auseinandersetzung strukturell asymmetrisch7 verläuft: Der Terrorismus agiert anonym und verdeckt, der Staat hingegen handelt öffentlich und offen. Der Terrorismus sieht sich in der Anwendung seiner Mittel keinen Beschränkungen unterworfen, im Unterschied zum Staat, dessen Instrumentarium ihm durch Verfassung, Gesetz und Recht vorgegeben ist. Vor den beiden Staatszwecken „Sicherheit“ und „Freiheit“ als gegenläufigen Polen kann der Staat, so scheint es, nur verlieren: – Wahrt er strikt die seinem Handeln gezogenen Grenzen, beachtet er die Verfassungs- und Rechtsordnung und schränkt die Freiheit (der meisten) seiner Bürger nicht zusätzlich ein. Umgekehrt bietet er seinen Feinden ein breites Spektrum an Vorbereitungs-, Operations- und Handlungsmöglichkeiten. Dadurch aber gefährdet er die Sicherheit – die seiner Bürger, in letzter Konsequenz auch die eigene (sowie, wenn er als „Rückzugsraum“ be- und miss6 Bernd Grzeszick, Staat und Terrorismus. Eine staatstheoretische Überlegung in praktischer Absicht, in: Josef Isensee (Hrsg.), Der Terror, der Staat und das Recht, 2004, S. 55 ff. 7 Josef Isensee, Nachwort: Der Terror und der Staat, dem das Leben lieb ist, ebd., S. 83 (87).
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braucht wird, diejenige anderer Staaten). Ein wesentlicher Baustein seiner Legitimation droht damit wegzufallen: Ein Staat, der seine Bürger nicht mehr zu schützen vermag, verliert an Autorität. – Betont er dagegen den Gedanken der Sicherheit, kann ihn dies dazu veranlassen, die ihm von der Rechts- und Verfassungsordnung gezogenen Grenzen zu überschreiten. Der Staatszweck „Freiheit“ erleidet dadurch zwangsläufige Einbußen, und zwar nicht nur im Bezug auf die Träger des Terrorismus, sondern auch hinsichtlich der eigenen, ganz überwiegend friedlichen, Bürger. Dadurch aber droht der Staat seine Legitimationsbasis von der anderen Seite zu verlieren. Er würde zentrale Prinzipien preisgeben und, indem er sich das Gesetz des Handelns von der bewussten und gewollten Gesetzlosigkeit des Terrorismus aufzwingen lässt, seine eigene Dignität beschädigen. Mehr noch: Auf der internationalen Bühne könnte sein Bemühen, die eigenen Grundsätze zu „exportieren“, desavouiert werden, wenn deren Einhaltung als Frage der politischen Situation und Zweckmäßigkeit wahrgenommen würde. Kurzum: Der moderne Verfassungsstaat steht scheinbar unentrinnbar zwischen der wenig erbaulichen Alternative der Kapitulation aus Liebe zum Recht (fiat ius et pereat mundus) oder dem (ungewissen) Sieg durch Opfern des Rechts (inter arma silent leges). IV. Rechtliche Strategien des Staates zur Abwehr des Terrorismus 1. Völkerrecht
Der metaphorisch so bezeichnete „Krieg gegen den Terror“ erhält seine primären rechtlichen Bewertungsmaßstäbe nicht aus dem Völkerrecht8: Die handelnden Terroristen, wenngleich international agierend und vernetzt, sind keine Subjekte des Völkerrechts, ihr Handeln bewegt sich erklärtermaßen und gewollt außerhalb jedweder rechtlicher Maßstäbe und Regeln. Ihnen kommt im „Krieg“ nicht der Status als Kombattant und nach ihrer Ergreifung nicht der Status als Kriegsgefangener zu. Ohnedies trifft auf jenen Kampf bereits der Grundgedanke des Krieges, wie ihn das Völkerrecht gebändigt und limitiert hat, nicht zu: Die Vorstellung zweier Parteien, welche nach Beendigung des Kampfes im Wege des Vertrages Frieden schließen, der künftig ihre Beziehungen regelt. Genau darum geht es aber im „Krieg gegen den Terror“ keiner Seite, eine jede erstrebt die Vernichtung der anderen, weil sie diese (wenngleich aus zutiefst unterschiedlichen Gründen) als prinzipiell nicht gleichrangig und damit als nicht vertragsfähig ansieht: Der Terrorismus will keinen Frieden schließen (er gäbe sonst seinen Anspruch, allein über eine – „höhere“ – Wahrheit zu verfügen, auf), der 8 Eckart Klein, Die Herausforderung durch den internationalen Terrorismus – Hört hier das Völkerrecht auf?, ebd., S. 9 ff.; sowie Tomuschat, DÖV 2006, S. 357 ff.
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demokratische Verfassungsstaat darf keinen Frieden schließen (sonst würde er vor der radikalen Leugnung seiner Existenz wie Berechtigung kapitulieren). Eine andere rechtliche Beurteilung ist indes dann vorzunehmen, wenn ein Staat als Völkerrechtssubjekt das Handeln von Terroristen von seinem Territorium aus duldet oder gar unterstützt. Dann ist ihm jenes Handeln zuzurechnen, mit der Folge, dass die einschlägigen Mechanismen des Völkerrechts, speziell das Selbstverteidigungsrecht nach der UN-Charta, greifen. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Gruppe von Terroristen sich eines Staates oder eines Teiles davon derart bemächtigt hat, dass sie insoweit die Herrschaft faktisch ausübt, ohne aber allgemein als staatliche Ordnungsmacht anerkannt zu sein. Als Anwendungsbeispiel für das Vorgehen gegen ein solches de-facto-Regime gilt vielfach das militärische Vorgehen gegen das von den Taliban beherrschte Afghanistan seit 2001. Eine umfassende Strategie ist damit jedoch nicht bezeichnet: Abgesehen davon, dass auch Afghanistan sechs Jahre nach Ausbruch der Kampfhandlungen immer noch nicht befriedet ist, hat das Vorgehen gegen einen „Terror-Staat“ ersichtlich keinen durchschlagenden Erfolg gezeitigt. Im Gegenteil: Weitere große terroristische Anschläge wie diejenigen in Madrid und Rom konnten dadurch nicht verhindert werden. Der Terrorismus verfügt offensichtlich über weitere, gerade auch nicht staaten-gestützte Operationsbasen. Ihnen aber ist, unterstellt, sie wären bekannt, mit den Instrumenten des Völkerrechts jedenfalls nicht umfassend beizukommen. 2. Innerstaatliches Recht
Den Schwerpunkt im „Krieg gegen den Terror“ bilden durchweg Maßnahmen der einzelnen Staaten gegen bestimmte Gefährdungen durch den internationalen Terrorismus, die allerdings ihrerseits durchaus völkerrechtliche Implikationen aufweisen können9. Am deutlichsten zeigt sich dies am Beispiel einer präventiven Sicherungshaft10. Hier hält der Staat Personen fest, die er als mutmaßliche Terroristen ansieht, ohne dafür aber über gerichtsverwertbare Beweise zu verfügen. Solche enemy combatants sind weder Kriegsgefangene (hierfür liegen die Voraussetzungen nicht vor) noch Strafgefangene (hierfür ermangelt es einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung, die nach Lage der Dinge aufgrund der Beweislage auch kaum erreichbar wäre). Es handelt sich also um eine exekutivisch angeordnete Präventionsmaßnahme – nicht um eine gerichtliche Verurteilung –, deren Grundlage nicht die Gewissheit über begangene oder bevorstehende Straftaten ist, sondern der (auf bestimmte Indizien gestützte) Verdacht. Damit hebt 9 10
Tomuschat, DÖV 2006, S. 357 (359 ff.). Tomuschat, DÖV 2006, S. 357 (363 ff.).
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sich diese Art von Haft eminent von den ansonsten im (Rechts-)Staat geläufigen Formen ab: Sie ist zeitlich tendenziell unbegrenzt, die Möglichkeit der Überprüfung durch den Betroffenen wie durch Dritte erschwert bis ausgeschlossen. Den Prototyp einer derartigen Maßnahme stellt bekanntlich das Lager auf dem amerikanischen Marinestützpunkt Guantánamo Bay im Südosten Kubas dar11. Der US-Supreme Court hatte in mittlerweile drei Fällen Gelegenheit, dazu Stellung zu beziehen. Freilich handelten alle drei Entscheidungen – Rasul v. Bush12, Hamdi v. Rumsfeld 13 (beide vom 28. Juni 2004) sowie Hamdan v. Rumsfeld 14 (vom 29. Juni 2006) – eher von den juristischen Präliminarien denn von den neuralgischen Problemen: Gegenstand der Erörterung waren die Fragen nach der grundsätzlichen Überprüfbarkeit der Maßnahmen des Militärs durch die Gerichte (Anwendbarkeit des Rechtsmittels des Habeas Corpus) sowie nach der Befugnis des Präsidenten zur Einsetzung militärischer Sonderkommissionen. Gewiss: Die Aspekte des Rechtsschutzes und der Gewaltenteilung sind im demokratischen Verfassungsstaat elementar. Nur beantworten sie noch nicht die entscheidende Frage, ob die Maßnahme „unbefristete Sicherungshaft“ als solche zulässig wäre, unterstellt, das Parlament hätte sie gesetzlich beschlossen und auch eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit vorgesehen. Tendenziell lässt sich sogar die Ansicht des Supreme Court ausmachen, eine Internierung von enemy combatants sei bis zum Ende des „Krieges gegen den Terror“ zulässig (so in der Entscheidung Hamdi v. Rumsfeld). Dafür zuständig sei allerdings der Kongress, wie die 5:3-Mehrheit im Fall Hamdan v. Rumsfeld betont hat: „Niemand hindert den Präsidenten daran, zum Kongress zurückzukehren, um sich die Befugnisse zu sichern, die er für erforderlich hält“. Völlig anders wurde diese entscheidende Frage in einem anderen Land, das führend im „Krieg gegen den Terror“ engagiert ist, beantwortet: Im Vereinigten Königreich hat bereits im Dezember 2004 das House of Lords ein Gesetz für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention erklärt, das eine zeitlich unbefristete Inhaftierung mutmaßlicher Terroristen zuließ15. Nach Lord 11 Carl-Friedrich Stuckenberg, Das zähe Ringen um die Rechtsstellung der Gefangenen auf Guantánamo Bay, JZ (= Juristenzeitung) 2006, S. 1142 ff.; Manfred Nowak, Das System Guantánamo, Aus Politik und Zeitgeschichte 36/2006, S. 23 ff.; allgemein zu den in den USA ergriffenen Maßnahmen im „War on Terrorism“ Gerhard Holley, Der „Ausnahmezustand“ in den USA vor und nach dem 11. September 2001. Zur Beschränkung von Civil Liberties im Rahmen des „War on Terrorism“, JRP (= Journal für Rechtspolitik) 2006, S. 146 ff. – Vernichtende Kritik übt ein am 27. Februar 2006 veröffentlichter Bericht einer UN-Expertenkommission: Report on the Situation of detainees at Guantánamo Bay, UN-Dok. E/CN.4/2006/120. 12 Rasul v. Bush, 542 U.S. (2004) 466. 13 Hamdi v. Rumsfeld, 542 U.S. (2004) 507. 14 Hamdan v. Rumsfeld, 548 U.S. (2006). 15 A (FC) and others (FC) v. Secretary of State for the Home Department, ILM (= International Legal Materials) 44 (2005), S. 654 ff.
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Nicholls of Birkenhead sei „indefinite imprisonment without charge or trial . . . anathema in any country which observes the rule of law“16. Die in Deutschland diskutierten und realisierten Strategien gestalten sich zwar weniger dramatisch als diejenigen im anglo-amerikanischen Raum. Gleichwohl sind auch sie in hohem Maße bemerkenswert, werden doch hier bisher nahezu allgemein anerkannte Grundsätze modifiziert und verschoben. Speziell auf die Kategorie und Gruppe der Terroristen hin konzipiertes Sonderrecht fehlt völlig, statt dessen justiert der deutsche Gesetzgeber das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit im Lichte der Herausforderung durch den Terrorismus neu. So wurde am 9. Januar 2002 ein Terrorismusbekämpfungsgesetz17 verabschiedet, das Anfang 2007 durch ein „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“18 komplettiert wurde. Den Schwerpunkt hierbei bilden im wesentlichen Vorfeldstrategien, welche aber erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtgefüge der inneren Sicherheit haben könnten: Die bisher strikte Trennung zwischen polizeilicher und geheimdienstlicher Arbeit steht ebenso auf dem Prüfstand19 wie die Vorverlagerung der Schwelle für das Einschreiten zur Abwehr des Terrorismus. Hinzu kommen weitere legislative Maßnahmen auf der Ebene der für die Gefahrenabwehr grundsätzlich zuständigen Länder, welchen gemeinsam ist, dass sie bereits weit im Vorfeld möglicher Gefahren zu Eingriffsmaßnahmen gegen den Bürger berechtigen. Um einem Angriff wie dem des 11. September 2001 in Deutschland begegnen zu können, hat der Gesetzgeber überdies den Bundesminister der Verteidigung ermächtigt, notfalls ein feindliches (Terror-)Flugzeug durch Kampfmittel der Bundeswehr abschießen zu lassen20, also den bislang ehernen Grundsatz durchbrochen, dass die Streitkräfte im Inneren nicht eingesetzt werden dürfen21.
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Ebd., Tz. 74 (S. 682). Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9. Januar 2002, BGBl. I S. 361. – Freilich hat der deutsche Gesetzgeber bereits im Jahr 1986 ein „Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus“ erlassen (vom 19. Dezember 1986, BGBl. I S. 2566). 18 Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) vom 5. Januar 2007, BGBl. I S. 2. 19 Hans Peter Bull, Trennungsgebot und Verknüpfungsbefugnis – Zur Aufgabenstellung der Sicherheitsbehörden, in: Reinhard Hendler/Martin Ibler/José Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa. Festschrift für Volkmar Götz, 2005, S. 341 ff.; Karsten Baumann, Vernetzte Terrorismusbekämpfung oder Trennungsgebot? – Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten –, DVBl (= Deutsches Verwaltungsblatt) 2005, S. 798 ff. 20 So § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes (vom 11. Januar 2005, BGBl. I S. 78): „Die unmittelbare Einwirkung (auf ein Luftfahrzeug, S. M.) mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist.“ 17
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Mehrere dieser neuen Gesetze sind vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angegriffen worden und haben dabei größtenteils den verfassungsrechtlichen „Härtetest“ nicht bestanden. Hier sollen nur zwei Fälle herausgegriffen werden: – Am 15. Februar 2006 hat das BVerfG die Abschussermächtigung im Hinblick auf Terrorflugzeuge für verfassungswidrig erklärt22. Der Staat greife in das Recht auf Leben der Passagiere an Bord ein und mache sie überdies zum Objekt staatlichen Handelns. Eine Rechtfertigung sei schlechterdings ausgeschlossen. Sämtliche, staatstheoretisch wie rechtsphilosophisch akzentuierte, Verteidigungsvorbringen hat das Gericht nicht gelten lassen. – Kurze Zeit später, am 4. April 2006, schränkte das Gericht die Möglichkeiten der sog. Rasterfahndung erheblich ein23. Eine ohne jeden Verdacht, alleine aufgrund der Kombination mehrerer Merkmale („Raster“) vorgenommene Erhebung und Speicherung der Daten von über 10.000 Bürgern verstoße gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, speziell das daraus abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch im „Krieg gegen den Terror“ sei der Staat nicht zu jedem Grundrechtseingriff ermächtigt; der Gesetzgeber dürfe zwar die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit neu justieren, die Gewichte jedoch nicht grundlegend verschieben. V. „Krieg gegen den Terror“ und Verfassungsgrundsätze der westlichen Demokratien Damit ist abermals die Frage aufgeworfen, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen der Staat gegen die Herausforderung des internationalen Terrorismus vorgehen kann, welche seiner verfassungsrechtlichen Voraussetzungen unverrückbar und welche jedenfalls bestimmten Modifikationen zugänglich sind. Bei der vom BVerfG angesprochenen Aufgabe, das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit auszubalancieren, ist der Staat an den überwölbenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, der freilich in zwei unterschiedlichen Richtungen wirkt: Der Staat muss das Notwendige tun (Untermaßverbot), darf aber nicht über das Angemessene hinausgehen (Übermaßverbot)24. Damit ist immer-
21 Grundsatz in Art. 87a Abs. 1 GG („Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“); enge Ausnahmen lassen lediglich Art. 35 GG (Katastrophenhilfe) und Art. 91 i.V. m. Art. 87a Abs. 4 GG (innerer Notstand) zu. 22 BVerfGE (= Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung, zitiert nach Band und Seite) 115, 118. 23 BVerfGE 115, 320. 24 Josef Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: ders./Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V, 2. Aufl. 2000, § 11 Rn. 91.
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hin schon eine wesentliche Aussage gewonnen. Der freiheitliche Verfassungsstaat ist nicht nur kraft der allgemeinen staatstheoretischen Überlegung vom Verbot der Selbstpreisgabe als Staat, sondern auch kraft positiven Verfassungsrechts verpflichtet, den Herausforderungen des Terrorismus unzweideutig, entschieden und effektiv zu begegnen. Der (gerade in Deutschland auftretenden) Versuchung, den Terroristen als fehlgeleiteten Idealisten zu verharmlosen, der nur aufgrund seiner „Verzweiflung“ und seines „Hasses auf die Verhältnisse“ radikalisiert worden sei, aber von seinem Tun ablassen werde, wenn die ihn verzweifelnden Verhältnisse geändert würden, muss er widerstehen. Der begriffsnotwendig dialogunfähige, weil dialogunwillige Terrorist versteht das Bestreben, ihn ja „zu verstehen“, als das, was es im tiefsten Grunde ist – als Schwäche. Gegenüber dem Terrorismus wie dem Terroristen muss gerade der Verfassungsstaat unbeugsam bleiben: Er muss sich als Machtstaat erweisen, der seine Grundlagen und Grundsätze entschlossen verteidigt. Dafür darf ihm freilich nicht jedes Mittel recht sein: Auch in der Situation großer oder sogar existentieller Herausforderungen muss der machtvolle Verfassungsstaat Rechtsstaat bleiben. Elementare Grundsätze können dabei nicht zur Disposition stehen. Allerdings kann und darf danach unterschieden werden, wer von den Maßnahmen des Staates primär betroffen wird – die Terroristen unmittelbar oder aber andere, unbescholtene Bürger. Dass im erstgenannten Fall weitergehende Eingriffe zulässig sind, steht außer Streit – und wird auch vom BVerfG anerkannt, das etwa gegen den Abschuss eines ausschließlich mit Terroristen bemannten Flugzeuges keine verfassungsrechtlichen Einwände erhoben hat25. Freilich ist dem Staat auch gegenüber Terroristen nicht alles erlaubt: Zutreffend ist, dass der moderne Terrorismus in seinem Wesen atavistisch ist. Er fällt mit seiner Missachtung von privatem Gewaltverbot und staatlichem Gewaltmonopol um einer vorgeblich höheren „Wahrheit“ willen hinter die rechtskulturelle Errungenschaft des modernen Staates zurück26. Er ist bewusst und gewollt dessen Feind, seine Rechtsordnung miss- und verachtend, ein outlaw. Nun wird bisweilen als radikalstes und konsequentestes Vorgehen des Staates vorgeschlagen, den Terrorismus und den Terroristen gleichsam beim Wort zu nehmen: Der Staat solle Haltung und Entscheidung der Terroristen schlicht „akzeptieren“ und sie weder als (gewöhnlichen) Straftäter, polizeirechtlichen Störer oder Kriegsgefangenen behandeln, sondern als Feind. Dieser Gedanke liegt ersichtlich der Konzeption der Sicherungshaft auf Guantánamo zugrunde (enemy combatants). Jedenfalls auf der theoretischen Ebene ist ein vergleichbarer Diskurs auch in Deutschland feststellbar: Einige Stimmen aus der Strafrechtswissenschaft ver25
BVerfGE 115, 118 (162 ff.). Zutreffend Grzeszick (FN 6), S. 55 (65): „Terrorismus ist ein Angriff auf die moderne Staatlichkeit selber“. 26
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fechten, in der Nachfolge entsprechender staatstheoretischer Überlegungen von Carl Schmitt 27, den Gedanken eines „Feindstrafrechts“28: „Wer keine hinreichend hohe Sicherheit personalen Verhaltens leistet, kann nicht nur nicht erwarten, noch als Person behandelt zu werden, sondern der Staat darf ihn auch nicht mehr als eine Person behandeln, weil er ansonsten das Recht auf Sicherheit der anderen Personen verletzen würde“29. Unter der Prämisse des freiheitlichen Verfassungsstaats freilich ist eine solche Konzeption, welche den „Personen“Begriff (und die korrespondierende Personen-Würde) als nicht vorausgesetzt, sondern offensichtlich als (aufgrund welcher Maßstäbe im Einzelnen?) entziehbar begreift, nicht gangbar30.
VI. Perspektive: Recht und Idee als „Waffen“ im „Krieg gegen den Terror“ Der Staat kann und muss sich gegen den Terrorismus verteidigen: Er schuldet es seinen Bürgern, aber auch sich selbst. Dabei kann und darf ihm aber umgekehrt nicht jedes Mittel recht sein. Seine Stärke und Überlegenheit erweist er nicht zuletzt darin, dass er sich die Maßstäbe seines Handelns nicht von denjenigen Kräften oktroyieren lässt, die gerade seine Vernichtung anstreben. Im Gegenteil: Unterwirft er sich konsequent den elementaren Begrenzungen seiner Macht auch im Umgang mit seinen Gegnern und Feinden, macht gerade dies seine entscheidende Stärke aus31. Ermutigende Erfahrungen lassen
27 Entfaltung des „Freund-Feind“-Denkens: Carl Schmitt, Begriff des Politischen (FN 2), S. 26 ff. 28 So vor allem Günther Jakobs, erstmals: Kriminalisierung im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung, ZStW (= Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft) 1985, S. 751 ff.; später: Das Selbstverständnis der Strafrechtswissenschaft vor den Herausforderungen der Gegenwart (Kommentar), in: Albin Eser/Winfried Hassemer/ Björn Burkhardt (Hrsg.), Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, 2000, S. 47 ff.; Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht, in: Yu-hsiu Hsu (Hrsg.), Foundations and limits of Criminal Law and Criminal Procedure – An anthology in memory of Professor Fu-Tsen Hung, 2003, S. 41 ff.; zuletzt: Terroristen als Personen im Recht?, ZStW 117 (2005), S. 839 ff. 29 Jakobs, in: Yu-hsiu Hsu (Hrsg., FN 28), S. 41 (56). 30 Kritik: Claus Roxin, Strafrecht. Allgemeiner Teil, Band I, 4. Aufl. 2006, S. 55 ff.; Karl Heinz Gössel, Widerrede zum Feindstrafrecht – Über Menschen, Individuen und Rechtspersonen, in: Andreas Hoyer/Henning Ernst Müller/Michael Pawlik/Jürgen Wolter (Hrsg.), Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag, 2006, S. 33 ff.; Frank Saliger, Feindstrafrecht: Kritisches oder totalitäres Strafrechtskonzept?, JZ 2006, S. 757 ff. 31 Dazu BVerfGE 115, 320 (358): „Das Grundgesetz enthält einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung auch unter Einhaltung der Regeln des Rechtsstaats. Daran, daß er auch den Umgang mit seinen Gegnern den allgemein geltenden Grundsätzen unterwirft, zeigt sich gerade die Kraft dieses Rechtsstaates.“
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sich etwa aus der Reaktion des deutschen Rechtsstaats gegenüber dem „RAF“Terrorismus der 1970er Jahre gewinnen, welche mit ihrer Kombination aus Festigkeit und besonnenem Augenmaß zur Abwehr der Bedrohung führte. Der „Krieg gegen den Terror“ hat aber noch eine weitere Dimension. Als zusätzliche „Waffe“ stehen ihm auch der ideelle Hintergrund seines Rechts und dessen Grundsätze zur Verfügung32. Über diese freilich muss er sich immer wieder selbst vergewissern: Ihm selbst ist es aufgegeben, zu klären und verständlich zu machen, ob Gewaltenteilung, Grundrechte und Demokratie nur bloße Ordnungsprinzipien und formale Zweckmäßigkeitsentscheidungen sind, oder aber ob ihnen ein materieller Gehalt zugrunde liegt. Gelingt es, beide „Waffen“ miteinander zu kombinieren – das Recht zu wahren und seine tieferen ideellen Schichten freizulegen –, dann muss den westlichen Demokratien nicht bange sein, die Herausforderungen zu bestehen. Zusammenfassung Terrorismus ist ein in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wiederholt aufgetretenes Phänomen. Dieses hat jedoch gegenwärtig durch die Erscheinungsform des internationalen Terrorismus, speziell mit islamistischen Hintergrund, neue quantitative und qualitative Dimensionen angenommen. Der internationale Terrorismus stellt einen Frontalangriff auf den modernen Staat als Schutz- und Friedensverband dar, indem er ihn potentiell vor das Dilemma stellt, einen seiner fundamentalen Staatszwecke – Freiheit oder Sicherheit – zu Lasten des anderen zu vernachlässigen. Der „Krieg gegen den Terror“ wird im wesentlichen mit den Mitteln des innerstaatlichen Rechts (weniger mit denen des Völkerrechts) geführt. Zwischen verschiedenen Staaten treten dabei signifikante Unterschiede auf, wie ein Vergleich zwischen in den USA und in Deutschland ergriffenen Maßnahmen (und deren Beurteilung durch die Gerichte) zeigt. Ein wesentliches Element im „Krieg gegen den Terror“ ist nicht zuletzt die Idee des Rechts – die Entschlossenheit, es konsequent, aber nicht um den Preis der Aufgabe seiner Prinzipien, gegen seine Feinde anzuwenden, wird helfen, gegen die Herausforderungen des internationalen Terrorismus zu bestehen.
Summary Terrorism is a recurrent phenomenon of the 19th and 20th centuries. In recent years it has, however, gained a new quantitative and qualitative dimension due especially to the occurrence of international Islamic terrorism. International terrorism represents a
32 Daniel Thürer/Felix Schwendimann, Kampf gegen den Terrorismus – Kampf für das Recht, in: Pierre-Marie Dupuy/Bardo Faßbender/Malcolm Shaw/Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung. Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, S. 847 ff.; vgl. ferner Gerd Roellecke, Der Rechtsstaat im Kampf gegen den Terror, JZ 2006, S. 265 ff.
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frontal attack against the modern State as an institution of safety and peace. It potentially places the State in the dilemma of having to compromise either “freedom” or “safety” in the interest of protecting the one or the other of these fundamental objectives. The “war on terror” is to be fought mainly by means of domestic rather than international law. A comparative study of the measures taken by the United States and Germany and the decisions of their respective constitutional courts illustrates that there can be significant differences between States. The idea of the rule of law is an essential element of the “war on terror.” The determination to apply the rule of law consistently against its enemies without sacrificing its core principles may help in the effort to overcome the challenges of international terrorism.
The Rule of Law: Judicial Actions and Democracy By Bernard Dobranski This paper will examine the relationship between the rule of law and certain actions of judges, which not only seriously undermine the basic concept of a rule of law but also profoundly threaten the nature of modern democratic government. My particular emphasis will be on the actions and practices of judges in the United States, with a special focus, not surprisingly, on the United States Supreme Court. This is not to suggest that this is a problem limited to the United States and its courts. To the contrary, the actions and practices about which I complain have become more and more prevalent throughout the world, especially among the western democracies. Judge Robert Bork, in his wonderful book “Coercing Virtues,” demonstrates that one of our most successful exports is that of “unrestrained judicial activism.” It has infected not only other national courts – Canada and Israel are perhaps the best examples – but regional and international bodies as well. Let me begin by asserting that the rule of law, properly understood, is indispensable for a properly functioning representative government. It is only through the rule of law that the inherent worth and dignity of every individual can be protected. The rule of law is necessary to protect the human rights that flow from the dignity of the human person, and these are rights that no just society can ever create, modify, or destroy. For the rule of law to provide the support needed for a properly functioning democracy and the protection of individual dignity and worth, it must be grounded in something outside itself, something transcendent.1 That something transcendent, I assert, is the natural law. For it is the natural law, written on the heart of every human being and grounded in the notion that there are objective rights and wrongs, that provides the only secure basis for human freedom. Morality is not a relative concept that changes according to the whim or caprice of a particular country, a particular majority, a particular culture, or of any particular context. There are, in fact, objective moral truths and moral norms. As my colleague at the Ave Maria School of Law, Professor Howard Bromberg, has observed, “[t]he widespread skepticism in the West about the objectiv1 This is the major flaw of legal positivism in its ultimate sense – it is not grounded in anything outside itself.
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ity of moral values and social norms threatens to corrode the rule of law from the inside. And how can a society look to laws external to the will of its members, if politics is nothing but self-interests?”2 The essence of the rule of law was simply but profoundly captured by John Adams when he recognized the rule of law as prescribing a “government of laws and not of men.”3 So simple, that we take it for granted and are impervious to actions which undermine and erode it. In other words, the rule of law provides for a social order of principles that transcend the will of even the most just rulers.4 The question of what law is or what it means is one that philosophers, especially legal philosophers, have debated and disputed for thousands of years.5 For the limited purpose of my discussion today, I will define law as the command of the government, and a command which must be ascertainable in some form, if it is to be enforced at all.6 Put another way, “[L]aw expresses the result of a process for governing human affairs made legitimate, in a free and democratic society, by some form of social contract which binds the members of society to adhere to the results of the process.”7 As Judge Learned Hand once observed, it is “judges who are charged with the duty of saying what the law means, that is, what the government in fact has commanded. When these judges have spoken, the force behind the law will be used.”8 That the rule of law is under attack is obvious to all thoughtful observers. It is under attack both from external sources as well as internal ones. One obvious external attack is from those countries and cultures which have not committed themselves to a rule of law. But it is the latter attacks – the internal ones – that I wish to speak of today. They are even more ominous because they come from within the West itself. And they have dangerous consequences far beyond law – threatening in a fundamental way the very notion of democracy, of representative government.9 There is a paradox here.10 The rule of law is endangered because of its very success – it is endangered because the nations of the West have extended and 2 Professor Howard J. Bromberg, Address at the Ave Maria Faculty Development Seminar (June 28, 2006). 3 Id. 4 Id. 5 Learned Hand, How far is a judge free in rendering a decision? (1935), reprinted in: The Spirit of Liberty, at 104 (Irving Dilliard ed., Alfred A. Knopf 1963). 6 Id. 7 William Eaton, Who Killed the Constitution? 48 (1988). 8 Hand, supra note 5, at 105. 9 Judge Robert H. Bork, Address to The Council for National Policy (May 13, 2006) (on file with author). 10 Id.
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solidified it. They have adopted constitutions and created international rules and tribunals to protect human freedoms, all to be enforced by judges. But what these nations, including the U.S., have failed to take into account is what judges would do with the powers given them. Critical to the notion of a rule of law and indispensable for its maintenance is the principle of the separation of powers, a principle well stated by Montesquieu in his “Spirit of the Laws” first published in 1748, and of fundamental importance to the American founders. In essence, separation of powers recognizes that there are basically three kinds of powers – legislative, executive, and judicial. The precise way these powers are allocated may vary from one democracy to another, but the basic divisions are found in all. Simply put, the legislators, selected by the people through a democratic process, create or make the laws by which the people will be bound; the executive, usually selected, directly or indirectly, through a democratic process, administers and applies the laws passed by the legislative body; and the judiciary interprets those laws by applying the laws passed to the facts before them in concrete disputes. For Americans, separation of powers is the critical structural principle established in our Constitution and the one which ensures that we are a nation ruled by law and not men. But for it to work, the checks and balances established among the three branches must be respected and observed, and no one branch can “run roughshod” over another.11 The question of whether judges, especially life-tenured judges, are free to revise statutes and constitutions adopted by the people and their elected representatives is one “utterly central to the existence of democratic government.”12 Unfortunately, the judiciary, especially the US Supreme Court, has seen fit in more and more instances to disregard these checks and balances and has become more and more likely to “run roughshod” over the other two branches, especially the legislature, thus giving reality to the fear expressed by James Madison in The Federalist Papers No. 47. In that famous document, Madison (quoting, by the way, Montesquieu approvingly) stated, “where [and I would add when] the power of judging is joined with the legislative, the life and liberty of the subject would be exposed to arbitrary control, for the judge would then be the legislator.”13 What we are now experiencing, and have been for some time, is a “judiciary which has lost its moorings to a written constitution.”14 We have seen virtually every major change in fundamental public and social policies made by an unelected Supreme Court – often by the barest of 11 Ralph A. Rossum, Antonin Scalia’s Jurisprudence: Text and tradition 52–53 (2006). 12 Antonin Scalia, A Matter of Interpretation: Federal Courts and the Law 133 (1997). 13 Id. at 10 (emphasis added). 14 Eaton, supra note 7, at xv.
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margins, one vote – expressing its personal preferences and not those expressed by the democratically chosen representatives of the people and not those embodied in the original understanding, traditions, or text of the framers of our Constitution.15 As one observer has noted, “the court . . . has set itself up as a kind of continuing constitutional convention. A majority of five or more of the nine appointed justices has become accustomed to doing, on its own authority, what the American Constitution requires be done only with deliberation and difficulty through elected officials in Congress and the States. There can no longer be any doubt that the Court has done this consciously and deliberately.”16 Once this breakdown in checks and balances occurs, there is no effective mechanism to correct it, and the “very concept of a rule of law” is seriously undermined.17 “The President cannot veto the Court’s legislation; the people cannot vote the Court out of office; [and] the Court certainly does not police itself.”18 Before I describe the more egregious recent examples of this judicial usurpation of power properly belonging to the other branches of government, I should acknowledge that this tendency to judicial activism is not a recent phenomenon, although it has certainly become more prevalent and pervasive in the last few decades. In the mid 19th Century, “[t]he Court went out of its way to defend slavery”; and beginning in the late 19th and throughout the first four decades of the 20th Century, the Court, without warrant in the Constitution, denied the government – both federal and state – the right to regulate the economy. It should be noted that these exercises of judicial “activism” or “creativity” do not fall neatly into a simple category of “liberal” or “conservative.” The results achieved by the judicial legislation were, at different times, applauded by “liberals” and “conservatives”. Nonetheless, these are not results achieved democratically through the legislative process, but rather results mandated by the judicial will or fiat. It is worth noting also that these assertions and exercise of legislative power by the Court did not happen in one major dramatic way, but occurred slowly and incrementally over time, often dressed up in the cloak of fidelity to the constitutional or statutory text. Let me turn now to the more recent era of judicial usurpation by the United States Supreme Court, with reference to two of the more egregious examples which characterize it. This modern era, I assert, is qualitatively different from the earlier ones “in that, instead of merely [overturning] legislation of the Con15 16 17 18
Id. Id. at 4. Id. at 5. Id.
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gress or the States, the Court has invented a whole legislative program of its own, and imposed that program on the country.”19 In other words, “the Court . . . rewrote the Constitution to conform to what it wanted to do.”20 By doing so, the Court has proclaimed for itself “not [merely] the power to interpret the Constitution, but the power (to) govern.”21 The two most egregious and worst examples – and there are many, many possible candidates for the title “worst” – are Roe v. Wade22 and its progeny, which created and maintained a constitutional right to abortion, and Lawrence v. Texas23 which just a few years ago created a constitutional right to homosexual sodomy. What is particularly alarming about these decisions, beyond the obvious exercise of judicial legislative power, are the values they trumpet. What are these values? In short, they are those of radical personal autonomy. As Judge Robert Bork has observed, “[t]hese values are so contrary to the common sense of the American people that their constant trumpeting and enforcement leads to moral confusion and lowered morale.”24 “We are,” he further observed, “in the grip of a mood common to intellectuals that not only is America a highly imperfect society, hardly worth shedding blood and treasure for, but that the individual is more important by far than community and the community’s moral standards.25 It is a view grounded in the erroneous notion that it is a “moral fact that a person belongs to himself and not to others nor to society as a whole.”26 In fact, Justice Harry Blackman quoted this exact statement in one of his opinions.27 In other words, “the individual has no obligations to anyone, or anything, outside his own skin.”28 “That is hardly,” Judge Bork observed, “a ground for patriotism or for national or civilizational morale.”29 Justice Blackman, now deceased, is not the only member of the Court to speak this way. Justice Anthony Kennedy, now touted as the pivotal or swing vote in the Supreme Court, is widely believed to be the author of the so-called mystery passage – or, as Justice Scalia amusingly describes it, the “sweet mystery of life” passage – “[a]t the heart of liberty is the right to define one’s own concept of existence, of meaning, of the universe, and of the mystery of human 19
Id. at 5 (emphasis omitted). Id. 21 Id. at 222. 22 Roe v. Wade, 410 U.S. 113 (1973). 23 Lawrence v. Texas, 539 U.S. 558 (2003). 24 Bork, supra note 9. 25 Id. 26 Id. 27 Thornburgh v. Am. Coll. of Obstetricians and Gynaecologists, 476 U.S. 747, 778 n. 5 (1986). 28 Bork, supra note 9. 29 Id. at 7. 20
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life.”30 As one observer correctly noted, “any sound mind would recognize this infamous ‘mystery’ passage to be gibberish.”31 But five justices on the current Supreme Court – Stevens, Kennedy, Souter, Ginsberg, and Breyer – have expounded it (the first three, along with retired Justice O’Connor, in 1992 in Planned Parenthood v. Casey,32 and all five in 2003 Lawrence v. Texas33) as their license to override, in the name of [so-called] ‘substantive due process’, whatever democratic enactments they disfavor.34 The Lawrence case is particularly pernicious. In striking down the criminal laws against homosexual sodomy in Texas, the Court substituted its judgment for that of the people of Texas. These were laws of long-standing, and clearly the people of Texas did not wish to have them abolished. The issue of whether a society should have such law is, of course, one worthy of discussion and debate. In fact, there is a famous debate in Anglo-American jurisprudence – the Hart-Devlin debate, begun in the late 1950’s and still resonates today – which deals with the thorny and difficult issues of whether and when the state should enforce, especially through its criminal laws, what some claim to be a private morality. Reasonable people can and do differ on this subject. Reasonable scholars debate it. Reasonable citizens and voters may debate and divide over these questions in the voting booth as well. When, however, the voters have spoken through their legislature, it is hardly fitting for 5 members of an unelected Court to strike down the democratically enacted legislation because it does not comport with their views of what the law should or should not be. The Supreme Court homage to radical personal autonomy is not confined only to the issue of homosexuality. As Judge Bork has pointed out, “it may be seen in the Court’s throwing First Amendment protection around the vilest pornography as free speech; in the Court’s intense hostility to religion, which is particularly damaging; in the invention of a right to abortion, even including partial birth abortion; in the steady whittling away at the death penalty, with a view, apparently, of eventually abolishing it; and more. Not one of these developments is consistent with the Constitution, but every one of them embodies values [that the members of the Court prefer].”35 Moreover, to follow the Court’s logic in its preference for radical personal autonomy (to call it logic is to give it a coherence it does not deserve) leads to the deification of the self – the anarchically, promiscuous “imperial self,” a particularly pernicious, insid30
Planned Parenthood of Se. Pa. v. Casey, 505 U.S. 833, 851 (1992). E-mail from M. Edward Whelan III, President, Ethics and Public Policy Center, to Bernard Dobranski, Dean and President, Ave Maria School of Law (June 30, 2006, 12:14 EDT) (on file with author). 32 Casey, 505 U.S. at 851. 33 Lawrence, 539 U.S. at 574. 34 E-mail from M. Edward Whelan III, supra note 31. 35 Bork, supra note 9. 31
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ious and virulent consequence. Every man becomes his own god or messiah, giving us a world in C.S. Lewis’ phrase, of “incessant autobiography” and as Christopher Lasch put it, “a culture of narcissism.” This in a century, a horrific century, which already saw the deification of the nation, race and class. Some members of the Court are not shy about what they are doing. In a recent interview, Justice Kennedy candidly stated: “You [as a justice] have the opportunity to shape the destiny of the country. The Framers wanted you to shape the destiny of the country. They did not want to frame it for you.”36 A statement breathtaking in its audacity! Why then call them framers? As Judge Bork, in his characteristic wisdom noted, “[i]n the view of Kennedy, the entire Bill of Rights could be replaced by one sentence: ‘The Supreme Court shall determine the destiny of the nation.’ No need in such profound matters to trouble the minds of Congressmen, Presidents or voters.”37 One can find some humor in all of this. Judge Bork recounts that: “Ted Olson, the former Solicitor General [of the United States] pointed out that the Supreme Court held it unconstitutional for high school students to pray before a [football] game that no one be injured but it also has held that nude dancing, being expressive, deserved considerable constitutional protection. Since nude dancing is [thus] preferred to prayer as a means of communication, Mr. Olson suggested that students dance naked before games.”38
Judge Bork, in response, warned that the “nudity could not be achieved by performing the Dance of the Seven Veils since that has biblical connotations and would therefore be a forbidden establishment of religion.”39 This emphasis on radical individualism or radical personal autonomy may be gibberish or nonsense, but it is dangerous nonsense. A society or culture to survive must have a shared, common basic morality. “The importance [of which] was stressed by John Stuart Mill, who wrote: ‘In all political societies which have had a durable existence, there has been some fixed point; something which men agreed in holding sacred; which it might or might not be lawful to contest in theory, but which no one could either fear or hope to see shaken in practice. . .. But when the questioning of these fundamental principles is (not the occasional disease but) the habitual condition of the body politic . . . the State is virtually in a position of civil war; and can never long remain free from it in act or fact.’”40 This, I submit, describes the culture war not only in the United States but in the West generally, and the Supreme Court, with its emphasis on radical per36 37 38 39 40
Id. Id. Id. Id. Id.
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sonal autonomy as a basic constitutional principle is contributing to it, undermining both the rule of law and democracy in the process. The repeated emphasis on “individual rights and privileges fragments rather than unifies a culture, a nation, and indeed, a civilization.”41 It is also antithetical to the common good, and, in fact, undermines the very notion of a common good. There are many other dangers that flow from judicial actions in addition to the one just discussed. The most obvious one is that “[a]ctivist judges steadily diminish the areas of life in which the people govern themselves. [Another is that activist] judges almost invariably move culture to the left, breaking down traditional moral codes and frustrating the efforts of the electorate to preserve those codes.42 A further danger is derived from the practice of judges of various western nations, including the United States, to confer with one another, producing, in effect, an emerging transnational constitutional law.”43 A more subtle danger, but a fundamental one nonetheless, is what such activism does to the process of government. The judicial power is particularly well suited to assure that the other branches of government – the legislative and executive – do not exceed the powers granted to them by the constitution, and also peculiarly suited to protect individual rights. When the judiciary usurps the powers of the other branches, it becomes merely another political, policy making agency and not, as it should be, an independent branch above the political fray, and this, in turn, will cause the erosion of its authority, and consequently its decisions less likely observed and respected. For people to comply with, acquiesce in, and obey court decisions, they must believe that the judicial system is governed by the rule of law, not the rule of men. We must believe that judges operate according the law, and not by whim, caprice, and prejudice. Without the belief that justice is impartial and unbiased, the authority of the judiciary cannot be maintained, and people will gradually cease to acquiesce to judicial decisions and comply with their requirements.44 Even more dangerous than the damage to the process of government is the danger to the constitutional system itself. A Constitution must represent something more than a passing judicial fancy. “There must be a permanency about it, a dependability. To the extent that it is not believed this way, it loses its authenticity and moral force, and this, in time, threatens our democratic systems.”45 In sum, the grave danger, in essence, “is the danger of a loss of faith in constitutionalism itself.”46 And this, I submit, is a danger which threatens the very foundations of our democratic system. 41 42 43 44 45
Id. Id. Id. Eaton, supra note 7, at 7. Id. at 7, 8.
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Although the situation I have described is a grim one and one fraught with many dangers, there are some good reasons for optimism – a modest, cautious, guarded optimism – that the situation can be arrested and perhaps reversed, that we can stop our courts and our judges from legislating from the bench. Two, in particular, are especially promising, at least in the United States, and worth mentioning. As an aside, it is also worth noting that neither reason includes impeachment or a constitutional amendment. The first is the growing awareness of the public of what the courts are doing and consequently a reaction against it. Certainly, in the past, the many devastating analyzes of the Courts’ abuses seem not to have been very effective in slowing the growing tide of judicial law making. But there a few signs that that criticism is beginning to sting.47 Justin Ruth Bader Ginsberg recently denounced the Court’s critics as a “radical fringe.” Name calling aside, this is merely an attempt to marginalize them. But the mere fact that she took public notice of the criticism is quite significant. It suggests that she is feeling the sting inflicted by the growing number of critics. Justice Kennedy has also complained, “rather bitterly,”48 that the critics do not “read the Court’s opinions before disapproving of them.”49 His explicit complaints aside, the real problem is not the failure to read the opinions. To the contrary, the fact is that more and more people are reading them and are able to see for themselves their fatuous nature. As one observer notes, the radical nature of the Courts’ legislative activity “is emerging irrepressibly into the public conscience.”50 The second reason lies in the recent appointments of John Roberts, as the Chief Justice, and Samuel Alito, as an Associate Justice, to the Supreme Court. With their appointments, there are now four justices – one short of a majority – who do not share the belief that “their duty is to shape our destiny with [the] newly-invented rights of radical personal autonomy or similar ideas of social engineering.”51 If one more vacancy occurs in the next year or so – and if President Bush has the political strength and the will to make another appointment like the Roberts and Alito appointments – a substantial reversal in the Court’s jurisprudence in the direction of judicial restraint, in keeping with the Founder’s intentions and more in accord with judges being judges and not legislators, is likely to occur. In conclusion, let me sketch out what it is that should be sought or desired in our judges and what it is that will preserve the rule of law and strengthen rather than undermine the democratic character of the U.S. Constitution. 46 47 48 49 50 51
Id. at 233. Bork, supra note 9. Id. Id. Eaton, supra note 7, at 252. Bork, supra note 9.
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What is to be sought after is not judges with a program or a policy. What is required is not new Justices with a “conservative” agenda, designated to counteract the liberal agenda of their predecessors. The whole problem we have been dealing with arises from Judges indulging their predilections and philosophies instead of conscientiously attempting to understand and apply the Constitution. We need no more of that. What is wanted of new Justices of the Supreme Court, and of judges in every court, are individuals who have given some thought to the uncertain birth of law, and to the difficult struggle to fashion constitutional restraints on power; who grasp the liberating wonder of the social contract; who are humble before the fragility of these precious concepts; who revere the institutions which embody the law; who perceive clearly the difference between legal authority and governmental power; who know that freedom rests upon a dependable rule of law; who are aware how fleeting and elusive the era of law and freedom has been in human history; who recognize, in pride and humility, that the Constitution which they are privileged to have inherited may very well remain the ‘last best hope on earth’ for a free and honorable existence; and who approach with awesome respect the knowledge that, if now lost to the lures of unrestrained power, foreign or domestic, liberty under law may never be regained [and democracy forever forfeited.]52
Summary This essay examines the relationship between the rule of law and the actions of certain judges, which not only seriously undermine the basic concept of a rule of law but also profoundly threaten the nature of modern democratic government. The judicial system must be governed by the rule of law, not the rule of men. Judges must operate according to the law, and not by their personal views as to what is desirable or good. The United States Supreme Court especially, with its emphasis on radical personal autonomy as a basic constitutional principle, is contributing to both the undermining of the rule of law and our confidence in democracy.
Zusammenfassung Der Beitrag untersucht die Beziehung zwischen der Rechtsstaatlichkeit und dem Vorgehen von Richtern, die nicht nur die Grundlage des Rechtsstaats untergraben, sondern auch zutiefst das Wesen der modernen demokratischen Regierung gefährden. Das Justizsystem muss vom Rechtsstaat bestimmt werden, nicht von Menschen. Richter müssen nach dem Gesetz urteilen, was wünschenswert oder gut ist, und nicht nach ihren persönlichen Ansichten. Insbesondere trägt der Oberste Gerichtshof der USA sowohl zur Schwächung des Rechtsstaates als auch des Vertrauens in die Demokratie bei, wenn er zu sehr die persönliche Autonomie als ein Grundprinzip der Verfassung betont.
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Unknown, Law in a free society, 253 (on file with author).
Föderalismus – Stärke oder Schwäche der Demokratie? Von Winfried Becker Für sich genommen bezeichnet der Begriff Föderalismus noch keine Verfassungsform, sondern eine Tendenz, einen Moment der Bewegung, eine „staatspolitische Grundrichtung“1, dann ein Verhältnis zwischen einer Vielheit politischer, staatlicher Gebilde und einer diese verbindenden Einheit.2 Das Wort Föderalismus ist abgeleitet vom lat. „foedus“, „foedera“ (Bund, Bündnisse). Die Grundrichtung weist auf einen Zusammenschluss, einen von Bundes- oder Vertragsstrukturen bestimmten Aufbau hin, der von wie auch immer gearteten Basis- oder Grundeinheiten ausgeht. Wenn Demokratie Volksherrschaft bedeutet und das Volk sich aus Einzelnen zusammensetzt, dann fällt eine unübersehbare Ähnlichkeit mit der Struktur des Föderalismus auf. Um bei Analogien zu bleiben, so lässt sich der Gegenbegriff des Föderalismus, der Zentralismus oder Unitarismus, der zentripetal wirkt, idealtypisch einer hierarchischen, von der Spitze her organisierten Staatsform zuordnen. Die Wirklichkeit des staatlichen 1 Konrad Beyerle, Föderalismus, in: Staatslexikon. Im Auftrag der Görres-Gesellschaft hrsg. von Hermann Sacher, Bd. 2, 5. Aufl. Freiburg i. Br. 1927, Sp. 65–70; „politisches Ordnungsprinzip“: Heinrich Oberreuter, Föderalismus, in: Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, Bd. 2, 7. Aufl. Freiburg-Basel-Wien 1986, Sp. 632–638 (Literatur); zur Begriffsgeschichte: Reinhart Koselleck, Bund, Bündnis, Föderalismus, Bundesstaat, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache 1972, S. 582–671; Ernst Deuerlein, Föderalismus. Die historischen und philosophischen Grundlagen des föderativen Prinzips, München 1972; Jochen Huhn/Peter-Christian Witt (Hrsg.), Föderalismus in Deutschland. Traditionen und gegenwärtige Probleme, Baden-Baden 1992 (Einleitung der Herausgeber S. 9–28). Die Federalist-Artikel (1787/88) verwandten den Begriff „federal“ allerdings im Sinne von „national“, weil sie die gemäß Bundesverfassung vorgesehene zentrale Regierungsgewalt verteidigten, und bezeichneten ihre Gegner, die Anhänger der staatenbündischen Konföderation, als „Anti-Federalists“. Alexander Hamilton/James Madison/John Jay, Die Federalist-Artikel. Politische Theorie und Verfassungskommentar der amerikanischen Gründerväter. Mit dem englischen und deutschen Text, hrsg., übers., eingeleitet u. kommentiert von Angela Adams/Willi Paul Adams, Paderborn 1994, S. LXXXVII–XC. 2 Thomas Nipperdey, Der Föderalismus in der deutschen Geschichte, in: ders., Nachdenken über die deutsche Geschichte, München 1986, S. 60–109. Die Definition: Verbindung von Einheit mit Vielfalt, geht zurück auf Carl J. Friedrich, Trends of Federalism in Theory and Practice, New York 1968; vgl. Hans Boldt, Föderalismus als Grundstruktur deutscher Geschichte, in: Adolf M. Birke/Hermann Wentker (Hrsg.), Föderalismus im deutsch-britischen Meinungsstreit. Historische Dimension und politische Aktualität, München 1993, S. 33–52 (und die anderen Beiträge in diesem Band).
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Lebens wird aber meist von Mischformen bestimmt, so dass oft föderalistische und unitaristische Kräfte in zusammengesetzten Staatsgebilden mehr oder minder friedlich aufeinandertreffen. Nach dieser kurzen Definition soll das komplexe Thema in vier Abschnitten behandelt werden: I. Es ist ein Blick auf verschiedene Begründungen des Föderalismus zu werfen. II. Ein sehr knapper Überblick soll Entwicklungen des Föderalismus in Deutschland vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert beschreiben. III. Einige Grundzüge der zeitgeschichtlichen Entwicklung des Föderalismus, von 1918 bis zur Gegenwart, sind aufzuzeigen. IV. Lässt sich aus dem Blick auf die Geschichte erkennen, ob Föderalismus in der Demokratie noch zeitgemäß oder geboten ist? I. Warum erscheint oder erschien der Föderalismus als sinnvoll oder notwendig? Eine auch nur annähernd erschöpfende Aufzählung lässt sich natürlich nicht geben und würde auch das deskriptive Geschäft des Historikers überfordern. Aber wenn man diese Frage aufgreift, muss man sich von einer vordergründig staatsrechtlichen oder „staatspolitischen“ (wie man früher sagte) Auffassung des Föderalismus-Begriffs frei machen. Zugleich führen die Antworten, die versucht wurden, in einen normativen Bereich: Wie wurde Föderalismus, als historische oder aktuelle Erscheinung gerechtfertigt, inwiefern erschien er als angemessen, angebracht oder gar als erstrebenswertes Ordnungsprinzip? 1. Eine Begründung konnte aus Erwägungen der Zweckmäßigkeit, Zweckhaftigkeit oder gemäß dem Subsidiaritätsprinzip gegeben werden. Der Jurist John Doddridge, Member of Parliament für Horsham (Sussex), verwies in einer Abhandlung von 1604 auf das Schweizer Vorbild, um seinen Vorschlag zu begründen, dass eine allgemeine parlamentarische Repräsentation für die beiden Königreiche England und Schottland gebildet werden müsse. Für die Union der beiden Königreiche sollte ein „common parliament“ zur Verfügung stehen, das sich der „general causes“, die beide Völker beträfen, annehmen solle. „Suche a parliament or assemblie have all the cantons or confederate states of the Helvetians and Swisors for theire generall causes, althoughe every estate particulerlie have nevertheless his proper and peculiar parliament.“3 Zur Erledigung unterschiedlicher Aufgaben sollten entsprechend abgestufte Organisationen bestehen, gemäß dem Grundsatz einer räumlich oder sachlich gebotenen Arbeitsteilung. Die diversen Aufgaben und Pflichten waren unter je eigenen Umständen und Bedingungen anzugehen. Die zur Erledigung herangezogenen Kräfte gruppierten sich im Idealfall zu einer Art Organisationspyramide mit breiter Basis. 3 Zitiert nach John Kendle, Federal Britain. A History, London-New York 1997, S. 2; siehe die Beiträge in Birke/Wentker (wie Anm. 2).
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2. Hinter dem Föderalismus kann ein bestimmtes Bild von der Gesellschaft stehen, die Vorstellung, dass die Glieder einer Gesellschaft organisch zu einem Ganzen zusammenwachsen sollen. Der Rechtshistoriker Konrad Beyerle stand für viele seiner Zunft, wenn er die Lehre vom Organismus vertrat: Die einzelnen Kräfte und Glieder im Staat sollten „den Organismus des Ganzen“ stärken und zur Blüte entwickeln. Er stellte seine „organisch-genossenschaftliche“ Staatsauffassung dem abstrakt aufgefassten Staat, dem „Staat als Abstraktion“ entgegen.4 Vorläufer der während des 19. Jahrhunderts vor allem in Deutschland entwickelten Organismus-Theorie lagen in der Romantik5, aber wohl schon in den Metaphern über die „harmonia imperii“ des Alten Reiches. Die Publizistik des 16. und 17. Jahrhunderts entwarf das Idealbild eines aus Gliedmaßen zusammengesetzten Reichs-Corpus; oder sie begriff das Hl. Römische Reich deutscher Nation als einen auf Säulen (den sieben Kurfürsten) ruhenden oder von seinen vornehmsten Verfassungsorganen erleuchteten, durch den Gleichklang („Consonantz“) zwischen dem Kaiser und seinen Ständen erhaltenen Bau.6 3. Eine dritte Begründung für Föderalismus (der unschwer weitere hinzugefügt werden könnten) lässt sich aus dem christlichen Menschenbild ableiten. Die Schwäche der Menschennatur, die zu Herrschsucht, Willkür und Wankelmut neige, lasse es nicht ratsam erscheinen, einzelne Menschen oder Institutionen mit einem absoluten Herrschafts-, Führungs- oder Gewaltmonopol auszustatten.7 Dem Wohl der Gemeinschaft sei es dienlicher, wenn ein System von 4
Beyerle, Föderalismus (wie Anm. 1), Sp. 68 f. „Der romantische Patriotismus [. . .] wollte Hegemonien durch Föderationen ersetzen.“ Rudolf Lill, Katholizismus und Nation bis zur Reichsgründung, in: Albrecht Langner (Hrsg.), Katholizismus, nationaler Gedanke und Europa seit 1800, Paderborn u. a. 1985, S. 51–63, 54. 6 Winfried Becker (Bearb.), Dreißigjähriger Krieg und Zeitalter Ludwigs XIV. (1618–1715), in: Winfried Baumgart (Hrsg.), Quellenkunde zur deutschen Geschichte der Neuzeit von 1500 bis zur Gegenwart, 2. neubearb. u. erweiterte Auflage, Redaktion Mathias Friedel, Darmstadt 2004 (CD-Rom), S. 810 f.; vgl. Deuerlein (wie Anm. 1), S. 33–41, und zur Neubewertung des Alten Reiches: Olaf Asbach/Sven Externbrink/Klaus Malettke (Hrsg.), Altes Reich, Frankreich und Europa. Politische, philosophische und historische Aspekte des französischen Deutschlandbildes im 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 2001; Georg Schmidt, Geschichte des alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495–1806, München 1999; Helmut Neuhaus, Das Reich in der Frühen Neuzeit, München 1997; Volker Press, Das alte Reich. Ausgewählte Aufsätze, hrsg. von Johannes Kunisch, Berlin 1997; Karl Otmar von Aretin, Das Alte Reich 1648–1806, Bd. 1, Föderalistische und hierarchische Ordnung (1648–1684), Stuttgart 1993; Heinz Duchhardt, Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648– 1806, München 1990; Ellinor von Puttkamer, Föderative Elemente im deutschen Staatsrecht seit 1648, Göttingen-Berlin-Frankfurt a. M. 1955. 7 Vgl. z. B. das von der Neubesinnung nach 1945 zeugende Referat „Gedanken zum neuen deutschen Staatsrecht“ von Prof. Ernst Wilhelm Meyer auf dem 2. Parteitag der CDU für die britische Zone am 28.–29. August 1948 in Recklinghausen: „Wenigstens wir Christen sollten uns auch hierbei über die Abgründe und Wankel5
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checks and balances eingeführt werde und ausgleichend wirke. Diese Lehre schließt ein, dass gewisse Werte für unverfügbar erachtet und vor dem Zugriff des Tyrannen und sogar parlamentarischer Mehrheiten geschützt werden. Der so definierte Föderalismus überlappt sich mit den Begriffen der Gewaltenteilung und des Pluralismus. Er ist auch offen für die grundlegende Unterscheidung von Kirche und Staat und kann als Gegenbegriff zum Totalitarismus-Phänomen des 20. Jahrhunderts aufgefasst werden. II. Bevor im Gefolge der Französischen Revolution das nationalstaatliche Zeitalter anbrach, hatten sich in Europa bereits mächtige, zentralisierte absolutistische Staaten ausgebildet. Vom Spätmittelalter bis weit in die Frühe Neuzeit hinein war Alteuropa aber von einer großen Vielzahl, einem Geflecht einzelner Herrschaftsgebiete, Dynastien, Burgen, Rechtsbezirke, Bünde, Städte, Märkte und Dörfer überzogen. Diese behaupteten auch unter dem Absolutismus oft noch eine freilich geminderte Existenz: Man denke an die „fueros“ in Spanien, die Adelsrepubliken Mittel- und Norditaliens, die keltischen Nationen in Großbritannien und die „parlements“ und Adelssitze in Frankreich. In Mitteleuropa war die regionale Vielfalt besonders ausgeprägt. Oftmals waren Besitz- und Herrscherrechte übereinander gelagert, so dass gar keine linearen Grenzlinien bestanden. Um 1500 belief sich die Zahl der Reichsstände, Kurfürsten, Fürsten, Bischöfe, Äbte, Grafen, Herren, auf fast 400 – das waren diejenigen Herrschaftsträger ganz unterschiedlichen Ranges, die Sitz und Stimme am Reichstag besaßen. Die Reichsritterschaft, die ebenfalls Kaiser und Reich unmittelbar unterworfen war, ohne aber Sitz und Stimme am Reichstag zu besitzen, setzte sich aus etwa 350 Familien und 1600–1700 sehr kleinen Territorien zusammen.8 Die Begriffe „Patria“ oder „Vaterland“ bezeichneten oft nur die sehr begrenzte engere Heimat, etwa die eigene Stadt. Das Bürgerrecht und der Bürgereid bildeten erste konstituierende Merkmale staatlicher Zugehörigmütigkeit der menschlichen Natur infolge ihrer Sündhaftigkeit klar sein; wenigstens wir sollten uns erneut erinnern, daß Allmacht oder Übermacht aus jenem Grundsatz der Notwendigkeit von Balancen nicht lediglich einer einzigen parlamentarischen Körperschaft übertragen werden darf.“ Helmuth Pütz (Bearb.), Konrad Adenauer und die CDU der britischen Besatzungszone 1946–1949. Dokumente zur Gründungsgeschichte der CDU Deutschlands, Bonn 1975, S. 648. 8 Axel Gotthard, Einleitung, in: Werner Künzel/Werner Rellecke (Hrsg.), Geschichte der deutschen Länder. Entwicklungen und Traditionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Münster 2005, S. 7–33, 15–17; vgl. G. Oestreich/E. Holzer (Bearb.), Übersicht über die Reichsstände, in: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, 9. Aufl., hrsg. v. Herbert Grundmann, Bd. 2, Nachdruck Stuttgart 1981, S. 769–781. Vgl. zur Dorfkultur Walter Hartinger, Die bayerische Dorfverfassung und ihre Auswirkungen auf die sogenannte Volkskultur der Frühen Neuzeit, in: Jahrbuch für Volkskunde 28 (2005), S. 51–72, und weitere Forschungen dieses Autors.
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keit, gewährten aber nur die Aufnahme in eine einzige, durch Mauern abgegrenzte Stadtgemeinde. Machiavelli hat nach einer Reise durch Deutschland das blühende Leben dieser wehrhaften Städte beschrieben. Nur langsam fanden nach der Erfindung des Buchdrucks, infolge einer sich im 16. Jahrhundert verdichtenden Kommunikation, die verschiedenen Sprach- und Literaturlandschaften zueinander, konnte namentlich die Kluft zwischen Niederdeutsch und Oberdeutsch, später Hochdeutsch, überwunden werden. Die Dialektunterschiede verwiesen auf die ihnen zugrunde liegenden ethnischen Einheiten. Im Ostfrankenreich führten die vier Stammesherzogtümer der Bayern, Franken, Alemannen und Sachsen eine Art Eigenleben und konkurrierten mit dem Königtum. Über die Herkunft, Substanz und Bedeutung dieser Stämme bestehen trotz einer ausgiebigen Diskussion noch viele Meinungsverschiedenheiten und Unklarheiten. Vielleicht lassen sich drei Punkte hervorheben: (1) Keiner der Stämme konnte sich auf Dauer zur Herrschaft über die anderen aufschwingen. (2) Die Stammesherzogtümer wurden überwölbt von dem feste Regelsysteme ausbildenden Bau des Sacrum Imperium, das im Römischen Kaisertum gipfelte. (3) Zur Erklärung des deutschen Föderalismus reicht die Stammestheorie nicht aus. Im Föderalismus wurden vielmehr Auswirkungen des Dualismus von Staat und Kirche wirksam. Die Ausstattung der Bischöfe und Äbte mit weltlichem Gut (Temporalien), die Übernahme von Rechtsbegriffen (Wahlrecht) und Organisationsformen der Kirche (Konzilien) begünstigten die Herausbildung von Korporations- und Ständerechten, Landtagen und sonstigen Versammlungen, den Vorläufern der späteren repräsentativen Verfassungen. Der Historiker Otto Hintze, der diese These aufgestellt hat, sah in solchen Institutionen Ansätze einer besonderen rechtsstaatlichen Entwicklung, durch die sich Alteuropa von den außereuropäischen Kulturen unterschieden habe.9 Der Ausbildung solcher Vorstellungen mochte auch ein Kulturverständnis dienlich sein, das bedeutende Vertreter der Romantik entwickelt hatten. Die Ausbildung des Föderalismus in Deutschland hob sich in mehrfacher Hinsicht von der anderer europäischer Länder ab. In Deutschland war die Vielfalt besonders groß, verstärkt durch das Fehlen natürlicher Grenzen. Herrschaft und Kirche entwickelten ein besonderes Verhältnis zueinander: theokratische Phänomene traten neben die Tendenzen zur Scheidung zweier miteinander ko9 Gerhard Oestreich (Hrsg.), Otto Hintze. Staat und Verfassung. Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Verfassungsgeschichte, 3. durchgesehene u. erweiterte Aufl., Göttingen 1970; hier die Aufsätze: Weltgeschichtliche Bedingungen der Repräsentativverfassung (S. 140–185, bes. S. 172–178), und: Typologie der ständischen Verfassungen des Abendlandes (S. 120–139). Zu Hintze: Manfred Ressing, Zur Methodologie und Geschichtsschreibung des preußischen Historikers Otto Hintze, Frankfurt a. M. 1996; Michael Erbe, Otto Hintze 1861–1940, Hamburg-Berlin 1987; Otto Büsch/Michael Erbe (Hrsg.), Otto Hintze und die moderne Geschichtswissenschaft. Ein Tagungsbericht, Berlin 1983; Fritz Hartung, Otto Hintzes Lebenswerk, in: Oestreich, Hintze (wie Anm. 9), S. 7–33.
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operierender Sphären. Das wichtigste deutsche Entwicklungsmoment lag aber darin, dass der Föderalismus zum Gestaltungselement der staatlichen Strukturen wurde. Die Ausbildung und langlebige Existenz der Territorien, die eigentlich bis 1918 bestanden, fand keine Parallele in den anderen europäischen Ländern. Die einzelnen, nach Rang und Größe stark abgeschichteten Territorien, nicht die Krondomänen wie in Frankreich und England, sind in Deutschland die Keimzellen und Träger der modernen staatlichen Entwicklung (und auch ihres Zentralismus) geworden. Um den fürstlichen Hof kristallisierten sich die staatlichen Ämter, greifbar z. B. im Geheimen Rat und in den Finanzkammern heraus; sie wurden zunehmend besetzt von Beamten und gelehrten Juristen. Die Landstände identifizierten sich wie der Fürst mit den Interessen des Landes, erzwangen ein Mitspracherecht bei der Erhebung und Verwaltung der Steuern und eine darüber hinaus gehende Mitbestimmung, die sich etwa bei Erbteilungen bemerkbar machte. Die Versammlungen der Landstände, zusammengesetzt aus den Repräsentanten der im Lande anzutreffenden oder bevorrechteten gesellschaftlichen und geburtsständischen Kreise und Schichten, können als die Vorläufer der modernen Parlamente angesehen werden. Schließlich erhielten die Territorialherren im Augsburger Religionsfrieden von 1555, bestätigt durch den Westfälischen Frieden von 1648, das Recht, über die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen. Die deutsche Konfessionskarte war bis zu den Wanderungsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg ein Spiegelbild des deutschen Föderalismus. Die protestantische und die katholische Bevölkerung war bis dahin ziemlich exakt entlang der Grenzen der ehemals evangelischen und katholischen Territorien aufgeteilt gewesen. Die föderative Organisationsform erstreckte sich auch auf die oberhalb der Territorien gebildeten Reichskreise (seit 1512) und die Kreisassoziationen. Auch nach dem Untergang des Alten Reiches 1806 blieb die Territorialstruktur in Deutschland erhalten, sie wurde allerdings durch Mediatisierung und Säkularisation einschneidenden Wandlungen unterworfen. Der Rheinbund und der Deutsche Bund schufen annähernd gleich große Territorien, die innerhalb ihrer Grenzpfähle die Standesschranken beseitigten und allmählich eine Gesellschaft vor dem Gesetz gleicher Untertanen und Bürger schufen. Der Deutsche Bund zerbrach am preußisch-österreichischen Dualismus. Die beiden größten ehemaligen Territorien hatten sich, auch durch den Erwerb außerdeutscher Gebiete, mehr Macht und Ressourcen verschafft als die auf einem mittleren Status verbleibenden Staaten, darunter die Königreiche Bayern, Württemberg und Sachsen. Bedeutende Kräfte der Verfassungsbewegung des 19. Jahrhunderts, vor allem die süddeutschen Demokraten, wünschten sich ein Österreich einbeziehendes Großdeutschland, das von einem Direktorium deutscher Fürsten regiert sein sollte. Das Musterbeispiel einer föderalistischen Struktur für dieses erdachte, aber nicht verwirklichte Staatsgebilde hat der Demokrat Julius Fröbel vor dem
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theoretischen Hintergrund seiner Lehre von der Teilung der Staatsgewalten entworfen10: Die Mittel- und Kleinstaaten sollten in einem Bundesstaat mit einem gemeinsamen Parlament zusammengefasst werden und sich mit diesem in einen auch Österreich und Preußen umfassenden dreigliedrigen Staatenbund, in eine Trias, einbringen. Der entschiedenste deutsche Föderalismus-Verfechter war im 19. Jahrhundert Constantin Frantz. Er plädierte 1848 für eine dreigliedrige großräumige „Regeneration Europas“ gemäß übernationalen Gesichtspunkten. Eine preußisch-polnisch-baltische Länderverbindung sollte im Süden an eine österreichisch-westslawische Ländermasse und im Westen an einen um Frankfurt konzentrierten westdeutschen Bundesstaat grenzen, der Anziehungskraft auf die Niederlande, Belgien, Lothringen und das Elsass ausüben würde.11 Frantz meinte, durch eine solche föderalistische Trias dem verhängnisvollen Wachstum des Nationalismus vorbeugen zu können. Der Publizist vermochte die von ihm bekämpfte kleindeutsche Einigung unter Bismarck natürlich nicht zu verhindern. Die preußische Großmachtpolitik setzte sich von 1866 bis 1871 in Deutschland durch. Das Kaiserreich war erneut ein Bundesstaat. Formell ein Bund der Fürsten, begründete es eine föderative politische Ordnung. Unitarisierend wirkende, überregionale Elemente bildeten der Kaiser, der Reichstag mit seiner Gesetzgebung, das kaiserliche Heer, aber auch die im Reichstag vertretenen Parteien und die großen Verbände.12 Auch der Reichskanzler stand für die Einheit, obwohl er
10 Julius Fröbel, Theorie der Politik als Ergebnis einer erneuerten Prüfung demokratischer Lehrmeinungen, Bd. 1, Die Forderungen der Gerechtigkeit und Freiheit im Staate, Wien 1861 (Neudruck, mit Einleitung von Rainer Koch, Aalen 1975), S. 184– 203 u. S. 20 der Einleitung; über Carl Ferdinand Julius Fröbel: Heinrich Best/Wilhelm Weege, Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, Düsseldorf 1996, S. 146 f.; Rainer Koch, Demokratie und Staat bei Julius Fröbel 1805–1893, Wiesbaden 1978; vgl. auch Willy Real, Der Deutsche Reformverein. Großdeutsche Stimmen und Kräfte zwischen Villafranca und Königgrätz, Lübeck 1966. 11 Hans Elmar Onnau (Hrsg.), Constantin Frantz. Polen, Preußen und Deutschland. Ein Beitrag zur Reorganisation Europas, Ausg. Halberstadt 1848. Mit einer Denkschrift des Verfassers zur Polenfrage aus dem Jahre 1848, Siegburg 1969; Johann Eike Benesch, Constantin Frantz und die deutsche Frage. Seine praktischen Vorschläge zur Bundesreform bis 1866, Kiel 2001 (Magisterarbeit, Privatdruck); Udo Sautter/Hans Elmar Onnau (Hrsg.), Constantin Frantz. Briefe, Wiesbaden 1974; Winfried Becker, Der Föderalist Constantin Frantz. Zum Stand seiner Biographie, der Edition und der Rezeption seiner Schriften, in: Historisches Jahrbuch 117/I (1997), S. 188–211. 12 Das Partei- und Verbandswesen blieb aber heterogen. Axel Grießmer, Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen Reich. Zum Wandel der Wahlkultur 1903–1912, Düsseldorf 2000, S. 305–309. Vgl. zum regionalen Eigenbewusstsein noch im Kaiserreich, das den Vaterlandsbegriff „Deutschland“ als abstrakt empfand, Dieter Langewiesche, Föderalismus und Zentralismus im deutschen Kaiserreich. Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur – eine Skizze, in: Oliver Janz/Pierangelo Schiera/Hannes Siegrist (Hrsg.), Zentralismus und Föderalismus im 19. und 20. Jahrhundert. Deutschland und Italien im Vergleich, Berlin 2000, S. 79–90.
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formell nur der bevollmächtigte Minister der im Bundesrat vereinigten verbündeten Regierungen (von 35 Ländern) war. Ein dem Parlament verantwortliches Ministerium kannte das Bismarck-Reich nicht. Der Bundeskanzler war in Personalunion Preußischer Ministerpräsident. Das unterstrich die hegemoniale Stellung Preußens, die eine ausgewogene Bundesstaatlichkeit verhinderte. Bismarck konzipierte in seinen maßgeblich gewordenen Verfassungsvorschlägen einen von der preußischen Stimmenmehrheit beherrschten Bundesrat der Dynasten.13 Von der Stärkung des Reichstags und der Parlamentarisierung des Reiches befürchtete er eine revolutionäre Schwächung des Staates. Der Föderalismus des Bismarck-Reiches erhielt so eine antiparlamentarische und antidemokratische Note. Andererseits bekannte sich auch der große Gegenspieler Bismarcks, der Zentrumsführer und Parlamentarier Ludwig Windthorst, zum bundesstaatlichen Prinzip; er trat damit für eine Form der Gewaltenteilung ein, die deutschen staatsrechtlichen Traditionen entsprach, und wandte sich auch als früherer Minister des Königreichs Hannover gegen die Hegemonie Preußens. Immerhin verblieben den Bundesstaaten die eigene Dynastie und Verfassung, die Finanz- und Steuerhoheit, die Kulturpolitik sowie besondere Reservatrechte.14 In den Regionen entwickelte sich, begünstigt durch das Mehrheitswahlrecht, ein noch nicht genügend erforschtes eigenständiges kulturelles und politisches Leben. Der Föderalismus des Kaiserreichs hemmte die Tendenz zum Machtstaat. Er gehörte gleichsam zum rechtsstaatlichen Inventar dieses Staates und ließ einen gewissen Spielraum für die antizentralistischen und antipreußischen Kräfte: z. B. für die Patriotenpartei in Bayern15, die Welfenpartei in Hannover16, die Demokraten und Katholiken in Württemberg und Baden, die Elsässer und Polen; letztere fanden im Reichstag ihre Vertretung. Von der Mitwirkung an der Außenpolitik blieben die Bundesstaaten indes ausgeschaltet. Allerdings konservierten sie auch, hier ist vor allem Preußen zu nennen, alte Machteliten. Die strukturierte Existenz der dynastischen Staaten bewirkte auch, dass das 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), „die größte rechtspolitische Leistung der 13 Lothar Gall, Bismarck. Der weiße Revolutionär, Frankfurt a. M. 1980, S. 386 f.; vgl. Winfried Becker, Das Bismarck-Reich – ein Obrigkeitsstaat? Die Entwicklung des Parlamentarismus und der Parteien 1871–1890, Friedrichsruh 2000, S. 5–12. 14 Vgl. Dieter Albrecht, Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1871–1918), in: Alois Schmid (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. IV/1, Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Staat und Politik, 2. neu bearb. Aufl. München 2003, S. 319–438, 321: Bayern war von der Reichsgesetzgebung befreit: im Heimat- und Niederlassungswesen, Eisenbahnwesen, Post- und Telegrafenwesen, Verehelichungswesen (weitgehend), bei der Bier- und Branntweinsteuer, zum Teil im Militärwesen. 15 Friedrich Hartmannsgruber, Die Bayerische Patriotenpartei 1868–1887, München 1986. 16 Hans-Georg Aschoff, Welfische Bewegung und politischer Katholizismus 1866– 1918. Die Deutschhannoversche Partei und das Zentrum in der Provinz Hannover während des Kaiserreiches, Düsseldorf 1987.
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Zeit“, trotz seiner bürgerlich-liberalen Prägung eher das bestehende Recht zusammenfasste als neues Recht reformierend schuf. Sein systematisierender Charakter „war das Ergebnis des Rechtspluralismus in einem föderalistischen System“17 – dies trotz des eine ausgeglichene Bundesstaatlichkeit verhindernden Übergewichts Preußens. III. Die vom Ersten Weltkrieg verursachten zentralisierenden Tendenzen – z. B. auf den Gebieten der Ernährung, Rüstungsproduktion und Dienstverpflichtung – weckten Gegenkräfte, die sich im linken Föderalismus des bayerischen Sozialisten Kurt Eisner, aber auch in der Gründung der Bayerischen Volkspartei entluden.18 Die Weimarer Verfassung begründete dann den dezentralisierten Einheitsstaat; ihr Entwurf stammte von dem Liberalen Hugo Preuß. Indes blieb die Hegemonie Preußens bestehen, obwohl die Aufteilung dieses Landes in der Logik der Begründung des neuen Volksstaates, der Republik, gelegen hätte. Doch die gegebenen Machtverhältnisse wirkten weiter. Die gemäßigten Sozialdemokraten und die sog. Weimarer Koalition benötigten angesichts der inneren Instabilität und der Revolution den Rückhalt der traditionellen Kräfte, dazu gehörten auch die Verwaltung und die Existenz des bisher größten Landes, Preußen.19 Unitarisierend wirkten dann die Finanzreform des Zentrumspolitikers Matthias Erzberger, die weit überhöhten Reparationsforderungen, die aus dem Versailler Vertrag abgeleitet wurden, die schwere Wirtschaftskrise und die Inflation der frühen 1920er Jahre. Aber es darf wohl als großer Erfolg der ersten Weimarer Regierungen gelten, dass die Einheit Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg überhaupt erhalten blieb. Der Reichskanzler Joseph Wirth hat ihn auf die von den nationalistischen Propagandisten heftig angegriffene Erfüllungspolitik zurückgeführt.20 Die Länder hatten sich 1918 ihrer Fürsten entledigt. Sie waren nun parlamentarisch regierte Frei- oder Volksstaaten mit eigener Verfassung geworden und 17 Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 2, Machtstaat vor der Demokratie, München 1998, S. 193 f. 18 Heinz Hürten, Revolution und Zeit der Weimarer Republik, in: A. Schmid, Handbuch (wie Anm. 14), S. 439–498, 440–445; Claudia Friemberger, Sebastian Schlittenbauer und die Anfänge der Bayerischen Volkspartei, Wolnzach-St. Ottilien 1998, S. 46–53. 19 Gerhard Schulz, Zwischen Demokratie und Diktatur. Verfassungspolitik und Reichsreform in der Weimarer Republik, Bd. 1, Die Periode der Konsolidierung und der Revision des Bismarckschen Reichsaufbaus 1919–1930, 2. ergänzte Aufl. BerlinNew York 1987, S. 215–244 u. ö. 20 Wirth verwies am 26. Mai 1922 auf eine entsprechende Erklärung des britischen Premierministers David Lloyd George ihm gegenüber. Rudolf Morsey/Karsten Ruppert (Bearb.), Die Protokolle der Reichstagsfraktion der Deutschen Zentrumspartei 1920– 1925, Mainz 1981, Nr. 144 b, S. 348.
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fanden eine Gesamtvertretung in dem den Unitariern schließlich abgetrotzten Reichsrat. Aber sie waren hinsichtlich ihres Gebietes und ihrer Bevölkerung sehr ungleich. Preußen umfasste immer noch 61% der deutschen Bevölkerung. Die Neuordnung des Verhältnisses zwischen dem Reich und den Ländern bildete den Hauptgegenstand der teils heftig geführten, mehrfach anlaufenden Debatten über die Reichsreform.21 In fast unzulässiger Vereinfachung lassen sich wohl drei Hauptkonzeptionen unterscheiden, die die sehr differenziert geführte Diskussion hervorbrachte. Einige empfahlen den Übergang zum Einheitsstaat, die „Verreichlichung“ wichtiger Staatsaufgaben wie der Justiz. Der Lutherbund knüpfte 1928 und 1930 an schon früher erörterte Pläne an, Preußen im Reich aufgehen zu lassen und die Kleinstaaten dem neu zu schaffenden Reichsland als Provinzen anzugliedern; die „alten“ Länder wie Bayern, Sachsen und Baden sollten weiter bestehen. Der bayerische Ministerpräsident Heinrich Held hingegen forderte nachdrücklich eine Einschränkung der Gesetzgebungskompetenz des Reiches und der Reichsverwaltung, eine Ausweitung der Ländergesetzgebung und die Verwaltung der direkten Steuern durch die Länder.22 Von diesen föderalistischen Tendenzen sind substantiell jene republikfeindlichen nationalistischen Kräfte zu unterscheiden, die Bayern zur „Ordnungszelle“23 umfunktionieren und von dort das „rote Berlin“ erobern wollten. Insgesamt wurden bisher in der Geschichtsschreibung die Vorstellungen zur Länder- und Reichsreform, besonders die ihnen zugrunde liegenden Ideen, noch zu wenig gewürdigt. Der Münchener Rechtshistoriker Konrad Beyerle, der an den Grundrechtsartikeln der Weimarer Verfassung mitarbeitete und für die Bayerische Volkspartei einige Jahre Mitglied des Reichstags war (1920–1924), 21 Dazu Schulz (wie Anm. 19); die Angaben bei Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, 6. Aufl. München 2002; Kurt Düwell, Zwischen Föderalismus, Unitarismus und Zentralismus. Reichsreform und Länderneugliederung in der Weimarer Republik (1918–1933), in: Janz/Schiera/Siegrist, Zentralismus (wie Anm. 12), S. 215–225; Heike Holste, Der deutsche Bundesstaat im Wandel. 1867–1933, Berlin 2002; Jürgen John, „Unitarischer Bundesstaat“, „Reichsreform“ und „Reichs-Neugliederung“ in der Weimarer Republik, in: ders. (Hrsg.), „Mitteldeutschland“. Begriff – Geschichte – Konstrukt, Rudolstadt-Jena 2001, S. 297–375; für Süddeutschland: Manfred Peter Heimers, Unitarismus und süddeutsches Selbstbewußtsein. Weimarer Koalition und SPD in Baden in der Reichsreformdiskussion 1918–1933, Düsseldorf 1992; Wolfgang Benz, Süddeutschland in der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik 1918–1923, Berlin 1970; Franz Menges, Reichsreform und Finanzpolitik. Die Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit Bayerns auf finanzpolitischem Wege in der Zeit der Weimarer Republik, Berlin 1971; ders., Vom Freistaat zur Reichsprovinz (1918–1933), in: Manfred Treml, Geschichte des modernen Bayern. Königreich und Freistaat, München 1994, S. 147–273; Karl Schwend, Bayern zwischen Monarchie und Diktatur. Beiträge zur bayerischen Frage in der Zeit von 1918 bis 1933, München 1954. 22 Schwend (wie Anm. 21); Erika Schnitzer, Das Ringen der Regierung Held um die Stellung Bayerns im Reich, Erlangen 1968. 23 Herbert Speckner, Die Ordnungszelle Bayern. Studien zur Politik des bayerischen Bürgertums, insbesondere der Bayerischen Volkspartei von der Revolution bis zum Ende des Kabinetts Dr. von Kahr, Nürnberg 1956.
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hielt an der „Staatsnatur der Reichsglieder“, d. h. am Staatscharakter der Länder, fest.24 Er widersprach damit unitarischen Bestrebungen, die Länder zu Körpern der Selbstverwaltung herabzustufen. Beyerle plädierte vielmehr für eine ineinander greifende, subsidiär zu handhabende, quasi doppelte gesetzgebende Gewalt des Reiches und der Länder. Eine Konsequenz daraus wäre gewesen, den Reichsrat zum gleichberechtigten Gesetzgebungsorgan aufzuwerten. Die Bayerische Volkspartei hat diesen Vorschlag im Chaos der frühen 1930er Jahre, als die Diktatur schon ihre Schatten vorauswarf, nochmals in die Diskussion eingebracht – allerdings ohne die geringste Erfolgsaussicht. Einige Zentrumspolitiker der Weimarer Republik vertraten Föderalismus-Theorien mit verschiedenen inhaltlichen, aber kohärenten Akzentuierungen. Beyerle versuchte nachzuweisen, dass die Etappen des deutschen Verfassungs-Föderalismus mit seiner organischen Staatsauffassung in Einklang stünden. Dem „Staat der Abstraktion“, der von oben gelenkten „Organisationsmaschine“, setzte Beyerle die Vorstellung vom ganzheitlichen Staatsorganismus entgegen, der „durch ungehemmte Entfaltung aller natürlichen Kräfte der Glieder [. . .] zur Blüte staatlicher Kultur“ gelange. Insbesondere versage „ein mechanisierter Großstaat“ angesichts der stets wichtigen Aufgabe, die Jugend zu wahrer Staatsgesinnung zu erziehen. Auch Georg Schreiber, der Experte der Zentrumsfraktion des Reichstages für Kulturpolitik, teilte diesen pädagogischen Eros. Er schlug vor, in die internationalen Beziehungen die Praxis einer „Kulturpädagogik“ einzuführen, insbesondere die „Kooperation der europäischen Völker“ auf einen kulturell motivierten Respekt vor dem jeweiligen „Volkstum“ zu gründen; als naheliegendes, aber nicht erschöpfendes Beispiel für die Berechtigung seines Volkstumsbegriffs nannte Schreiber die Konflikte um die Minderheitsrechte.25 Mit Verve entwarf der Regierungsrat Fritz Schäffer, Landtagsabgeordneter der Bayerischen Volkspartei, der spätere Bundesminister der Finanzen und der Justiz (1949–1957, 1957–1961), die Idee eines von den „Volkskräften“ statt von 24 Beyerle, Föderalismus (wie Anm. 1), Sp. 67 f. auch zum Folgenden. Er sprach auch von einem „Selbstbestimmungsrecht der Stämme“; vgl. Konrad Beyerle, Föderalistische Reichspolitik, München 1924. Über Beyerle (1872–1933): Thomas Hense, Konrad Beyerle. Sein Wirken für Wissenschaft und Politik in Kaiserreich und Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 2002; Adolf Laufs, Konrad Beyerle. Leben und Werk, in: Clemens Bauer/Alexander Hollerbach/Adolf Laufs (Hrsg.), Gestalten und Probleme katholischer Rechts- und Soziallehre, Paderborn 1977, S. 21–54. 25 Rede Schreibers im Reichstag am 26.6.1930. Verhandlungen des Reichstags. Stenographische Berichte, Bd. 428, Berlin 1930, S. 5887 f.; über Schreiber (1882–1963): Rudolf Morsey, Aus westfälischer Wissenschaft und Politik. Landschaftliches und Universales im Lebenswerk von Georg Schreiber, in: Westfälische Forschungen 10 (1957), S. 6–25; ders., Der Wissenschaftler Georg Schreiber als Kulturpolitiker und Wissenschaftsorganisator in der Weimarer Republik, in: Michel Grunwald/Uwe Puschner (Hrsg.), Das katholische Intellektuellenmilieu in Deutschland, seine Presse und seine Netzwerke (1871–1963), Bern 2006, S. 211–229.
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einer völkischen Einheit getragenen Bundesstaates. Er erblickte in dem föderalistischen Staatswesen ein gleichsam universelles Phänomen, das dem „Kulturgedanken“ des Staates am besten entsprach und zugleich Kraft nach außen ausstrahlte. Als Beispiele führte er die USA, das britische Empire, Staaten Mittelund Südamerikas, aber auch kleinere Bundesstaaten wie die Schweiz und Österreich an. Darüber hinaus begriff Schäffer den Föderalismus als Ausdruck eines überall in der Natur angelegten Harmoniestrebens, auch eines Geistes der Versöhnung und des Ausgleiches in einer Mittellage, gleich weit entfernt von den Einseitigkeiten des Unitarismus, von der Zwang einplanenden Tendenz zur Vereinheitlichung, und von den zentrifugalen Tendenzen zur Vereinzelung, zum Separatismus und Partikularismus.26 Solche Theorien waren, wenn überhaupt, jedenfalls in der Zwischenkriegszeit nicht zu verwirklichen. Auch die Reichsreform scheiterte. Schließlich schien die Rückbesinnung auf die Struktur des Bismarckreiches einen allerdings nicht recht befriedigenden Kompromiss zu bieten, auch was den Konflikt zwischen Bayern und dem Reich betraf. Eine Garantie zumindest für den Erhalt der bayerischen und anderer Länderrechte bot sich der Regierung Heinrich Helds indirekt dann, wenn die Fortexistenz Preußens anerkannt wurde und so vice versa von einer gegebenen Legitimität für die seit 1871 bestehenden Staaten bzw. Länder ausgegangen wurde. Eine Grundvoraussetzung für die nationalsozialistische Diktatur entstand dadurch, dass eine antiparlamentarische Partei im Zentralparlament, im Reichstag, die relative Mehrheit gewann. Dadurch wurde die schon bisher schwierige Koalitionsbildung noch zusätzlich belastet; das unerleuchtete Handeln Hindenburgs, der Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, massive autoritär-antiparlamentarische Tendenzen außerhalb der NSDAP und andere Faktoren taten ein Übriges, um die NS-Diktatur zu installieren. Immerhin lässt sich die Frage aufwerfen, ob eine mehr föderalistische Verfassung der Weimarer Republik den Sieg des Nationalsozialismus hätte verhindern können. Nach dem 30. Januar 1933 haben die Nationalsozialisten die Länder und Stadtstaaten jedenfalls rasch gleichgeschaltet und gesetzlich entmachtet, um außer den Parteien auch die staatsrechtlichen Barrieren zu beseitigen, die der Herrschaft der von ihnen ausgerufenen „Volksgemeinschaft“ im Wege standen. Die 15 Länder wurden zu bloßen Verwaltungseinheiten degradiert. Über sie wurden allmählich 42 26 Fritz Schäffer, Der Föderalismus in Deutschland, München o. J. [1928], S. 5–8; Winfried Becker, Fritz Schäffer und der Föderalismus, in: Wolfgang J. Mückl (Hrsg.), Föderalismus und Finanzpolitik. Gedenkschrift für Fritz Schäffer, Paderborn 1990, S. 9–36, 19 f.; über Schäffer (1888–1967): Otto Altendorfer, Fritz Schäffer als Politiker der Bayerischen Volkspartei 1888–1945, Bd. 1–2, München 1993; Christoph Henzler, Fritz Schäffer 1945–1967. Der erste bayerische Nachkriegs-Ministerpräsident und erste Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, München 1994 (mit drei TitelVarianten!).
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Gaue, 30 Wirtschaftsbezirke, 18 Wehrkreise und 10 Reichsstatthalter-Bezirke geschoben.27 Auch der Sozialismus der Deutschen Demokratischen Republik hat sich bekanntlich dem Einheitsstaat, wenn auch mit anderer ideologischer Begründung, verschrieben und die Länder aufgelöst. Nach der Wiedervereinigung sind wie selbstverständlich im Osten Deutschlands die Neugründungen historischer Länder vorgenommen worden. Die Anzahl der Bundesländer vermehrte sich damit auf 16. Die neuen Länder wurden die Auffangbecken für Transferleistungen; ihre Regierungen nahmen den Aufbau eines modernen Wirtschaftslebens in die Hand. Die Länder Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern entwickelten während der kurzen Zeit ihres Bestehens bereits starke Beharrungskräfte, wie das die Vereinigung mit Berlin ablehnende Votum der Bevölkerung des Landes Brandenburg jüngst zeigte. Nach 1945 vollzog sich der Aufbau der Bundesrepublik Deutschland zuerst über die Länder; die Ministerpräsidenten waren die ersten Ansprechpartner der westlichen Alliierten. Besonders die englische und die amerikanische Besatzungsmacht bevorzugten einen Staatsaufbau von unten. Sie wollten jeglicher Wiederbelebung eines nationalistischen Zentralismus einen Riegel vorschieben, indem sie den Deutschen zur Pflicht machten, sich eine bundesstaatliche Verfassung zuzulegen. Der Bundesstaat sollte jedenfalls eine wichtige Vorbedingung für eine neue Demokratie sein, ebenso wie die im Zuge der Re-Edukation zuerst in den Kommunen wieder einzuübende Selbstverwaltung. Die Engländer verlangten damit etwas von den Deutschen, das ihrer eigenen, mehr zentralstaatlichen Tradition gar nicht entsprach, während die deutschen Nachkriegspolitiker, ohne sich zu verbiegen bzw. nur einem Diktat der Westalliierten zu folgen, sich auf ein Grundphänomen ihrer langen, weit vor den Nationalsozialismus zurückreichenden Verfassungsgeschichte besinnen konnten. Doch wurde das Land Preußen auf Geheiß der Siegermächte aufgelöst. Unter freilich ganz anderen Bedingungen, als es sich ein Weimarer Politiker hätte vorstellen können, schien nun ein Postulat in Erfüllung zu gehen, das Konrad Beyerle vergebens erhoben hatte: einen Föderalismus „demokratischer und freistaatlicher Länder in einer Bundesrepublik“ herbeizuführen.28 Bereits die Verfassungsplanungen deutscher Politiker im Exil hatten häufig ein bundesstaatliches Modell für den Wiederaufbau Deutschlands ins Auge gefasst.29
27 Gotthard (wie Anm. 8), S. 27; vgl. Horst Möller/Andreas Wirsching/Walter Ziegler (Hrsg.), Nationalsozialismus in der Region. Beiträge zur regionalen und lokalen Forschung und zum internationalen Vergleich, München 1996, besonders S. 99– 251 (Kap. III der Beiträge); die Maßnahmen und Gesetze zur Gleichschaltung der Länder informativ aufgelistet bei Christoph Studt, Das Dritte Reich in Daten, München 2002, S. 13, 15 f., 29 f., 34 f., 47, 58, 60, 64. 28 Beyerle, Föderalismus (wie Anm. 1), Sp. 68.
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Allerdings führte die Verfassungsdiskussion über den Föderalismus, die während der Vorgeschichte der Bundesrepublik, im Parlamentarischen Rat und unter den Parteien, stattfand, zu anderen, neuen Akzentsetzungen. Große, überregional ausgerichtete Parteien waren am Entstehen, eine neue Kondition für politische Zukunftsplanung. So befürchtete Konrad Adenauer von einem Bundesrat, einer neben den Bundestag oder „Volkstag“ tretenden Länderkammer, die Stärkung der Tendenz zum Zentralismus, falls, wie zu erwarten, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands die Mehrheit der Länder erobern und damit auch den Bundesrat dominieren würde.30 Er wusste, dass die SPD in ihrer zentralistischen Ausrichtung, von Ausnahmen wie dem Bayern Wilhelm Hoegner abgesehen, den früheren Liberalen nahe kam; die Freien Demokraten schienen sich nun zur dritten Kraft im neuen Parteienspektrum zu entwickeln. So brachte er, zusammen mit dem ehemaligen Düsseldorfer Oberbürgermeister Robert Lehr, eine neue Form der Gewaltenteilung zur Sprache. Beide traten für einen Senat statt einen Bundesrat als zweite Kammer ein. Der Senat sollte von den Landtagen gewählt werden und aus Persönlichkeiten mit großer Berufs- und Lebenserfahrung bestehen.31 Davon versprachen sich diese beiden führenden Repräsentanten der Christlich-Demokratischen Union der britischen Zone eine echte Willensbildung, die im Senat und zwischen dem Senat und dem Bundestag stattfinden würde, während der Bundesrat als Länderkammer nur instruierte Vertreter der Länder umfassen werde; das Ergebnis seiner Debatten werde daher voraussehbar sein. Ohne sich mit der CDU/CSU-Fraktion vorher abzustimmen, einigte sich der Bayerische Ministerpräsident Hans Ehard (Christlich-Soziale Union) mit dem Sozialdemokraten Walter Menzel in einem „Gentleman’s Agreement“ auf die Einrichtung eines Bundesrats32, der mit einem konditionierten Veto aus29 Vgl. Claus-Dieter Krohn/Martin Schumacher (Hrsg.), Exil und Neuordnung. Beiträge zur verfassungspolitischen Entwicklung in Deutschland nach 1945, Düsseldorf 2000. 30 Adenauer vor dem Zonenausschuss der CDU der britischen Zone in Königswinter am 28./29. Oktober 1948. Pütz, Adenauer (wie Anm. 7), S. 730 f., 769 f. Vgl. Jürgen Kohns, Konrad Adenauer und der Föderalismus, Würzburg 1987; Richard Ley, Föderalismus-Diskussion innerhalb der CDU/CSU von der Parteigründung bis zur Verabschiedung des Grundgesetzes, Mainz 1978, S. 77–90; Jochen Huhn, Die Aktualität der Geschichte. Die westdeutsche Föderalismus-Diskussion 1945–1949, in: Huhn/ Witt (wie Anm. 1), S. 31–53; Friedrich Glum, Der künftige deutsche Bundesstaat, München 1948. 31 Robert Lehr vor dem Zonenausschuss der CDU am 24./25. Februar 1949 (Pütz, Adenauer [wie Anm. 7], S. 835); Prof. von Mangold (Kiel) vor dem Zonenausschuss der CDU am 28./29. Oktober 1948 (ebd., S. 748 f.); Heinrich von Brentano in der Sitzung der CDU/CSU-Arbeitsgemeinschaft am 8./9. Januar 1949. Brigitte Kaff (Bearb.), Die Unionsparteien 1946–1950. Protokolle der Arbeitsgemeinschaft der CDU/ CSU Deutschlands und der Konferenzen der Landesvorsitzenden, Düsseldorf 1991, S. 273–276. 32 Am 26. Oktober 1948 im Hotel Königshof (Bonn). Winfried Becker, Um Verfassungstheorie, Föderalismus und Parteipolitik. Zwei Kontroversen im Parlamentarischen Rat, in: Karl Dietrich Bracher u. a. (Hrsg.), Staat und Parteien. Festschrift für Rudolf
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gestattet werden sollte. Damit war zugestanden, dass die Länder an der Willensbildung des Bundes mitwirkten, aber nicht umgekehrt der Bund an der Willensbildung innerhalb der Länder, wenngleich im Laufe der Zeit die allein vom Bundestag zu beschließenden Gesetze immer größere Bedeutung erlangten und mächtige Vorgaben für die Länder enthielten. Das Grundgesetz verschaffte den Bundesländern eine vom Bund unabhängige Existenz, sie wurden „Länder aus eigenem Recht“, führten Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege selbständig durch.33 Sie erhielten die Kulturhoheit und eigene Steuern, obwohl der Bund gegen den ursprünglichen Willen der Westalliierten mit eigener Finanzkraft ausgestattet wurde. Die Länder standen damit eindeutig über den Organen der Selbstverwaltung; deren kommunale Träger sahen sich später wegen hoher Verschuldung häufig oder gar regelmäßig auf Landeszuschüsse angewiesen. Eine voraussichtlich starke Stellung der Länder hatte sich schon während der Verfassungsdebatten in Herrenchiemsee abgezeichnet, obwohl Pläne zur Aufteilung Deutschlands, etwa durch Bildung eines süddeutschen Länderbundes, obsolet blieben. Die Länder erhielten allerdings keine echte Teilhabe an der Außenpolitik des Bundes, obwohl internationale Verträge ratifikationsbedürftig waren, die Ministerpräsidenten die Vertreter auswärtiger Staaten besuchten und empfingen und in den Ländern auswärtige Konsulate akkreditiert wurden. Über Parteigrenzen hinweg betonten einige Bundesländer anlässlich der Ratifikation der Westverträge (1952), der vielleicht wichtigsten außenpolitischen Weichenstellung der Bundesrepublik, das Mitwirkungsrecht des Bundesrats. Die Kompetenz des Bundes für die Außenpolitik haben Adenauer und die Unionsparteien von vornherein gutgeheißen, gerade weil sie aufrichtige Verfechter des Föderalismus waren. Allerdings kämpfte die CSU hartnäckiger als Morsey zum 65. Geburtstag, Berlin 1992, S. 841–861; Rudolf Morsey, Föderalismus im Bundesstaat. Die Rolle des bayerischen Ministerpräsidenten Hans Ehard in der Vor- und Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, in: Ulrich von Hehl u. a. (Hrsg.), Rudolf Morsey. Von Windthorst bis Adenauer. Ausgewählte Aufsätze zu Politik, Verwaltung und politischem Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn u. a. 1997, S. 469–484, 476 f. Zu H. Ehard (1887–1980): Karl-Ulrich Gelberg, Hans Ehard. Die föderalistische Politik des bayerischen Ministerpräsidenten 1946–1954, Düsseldorf 1992. 33 Robert Lehr vor dem Zonenausschuss der CDU am 24./25. Februar 1949 in Königswinter. Pütz, Adenauer (wie Anm. 7), S. 833; Äußerungen Adenauers ebd., S. 817, 824; Adolf Süsterhenn (Hrsg.), Föderalistische Ordnung. Ansprachen und Referate der vom Bund Deutscher Föderalisten und vom Institut für Staatslehre und Politik e. V. am 9. und 10. März 1961 in Mainz veranstalteten staatswissenschaftlichen Arbeitstagung, Koblenz [1961]. Vgl. Huhn/Witt (wie Anm. 1); Roland Sturm, Föderalismus in Deutschland, Opladen 2001; Heinz Laufer/Ursula Münch, Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1998; Konrad Reuter, Föderalismus. Grundlagen und Wirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. Heidelberg 1994; Falk Esche u. a. (Hrsg.), Handbuch der deutschen Bundesländer, Frankfurt a. M. 1990. Siehe oben Anm. 1–3, 12, 20.
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ihre außerbayerische Schwester gegen die Rechte und die Vorranggesetzgebung des Bundes. Obwohl CDU und CSU als eigenständige Parteien entstanden waren, die CDU auch zunächst bis 1950 im wesentlichen aus Landesverbänden bestand, kam es zu einem Zusammenschluss dieser beiden Parteien, der ein gemeinsames Vorgehen auf Bundesebene ermöglichte. Die Bereitschaft, eine Fraktionsgemeinschaft einzugehen, zeigte beispielhaft, dass die Unionspolitiker eine wichtige Lehre aus der Vergangenheit zogen. Denn die beiden wichtigsten Vorläufer der Unionsparteien, die Deutsche Zentrumspartei und die Bayerische Volkspartei, waren nach 1918 im Reichstag getrennt aufgetreten und hatten dadurch die demokratischen Kräfte der Weimarer Republik geschwächt. Die föderalistische Programmatik der Unionsparteien ist noch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Sie weist eindeutig über innen- und parteipolitische Bezüge hinaus. Das Angebot, Deutschland in Zukunft auf föderalistischer Basis aufzubauen, zerstreute bei den christlich-demokratischen Parteiführern Westeuropas, die in ihren Staaten bald führende Stellungen bekleiden sollten, den immer noch starken Argwohn gegenüber dem durch den Nationalsozialismus schwer diskreditierten Land. Entsprechende Diskurse fanden auf den Tagungen der Nouvelles Equipes Internationales (NEI) seit 1947 statt. Konrad Adenauer und seine Mitstreiter der ersten Stunde, darunter Heinrich von Brentano, Kai-Uwe von Hassel, Friedrich Wilhelm von Prittwitz und Gaffron sowie Jakob Kaiser betonten mehrfach, dass ein bundesstaatlich aufgebautes (West-) Deutschland über das Bindeglied einer föderalistischen Struktur in ein vereinigtes Europa eingegliedert werden könne, in eine europäisch-abendländische Föderation. Entsprechend erklärte der Luxemburger Kongress der NEI 1948: „Ein föderativ strukturiertes Deutschland, soll die Schaffung eines föderativen Europa begünstigen, welches im Rahmen der Vereinten Nationen sich aus freien und demokratischen Staaten zusammensetzt.“34 Über eine nationalistische Trotzreaktion, wie sie bei anderen Parteien zu bemerken war, konnten die Wieder-Anerkennung eines demokratischen Deutschland und dessen langsamer Wiederaufstieg jedenfalls nicht erreicht werden. Bei diesen Voraussetzungen war es kein Wunder, aber dennoch ein Glück, dass die Debatten über eine Neugliederung der Länder und die FöderalismusReform in der Bundesrepublik Deutschland nie mit einer Schärfe wie in der Weimarer Republik geführt worden sind. Die Positionskämpfe wurden in der Vorgeschichte der Bundesrepublik ausgetragen; sie erreichten weder dort noch später die Stufe prinzipieller Unvereinbarkeit und wurden auch nicht wie in Weimar die Transmissionsriemen für andere, noch schwierigere Probleme. Da 34 Entschließung des NEI-Kongresses von Luxemburg, 30.1.–1.2.1948. Michael Gehler/Wolfram Kaiser (Hrsg.), Transnationale Parteienkooperation der europäischen Christdemokraten. Dokumente 1945–1965, München 2004, Nr. 18, S. 122. Vgl. ebd., S. 134 f., 149; Stefan Delureaunu, Les Nouvelles Equipes Internationales. Per una rifondazione dell’ Europa (1947–1965), Domagnano/San Marino 2006, S. 107 ff.
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für einschneidende Neuregelungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages und die Zustimmung des Bundesrats vorgeschrieben ist, blieb der Spielraum für Änderungen begrenzt. In jüngster Zeit hat die Diskussion über die Föderalismus-Reform einige Brennpunkte ergeben35: Der Finanzausgleich zwischen reichen und armen Ländern werde zu schematisch gehandhabt. Mehr Wettbewerb solle die Leistungskraft der Länder steigern. Diesem Ziel könne auch eine Zusammenlegung von Ländern, die Verringerung ihrer Anzahl, dienen. Die Aufteilung des Steueraufkommens verlange nach Neuregelungen. Die Anzahl der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze solle von 60 auf 40 Prozent verringert werden, um die Blockade wichtiger Gesetzgebungswerke seitens der Länderkammer zu verhindern. (Dabei zeigt die Statistik der Jahre 1949 bis 2003, dass nur wenig über ein Prozent der Gesetze am Einspruch des Bundesrats gescheitert sind.36) Was die Länder an Einfluss auf die Bundespolitik verlören, solle durch die Gewährung von mehr Eigenständigkeit, z. B. bei der BeamtenBesoldung und bei der Kulturhoheit, ausgeglichen werden. Die Föderalismusreform vom 1. September 2006 (Neuregelungen des Grundgesetzes) änderte in einzelnen Sachgebieten die gesetzliche Zuständigkeit von Bund und Ländern. Letztere erhielten die ausschließliche Zuständigkeit insbesondere auf den Gebieten des Strafvollzugs, des Ladenschlusses, des Versammlungsrechts, des verhaltensbezogenen Lärms sowie der Besoldung und Versorgung der Beamten. Der Bund seinerseits bekam ebenfalls zusätzliche Kompetenzen der ausschließlichen Gesetzgebung etwa bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, beim Waffenrecht und der Kernenergie. Für die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes und der Länder gelten künftig keine einheitlichen Regelungen mehr; für den Naturschutz und die Landschaftspflege, für die Raumordnung, den Wasserhaushalt, die Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse können die Länder von Bundesgesetzen abweichende Regelungen treffen (von denen der Bund allerdings wieder abweichen kann). Die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen nach Artikel 84 I wird reduziert. 35 Vgl. die Beiträge in: Rupert Scholz, Deutschland – in guter Verfassung?, Heidelberg 2004; Thomas Fischer u. a., Föderalismusreform in Deutschland. Ein Leitfaden zur aktuellen Diskussion und zur Arbeit der Bundesstaatskommission. Forum Föderalismus 2004, Gütersloh 2004; Rudolf Hrbek/Annegret Eppler (Hrsg.), Deutschland vor der Föderalismus-Reform. Eine Dokumentation, hrsg. vom Europäischen Zentrum für Föderalismus-Forschung (Occasional Papers 28), Tübingen 2003; Reinhard C. MeierWalser/Gerhard Hirscher (Hrsg.), Krise und Reform des Föderalismus (Hanns-SeidelStiftung), München 1999; Konrad Morath (Hrsg.), Reform des Föderalismus. Beiträge zu einer gemeinsamen Tagung von Frankfurter Institut – Stiftung Marktwirtschaft und Politik – und Institut der Deutschen Wirtschaft, Köln-Bad Homburg 1999; Kirsten Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus in der Bundesrepublik Deutschland. Die Reform des Grundgesetzes von 1994, Düsseldorf 1998. 36 Judith Koppetsch, Informationszentrum Föderalismus. Einblick in die Geschichte und Arbeit des Bundesrates, in: Museumsmagazin. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 3/2006, S. 15 f.
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Der Bund darf den Gemeinden keine Aufgaben mehr übertragen, diese gehen vielmehr zunächst an die Länder.37 In der Landwirtschaft und in der Bildungspolitik, besonders hinsichtlich der Universitäten38, erwächst den Ländern aber eine neue Konkurrenz. Organe der Europäischen Union nehmen in zentralstaatlicher Manier Reglementierungen auf diesen recht unterschiedlichen Gebieten vor, ohne dass ihnen mit dem Hinweis auf gewachsene und bewährte Regionalstrukturen Widerstand entgegengesetzt würde. Vielmehr wirken die Vertreter von Einzelstaaten an den neuen Regelungen mit oder erlassen diese. Man darf gespannt sein, wie gleichmäßig z. B. die Vorschriften zur Vereinheitlichung der Universitäts-Ausbildung in den einzelnen Staaten Europas – von Deutschland abgesehen – Durchsetzung finden werden. Immerhin erhalten die Länder durch die Föderalismusreform (1.9.2006) bei der Zusammenarbeit mit dem Bund in Angelegenheiten der Europäischen Union eine stärkere Vertretung in jenen Schwerpunkten, die die ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffen, besonders auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks.39 IV. Die Väter des Grundgesetzes beabsichtigten, die zweite deutsche Demokratie, nach der Bundesrepublik auch das wiedervereinigte Deutschland, mit föderativen Strukturen auszustatten. Diese stehen nun im Rang eines Verfassungsgebots und haben sich bewährt. Weitere Änderungen werden voraussichtlich nicht den Kernbereich des Bund-Länder-Verhältnisses betreffen. Gegen eine allzu unbedenkliche Ausweitung der Kulturhoheit der Länder lässt sich einwenden, dass allgemeine Bildungsstandards und die Freizügigkeit erhalten bleiben müssen und dass der Bund, der zum Ausbau der Hochschulen beträchtlich beigetragen hat, vermutlich weiterhin Kulturausgaben für die Länder übernehmen wird. Unter Rückgriff auf die einleitend erörterten Begründungen des Föderalismus lassen sich resümierend einige Folgerungen für Gegenwart und Zukunft ziehen: 1.
Subsidiarität bleibt eine aktuelle Form und Ausprägung des Föderalismus. Aktivitäten und Institutionen vor Ort sind unentbehrlich, um Infrastruktur
37 Überblick über die wichtigsten Neuregelungen des Grundgesetzes vom 1.9.2006: Bundesgesetzblatt I, 2006, Nr. 41, 2034 (Bearb.: Professor Dieter Schmalz. http:// www. juratelegramm.de/faelle/oeffentliches_recht/Foederalismusreform2006.htm); vgl. Synopse der Änderungen des Grundgesetzes zum 1.9.2006 – S. 1–28, dejure.org. (Freundl. Hinweis von Annette Röck, Passau). 38 Bernhard vom Brocke/Peter Krüger (Hrsg.), Hochschulpolitik im Föderalismus. Die Protokolle der Hochschulkonferenzen der deutschen Bundesstaaten und Österreichs 1898 bis 1918, Berlin 1994, sehen „die Blüte der Wissenschaften in Deutschland“ vor 1918 aus der „sog. Kulturhoheit der Länder“ resultieren (S. XIII). 39 Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. Sept. 2006: BGBl. I 2006, Nr. 42 vom 12.9.2006.
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für modernes Leben und Verdienstmöglichkeiten zu schaffen. Sie können nicht unbedenklich den angeblich allein Effizienz verheißenden ClusterBildungen geopfert werden. Deutschland zehrt heute noch davon, dass ihm über Jahrhunderte hinweg die breit gestreute Ansiedlung einer Vielzahl von lokalen Gewalten, Hoheitsträgern und Wirtschaftseinheiten gelang. Das flache Land wurde nicht zu Gunsten einer oder mehrerer Zentralen vernachlässigt, wie etwa in Frankreich oder, extrem, in China. Inzwischen findet aber eine Entvölkerung ganzer Landstriche in Ostdeutschland statt, unwillkürlich denkt man an ähnliche freilich auffälligere, früher einsetzende Erscheinungen in Süditalien. Hier ist in hohem Maße politische Verantwortung und Findigkeit gefordert, um funktionierende Binnenmärkte und Beschäftigung zu erhalten oder wieder herzustellen. Es wäre auf die Beispiele regionaler Wirtschafts- und Kulturförderung zu verweisen, die Frankreich im Zuge einer seit 1982 entdeckten und durchgeführten, allerdings den Einfluss der Zentrale wahrenden Dezentralisation vornimmt.40 Die föderativen Strukturen in Deutschland rechtfertigen sich auch aus dem Gebot, im Geltungsbereich des Grundgesetzes möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse herbeizuführen; aber dies ist nicht gleichzusetzen mit einem Planifizierungsgebot. Die Probleme gehen indes tiefer. Fast scheint es angebracht, sich auf einen Föderalismus vor dem Föderalismus, auf die ersten Grundlagen des Föderalismus zu besinnen, wie sie durch die Erschließung von Rodungsgebieten und Neu-Ansiedlungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit geschaffen wurden, allerdings heute unter ganz geänderten, für unsere Zeit passenden Vorzeichen. Die ursprünglichen Sozialgebilde, ausgehend von der Familie, mit den nötigen Rechten, Freiheiten und Mitteln ausgestattet, könnten wieder jene Aufgaben der Existenzsicherung und Versorgung übernehmen, die während der letzten Jahrzehnte an den Staat übergingen, von diesem aber immer weniger getragen werden können. Subsidiarität bedeutet auch, Institutionen in ihrem Recht zu lassen, denjenigen Personenkreisen die Entscheidung zu übertragen, die von ihrer Ausbildung und Kompetenz her am ehesten dafür geeignet sind, z. B. in der Hochschulpolitik, aber weit über diese hinaus. In diesem Sinne ist Föderalismus nicht mit Dezentralisation gleichzusetzen, d. h. Abgabe von Macht seitens einer Spitze, eines Zentrums, sondern Föderalismus setzt das gegebene Existenzrecht ursprünglicher Sozialgebilde oder Lebenskreise voraus.41 40 Vgl. an neuester Literatur: Jacques Baguenard, La Décentralisation, 7., völlig neu bearb. Aufl. Paris 2004; Christophe Boutin/Frédéric Rouvillois (Hrsg.), Décentraliser en France. Idéologies, histoire et prospective, Paris 2003; Denis Fressoz, Décentralisation. „L’exception française“, Paris 2004, S. 85–92: Befürwortung des „Subsidiaritätsprinzips“, der kommunalen „authentischen Form der Demokratie“, des „örtlichen Referendums“, ja der „sacralisation de la commune en tant qu’institution“; Wolfgang Neumann/Henrik Uterwedde (Hrsg.), Abschied vom Zentralismus? Neue regionale Modernisierungspolitiken in Frankreich, Stuttgart 1997.
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Die Theorie vom Organismus oder des organischen Staatsaufbaus wurde bekanntlich unter Faschismus-Verdacht gestellt. Das überzeugt nicht, schon wegen der achtbaren Vorläufer dieser Lehre und der üblen Behandlung, die die Nationalsozialisten z. B. dem oben genannten Vertreter einer solchen Auffassung, Konrad Beyerle, zugedacht hatten.42 Warum sollte es verpönt sein, menschliche Gemeinschaften nach Analogien oder Metaphern des Lebendigen zu beschreiben, wenn man der Begrenztheit solcher Charakterisierungen eingedenk bleibt? Bei den oben genannten Anhängern des Föderalismus ging mit der Wertschätzung des Organischen ein ausgesprochenes Geschichtsbewusstsein einher, die Betonung historischer Kontinuität, die einem Staatswesen gut ansteht, auch wenn es seine aktuellen Ziele an Problemen der Gegenwart und Zukunft ausrichten muss. Schon weil Staaten sich in historisch-geographischen Räumen befinden, sind sie mit Determinanten der Vergangenheit, mit einer historisch-geographischen „longue durée“ konfrontiert, die nur begrenzt veränderlich ist. Man könnte sogar behaupten, dass der Nationalgedanke föderativen Ursprungs ist, weil seine ursprüngliche Form, zu denken wäre an den Patriotismus des 18. Jahrhunderts, auf eine bestimmte, zu verortende Gemeinschaft bezogen war, Bestandteil einer „local culture“ war, die häufig mit aufgeklärter Reformbereitschaft einherging.43 Eine Stärke des Föderalismus liegt in der landsmannschaftlichen Färbung von Politik. Der sog. Provinz oder dem Land entwachsene Führungspersonen haben schon öfters zusätzliche Attraktivität aus der Bewahrung ihrer ursprünglichen Herkunft und Prägung gewinnen können.
3.
Auch die Korrelation des Föderalismus mit Pluralität, Gewaltenteilung und Anti-Totalitarismus behält ihre Gültigkeit. Die Extremisten der Französischen Revolution, der Nationalsozialismus und der Kommunismus wussten, warum ihnen Bundesstaatlichkeit zuwider war. Sie missverstanden das System der checks and balances, wenn sie ihm nur Ineffizienz zutrauten – wobei ihre Aversion allerdings tiefer ging. Sie übersahen, dass die Teilung der Gewalten auch das Zusammenwirken gebündelter Kräfte zur Folge haben kann. Freiwilliger Zusammenschluss vermag mehr Stärke zu verleihen als ein Handeln auf Befehl. Mehr oder weniger konsoziativ strukturierte Ge-
41 Insofern ist der begriffliche Ansatz von Gotthard (wie Anm. 8), S. 31 Anm. 1, die Institutionen des Alten Reichs unter dem Aspekt „dezentraler politischer Organisation“ zu beschreiben, für Deutschland nicht so angebracht, der Versuch aber, vom Mittelalter bis zur Gegenwart einen Bogen zu schlagen, originell und anerkennenswert. 42 Zum „Organismus“ des Bund-Länder-Verhältnisses bekannte sich auch Bundespräsident Heinrich Lübke. Süsterhenn (wie Anm. 33), S. 12 f. 43 Vgl. Lydia Moland, Patriotism as Philosophy. The History and Current Context of Patriotism, in: Newsletter of the Institut für die Wissenschaften vom Menschen, Vienna Nr. 91 (Winter 2005), S. 25.
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meinschaften vermögen auf Herausforderungen vielleicht elastischer zu reagieren als Zentralstaaten, die sich die revolutionäre „république une et indivisible“ zum Vorbild nehmen. Voraussetzung dafür, dass solche Gemeinsamkeiten funktionieren, ist aber ein gewisser Fundamentalkonsens in Staat und Gesellschaft; diesbezüglich hat die Bundesrepublik seit den Verwerfungen der ersten Nachkriegszeit und trotz der Mentalitätsunterschiede in Ost und West sicherlich Fortschritte gemacht. Deutschland war über Jahrhunderte lang ein gegliedertes Staatswesen mit allen Stärken und Schwächen seiner spezifischen Pluralität. Die Besinnung auf seinen Föderalismus kann ohne weiteres mit moderner DemokratieReflexion zusammengebracht werden, bildeten doch föderative Strukturen quasi Widerlager gegen Versuche, Menschen und Institutionen total verfügbar zu machen – unter welchen ideologischen Prämissen auch immer. Ein vernünftig praktizierter Föderalismus öffnet das Tor für ihm selbst übergeordnete Werte des menschlichen Zusammenlebens, die Anerkennung von Parität, Dialog, Gewaltenteilung, Pluralismus. Wenn viele Nationalliberale des 19. Jahrhunderts die Vielstaaterei in Deutschland als Produkt des Feudalismus und politischer Lethargie beklagten, dann machten sie sich, trotz ihres anzuerkennenden Reformwillens, von fremden Vorbildern abhängig und huldigten dem Minderwertigkeitskomplex der „verspäteten Nation“. Da der Bundesrat in Deutschland eine reine Ländervertretung ist, kann sie allerdings die ihr im Rahmen der Gewaltenteilung zugedachte Aufgabe, anders als ein Senat dies könnte, nur beschränkt wahrnehmen. Die Reformer des Föderalismus sollten wachsam bleiben gegenüber sicherlich vorhandenen Bestrebungen, diese Art der Machtbalance zu beseitigen. 4.
Der Föderalismus vermag ein gleichsam vertikales Verbindungselement zwischen großen und kleinen Formen des menschlichen und staatlichen Zusammenlebens zu bilden. Von der Bundesstaatsidee lässt sich die Brücke zur Europaidee zwangloser schlagen als von der Vorstellung des geschlossenen Nationalstaats her. Aber selbst ein von der Nationalstaatsidee (mit-) geprägter Politiker wie Heinrich Brüning beteiligte sich angesichts der nationalsozialistischen Diktatur an der Zukunftsplanung für ein föderalistisches Europa, das einer „Weltunion“ einzugliedern sei.44 Die Rigidität der Brüsseler Bürokratie mag mit der national- oder zentralstaatlichen Prägung wichtiger Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammenhängen. Die Europagründer in ihrer Dreieinigkeit, Konrad Adenauer, Alcide De Gasperi und Robert Schuman, dachten da noch anders, sie hatten die Folgen des
44 Vgl. sein Memorandum für das zentraleuropäische Subkomitee der Weltordnungsgruppe in Chatham House, Mai 1939. Claire Nix unter Mitarbeit von Reginald Phelps/George Pettee (Hrsg.), Heinrich Brüning. Briefe und Gespräche 1934–1945, Stuttgart 1974, S. 254 f.
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Freiheitsentzugs am eigenen Leib erfahren. Adenauer war ein überzeugter Föderalist; er wie seine beiden kongenialen Kollegen hatten Grenzlanderfahrung. Ein föderalistisch organisiertes Europa müsste, anstatt einen präskriptiven Zentralismus auszuüben (z. B. beim Antidiskriminierungsgesetz), auch wohlerwogenen Eigeninteressen der Staaten Rechnung tragen, auf deren freiwilligen Zutritt es immerhin staatsrechtlich fundiert ist. Auch der kooperative deutsche Länder-Föderalismus bedarf einer Interpretation, die einerseits überregionalen Anforderungen gerecht wird, andererseits autogene Rechte und eigene Belange gegenüber dem Geltungsdrang der Zentrale wahrt. Allerdings sollte ein nach außen Föderalismus fordernder Staat auch im Innern föderativ organisiert sein, subsidiäre Kompetenzzuweisungen vornehmen oder die Verwendung von Steuergeldern wieder mehr mit den Quellen und Modalitäten ihrer Aufbringung abstimmen. Die Respektierung der ursprünglichen, örtlichen und regionalen Sozialgebilde kann den Sinn für die Verschränkung staatlicher Gewalten und gesellschaftlicher Mächte in einer zur Egalisierung tendierenden „Weltgesellschaft“, ebenso ein auf konkrete Bereiche bezogenes Verantwortungsgefühl wach halten. Zusammenfassung Der Beitrag unterscheidet zunächst drei Bedeutungen von Föderalismus: die Relation zum Subsidiaritätsprinzip, die Vorstellung vom gegliederten Staat, Föderalismus als Einschränkung des Machtmissbrauchs gemäß einem christlichen Menschenbild. Ein Überblick vom Mittelalter bis zur Zeitgeschichte verdeutlicht, dass der Föderalismus ein wichtiges Entwicklungsmerkmal der deutschen Geschichte war. Die Aktualität eines föderalistischen Staats- und Gesellschaftsmodells zeigt sich in den Verbindungen zu den Vorstellungen des „organischen“ Staates, des politischen und sozialen Pluralismus, der checks and balances und der europäischen Einheit. So verstanden vermag der Föderalismus auch ein notwendiges Gegengewicht zur Globalisierung zu bilden.
Summary The essay starts with some definitions of the Term „federalism“ (used here in the German sense of the word, which does not accentuate the centre of the State buts its centrifugal powers and confining forces). It goes on to show the development of federalism from the Middle Ages up to contemporary Germany. The essay conveys the idea that federalism – a complex term – can also be used to describe other aspects of society. It may describe a fundamental relation applicable to territories and single States within a broader framework of a commonwealth, to subsidiary elements („Subsidiarität“), to the theory of an organic State, to pluralism and the balance of political powers within a State as well as to the idea of a united Europe. Federalism can serve as a necessary counterbalance to globalization.
Moral Character and Democratic Capitalism By Fred D. Miller, Jr. I. The predominant political system in much of the world today is democratic capitalism.1 Following the collapse of communism in the Soviet Union and in central and eastern Europe together with widespread disillusionment over socialism, some intellectuals predicted that democratic capitalism was destined to spread throughout the world.2 More recently, the United States government has adopted the very controversial policy of promoting democracy in nations lacking a liberal tradition. In particular, after the U.S. invasion of Iraq in 2003, the Bush administration made a commitment to transform Saddam Hussein’s repressive regime into a democratic polity.3 Although this policy is very contro1 The locus classicus for “democratic capitalism” is “The Spirit of Democratic Capitalism” by Michael Novak (New York: Simon and Schuster, 1982; repr. Lanham, MD: Madison Books, 1991). By this expression Novak means “three systems in one: a predominately market economy; a polity respectful of the rights of the individual to life, liberty, and the pursuit of happiness; and a system of cultural institutions moved by ideals of liberty and justice for all. In short, three dynamic and converging systems functioning as one: a democratic polity, an economy based on markets and incentives, and a moral-cultural system which is pluralistic and, in the largest sense, liberal” (14). See also Novak, The Catholic Ethic and the Spirit of Capitalism (New York: Free Press, 1993). For an informative overview see Edward W. Younkins, “Michael Novak’s Portrait of Democratic Capitalism,” Journal of Markets & Morality 2:1 (Spring 1999), 1–22. 2 Francis Fukuyama argued in an influential article, “The End of History?” (The National Interest, Summer 1989, 3–18), that liberal democratic capitalism represented the highest form of political development and would ultimately replace other systems. This article was later expanded into a book: The End of History and the Last Man (New York: Free Press, 1992). However, in a recent book: America at the Crossroads: Democracy, Power, and the Neoconservative Legacy (New Haven, CT: Yale University Press, 2006), Fukuyama has criticized United States foreign policy, especially “the expansive, interventionist, democacy-promoting position that has come to be seen today as the essence of neoconservatism” and which was used to “justify a highly militarized American foreign policy that led logically to the Iraq war.” 3 President George W. Bush, in a speech delivered on the twentieth anniversary of the National Endowment for Democracy (November 6, 2003), declared that “the United States has adopted a new policy, a forward strategy of freedom in the Middle East.” After noting the recent increase of democracies throughout the world, especially since the end of the Cold War, he asserted the providential role of democracy: “Liberty is both the plan of Heaven for humanity, and the best hope for progress here
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versial, many would endorse in principle the aim of promoting democracy by peaceful means wherever possible throughout the world. Before such a policy goal is accepted, however, it is necessary to consider what it would entail and what would be required realistically in order to achieve it. The system of democratic capitalism combines two subsystems: democracy, in which individuals as citizens are able to establish their political institutions, to form laws and policies, and to administer them, either by direct vote (plebiscite) or through officials directly or indirectly elected by the citizens; and capitalism, in which individuals as economic actors are able to acquire and accumulate private property and engage in market transactions including the buying and selling of goods and services as well as the lending and borrowing of money and commodities. Defenders of this system argue that both democracy and capitalism rest on the deeper principle that individuals have fundamental human rights including rights to life, liberty, and property, which imply that they have the right to lead their lives as they see fit, so long as they respect one another’s rights. The right to vote (citizen sovereignty) and the right to purchase (consumer sovereignty) are different forms taken by the fundamental right to choose. Political officials will gain and continue to hold office only if the electors choose to vote for them; producers and workers will make a profit or earn a living only if consumers choose to buy their products or services. The two subsystems – political and economic – frequently interact. Taxes, tariffs, regulations, and fiscal policies may constrain or redirect economic activities to a significant extent. Economic actors, including corporations and trade unions, may also influence the political process in order to protect themselves or gain advantages (a phenomenon economists call “rent seeking”). A wide array of possible regimes fall under the general rubric of democratic capitalism, ranging from laissez-faire capitalism (with government limited to protecting property rights, enforcing contracts, and providing minimal public goods) to comprehensive welfare-state capitalism (with universal governmental provision of pensions, health and welfare services, education, housing, etc.). on Earth.” He observed that in the past “Americans have amply displayed a willingness to sacrifice for liberty,” for example in World War II and “the global nuclear standoff with the Soviet Union,” and added that, at the present critical time, “the resolve we show will shape the next stage of the world democratic movement.” Though it mentioned other regions, his speech focused on the Middle East: “Our commitment to democracy is also tested in the Middle East, which is my focus today, and must be a focus of American policy for decades to come.” Although “in many nations of the Middle East . . . democracy has not yet taken root,” it is not beyond the reach of the peoples there. “I believe every person has the ability and the right to be free.” President Bush detailed American efforts throughout the Middle East, in particular the effort to establish a democratic government in Iraq. Although “this is a massive and difficult undertaking,” he predicted, “The establishment of a free Iraq at the heart of the Middle East will be a watershed even in the global democratic revolution.” The text was accessed on www.whitehouse.gov/news/releases/2003.
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The viability of democratic capitalism in any form depends on a number of factors. There must be free elections to fill offices which are open to all. Power must be separated between different branches so that no individual or group of individuals has a monopoly on enacting laws, executing laws, and interpreting laws; and there must be effective checks and balances between these branches to prevent any official from becoming inordinately powerful. There should be a bill of rights (or the implicit equivalent) which protects individuals from violations of fundamental freedoms. These conditions cannot be satisfied however by mere “parchment barriers” against arbitrary and excessive state power. Democratic capitalism cannot be expected to take hold and endure in societies lacking the requisite political and legal skills (for example, many former European colonies in Africa which became independent countries in the mid-twentieth century have undergone despotic rule, corruption, violations of civil liberties, civil war, and in some instances genocide). But even if the skills are there, the system will take a very deviant form unless the people in general and the rulers in particular are firmly committed to the rule of law, political rights of minorities, civil liberties, and private property rights. On an even more fundamental level the citizens must be self-governing: they must be capable of thinking for themselves and of making decisions for themselves. In modern parlance the citizens must be autonomous – that is, independent, self-directing, self-determining, self-governing, self-ruling. Real human beings are not perfectly autonomous ideal agents, always thinking rationally and consistently acting on their own judgment. Nonetheless, government “of, by, and for the people” cannot long endure unless the people are able to govern themselves in a responsible manner. The argument may be stated in more traditional language: (1) A society is able to govern itself politically only if its individual citizens are able to govern themselves as individuals. (2) The citizens are able to govern themselves as individuals only if they possess good character. (3) Therefore, a society is able to govern itself politically only if its citizens possess good character. This raises the questions: What is good character? And how can the citizens of a democracy acquire good character? Or, in other words, how can they internalize the basic values and norms necessary for the proper functioning of democratic capitalism? The modern sciences of politics and economics have made great strides in understanding the workings of government and of markets, but, as we shall see, there is still much to learn from classical philosophy about the formation of a democratic culture.
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II. The School of Athens, Raphael’s famous painting, contains contrasting portraits of Plato pointing up to heaven and Aristotle down to earth. In addition to summing up brilliantly the contrast between their metaphysical systems, Raphael also indicates a fundamental difference in their political views: which may be summarily described as top-down and bottom-up. The locus classicus for top-down governance is Plato’s Republic, a dialogue primarily concerned with the questions “what is justice?” and “why should I be just?” Socrates, the principal speaker, undertakes to answer these questions through an analogy between the human soul and the city-state. The city-state contains parts (classes of citizens) which may be distinguished in terms of their functions: the producers, the soldiers, and the rulers. Likewise the individual soul contains different parts (powers or faculties) which are also distinguished in terms of their functions: reason, spirit, appetite. In both the city-state and the individual soul, the parts may exist in harmony or fall into conflict. The conflict between reason and appetite (e. g. the mental conflict experienced by someone who wants to drink wine but knows it is bad for him) is like a civil war within the soul. Although a moderate or temperate person is commonly described as self-controlled, the expression “self-control” seems like an oxymoron, because control requires that something stronger control something else which is weaker.4 The problem is solved when we realize that a soul (like a city-state) is truly self-governing only when its naturally better part rules over its worse part. This naturally better part is the rational faculty, which is able to exercise foresight on behalf of the whole soul.5 When the rational faculty acquires knowledge of what is advantageous for each part and for the whole soul, the person is said to be wise. He possesses courage when his spirited part abides by the commands of the rational part about what is to be feared and what is not. The individual is moderate “when the ruler and the ruled [within the soul] believe in common that the rational part should rule and don’t engage in civil war against it.”6 Similarly justice is found in the soul when reason rules, because the rational part is naturally suited to rule, while the appetitive part is naturally suited to be ruled, and the spirited part is by nature the helper of the rational part.7 In summary, good moral character requires the rule of reason within the soul. Socrates presses the analogy with political self-governance. A city-state will possess a sound constitution (the counterpart of good moral character) only if 4
See Plato, Republic, 4.430e–341a. Ibid., 441e4–5. 6 Ibid., 442c10–d1, cf. 431a. Translations of the “Republic” are from the translation by G. M. A. Grube revised by C. D. C. Reeve, in John M. Cooper (ed.), Plato: Complete Works (Indianapolis, IN: Hackett, 1997). 7 Ibid., 441a, 444b. 5
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the rulers know what is good for each class and for the city-state as a whole. Only philosophers can acquire such knowledge according to Plato. “Until political power and philosopher entirely coincide, . . . cities will have no rest from evils.”8 In the ideal city-state a separate class of guardians must be trained to be philosophers and then hold absolute power, with the assistance of an auxiliary class of warriors, over the producer class. Aside from its utopian features (communism, eugenics, philosopher-rulers), Plato’s top-down view contains a fundamental paradox: a city-state is self-governing when most of its citizens are not. Because the subjects in Plato’s ideal regime are unable to be ruled by their own reason, the guardians must resort to coercion, manipulation, myths, and noble lies to keep them under control.9 Aristotle in the Politics offers a contrasting, bottom-up view of self-government.10 Aristotle does agree with his teacher Plato on two fundamental points: that a virtuous soul resembles a virtuous city-state, and that in both cases good moral character requires the rule of reason. “It is natural and advantageous “for the passionate part to be ruled by the mind and the part possessing reason.”11 Aristotle disagrees, however, on how these principles should be applied to politics. He rejects Plato’s vision of an elite class of all-powerful philosophers. He denies that philosophers, as such, possess the specialized knowledge which would enable them to be rulers. In the Republic Socrates argued that apart from the realm of perceptible objects in perpetual flux there is a transcendent realm of perfect, immutable Forms which philosophers alone are capable of knowing. This includes the Form of the Good, or “the Good Itself,” which the philosophers are to use as a guide in ruling over the city-state: “Once they’ve seen the good itself, they must each in turn put the city-state, its citizens, and themselves in order, using it as their model.”12 Aristotle rejects the theory of Forms, and denies that an imperceptible transcendent Form could be of any practical use: “It is hard to see how a weaver or a carpenter will be helped in relation to his craft by knowing this Good ‘Itself ’; or how someone who has seen the Form Itself will be a better doctor or a better general.”13 According to Aristotle rulers need practical wisdom rather than theoretical philosophy. A practically wise 8
Plato, Republic, 5.473d3–5. The difficulties in Plato’s argument are detailed in Bernard Williams, “The Analogy of City and Soul in Plato’s Republic,” in: Exegesis and Argument: Studies in Greek Philosophy Presented to Gregory Vlastos, ed. by E. N. Lee/A. P. D. Mourelatos/R. M. Rorty (Assen, The Netherlands: Van Gorcum, 1973), 49–60. I try to distinguish what is defensible in Plato’s theory from what is not in “Plato on the Rule of Reason,” The Southern Journal of Philosophy 43 (2005), 50–83. 10 My interpretation of Aristotle’s “Politics” is defended more systematically in: Nature, Justice, and Rights in Aristotle’s Politics (Oxford: Clarendon Press, 1995). 11 Aristotle, Politics, 1.5.1254b6–9. Translations of the “Politics” are from the translation by C. D. C. Reeve (Indianapolis, IN: Hackett, 1998). 12 Plato, Republic, 7.540a8–9. 9
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person knows what is good for human beings and how to achieve it. Aristotle concedes that anyone who possessed incomparable practical wisdom would be qualified to rule over the rest of us; but no such godlike paragons of virtue are available, so that, in Aristotle’s ideal state, “for many different reasons, it is necessary for all alike to share in ruling and being ruled in turn.”14 One such reason, mentioned elsewhere, is that absolute rulers may abuse their power: “Appetite is like a wild beast, and passion perverts rulers even when they are the best men.”15 Thus on Aristotle’s bottom-up view, it is best if all the citizens are fully virtuous and share in governance. Such an ideal constitution – where the government is fully just and the citizens are all flourishing – is, he acknowledges, hard to achieve. It must satisfy both formal and material requirements. The formal requirement is the rule of law. Shared governance, where the citizens take turns in ruling and being ruled, is possible only if they obey regulations concerning the election and replacement of officials, terms of office, and the rights, duties, and limits assigned to each office. Popular self-governance thus requires that everyone obeys the law and no one is above the law.16 “Where the laws do not rule, there is no constitution.”17 Such a system must also meet a crucial material requirement: the citizens must possess political virtue so that they discharge their civic duties in a responsible manner and pursue the common good rather than their own private advantage. In the ideal state each and every citizen has fully formed practical wisdom and good moral character: “A city-state is excellent, because the citizens who participate in the constitution are excellent; and in our city-state all the citizens participate in the constitution.”18 Hence, the ideal constitution would provide for the moral education of every citizen. Aristotle recognized that this was not done in the city-states of his day, except for Sparta which did so imperfectly, so that citizens had to educate their own children privately as best they could.19 Hence he regarded the two most common systems of his day – oligarchy and democracy – as seriously flawed. Regardless of whether the ruling class is small or large, the rulers will abuse their power if they lack good moral character, and the result will be pervasive injustice and in the worst case civil war and revolution. Notwithstanding, Aristotle believed that political reform was possible: “it is no less a task to 13 Aristotle, Nicomachean Ethics, 1.6.1096b31–1097a11. Translations from the “Nicomachean Ethics” are by W. D. Ross, in Jonathan Barnes (ed.), The Complete Works of Aristotle (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1984). 14 Politics, 7.14.1332b23–7. 15 Ibid., 3.16.1287a30–2. 16 Ibid., 3.16.1287a16–20. 17 Ibid., 4.4.1292a30–2. 18 Ibid., 7.13.1332a33–5. 19 Politics, 8.1.1337a18–33; Nicomachean Ethics, 10.9.1180a24–35.
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reform a constitution than to establish one initially, just as it is no less a task to correct what we have learned than to learn it in the first place. That is why a statesman should be able to help existing constitutions.”20 Aristotle criticized his predecessors for misguided perfectionism: prescribing utopian ideals and remaining aloof from ordinary politics. Instead, the Aristotelian statesman follows a policy of approximism which is summed up as follows: “While it is clearly best for any being to attain the real end, yet, if that cannot be, the nearer it is to the best the better will be its state.”21 Even if the “polis of our prayers” is unattainable, it can still serve as a regulative ideal, which the statesman should try to approximate through judicious political reforms. Aristotle provides an example of his practical political method in his treatment of democracy. Despite the aforementioned reservations about democracy, which stem from the fact that democratic citizens cannot be expected to achieve full moral virtue, Aristotle argues that a case can be made for it: For the many, who are not as individuals excellent men, nevertheless can, when they have come together, be better than the few best people, not individually but collectively, just as feasts to which many contribute are better than feasts provided at one person’s expense. For being many, each of them can have some part of virtue and practical wisdom, and when they come together, the multitude is just like a single human being, with many feet, hands, and senses, and so too for their character traits and wisdom.22
Aristotle here invokes the principle of the wisdom of the multitude.23 A large group can arrive at better decisions than an individual, even when that individual is superior to any member of the group. Hence, a democracy can do better than an aristocratic constitution concentrating power in the hands of a few good men. It is noteworthy that Aristotle’s argument implies the two requirements mentioned above: First, the group must “come together,” that is, they must coordinate their interactions according to commonly accepted regulations, in order to profit from one another’s contributions. They must respect the rule of law. Second, each citizen must possess at least a modicum of virtue and practical wisdom. Otherwise the result will be mob rule expressing collective passion rather than rationality. Hence, the citizens of a democracy must have good
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Politics, 4.1.1289a3–7. Aristotle, De Caelo, 2.12.292b17–19. 22 Politics, 3.11.1281a42–b3. 23 A modern application of this principle is Condorcet’s jury theorem: If it is assumed that the individual jury members are equally competent, that each is probably right over half the time, and that there are only two choices (e. g. convict or acquit), then the majority is more likely to be correct than the minority, and as the size of the jury increases the probability that the jury will make the right decision approaches 1. For a recent discussion of the principle as applied to economics and politics, see James Surowiecki, The Wisdom of Crowds (New York: Doubleday, 2004). 21
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moral character; that is, they must be self-governing in the psychological sense. But what does it mean to be self-governing in a psychological sense? III. Modern philosophers have offered different accounts of what it is for an individual to be self-governing. Consider to begin with the relatively minimalist account that human actions are caused by the agent’s desires and beliefs. For example, an agent desires a certain end: to eat an ice-cream cone. The agent deliberates about various ways of satisfying this desire and concludes that the most efficient means to the end is to drive his car to the nearest ice-cream parlor. Believing there is a car in the garage and that the garage can be entered through a door from his house, the agent wants to open the door. The act of turning the doorknob is the direct result of the desire to open the door and of the belief that turning the knob and pushing against it will cause the door to open. Though indispensable for human action, reason has on this account a merely instrumental role: that of enabling us to arrive at true beliefs about the means to our ends. Reason plays no role in determining our ultimate ends. In David Hume’s words, “Reason is and ought to be the slave of the passions.” Individuals are self-governing on this view provided that their actions are caused by their own desires and by beliefs that they have themselves arrived at through a rational process. There are various ways in which agents could fail to be self-governing on this account. If they are forcibly or coercively prevented from carrying out the actions they have rationally concluded will further their ends, then their self-government will be impeded. If they rely on true beliefs accepted from others without arriving at them through their own reasoning, they will not be self-governing to the fullest extent. And if they rely on false beliefs accepted from others, they will be so to a lesser extent. If the false beliefs are the result of fraud or manipulation, then their self-governance will be seriously compromised. On this Humean view, the citizens of a democracy will be self-governing provided that they make decisions based on their own desires and on beliefs which they arrive at rationally and that they are not impeded by means of force, coercion, fraud, or manipulation. This minimalist account seems too weak, because individuals may fail to be self-governing even though they act on their desires and beliefs; for example, if they have addictive or compulsive desires. Someone may have a powerful desire for cocaine and figure out that the easiest way to satisfy this desire is to steal money from his employer in order to buy the drug from a nearby dealer, all the while realizing that this is wrong. According to Immanuel Kant, such an agent is not autonomous. Autonomous agents are able to “legislate” for themselves by means of their rational faculty. That is, by means of “pure practical reason” they can grasp moral principles or laws which authoritatively limit how
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they may act. Kantian autonomy is the capacity of reason to master one’s inclinations when they rebel against our moral duties. Heteronomy, in contrast, consists in being ruled by our inclinations, such as our desire for pleasure or physical gratification. On the Kantian view, citizens would be self-governing or autonomous only if they act according to moral maxims which are rationally justified. For Kant reason is in itself “a higher faculty of desire,” which can motivate us to obey our moral duty independently of appetites, passions, or other ordinary inclinations. While the Humean view seems too weak, the Kantian seems too strong. Many philosophers doubt whether pure reason by itself can motivate us to do anything, and, even if it could, it would seem unrealistic to suppose that it could be a significant factor in political decision making. Some recent theorists have tried to accommodate Kant’s insights about autonomy within a more sophisticated neo-Humean desire-belief model of explanation. Agents are self-governing on this view only if they act on desires which they endorse on critical reflection. Addicts who indulge their cravings which they are unable to endorse critically are heteronomous rather than autonomous. In order to endorse or reject a given desire, the agent must appeal to other desires, such as a higher-order desire to have (or not to have) the desire for a certain drug.24 This approach, however, runs into a new difficulty: Does the agent have control over these higher-order desires? An agent is autonomous with respect to desire D1 only if the agent can endorse D1 on the basis of a higher-order desire D2; but desire D2 may itself be one over which the agent has no control. Compulsives may endorse specific desires on the basis of other desires which are themselves unrestrained and unreflective. Or individuals may carry out impulses which they have acquired through brainwashing, indoctrination, or subtle forms of manipulation. Hence, the autonomous agent must also be autonomous with respect to higher-order desire D2. This poses a dilemma: If we apply the same analysis of autonomy to desire D2, then the agent must endorse it on the basis of a still higher-order desire D3. But if each new higherorder desire is also autonomous, there results an infinite regress of desires: D4, and so on. Alternatively, if the regress must stop somewhere with desire Dn, the problem arises of whether the agent has control over this desire. In view of these problems with modern attempts (Humean, Kantian, and neoHumean) to account for self-governance, it seems advisable to return to Aristotle and consider how he accounted for self-government within the individual soul.25 It is especially noteworthy that Aristotle assigns to both reason and de24 See Harry G. Frankfurt, “Autonomy, Necessity, and Love,” in: Necessity, Volition, and Love (Cambridge: Cambridge University Press, 1999). 25 The interpretation of Aristotle in this section and the next draws on my essay, “Aristotelian Autonomy,” in: Aristide Tessitore (ed.), Aristotle and Modern Politics: The Persistence of Political Philosophy (University of Notre Dame Press, 2002), 375– 402. I have tried to present the interpretation here in a more concise and hopefully
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sire an essential role in explaining how agents govern themselves. This becomes apparent when we compare his discussions of this issue in his ethical and political treatises with those in his psychological writings. In his ethical and political treatises, Aristotle emphasizes the role of reason as a “ruling” principle. Here Aristotle follows Plato in viewing a person as virtuous only if the rational part of the soul rules over the non-rational part, although he adds the caveat that he is drawing on “exoteric” discussions which are imprecise but sufficient for his purposes.26 Aristotle divides the soul into rational and irrational parts.27 The irrational part is subdivided into vegetative and desiring faculties: the vegetative faculty, which is concerned with nutrition and growth, functions automatically and is unresponsive to reason; the desiring faculty shares in rationality in a way, insofar as it “listens” to reason and “obeys” it. The rational part of the soul is also twofold: theoretical reason, or the scientific faculty, is concerned with knowing the truth about independent necessary facts; practical reason, or the calculative faculty, is concerned with deliberating about contingent facts which can be influenced by human action. A human soul may thus be viewed as a complex system of faculties which function independently and also interact. The psychological system may be described as “self-governing,” then, when the faculty of practical reason controls the desiring faculty. This condition is natural and beneficial to the system as a whole, because the rational faculty can grasp what is good for all the parts considered separately and as interrelated.28 A virtuous person is guided by practical wisdom or “right reason (orthos logos). All too often, however, reason fails to maintain control over desire. In the case of incontinence (akrasia), desire for a pleasant object overcomes or subverts the rule of reason. In De Anima Aristotle seems to take a very different tack. It is important to note that this is a treatise of theoretical psychology which offers scientific explanations of phenomena such as nutrition, perception, imagination, cognition, and finally locomotion. In the case of locomotion Aristotle is seeking a unitary explanation of the source of action. Hence, he rejects Plato’s tripartite psychology, which divides up the source of action among three different parts of the clearer manner. Because “autonomy” implies self-legislation by reason to many modern readers, I use the term “self-government” instead in connection with Aristotle in this essay. 26 The term exôterikos, literally “external”, is disputed by scholars. The question is “external to what?” Does it mean “external to Aristotle’s writings”? If so, it could include writings of Plato and his followers. Or does it mean “external to Aristotle’s technical philosophical treatises”? If so, it might refer to Aristotle’s own popular writings, that is, his dialogues which did not survive the fall of the Roman Empire. In any case these works reflect what we would refer to as “popular psychology,” views which are not strictly scientific. 27 This discussion combines the accounts in: Nicomachean Ethics, I.13 and VI.1. 28 Politics, 1.5.1254b6–9.
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soul. There must be one cause of self-movement. What is it? His answer seems clear: “That which produces movement is one thing, the faculty of desire.”29 This suggests that desire, rather than reason, is the primary cause of human action. Reason seems to be permitted a merely instrumental role: “the object of desire is the starting-point of practical thought; and that which is the endingpoint [in the process of thinking] is the starting-point of the action.”30 Aristotle thus seems to be of two minds about psychological self-government. In his ethical works he seems to anticipate Kant’s claim that autonomy requires the rule of reason over the inclinations. But in his psychological treatise he seems to anticipate Hume’s thesis that action is caused by desire rather than by reason. Are these different discussions of human action inconsistent, or do they represent different aspects of a single account? Is Aristotle’s theory of action muddled, or did he perhaps see something which has eluded modern Humean and Kantian theorists? IV. The central issue in De Anima is whether thought or desire is the source of action. He begins by noting that a case can be made for either candidate. For example, we sometimes succumb to temptation, and desire prevails over thought. If we are incontinent, we indulge our desire, for example for a sweet high-fat dessert, although we know that this is bad for our health. Yet sometimes we are continent and resist our desire for the dessert, thus obeying reason rather than desire. The examples of continence and incontinence suggest a compromise solution: Both thought and desire can bring about action. Aristotle adds two qualifications about what he means by “thought”. First, he is talking about practical not theoretical thought, because it is by means of practical thought that we deliberate about how to bring about desired objects. Second, in many instances, for example involving animals, children, and incontinent people, imagination takes the place of thought. Aristotle presents a challenge to the compromise solution, however. When we seek to explain a specific kind of effect (in this case, human action) we expect the causes to share a common characteristic. There may be exceptions to this rule, but we are more satisfied with an explanation that identifies a single kind of cause for a single kind of effect. So what is the single source of action? Surprisingly, Aristotle offers two answers to this question: first, “that which produces movement is one thing, the faculty of desire;” second, “the object of desire always produces movement.”31 29 30 31
Aristotle, De Anima, 3.10.433a21. All translations of “De Anima” are my own. Ibid., 433a15–17. Ibid., 433a21, cf. 30–1; 433a27–8.
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To understand why Aristotle makes both these claims, it is necessary to recognize some important distinctions. First it is necessary to distinguish between different kind of causes. The cause of an event typically also has a cause, which has in turn another cause, and so forth. The cause in this chain that results directly in the event is the proximate cause. But to explain an event fully it is necessary to identify the more remote causes leading up to it. It is important to know that the proximate cause of death was that the heart stopped beating, but it is also important to know that the heart failed because the deceased had ingested poison shortly before. Unless the causal chain stretches back forever, there must have been a first cause which was itself uncaused. If there was such an “unmoved mover,” it would be the first and most remote cause. Second, Aristotle distinguishes between the faculty of desire (also called simply “desire”) and the object of desire.32 When we have a desire, we have a desire for something. The object of our desire may not yet exist (for example, when a husband and wife want to have a baby) and it may never exist. Yet the object of desire plays an indispensable role in explaining why an action is performed. Third, Aristotle distinguishes three types of desire (orexis) based on their distinctive objects. Appetite (epithumia) is a desire to achieve pleasure or avoid pain; passion (thumos) is the desire to achieve honor or avoid shame; and purpose (boulêsis) is the desire to achieve good or avoid evil.33 In the light of these distinctions the relationship between Aristotle’s two theses becomes clear. The first thesis is that “that which produces movement is one thing, the faculty of desire.” Aristotle notes that thought never produces movement unless desire is also present. For example, if I go for a walk for the sake of my health, even if I have reasoned that it is good for me to be healthy, I will not leave my armchair unless I want to be healthy. Health must be my purpose in the sense of something I actually desire as a good end or goal for myself. On the other hand, I may indulge my appetites even though I have reasoned that this is not a good thing for me to do. I may eat an ice-cream cone knowing full well that it will contribute to my high-cholesterol problem. 32 This distinction involves similar Greek words which are easily confused: orekton (object of desire) and orektikon (faculty of desire). The various manuscripts of “De Anima”, 3.10 are very inconsistent in which terms are used. For example, some manuscripts read, “That which produces movement is one thing, the object of desire (orekton),” while others read, “That which produces movement is one thing, the faculty of desire (orektikon),” at 433a21. This discrepancy may be the result of a copyist’s error or an attempt to correct what seemed to be an error in the received text. For illuminating discussion of this distinction see Henry Richardson, “Desire and the Good in De Anima,” in: Essays on Aristotle’s De Anima, ed. by Martha Nussbaum/Amélie Oksenberg Rorty (Oxford: Clarendon Press, 1992). 33 These terms are difficult to translate into English. Orexis is sometimes translated “appetite” and epithumia as “desire”. Thumos is sometimes translated “emotion” or “spirit”. Hardest to translate is boulêsis which is also translated as “wish” and sometimes as “rational desire” (see Nicomachean Ethics III.4).
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In this case of incontinence, I am acting out of appetite, the desire for bodily pleasure. But in both cases what moves me is a desire.34 It is important to note that this establishes, at most, that desire is a proximate cause of action, in the sense of what gives rise to action, not that it is the only cause. Aristotle’s second thesis is that “the object of desire always brings about movement.”35 He adds that the object of desire is “either the good or the apparent good, and [this is] not every [good] but that good which is an object of action; and that which is capable of being otherwise is an object of action.”36 The incontinent person who eats the dessert although it is unhealthful desires pleasure, “the apparent good.” But regardless of whether the object of desire is health or pleasure, it is attainable by means of human action. In this case the object of desire may be viewed as a remote cause of action in the sense that it is, as an object, the cause of the desire. The second thesis presents a difficulty, however. How can the object of desire “produce movement”? It does not seem to do anything. If, as Aristotle says, an object of action is capable of being otherwise, is it as yet an unrealized future condition which may never be realized? How could such a thing cause us to do anything? Aristotle’s answer is that “the object of desire [brings about movement] first of all; this brings about movement without being moved, by being thought or imagined.”37 The object of desire is thus an unmoved mover, like Helen of Troy’s “face that launched a thousand ships.” Hence, although the proximate cause of human action is the faculty of desire, this faculty is itself moved by something else: namely, by the object of desire insofar as it is judged or imagined by the agent to be something good or apparently good. This discussion in De Anima must be understood in relation to Aristotle’s treatment of choice (prohairesis) in the Nicomachean Ethics. The primary concern of good moral character is choice, which Aristotle describes as the result of deliberation involving both thought and desire.38 In order for an agent to make virtuous choices, “both the reasoning must be true and the desire right”: Now this kind of thought and of truth is practical; of thought which is contemplative, not practical or productive, the good and the bad state are truth and falsity (for this is the function of everything capable of thought); while of the part [of the soul]
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See De Anima, 3.10.433a22–6. Ibid., 433a27–8. 36 Ibid., 433a28–30. 37 Ibid., 433b11–12. 38 Choice (prohairesis) is characterized as “desiderative thought” (orektikos nous) or “cognitive desire” (dionoêtikê), in: Nicomachean Ethics, 6.2.1139b4–5, and as the product of belief (doxa) and purposive desire (boulêsis), in: Eudemian Ethics, 2.10.1226b8–18, 1227a3–5. 35
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which is practical and capable of thought the good state is truth in agreement with correct desire.39
Practical wisdom (phronêsis) is the capacity to deliberate well about how to achieve the right ends. It is concerned with practical truth: namely, that I ought to perform an action of a specific sort, if I want to achieve the correct end.40 Although practical wisdom is excellent at deliberation, it is not mere instrumental (ends-means) reasoning – which Aristotle calls “cleverness.”41 Practical wisdom and good moral character cannot be found apart from one another; “for the one determines the end and the other makes us do the things that lead to the end.”42 On the Aristotelian account, a human agent A must meet the following conditions in order to be fully self-governing in the psychological sense. First, A must form a rational judgment that an object O is a good thing attainable by action (for example, achieving health or avoiding illness). A consequently desires to bring about O as an end. A deliberates about how to bring about O and concludes that O ought to be brought about by performing means M (for example, going for a walk). A chooses to do M. Finally, A does action M. Aristotle thus holds that desire must be the proximate cause of action: the desire for the end and the resulting choice (i. e., deliberative desire) for the means (that is, choice or deliberative desire). But there is also an important sense in which “reason rules” over the soul of such an agent. In a self-governing agent the action begins with a rational judgment by the agent that an object is good. In many cases, however, the object merely appears to be good to the agent. For example, an ice-cream cone is viewed as tasty and therefore pleasure-producing. If this yields an appetite for the object and if the agent acts on this appetite rather than the rational purpose of promoting health, then the agent is incontinent and not ruled by reason. To sum up, Aristotle offers a consistent account of psychological self-government, which seems to combine the strengths of the competing Humean and Kantian accounts. But how do we become self-governing moral agents?
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Nicomachean Ethics, 6.2.1139a26–31. See Nicomachean Ethics, 6.9.1142b32–33: “If it is characteristic of men of practical wisdom to have deliberated well, excellence in deliberation will be correctness with regard to what conduces to the end of which practical wisdom is the true apprehension.” 41 See Andreas Graeser, “Aristotle on Practical Truth: Coherence vs. Correspondence?” Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 9 (2004), 191– 200, and A. G. Vigo, “Die aristotelische Auffassung der praktischen Wahrheit,” Internationale Zeitschrift für Philosophie 2 (1998), 289. 42 Nicomachean Ethics, 6.13.1145a5–6. 40
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V. Among the various objects which we might want or might not want, we are able by a process of reasoning to distinguish between things that are truly good or bad for us and those that merely appear to be good or bad for us. Philosophers disagree about how we are able to do this, but it is obvious that we reason in this way all the time. For example, it is rational to believe that it is truly better (other things being equal) to be alive than dead, healthy than sick, active than inactive, and so forth. The case with pleasure and pain is more controversial. The experience of pleasure is typically a sign that our condition is becoming truly better, and pain that it is becoming truly worse. But these can be misleading indicators. For example, we can find a truly good object – for example, strenuous physical exercise – painful. The pain we experience in exercise reflects that our muscle tissue is temporarily damaged, so we are becoming worse off in a minor way. Through a process of reasoning, we can grasp the “no pain, no gain” principle: that we frequently must suffer a minor loss (experienced as pain) in order to achieve a more valuable end. It also seems correct to claim, as Aristotle does, that we naturally tend to want something if we know that it is truly good for us. The better we understand the value of our physical health the more we want to be healthy. Drawing from my own experience as a former cigarette smoker, I recall that the more I learned about the probable harmful effects of smoking on my long-term physical health, the stronger became my desire to quit, until finally, with great difficulty and after numerous futile attempts, I managed to overcome my powerful desire for the gratification of smoking. But if human beings have the potential for self-government, why is it so seldom actualized? Why is irrationality and ignorance so pervasive, especially in the political arena? For example, why do surveys repeatedly indicate that so many citizens are unable to identify their own elected officials and judges? One explanation is that reasoning, like physical exercise, can be very demanding. It involves an arduous process of investigation which is often unsuccessful and may require disquieting self-scrutiny and the rejection of cherished beliefs. Empirical research indicates pervasive ignorance regarding basic facts of science, economics, and politics, which may be explained in terms of the relatively high cost of acquiring information in these fields. These include, for example, mistaken beliefs about risks (involving airplane crashes, environmental hazards, etc.) and ignorance regarding the consequences of public policies (concerning incentive effects of price controls, minimum-wage laws, inheritance taxes, government-subsidized insurance, etc.). Ignorance may even be “rational” in the sense that an agent judges that acquiring information is too costly when compared to the personal benefit of possessing the information (for example, the cost of finding out the price of a particular inexpensive food item at all nearby grocery
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stores). Such “rational ignorance” may be found in voters who are more concerned with personal business and expect little practical payoff from informing themselves about political issues and candidates. Reasoning about what is good for us in the long term is especially demanding. “One swallow does not make a summer, nor does one day,” as Aristotle observes; “and so too one day, or a short time, does not make a man blessed and happy.”43 In reflecting on what is truly good, we must consider our lives as a whole, and we must take into account all of our potentialities and attributes and relationships, including our natural environment and our social and political context. It is not surprising that rationality is so little evident in human value judgments. Another explanation for widespread ignorance is that people are often irrational, in the sense that they are unmoved by rational arguments. Although such arguments will persuade those who are already committed to doing the right thing, they will not motivate the many (hoi polloi) who lack such a commitment, as Aristotle observes: For these do not by nature obey the sense of shame, but only fear, and do not abstain from bad acts because of their baseness but through fear of punishment; living by passion they pursue their own pleasures and the means to them, and avoid the opposite pains, and have not even a notion of what is noble and truly pleasant, since they have never tasted it. What argument would remould such people? It is hard, if not impossible, to remove by argument the traits that have long since been incorporated in the character; and perhaps we must be content if, when all the influences by which we are thought to become good are present, we get some tincture of virtue.44
In order for agents to be self-governing they must be responsive to the rule of reason: they must not only be able to follow an argument; they must also engage the conclusion with the appropriate desires. If they are habituated to indulging their appetites, fears, and hatred, they will be impervious to countervailing arguments. In order to be ruled by reason, “the soul of the student must first have been cultivated by means of habits for noble joy and noble hatred, like earth which is to nourish the seed. For he who lives as passion directs will not listen to argument that dissuades him, nor understand it if he does.”45 Moral habituation is therefore a necessary prerequisite for rational self-government. Character habits can be inculcated or strengthened by means of repeated exercises, imitation through stories, music, and visual arts, praise and blame, and reward and punishment. The sources of habits (good or bad) may include parental guidance, peer pressure, instruction in schools, religious practice, ideological indoctrination, popular culture, and even philosophical literature. We should keep in mind however that moral education is not “values clarification.” Moral 43 44 45
Nicomachean Ethics, 1.7.1098a18–20. Ibid., 1179b7–20. Ibid., 1179b24–8.
Moral Character and Democratic Capitalism
237
education of the right sort should help us to become receptive to the use of reason to arrive at true beliefs about what is good or bad. It should not be forgotten that we are responsible ourselves for our own moral character. Although as social animals we depend on others for our moral development, we are also jointly responsible for the sorts of persons we become. It is up to us to choose to do a given action or not, and by choosing particular acts, we also contribute to the long-range formation of our own character. On a deeper level, we can choose whether or not to use our rational faculty. Even if we are taught how to follow arguments and to construct arguments ourselves, whether we in fact do so or not is up to us.46 Therefore, whether we become self-governing agents or not depends in part on our social infrastructure and in part on ourselves as free and responsible individuals. Aristotle himself points out two important implications of the foregoing for practical politics. First, a constitution will be viable only if the citizens are educated “in a way that suits the constitution,” which he explains as follows: “Being educated in a way that suits the constitution does not mean doing whatever pleases the oligarchs or those who want a democracy. Rather, it means doing the things that will enable the former to govern oligarchically and the latter to have a democratic constitution.”47 If the citizens of a democracy simply indulge themselves and do whatever they want without regard to the wellbeing of their regime, it will be in jeopardy. Aristotle admonishes them: “This is bad. For living in a way that suits the constitution should be considered not slavery, but salvation.”48 Hence, the civic virtues appropriate to democracy must be inculcated in the citizens, if the democratic regime is to endure. Second, Aristotle cautions that changes in laws and regulations may tend to destabilize a regime even when they are for the better. “If the improvement is small and it is a bad thing to accustom people to casual abrogation of the laws, then some of the rulers’ or legislators’ errors should evidently be left unchanged, since the benefit resulting from the change will not be as great as the harm resulting from being accustomed to disobey the officials. . . . For the law has no power to secure obedience except habit, but habits can only be developed over a long period of time. Hence casual change from existing laws to new or different ones weakens the power of law itself.”49 For both of these reasons, then, statesman should exercise great caution in carrying out political reforms.
46 47 48 49
See De Anima, II.6.417b22–6. Politics, 5.9.1310a19–22. Ibid., 1310a34–6. Ibid., 2.8.1269a16–18, 20–4.
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VI. If Aristotle is correct, then successful transition to democratic capitalism requires cultural traits and social institutions congenial to the formation of civic virtues needed to sustain such a regime. Alexis de Tocqueville defended a similar thesis in De la démocratie en Amérique published in 1835 and 1840 in France, following an extended visit by Tocqueville to the United States. He characterizes “mores” as “one of the great general causes to which the persistence of the democratic republic in the United States can be attributed.” By mores I mean here what the ancients meant by the term: I apply it not only to mores in the strict sense, what one might call habits of the heart, but also to the various notions that men possess, to the diverse opinions that are current among them, and to the whole range of ideas that shape habits of mind. Thus I use the word to refer to the whole moral and intellectual state of a people.50
Tocqueville pays special attention to the role of religion in shaping American mores: The greater part of English America was populated by men who, having broken away from the authority of the pope, never submitted to any supreme religious authority again. They therefore brought to the New World a Christianity that can best be described as democratic and republican: this singularly favored the establishment of a republic and democracy in temporal affairs. From the beginning, politics and religion were in harmony, and they have remained so ever since.51
Although the Protestants who first colonized New England were clearly inclined to independence and self-government, Tocqueville noted that the Catholics, who had arrived more recently, “constitute the most republican and democratic class in the United States. At first sight this fact may seem surprising, but reflection easily uncovers its hidden causes. It is a mistake, in my view, to regard the Catholic religion as a natural enemy of democracy.” In fact, he claims, Catholicism is the denomination most favorable to equality of conditions: “by applying the same standard to all human beings, it likes to blend all classes of society into one worshiping at the same altar, just as they are one in the eyes of God.” This principle of equality can be transferred to politics: “once priests are excluded from government, or exclude themselves as they have done in the United States, no faith does more than the Catholic faith to encourage adepts to take the idea of equality of conditions and carry it over into the world of politics.” By embracing the separation of church and state, Catholicism in America has in Tocqueville’s view succeeded in reconciling the spiritual authority of the Church with self-government by individual citizens: “The 50 Alexis de Tocqueville, Democracy in America, trans. by Arthur Goldhammer (New York: Library of America, 2004), Vol. One, Part II, Ch. 9, p. 331. All quotations of “Democracy in America” are from this translation. 51 Ibid., 332.
Moral Character and Democratic Capitalism
239
Catholic priests of America have divided the intellectual world into two parts: in one they have left revealed dogmas, to which they submit without discussion; in the other they have placed political truth, and this they believe God has left for men to investigate freely. Thus American Catholics are at once the most docile believers and the most independent citizens.”52 The success of America’s fledgling democracy is, according to Tocqueville, in large part attributable to the fact that its diverse religious denominations sustain a common political culture: “Hence, it is fair to say that in the United States there is not a single religious doctrine that is openly hostile to democratic and republican institutions. Clergymen of all persuasions speak the same language. Opinions accord with laws, and, in a manner of speaking, but a single current commands the human spirit.”53 Tocqueville concludes by arguing for the importance of mores: “I am convinced that even the most favorable geographical location and the best laws cannot maintain a constitution in spite of mores, whereas mores can turn even the most unfavorable locations and the worst laws to advantage.”54 Tocqueville also infers that American democratic institutions could not be simply transported to Europe. Although democratic institutions can exist elsewhere, they would need to be adapted to the culture of the countries in which they were established. “American mores and laws are not the only ones appropriate to democratic peoples, but the Americans have shown that one need not despair of regulating democracy with the aid of laws and mores.”55 The arguments of Aristotle and Tocqueville that a viable political regime must be grounded in a suitable culture have important implications for the transition of modern nations to democratic capitalism.56 It should not be assumed that a new regime can be created ex nihilo merely by drafting new constitutions together with technical modifications of laws, regulations, and economic institutions. This faulty assumption has, unfortunately, been disconfirmed repeatedly. As noted by economist Douglass North, Many Latin American countries adopted the U.S. Constitution (with some modifications) in the nineteenth century, and many of the property rights laws of successful Western countries have been adopted by Third World countries. The results, however, are not similar to those in either the United States or other successful Western countries. Although the rules are the same, the enforcement mechanism, the way 52
Ibid., 332–334. Ibid., 334. 54 Ibid., 356. 55 Ibid., 359. 56 See also Robert Putnam, Making Democracy Work: Civic Tradition in Modern Italy (Princeton: Princeton University Press, 1993) who argues that there is a significant difference between the cities of southern and northern Italy, stemming from their very different political histories and civic traditions. 53
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enforcement occurs, the norms of behavior, and the subjective models of the actors are not.57
A key variable, according to Aristotle and seconded by Tocqueville, involves the moral character of the population: what modes of behavior they understand as virtuous or vicious, and how this understanding enters into their conduct. Along similar lines, Svetozar Pejovich argues in modern economic terms for the thesis that culture plays a decisive role in determining whether political change will be successful.58 Pejovich defines culture as “the synthesis of a community’s traditions, customs, moral values, religious beliefs, and all other informal norms of behavior that have passed the test of time and that bind the generations. Culture is, in effect, the repository of the community’s values.”59 The prevailing culture is the one accepted by the preponderance of members of the community, as contrasted with a marginal culture which may be accepted by a subclass. By acquiring culture individuals learn a complicated set of informal rules, whereas the process of institutional restructuring involves enacting new formal rules. It will not be difficult for individuals to adapt to the new formal rules if they are basically harmonious with the informal rules they have been accustomed to following. However, the two sets of rules may well come into conflict with each other. To the extent that the members of a community perceive such a conflict, they will tend to resist the new rules; and, moreover, they will act at cross purposes or even come into conflict, if some follow the new rules and others do not. Pejovich sums this up as the interaction thesis: When members of a community perceive the consequences of new formal rules to be in conflict with their prevailing culture, the transaction costs of integrating those rules into the institutional framework will be high; and when they perceive the consequences of new formal rules to be in harmony with their prevailing culture, the transaction costs will be low.60 An obvious corollary of Pejovich’s thesis seems to be that there will be powerful social and political
57 Douglass North, Institutions, Institutional Change, and Economic Performance (Cambridge: Cambridge University Press, 1990), 101. North’s generalization is illustrated, for example, by Argentina, which is a “dysfunctional democracy” according to Colin M. MacLachlan in: Argentina: What Went Wrong (Westport, CT: Praeger, 2006). He contends, “Argentina has never had a fully democratic system in place. A façade bolstered by the accoutrements of democracy obscured a fatal lack of substance” (p. 197). The absence of democratic values and civic mindedness have resulted in corruption, chronic instability, and authoritarian episodes. 58 Svetozar Pejovich, “The Uneven Results of Institutional Changes in Central and Eastern Europe: The Role of Culture,” Social Philosophy & Policy 23:1 (Winter 2006), 231–254. A similar thesis is argued by Enrico Colombatto, “The Concept of Transition,” Journal of Markets and Morality 4 (2001), 269–288. 59 Compare North, Institutions, Institutional Change, and Economic Performance, 37. 60 Pejovich, “Uneven Results of Institutional Changes,” 235–236.
Moral Character and Democratic Capitalism
241
inertia (resistance to change) in countries where new rules conflict with the prevailing culture. Recent history indicates that culture can play an important role in the transition to democratic capitalism. This is evident in the case of the former republics of the USSR and its former Warsaw Pact allies since the collapse of European communism in 1989. Although all of these countries have undergone profound political and economic changes, significant differences emerge when these countries are compared in terms of their progress toward greater political and economic freedom. According to Freedom House, which monitors the degree of freedom throughout the world, “In East-Central Europe and the former USSR, there is now evidence of a deepening chasm.”61 By 2006 roughly half of these countries had become free democracies, while the remainder were only partly free or even unfree with authoritarian regimes. A similar disparity in terms of economic freedom was documented by Svetozar Pejovich, when he compared these countries on the basis of a survey conducted by the Heritage Foundation. Pejovich observed that, by the year 2004, of the nineteen countries in central and eastern Europe, only half were rated free or mostly free, while the other half were mostly unfree or even repressive.62 The disparity among the Central and Eastern European and former Soviet countries is manifest in the 2006 ratings of nations, which are summarized in the following Table.63 The Freedom House Global Survey 2006 evaluated countries in terms of political freedom and civil liberty on a scale from 1 (free) to 7 (unfree). The countries were rated overall as “free” (combined score 2 to 5), “partly free” (combined score 6 to 10), or “not free” (combined score 11 to 14). The Heritage Foundation Index of Economic Freedom (published jointly by the Wall Street Journal) rated countries on the basis of trade, fiscal burden, government intervention, monetary policy, foreign investment, banking and finance, wages and prices, property rights, and regulation. The countries were rated on a scale from 1 (completely free) to 5 (completely unfree), and they
61
Global Survey 2006 (New York: Freedom House, December 19, 2005). Pejovich, “Uneven Results of Institutional Changes,” 231–54. See also Pejovich, “Understanding the Transaction Costs of Transition: It’s the Culture, Stupid,” Review of Austrian Economics 16 (2003), 355–356. 63 Compare Pejovich, “Uneven Results of Institutional Changes,” 244, which provides an illuminating comparison of the level of economic freedom in the Heritage Foundation Index of Economic Freedom for 1994 and 2004 in Central and Eastern European Countries. The Table, presented here, provides more recent data than was available when Pejovich’s article was published, and it also covers the entire former Soviet-bloc and compares them in terms of political freedom and civil liberties (based on the Freedom House index) as well as economic freedom. Note that two countries are omitted: East Germany which was reunited with the German Federal Republic, and Serbia-Montenegro for which an economic ranking was unavailable and which was in the process of splitting into two countries when this essay was written. 62
242
Fred D. Miller, Jr. Central and Eastern European and Former Soviet Union Countries Rated in Terms of Political and Economic Freedom
Country
Political Freedom & Civil Liberties
Economic Freedom
Freest Countries Estonia
1
1
Free
1.75
Free
Czech Republic Lithuania
1 1
1 1
Free Free
2.10 2.14
Mostly free Mostly free
Slovak Republic Slovenia
1 1
1 1
Free Free
2.35 2.41
Mostly free Mostly free
Latvia Hungary
1 1
1 1
Free Free
2.43 2.44
Mostly free Mostly free
Poland Bulgaria
1 1
1 2
Free Free
2.49 2.88
Mostly free Mostly free
Croatia
2
2
Free
2.78
Mostly free
Romania Ukraine
2 3
2 2
Free Free
3.18 3.24
Mostly unfree Mostly unfree
Albania Macedonia
3 3
3 3
Partly free Partly free
2.75 2.80
Mostly free Mostly free
Georgia Bosnia-Herzogovina
3 4
3 3
Partly free Partly free
2.98 3.01
Mostly free Mostly unfree
Moldova Armenia
3 5
4 4
Partly free Partly free
3.10 2.26
Mostly unfree Mostly free
Kyrgyz Republic Kazakhstan
5 4
4 4
Partly free Partly free
2.99 3.50
Mostly free Mostly unfree
Unfree Countries Russia
6
5
Not free
3.50
Mostly unfree
Azerbaijan Tajikistan
6 6
5 5
Not free Not free
3.51 3.76
Mostly unfree Mostly unfree
Uzbekistan Belarus
7 7
7 6
Not free Not free
3.91 4.11
Mostly unfree Repressive
Turkmenistan
7
7
Not free
4.04
Repressive
Less Free Countries
Ratings for political freedom and civil liberties are from Freedom House Global Survey 2006 scale of 1 to 7, with 1 representing greatest freedom. Ratings for economic freedom are from Heritage Foundation Index of Economic Freedom scale of 1 to 5, with 1 representing greatest freedom.
Moral Character and Democratic Capitalism
243
were grouped into four broad categories: free (1.95 or less), mostly free (2.00– 2.95), mostly unfree (3.00–3.95), and repressive (4.00 or more).64 The parallel between the two different indexes is striking: Countries that are the most free politically tend to be the most free economically, and those that are unfree politically also tend to be unfree economically. Ten of the former communist countries are mostly free (in both the political and economic sense), ten remain significantly less free (in either or both senses), and six are not free (in either or both senses). What accounts for this variation? There is an interesting geographical pattern in the ranking of countries. The Central European countries are generally freer, and the northernmost of these are generally the freest of all. The countries are generally less free the further south and east their location. The non-Baltic former Soviet republics are only partly free or not free at all. The Central Asian states are the most repressive. Two of them (Turkmenistan and Uzbekistan) are counted by Freedom House among the “worst of the worst.” Is there an explanation for this striking pattern? Svetozar Pejovich points out some striking patterns also when the countries are compared in terms of their culture. The culture of Central and Eastern Europe is very heterogenous, involving considerable ethnic and religious diversity, resulting from a very complex history of migrations, invasions, wars, political alliances, commercial interactions, and religious conversions. Some of these countries had a long tradition of religious and commercial contact with Western Europe, whereas others were largely cut off from the West. Pejovich also observes that the group of countries with greater Western cultural influence have been more successful in making the transition than the latter group. The former Soviet republics on the Baltic (Estonia, Lithuania, Latvia) and the more northern Central European states (Czech Republic, Slovak Republic, Slovenia, Hungary, Poland, Croatia) have made the greatest progress toward democratic capitalism. They are all recognized as free politically and economically. They have all been admitted into the European Union (EU) and North Atlantic Treaty Organization (NATO), and all are parliamentary democracies (except Croatia, which has a strong president). Pejovich points out that this group had much closer ties to the West: The Czech Republic, Croatia, Hungary, Slovakia, and Slovenia used to be part of the Austro-Hungarian empire. The empire, which lasted several centuries and came
64 Compare “Economic Freedom of the World: 2006 Annual Report”, prepared by James Gwartney/Robert Lawson (Vancouver, BC: Fraser Institute, 2006). Although this report rates only sixteen of the former communist bloc countries, the results are substantially the same as the Heritage study: The freest are Estonia, Hungary, Latvia, and Lithuania. Less free are the Czech Republic, Slovak Republic, Poland, Armenia, Bulgaria, Slovenia, Croatia, Albania, and Azerbaijan. The least free are Romania, Russia, and Ukraine.
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Fred D. Miller, Jr.
to an end in 1918, was short on democracy but strong on the rule of law and the enforcement of property rights. It is reasonable to expect that the prevailing informal rules in those countries have retained memories of the rule of law and individual rights. Western culture entered Poland via the Catholic Church. In addition to playing a major role in the development of informal rules in that country, the Church also helped the Poles to preserve their customs and traditions during several periods of Russian aggression (including the post-World War II years). For centuries, the Baltic states maintained strong contacts with merchants from Germany, Sweden, and Finland. Christianity arrived in the Baltic states from the West. Estonia and Latvia have become predominantly Lutheran, while Lithuania is Roman Catholic. Through religious contacts and trade, Western culture contributed to customs and traditions in the Baltic states.65
In contrast, as Pejovich points out, the countries with the least progress had much less contact with the West, and had a religious tradition of Eastern Orthodox Christianity. Several countries, including Romania, Bulgaria, Albania, and some former Yugoslavian states (Serbia, Bosnia, Montenegro, and Macedonia), were long part of the Islamic Ottoman Empire and thus cut off from the West. In addition, the former Soviet republics (Russia, Belarus, Moldavia, and Ukraine) were previously ruled by the Muscovite Tsars, who with few exceptions resisted Western influences for political reasons, and the Russian Orthodox Church supported the effort to keep the region culturally isolated. The Central Asian states (Azerbaijan, Tajikistan, Uzbekistan, Turkmenistan) are predominately Turkish and Muslim, and they were under the Mongol yoke before being annexed by the Russian Empire.66 Throughout the countries in the less free and unfree groups there was, as Pejovich observes, “a bias toward collectivism, egalitarianism, and shared values that predates communism.”67 Collectivist beliefs favor reliance on extended social groupings with a strict hierarchy in which the ruler’s word is law and deviation is not tolerated. Collectivist cultures tend to feel threatened by developments such as individualism, social mobility, the nuclear family, free trade, and the rule of law. Collectivism also exacerbates ethnic and religious rivalries, because it reinforces notions of inherited collective guilt and retribution. In ad-
65 “Uneven Results of Institutional Changes,” 241–242. On the relationship of Roman Catholicism to capitalism more generally, see Novak’s “The Spirit of Democratic Capitalism” and “The Catholic Ethic and the Spirit of Democratic Capitalism” (cited above, note 1). The latter title deliberately echoes Max Weber’s “The Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism” (orig.: Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus), trans. by Talcott Parsons (New York: Charles Scribner’s Sons, 1958); Novak argues that the essential doctrines of Catholicism are just as congenial with capitalism as those of Protestantism. 66 As noted before Pejovich confines his remarks to Central and Eastern Europe, but they seem to apply to the other former Soviet republics as well. 67 “Uneven Results of Institutional Changes,” 238.
Moral Character and Democratic Capitalism
245
dition, seventy years of communist rule in the Soviet Union resulted in deeply intrenched authoritarian and collectivist attitudes. According to Freedom House, despite some progress in former Soviet countries (especially Ukraine, Georgia, and the Kyrgyz Republic), there has been a serious reverse trend in others: [Authoritarian] leaderships in Azerbaijan, Uzbekistan, Belarus, and, most importantly, Russia have adopted polices that will make it more difficult for the development of a genuine civil society and will impede the development of a democratic opposition. In Uzbekistan, state violence against demonstrators, the repression of civil society, and an overall decline in human rights conditions during the past year was sufficiently pronounced to warrant a decline in the country’s Freedom of the World score to the lowest possible rating. Only eight countries worldwide earned a similar status as the worst of the worst, and two, Uzbekistan and Turkmenistan, are in Central Asia. In Russia – whose freedom status Freedom House lowered from Partly Free to Not Free one year ago – the [President Vladimir] Putin leadership’s antidemocratic tendencies appeared, if anything, more pronounced in 2005.68
To be sure, culture alone has not determined the outcome in Central and Eastern Europe and the former Soviet Union. Civil war and ethnic animosity (in the case of the former Yugoslavian states), mistaken policy decisions (such as those which precipitated the Russian financial crisis in 1998), external political pressure (for example, Russia’s efforts to dominate adjacent states such as Ukraine and Georgia), and contingencies (for example, Russian former President Boris Yeltsin’s erratic personality) have also had an effect. Nonetheless, it is clear from recent history that culture is a very important factor in explaining whether a country can make a successful transition to democratic capitalism. VII. A society is able to govern itself politically only if its citizens possess good moral character, and such character requires a supportive culture and education. It follows that it is unrealistic to expect democracy to flourish in a cultural vacuum. Aristotle made this very point over two thousand years ago: “The most beneficial laws . . . are of no use if people are not habituated and educated in accord with the constitution: democratically if the laws are democratic . . .”69 Being educated according to a democratic constitution does not mean going along with whatever the majority pleases, because the majority may be motivated by whims, fears, or hatreds which could undermine the democracy itself. Democratic capitalism requires a commitment by the citizens to the rule of law, the respect for individual rights, and to the norms sustaining families and civil 68 69
Freedom House, Global Survey 2006, 3. Politics, 5.9.1310a14–18.
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society. As Aristotle remarked, the citizens must believe that living in a way that suits the constitution “is not slavery, but salvation.”70 Aristotle’s cautionary remarks should not be exaggerated. They do not imply that freedom is out of reach for certain peoples who are therefore doomed to a life of domination and oppression. They do not imply, in particular, that a nation with a majority of Muslim believers could never establish a system of democratic capitalism. But his argument does imply that if illiberal, antidemocratic, anticapitalist beliefs and values were prevalent, it would be unlikely that such a regime could progress even if a democratic constitution protective of individual liberties were somehow adopted by or imposed upon a population. A cultural transformation would also be required and the difficulty of achieving this should not be underestimated. This Aristotelian analysis yields some sobering lessons for the policy of advancing democracy throughout the world, especially by force of arms. The attempt to democratize societies unready for it may have unfortunate consequences. If a nation consists of ethnic or religious groups with a history of enmity and mistrust and without a tradition of shared values, politics may be viewed as “war by other means.” It would not be surprising to witness the election of charismatic leaders who subsequently transform themselves into dictators for life; or of dysfunctional politicians who are overthrown by military leaders. If the electorate has no moral commitment to individual rights and the value of human life, it would not be surprising down the road to witness exploitation, persecution, or even genocide perpetrated by a vindictive majority against a defenseless minority. The twentieth century witnessed many misguided attempts to promote democracy.71 Is it too much to hope that lessons gained so dearly will not be forgotten in the twenty-first?72 Summary Following the collapse of communism in the Soviet Union and in central and eastern Europe, some intellectuals predicted that democratic capitalism was destined to spread throughout the world. Recently the United States government adopted the con70
Ibid., 1310a34–6. President Woodrow Wilson argued, “The world must be made safe for democracy,” in his message on April 2, 1917 to the United States Senate requesting a declaration of war against Germany. James Harvey Robinson subsequently observed, “With supreme irony, the war to ‘make the world safe for democracy’ ended by leaving democracy more unsafe in the world than at any time since the collapse of the revolutions of 1848” [The Human Comedy: As Devised and Directed by Mankind Itself (New York: Harper & Brothers, 1937), ch. 9]. 72 An earlier version of this essay was presented in the John Henry Newman Lecture Series of the Institute for the Psychological Sciences in May 2005. I am grateful to David Keyt and Pamela Phillips for helpful comments on an earlier draft. 71
Moral Character and Democratic Capitalism
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troversial policy of promoting democracy in nations lacking a liberal tradition. Before such a goal is endorsed, however, it is necessary to consider what it would entail and what would be required realistically in order to achieve it. The viability of democratic capitalism in any form depends on cultural as well as political factors. In addition to a political constitution, the citizens must be self-governing: they must be capable of thinking for themselves and controlling their own behavior. The modern sciences of politics and economics have made great strides in understanding the workings of government and of markets, but there is still much to learn from classical philosophy, and from Aristotle in particular, about the formation of a democratic culture. Aristotle’s account of psychological self-government does justice to the roles of both reason and desire and thus evidently combines the strengths of the modern Kantian and Humean accounts. Aristotle’s thesis that the viability of a constitution depends on the mores of its citizenry was seconded by Tocqueville. Their theories seem to be confirmed by the crucial role of culture in countries attempting a transition from communism to democratic capitalism. The Aristotelian analysis offers sobering lessons for the attempt to democratize societies unready for it. A successful political transition requires a successful cultural transformation, and the difficulty of achieving this should not be underestimated.
Zusammenfassung Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion und in Mittelund Osteuropa erwarteten intellektuelle Kreise, dass sich der demokratische Kapitalismus sich in der ganzen Welt ausbreiten werde. Neuerdings machte sich die US-Regierung eine umstrittene Politik zu eigen, wie die Entwicklung hin zur Demokratie in Ländern gefördert werden könnte, denen es an einer liberalen Tradition fehlt. Ein solches Vorhaben setzt voraus, dass man sich zuerst Gedanken über die Voraussetzungen macht, die gegeben sein müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Der demokratische Kapitalismus hängt – welche Gestalt er auch hat – von kulturellen und politischen Faktoren ab. Zusätzlich zur politischen Verfassung müssen die Bürger sich selbst regieren können, d.h. sie müssen fähig sein, für sich selbst zu denken und ihr eigenes Verhalten zu ordnen. Die modernen Politik- und Wirtschaftswissenschaften haben große Fortschritte gemacht, um die Funktionsweisen von Regierungen und Märkten zu verstehen. Dennoch kann man von der klassischen Philosophie, besonders von Aristoteles, viel lernen im Blick auf den Aufbau einer demokratischen Kultur. Seine Vorstellung über die psychologischen Bedingungen der Demokratie sucht sowohl der Vernunft als auch dem Streben gerecht zu werden, wie man dies auch bei Kant und Hume finden kann. Die These von Aristoteles, dass die Lebensfähigkeit einer Verfassung vom sittlichen Verhalten der Bürger abhängt, wurde auch von Tocqueville bekräftigt. All diese Überlegungen, die auf die entscheidende Rolle der Kultur hinauslaufen, scheinen sich in denjenigen Ländern zu bestätigen, die sich im Übergang vom Kommunismus zum demokratischen Kapitalismus befinden. Die aristotelische Analyse ist jedoch ernüchternd, wenn man Gesellschaften demokratisieren will, die dafür noch nicht reif sind. Ein erfolgreicher politischer Übergang braucht eine erfolgreiche kulturelle Transformation, und die Schwierigkeiten, dies zu erreichen, sollten nicht unterschätzt werden.
Von der „Bonner Republik“ zur „Berliner Republik“? Von Jürgen Aretz Die politische Diskussion der letzten Jahre könnte die Annahme nahe legen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland zwei sehr unterschiedliche politische Perioden gegeben habe – die „Bonner Republik“ und die „Berliner Republik“. Mit der „Bonner Republik“ ist dabei die „alte“ Bundesrepublik Deutschland gemeint – also der demokratische westdeutsche Staat, wie er bis 1990 existierte. Die nachfolgende Zeit des Übergangs von der staatlichen Wiedervereinigung Deutschlands 1990 über die „Hauptstadtentscheidung“ 1991 bis zum tatsächlichen Umzug des Kerns der Bundesregierung Ende der 90er Jahre stellte in vielfältiger Hinsicht wichtige Weichen. Sie scheint aber bei dieser Unterscheidung zwischen „Bonn“ und „Berlin“ keine Rolle zu spielen, und schon gar nicht findet die Tatsache Berücksichtigung, dass es zwischen 1949 und 1990 die sozialistische DDR gab. Die „Berliner Republik“ des wiedervereinigten Deutschland beginnt so gesehen mit dem Ende der Ära Kohl (1998), dem Wahlsieg Gerhard Schröders und der Bildung einer rot-grünen Koalition auf Bundesebene. Die Unterscheidung zwischen der „Bonner“ und der „Berliner Republik“ scheint eine politische Wegscheide zu bestimmen. Freilich ist der Begriff „Bonner Republik“ erst „erfunden“ worden, als schriftstellernde Politiker sich bemühten, den Begriff von der „Berliner Republik“ zu installieren“1 – vielleicht auch, um die Erfolge jener Epoche (west-)deutscher Geschichte zu relativieren, in der ihre politischen Vorstellungen zu kurz gekommen schienen. Tatsächlich hat sich in Deutschland mit und seit der Wiedervereinigung vieles verändert. Nicht geändert hat sich freilich der politische Befund, dass seit 1949 in Westdeutschland und seit 1990 in ganz Deutschland ein demokratisches System nach dem Vorbild der westlichen Demokratien besteht. Diese Demokratie hat ihre Stabilität allen Spannungen, Wechselfällen und Bewährungsproben zum Trotz bewiesen und ist fest im Bewusstsein der großen Mehrheit der Deutschen verankert. Daran ändern auch die zum Teil medial überbewerteten – und, was viel schlimmer ist: aufgewerteten – Wahlerfolge extremistischer Parteien nichts. Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende können diese Erscheinungen nicht als Beleg für angebliche politische Traditionsstränge herangezogen werden. Vielmehr sind 1
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dies Erscheinungen, wie sie auch in anderen westlichen Demokratien existieren, an deren demokratischer Verfasstheit keine vergleichbaren Zweifel geäußert werden – Frankreich oder Italien etwa. Diese Einordnung ändert nichts an der von den Demokraten in Deutschland ernst genommenen Verpflichtung, den politischen Extremismus von rechts und links aktiv zu bekämpfen – in erster Linie dadurch, dass ihre Wähler für demokratische Positionen gewonnen oder zurückgewonnen werden. I. Die deutsche Einheit – Positionen Deutschland existiert staatsrechtlich in seiner heutigen Form seit dem 3. Oktober 1990. An diesem Tag endete mit der Wiedervereinigung ein historischer Prozess, der bei oberflächlicher Betrachtung im Spätsommer 1989 begonnen hatte. Noch bis weit in das Jahr 1990 hinein hätten freilich nicht nur viele Beobachter, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland politisch Handelnde das Ergebnis dieses Prozesses nicht für möglich gehalten. In Teilen der politischen und medialen Klasse Westdeutschlands schien die Wiedervereinigung Deutschlands nicht einmal erstrebenswert. Das galt im Besonderen für wichtige Strömungen in der damaligen Opposition von SPD und Grünen. Vordergründig scheinen solche Positionen wenig patriotisch zu sein. Tatsächlich gingen viele ihrer Vertreter aber davon aus, dass der Erhalt des Status quo in Europa – also auch die Anerkennung des Herrschaftsanspruchs der Sowjetunion über einen großen Teil Europas und Deutschlands – die unabdingbare Voraussetzung für die Sicherung des Friedens sei. Dem waren nach dem Grundkonzept der Entspannungspolitik von Willy Brandt alle anderen politischen Ziele unterzuordnen. Dabei nahm man in Kauf, dass die Menschen jenseits der Grenze, die Deutschland und Europa teilte, in Unfreiheit leben mussten. Die Bürgerrechtler, die für die Freiheit eintraten, konnten aus diesem politischen und intellektuellen Lager kaum auf Fürsprecher rechnen. In weiten Teilen Westdeutschlands wurde dieses Verständnis von Entspannungspolitik zum Dogma erhoben. Wer vor 1990 für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen und damit indirekt für die Wiedervereinigung eintrat, lief Gefahr, als „kalter Krieger“ abqualifiziert zu werden oder als „Sonntagsredner“, der geistig in der Ära Adenauer stehen geblieben sei. Die wenigsten, die damals so urteilten, haben es wenigstens im Nachhinein geschafft anzuerkennen, dass letztlich gerade Adenauers langfristig angelegte deutschlandpolitische Strategie die entscheidenden Voraussetzungen für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit geschaffen hat. Die Teilung Deutschlands ging auf die unmittelbare Nachkriegszeit zurück. Die Alliierten waren zwar während des Zweiten Weltkrieges übereingekommen,
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Deutschland in Besatzungszonen aufzuteilen, aber sie wollten es gemeinsam regieren. Der Bruch zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion, der kurze Zeit nach Kriegsende zu Tage trat und rasch zum Kalten Krieg eskalierte, führte zur tatsächlichen Spaltung Deutschlands. Es sei nur am Rande angemerkt, dass es zu den scheinbar unausrottbaren, selbst in unseren Schulen verbreiteten Legenden gehört, die deutsche Teilung sei das unmittelbare Ergebnis der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft. Sie sei damit gewissermaßen eine schicksalhaft gerechte Strafe für das politischmoralische Versagen Deutschlands in der nationalsozialistischen Zeit. Vor diesem Hintergrund kam z. B. Günter Grass 1990 zu dem Verdikt, Auschwitz schließe einen „deutschen Einheitsstaat“ aus.
II. Von Adenauer zu Kohl Adenauer hatte im Unterschied zu seinen politischen Gegnern verstanden, dass die Überwindung der deutschen Teilung in Frieden und Freiheit nur gelingen konnte, wenn sich die politische Situation innerhalb der Sowjetunion ändern und die östliche Vormacht ihre Interessenlage selbst neu definieren würde. Bis dahin musste aus Adenauers Sicht eine umfassende Strategie verfolgt werden: Außenpolitisch galt es, die Bundesrepublik fest in die Gemeinschaft der westlichen Demokratien und in der Folge auch in ihre Verteidigungsgemeinschaft zu integrieren, die westlichen Staaten auf das politische Ziel der Wiedervereinigung festzulegen (u. a. durch den Deutschlandvertrag von 1952) und das Bündnis mit den USA auf jeder Ebene zu festigen. Ebenso klar waren die innenpolitischen Notwendigkeiten. Die Bundesrepublik musste politisch, wirtschaftlich und sozial so vorbildhaft und erfolgreich werden, dass ihr Modell in der von ihm erwarteten historischen Stunde als „Magnet“ auf die Menschen in der DDR wirken würde. Die spätere Entwicklung hat Adenauer Recht gegeben. Eine ganz herausragende Rolle spielte für Adenauer in diesem Kontext die Versöhnung der europäischen Nationen und die Förderung der europäischen Integration. Mit Robert Schuman und Alcide de Gasperi trat er für diese Ziele ein, lange bevor Michail Gorbatschow von dem „gemeinsamen europäischen Haus“ sprach, in dem alle Völker des Kontinents Platz haben sollten. Tatsächlich geht dieses Wort auf Konrad Adenauer zurück, der allerdings einen entscheidenden Halbsatz hinzufügte: Das gemeinsame europäische Haus müsse ein Haus der Freiheit sein (1961). Zwei Monate, nachdem er dieses Wort vor Zehntausenden Heimatvertriebenen prägte, errichtete die DDR-Führung die Berliner Mauer. Adenauer sah in dem anderen deutschen Staat kein Modell, für das sich die Deutschen in einer freien Wahl jemals entscheiden würden. Die DDR enthielt ihren Bürgern entscheidende Entfaltungs- und Freiheitsrechte vor und war in
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jeder nur denkbaren politischen und ökonomischen Beziehung von der Sowjetunion abhängig. Weder ideell noch materiell konnte der sozialistische Staat den Menschen die Lebensqualität bieten, die für die Westdeutschen im Laufe der Zeit zur Selbstverständlichkeit wurde. Seit dem Mauerbau im Jahre 1961 waren die 17 Millionen Deutschen in der DDR zwar faktisch eingeschlossen, aber sie hatten im Besonderen über die westdeutschen Fernsehprogramme ein Bild von der unterschiedlichen Entwicklung in den beiden Staaten. Als Helmut Kohl 1982 nach 13-jähriger CDU/CSU-Oppositionszeit Bundeskanzler wurde, erlebte Adenauers Deutschland- und Europapolitik zwar keine Renaissance im unmittelbaren Sinne. Kohls Koalitionspartner FDP hatte bis kurz zuvor ein Bündnis mit der SPD gebildet. Schon von daher konnte nicht ernsthaft daran gedacht werden, die bisherige Politik zu verwerfen. Im Übrigen war es für ihn selbstverständlich, die geschlossenen Verträge zu respektieren und dem römischen Grundsatz zu folgen „pacta sunt servanda“. Auch haben Kohl und seine Berater 1982/83 nicht das Ende der DDR für das Jahr 1990 vorhergesehen – das konnte zu dem damaligen Zeitpunkt wohl so niemand. Kohl berief sich aber unmissverständlich auf die Präambel des Grundgesetzes von 1949 und stellte den Selbstbestimmungsauftrag nicht in Frage. Das musste auch SED-Chef Honecker erfahren, als er 1987 die Bundesrepublik besuchte und Kohl ihm vorhielt, die „Einheit und Freiheit Deutschlands“ entspreche „dem Wunsch und Willen, ja der Sehnsucht der Menschen in Deutschland“2. Nachdem seine Vorgänger das Thema Wiedervereinigung umgangen oder – so Willy Brandt – von ihr als der „Lebenslüge“ der Bundesrepublik gesprochen hatten, bekannte sich Kohl offensiv zu diesem Ziel. Die westdeutsche Politik hat die Lösung der deutschen Frage seit 1949 stets im europäischen Kontext gesehen; europäische Einigung und deutsche Wiedervereinigung, so Helmut Kohl, seien zwei Seiten derselben Medaille. Eine bewusst nach vorne gewandte, also in den Kontext einer friedlichen Europapolitik gestellte Deutschlandpolitik konnte daher entgegen der DDR-Propaganda keinen „revanchistischen“ Charakter haben. Diese Rückbesinnung auf die Grundlagen einer freiheitlichen Deutschlandpolitik fiel in eine Zeit, in der sich die Rahmenbedingungen dramatisch veränderten – und von Helmut Kohl bewusst mit verändert wurden. Das gilt im Besonderen für den NATO-Doppelbeschluss, bei dessen Umsetzung im westlichen Bündnis die Bundesregierung eine Schlüsselrolle spielte. Kohls sozialdemokratischer Vorgänger Helmut Schmidt war an dieser Frage in seiner eigenen Partei gescheitert. Die Standfestigkeit des neuen deutschen Bundeskanzlers – und die seiner Mitstreiter Ronald Reagan, Francois Mitterrand und
2
Helmut Kohl, Bonn-Bad Godesberg, 7. September 1987.
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Margaret Thatcher – trugen indirekt zu nachhaltigen Veränderungen in der Sowjetunion bei. Die östliche Weltmacht hatte mit der fehlgeschlagenen Afghanistan-Invasion – dem oft so genannten „Vietnam der Sowjetunion“ – einen schweren Schlag erlitten. Mit der Wahl eines „polnischen Papstes“ musste sie hinnehmen, dass die Opposition in seinem Heimatland einen ganz entscheidenden Rückhalt erfuhr und das sozialistische Polen in seinen Grundfesten erschütterte. Das Satellitensystem der Sowjetunion geriet in Gefahr. Die nachfolgenden Veränderungen in Moskau erhielten mit Michail Gorbatschow ein Gesicht. Die Sowjetunion musste ihre Interessenlage neu definieren, wie Adenauer es drei Jahrzehnte zuvor als Voraussetzung für neue Entwicklungen in Europa und auch in der deutschen Frage prognostiziert hatte. Die weltpolitischen und europäischen Veränderungen, die deutschlandpolitische Grundsatztreue der Regierung Kohl, die Bürgerrechtsbewegung und die ihr folgenden mutigen Massendemonstrationen in der DDR – im Rückblick hat jeder dieser Faktoren unverzichtbare Bedeutung für die Entwicklung, die schließlich zum 3. Oktober 1990 führte und damit zum Höhepunkt einer Politik, die in besonderer Weise auch mit der „Bonner Demokratie“ verbunden bleibt. III. Die Wiedervereinigung – „Mentalitätsfragen“ Bei den Verhandlungen über den Einigungsvertrag überraschte der aus den einzigen freien Wahlen der DDR hervorgegangene Ministerpräsident Lothar de Maizière im Juli 1990 mit der Forderung, zunächst die Frage der nationalen Symbole zu beantworten – Flagge, Hymne und Hauptstadt. Dieses Denken war der Mehrheit der Bonner Delegation eher fremd. Sie hatte sich zuvorderst auf die Lösung inhaltlicher Fragen eingestellt – Fragen des Föderalismus oder des Rechtssystems etwa. Wie ernst es dem Juristen und Musiker de Maizière mit seinem Vorstoß war, wurde deutlich, als er nachsetzte und vorschlug, der offiziellen deutschen Nationalhymne (3. Strophe „Deutschlandlied“, „Einigkeit und Recht und Freiheit“) in Zukunft eine Strophe der DDR-Hymne folgen zu lassen („Auferstanden aus Ruinen“). Dies sei, wie er als studierter Musiker wisse, durchaus mit der Haydn-Melodie vereinbar. Diese Episode aus den Einigungsverhandlungen weist auf ganz unterschiedliche Erwartungen und Mentalitäten hin: Die meisten Westdeutschen gingen davon aus, die Bundesrepublik werde um das Gebiet der DDR erweitert und im Übrigen bleibe alles im Wesentlichen unverändert. Die Deutschen in der DDR dagegen wollten 1990 zwar in ihrer überwältigenden Mehrheit den Beitritt zur Bundesrepublik, aber viele suchten gleichwohl ein Stück „DDR-Identität“ mit einzubringen – und sei es in symbolischer Form.
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De Maizières Vorstoß resultierte aus einer Einstellung, die im Osten der heutigen Bundesrepublik vielfach anzutreffen war – und bisweilen noch anzutreffen ist. Das Scheitern des Sozialismus führte dazu, dass man nach der Wiedervereinigung in der deutschen Geschichte so weit möglich wieder dort anzufangen suchte, wo die Gemeinsamkeiten durch die erzwungene Teilung beendet worden waren. Im Übrigen sollte – de Maizières Hymnen-Vorstoß war das erste Beispiel – möglichst viel von der DDR-Identität in das wiedervereinigte Deutschland „gerettet“ werden, soweit es nicht völlig diskreditiert war. Das lässt sich selbst für so problematische Themen nachvollziehen wie etwa das „Hinüberretten“ der aus westdeutscher Sicht rechtsstaatswidrigen Enteignungen, die unter der sowjetischen Besatzungsmacht vollzogen worden waren. Von der „DDR-Identität“ ist nicht viel in den Vereinigungsprozess eingeflossen. Das war von westdeutscher Seite auch nicht gewollt. Längst war aus dem Provisorium Bundesrepublik im Verständnis der Westdeutschen ein vollwertiger Staat geworden, der nicht zur Disposition stand. Tatsächlich aber erfuhr die Geschichte der Bundesrepublik mit dem Beitritt der DDR eine tiefere Zäsur als es vielen Westdeutschen bewusst wurde. Nicht nur die Erfahrungswelten von Ost und West waren ganz verschieden, auch das Denken hatte sich unterschiedlich entwickelt. Vereinfacht gesagt: Im Westen Deutschlands richtete sich der Blick üblicherweise weiter nach Westen, wenn es um die geistige und politische Orientierung ging. Im Osten schauten die meisten Menschen vor 1990 zwar in materieller Hinsicht nach Westen, geistig aber suchten sie oft einen eigenen Standort. Das hing u. a. mit der Wahrnehmung der Bundesrepublik zusammen und dem Ausschluss von den Diskussionen und Prozessen, die Westdeutschland in den Jahrzehnten zuvor verändert hatten. Bei aller Bewunderung für den materiellen Erfolg erschien westdeutsches Denken vielen fremd. So ist es auch zu erklären, dass einige Intellektuelle und Politiker einen „dritten Weg“ zwischen der sozialistischen DDR und der „kapitalistischen“ Bundesrepublik suchten – ein Versuch, der keine wirkliche Chance hatte. Für viele blieb dann nur die Suche nach einem Anknüpfungspunkt in der gemeinsamen deutschen Vergangenheit. Tatsächlich sahen sich die gerade aus der DDR-Bevormundung entlassenen Menschen nach 1990 in fast allen Lebensbereichen grundsätzlich neuen Herausforderungen ausgesetzt. Ihr praktisches Wissen, ihre „Lebenstechniken“ waren durch die neue Ordnung vielfach überholt oder zumindest in Frage gestellt. Geistig und politisch wollten sie zwar das alte System loswerden, aber das neue System blieb ihnen vielfach fremd. Der Erfurter Bischof Wanke sprach davon, die Menschen seien einer nicht vorhergesehenen „Nachmodernisierung“ ausgesetzt gewesen. So mancher ehemalige DDR-Bürger fühlte sich im Laufe der Zeit immer mehr überfordert – und angesichts oft unrealistischer materieller Erwartungen
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tief enttäuscht. Aus dem Gefühl, ihre bisherige Lebensleistung werde gering geschätzt und entwertet, entwickelten sie, wie es der evangelische Theologe und Sozialdemokrat Richard Schröder formulierte, einen „Identitätstrotz“. Die postkommunistische PDS hat sich zum Sprachrohr dieses Lebensgefühls gemacht, und konsequent instrumentalisiert sie solche Befindlichkeiten. Ihre guten Wahlergebnisse finden hier eine wichtige Erklärung. Es gilt zwei weitere Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen: Die traditionellen – nicht zuletzt bürgerlichen – Eliten hatten, so lange das möglich war, die SBZ bzw. die DDR in großer Zahl verlassen. Zum anderen war dieser nach 1945 abgetrennte Teil Deutschlands geistig-weltanschaulich nicht mit dem Westen vergleichbar. Das Christentum hatte zwar um 1990 auch in der alten Bundesrepublik viel von seiner gesellschaftlichen und politischen Bedeutung verloren, aber so weit die Kirchen zu grundsätzlichen Fragen ihre Stimme erhoben, wurden sie sehr ernst genommen. Zumindest in einer säkularisierten Form existierten christliche Werte, christliches Denken und Verhalten in der westdeutschen Gesellschaft fort. Der Weltjugendtag und andere Ereignisse könnten erste Anzeichen für eine neue, darüber hinausreichende positive Entwicklung sein. In der sozialistischen DDR gab es eine prägende Rolle des Christentums längst nicht mehr. Schon vor 1933 in Teilen „entchristlicht“, setzte unter den Nationalsozialisten eine antichristliche Politik ein, die von den Kommunisten unter veränderten ideologischen Vorzeichen noch intensiver weiter betrieben wurde. Die Zahl der Christen in der DDR lag 1990 bei unter 30 Prozent. Die Christen haben zwar bei dem demokratischen Neubeginn 1989/90 als Kandidaten große Unterstützung erfahren, weil sie dem alten System in der Regel fern oder offen ablehnend gegenübergestanden hatten. Diese Unterstützung hat aber in der Folge nachgelassen. Sozial- oder politikwissenschaftliche Befunde aus Westdeutschland sind sicher nicht ohne weiteres auf Ostdeutschland übertragbar. Aber wir wissen aus westdeutschen Untersuchungen, dass es einen unmittelbaren positiven Zusammenhang gibt zwischen christlicher Bindung und demokratischem Engagement. Auch hier könnten sich Erklärungsansätze für die unterschiedliche Situation in den neuen und den alten Ländern bieten. IV. Positionen in Westdeutschland Die meisten Politiker und Regierungsmitarbeiter, die auf westdeutscher Seite den Einigungsprozess seit 1990 mitgestalteten, wussten nur wenig von den Unterschieden zwischen Ost und West. Zu der mangelhaften Kenntnis kam die fehlende Verständnisfähigkeit. Die Frage bleibt, ob von dem viel größeren und stärkeren Partner nicht mehr hätte erwartet werden dürfen. Hier herrschte die
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Einstellung vor, mit der Lösung der materiellen Probleme, die für die nächsten Jahre erwartet wurde, wäre die Einheit verwirklicht. Selbst Berater in der Umgebung Helmut Kohls hingen dieser wirklichkeitsfernen Auffassung an, unabhängig davon, dass die Wiedervereinigung auch bei ihnen als hohes Ziel deutscher Politik außer Frage stand. In diesem Punkt unterschied sich das Regierungslager grundsätzlich von Teilen der Opposition. Zwar haben traditionelle Sozialdemokraten wie Hans-Jochen Vogel den Prozess der Deutschen Einheit aus historischer Verantwortung unterstützt. Für andere Sozialdemokraten und überhaupt die Linke in der alten Bundesrepublik gilt das aber nicht. Sie hatten die Wiedervereinigung längst nicht mehr gewollt. Das Zustandekommen der Einheit stand im Widerspruch zu ihrem politischen Weltbild und der Vorstellung von einem „über-“ oder „postnationalen“ Deutschland – was immer das bedeuten mochte. Die Linke in der Bundesrepublik hat sich der Deutschen Einheit politisch uneinsichtig und menschlich unsolidarisch bis fast zuletzt verweigert. Mit der Begründung, wer später komme, müsse sich hinten anstellen, suchte Gerhard Schröder unmittelbar vor der Maueröffnung dem Umsiedlerstrom aus der DDR zu begegnen.3 Wenige Monate später lehnte er als neu gewählter Ministerpräsident Niedersachsens ebenso wie sein saarländischer Kollege Oskar Lafontaine im Bundesrat den Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR ab. Es bedurfte der massiven Einwirkung Vogels und auch Brandts, um beide für ein Ja zum Einigungsvertrag zu gewinnen.4 Die deutsche Sozialdemokratie konnte so vor einer historischen Niederlage bewahrt werden. Den Empfindungen der Bevölkerungsmehrheit entsprachen solche Manöver nicht. Die Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 wurde als nationales Ereignis überschwänglich gefeiert. Über den Einigungsvertrag ist in der Folge heftig diskutiert worden. Im distanzierten Rückblick wird man dem Vertragswerk angesichts der internationalen Rahmenbedingungen und des knappen Zeitfensters, das zur Verfügung stand, ein gutes Gesamtzeugnis ausstellen können – trotz mancher Unzulänglichkeit im Detail. Es galt, einen ökonomisch, ökologisch, politisch und moralisch ruinierten sozialistischen Staat in einen freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu integrieren – eine Aufgabe ohne historische Parallele, für die es in den wissenschaftlichen Bibliotheken der Welt auch keine theoretische Handreichung gab.
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Hannoversche Allgemeine Zeitung, 08.11.1989. Dazu: Daniel Friedrich Sturm, Uneinig in der Einheit. Die Sozialdemokratie und die Vereinigung Deutschlands 1989/90, Bonn 2006. 4
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V. Die Hauptstadtfrage Eine im nationalen Selbstverständnis vieler Deutscher wesentliche Frage war in dem Einigungsvertrag bewusst nicht abschließend entschieden worden – die Hauptstadtfrage. Deutschland hatte als „verspätete“ Nation wie Italien erst im 19. Jahrhundert den Weg zum Nationalstaat gefunden. Nach der Reichsgründung (1871) war Berlin zur Hauptstadt bestimmt worden – die größte Stadt Deutschlands, damals in der geographischen Mitte des Landes, auf dem Gebiet Preußens, zu dem zwei Drittel des Reichsgebietes gehörten. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Berlin unter den Siegermächten in vier Sektoren aufgeteilt. Die DDR erklärte – unter Verstoß gegen den Vier-Mächte-Status von Berlin – Ostberlin zur „Hauptstadt der DDR“. Die Bundesrepublik entschied sich für das linksrheinische Bonn als Sitz von Regierung und Parlament, eine relativ kleine Stadt ohne metropolitane Dominanz und im Unterschied zu Berlin gewiss keine Weltstadt. Traditionell schaute man aus dem 2.000-jährigen Bonn nach Westen, nicht zuletzt nach Frankreich. In Berlin richtete sich der Blick eher skeptisch nach Westen, man fühlte sich stärker dem Osten verbunden und sah sich im politischen Selbstverständnis in einer Art Mittlerfunktion zwischen beiden „Welten“. Bonn galt als Symbol der gelungenen föderalen westdeutschen Demokratie, Berlin stand eher für einen deutschen Zentralstaat, für preußische Tradition und durch den Mauerbau auch für die deutsche Teilung. Bonn wurde gerne als Hort katholischer Bürgerlichkeit beschrieben, Berlin eher als aufgeklärt und protestantisch – was es angesichts des hohen Anteils Konfessionsloser längst nicht mehr war. Bonn stand für den Erfolg des Modells Bundesrepublik und die Weiterentwicklung des Bisherigen, Berlin für die Schaffung von etwas Neuem auf dem Boden der Tradition, einer Tradition freilich, die außerhalb Berlins vielfach skeptisch, ja negativ gesehen wurde – war es doch auch Hauptstadt zweier unterschiedlicher Unrechtsregime gewesen. Die Diskussion schlug hohe emotionale Wellen. Verständlicherweise stießen lokalpatriotische Positionen aufeinander, aber auch die hohen Kosten eines Regierungsumzuges wurden angeführt, wirtschaftliche Argumente und das Problem der Folgekosten. In Berlin kam es sogar zu Kontakten zwischen CDU und PDS, um das Projekt im Berliner Sinne zu befördern. Helmut Kohl wollte die Hauptstadtfrage erst später beantworten; sie sollte nicht Gegenstand des Einigungsvertrages werden. Im Zusammenspiel von Lothar de Maizière und Wolfgang Schäuble, dem Verhandlungsführer der Bundesregierung, wurde dann aber Berlin als Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands festgelegt. Der Sitz von Parlament und Regierung sollte einer spä-
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teren Entscheidung des Deutschen Bundestages vorbehalten bleiben. Dazu kam es im Juni 1991. Berlin konnte sich mit knapper Mehrheit durchsetzen. Die Stadt Bonn hatte über Jahrzehnte ihre Stadtentwicklung den Erfordernissen der Bundesregierung unterordnen müssen. Die Einschränkungen betrafen selbst den privaten Grundbesitz vieler Bürger. Sie konnten stolz darauf verweisen, dass es irgendwelche Störungen politischer Entscheidungsprozesse in Bonn nie gegeben hatte. Alle großen Ereignisse – von Staatsbesuchen amerikanischer Präsidenten bis zu den Visiten sowjetischer Führungsgrößen, von permanenten politischen Aktionen bis zu Großdemonstrationen, deren Teilnehmerzahl die der Einwohner Bonns bisweilen überstieg, waren friedlich und problemlos verlaufen. Das hatte auch mit der toleranten, offenen und auf Ausgleich bedachten Mentalität der Menschen in dieser Region Deutschlands zu tun. Es war vor diesem Hintergrund nicht mehr als angemessen, dass dem Verlust von zehntausenden Arbeitsplätzen mit gesamtstaatlicher Hilfe durch zukunftsorientierte Investitionen geholfen werden sollte. Das ist geschehen. VI. Die „Wende“ 1998 Die Umzugsvorbereitungen wurden im Wesentlichen vor den Bundestagswahlen 1998 abgeschlossen, die Bonn letztmalig als politisches Zentrum erscheinen ließen. Es ging bei diesen Wahlen nicht zuletzt um die Frage, ob die bürgerliche Politik der Mitte, für die Kohl stand, fortgesetzt werden oder ob sein Gegenkandidat Gerhard Schröder (SPD) das Rennen machen würde: Es war unter dem Zeitaspekt die letzte Chance der verkürzt so genannten „68er“, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Diese Überlegung hat allerdings für die Wähler keine ausschlaggebende Rolle gespielt. Kohl verlor die Wahlen deutlich. Unstreitig gab es eine starke Wechselstimmung in Deutschland, und das Unions-Lager verstand es nicht, ihr wirkungsvoll zu begegnen. Das Jahr 1998 war, wenn man denn so will, die Geburtsstunde der „Berliner Republik“. In mehrfacher Hinsicht kam es zu tiefgreifenden Zäsuren. Eine halbe Generation lang hatte Kohl die deutsche Politik geprägt, repräsentiert und lange auch dominiert. Er wurde jetzt durch Schröder ersetzt. An die Stelle der Koalition von Christlichen Demokraten und Liberalen trat das Bündnis von Sozialdemokraten und Grünen, bürgerliche Politik schien durch links-alternative Politik ersetzt zu werden. Nach fast 50 Jahren, während derer Bonn der vertraute, aber ebenso der gewohnte politische Handlungsort gewesen war, folgte nun der Wechsel auf die scheinbar auch politisch weltläufige Bühne Berlin. Eine Aufbruchstimmung schien sich auszubreiten. Schröder definierte sein politisches Bündnis in Anlehnung an Tony Blair als „neue Mitte“. Er suchte so bürgerlichen Ängsten vor einer linken Politik entgegenzuwirken und gleichzei-
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tig der früheren Regierung einen Platz im politisch-historischen Abseits zuzuweisen. Schröder stellte bereits biographisch ein Kontrastprogramm zu seinem Vorgänger dar: Er war 14 Jahre jünger, im Unterschied zu dem praktizierenden Katholiken Kohl ein weltanschaulich indifferenter Protestant, Sohn einer Kriegerwitwe, soziologisch – worauf er gerne rekurrierte – aus der Arbeiterschicht. Unter außerordentlich schwierigen Bedingungen hatte er den Weg zum Rechtsanwalt geschafft. Politisch war Schröder seit Mitte der 60er Jahre in der SPD aktiv und rieb sich über viele Jahre an seinen eher traditionell eingestellten Parteivorderen. Gleichwohl machte er eine bemerkenswerte Karriere und stieg schließlich 1990 zum Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen auf. Schröder war ein Linker – zumindest präsentierte er sich so vor seiner Kanzlerkandidatur. Sein USA-Bild war durch den Vietnamkrieg geprägt und es überrascht nicht wirklich, dass er sich nach einer persönlichen Begegnung von Fidel Castro begeistert zeigte. Eine Einladung von Erich Honecker, dem damaligen DDR-Staats- und Parteichef, kommentierte er als die „eines wirklich bedeutenden Mannes“. Unter Schröder kehrten in Berlin eher zentralistische Überlegungen in die deutsche Politik zurück. Zum einen lagen sie den Sozialdemokraten wohl näher als die Idee des Föderalismus, zum anderen standen sie in gewisser Weise auch symbolisch für den neuen Regierungsort. Ein Beispiel dafür ist der Bereich der Bildungspolitik. Auf der anderen Seite wurde der „rot-grünen“ Klientel eine alternative Energiepolitik mit dem Verzicht auf die Atomkraft und die faktische Einführung der Homosexuellen-Ehe zugestanden. Die eigentliche Überraschung war eine neue außenpolitische Linie. Die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg 1999 hätte unter dem Bundeskanzler Kohl zu schärfsten innenpolitischen Auseinandersetzungen geführt, das militärische Engagement in Afghanistan wäre undenkbar gewesen und die „uneingeschränkte Solidarität“, die Schröder den USA nach dem 11. September 2001 aussprach, hätte vermutlich auch sein Vorgänger nicht prägnanter formulieren können. VII. Neuorientierung und Ergebnisse Die außenpolitische Kehrtwende trat mit dem Irak-Krieg ein. Mit den richtigen Sachargumenten betrieb die neue Regierung eine falsche Politik.5 Vordergründig ging es um den Irak – tatsächlich bot sich nun die Chance, dem deutschen Volk zu zeigen, wie notwendig die Abgrenzung von den USA sei. Schröder und Fischer, beide Vertreter der so genannten „68er“, verband wie ihre damaligen Mitstreiter die Distanz zu den Werten der Bonner Demokratie 5
Christian Hacke, Rheinischer Merkur, 28.07.2005.
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und zu ihren politischen Traditionen, zu den innen- und außenpolitischen Leistungen dieser Epoche. Politisch und ideell hatten sie vor 1998 mit dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft wenig im Sinn, der Westintegration begegneten sie ablehnend, Konsequenz eines für die deutsche Linke konstitutiven Antiamerikanismus. Die zentralen Entscheidungen ihrer politisch aktiven Zeit waren gegen sie getroffen worden: Sie hatten den NATO-Dopppelbeschluss vehement bekämpft, die Wiedervereinigung nicht mitgetragen, und dem deutschen Engagement auf dem Balkan noch in den 90er Jahren aus vorgeblich pazifistischen Gründen ihr lautes Nein entgegengehalten. Es waren Ausflüsse einer Arroganz und pseudomoralischen Überhöhung, einer „ungebrochenen Selbstgerechtigkeit“ (Christian Hacke),6 die das Denken dieses Teils der „68er“ auszeichnete – wie seinerzeit ihren Umgang mit der Geschichte und der Generation ihrer Väter. Berlin stand als politisches Symbol schon vor 1933 nicht zuletzt für ein Selbstverständnis, das Deutschland einen Platz zwischen Ost und West zuwies; – und das durch die fehlende klare Option für das westliche Demokratiemodell ein Grund für die deutsche Katastrophe war. Dagegen sah die in Bonn gegründete Demokratie im Hinblick auf die offene Deutsche Frage ebenso wie als Folge einer bewussten Werteentscheidung ihren Platz im Westen und konsequenterweise in der Eindämmung des Kommunismus und des Expansionsdrangs der Sowjetunion. Schröder wandte sich einer Sichtweise zu, die an frühere Denkschemata erinnerte. Die Modifikation der deutschen „Mittlerfunktion“ bestand darin, dass er nun mit Frankreich, Russland und China die Eindämmung der USA betrieb. Die Frage der moralischen oder demokratischen Qualität der Regime in Moskau und Peking ist dabei offensichtlich nicht gestellt worden. Es darf im Übrigen bezweifelt werden, ob Schröder verstanden hat, wie weit er sich mit dieser Politik zum Werkzeug französischer Interessen gemacht hat. Die ersten Berliner Regierungsjahre, die rot-grüne Koalition von 1998 bis 2005, haben Deutschland auf kaum einem politischen Feld wirklich vorangebracht, aber vor allem in der Außenpolitik viel Porzellan zerschlagen. Die günstigen Auswirkungen der Weltkonjunktur in den Jahren 1999/2000 hatte Schröder als seinen Erfolg gepriesen. Als am Ende seiner Amtszeit entsprechende negative Entwicklungen Deutschland erreichten, beschleunigten sie in Verbindung mit hausgemachten Fehlern seinen Machtverlust. In der internationalen Presse wurde er als „Gambler“, als „Spieler“ gesehen.7 Die Herausforderungen der Globalisierung sind – im Besonderen in der Wirtschaftspolitik – nicht wirklich verstanden worden, Reformen und Einschnitte in dem tatsächlich notwendi6 7
A. a. O. The Gambler. TIME Europe Edition, 06.06.2005 (Vol. 65, Nr. 23).
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gen Maße unterblieben, und die demografische Entwicklung hat keinen nachhaltigen Einfluss auf die politischen Entscheidungen gehabt. Deutschland ist, Bundeskanzlerin Merkel muss zugestimmt werden, „auch ein Sanierungsfall“. Bei allen Problemen ist die wichtigste Voraussetzung für eine Sanierung gegeben: Die deutsche Demokratie ist stabil. Die Sanierung wird umso schneller und gründlicher gelingen, als wir uns auf die Werteentscheidungen und Grundhaltungen besinnen, die am Regierungsort Bonn praktiziert wurden. Zusammenfassung Der Wiedervereinigungsprozess in Deutschland hatte zur Folge, dass der Deutsche Bundestag 1991 Berlin als Regierungssitz festgelegt hat. Der Umzug des Parlaments und der Regierung von Bonn nach Berlin erfolgte im Wesentlichen seit 1998. Dies war auch das Jahr, in dem eine rot-grüne Koalition die Bundesregierung übernahm. Vielfach wird das als tiefgreifende Zäsur in der deutschen Politik verstanden, von manchen als Geburtsstunde der „Berliner Republik“. In dem man aber diese Veränderungen innerhalb der deutschen Politik als eine einschneidende Wende deutet, wird nicht nur eine Distanz zu den Werten und politischen Traditionen der „Bonner Republik“ zum Ausdruck gebracht, sondern es wird auch – bedacht oder unbedacht – ein erfolgreicher Abschnitt der demokratischen Entwicklung (West-)Deutschlands diskreditiert: Bonn steht für die maßgeblichen Koordinaten der deutschen Politik, angefangen von der Westbindung über das System der Sozialen Marktwirtschaft bis zur Ausgestaltung der föderalen Struktur und der europäischen Integration. Diese politischen Grundlegungen waren nach 1945 wesentliche Voraussetzungen für die innere und äußere Stabilität des neuen deutschen Staates und seine erfolgreiche Entwicklung. Deshalb muss ungeachtet des Regierungssitzes der während der Bonner Zeit eingeschlagene Weg auch für die „Berliner Republik“ gelten, es bedarf also einer Kontinuität zu den Grundentscheidungen deutscher Politik.
Summary In the course of the reunification process in Germany in 1991 the German Bundestag decided on Berlin as the seat of government. The move of the parliament and the government to Berlin took place in essence since 1998. This was also the year in which a red-green coalition took over the responsibility of government. Frequently it is understood as a far-reaching caesura within German policy, as the date of the birth of the “Berlin republic”. This not only implies a distance to the values and political traditions of the “Bonn republic”, but it also places doubts on a successful period of the democratic development of (West-)Germany: Bonn stands for the main lines of German policy, the relationship to the Western States, the system of social market economy and also the arrangement of the federal structure and the European integration. These political decisions were undoubtedly responsible for the interior and exterior stability of the new German state and its successful development after 1945. The way followed during the Bonn era must remain in existence in spite of the change of the seat of government. Continuity is required for the fundamental decisions of German policy.
III. Demokratie im globalen Kontext
Islam and Democracy in the West By Cardinal George Pell Muslim minorities in the West have assumed a significance all their own over the last five years. It is revealing to analyse why they have emerged as significant, and the part played in this by aspects of Western societies, independent of Muslim life and culture. I. Muslim Minorities in the West In most places Muslim minorities are not significant for their size.1 In Canada, the United States and Australia Muslims make up under 2 per cent of the population. In Spain and Italy the percentage is around 1 per cent, while in Denmark, Sweden, and the United Kingdom it ranges between 2 and 2.5 per cent. In Austria and Belgium the figure comes in between 3 and 3.5 per cent. Germany, Greece and Switzerland have around 4.5 per cent of their populations made up by Muslims, while in the Netherlands the figure ranges between 5 and 6 per cent, and in France between 8 and 9 per cent. There are larger percentages in east-central Europe; in Albania and BosniaHerzegovina, where estimates of the Muslim population range from 40 to 70 per cent in both countries, and also in the former Serbia-Montenegro (18–19 per cent) and Bulgaria (12 per cent). But here of course the Muslim population is historical and European rather than a product of immigration over the last fifty years. Russia’s Muslim population stands at about 15 per cent, mostly located in the southern regions of European Russia, but again this is largely an historical population. The number of Muslims in most of the remaining countries of Europe is less than 1 per cent. These statistics are important, a useful reminder of the larger perspective which the alarmist accounts that are sometimes given of the Islamification of Europe can neglect. Most countries are a long way from becoming Eurabia. It is also important to keep in mind that the Muslims of Europe are not ethnically or culturally homogenous. Most of Britain’s Muslims come from Pakistan, India 1 Figures are drawn from the World Christian Database (http://worldchristiandata base.org), the CIA’s World Fact Book (http://www.cia.gov/cia/publications/factbook), and the US Department of State’s “Annual Report on International Religious Freedom 2005”.
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and Bangladesh, while the French Muslim population is made up overwhelmingly of Arabs from Algeria and Morocco. In Austria and Germany most Muslims are of Turkish origin, although both countries have significant percentages of Muslims from the countries of the former Yugoslavia. Indeed, ethnically European Muslims from the Balkan countries account for 20 to 40 per cent of the Muslim populations of Denmark, Italy and Sweden, while the small number of Muslims in eastern and central European nations are from the Turkic or Tartar populations of Russia.2 The consequences of this Islamic multi-racialism in the West are unclear (at least to me), but when added to the traditional hostilities of Sunni and Shi’ite these factors should work to decrease the threat to Western values of community peace and tolerance. In Australia at least it is estimated that only a maximum of 10 per cent of local Muslims have any sympathy with Islamic terrorism. It will be interesting to see whether active policing against terrorists and an increase in hostility from the surrounding population (for example, after further terrorist attacks) will increase the percentage of terrorism sympathisers in the Islamic community. It will also be important how many of the remaining 90 per cent actively oppose terrorism, or simply distance themselves from any struggle, or refuse to cooperate with police work against terrorists. In Europe as a whole (excluding Turkey) Muslims make up 4.5 per cent of the total population of 728 million.3 This puts the total Muslim population of Europe at approximately 33 million people.4 There is no doubt this is a significant number, especially when put against the crisis of reproduction that has set in among the majority European population. II. The Significance of Western Demography The demographic facts are now well known, but it is helpful to highlight a few key points. The latest United Nations estimates indicate that of the 44 developed nations of the world only one, Albania (2.29), has a fertility level at or above replacement rate. The United States, with a fertility rate of 2.04 is just below replacement rate. Just as critically, rates in 15 developed countries, mostly in southern and eastern Europe have fallen below 1.3 children per woman to what the UN authors describe as “levels of fertility unprecedented in human history”. Increases 2 Timothy M. Savage, “Europe and Islam: Crescent Waxing, Cultures Clashing”, The Washington Quarterly, 27:3 (Summer 2004), 32 & 35 (Tables 2 & 3). 3 Ibid. 4 World Christian Database.
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in fertility rates have been recorded in France, Germany, Belgium and the Netherlands, but they have been small. As an aside it is also interesting to note that life expectancy in eastern and central Europe, not just in Russia, is falling, and that the ten countries with the lowest rates of natural population increase in the world (and in each case they are declines in the natural increase because deaths outnumber births) are all located in this part of the continent.5 For most of the second half of the last century declining fertility rates in Europe were partly compensated by a younger child-bearing population and immigration. Up until 2000 it was still possible for Europe to stabilise its population with a relatively modest increase in the number of children per family to just over two. But after 2000, as the larger cohort of baby-boom women (1945– 65) approached the end of their child-bearing years, this possibility slipped away. As a consequence, to keep Europe’s population at its current level a fertility rate of 2.1 is no longer enough. A rate of 4.0 is now required. Current conditions are a long way from this goal. Europe’s fertility rate in 2000 was only 1.37, or 65 per cent of the normal replacement rate of 2.1. In 17 European nations that year deaths outnumbered births. Some regions in Germany (eg: Saxony), Italy (eg: Rome, the Veneto region, Tuscany) and Spain (eg: Catalonia, the Basque country) already have fertility rates below 1.0.6 It is clear that immigration is not going to be sufficient to counter the aging of the population that these fertility rates cause. The United Nations estimates that to keep its total population at 1995 levels throughout the period to 2050, the EU alone would need 949,000 migrants a year, compared to 857,000 a year between 1990 and 1998. This may not seem like an impossible goal but even lifting annual immigration by 90,000 a year would not stop population aging. To keep the size of the working population (15–65yo) stable throughout this period annual immigration would almost have to double to 1.588 million. But even that would not be enough. One measure of the age of a population is the number of working-age people to people aged 65 or over. In 1995 the EU ratio stood at 4.3 working-age person to 1 older person (in 1950 it was 7 to 1). To maintain this ratio from 1995 to 2050, 12.736 million immigrants would be required annually, which by the last ten years of this period would be equivalent to half the world’s annual population increase.7
5 United Nations Department of Economic and Social Affairs, Population Division, World Population Prospects: The 2004 Revision Highlights (United Nations: New York, 2005). 6 Allan C. Carlson, “Sweden and the Failure of European Family Policy”, Society, 42:6 (September–October 2005), 41 & 44. 7 United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division, Replacement Migration: is it a solution to declining and aging populations? United Nations, New York 2000.
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Finally, to illustrate just what the fall in fertility rates means in terms of numbers; the number of babies born in 2005 in the expanded EU (the EU25) was 875,000 fewer than the number born in 1982, a decrease of 15.4 per cent. This radical decrease is at least partly explained by the high rate of abortion. One in 6 pregnancies in the EU25 ends in abortion (compared to 1 in 5 in Australia). In 2003 there were just under one million abortions carried out in the EU25 – or 2880 children a day. This figure is down from the 1.364 million abortions recorded in 1985, but up from the 816,000 recorded in 1998. By way of comparison, just under 700,000 people died of heart failure in the EU25 in 2001, making abortion, with cancer, one of the two main causes of death in Europe.8 The high number of abortions each year and the consequent steady fall in the number of births are at the heart of Europe’s demographic crisis, and this crisis is what makes the presence of Muslim minorities who are still having children in large numbers appear to be a “problem”. There would not be a problem, or at least the problem would be of more limited scope, if the historic populations of Europe were reproducing themselves. One estimate (and I am unable to judge whether it is too low or too high) suggests that 20 to 30 per cent of the French population under 25 years of age is Muslim.9 A similar problem faces cities like Brussels, where Muslims make up a quarter of the under-25 age group. Muslim minorities are also significantly younger than the population as a whole. Germany, for example, has 3.7 million Muslims, one-third of them under 18 years of age; but in the general population less than one-fifth of the population is under 18. Because of the youthfulness of the Muslim population and its higher rates of fertility some projections indicate that it could account for 20 per cent of Europe’s population by mid century, compared to 4.5 per cent today.10 A significant difficulty arises when we attempt to evaluate these future population estimates because I was unable to obtain accurate figures on the Muslim birthrate in European countries or indeed to differentiate sections of the general population. In Australia limited data from the 1996 census suggests that while the average number of “children ever born” (which is different to total fertility rates) in the general female population is 1.81, for Muslim women it is 2.68, almost 40 per cent higher than the average.11 8 Institute for Family Policies, Report on the Evolution of the Family in Europe 2006 (Institute of Family Policies, Madrid 2006). 9 Barbara Amiel, “Is France on the way to becoming an Islamic State?” Daily Telegraph, London, 26 January 2004. 10 Savage 28. 11 Gordon A. Carmichael/Peter McDonald, “Fertility Trends and Differentials”, in: Siew-Ean Khoo/Peter McDonald (eds.), The Transformation of Australia’s Population 1970–2030 (Sydney: UNSW Press, 2003), 61–63. The 1996 Australian census included
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The situation is different in certain respects in Western countries outside Europe. This is partly because the majority population is younger in places like Australia, the United States and Canada than in Europe, and because Muslim populations are smaller and of more recent origin. The United States, for example has 4.6 million Muslims, making up 1.55 per cent of a population of 300 million. If this percentage were the same as that of France the US would have a Muslim population of 24 million to deal with, which is rather a different proposition.12 Higher fertility rates also make a difference, at least in the United States (2.04), although Australia’s fertility rate of 1.8 is about the same as that of France, and Canada’s rate of 1.5 is about the same as that for the EU as a whole. III. Identity and Integration A critical difference, however, is the attitude to immigration and the role this has played in ideas of national identity in Western countries outside Europe. They would not have come into existence and developed as they have without immigration. They began with a mix of nations and ethnicities which has only expanded over time, and life within these societies has been characterised by high levels of social and physical mobility from the beginning. The British heritage also helped, not because the British lack national feeling but because Britain itself is a union of different nations, and its concept of national identity emerged organically from this. In contrast, many of the national identities of continental Europe were fostered by the state in the nineteenth century, initially as a way of rallying resistance to Napoleon’s armies, and later as a focus for both unity and unification in different countries. Resistance to both Nazism and Communism also strengthened particular nationalisms. The subject of European attitudes to identity and immigration raises important questions which can be trivialised by facile invocations of “racism” that are attempts to intimidate and simply give vent to liberal self-hatred. Racism, for example, anti-Semitism, is real and thoroughly nasty, although claims of a resurgence are notoriously difficult to gauge, not least because of the careless or deliberate use of “racism” to encompass matters that may not be driven by “a question on the number of children ever born alive (CEB) to women”. The data yielded is limited by the number of women who did not answer the question (ranging from 4.0 to 20.8 per cent over different age cohorts), and by the response for larger numbers of CEB being forced into an option of “six or more”. CEB is therefore a measure of fertility that must be distinguished from Total Fertility Rate (TFR), which registers “the average number of children a group of women would have during their lifetimes if they experienced at each age the fertility rates recorded at those ages in a given year”. Carmichael/McDonald 41–42 & 51–52. 12 Francis Fukuyama, “Identity, Immigration and Liberal Democracy”, Journal of Democracy, 17:2 (April 2006), 15.
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race at all. With some qualifications the same points can be made about claims of a resurgence of “fascism”. There is a real danger here, and certainly if there are more serious terrorist attacks, and if the mainstream democratic parties of left and right fail to acknowledge the cluster of problems that revolve around Muslim minorities in Europe, a revival of extreme nationalism cannot be ruled out. This possibility has not received the treatment it deserves. The prospect of an Islamified Europe is one thing; a radical re-nationalisation of European identity to prevent this is quite another, and in my estimate a more likely and immediate prospect than Eurabia. But European identity, whether based on ethnicity and history or an idea of democracy which purports to transcend them, remains only part of the problem. One other element is Muslim exclusiveness and intolerance, and the denial of any separation between religious, civil and political life in Islam. The riots in France in 2005 drew international attention to the concentration of Muslims in the suburbs of Paris and other major cities. In 2006 there were reports that parts of Malmö, Sweden’s third largest city where Muslim immigrants constitute 25 per cent of the population, had become aggressively enforced no-go areas for Swedish authorities, and that the native-born population was beginning to leave the city in significant numbers. In the Canadian province of Ontario, where Muslims make up 3 per cent of the population, the government in 2005 “indefinitely postponed” plans to establish an Islamic Court of Civil Justice to apply sharia law to Muslims in the arbitration of family matters and some other areas of civil law. This initiative, which was announced in 2003 under existing religious arbitration laws, was only shelved after vigorous national protests led, among others, by Muslim women’s groups. In 2005 also in neighbouring Quebec, the provincial legislature passed a resolution opposing the introduction of sharia in the province. In Maryland and Arkansas in the USA, city authorities have granted permits for Muslim-only residential developments or enclaves, similar to those that have been granted to other religious groups from time to time. These developments have caused alarm as indications of separatism, although none of them are historically unprecedented among immigrant groups in the West or unique to Muslims. Exclusive residential developments, whether based on religion or wealth, are nothing new to the United States. The proposal to establish sharia courts in Ontario was based on legislation from 1991 which permitted a role in arbitration for both canon law (for Catholics) and the Jewish rabbinical court system known as beit din or the “house of law” (these concessions were abrogated when similar concessions for sharia were ruled out).13 Nor
13 On the Canadian and US situations, see David Kennedy Houck, “The Islamist Challenge to the US Constitution”, Middle East Quarterly, 13:2 (Spring 2006).
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are Muslims the first immigrants to the West to concentrate themselves in particular urban areas, or to make them places into which only the intrepid might venture. But there are some attributes of Muslim immigrants which are unique to them and which make these separations more than the transitional markers on the way to eventual integration that they have been for other immigrant groups. One emerging factor is polygamy. Canadian legal academics have already proposed legalising polygamy as a way of making Canada a more inclusive multicultural society and helping Muslim immigrants to feel more at home.14 The assumption seems to be that there would be no significant social consequences in doing so. The French made the same assumption after World War II when they turned a blind eye to polygamy amongst Muslim immigrants, particularly from sub-Saharan Africa. They continued to do so until the way polygamy works against integration and in favour of delinquency became too much too ignore, causing them to ban the practice in 1993. After the riots of 2005, which originated in suburbs where polygamous families are concentrated, there were repeated calls for this ban to be more strictly enforced – and threats from secularists to invoke anti-vilification legislation against those who persisted in suggesting that polygamy may be part of the problem. One estimate suggests that there may be 200,000 to 400,000 French Muslims living in polygamous families.15 As we are slowly beginning to realise in the West, family forms have social implications. Polygamous families can only work if they encourage co-operation between wives and minimise jealousy. The only way of doing this at a human level is to de-emphasise love. In place of love, polygamy is centred on the authority of the husband, collective identity over individual happiness, and the identification of the family with the wider kinship or tribal network. Outcomes for children and wives are mixed, even in a traditional setting where extended family can step in to assist with parenting, supervision and support. They are unlikely to be any better when polygamy is transplanted to the suburbs of Paris, with many people in a small flat, imported wives unable to speak French and allowed to leave the home only in restricted circumstances, and greatly reduced support from extended family.16
14 Stanley Kurtz, “Dissolving Marriage”, National Review Online, www.national review.com, 3 February 2006. 15 Stanley Kurtz, “Polygamy versus Democracy”, National Review Online, www. nationalreview.com, 5 June 2006. 16 Ibid.
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IV. Democracy as a System of Separations A more general and also more important factor distinguishing Muslims from earlier immigrant groups in the West is Islam’s insistence on the absolute unity of life under its religious revelation. Western democracy, in contrast, depends on what the French political scientist Pierre Manent has described as “a system of separations”, or the division of life into separate spheres of activity, which are often separate spheres of value too. Understanding democracy as a system of separations highlights the challenges that minority Muslim populations in Western countries face in assimilating to democratic culture and practice, and also helps to explain the strange sympathy and forbearance that some radical secularists extend to Muslim claims against and criticisms of their host countries. Manent argues that “the division of the social world into rigorously separated disciplines, aspects and powers is a general and characteristic trait of a democratic regime”. He identifies six large categories of separations: the separation of powers; the separation of church and state; the separation of the state and civil society; the separation of representatives and electors; the separation of professions; and the separation of facts and values.17 Manent is very clear that to establish a democracy “these separations have to be put into place, and after that they have to be preserved”. For him there can be no democracy without them. They are democracy’s “imperatives”18. Pre-democratic and non-democratic systems are founded instead on a unitary idea of state and society, and the only separation countenanced is that between those who command and those who obey. Unlike the separations of democracy, this separation reinforces the idea of a unified society and is replicated throughout it “in the family, in corporations, in the church, in the university and so on”. As such it comes to be seen as the basis of social and political stability, and the separations democracy relies on are viewed as a recipe for discord and anarchy.19 Islam is not Manent’s concern, but this description of how unitary societies and cultures work clearly can be applied to it. Rather than weakening society, the separations of democracy provide it with both stability and creativity. Power is divided by being located in the people, and diffused further by the concept of representation, which creates the separation of representatives and electors. This separation in turn acts as a fulcrum for the endless process of constituting, dividing and recombining majorities and their oppositions. The partisan spirit this generates provides the energy which 17 Pierre Manent, “Modern Democracy as a System of Separations”, Journal of Democracy, 14:1 (January 2003), 116–117. 18 Ibid., 117–118. 19 Ibid., 118.
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makes democracy work and also gives the system its stability; for the objectives of any one group of partisans are inevitably frustrated by political competition, forcing all concerned into the broad course of moderation and pragmatism.20 The separations of democracy create space for movement, and not just in terms of physical and social mobility. Perhaps the most important spaces that are opened up when the structure of command and obedience in pre- or nondemocratic societies breaks down are those that allow greater movement of the intellect and the imagination. It is this in particular which leads to a cascade of new separations and distinctions, creating more spaces for movement and the progressive enlargement of the sense of possibility. This has been especially the case in the economic sphere, where beginning with the separations introduced by the division of labour in the eighteenth century, new industries, occupations and services have all sprung from dividing previously undivided functions and operations, re-linking them in new ways, and then dividing them again.21 The consequences in the Western world are all around us to see, particularly in the phenomenal material abundance that we take for granted, and the way it has been spread – often quite imperfectly – through the general population. From the perspective of political and social systems like Islam which value stasis, the separations democracy creates and depends upon may indeed seem to bring anarchy and discord. What they actually bring, however, is freedom and increasing complexity. The six separations Manent identifies are not meant to be exhaustive or self-contained, and the overlap between them is obvious. But in them democracy “confirms and multiplies the separations produced by the development of civilisation”. Its “irrepressible inventiveness in making new distinctions” is the source of its superior vitality over non-democratic regimes,22 and powerfully favours innovation and improvement, at least in areas such as science, technology, commerce and the media. It makes life more complex, but also enables people to grasp new realities and ideas rapidly, and is at the heart democracy’s dynamism and creativity, and some of its problems. This contrasts starkly with Islam’s historic inability to create or sustain a viable economy. Somewhat like twentieth-century communism, Islam has relied disproportionately on plunder and conquest to keep economic life going.23 In the Middle East massive oil revenues now serve the same function.
20
Ibid., 120–123. Cf. Ibid., 116–117. 22 Ibid., 116. 23 Serge Trifkovic, The Sword of the Prophet (Boston: Regina Orthodox Press, 2002), 206. 21
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V. Longing for Unity Democracy as a system of separations is not without its problems, and some of them are more serious than others. Manent himself focuses on the alienation which democracy produces. Formally the people are all powerful, but as individuals they are often powerless, especially when their plans and aspirations run up against the opposition, lack of co-operation, or general indifference of others.24 There are reasons for believing that immigrant groups feel this acutely, and Muslims perhaps more so than some others. Another problem is that life in a social and political order based on multiple separations will inevitably be experienced as something fragmented and incoherent. This is particularly the case when the separation of facts and values, which I suspect is theoretically unsustainable, is made into a principle of morality (in the form of relativism), and is asserted as the basis for the peaceful co-existence of different groups in a society. As Tocqueville observed as long ago as 1840, alongside the impetus to freedom in democratic societies there also exists a tendency to oligarchy. This arises in the hearts of citizens themselves, as a reaction to their experience of the incessant movement and the burgeoning complexity of life in a free society. To live constantly in complexity and ambiguity is to live constantly in tension, and this is something that many or most human beings resist. The complexity and diffusion of democratic life is, of course, much greater today than it was in Tocqueville’s time. Many people deal with this by retreating to the circle of their private life, although with high levels of family breakdown fragmentation and complexity increasingly intrude here as well. But the threat of undue complexity also intrudes into politics and lies at the heart of various secularist attempts to undo the separations on which democracy relies. Some secularists interpret the separation of church and state as implying the banishment of all explicitly religious views, and especially Christian views, from the public square. Christians are told that they have no right to impose their views on society, dismissing the social usefulness or the public acceptability of these views simply because they are Christian. It has never been explained to me satisfactorily why a Christian in a democracy might not argue for majority acceptance of Christian views on particular points; for example, social justice. Christian viewpoints are rejected as private values, while secularism becomes mandatory public philosophy (or indeed religion), usually with an expanding list of human rights, which includes a mother’s right to choose to abort her
24
Manent (note 17), 123–125.
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baby. The separation of church and state here is effectively abolished, by eliminating the church in imposing a secular state religion. The elite of secular opinion too is often impatient with conservative majorities and only too willing to blunt the separation of powers by subjecting the legislature to the judiciary and by tolerating an activist judiciary which goes far beyond the intentions of the founding fathers and indeed public opinion is in its rulings. Considered logically, this Western secularist hostility to religious values in public life should embrace a principled opposition to many public aspects of Islam, but this is not always so despite the French banning the hijab in schools. With its insistence that every aspect of life should fall under its commands Islam also works against the separations of democracy, primarily at the moment through the initial attempts of Muslim communities to create enclaves within Western cities where Muslim law and custom govern life. Strangely enough some Western secularists support this by encouraging these enclaves, by insisting on multiculturalism rather than assimilation, by opposing restrictions on immigration, including restrictions on the importation of brides from countries of origin which plays such an important part in obviating the need for integration, and by making more and more concessions in schools, places of work, and the public square to Islamic sensibilities. It is an illogical alliance, partly founded on Christophobia, but within its basis there is a distaste for the complexity and fragmentation that democracy as a system of separations produces. The secularist and Islamic solutions are radically different, but there is in both a longing for a re-unified society where the separations of democracy have been diminished, if not replaced, by the more reassuring and ordered separation of command and obedience. The nihilism at the heart of this is easier to discern on the secularist side.25 But the emergence of Islamic terrorism, and the sympathy it enjoys among some of those who make up the Muslim minorities of the West remind us that nihilism is quite able to don the garb of the religion for its purposes. History offers more than enough lessons to allow us to imagine the different courses that conflict between integralist understandings of Islam and West might follow. But this is not the problem that confronts us today. The more important and immediate question concerns the encounter between Islamic integralism and the system of separations that make up democracy, and the role that will be played in this by the West’s own weariness with freedom and life, and the secularists’ misunderstanding of the basic sources of social cohesion in Western democratic communities.
25
Trifkovic (note 23), 297.
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Summary Pre-democratic and non-democratic systems are founded on a unitary idea of state and society, and the only separation countenanced is that between those who command and those who obey. Unlike the separations of democracy, this separation reinforces the idea of a unified society and is replicated throughout it. As such it comes to be seen as the basis of social and political stability, and the separations democracy relies on are viewed as a recipe for discord and anarchy. But rather than weakening society the separations of democracy provide it with both stability and creativity. The separations of democracy create space for movement, and not just in terms of physical and social mobility. Perhaps the most important spaces that are opened up when the structure of command and obedience in pre- or non-democratic societies breaks down are those that allow greater movement of the intellect and the imagination. From the perspective of political and social systems like those founded on Islam which value stasis, the separations democracy creates and depends upon may indeed seem to bring anarchy and discord. What they actually bring, however, is freedom and increasing complexity. This is the source of democracy’s superior vitality over non-democratic regimes, and powerfully favours innovation and improvement, at least in areas such as science, technology, commerce and the media. It makes life more complex, but also enables people to grasp new realities and ideas rapidly, and is at the heart of both democracy’s dynamism and creativity, and some of its problems.
Zusammenfassung Vordemokratische und nichtdemokratische Systeme unterscheiden nicht zwischen Staat und Gesellschaft. Der einzige Unterschied besteht zwischen denen, die befehlen, und denen, die gehorchen. Es entsteht der Eindruck von einer geeinten Gesellschaft. So kommt es, dass dies als Grundlage der sozialen und politischen Stabilität verstanden wird, wohingegen die Demokratie als ein Gebilde von Zwietracht und Anarchie gesehen wird. In Wirklichkeit unterhöhlt die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft keineswegs die Stabilität der Demokratie, sondern stärkt sie und ihre Kreativität. Sie schafft so die Spielräume für Entwicklung und Mobilität. Die wichtigsten Freiräume, die entstehen, wenn die Befehlsstrukturen in prä- und nichtdemokratischen Gesellschaften zusammenbrechen, sind diejenigen des Geistes und der Fähigkeit, Neues zu schaffen. Aus der Perspektive politischer und sozialer Systeme, die wie der Islam auf Unveränderlichkeit pochen, suggeriert die plurale Demokratie in der Tat Anarchie und Zwietracht. Was aber wirklich hervorsticht, ist Freiheit und wachsende Komplexität. Das ist die Quelle der höheren Vitalität der Demokratie im Vergleich zu nichtdemokratischen Systemen. Sie schafft Raum für Innovationen und Fortschritte, vor allem auf Gebieten der Wissenschaft, der Technologie, des Handels und der Medien. Dies macht das Leben vielschichtiger, und die Menschen werden befähigt, neue Möglichkeiten und Ideen zu erfassen; im Grunde verdeutlicht dies die Dynamik und Kreativität der Demokratie, allerdings auch ihre Probleme.
Representative Democracy’s Feet of Clay By Peter Simpson It could probably be shown by facts and figures that there is no distinctly native criminal class except Congress. Mark Twain
I. Introduction It was the Ancient Greeks who invented the word ‘democracy’. They meant by it what it says: a situation where kratos or power is in the hands of the demos. By demos is meant, not the people, but the mass of the free poor. By the people in our modern sense we mean everyone, rich and poor and middle class, who has citizen rights, above all voting rights, in a given political state. The Greeks had no word for the people in this sense. They had words for a mass or crowd or host of human beings, but the people are not a mass or a crowd or a host. They are a political body. The closest Greek equivalent to the people is polites or citizen, which does mean everyone with political rights. Contrariwise we do not have a word for the Greek demos. The closest we come to it is in the phrase ‘the common people’. But we do not use that phrase any more. It carries too many derogatory connotations. It has become politically incorrect. That is why it remains a good equivalent of demos. For demos too has a negative ring to it. The demos are not the aristoi, the best, nor the eugeneis, the well born, nor the plousioi, the rich. They are the lowest, the least distinguished, the least cultured of the inhabitants of a community. In Ancient Greece such people had, for the most part, few if any rights. Oftentimes they were little better than slaves. It was a much resented novelty when they acquired political rights in Athens during the sixth century. And when, in the heyday of the fifth and fourth centuries, they took control of the city, the novelty was a cause of bitter factional strife. The original idea of democracy is that all are equal, not only in other respects, but especially in fitness for rule, and that anyone, even without prior experience, can rightly exercise political power. This idea, jealousy treasured by Athenian democrats, is no longer believed by anyone today, not even by citizens of modern democracies. The reason is not any aristocratic contempt for the masses – how could anyone openly adopt an attitude so politically incor-
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rect? – but the modern idea of representation. This term too has a conflicted sense and its original reference is not the same as its modern one. II. Two Ideas of Representation The original way of taking representation is where what is to be represented is the common good of the whole community, or the real and objective interests of the people. These interests are those of nature and tradition. I say tradition as well as nature because a feature of human existence is that we realize our nature in particular places and times and in accord with particular choices adapted to those places and times. To live in accord with conventions and customary practices handed down from ancestors is natural to man, and one of our natural rights is to have these conventions and customs respected and left undisturbed, provided they are not repugnant to reason or justice and are not imposed against the popular will. The well representing of the interests of nature and tradition needs persons who, whether by social condition or habit or learning, understand these interests and evince active motivation by them in thought and deed. Such are typically found among the possessors of ancient privilege or high social distinction or traditional authority. That they should be found in the most numerous class or come from the general mass of the folk is not to be expected. They will be found among the few. But not the arrogant few, nor the restless seekers after gain, nor the mischievous lovers of political novelties, though the upper classes may contain many such. They will be the class of gentlemen, those who, along with enjoying, as it may be, the advantages of birth and privilege, possess also the virtues of moderation and prudence. The fitness of gentlemen to represent the common good of the whole is not bestowed or earned by popular elections. It belongs to them, if it belongs to them, by right of natural, intrinsic worth, though confirmation may, for reasons of political prudence, be sought through the suffrage of their peers. An example can be found in the Britain of Edmund Burke before the passage of the several reform bills. One special target of these bills was the “rotten boroughs” so called, or areas of the country with a small, rural population where the representative sent to Parliament was the effective appointee of the local squire or of the men of distinction who alone had the suffrage. Burke protested that there was nothing rotten about these boroughs, however small their populace or narrow their franchise, if by representation be meant, as Burke always took it to mean, the representation of the real, common good. The abiding interests of a people or country are not a function of the felt wants of the majority of voters at the time of election. They are a function of the objective needs of human nature as these are historically realized in that nation or people.
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A people or a nation is, declares Burke, not a momentary reality but endures through centuries and even millennia. It is a product and a continuing cause of traditions and practices that may be more worth preserving from the point of view of the concrete good of the people than any number of changes that, abstractly considered, are more rational. To overthrow tradition and custom in the name of an alleged universal reason is, more often than not, neither good nor wise. Men are not robots or computers that can be reprogrammed at will. They are living souls who preserve, as they measure, the passages of time, and who thereby come to love the familiar things of their native land merely because they are familiar. Little there is that so much enchants, even into old age, as the scenes remembered from childhood. Man may be a universal being with a universal nature, but it is part of this nature, and a dispensation of reason too, that he should be formed in the concrete through the accidental and particular circumstances of his birth. To represent this combination of the universal and particular in the political counsels of the nation is neither easy nor simple, and the habits of the ages, as handed down from father to son, likely contain more wisdom, as they surely contain more practical force, than the inventions of a new generation or the nostrums of intellectual fashion. Real appreciation for the concrete good of concrete folk, which is the condition for the proper representation of it, is not to be tested or measured by size of electorate or wideness and equality of the franchise. Such things lie at a tangent to what representation demands. Someone not elected, or not by all but only by a few, can easily be a better representative of the whole than he who has the united voice of the masses behind him. The second and modern way of taking representation is where what is to be represented, or what at least there is an aim to represent, is the actual, felt desires of the people or of most of the people. The reason for this difference is a revolutionary change in what is meant by interest. The first way of taking representation presupposes, as just discussed, that there is such a thing as objective interest, whether historically embodied or not, and that knowledge of this interest, of its conditions and its realization, while it will be found in some of those whose interest it is, as the respectable and the gentlemen, need not be found in all of them, as the restless rich or the envious poor. Actual motivation by this interest may be similarly partial and limited. Representation of objective interest may be realized best if some alone and not all determine who shall be the representatives. The second way rejects this understanding. In its extreme form, which also is its most common, it denies there is any objective interest of the sort mentioned that some could know or be motivated by and others not. Interest does not exist as a thing to be determined independently of the actual and felt desires of all the people involved. It is no more than the resultant or combination of these desires, and is only to be measured by taking the weight of each of them and seeing where the preponderance, if any, is found to lie. No
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one’s desire or knowledge can, in such a case, be adjudged intrinsically superior to that of any other. All count for one and none for more than one. Some may perhaps be better or quicker at discerning what the actual desires are of a given collection of people, and some also may be better at discovering how best these desires or the preponderance of them can be satisfied. But that is all. No representation of these desires can be fair, or is even achievable, unless all of them are fully weighed and unless too the determination of representatives reflects the equal suffrage of those whose desires these are. The majority vote of all is in practice the only means of electing representatives that is just. Where election is not open to all, or where the votes of some weigh more than those of others, there no genuine representation can exist, and a few, in place of all, enjoy the benefits of rule. The “rotten boroughs” were rotten indeed. The less extreme form of this second way of understanding representation is less extreme in theory only but in practice differs little from the other. There may be, it allows, such a thing as objective interest, for assuredly there are some wants that are common and inescapable for all, as the wants of physical shelter and sustenance, of emotional affection, of family and friends, of education and free expression. Some objective measure also can be taken of these wants and a general determination of the conditions of their satisfaction arrived at. But the particularities and specific modalities of these wants as they exist in this or that group or individual cannot be determined independently of the measuring of actual feelings and preferences. This measuring can in turn not be done save through the register of majority votes in elections open to all. The practical upshot, as well in this case as the other, reduces, then, to the same. III. Representation in the United States Elements of representation in this second sense, whether extreme or not, lie ready to hand in the United States Constitution as this was interpreted, both then and now, in the widely read and influential Federalist Papers. I refer in particular to the teaching about faction presented by James Madison. A faction, as defined by Madison, is a particular interest or the interest of a part in opposition to that of the whole. Madison has in mind, even if he does not say so directly, actual and felt interests, since he means by faction an interest that is actually motivating and inciting to action some particular group of men. An objective or real interest need not be felt nor need it be actually motivating anyone whose interest it is. It may be so or it may be not, but Madison and his interpreters did not delay much to ponder this fact. They focus on actual, felt desires whether or not these desires are real interests and whether or not there is such a thing as real interest. Only felt interests are politically relevant, at least as regards the workings of the famed checks and balances in the US Constitution. These workings are meant to ensure that what directs US government
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and which interests politicians and their agents actually aim to satisfy are, as far as possible, not those of any single faction but the combined resultant of the interests of all the many factions operative at the time. These factions are pictured as forces colliding ceaselessly with each other like atoms in the void, forming a multitude of temporary combinations, where the resultant of them all is what necessarily prevails and carries the mass along with it. Madison flatters himself that the US Constitution has been so framed that the resultants and their collisions will, as if compelled by clockwork, carry the mass towards useful and peaceable ends acceptable to the majority. Possibly Madison and his followers thought this resultant a true reflection of the real and objective interests of the country; possibly too their goals were answered if, whether true reflection or not, it rendered harmless the clash of factions. No matter; the result is the same. Representation is only successful, and only legitimate, if it is responsive to the actual interests at play in the body politic and reflects the true weights of each. This it will do, they judge, if the representatives are chosen by the majority vote of all. We may regard these convictions as the inevitable conclusion to be drawn from the doctrine in the American Declaration of Independence that “all men are created equal”. The equality of all men can mean many things. In ancient thinkers it means that all men are the same in nature and have the same end, which is the happiness of virtue and wisdom and which is best achieved if the virtuous and wise, and not anyone, exercise rule. In modern thinkers it means that all men are equal in desire and do not have the same end because they do not have the same desires. Further, all desires are equal and none is intrinsically superior or more deserving of satisfaction. No comparative judgments of worth can be passed on equal desires. Sufficient if one can devise some way to stop them clashing when they are impossible of joint satisfaction. Equality of desire, when pushed to its limit, must be taken without any qualifications. It was not so taken at the beginning under any of the forms of US constitutional practice. Only since the 1960s has there been a general acknowledgement that the actual desires of blacks and women are equal, and practice still does not measure up to theory. The unqualified meaning was nevertheless implicit from the beginning in those words from the Declaration of Independence that had such an impact on Abraham Lincoln. If all men are created equal and endowed by their creator with the unalienable rights of life, liberty, and the pursuit of happiness, how could it be the case, or long maintained to be the case, that someone else other than the individual could know or determine what was his happiness or how he was to pursue it? Happiness has to be individualized and subjective if its pursuit is a right proper to each that others may not justly check. American thought and practice has always had this conviction as its deepest current. Only in Europe, and the parts of Africa and Asia dominated by Europe, has the view been prevalent or had any impact on political action
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that happiness is not individualist but collective, not subjective but realized in objective class divisions. These collective classes are said to be objective not by nature but by history which, working through the inevitability of economic changes, determines for each class as it arises its own special interest. This interest, while objective to the class, is yet, as being the resultant from the actual wishes of the members of the class, a subjective creation. The same is true of the interest to be satisfied by the eventual classless society that must ensue from the conflict of existing classes. It will be but the collectivity of the actual wishes of all individuals in society and will be equal for all because no classes will any longer exist to give the members of one class any interest to oppose or oppress those of another. In the US the theory of classes and class conflict and the coming of the classless society has exercised no attraction worth noting and won no adherents of any consequence. The individualism of the Declaration of Independence has too strong a hold on the minds of the folk to be overawed or overthrown by the prophecies and paradoxes, however startling, of the ideology of class struggle. Representation of all through the device of elections and victory by majority vote, without regard to any of the differences of class, is considered to be sufficient guard and guarantee of the people’s wishes. IV. The Faults of Representation by Election Such, at any rate, is the theory. The facts often speak otherwise. A first fact is that elections always in principle favor the privileged few, or those who stand out in some way from the crowd and enjoy distinctions that attract attention. Wealth is an obvious instance of such distinction; so also are high social class, prominent family, conspicuous achievement, striking physical beauty. To possess some or other of these marks brings one notice and so puts one among the notables, as they may rightly be called. Elections are won by number of votes cast in one’s favor and no one can receive many votes who is not known and admired by many. But the notables are, of their nature, the known, and the marks they are known by are, of their nature, among things admirable. The notables need not be the best, or the wisest, or the most just, though perhaps, because of their advantages, they are better placed to be so than either the excessively rich, whom arrogance turns into tyrants, or the excessively poor, whom indigence turns into knaves. A second fact, following on from this first, is that the more numerous the voters the fewer will be the notables who are likely to win any great number of votes. Among a hundred or a thousand there are many, even of a moderate standing, who could enjoy a known reputation; among a hundred thousand likely none of them will; while among a million, let alone the estimated 300 million who live in the United States, only the outstandingly extraordinary
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would do so. Many cast votes; an extreme minority receives them. All choose; from whom they choose are very few. A third fact is that for all to choose from few, instead of from all, is, if the few are merely the rich and privileged, a feature of oligarchy. It can be a feature of aristocracy if the few are virtuous and wise. It is not a feature of democracy. That the Founding Fathers of the US Constitution, who were well read in both the classic and modern thinkers, were aware of this fact cannot reasonably be doubted. Rule by the privileged few, tempered by popular election, was what they aimed for and secured. A fourth fact is that elections are never just a matter of casting votes for whomever one wills, for there is also the advance selection of candidates. When it comes time for the people to choose their representatives, the existing representatives along with their friends and paid retainers (I mean the political parties and their agents) have already determined the candidates for whom alone the people may vote. Most often the existing representative is the chief of these candidates and the obvious favorite to win again. Sometimes the people, or a limited part of them, are also given a say in this determining of candidates (as in the primary elections in the US). But not always is this so, and even when it is, the people have no say in determining who will compete to be a candidate (there are no primary elections for primary elections). Those who compete to be candidates are self-chosen, if they are already among the wealthy notables, or also chosen by those who are prominent and powerful in the political parties. At no point are the people free or encouraged to choose whomever they wish, for the write-in vote is a mere technicality, being but an empty space on the ballot, and designed rather to give prominence to those named than to the possibility of naming anyone. The people’s choice is delimited; the eligible candidates are carefully chosen for them beforehand. There is an argument for defending the undemocratic procedure hereby adopted. It turns on the necessity for qualifications among elected representatives and on the phenomenon of political parties. Not anyone is fit to hold office but only he who has the necessary experience and expertise. Rule is a job and requires, as do most jobs, certain special skills, which skills are the more requisite the more the job of ruling itself exceeds in importance. This argument is, in its origin, an aristocratic one, used, at the beginnings of representative democracy, to limit the candidates as well as the voters in elections. Voters had themselves to meet qualifications of wealth and property and even birth. The argument is no longer used to limit voters, only candidates, because if interest is always and only actual desire, and if the actual desires of property owners carry no greater weight nor are more closely connected to the ends of government than those of any other, then all who have an interest, which is to say the whole population, should rightly be counted in determining who is to represent them.
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One might wonder, if this is the reasoning, why a reservation is still made in favor of qualifications and skills among the candidates. One might well wonder too what skills typical candidates have. Given the way they are chosen, one would think their only skills were those of being able to win the support of party leaders and the votes of the people. How are such skills relevant or needful to good rule? The aristocratic argument always appealed to justice and wisdom as qualifications in rulers and thus imposed strict limits on those who were to rule as also on those who were to choose them. The assumption that possession of virtue was mainly a matter of inheritance and class upbringing was a defect in the aristocratic system (for true virtue is not acquired in this way), but the sense that those who were manifestly deprived of the goods of fortune could not be expected to be virtuous, or to have the virtue of rulers, though they might have some of the virtue of subjects, was only too well founded in the painful facts of experience. The inapplicability of this aristocratic argument to the modern situation shows, by way of contrast, why the ability to win party support and the popular vote is a relevant qualification for office. A party is the fixing or concretizing of Madison’s notion of a faction. It is a special interest like any faction but, in the case of the major parties which are alone of consequence in elections, the special interest is of sufficiently broad extent to embrace within its reach a high percentage of the population. This high percentage forms the settled base among the electorate which the major party relies on and uses to build a majority in the actual voting. A candidate can hardly win an election if he does not first secure some such extensive base, which requires that he first secure the support of a major party. To do that he must profess himself in harmony with the interest that animates the party and makes it influential with the populace; he must also be able sufficiently to articulate that interest in specific policy proposals and legislative action that the party, and chiefly its leaders, will support him and induce as many others inside and outside the party to do the same. Selecting candidates in advance through deals with the party leadership and through the winning of primary elections among those in the populace who typically vote for the party is, therefore, the rational path to follow. It is the path most likely to ensure that the party’s candidate will win office and that, if he does win, he will act in accordance with the party interest. To complain that such a candidate may not have virtue or skill for rule is both false and irrelevant. If the candidate has the ability to win first the support of the party and then that of a majority of the popular vote, as a successful candidate necessarily must, he has all the virtue and the skill that either the party or the populace want. Moreover, no other sort of virtue or skill could be of any relevance, and least of all the aristocratic sort, which assumes the existence of a real and objective interest, independent of the wishes of people and party, as the measure of virtue and skill.
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A fifth fact is that a party is specially organized to manipulate the people and their interests so as to keep them in line with what the party wants. It manipulates the people through determining how they are divided into electoral groupings, and it manipulates their interests through political propaganda. The manipulation in the first case is achieved through the drawing of the geographical areas which a given representative will be elected to represent. Areas are drawn which, through creative geometry, are designed to catch that portion of the people a majority of whom can, because of their social class or wealth, be relied on always to favor the party drawing the area. Different parties collude with each other in this process and agree to parcel up the people into electoral groupings mutually favorable to each party’s interest. The process is called gerrymandering. It is a word not in good odor, but it is hard to see why. If there are no interests but actual interests, and if representation is to be of these interests, there can be little sense in not trying to combine those with similar and compatible interests into the same electoral groupings so that they will be able to choose a representative who will answer to those interests. To leave interests arbitrarily distributed, where no harmony or pattern among them can be discerned or felt, is to ensure that the representation of them will be equally arbitrary, to the annoyance and frustration of all alike. The manipulation of interests, on the other hand, consists entirely in the arts of the demagogue. Passions can easily be stirred by skillful rhetoric, which, through promises and threats and flatteries, plays on people’s fears and hopes, inducing them to vote or act as these passions direct and not as reason or calm reflection might direct Appeals to reason also may skillfully be mixed in with the excitation of passions, but only if these appeals are kept subordinate to passion. Reason plain will move but the reasonable, who are never in the majority and scorn the vulgarity of demagogues. The arts of propaganda have been much improved in recent times through the time and energy spent in uncovering the springs of popular motivation and in the inventing of powerful new media of communication. The old orators would look on in amazement at the sophisticated skills of the commercial advertising agencies and the devious arts of the psyops folk in government offices and military camps. Yet demagogy, for all its modern elaboration, is inherently unstable in its results. It works on emotion, not reason, and emotions are themselves inherently unstable, especially among people taken in the mass. Each man’s moods are affected by many things and the chances and changes of life, over which none has control, exercise an unpredictable influence. What careful propaganda has laboriously achieved may be undone by a mere alteration in the weather. But, surprisingly, there is, for representative democracy, no great problem here, whether in theory or in practice.
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Not in theory because, if all interests are actual interests, the interests, however temporary, that move people under the influence of propaganda are no less their interests than those that move them without such influence. A demagogue who excites an interest and therewith wins an election is as true a representative of the people as any who might have won through some other interest, whether these interests are enduring or pass quickly away or only exist when excited for the occasion. Nor is there a problem in practice, because a clever demagogue can keep prevailing with the people even when other factors intervene and move the passions in some contrary way. Elections are infrequent and the demagogue does not need always to be winning the people’s support but only at set intervals. He can even ignore or openly oppose the people between elections provided he knows how to take advantage even of this when he comes again to solicit their votes. The people can be persuaded that sometimes they are foolish and need to be resisted and to have another lead them, for their own benefit, whither, by themselves, they would not go. They can also be persuaded that government is too hard for them and that they should leave judgment and decision in the hand of their representatives and not always be calling them to account. Provided only the representative can excite the passions to his side again when an election is due, he may act and speak as he will at other times. Clever demagogues can so master these techniques as to stay in office many years. But even if a demagogue fails and loses an election, he does so but to make way for another to take his place, who will survive, if he survives, only through practice of the same arts. The system of elections and the demagoguery of election campaigns have managed to ensure that the people’s passing interests are always represented and always satisfied. Their more permanent interests may be often thwarted and for long periods at a time. Yet even here no problem of theory or practice arises. If or when the more permanent interests become so pressing as to overwhelm all other and passing interests, they will themselves be the prevalent interest of the moment and be strong enough to determine the election and the representation. A theoretical problem could only arise if the people had genuine interests that were not a function of their occurrent moods and states and that could be discerned independently and satisfied independently. But modern thought is persuaded that there are no such interests. It is to older and rejected theories that we must return if we would maintain that there are. But who could dare hope to make these theories prevail against modern propaganda? We must conclude, then, from this analysis that representative democracy, as it currently exists, is really rule by oligarchic demagogues. The actual rulers are the few and privileged and they secure and maintain rule by propaganda. There is only democracy here in the sense that the people, since it is they who by voting determine which of the competing oligarchs will in fact possess office, are the object of the propaganda. There is only representation here in the sense
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of representation of whatever the current passions of the people happen to be, and even the representation of these passions is subordinated ultimately to the interests of the oligarchs, especially when no election is imminent. Neither this sort of representation nor the oligarchy it really amounts to would seem to be a decent form of government. Burke’s ideas were better, and so also, despite its faults, was the practice of the British system in his day. V. Some Steps Towards a Remedy Far be it from me, however, to counsel a return to Burke’s theory or to old British practice. The return would not be feasible, and we can do better. We should borrow a device or two from one of the few systems of government anywhere that is unanimously adjudged to be democratic, I mean the Athens in the classical period of the fifth and fourth centuries BC. The devices I would borrow are the institution of regular scrutinies and audits of all public officials, and the institution of the lottery. Regular scrutines and audits imposed by law, the scrutiny to be made before taking up office and the audit at the end of a term, which all office holders must pass if they are to enter office or continue in office or run again for office – or even if they are just to stay out of jail –, would by themselves put an end to a lot of the sheer criminality that politicians now engage in. These scrutinies and audits, to preserve their power, are to be carried out by impartial examiners, not in any way involved in rule or the benefits of office, and fully open to view, though the various media, before the whole body of the electorate. The introduction of lottery for the selection of officials would also remove the demagoguery and the distasteful practices and fraud inseparable therefrom. Lottery has the advantage of being something one cannot campaign for and is notoriously indiscriminate and unpredictable. That also is its drawback, for there are some whom it would never be safe to allow into office. A remedy for this problem is to screen people in advance and let none go forward to the lot who are criminal or insane or beholden to foreign powers or otherwise compromised. Another remedy, desirable also on independent grounds, is the judicious mixing of lottery with election. An option with much to commend it is to have first an election followed by a lottery. In the election the people would choose a certain number of candidates from among themselves whom they know to be decent men. There would be no pre-arranging of candidates, there would be no names already printed on the ballots, and no one would, on pain of immediate disqualification, be permitted to campaign for votes. The electorate charged with choosing a given representative would first be divided into smaller groupings, say of 5,000 or so adults, according to natural community divisions. These groupings would then each choose, say, five or more candidates by majority vote, and those chosen would all go forward to the next round. At this next
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round there might be in all some hundred or more candidates, depending on the size of the original electorate, and here lottery would be used to select either one man or, preferably, a group of several men, perhaps twenty or thirty, who would jointly or by set order exercise the functions of representative for the given term. Alternatively or additionally all the representative offices could be collective ones, made up of several persons split into two groups, one of which would be chosen by election and the other by lot. This device might help to ensure that those in office were, considered as a whole, likely to be neither incompetent nor corrupt. For if those chosen by lot lacked skill, those chosen by election would likely possess it; and if those chosen by election lacked honesty, those chosen by lot would likely possess it. The same device would help guarantee a certain continuity across elections if, while those chosen by lot are always changing, those elected often remain the same. This practice of election followed by lottery could be introduced almost immediately and with very little preparatory effort into the way elected representatives, when they meet in deliberative assembly, now choose their leaders and their committees and their committee chairmen. At present these leaders and committees and chairmen, who have much power over the business and procedures of the assemblies, are chosen by seniority or influence or majority vote where, as is always true of such methods, a few well placed representatives are able to secure a lock on power and to lord it over their less powerful colleagues. The result is that these few make themselves an oligarchy, as it were, within the oligarchy, and the concentration of power, as well as the accompanying criminality and corruption, are needlessly exacerbated. Ingenuity and study could easily expand these suggestions with many more of like nature to the great advantage of peace and justice in public life and of sanity in public counsels. Perfection will not thereby be secured, and faults and dangers will no doubt remain. But that is inherent in the nature of devices and techniques which, while they can mimic the effects of virtue, can never replace it. The only guarantee for good government is perfect goodness in the rulers, which we can pray for but cannot ensure. One problem we could, nevertheless, consider to be hereby overcome, and that is the difference I have marked between the representation of objective interests and the representation of occurrent passions. For if there are objective interests, they are more likely to be represented by those chosen through a combination of election and lot than by those chosen as oligarchs through the arts of the demagogue. And if there are only actual interests, a fuller range of these interests are again more likely to be represented by such as are chosen by lot and not only by election. In either case, representation will be both more genuine and acceptable to all sides, regardless of other differences.
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VI. Conclusion As things stand, and without the sorts of reforms suggested here, representative democracy, as we now know it, besides being neither representative nor democratic, will remain inherently corrupt. Marvelous and fascinating though it may appear to the modern mind, it will have still those feet of clay which, in the vision of the prophet Daniel, foretold the doom of the ancient empire that stood thereon. Good government needs not, even today, to be democratic; nor perhaps needs it to be representative, or not in any electoral sense, if only it serve those interests which genuinely benefit our communal life. What there needs to be, and what none, I suppose, would demur to insist on, is some requirement, as well in those who rule as in those who appoint the rulers, of honest dealing and decent behavior. That present arrangements are lacking in this requirement ought, on reflection, to be beyond serious doubt. What should exercise our thought is how to apply a remedy. Summary Disillusionment with current political life is said to be growing. If so, its causes are old and indeed inherent in the standard practice of representative democracies. Representation can be understood in two ways: either as representation of the real and objective interests of the people, or as representation of the people’s actual felt desires. Burke’s understanding of the old British constitution is an example of the first, and Madison’s understanding of the new United States constitution an example of the second. The issue turns on the fact and conduct of elections which, in contemporary politics both in the US and elsewhere, makes representative democracy to be in fact oligarchic demagoguery. Elections on a large scale and with large electorates have the oligarchic effect of favoring the very few and privileged, and election campaigns on the same scale drastically limit the number of viable candidates and promote demagoguery. Oligarchic demagoguery is representative democracy’s feet of clay. If the system is not to crumble altogether and make way for open despotism, something needs to be done about both the oligarchy and the demagoguery. Suggestions for cures include legally mandated and public screenings and financial audits of candidates and office holders, and the judicious mixing of lottery along with election, whether at the level of electing representatives in the first place or also at the level of the internal organization of representative assemblies.
Zusammenfassung Die Enttäuschung über die Politik nimmt offenbar zu. Die Gründe für diese Entwicklung sind alt und gehören zum herkömmlichen Bild repräsentativer Demokratie. Repräsentation kann auf zweierlei Weisen verstanden werden: entweder sind die tatsächlichen Interessen der Menschen gemeint, oder die vermeintlichen. Burkes Verständnis der alten britischen Verfassung steht für die erste Variante, Madisons Sichtweise der US-Verfassung für die zweite. Im Kern geht es um das Wahlverhalten, ein
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Tatbestand, der bewirkt, dass die repräsentative Demokratie in den Vereinigten Staaten wie auch anderswo Züge einer oligarchischen Demagogie annimmt. Landesweite Wahlen mit einer großen Wählerschaft haben nämlich eine oligarchische Wirkung, da sie nur einige wenige Privilegierte begünstigen; Wahlkämpfen unter diesen Umständen begrenzt die Zahl aussichtsreicher Kandidaten drastisch, was letztlich wiederum die Demagogie fördern. Die oligarchische Demagogie ist somit ein Makel auf der weißen Weste der repräsentativen Demokratie. Wenn das System nicht gänzlich zusammenbrechen und einem offenen Despotismus den Weg bereiten soll, muss etwas gegen diese Tendenzen getan werden. Lösungsvorschläge umfassen gesetzlich veranlasste öffentliche Anhörungen und finanzielle Überprüfung der Kandidaten und Amtsinhaber, ferner ein kluges Durchmischen des Kandidatenkreises der zu wählenden Abgeordneten und eine entsprechende Ordnung der Parlamente.
Eine demokratische Struktur für die Europäische Union Von Jürgen Schwarz I. Versuche einer Verfassungsgebung Seit den Römischen Verträgen von 1957 beschäftigen sich die Westeuropäer mit der Demokratiebildung in einer von souveränen Staaten getragenen internationalen regionalen Organisation, nämlich der Europäischen Union (EU). Inzwischen sind zahlreiche osteuropäische Staaten, die gerade erst unabhängig und souverän geworden sind, hinzugekommen. Vom Zusammenschluss der – gegenwärtig 27 – Staaten in einer solchen internationalen Organisation erwartet man eine regionale Stabilisierung von Politik und Wirtschaft, Prosperität für die Mitgliedsländer, Konfliktvermeidung durch die moralische, politische und vertragliche Einbindung der Staaten und damit durchaus auch eine Friedensordnung, die sich positiv im globalen Kontext auswirkt. Insbesondere wird angenommen, dass eine demokratische Organisation der Staatengemeinschaft dieser Stabilität, die dauerhafte Zustimmung der einzelnen Staaten und deshalb wiederum Handlungsmöglichkeit nach innen und außen zukommen lässt. Vor allem die zuletzt genannte Zielsetzung, der demokratische Aufbau der Europäischen Union überwölbt durch eine Verfassung, orientiert sich an den bewährten Demokratie- und Verfassungsmodellen der teilnehmenden Staaten selbst. Mehrheitlich wird angenommen, solche Modelle ließen sich prinzipiell auf eine internationale Staatenorganisation übertragen. Man könnte diese am Nation-Building orientierte Zielsetzung als „etatistisches oder nationalstaatliches Modell“ Europa bezeichnen. Es entstünde damit eine – wie in den Staaten selbst – funktionierende Struktur in der Europäischen Gemeinschaft, in der letztendlich die Souveränität der Einzelstaaten, so die diesem Modell zuneigenden Auffassungen, grundsätzlich und praktisch beschnitten oder sogar dauerhaft aufgehoben werden könnte. So organisiert sei die Europäische Union, anders als die weniger zentral organisierte UNO, sogar ein Modell für andere Weltregionen und damit auch von großer Bedeutung für die Struktur einer kommenden Weltgesellschaft. Wenngleich eine solche Entwicklung unter praktisch politischen Gesichtspunkten völlig utopisch erscheint und wie die in diesem Zusammenhang immer wieder diskutierte Weltstaatsidee den Grunderkenntnissen der internationalen Politik widerspricht. Jedenfalls weichen die in diesem Modell und in der internationalen Organisation gebrauchten Begriffe der „Verfassung“ und der „Verfassungsgebung“ vom konventionellen staatsrechtlichen Verständnis und von bisherigen historischen
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Erfahrungen ab. Danach ist nämlich in der Regel der Staat – zumindest hinsichtlich seiner typischen Kriterien: Staatsvolk, Staatsgrenzen und Staatsgewalt – bereits vorhanden, wenn er sich eine Verfassung gibt. Das aber ist in Europa nicht der Fall. Alle genannten Kriterien sind für Europa „offen“ und nicht eindeutig definiert: es gibt kein Staatsvolk, keine Staatsgrenzen, keine zentrale Staatsgewalt. In anderen als etatistischen Modellen, wie etwa in der als Staatenverbund bezeichneten Europäischen Union, sollen zudem die Mitgliedstaaten ihre Souveränität behalten. Bei einer Verfassungsgebung wird also für eine Vielzahl von souveränen Staaten, die sich in einer regionalen internationalen Organisation zusammengefunden haben, sozusagen als Überbau oder als Rahmenwerk eine vertragliche Vereinbarung ausgehandelt, die man Verfassung nennt. Eine Verfassung im staatsrechtlichen Sinne ist dieser Vertrag sicherlich nicht. Es sind die Staaten selbst, die hinsichtlich einer Ordnung ihrer zwischenstaatlichen Gemeinschaft auf einer Regierungskonferenz die letztgültige Entscheidung treffen. Die souveränen Staaten übertragen Kompetenzen auf die Europäische Union; diese hat nicht die Selbstbestimmungsmöglichkeit eines Souveräns; wenn man so will, unterliegt die Union der „Fremdbestimmung“ durch die Mitgliedstaaten. Nicht nur für die einer „Verfassung“ skeptisch oder ablehnend gegenüber stehenden Staaten ist es deshalb wenig konstruktiv, in den fortdauernden Diskussionen unterschiedslos von einer „Verfassung“, von „Verfassungsgebung“, von einem „Vertrag“ oder von einem „Verfassungsvertrag“ zu sprechen. Es bringt auch nicht viel, wenn jetzt nach dem offensichtlichen Scheitern des Verfassungsprozesses konstatiert wird: „Niemand will einen europäischen Superstaat“ (Verheugen). Warum redet man dann nach wie vor von einer „Verfassung“? Setzt man nach wie vor auf ihre „Symbolwirkung“ für ein Gebilde unterhalb des Superstaats, das aber – um die ablehnenden Staaten zu beruhigen – gar kein Staat ist oder werden soll? Es liegt deshalb auf der Hand, nicht von einer Europäischen Verfassung, sondern allenfalls von einem „Europäischen Grundvertrag“, einem „Europäischen Organisationsstatut“, wenn man es realistisch und nüchtern sieht, oder besser noch von einer „Charta für Europa“ zu sprechen. Sie könnte den künftigen Vereinbarungen mit Zustimmung aller Mitgliedstaaten die notwendige Bedeutsamkeit und Stetigkeit verleihen und bliebe doch offen für Veränderungen im Tempo der fortschreitenden Integration. Nach einem seit 1957 (Römische Verträge) diskutierten und durch zahlreiche frühere und spätere Verträge (Maastricht 1992, Amsterdam 1997, Nizza 2001 u. a.) und Verfassungsentwürfe (z. B. UEF 1948, VSE 1951, EPG 1953 u. a.) vorgezeichneten Entwicklungsprozess, der allerdings keineswegs stringent auf ein nie definiertes Endziel hin verlief, sollte die Europäische Union durch Beschluss und Ratifizierung eines internationalen Vertrages über eine Verfassung für Europa nicht zuletzt auch in ihrem demokratischen Aufbau dauerhaft gesichert werden. Ein Verfassungsentwurf wurde durch einen, in seiner Legitimie-
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rung, Zusammensetzung und Verfahrensweise durchaus umstrittenen Europäischen Konvent im Jahre 2003 in einem Konsensverfahren angenommen und von den Staats- und Regierungschefs der EU im Jahre 2004 unterzeichnet. Die Ratifizierung dieses von einer Staatenmehrheit geradezu euphorisch begrüßten, von einer Minderheit aber durchaus kritisch gesehenen Verfassungsvertrages scheiterte dann im Jahre 2005 am „Nein“ in den nationalen Referenda in Frankreich und in den Niederlanden. Der Ratifizierungsprozess wurde in 18 Staaten erfolgreich fortgesetzt, in anderen aus- oder abgesetzt; was aber letztlich an seinem Scheitern nichts ändert. Eine Wiederaufnahme – so wie sie von Deutschland und anderen angestrebt wird – setzt eine erneute Befassung mit dem gesamten Verfassungswerk und nicht nur oberflächliche Korrekturen voraus. Eine gewisse prozessuale Vereinfachung könnte gefunden werden, wenn sich die Staaten auf einen internationalen völkerrechtlichen Vertrag einigen könnten und nicht an dem Wunsch nach einer Verfassung im staatsrechtlichen Verständnis festhalten würden. Beide Varianten jedoch werden einen längeren Zeitraum und angesichts der Aufnahme weiterer Mitgliedsstaaten im Rahmen der bisherigen Zielsetzung einen erneuten komplexen Verhandlungsprozess erforderlich machen. Erfolg lässt dieser Prozess nur dann erwarten, wenn grundlegende Veränderungen und nicht nur oberflächliche Korrekturen vorgenommen würden. Wobei an die wissenschaftliche Forschung zur Entwicklung internationaler regionaler Regierungsorganisationen (IRGO) und nicht nur an bisherige Ansätze internationaler Integrationsforschung angeknüpft werden sollte.
II. Zur Verfassungsgebung in den Vereinigten Staaten von Amerika An dieser Stelle sind einige Hinweise angebracht, die die späteren Erörterungen zur demokratischen Strukturbildung in der EU erläutern können. Im gesamten Prozess der Verfassungsgebung war man auf europäischer Seite immer wieder dazu geneigt, sich hoffnungsvoll an der Ausbildung der Union der Vereinigten Staaten von Amerika zu orientieren. Dabei verkannte man, dass es sich auch in Amerika – wie nicht zuletzt die Federalist Papers von 1787/88, der erste amerikanische Verfassungskommentar und ein Lehrbuch zum Nation-Building, ausweisen – um einen langwierigen und schwierigen Abstimmungsprozess unter den Einzelstaaten handelte, der erst auf dem Konvent von Philadelphia im September 1787 den Durchbruch gebracht hatte, das heißt den Übergang von den letztendlich untauglichen Konföderationsartikeln von 1777 zur Verfassung der Union von 1787 oder wie John Jay plädierte, die Schaffung der „einen Nation unter einer Bundesregierung“. Die Vereinigten Staaten führten den Unabhängigkeitskrieg noch ohne eine förmliche Verfassung auf Bundesebene; aber ausgehend von der einigenden Kraft der Unabhängigkeitserklärung von 1776 und der – nach langen Debatten – die unterschiedlichen Gruppen zusammenführenden
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Revolution gegen den gemeinsamen Gegner. In Amerika war der Staat formal als Konföderation seit 1777 vorhanden und auch in den Revolutionskriegen kann man bereits von einer starken Aktionseinheit sprechen, die sich aus den kulturell nahe beieinander liegenden ehemaligen Kolonien zusammensetzte. Staatsterritorium, Staatsvolk und Staatsgewalt waren in der Konföderation, wenn auch mit noch unzulänglich entwickelten Staatsorganen, vorhanden. Beim Kampf um die Verfassung ging es um die organisatorische Ausgestaltung der einen Nation unter einer neu eingeführten, mit größeren Kompetenzen ausgestatteten Bundesregierung. Hier liegen ganz wesentliche Unterschiede zum Europäischen Einigungsprozess, der zwar außerordentlich weit in die europäische Geschichte zurückgeht und auch aus den aufrüttelnden Ereignissen der Weltkriege, in denen die Einzelstaaten letztendlich versagten, entscheidende Impulse erhalten hat, der aber doch bis zur Gegenwart hin dominiert wird durch die gänzlich unterschiedliche Geschichte der einzelnen Staaten und ihren unterschiedlichen Interessen, Erwartungen und Politiken. In einzelnen Aspekten lernten die Europäer durchaus auch aus der amerikanischen Erfahrung: dazu gehört etwa die Rolle des Konventes, die Einsicht, dass ein Staatenverbund letztendlich nicht wie die Konföderation (ohne reguläre Exekutive oder Konföderationsgericht, mit festgeschriebenem Zwang zur Einmütigkeit in allen wichtigen Entscheidungen) regiert werden kann, dass Hoheitsrechte der Einzelstaaten auf die Union übertragen werden mussten, dass dies wiederum eine differenzierte demokratische Verfahrensweise erforderlich macht u. a. m. In Europa aber hat die zuvor genannte Unterschiedlichkeit der Staaten die in zahlreichen Plänen und Verfassungsentwürfen angestrebte Harmonisierung der Politiken und die Integration der souveränen Staaten bislang nicht möglich werden lassen. Und auch die Erkenntnisse zur amerikanischen Konföderation konnten nur sehr bedingt im europäischen Einigungsprozess umgesetzt werden. Die innere Heterogenität der EU, die Vielfalt der Sprachen, der Lebensstile, der Wirtschafts- und Sozialordnungen, der Staats- und Demokratieformen, der Sichtweisen der Welt und der Interessenvertretungen nach außen hat entgegen manchem Optimismus und der Vorstellung, man könnte das positiv nutzen, bislang nicht überwunden werden können. Sie steht der Einigung in einer gemeinsamen Verfassung entgegen. Es soll deshalb noch einmal auf Äußerungen von Charles de Gaulle aufmerksam gemacht werden, die die unterschiedlichen Integrationsbedingungen in Amerika und in Europa verdeutlichen können. Auf seiner Pressekonferenz am 15. Mai 1962 bekannte sich der französische Staatspräsident entschieden zu einem Europa der Nationen und ihrer Staaten. Die Idee eines „supranationalen Europa“ wurde als unrealistisch bezeichnet und eindeutig verworfen. Er sagte: „Europa braucht Institutionen, die es zu einem politischen Ganzen machen, so wie es bereits als wirtschaftliches Ganzes existiert.“ Um dann nach zahlreichen zeitbedingten Vorschlägen grundsätzlicher fortzufahren: „. . . und Sie werden
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darüber vielleicht sehr erstaunt sein, dass ich selbst niemals, in keiner meiner Erklärungen, vom Europa der Vaterländer gesprochen habe, obgleich man das immer wieder behauptet. . . . (allerdings) glaube ich nicht, dass Europa eine lebendige Wirklichkeit sein kann, wenn es nicht Frankreich mit seinen Franzosen, Deutschland mit seinen Deutschen, Italien mit seinen Italienern usw. umfasst. Dante, Goethe, Chateaubriand gehören ganz Europa, gerade weil sie in erster Linie Italiener, Deutscher oder Franzose waren. Sie hätten Europa keinen großen Dienst erwiesen, wenn sie Staatenlose gewesen wären und in irgendeinem integrierten Esperanto oder Volapük geschrieben und gedacht hätten. Es ist richtig, dass das Vaterland ein menschliches, gefühlsmäßiges Element darstellt, und dass man Europa nur auf Elemente der Aktion, der Autorität, der Verantwortung gründen kann. Welche Elemente? – Die Staaten! Denn die Staaten allein sind hierfür zuständig, legitimiert und in der Lage, etwas zu verwirklichen. . . . zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist kein anderes Europa möglich als das der Staaten, außer natürlich dem der Mythen, der Phantasie, des Scheins.“ Dieser Aspekt ist in der gesamten Integrationsdiskussion zentral geblieben und erfordert auch in den Verhandlungen über ein europäisches Rahmenwerk Berücksichtigung, insbesondere auch bei Entwicklung der demokratischen Struktur. Während sich die Einzelstaaten in Amerika auf die Übertragung der Kompetenzen für Außenpolitik, Verteidigung, Währungsfragen und Finanzpolitik, für das Postwesen und Indianerangelegenheiten auf die Bundesregierung einigen konnten, gelang eine vergleichbare europäische Einigung zwar wesentlich und effizient in allen Fragen des Gemeinsamen Marktes, der Wirtschafts- und Währungsunion, nicht aber in der gemeinsamen Außen-, Verteidigungs- und globalen Sicherheitspolitik, die fälschlicher Weise bis heute als problemlos integrierbare Bereiche gesehen werden. Rechnerisch ist das Potential Europas groß: über 480 Mill. Einwohner leben in 27 Mitgliedsstaaten auf einer Fläche, die etwa zwei Drittel der Fläche der USA beträgt; 35% beträgt der Anteil an der Weltproduktion, gegenüber 27% der USA. Gleichwohl ist weltpolitisch das europäische Gewicht gering, seine machtpolitische Rolle bleibt schwach, nicht zuletzt auch wegen der im Vergleich mit den USA geringeren Militärausgaben. Jedenfalls ist die internationale Position Europas mit der globalen Rolle Amerikas nicht zu vergleichen. Auch das ist naheliegend auf die durch politische Heterogenität belasteten Strukturen der Union zurückzuführen. Großbritannien und Frankreich, Italien und Spanien, Deutschland und die Länder Osteuropas, alle 27 und demnächst vielleicht 30 Staaten der Europäischen Union knüpfen an fortwirkende unterschiedliche historische Erfahrung an, verfechten unterschiedliche Interessen und Prioritäten. Aber auch dies wird – oftmals von außen und in seltsamer Kurzsicht – als ein Vorteil Europas ausgelegt. So wenn etwa der Amerikaner Jeremy Rifkin als Gegenentwurf zum „Amerikanischen Traum“ von einem „Europäischen Traum“ spricht und dabei pauschal die amerikanische der europäischen Zivilisation ge-
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genüberstellt: ökonomischer Individualismus versus soziales Gemeinschaftsdenken; imperialer Anspruch versus Verhandlungsdiplomatie und Kooperation; Konsumismus versus Kulturorientierung; Technikwahn versus Fortschrittsskepsis; konfrontativer egozentrischer Individualismus als Kern des amerikanischen Gesellschaftsmodells versus dialogorientierte Gemeinschaftsbildung in Europa. Damit würde sich in Europa letztlich auch die „Vision einer leisen Supermacht“ verwirklichen. Man kann der Realität in Europa kaum ferner sein, wenn Rifkin die Schwächen der europäischen Gemeinschaft pauschal als ihre Stärken und Besonderheiten interpretiert. Eine „leise Supermacht Europa“, weil sie mit den vielen Stimmen nicht deutlich vernehmbar sprechen kann und weil – so möchte man hinzufügen – Kompetenzen, Entscheidungsverfahren, die bisherige und auch die angestrebte demokratische Struktur eindeutige Entscheidungen, um etwa im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, und die Entwicklung von Handlungsstrategien kaum zulassen. Europa teilt vielmehr gemeinsame „Werte“ mit Amerika, wo sie zuerst und auf Dauer in einer Verfassung gesichert wurden. Die von Rifkin beschriebene „europäische Identität“ kann auch deshalb nicht in Gegensatz zum amerikanischen Selbstverständnis gebracht oder als seine Alternative betrachtet werden. Von der gelungenen amerikanischen Integration der ehemaligen englischen Kolonien ist Europa noch weit entfernt. III. Zu welchem Ende entwickelt sich die Europäische Union Bringt man die Probleme der Ratifizierung des Vertrages über eine Verfassung für Europa auf einen Nenner, dann kann man ohne Zweifel feststellen, dass diese Verfassung – nicht nur in Frankreich und in den Niederlanden – an der Heterogenität in den Ländern der Europäischen Union und damit wiederum an den „nationalen Souveränitätsvorbehalten“ gescheitert ist. Damit wurde zugleich die Einigungsstrategie der EU „Vertiefung und (gleichzeitige) Erweiterung“ grundlegend in Frage gestellt. Unter „Vertiefung“ wurde bis in die Konventsdiskussionen hinein eine „etatistische“, zentrale, parlamentarisch-demokratische Organisation der EU mit weitgehender Übertragung von Hoheitsrechten nach Brüssel verstanden. Dahinter verschwanden zunächst föderalistische und regionale Elemente. Wenngleich zu diesem Zeitpunkt bereits, streitig und wenig transparent, über andere demokratische und den Erfordernissen einer internationalen regionalen gouvernementalen Organisation angemessene Verfahrensformen (New Governance; Offene Koordinierung) diskutiert wurde. Mit der Verfassung für Europa ist zweifellos auch das „etatistische Modell“ zumindest im ursprünglichen und idealtypischen Verständnis gescheitert. Man kehrt zu den Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza zurück. Vor allem Nizza scheint der von vielen Staaten gewünschte Ausgangspunkt für die künftigen Überlegungen und Regelungen, weil hier die „Staaten der Erweiterung“ – ent-
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gegen der Absicht, ihnen ein „geschnürtes Paket“ von Regelungen – vor allem der Vertiefung – zur Annahme vorzulegen – bereits substantiell beteiligt waren. In dieser Abweichung von den zuvor beschlossenen Prioritäten lag zweifellos ein entscheidender integrationsstrategischer Fehler. Das Tor zur Erweiterung der Gemeinschaft wurde weit aufgestoßen; man sah sich geradezu in der Pflicht, den Staaten bei Erfüllung der Beitrittsbedingungen den Zugang zu ermöglichen, ohne zuvor bei der Vertiefung vorangekommen zu sein. Es geht also künftig wohl verstärkt um die Frage, wie eine (auf bis zu 30 Staaten) erweiterte EU unter Berücksichtigung der Souveränitätsvorbehalte der Mitgliedstaaten entscheiden und verfahren kann. Damit kehrt die EU aber auch wieder zum Ausgangspunkt der Diskussionen nach dem Maastricht-Vertrag von 1992 zurück, zu dem im Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Oktober 1993 auch heute noch maßgebliche Feststellungen getroffen wurden. Im Leitsatz 8 heißt es: „Der Unions-Vertrag begründet einen Staatenverbund zur Verwirklichung einer immer engeren Union der – staatlich organisierten – Völker Europas (Art. A EUV), keinen sich auf ein europäisches Staatsvolk stützenden Staat.“ In der Urteilsbegründung werden daraus Schlüsse gezogen, insbesondere auch für die „demokratische Struktur“ der EU, die auch in der wieder aufgenommenen Debatte über die künftige Entwicklung der EU eine Rolle spielen werden. Für diese neuen Überlegungen kann es hilfreich sein, den Vorbehalten gegenüber dem Verfassungsentwurf im Hinblick auf die demokratische Struktur in nur wenigen Aspekten und in sehr komprimierter Weise nachzugehen. Die nationalen Interessen konnten – so die Wahrnehmung einer Mehrheit der europäischen Bürger – weder im Verfassungsentwurf noch in der demokratischen Entscheidungspraxis hinreichend Berücksichtigung finden, zumal die Souveränität der Staaten durch fortgesetzte Versuche von EU-Organen, sich Kompetenz-Kompetenz anzueignen, eingeengt wird. Diese Kritik mag Europapolitikern maßlos überzogen und allzu simpel erscheinen, gleichwohl wird gefragt: Will man in der Europäischen Union überhaupt an der Souveränität der Staaten festhalten, zumindest im Sinne des Urteils des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Oktober 1993, in dem auch vom Verhältnis der nationalen demokratischen Legitimation zur demokratischen Struktur der EU die Rede ist, oder heißt Stärkung der demokratischen Struktur der EU, von der viele einen entscheidenden Fortschritt für die gesamte Gemeinschaft erwarten, Verlagerung der nationalen demokratischen Kompetenzen? Was ist dann in diesem Zusammenhang das Endziel der Europäischen Union? Und bedarf die dafür gefundene Form der Orientierung am etatistischen Modell, wie viele neue Mitgliedsstaaten befürchten? Wäre es deshalb nicht an der Zeit, bei den Organisationsentwürfen innezuhalten und in einer Konsolidierungsphase auch den demokratischen Strukturen praktische Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Wieder einmal zeigt sich, dass die Form der internationalen Organisation letztlich und wesentlich aus ihren
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Funktionen erwächst (form follows function) oder dass die Funktionen sich oftmals nicht an vorgegebenen Formen orientieren. So wie die „europäische Identität“ für Bürger und Völker sicherlich nicht aus dem Entwurf einer umfänglichen Verfassung und den (demokratischen) Entscheidungsverfahren ihrer Organe erwächst. IV. Zur demokratischen Struktur der Europäischen Union In einem neuen Organisationsvertrag sollen aus dem gescheiterten Verfassungsvertrag vor allem die Punkte aufgegriffen werden, die „als tatsächlicher Fortschritt“ gegenüber dem von allen Mitgliedstaaten akzeptierten Vertrag von Nizza 2001 zu betrachten sind. Dazu gehören neben der „Rolle der Ratspräsidentschaft“, der Bestellung eines „gemeinsamen Außenministers“, der Frage der „Zusammensetzung einer größeren Kommission“, „neuer Zuständigkeiten für Parlament und Europa insgesamt“ auch die Fragen der demokratischen Struktur der EU wie: die Zustimmung zu „Mehrheitsentscheidungen“ und die „doppelten Mehrheiten bei Abstimmungen im Rat“. Auch im Verfassungsentwurf (d. h. in der von allen Staats- und Regierungschefs unterschriebenen Verfassung der EU) sind die Kompetenzen in den Politikbereichen und die demokratische Struktur der EU – folgt man den kritischen Argumenten in den Ratifizierungsdebatten – immer noch unzureichend formuliert. Die Anfragen richten sich z. B. auf Titel I, Artikel 5 der Verfassung in dem steht: „Die Union achtet . . . die nationale Identität der Mitgliedstaaten, die in deren grundlegender politischer und verfassungsrechtlicher Struktur einschließlich der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit.“ Warum wird hier nicht eindeutig festgestellt: „Jeder Staat in der Europäischen Union behält seine Souveränität“? Zumal in Artikel 60 ausdrücklich festgestellt wird, dass jeder Mitgliedstaat – so unwahrscheinlich das in der Praxis auch sein mag – die Union verlassen kann. Die Übertragung von Hoheitsrechten kann nach Maßgabe aller Teilnehmerstaaten – wie bisher schon mit der Zuordnung von Kompetenz an die EU und ihre Organe – gleichwohl vorgenommen werden. In Titel III, Artikel 11 heißt es zu den Grundprinzipien der Union: „Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union gilt der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union gelten die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. – Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in der Verfassung zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Alle der Union nicht in der Verfassung übertragenen Zuständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedstaaten.“
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Der Union werden die Zuständigkeiten von den souverän bleibenden Staaten zugewiesen und festgestellt; die EU schöpft diese nicht aus sich heraus in eigener Kompetenz. Diesen Zuständigkeiten entspricht dann wiederum der demokratische und gesetzgeberische Prozess. Titel III, Artikel 12: „Überträgt die Verfassung der Union für einen bestimmten Bereich eine ausschließliche Zuständigkeit, so kann nur die Union gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen; die Mitgliedstaaten dürfen in einem solchen Fall nur tätig werden, wenn sie von der Union hierzu ermächtigt werden, oder um Rechtsakte der Union durchzuführen. – Überträgt die Verfassung der Union für einen bestimmten Bereich eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit, so können die Union und die Mitgliedstaaten in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen. Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit wahr, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat oder entschieden hat, diese nicht mehr auszuüben.“ Um einige Beispiele zu nennen: Die Union hat ausschließliche Zuständigkeit für die Festlegung der Wettbewerbsregeln für den Binnenmarkt, für die Währungspolitik der Mitgliedsstaaten, die den EURO eingeführt haben, für die gemeinsame Handelspolitik, für die Zollunion. – Die Union teilt ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten in den folgenden Hauptbereichen: Binnenmarkt, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Landwirtschaft, Verkehr und transeuropäische Netze, Energie u. a. Dazu kann die Union Unterstützungs-, Koordinierungsoder Ergänzungsmaßnahmen ergreifen. Damit sei angedeutet, dass es reichlich Anlass gibt, in einem künftigen Organisationsvertrag auf jeweils genauere Interpretationen der Zuständigkeiten zu dringen; eine „Verfassung“ würde durch diese Differenzierungen überlastet. In den zitierten Passagen kommt auch das zum Ausdruck, was das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 12. Oktober 1993 grundlegend zur generellen Entwicklung der „demokratischen Struktur der EU“ festgestellt hat. Daraus können die speziellen Organisationsformen demokratischer Entscheidung in den Organen oder Kooperationsbereichen der EU abgeleitet werden. Entgegen mancher Kritik kann es in der EU nicht um eine „gleichförmige demokratische Struktur“ gehen; gleichwohl aber bleiben alle Entscheidungsverfahren in der EU von der Seite der demokratisch organisierten Mitgliedstaaten her legitimiert. Im 2. Leitsatz des Gerichtes heißt es: „Das Demokratieprinzip hindert die BR Deutschland nicht an einer Mitgliedschaft in einer – supranational organisierten – zwischenstaatlichen Gemeinschaft. Voraussetzung der Mitgliedschaft ist aber, dass eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflussnahme auch innerhalb des Staatenverbundes gesichert ist.“ Im 3. Leitsatz heißt es weiter: „a) Nimmt ein Verbund demokratischer Staaten hoheitliche Aufgaben wahr und übt dazu hoheitliche Befugnisse aus, sind es zuvörderst die Staatenvölker der Mitgliedstaaten, die dies über die nationalen Parlamente demokratisch zu legitimieren haben. Mithin erfolgt demokratische Legitimation durch
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die Rückkopplung des Handelns europäischer Organe an die Parlamente der Mitgliedstaaten; hinzu tritt . . . zunehmend . . . die Vermittlung demokratischer Legitimation durch das von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählte Europäische Parlament. – b) Entscheidend ist, dass die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt.“ Im 4. Leitsatz folgt: „Vermitteln . . . die Staatsvölker über die nationalen Parlamente demokratische Legitimation, sind der Ausdehnung der Aufgaben und Befugnisse der Europäischen Gemeinschaften vom demokratischen Prinzip her Grenzen gesetzt. Dem Deutschen Bundestag müssen Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben.“ Das Bundesverfassungsgericht prüft die Einhaltung der Grenzen der den europäischen Organen jeweils eingeräumten Hoheitsrechte nach dem Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung und der förmlichen Vertragserweiterung. Am weitesten entwickelt sind die Zuständigkeiten und Verfahren im umfassenden Bereich der Wirtschaftsgemeinschaft; weitaus weniger in dem ausführlich aufgeführten Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), wo – entgegen einer weit verbreiteten Meinung – die Koordinierung der nationalen Interessen und Prioritäten die wohl größten Schwierigkeiten macht. In der Sicht von Außen- und Sicherheitspolitik ist die EU ein vielfach gefesselter Gulliver. Auch in den Organen und Einrichtungen der EU haben sich unterschiedliche Entscheidungsverfahren ausgebildet, die häufig den Eindruck von Demokratiedefiziten geben, tatsächlich aber durchaus ebenfalls die vom deutschen Bundesverfassungsgericht geforderte demokratische Legitimierung erfahren. Jede internationale Organisation, getragen von souveränen Mitgliedstaaten, entwickelt auf der Grundlage eines Vertrages je nach Aufgabenstellung ihre spezifischen Entscheidungsverfahren. Alle gehen davon aus, nach den im internationalen Bereich möglichen demokratischen Kriterien zu verfahren und zugleich die Souveränität der Mitgliedstaaten zu wahren. Auf einige Beispiele sei im folgenden hingewiesen: Die UNO mit etwa 190 Mitgliedsländern eine weltumspannende Organisation hat ein zweifaches Entscheidungsverfahren entwickelt. In der Generalversammlung (GV) sind alle Mitgliedstaaten ob groß oder klein nach dem Gleichheitsgrundsatz mit einer Stimme vertreten. Die GV fasst Mehrheitsbeschlüsse. Da sich ein souveräner Staat aber prinzipiell nicht einer Mehrheit anderer Staaten unterwerfen kann, sind die Beschlüsse für den den Beschluss ablehnenden Staat nicht bindend. Gleichwohl übt ein Mehrheitsbeschluss auf alle Staaten seine mehr oder weniger große Wirkung aus, weil insbesondere in wichtigen Fragen jeder Staat sein Abstimmungsverhalten rechtfertigen muss. Das zweite Entscheidungsverfahren praktiziert der Sicherheitsrat (SR) der UNO. Hier entscheiden 15 Mitgliedstaaten der UNO, das heißt die fünf Ständi-
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gen Mitglieder des SR zusammen mit zehn für jeweils zwei Jahre in den SR gewählte Mitglieder, über die den Weltfrieden berührenden Sicherheitsfragen. Der SR handelt im Namen aller Mitglieder der UNO. Ein Beschluss muss die Zustimmung von neun Stimmen erhalten einschließlich aller Stimmen der mit einem Veto ausgestatteten fünf Ständigen Mitglieder. Legt eines der Ständigen Mitglieder sein Veto ein, kommt kein Beschluss zustande. Die Beschlüsse des SR sind für alle UNO-Mitgliedstaaten bindend. Dieses Abstimmungsverfahren entspringt einer privilegierten Rolle der Ständigen Mitglieder, ist sehr umstritten, wird durch das Vetorecht häufig gelähmt und garantiert doch in vielen kritischen Fällen die Funktionsfähigkeit der Weltorganisation. Eine Alternative zum Vetorecht der Ständigen Mitglieder ist auch mit der Uniting for Peace Resolution nicht in Sicht. Eine Reform dieser Verfahrensweise des SR erscheint im Grundsatz ausgeschlossen, weil keine der Vetomächte seine seit Gründung der UNO privilegierte Position aufzugeben bereit ist und weil eine Vergrößerung der Zahl der Vetomächte effiziente Entscheidungen erschweren würde. An beiden Verfahrensweisen wird deutlich, wie unterschiedlich demokratische Entscheidungen in einer internationalen Staatenorganisation organisiert sein können. Die NATO fasst ihre Beschlüsse auch in hoch sensiblen Verteidigungsfragen nach dem Konsens- oder Einstimmigkeitsprinzip. Jedes Mitgliedsland verfügt über eine Stimme. Alle Staaten müssen dem Beschluss zustimmen; eine Gegenstimme lässt keinen Beschluss zustande kommen. Seit 1949 ist die NATO mit diesem Entscheidungsverfahren selbst in schwierigsten Situationen funktionstüchtig geblieben. Ohne Zweifel aber haben sich dabei die USA als Primus inter pares in schwierigen Fragen immer wieder durchgesetzt, wenngleich es bis hin zu militärischen Einsätzen Verfahren gibt, die die Interessen aller NATOMitglieder in effizienter Weise einzubeziehen vermögen. IWF (Internationaler Währungsfonds) und andere internationale Organisationen gewichten die Stimme der Mitgliedsstaaten nach einem Quotensystem; mit den Quoten wird anhand einer komplizierten Formel das währungspolitische Gewicht eines Landes gemessen. Die Quoten bestimmen neben anderem das Stimmrecht der Mitglieder. Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um die Variabilität der Entscheidungsstrukturen anzudeuten. Die Europäische Union hat sich immer als eine internationale Organisation sui generis verstanden und dabei als bislang nicht eindeutig formuliertes Endziel eine Staatenunion (Staatenverbund) der souveränen Staaten angestrebt. Diese sollte nach dem Vorbild der Mitgliedstaaten und auf der Basis von Verträgen oder einer Verfassung demokratisch organisiert sein. Titel VI, Artikel 46: „Die Arbeitsweise der Union beruht auf der repräsentativen Demokratie.“ Schon bei Einrichtung des institutionellen Rahmens der EU wich man in Berücksichtigung der internationalen Voraussetzungen und der Souveränität der Mitgliedsstaaten von der im Staat üblichen Organisation von Legislative, Exekutive und
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Judikative ab. Das gilt entsprechend auch für die den Organen der Union zugeordneten Kompetenzen. So wird das Europäische Parlament gemeinsam mit dem Ministerrat als Gesetzgeber tätig und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus; es erfüllt ferner Aufgaben der politischen Kontrolle vor allem im Hinblick auf die Europäische Kommission und Beratungsfunktionen nach Maßgabe der Verträge. Bislang sind seine Kompetenzen wesentlich auf den alten EWG-Bereich ausgerichtet. Eine Verbreiterung der Kompetenzen in alle Kooperationsbereiche der EU hinein wird mit Verweis auf die europäischen Direktwahlen und die Fortentwicklung des demokratischen Prozesses naheliegend angestrebt. Das Parlament hat sich bislang in überzeugender Weise auf die Arbeitsmöglichkeiten einer internationalen Organisation eingestellt; es vermag zunehmend den ihm zugewiesenen Kontrollaufgaben nachzukommen; wenngleich bei weitergehenden Kompetenzanforderungen ab und an vergessen zu werden scheint, dass dieses Organ nicht mit nationalen Parlamenten gleichgesetzt werden kann und die maßgeblichen Mitgliedstaaten nicht seiner Kontrolle oder seinen Mehrheitsentscheidungen unterliegen. Auch hierzu hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 12. Oktober 1993 (Teil C, I, 2. b2) u. a. festgestellt, dass das Europaparlament eine „stützende Funktion“ habe und dass ein „Übergewicht von Aufgaben und Befugnissen in der Verantwortung des europäischen Staatenverbundes“ die Demokratie auf staatlicher Ebene nachhaltig schwächen würde, so dass die nationalen Parlamente die Legitimation der von der Union wahrgenommenen Hoheitsgewalt nicht mehr ausreichend vermitteln könnten. Ein offensichtlich noch nicht optimal gelöste Frage ist die Verankerung der Abgeordneten in den Wahlbezirken ihrer Herkunftsländer, ihre Verbindung mit dem Nationalen Parlament und ihren Wählern. Schwierig erscheint auch die Kompetenzwahrnehmung des Abgeordneten im europäischen Kontext. Seine Zugehörigkeit zu einer internationalen Fraktion bringt in erhöhtem Maße die Probleme der Interessenvertretung mit sich, wie sie aus den nationalen Parlamenten bekannt sind, im Europaparlament aber durch die unterschiedliche Staatsangehörigkeit der Abgeordneten derselben Fraktion potenziert werden. – Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs gibt der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt ihre allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten fest. Er wird nicht gesetzgeberisch tätig, entscheidet im Konsens und übt in Grundsatzfragen die wichtigste Rolle aus. Als Beispiel für seine besonderen Steuerungskompetenzen sei auf die sogenannte „offene Methode der Koordinierung“ (OMK) verwiesen. Aufgrund von Beschlüssen des Europäischen Rates in Lissabon im März 2000 („Lissabon-Strategie“) nahm sich der Europäische Rat die Kompetenz, nicht nur Grundsätze und Leitlinien in den europäischen Entscheidungsprozess hineinzugeben, sondern auch politische Vorgaben im Hinblick auf die Umsetzung von Politiken in Umgehung der für die Gesetzgebung eigentlich vorgesehenen Organe der EU. Formal geht es zwar nicht um Gesetzgebung,
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sondern um „unverbindliche Zielsetzungen“. Tatsächlich aber werden die Entscheidungen der EU im Hinblick etwa auf anstehende Probleme im internationalen Wettbewerb oder bei wichtigen Herausforderungen in anderen Bereichen auf „kurzem Wege“ erheblich beschleunigt. Der Ministerrat der EU besteht aus je einem von jedem Mitgliedstaat auf Ministerebene ernannten Vertreter für jede seiner Zusammensetzungen. Dieser Vertreter ist als Einziger befugt, für den Mitgliedstaat, den er vertritt, verbindlich zu handeln und das Stimmrecht auszuüben. In der Regel soll der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden. Dabei muss diese der Mehrheit der Mitgliedstaaten entsprechen und mindestens drei Fünftel der Bevölkerung der Union repräsentieren. Wenn er nicht auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission beschließt, so entspricht die erforderliche qualifizierte Mehrheit zwei Dritteln der Mitgliedstaaten, die mindestens drei Fünftel der Bevölkerung der Union repräsentieren. Diese Hinweise mögen die – nach wie vor umstrittene – Komplexität der Entscheidungsverfahren hinreichend andeuten. Seine demokratische Legitimation gewinnt der Ministerrat so wie der Europäische Rat aus den nationalen Wahlen bzw. durch die Legitimierung durch die nationalen Regierungen. Der Ministerrat beschließt nach Maßgabe der Verträge über die Europäischen Gesetze und Rahmengesetze. – Die Europäische Kommission versteht sich als Motor der europäischen Integration, sie fördert die allgemeinen und besonderen europäischen Interessen, sie ergreift entsprechende Initiativen, sie koordiniert und überwacht die Anwendung des Unionsrechts unter der Kontrolle des Gerichtshofs. Die Kommission setzt sich gegenwärtig aus den Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammen; sie soll allerdings verkleinert werden, was erhebliche Interessenprobleme der Mitgliedstaaten aufwerfen wird. Diese Organe sind auf unterschiedliche Weise bestellt, insgesamt aber auf einer hinreichenden Legitimationsbasis, nämlich – außer dem durch Direktwahlen bestellten Europäischen Parlament – durch die nationalen Regierungen, die wiederum durch die nationalen Parlamente und durch Wahlen kontrolliert werden. Die Kommission wiederum wird wesentlich auch durch das Europäische Parlament kontrolliert. Kompetenzen der Organe sind ebenfalls unterschiedlich verteilt, außer dem Europäischen Rat hat kein Organ Kompetenz-Kompetenz, wenngleich immer wieder Kompetenzausweitungen außerhalb des vorgesehenen Verfahrens und über die jeweilige Ermächtigung hinaus angestrebt werden. Entscheidungs- und Gesetzgebungsverfahren sind zwar grundsätzlich in adäquater Weise angelegt, bedürfen aber in festgelegten Grenzen der Ausweitung, die – in Berücksichtigung der nationalen Kompetenzen und der nationalen versus europäischen Balance – wiederum nicht über ein bestimmtes Maß hinausgehen darf. Es bedarf in der nächsten Zukunft weder der kosmetischen Veränderungen an einer untauglichen „Verfassung“, noch der filigranen Ausarbeitung gleichförmiger demokratischer Strukturen, sondern im Sinne gesteigerter Leistungsfähigkeit
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der EU und einer New Governance der Entwicklung adäquater Verfahrensweisen in den unterschiedlichen Kooperationsbereichen. Diese fortschreitende Organisation der EU bleibt an den souveränen Mitgliedstaaten orientiert, die letztlich auch die „demokratische Struktur“ der Gemeinschaft legitimieren. Die Mitgliedstaaten bilden einen europäischen Staatenverbund, der auf einem internationalen Vertrag beruht, den man seiner Bedeutsamkeit entsprechend als „Charta für Europa“ bezeichnen könnte.* Zusammenfassung Die „Verfassung für Europa“ (2004), die der Europäischen Union Stabilität, Zusammenhalt und die Grundlegung ihrer demokratischen Struktur garantieren sollte, ist aus drei wesentlichen Gründen gescheitert: 1. Die Einigungsstrategie „Vertiefung der Union und ihre gleichzeitige Erweiterung“ um zahlreiche neue Mitgliedstaaten verfehlte ihr Ziel. 2. Ganz offensichtlich kann eine internationale gouvernementale Organisation (IGO), deren Träger souveräne Nationalstaaten sind, nicht durch eine dem Nationalstaat entlehnte Verfassung organisiert werden. 3. Die Staaten sind nicht bereit, ihre Souveränität über bestimmte Grenzen hinaus für die Entwicklung der demokratischen Struktur einer internationalen Organisation aufzugeben. Weder Leistung noch demokratische Struktur des europäischen Staatenverbundes hängen von einer Verfassung ab. Leistung kann durch ein angemessenes vertragliches Organisationsstatut ermöglicht werden. Die demokratische Struktur findet ihre Grundlegung und Legitimität vornehmlich in den Demokratien der Mitgliedstaaten. Ein neuer internationaler Vertrag ist notwendig; er sollte „Charta für Europa“ heißen.
Summary For many years the idea of a united and internationally integrated European Union (EU) has been a controversial topic. In 2004 the member states aimed to overcome these endless debates by establishing a constitution to stabilize the EU and to lay the ground for a common democratic structure. Yet the project failed for three main reasons: 1. the strategy “to deepen the Union by reforms and to broaden it for more members by a synchronized process“ did not hold; 2. it was found that an international government organization (IGO) cannot be organized by a state-like constitution; and 3. some states found it unacceptable to transfer more than a limited amount of sovereignty to the democratic structure of the Union, holding that the Union has no need for a constitution comparable with that of a nation-state. The democratic structure of the EU is limited and is not homogeneous. Its foundation and legitimacy lie within the democratic member states. One is forced to conclude that the EU needs no constitution but an adequate and efficient international treaty, called “The Charter of Europe”. * Hier sei vermerkt, dass die in Brüssel vom 21. bis 23. Juni 2007 tagende Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EU in wesentlichen Punkten zu Ergebnissen (bzw. Kompromissen) kommt, die bereits im vorstehenden Beitrag (Redaktionsschluss am 12. Mai 2007) analysiert, begründet und vorgeschlagen werden.
Democracy and the Multinational By Nicholas T. Pinchuk I. Introduction The primary goal of multinational businesses is to create gain for their shareholders, to build prosperity for their employees, and to advance those stakeholders who enlist in their organization. In that effort, corporations objectively search for and rank countries in which they can best pursue those goals. The dispassionate choice of where to invest is, in many ways, one of the primary functions of a Multinational. The perspective of the Multinational is, therefore, quite useful in objectively assessing the efficacy of various forms of government in creating prosperity for its constituents. In Western political and social orbs, democracy is often identified as the model which will best create that desired economic opportunity. When reviewing actual examples from a Multinational view, however, it’s clear that effective governments and even functional democracies come in many forms, not all of which fit the Western image of ideal leadership. The governments around the world – U.S., China, India, Vietnam, Singapore and others – demonstrate that it’s not the type of government which is decisive in delivering commercial opportunity. It is rather the leadership characteristics of consistency, stability, separation, judgment and recognition that make the difference. And, these favorable qualities exist over a range of governments from democracies to autocracies. This paper is an attempt to explore the role governments play, unique or otherwise, in creating a favorable environment for international business. It’s based on my experience as a member of various multinational corporations and direct participation in their search for favorable environments. In the following, I have tried to describe the events I have witnessed, and the episodes that have been relayed to me by reliable sources. I have mixed them with various pertinent data and set forth the conclusion drawn from these real life situations. There are, of course, alternate views of the implications. As appropriate, I only offer my own interpretations in the hope that they are both persuasive and helpful. II. Consent of the Governed Substantial governments around the world recognize that their license to lead comes from the long-term consent of the governed. And, that endorsement is
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unfailingly linked to domestic and international safety, economic improvement, and a reasonable ability to make day to day choices regarding how to live one’s life. The lesson demonstrated in populations across the globe, from China to the U.S. to Singapore to the UK, is that it is the ability to deliver improved quality of life that creates consent. All functioning governments realize that unless they can demonstrate some trajectory toward long-term gains, the license to govern will erode. The balance among these various quality of life considerations varies from culture to culture, particularly from the West to Asia. It’s clear, however, that among these considerations, economic prosperity seems to carry the most weight in creating client satisfaction. A more enlightened version of “bread and circuses” appears to be alive and functioning in the 21st century. In that regard, one need only look to several recent examples of the correlation between consent and economics. The U.S. President, George H.W. Bush was immensely popular in January, 1992, riding on the success of the Gulf War. By mid-summer, the economy was in retreat, and his general support was in free-fall. He went on to lose the November election primarily due to dissatisfaction with the perceived lack of progress for the average voter. In a later period, the current U.S. President, George W. Bush, enjoyed strong domestic support despite international opposition to his Iraq policy. He was, in fact, re-elected relatively easily in 2004. His support weakened substantially when he was no longer able to keep gasoline prices under control. There were, of course, other difficulties that may have contributed to his losses. Higher costs of everyday driving, however, appeared to be the major factor for the average American. A further example can be seen in the Thai Prime Minister Chavalit Youngchaiyudh, who enjoyed strong support. Then came the Asia currency crisis of 1997 and he was abruptly out of office. Finally, Margaret Thatcher, the longest serving British leader in 10 years. Her traditional support base was eroded and she was driven from office to a significant degree by interest rates rising to 15%. Her support eroded and she became vulnerable on a number of political fronts. On the other hand, favorable economics can author continuing strong consent of the governed. China, Singapore, and pre-1990 South Korea are clear examples. If prosperity and progress continue, a government is seen as successful by its clients. When economies weaken, the leadership is held responsible.
III. Multinationals: Consent of the Invested A multinational corporation is a social organism whose function is to further the economic interests of its stakeholders, primarily investors and employees. The organization must create progress for both these groups if it is to maintain their support. It’s reasonably clear and well demonstrated that investors must be
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served or the capital which fuels the corporate agenda will be withdrawn. What is not as well recognized is the similar requirement by the employee base. Any commercial organism requires the enlistment of that group in its future. Before Jac Nasser was removed at Ford, one could predict his imminent departure by the general lack of confidence in his leadership evident among the rank and file. Casual conversations with varying levels of Ford people indicated a level of opposition that could only be dysfunctional in executing any action or plan. In fact, when Nasser’s successor, Bill Ford, was introduced to the Dearborn employees, he was greeted with a standing ovation. He received this almost Moses-type reception despite the fact that his credentials, other than having his name on the building, were no better and possibly less impressive than Nasser’s. The enthusiastic reception for his less qualified successor was an indication that Nasser’s administration had ceased to have the endorsement of the employees and was, therefore, ineffective. Any change was welcome! It’s clear from the Ford situation and from a number of other management successions I have seen over the years, that changes of leadership in Multinationals are often proceeded by loss of employee confidence, just as government upheaval is often accompanied by eroding support of the population. The Multinational’s goal, therefore, is parallel to that of government although the corporate agenda is narrower. In the end, however, both must maintain consent of their primary client base and the foremost elements in that task are continuing prosperity and economic improvement. At a basic level, business and government seek the same outcomes and, beyond that, their success or failure is intertwined. A corporation’s success is based to some extent on government economic achievement. In that regard, businesses must regularly assess the capabilities of various governments to create commerce-friendly environments. IV. Multinationals: The Favorable Climate The Multinational or any other business organism is not devoted to any specific form of government. It can work equally well within a democracy or an autocracy and with several gradations in between. There are several examples in the world today of what does work for Multinationals and what doesn’t work. What Multinationals prefer are country leaderships that create a favorable environment for commerce on an ongoing basis. The key elements of such a milieu are: consistency, stability, separation, judgment, and recognition. V. Consistency: Limited Uncertainty A consistent, predictable set of policies is probably the biggest contributor to a success, across the various jurisdictions and time periods over which Multinationals operate. It’s actually simple economics. Interest rates include a risk pre-
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mium as a major component of the returns required for the use of capital. All economies, even the U.S. or those of Western Europe, have such charges as part of the time value of money. However, that charge varies from country to country depending on the uncertainty. Said another way, consistent government leads to smaller risk premiums resulting in lower interest rates . . . creating increased economic growth . . . offering better pathways to prosperity. Consistency allows corporations to plan for the longer term, and execute more complex strategies which have longer gestation periods. Uncertainty regarding government can make the long term too risky for major deployment of corporate capital. In some ways, customers, investors and employees enlist in a corporation because they believe in its potential success. Business success is rooted in the commercial relationships with customers and in the social contract with employees. These client groups have substantial effect on corporate outcomes. Maintaining a healthy and enabling community of these constituents is a first order factor in determining corporate success. The regulatory environment is also a significant factor in structuring these interchanges. Disruptions, even those driven by regulatory events, can compromise the possibilities. The major clients – customers, investors and employees – may look unfavorably on businesses that fail to live up to promised performance even as they accept reduced offerings from new entrants. An example of these may be seen in the U.S. airline industry where deregulation has created issues. Employees are quite disappointed and aggressive toward United Airlines, American, Delta, and a number of other established lines because of wage and benefit concessions. It affects airline performance, customer satisfaction, and the long-term success of the airlines. At the same time, other airline workers are willing to accept reduced compensation packages from new entrants to the U.S. airline scene. The unwinding of the compensation relationship with the airlines reflects a number of factors, but primary among them is industry deregulation . . . a cataclysmic change in the environment. Customers and employees, however, are no more forgiving because the compensation/cost pressure and performance may have been driven by regulatory change and have punished the larger airlines accordingly, by moving their patronage. The case of Vietnam can also be illustrative regarding the role of consistency. During the ’90s, the country was awakening from its long economic sleep associated with the war with America and the subsequent embargo. It was hailed as another opportunity for business growth of significant proportion. After an initial flurry of enthusiasm, however, direct foreign investment remained relatively tepid. Reluctance was fueled by a number of factors, but surely primary among them was the central government’s mercurial policies on property ownership by foreign business entities or even by joint ventures formed between Vietnamese companies and Multinationals. At various times,
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such ownership was forbidden, allowed, or sanctioned with certain restrictive provisions ranging from the minimal to the draconian. It’s not that Multinationals needed to have land ownership outright. If property rights were denied to foreign invested businesses, then leasing would be acceptable – perhaps less attractive but still viable. The fact that the rules might change was the problem. If the venture was configured for land ownership and this was no longer possible, the path to a new arrangement might be uncertain and costly. If the investment was structured to lease and the regulations changed quickly to allow ownership, later projects could have a distinct advantage. In such environments, businesses tend to demur from all but very high-return opportunities, waiting until policies stabilize. Multinational investment projects, after all, must be approved by the Board of Directors. An immutable fact is that operating management does not relish proposing projects that may be subject to significant changes. When Multinationals saw that investments could not be made with clear, reliable positions on property, they became reluctant. And, the investment levels in Vietnam reflected this reticence, and potential was left unfulfilled. The juxtaposition of two recent and consecutive U.S. Presidents is a great example of the impact of consistency . . . or lack thereof . . . on a nation’s economy. In that dimension, among others, Jimmy Carter and Ronald Reagan could not have been more different. Carter, the engineer, was pure technocrat, deciding each individual issue based on a clear and considered analysis. The President of the United States, however, is not requested to make many easy decisions. As with all leaders of significance, questions that can be clearly decided on the facts are made by others. The issues which rise to the leadership require judgment. They must be informed not by analytics but by an ideological compass which guides in the fog of uncertainty. In this regard, the 39th President did not have a consistent set of directions . . . of preferred solutions. James Fallows served for a time as a speechwriter in the Carter Administration. Writing in The Atlantic, he characterized his former boss as “The Passionless President.” He had no overarching preferences as guide. He depended on the cloudy view provided by the incomplete or contradictory facts of each case. Fallows says, “Carter . . . has no large view . . . no line indicating which goal will take precedence.”1 The resulting unpredictability had disastrous consequences economically and politically. Interest rose well into double digits, and commerce was stifled. Of course, Jimmy Carter’s style was not the only factor, but the inconsistency of his policies did confound government effectiveness and business efficiency alike.
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“The Passionless President” by James Fallows. The Atlantic, May 1979.
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On the other hand, Ronald Reagan came to office with a very different approach . . . a singular devotion to conservative principles. He was an actor who rose to political prominence on his message . . . while others dealt with the details. This style, however detached, served him well in leadership. Decision after decision, from confronting air traffic controllers on strike to engaging the Soviet Union, was made with a consistent right leaning compass. Business flourished and foreign policy was effective. The predictability of the President created a framework for success. Consistency is quite valued by multinational governments. A predictable set of policies reduces risk premiums, improves financial attractiveness and creates greater strategic certainty. It makes any jurisdiction much more attractive. The lack thereof renders the country a questionable investment.
VI. Stability: Firm Hand at the Helm Stability, in this context, defined by long-serving leadership and seamless transitions of power, is similar but not congruent to consistency. It’s another characteristic that Multinationals strongly favor in governments. It reflects a dependable ideology applied to the issues across the passage of years. Potential issues can be forecast with reasonable accuracy. The future is always unclear to some degree, but a stable government can contain the uncertainty within the boundaries of force majeur. With risk premiums low and interest rates affordable, investment capital flows and economies prosper as a result. Examples of this effect are legion and can be seen in the histories of developed and emerging economies alike. Even in the mighty U.S., where as has been discussed, Ronald Reagan displayed remarkable consistency with a conservative compass. In 1984, the combination of the President’s consistent policies and the stability of his almost sure electability created quite favorable economic conditions. South Korea, on the other hand, demonstrated the impact of changing government policies in the late eighties and throughout the nineties. As the mantle of elected leadership passed from Chun Doo Hwan to Roh Tae Woo to Kim Young Sam and on to Kim Young Sam in successive five year terms, policies, reforms and focuses changed dramatically in reflection of the new leader’s posture. Several Presidents in this period prosecuted and imprisoned their predecessors because their reforms did not go far enough. Nominally, the rule of law was in effect, but when Kim Young Sam was elected in 1993, he decided to interpret existing laws differently than his predecessors. In many areas, the contradictory nature of the new understanding made commerce quite difficult if not impossible, abruptly impacting the local economy and the country’s competitiveness. Korean business suffered setbacks during these transitions, reflecting the lack of
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stability. A more effective approach might have been to gradually adjust policy. This might have reduced the economic disruption over the period. Another less dramatic example may be Japan. In the years between 1964 and 1987, years of strong economic growth, the country was served by 6 prime ministers . . . an average of 4 years in office. These leaders were from the same party . . . rose from similar training . . . and represented extensions of essentially the same approach to both policy and governance. The years between 1987 and 2001 were quite different . . . much more turbulent from a leadership perspective. Fourteen prime ministers led the government during the period . . . an average of just over one per year. At the same time, the economy demonstrated substantial weakness. Japan struggled with slow growth, substantial business losses, and pressure on employment levels . . . all unprecedented after recovery from the war. In 2001, the charismatic Junichuro Koizumi was elected prime minister. While his policies reflected departure from the Japanese past, his confidence and charisma won wide support. As a consequence, his term extended for over five years, the first taste of stability for Japan in more than a decade. GDP, which was about flat or negative as Koizumi took office, increased to annual real growth rates of between 2.5 and 3.0%. Regarding the present situation in Japan, it is, of course, uncertain whether the recent economic growth is the result of Koizumi’s stability or the primary reason for his being able to remain in office. However, examining the history, knowing the perspective of business, and having the benefit of speaking with Japanese business leaders over some time, it’s clear that when the government was stable, investment was confident and the economy strong. When Prime Minister became a kind of temp job, business lost confidence and the economy faltered. Transfer of power is, of course, a mechanism which greatly affects the stability of a country. Smooth succession is one of the attractions of democracy. The newly elected leader possesses the right to govern that comes from electoral endorsement. He or she may not have a strong mandate . . . may have a limited range of action . . . but legitimacy is not usually a question in a functioning democracy. In that regard, most transfers are conducted without the risk of political instability. In a democracy, the capability of the leader is not necessarily an issue. An incapable head of government can be replaced within a relatively short period. And, in any case, democratic structures are often contrived to limit the influence of any one individual. The mechanism for transferring power is, therefore, a substantial element of creating stability in democratic governments. For other forms of government, however, the transfer of power is much more tenuous and is, indeed, a risk to overall stability. Legitimacy can only be established by competency to govern. And, of course, there is no way to fully
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demonstrate that capability before actually serving in the head. Ascension to leadership is, therefore, not endorsed either by election or clear demonstration of capability. Some governments have been better than others. China, for example, has had two relatively smooth transitions. Jiang Zemin succeeded Deng Xiaoping without disruption. And, in turn, Hu Jintao smoothly succeeded Jiang. On the other hand, one need only remember the instability that followed Mao in China or that surrounded the handover to Stalin and his immediate successors to recognize the perils of transition in non-democratic regimes. A recent example of difficult transitions in closely held leadership groups can be seen in the Philippines where the country did not move forward and, indeed, may have moved backward economically when Corazón Aquino succeeded Marcos. The turbulence which followed Indonesian President Suharto’s exit is also an example of difficult handoffs in more autocratic regimes. Uncertainty regarding succession, therefore, can be one of the great disadvantages of an autocratic leadership model. The success in China, however, shows that the risk can be overcome. VII. Separation: Resisting Distraction The world of the Multinational is governed by the laws of economics. When other considerations intervene, commercial activity becomes substantially more difficult. Integral to the ability to maintain separation is the ability to resist pressure from special interests, often representing a small but vocal slice of the population. Democracies which depend on coalitions are especially vulnerable to this debilitating phenomenon, especially on issues which are not immediately central to the leadership’s agenda. The United States, India and the democracies of Western Europe all exhibit this tendency, while other forms of government are much less likely to be impacted by the need to cater to special interests that would compromise the country’s economic progress. When the United States changed auto emission policies, combining the separate California standard into a single compliance set for the entire country, it accommodated the direction and pressure of the environmental interests. At the same time, however, it greatly disadvantaged diesel power plants that could provide high fuel economy, low emission alternatives to internal combustion plants. The U.S. auto companies, which compete well in Europe using such engines, saw their investment in that technology marginalized despite the potential benefits to the nation. Another example is the Malaysian government’s New Economic Policy (NEP) which requires all foreign-invested joint ventures to have a majority share owned by “Bumiputra”, i. e. local Malay interests. For the country as a whole, this was not driven by economic considerations. In fact, it probably retarded commerce for some period. The policy was enacted for purely political
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and ideological reasons . . . to gain support of the local Malay majority. It was also installed to be consistent with the then Prime Minister Mahathir’s belief that ethnic Malays needed special treatment to overcome generations of underperformance. The NEP was particularly problematic for business because it was applicable to preexisting joint ventures. It, therefore, required divestitures to reach compliance. Issues arose regarding valuation of shares sold under pressure and the new role of a Multinational as a minority partner. In addition, there was a question regarding the spirit of compliance. Smaller foreign companies who were not concerned with international optics could skirt the policy by enlisting a “front” local interest which nominally would hold the majority but would not exercise management or fiduciary rights. For legitimate Multinationals, the policy was a substantial setback. It forced international businesses to deal with divestitures, unequal competition with less compliant entities, and the ongoing difficulties of managing minority positions in a distant land. Examples similar to the above are abundant, each of them demonstrating how a government’s ability to compartmentalize issues . . . to separate economic policy from other interests . . . is a characteristic that is valued by Multinationals in making their investment choices.
VIII. Judgment: No Substitute for Being Right Of course, capable insight in guiding policy is a highly desired characteristic of governments. Some leaderships make good policy from an economic perspective . . . some make bad calls. India’s current Prime Minister, Manmohan Singh, seems to have accelerated his country’s quest for prosperity. Under his leadership, India has progressed in dismantling much of the remaining aspects of the license Raj, which had been so stifling to international investment and had made India uncompetitive in global markets. On the other hand, the leadership of Burma has been particularly ineffective at advancing the economy of its country. Abrupt currency changes, restrictions on investments, and limitations on individual activities and freedom have all been included in a series of bad judgments that have made Burma unattractive for even the more intrepid of Multinationals. Indonesia has consistently failed to fulfill its potential because it restricts foreign investment, in some cases to minority positions. In making the judgment to protect local interests, the leadership has retarded commercial development. It is hard to differentiate between bad judgment and policies driven by other non-economic considerations. There are, however, governments which come to mind: North Korea, the aforementioned Burma and Indonesia all have sub-optimized resources. Other such as Singapore, China, and, recently, India make de-
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cisions which are generally effective in promoting the prosperity of its people and, therefore, create fertile ground for Multinationals. IX. Recognition: Partners in Progress Multinationals, for that matter any business, seek either a direct or indirect partnership with government. At the base of any such cooperation is private and public recognition that business and general prosperity are clearly linked. The ensuing partnership can be reflected in a number of ways: tax incentives for start-ups; far-sighted adjustment of tariffs; provision for a continuous supply of educated people; reasonable control of union or civil action; a general laissez-faire approach and . . . most important of all . . . maintenance of a positive public posture toward business which creates public support, making the partnership possible. Achievement of such partnership/recognition is possible both in democracies and in other more concentrated forms of government. In countries where power is held by a relatively narrow group, partnership depends heavily on the sophistication of the leadership . . . on its understanding and focus on economics. Some are so gifted; others are either unconvinced or heavily distracted. On the surface, democracies with their more responsive leadership models should be more accepting of business as an engine of prosperity. However, the need to enlist disparate groups and interests in the ruling consensus can dilute the partnership dramatically. One only needs to remember the Indian government’s relative inaction as factions denounced and attacked various McDonald’s throughout the country, to behold an example of this phenomenon. Variation in recognizing the value of business can be seen in the general opposition to commerce of early Communist Vietnam, all the way to the close business/government cooperation that was evident in the autocratic days of the early South Korean Republic. The Vietnamese position led to general hardship. The Korean government’s partnership with Chaebol such as Samsung, Goldstar and Hyundai, transformed the country, creating substantial prosperity. Multinationals do seek recognition of their value by governments. It authors a partnership framework that promotes commerce, prosperity and corporate success. This recognition can be found in almost all forms of government running from the democratic to the autocratic. Lack of cooperation is similarly persuasive. Effective government/business partnership, therefore, depends primarily on the quality and strength of the leadership, not on the form of government.
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X. Rule of Law: Deliverance or Façade It might be suggested that the Rule of Law should be included in the essential elements of a favorable business environment. It has not been included here because it does not always create the desired order. Those who endorse the benefits and stability of democracies as more stable and commerce-friendly than other forms of government often offer the existence of the rule of law as a primary advantage. The underlying assumption being that tightly held leadership can change rules for its own requirements, at its own will, without reference to fairness or logic. Further, democracies are not subject to such deficiencies because law must be set only with the consent of the populace and cannot be changed with that general mandate. Democracy does generally offer an advantage in this area. The breadth and depth of that benefit, however, is much less clear than might at first be apparent. Consider India. In the orb of attracting direct foreign investment, its democracy and the accompanying rule of law is often highlighted to Multinationals as a great advantage. From a commercial perspective, however, the codification is not always the dependable protection that might be expected. The Indian legal system is a labyrinth-like set of rules and jurisdictions. It’s often mired in endless procedure and bureaucratic snarls. There can be, I suppose, some debate regarding the origins of this complexity. Some of it is undoubtedly the legacy of the British civil service system installed as part of the Raj. The vestiges of that colonial structure may also have been amplified by the very nature of democracy, i. e., catering to the will of the diverse people combined with protection of minorities. And one thing India has is minorities. In the need to court the interests of the various ethnic groups, to create optical protection of the nation’s vast underprivileged and, above all, to appear unbiased, the country’s legal system has been organized in the difficult structure that exists today. My own experience in the country confirms just that. When the Carrier Corporation was first entering the country, there was some controversy regarding local partnership in the new company. One disappointed individual threatened to sue the Corporation. Beginnings are very delicate times for newly invested operations. A lawsuit with any remote chance to succeed can be enough to raise substantial concerns and, perhaps, derail the venture. When questions regarding the possibilities arose, our Indian counsel, an attorney of some prominence, indicated that there was little to fear. His rationale was striking: “This guy is too old to sue us in India.” I believe our antagonist was just over 50. While our attorney’s comments were somewhat of a hyperbolic jest, there was real substance at the base. The bureaucracy would drag the procedures out for an interminable period. It was likely that the potential plaintiff would know this well and would not view litigation as a practical avenue of benefit. He was, therefore, bluffing, in hopes of some settlement. So ignoring the threat was an
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effective approach. In this case, the outcome was positive for the Corporation. In other subsequent and more serious situations, enforcing intellectual property or managing tax disputes, the viscosity of the legal system proved to be a disadvantage. In other words, the democratic rule of law in India, encumbered by the various governmental jurisdictions and interests, is of questionable utility to a multinational business. The lesson to Multinationals: just because democratic rule of law nominally exists, doesn’t necessarily mean it will be of value. XI. Governments: The Lessons of Reality Governments of the world present a variety of environments for the pursuit of commerce. Each milieu is influenced by the current state of the economy, the path traveled to present day, the ideologies held by the general population, the alignment of the population across the country and the type of government in place. The role of government in attracting and promoting business can be viewed based on its consistency, stability, judgment, separation, and recognition . . . the characteristics outlined previously. In this regard, it might be useful to examine the strengths and weaknesses for a few of the major players on the world stage to better view the range of possibilities and the drivers therein. For that purpose, we will discuss the United States, China, India, Vietnam and Singapore. XII. China: The Autocratic Rocket Ship China may be the most attractive commercial opportunity in history. The country’s GDP is growing consistently in the 8–10% range annually and has been doing so for some period. On a more focused basis, the landscape offers over 160 cities which exceed 1 million people, and several mega commercial centers like Shanghai, Beijing, Chongqing and Guanzhou which number tens of millions and are worthy of the same commercial attention as some entire countries of significance. There are, for example, more than 30 million in the Chongquing Municipal Region. Beyond the statistics, I can attest as a frequent visitor to the country that cities like Shanghai change visibly over the span of just a few months . . . possibly faster than any location in the history of the planet. The elements that have contributed to this growth appear to be a reasonably aligned population, enlisted government, and a substantial amount of direct foreign investment, attracted by the government which has created an environment favorable to business. To create that attraction, China has been quite predictable and consistent in its policies despite having a relatively narrow leadership base. The government has been clear in describing an arc of slow and predictable policy change. Its recent resistance to revaluing its currency is a good example. Despite substan-
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tial international pressures to exact a “big bang” devaluation, the government has moved only gradually. Even if a major movement is executed in the future, Multinationals will have had abundant time to anticipate the possibility. China’s consistency is enabled by a number of factors but the general decentralization of economic policy may be the foremost. The central Chinese government, of course, manages ideology, foreign affairs, general social issues, and the macro economic policy. Decisions regarding individual direct foreign investment have been largely left to the discretion of local provincial governments, within broad limits. The power of that approach is to separate commercial activity from the ideology of national affairs. The effect is a commercial environment not dependent on events outside local economics. When relations between China and the U.S. cool because the Taiwan President visits the U.S. or because of a disagreement at the Security Council, it does not interrupt progress in expanding multinational investment. When Beijing promotes expansion in its West or has issues with its Muslim population, it does not impact pursuit of commercial prosperity in the southeastern city of Wuhan. Decentralization does insulate local economics from the vagaries of foreign affairs and the press of distant minority problems/interests. In addition, it places decision making in the hands of the very constituency which will benefit most from its success without diluting that interest with national issues. In short, it creates consistency. The direct relation between the Multinational and public success also establishes an atmosphere of clear partnership between business and government. Government officials can privately and publicly recognize the value of business and act accordingly, without needing to take politically correct positions of ambivalence or even opposition. In China, when business leaders visit a city or a region, they are received openly and often courted by local magistracy. Chinese leaders clearly recognize the value of foreign partnership and are active hunters of foreign capital. In a closely held leadership model, stability/succession is often a question. As stated before, without a broad and robust election process, legitimacy of new leadership can be a question. China seems to have executed several successions without violence and with continuation of its commercial success: the Deng Xiaoping to Jiang Zemin to Hu Jintao progression has been managed without disruption. In such a model, leadership authority is derived not only from the support of the various Party elements, but also from demonstrated competency in leading the country forward. In that regard, when one talks to Chinese from all walks of life they seem to be quite satisfied with where the government has taken them in recent decades. This is the case, even when recognizing that input must be viewed through the lens of general limitation on public information. In fact, however, it’s fairly logical. The government has guided substantial real improvements for Chinese citizens of all walks of life . . . from the cities to the countryside . . . from professionals to farmers.
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Although there are disputes, all groups share in the progress and their interests, therefore, align with its pursuit. In this regard, prosperity has authored legitimacy and created stability. China, therefore, is an attractive environment for Multinationals. Of course, this reflects the economic growth as the nation evolves both economically and as a society. It also, however, is due to remarkably robust elements of consistency, stability, separation, judgment, and recognition, demonstrated by the local leadership. The strong presence of these characteristics has created an extremely commerce-friendly atmosphere, and has authored real prosperity for both multinational business and the Chinese people. XIII. United States: Democracy’s Champion The United States is by far the most attractive economy in the world. Its growth rate is substantially slower than the emerging markets such as China, India or Russia, but substantially greater than other economies of the developed world, including Western Europe and Japan. The country’s economy, at over $10 trillion, is the largest in the world and about ten times that of China. Consequently, the absolute annual growth increase, i. e. the yearly opportunity for business expansion, is the world’s largest. It still represents an extraordinary potential for any Multinational. The United States, of course, is one of the most renowned examples of the linkage between democracy and economic advancement. Today, however, one sees disadvantages associated with the struggle to maintain consensus across the breadth of 50 states and the dizzying array of special interests that occupy that geography. American policy toward business is increasingly impacted by the political necessity to mollify special interests. In fact, this situation is clearly impacting the nation’s macroeconomic health. James McDonald, in The Financial Roots of Democracy, observes that current “deficits . . . are the financial expression of a socio political stalemate . . . The nation, far from having a common cause, is a house divided into warring interest groups.”2 Examples of this problem have been legion in recent years. Well intentioned environmentalists drive the movement to clean up sites even if the impacted population opposes the effort. A good example is G.E.’s dredging of the Hudson River to remove PCBs buried in the river bottom. By all reports, the project will cost close to $1 billion, will have an uncertain benefit, and will disrupt the clarity of the river for decades. Residents proximate to the river oppose but the political calculus surrounding environmental optics is irresistible to the govern-
2 A Free Nation is in Debt: the Financial Roots of Democracy, by James McDonald, p. 471. Princeton: Princeton University Press, 2003.
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ment. Other examples exist in the structure of fuel economy regulations which tend to disadvantage domestic producers in an ill-fated attempt to both improve fuel economy and preserve American jobs. It also is evident in the unstated policy of the Environmental Protection Agency to seek “deep pockets” in affixing culpability for transgressions. In other words, if a prosperous Multinational is within a “cab ride” of a polluted ground, it may be pursued to fund the cleanup, especially if no other major company is in closer range. These are examples of perhaps suboptimal decisions aimed at satisfying special, focused interests in America. In addition, the general recognition of business as an appropriate partner in prosperity with government has eroded in recent years. An example is the Sarbanes Oxley legislation imposed on U.S. based organizations. Configured in a direct response to the very visible scandal surrounding Enron, it tapped into and perhaps amplified public suspicion regarding business. While it’s undeniable that reform was needed following the dot-com era, it’s unlikely that Sarbanes Oxley has been an effective prescription. The result has been to add cost to U.S. operations without significantly improving the quality of disclosure and control. A broad consensus of multinational executives will privately indicate that while Sarbanes Oxley has had a positive effect in a few isolated cases, the primary result has been to make U.S. businesses more bureaucratic and less competitive. Another unintended effect has been to provide a bonanza for the accounting profession which, having been a central player in the Enron scandal, has managed to parley the public reaction into expanded employment at increased fees. The United States does represent a great place for business to operate. This favorability is based on the abundance of its growth and the general consistency, stability, judgment, and recognition of its advanced democracy. However, the increasing dependence of the governing consensus on support from a range of minority interests has started to erode the favorable commercial atmosphere and limit the partnership between business and government which was so central in creating the prosperity that the country enjoys today. The interests of the collective economy can no longer be easily separated from the special interests. It’s not evident how this will play out in the future. What is clear is that the United States, with the rise of emerging markets, is no longer as singular a business opportunity and the democratic model it utilizes may not provide the advantage necessary to maintain its preeminence. XIV. India: Diversity Cubed India is the current darling of the world’s press. As it often boasts, it is the world’s largest democracy. From a multinational business perspective, however, this has not been an advantage. While it has been making substantial progress
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in improving the commercial environment, daunting challenges remain on its path forward. Some of those problems are precisely because it is a democracy. Above all, India is a country of extraordinary diversity. It spans a vast number of spoken dialects and multiple written alphabets. It’s primarily Hindu but it also has one of the world’s largest Muslim populations, and this does not include various smaller groups including significant populations of Christians, Jains, Buddhists and Parsees. Finally, the range of economic status may be among the widest in the world, ranging from plush apartments on the “Queen’s Necklace” in Bombay to subsistence level villages. Multiple cultures . . . multiple religions . . . wide economic variation . . . India, indeed, is a country of staggering differences. In fact, the Mahatma Gandhi himself said, “In the true Indian democracy, the unit is the village . . . Every village will be a republic having full powers.”3 Given that there were 700,000 villages in India, his words must be taken in a broader context. They do, however, indicate that the founder saw the country as a patchwork of empowered minorities, and that thought continues in the India of today. Leading this amalgamated population is a challenge. From Mumbai to Calcutta, from Amritsar to Chennai, the common denominators are few indeed. The result is that government sits on a very narrow mandate. The coalition nature of the leadership makes for relatively tenuous governments which can be brought down easily by failure to appease the various minorities. When searching for commonality between a Punjabi from the northwest and a Tamil from the southeast, the primary common cause is economic deprivation of large segments of the population in every state. Redistribution of income is one of the only issues which resonates across all of India. Indeed, the Congress Party, and the series of governments it led following independence, tilted toward a socialist model. Recent leaderships have departed from that direction, but the problem of the vast group of underprivileged voters remains a force to be appeased. In that regard, India does struggle with creating a broader interest in economic growth. The overwhelming majority of voters in the democracy are unskilled or agrarian and do not directly benefit from the near term advancements associated with direct foreign investment and economic liberation. Further, recent Indian growth has been fueled, to a significant extent, by gains in the service sector, reflecting investments in call centers, engineering firms, and most general white collar support functions. The difficulty is that these are opportunities for the relatively educated. They do not offer the options for the poor and uneducated that would be generated by a more manufacturing based expansion. In fact, the manufacturing sector in the country represents only about 15% of 3 The Mind of Mahatma Gandhi, compiled and edited by R. K. Prubhu & U. R. Rao, p. 371. Ahmnebab, Navajinan Trust, 1967.
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GDP. This is in direct contrast to China where blue collar manufacturing accounts for about 40% of the economy and the benefits of prosperity are widely dispersed. In India, the poor are not fully participating in prosperity and, possibly, because of the caste system, have little expectation of upward mobility. The current boom in service investment does nothing to reverse that situation. In this developing circumstance, the link between commercial advancement and the deprived is very hard to build. The challenges of Indian kaleidoscope are further exacerbated by the general tendency to endorse civil disobedience as an appropriate corridor of action. Independence, after all, was achieved in some part by the Mahatma’s use of that pressure on the sitting colonial regime. With that history, civil action is considered almost saintly by broad groups. This authors public acquiescence, if not approval, of a minority’s right to act . . . to damage a McDonald’s . . . to destroy a mosque . . . to quarantine a factory . . . to boycott a product. It makes for a difficult environment for business. In this situation, the democratic government may not be an ally because it often depends on the support of these offended minorities and is reluctant to censure their behavior. In the end, India gets a qualified opinion as an attractive market for Multinationals. It has the physicals: more than 1 billion people; GDP growing between 5 and 10%; by some accounts 100 million middle class consumers; an impressive reservoir of skilled English speaking professionals and a current leadership team that exhibits good economic judgment and recognizes the value of a business/government partnership. Over time, however, it has not been able to sufficiently separate economics from politics. India has had inconsistent commercial policies and its coalition governments have had an only marginally stable mandate. The structural difficulties remain a challenge and hinder improvement in these areas. There are a vast number of minorities. Each really is different. And, they each have legitimate special interests which vie for federal attention. In addition, the basic ideology of the country since independence endorses aggressive pursuit of the minority agenda, perhaps even in defiance of the common good. Finally, the path of economic growth has, at best, moderate appeal to masses who enjoy little direct near term benefit from the newly achieved prosperity. In the Indian democracy, pursuit of economic growth often must be accompanied by dilative concessions to either redistribute income via subsidies or to mask the benefits accruing to corporate interest. Considering the disenfranchisement of the masses, the conflicting minorities and the substantial reforms in areas such as the legal system necessary for economic evolution, it appears that a democratic model is a difficult framework within which to realize India’s full potential. As confirmation, this has played out in the arena of direct foreign investment where even with enlightened leadership, the Indian democracy attracted only about one-third the capital in the 2003–2004 period that was invested in China.
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XV. Vietnam: Unsure Emergence Vietnam is a country which is migrating from its former socialist/communist model toward a capitalist based system. And, like so many similar countries, leadership remains in the hands of a relatively narrow group. It is, however, a country that has significant commercial appeal, perhaps greater than is commonly recognized in the West. There are now over 70 million Vietnamese citizens . . . greater than the population of France or the U.K. And, they’re relatively well-educated, providing a substantial pool of capable workers and business leaders. A number of Multinationals, particularly Asia-based companies, are now finding Vietnam a distinct possibility for investment, especially with the country’s participation in the AFTA trade group straddling the Asean region. What investors are not finding is the consistency of policy that is available in China and other proximate jurisdictions. A primary challenge to achieving a consistent commercial environment in Vietnam is centralization of economic policy. Hanoi sets the rules, approves joint venture investments and orchestrates the generally commercial activities in both the North and the South of the country. The centralization of policy means that ideology and foreign affairs sometimes intersect with economics to the detriment and/or delay of the agendas of multinational business. When Vietnam has a conflict with Washington over ownership of an obscure island chain off the Philippines coast, approval of American joint ventures can be delayed for months. The central government does not want to be seen as being cooperative with American interests while it’s in conflict with the American State Department. Further, the benefits of commercial ventures are primarily local, e. g., employment levels in Nha Trang will rise based on a new factory investment in that city. The central administrators will be somewhat distant from that progress and therefore unwilling to compromise or be seen to compromise their ideological positions to further the local commerce. This structure impacts the consistency of doing business in Vietnam and makes the country less attractive as a commercial environment. The approach is in direct contrast to China, where the more Multinationalfriendly atmosphere is achieved, in part, because it does not centralize those micro-economic policy decisions. The continuing rivalry between the North and the South also creates turmoil in the Vietnam business arena. I have met with officials from the North who have urged investment in the Hanoi/Halphong area. In those meetings, they would indicate that the Southerners were less than reliable and not as well-educated. In any case, government approvals and support mechanisms were all controlled by the Northern-based administration. In similar meetings, Ho Chi Minh City officials would recommend we invest in their region. They would indicate that the Southerners are like Americans – having tamed unsettled frontier, in this case the South, and sharing the same
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aggressive approach to life and business. (In fact, Hanoi was founded in the 10th century A.D., while Ho Chi Minh City was not established until the late 1700s.) In those meetings, Northerners were generally dismissed as detached intellectuals and slow-moving bureaucrats. It appears that the conflict between North and South that was at the center of the American Vietnam War was not entirely a product of the western imagination or prompted solely by differences in economic systems. In combination with centralized control, the regional rivalry makes the investment atmosphere even more difficult. The South has stronger, more entrepreneurial growth and better contacts with nearby Asean export markets. The North, however, has the power and wields it to its sectional advantage. It may be that as the economy expands and conditions improve in both North and South that this rivalry will subside. But, today, it remains a factor. Although the concentrated, stable leadership should be able to make clear consistent policies that would transform Vietnam in a China-like rocket ship, it hasn’t happened. Ideology and economics have been a difficult balance and the North/South conflict has made matters worse. The government has made some questionable commercial judgments regarding issues like land ownership, and it has been slower than elsewhere in partnering with business. In the end, Vietnam, with its 70+ million people, is potentially one of the world’s most attractive markets. It hasn’t, however, unleashed its full potential, and some characteristics of its government appear to be a significant factor in its underperformance.
XVI. Singapore: Confucian Democracy Singapore is one of the finest examples of economic and social success. The economy keeps growing, the fruits of expansion are well distributed; the buildings are clean and the sidewalks safe. In sum, the country is one of the world’s most attractive places for Multinational operations. The primary disadvantage is the relatively small size of the population which hovers in the range of three million. Today, Singapore is a very developed nation with high per capita income. Conventional Western wisdom would expect the citizenry to push for a full democratic model. The government, indeed, is a parliamentary-based democracy. In effect, however, the leadership is tightly held in the People’s Action Party (PAP) of the island state’s founding father, Lee Kwan Yew. Singapore, however, does not fully follow the Western democratic model. It has more accurately been described as a Confucian-based democracy, in which the interests of the community are ascendant. Famously, the country’s press is monitored closely. Censorship of television and cinema is commonplace. While this tends
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to horrify westerners, Singaporeans tend to view it as a minor irritant in an otherwise extremely favorable environment. Singapore demonstrates clearly that Freedom of the Press does not carry the same importance in the foundation of a strong society as “Thou Shalt Not Kill.” While you may not be able to easily access an unvarnished view of the Malaysian Government in Singapore, you also would not hesitate to allow your thirteen year old to take a taxi, or ride the Metro unescorted. From a business perspective, Singapore is also a very favorable environment. The local government sets policies that are almost invariably aimed directly at improving the prosperity of its citizenry because progress is the basis of its mandate. Further, it publicly recognizes the essential role business plays in building society and it demonstrates that belief regularly. Of course, by offering incentives but also by organizing the general structure from real estate law, to utility availability, to labor laws, in full support of business, Singapore’s leaders have no difficulty facing down minority opposition if this is clearly for the common good. It will carry this policy to a surprising level of detail, even suggesting standards for annual salary increases on a year by year basis, depending on the overall economic advancement in the year. This sets a sort of nationwide profit sharing that is particularly unifying and effective. Another famous incident uniquely Singaporean is the banning of chewing gum. Sales of gum were banned in the country to cut down on littering. While the ban was highly publicized in the Western press, the local populace generally endorsed the proscription and the city state’s Metro and buildings became even more pristine. In even this trivial example, the leadership took confident action to create the common good, achieved the desired benefit, and enjoyed broad support. Finally, Singaporeans do widely endorse the current leadership. There may be some cynicism regarding government control. However, one gets the distinct impression that the PAP would receive even larger pluralities than the consistent 60–65% of the last few elections, if there was any danger that the party would be disenfranchised. In other words, the Singaporean votes for the opposition are cast more to keep the PAP from getting complacent rather than to create change. Singapore has demonstrated consistent policies, stable leadership, separation of politics and economics, good leadership, judgment and a clear recognition of the role of business in advancement. And, it has worked quite well. The country’s democracy has enjoyed great success and enthusiastic consent of the governed, and has set it in the first rank among the world’s economy.
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XVII. Government: One Size does not fit all It’s reasonably clear that governments, if they are to be effective in promoting prosperity, creating a favorable commercial environment or achieving long-term success along just about any other avenue of the public sector, must be matched to both the culture and the evolution of the society. Westerners tend to view other parts of the world through a lens biased by their own preferences and by their current conditions. The choice of government can be heavily influenced by the maturity of the economy in the particular country. Sean Wilertz, in The Rise of American Democracy, concludes that American “patriot leaders were dedicated to building a polity government by the wisest and best among themselves who would selflessly devote themselves to securing the unified public good.”4 In other words, even the U.S. saw itself as needing a narrow leadership model to cope with challenges of a fledgling society in the early stages of evolution. This is just the position many countries, outside the West, occupy in this period. Western democracy as it is practiced today is unlikely to be appropriate to the challenges. Regarding culture, preferences between the rights of the individual and those of the community appear to also be one of the primary factors in defining the government model most appropriate to the situation. Western countries, particularly the United States, tend to favor the individual. It appears that democracies tend to be well suited to this orientation, especially those that maintain a clear separation of powers. “Life, liberty and the pursuit of happiness,” as famously endorsed by the United States’ founding fathers, would seem to be a universal good. The judgment enters as governments decide the length to which happiness can be pursued. The conventional democratic wisdom is to encourage the entrepreneur, minimize government intervention, and put faith in the “invisible hand” of the market. When confronted, however, with choices regarding issues such as healthcare, pension reform, immigration and gun control, Western democracies seem to struggle. Bias toward individual rights can make collective action difficult especially when opposed by various interests. Occasionally, consensus can be formed around issues such as cigarette smoking, which has become quite restrictive in the U.S., both by government fiat and by general public disapproval. But these axes of agreement appear difficult to strike. The ability to move on certain items and not on others leads from time to time to anomalies in policy. For example, international observers have noted with some chagrin that it is less socially acceptable to enter a New York restaurant when carrying a cigarette than when carrying a firearm. In any case, the dilution of power associated with a democratic government appears to fit quite naturally with the western preference for preservation of individual rights. 4 The Rise of American Democracy, by Sean Wilentz, p. 8. New York: W. W. Norton, 2005.
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Non-Western cultures, particularly those in Asia, can be characterized as the mirror image of the West. The interests of the community are much more prominent in Asian public policy and indeed in Asian thinking at an algorithmic level. It sometimes appears to be a universal truth that the desire of a population to participate in governmental decisions increases as prosperity expands. In Asia, however, this tendency is quite tempered by a strong sense of community responsibility. To the Chinese people, for example, it seems quite natural for the government to restrict emigration. A “brain drain” is not in the collective interest, especially when the community has invested in the education of those intellectual resources. In Singapore, the population endorses the strict control of automobiles to limit road congestion. And, in Japan the educational system which segregates students in various streams based on test scores is accepted as an appropriately efficient way to deploy new manpower . . . serving the good of the community, but sometimes restricting the full potential of the individual. George C. Lodge observed, in The New American Ideology, that “Before a Japanese recognizes himself as an individual, he often tends to define his relationship with others and his position in a group.”5 Indeed, the ascendance of community values in Asia is particularly effective in focusing collective effort. China is just completing the massive Three Gorges Dam project. It has extraordinary benefits to the community in terms of power generation and flood control. It did, however, require a vast allocation of public funds, diminish the scenic and historical value of the Yangtze and, most importantly, prompt the relocation of over one million people. In the ’90s, I visited the China Ghost City of Fengdu, with a population of several hundred thousand. It’s now under water . . . buildings and all. The citizens have all been moved and the once famous city is no more. There were substantial objections to the Three Gorges because of Fengdu and a myriad of other issues. It went forward, however, because the benefit to community outranked the minority interests. The giant dam probably could not have been built in a modern day western democracy. It’s quite doubtful that any leadership would have been able to raise the political will to overcome the diverse opposition. The strength of individual rights is too formidable. A further example of community focus could be seen in South Korea’s energy conservation efforts when the economy hit periodic slowdowns. Government guidelines would ask offices to conserve by running air conditioning only up to 11 am, allowing the building to heat up gradually as the day progressed. It was a voluntary guideline, but it was widely followed. Using air conditioning in the afternoon was considered unpatriotic. The South Korean community
5 The New American Ideology, by George C. Lodge, p. 343. New York: Albert A. Knopf Inc., 1975.
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saved substantial energy but was inhabited by some very hot and sweaty individuals by the time the day concluded. Pursuit of community prosperity at the expense of individual flexibility is the hallmark of a more narrow leadership model. It fits well with a more decisive, unencumbered confident government model that is more autocratic than democratic. Because of the natural Asian bias toward the rights of the community, an autocratic model seems quite natural in that culture. Therein lies the success and reasonable acceptance of both the Communist ruling leadership in China and the Confucian-style Republic of Singapore. There appears to be a tendency when viewing Asia through a Western lens to conclude that the Chinese, Singaporean, Vietnamese and other Asian people yearn for more democratic governments. It’s clear from observation, however, that this is not necessarily true, at least to the extent envisioned by the West. The culture of Asia lends itself to governments that can optimize community prosperity. It is not conceptually conflicted by more tightly held leadership groups, particularly of those governments that are delivering increasing general prosperity. XVIII. Conclusion There appear to be many forms of government which succeed in delivering economic prosperity. Democracy, while it can be effective, does not have a monopoly on success with regard to creating a favorable life for its citizens. Business organizations objectively pursue those environments that will provide the best opportunity for growth. From the perspective of the Multinational, major governments of the world display substantial diversity in form and result: the U.S. is the largest success but it is threatened by special interests; China is booming and the autocracy is working; Singapore is achieving with a uniquely Asian model; Vietnam can be a player but it has made some bad choices; and India has extraordinary opportunity and challenges, but its democracy may not be equal to the task. Looking at the actual advantages and disadvantages of various leadership modes in countries at various stages of development, it can be concluded that economic advancement can be achieved through a variety of government forms. The considerable devotion to a fully flexible democracy may, in fact, be only a Western phenomenon reflecting more the ideology of individuality rather than universal effectiveness. In the end, the governments, regardless of form, that exhibit consistency, stability, separation, judgment and recognition will be the most successful in creating prosperity, attracting business investment, and maintaining the consent of its governed.
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Summary Multinationals put considerable focus on seeking those country environments which provide the best economic opportunities. In this context, Democracy is often identified as the governmental model which best fosters prosperity for its constituents and, by association, for business. The experience of Multinationals, however, indicates that favorable economics can be fostered and sustained by a variety of governmental models. For example, the U.S. democracy has been economically effective; China’s autocracy seems to be delivering prosperity, and Singapore is succeeding with a uniquely Asian model. In the end, it’s not the form of government that’s decisive but rather the characteristics of consistency, stability, separation, judgment and recognition, present within the national leadership, that are the most reliable predictors of success in creating prosperity, attracting business investment and maintaining stable consent of the governed.
Zusammenfassung Multinationale Konzerne haben einen guten Blick für die Verhältnisse der Länder, die die besten wirtschaftlichen Chancen bieten. In diesem Kontext wird die Demokratie oft als das Regierungsmodell ausgewiesen, welches am meisten den Wohlstand begünstigt, und zwar sowohl für ihre Bürger als auch für die Unternehmen. Erfahrungen deuten jedoch darauf hin, dass günstige ökonomische Bedingungen auch unter anderen Regierungsmodellen gefördert und gestützt werden können. In den USA hat sich beispielsweise die Demokratie für die Wirtschaft als äußerst günstig erwiesen; aber auch dem autokratischen System in China gelingt es anscheinend, Wohlstand zu schaffen; Singapur wiederum hat mit einem rein asiatischen Modell Erfolg. Letzten Endes ist nicht die Regierungsform ausschlaggebend, sondern Eigenschaften wie Beständigkeit, Stabilität, Differenzierungsvermögen, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit, die in der Führungsschicht eines Landes vorhanden sein müssen. Diese sind die wichtigsten Erfolgsindikatoren für die Schaffung von Wohlstand, zur Gewinnung von Investoren und zur Sicherung stabiler Verhältnisse.
IV. Kirche, Katholiken und Demokratie
Hanns Seidel – Politisches Denken zwischen ethischer Norm, wissenschaftlicher Analyse und pragmatischem Realitätssinn* Von Reinhard C. Meier-Walser I. Einführung Hanns Seidel gehört zu den wenigen Politikern der Bundesrepublik, die selbst bei ihren politischen Gegnern, ungeachtet weltanschaulicher und politischer Differenzen, großen Respekt genossen. Die hohe Wertschätzung, die Seidel in allen politischen Lagern innerhalb des staatstragenden Spektrums erfuhr, belegt, dass der ehemalige Bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzende weniger ein Mann des tagespolitischen Tauziehens, sondern stattdessen ein weitblickender Stratege, ein Staatsmann war, dem vor allem das Wohl des Gemeinwesens als Ganzes am Herzen lag und in dessen Wirken sich pragmatischer Realitätssinn mit normativ geprägten Visionen verband. Mit der Notwendigkeit tagtäglichen Entscheidungshandelns konfrontiert, war es für den Politiker Seidel ebenso eine „geistige Notwendigkeit, die Politik in dem weiteren weltanschaulichen Rahmen einer grundsätzlichen Deutung zu sehen“1 und sich jenseits der Routinegeschäfte des politischen Alltages mit Grundsatzfragen von Politik und Gesellschaft zu befassen. Es lohnt sich daher, Ideenwelt, Weltanschauung und politisches Denken Hanns Seidels, der „von Anlage und Neigung her ebenso gut auch hätte Gelehrter werden können“2, näher zu beleuchten. Seidels politisches Denkgebäude umfasst ein breites und facettenreiches Panorama: Er beschäftigte sich u. a. intensiv mit den normativen Aspekten politischen Handelns, mit der Auseinandersetzung konkurrierender politischer Ideologien und Weltanschauungen, mit dem Verhältnis von Politik und Macht bzw. Wirtschaft und Macht, mit den sozialen und ökonomischen Aspekten der Sozia* Der vorliegende Beitrag wurde bereits veröffentlicht in: Alfred Bayer/Manfred Baumgärtel (Hrsg.): Weltanschauung und politisches Handeln. Hanns Seidel zum 100. Geburtstag, Sonderausgabe Politische Studien, Grünwald 2001, S. 117–134. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Hanns-Seidel-Stiftung, München. 1 Georg Stadtmüller, Hanns Seidel. Lebensweg – Weltbild – Persönlichkeit, in: Die Bayerischen Ministerpräsidenten der Nachkriegszeit (1945–1963), H. 4, Historischpolitische Schriftenreihe des Neuen Presseclubs München, München 1964, S. 7. 2 Franz Knöpfle, Zum 80. Geburtstag von Hanns Seidel. Eine Rückbesinnung, in: Politische Studien, H. 259, 1981, S. 453–456, hier S. 455.
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len Marktwirtschaft, mit dem föderativen Aufbau der rechtsstaatlichen Ordnung, wobei der leidenschaftliche Europäer Seidel das Gesetz der Vielfalt und der Vielgestaltigkeit auch für den Kontinent als einzig denkbares Strukturmodell reklamierte, mit den Funktionen von Parteien, Regierung und parlamentarischer Opposition im demokratischen Rechtsstaat und mit dem „Mythos der öffentlichen Meinung“. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf drei Felder, deren Bedeutung für Hanns Seidel sowohl in der intellektuellen Durchdringung und Auseinandersetzung als auch im Hinblick auf sein konkretes politisches Handeln zentral war: erstens die christliche Weltanschauung als ethisches Fundament politischen Handelns, zweitens die Funktion der Parteien im demokratischen Rechtsstaat und drittens die Bedeutung der Opposition im parlamentarischen System. Als Quellen der Betrachtung dienen in erster Linie Hanns Seidels über weite Strecken bemerkenswerterweise auch heute noch aktuelle Schriften „Zeitprobleme“, „Weltanschauung und Politik“ und „Vom Mythos der öffentlichen Meinung“, die tiefe Einblicke in die politische Gedankenwelt dieses leider allzu früh verstorbenen, herausragenden bayerischen Politikers vermitteln.3 II. Christliche Weltanschauung als ethisches Fundament politischen Handelns Der Schlüssel zum Verständnis politischen Denkens und Handelns eines Politikers findet sich in seinem Weltverständnis, womit die aus vielen Teilelementen geformte Gesamtheit der Wissensinhalte, Sichtweisen und Wertungen gemeint ist, durch die jeder Mensch sich selbst und seine zwischenmenschliche und materielle Umwelt versteht. Da das Weltverständnis neben der Aneignung medial vermittelter Wissensinhalte vor allem durch die unmittelbar erlebten Erfahrungen geprägt wird, finden sich die Hintergründe zu Hanns Seidels politischer Gedankenwelt in den konkreten sozio-historischen und sozio-ökonomischen Bedingungen der Krisenjahre der Weimarer Zeit, in der sein Entschluss zur aktiven politischen Mitarbeit gereift ist.4 „In der großen geistigen und mate3 Hanns Seidel, Zeitprobleme. Gesammelte Aufsätze und Vorträge, Aschaffenburg 1960; ders., Weltanschauung und Politik. Ein Beitrag zum Verständnis der ChristlichSozialen Union in Bayern, München 1960 (Schriftenreihe der Christlich-Sozialen Union in Bayern, Bd. 1); ders., Vom Mythos der öffentlichen Meinung, Aschaffenburg 1961. 4 Der Hanns Seidels politisches Denken prägende Erlebnishorizont umfasste „die Endphase der Wilhelminischen Ära, den Ersten Weltkrieg, die Nachkriegswirren in Bayern, die Inflation, die Weltwirtschaftskrise, den Aufstieg des Nationalsozialismus, den Unrechtsstaat des Dritten Reiches, den Krieg an der Ostfront, das Elend des Zusammenbruchs und der ersten Nachkriegsjahre, den Wiederaufbau. [. . .] Der Unterschied zum Erfahrungshorizont der heute 40-Jährigen, was Fülle und Tiefe der Erleb-
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riellen Not der damaligen Zeit gewann er die Überzeugung, dass das Zusammenleben in der Gesellschaft nicht nach rein zweckmäßigen und pragmatischen Richtlinien zu ordnen ist“5, sondern dass die Kunst der Politik im Sinne der platonischen Staatslehre darin bestehe, Regeln für politisches Handeln aufzustellen, die sich an allgemeinen, übergeordneten Prinzipien orientieren. „Diese Prinzipien“, so die von Hanns Seidel in diesem Zusammenhang explizit erwähnte Passage aus Ernst Cassirers im Jahre 1949 erschienenem Werk „Vom Mythos des Staates“, sind „nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, nicht nur logisch, sondern auch ethisch. Ohne Einsicht in diese Prinzipien kann niemand ein richtiger Staatsmann sein. Ein Mann mag denken, er sei in allen Problemen des politischen Lebens erfahren, weil er sich durch lange Erfahrung richtige Meinungen über politische Dinge gebildet hat. Aber das macht ihn nicht zum wirklichen Leiter; und es befähigt ihn nicht, ein besseres Urteil abzugeben, weil er ,kein Verständnis der Ursache‘ hat.“6 Ein derartiges „Verständnis der Ursache“ glaubte der Katholik Seidel im christlichen Glauben, in der christlichen Weltanschauung finden zu können7, wobei ihn sein Menschenbild und seine Vorstellung eines christlichen Politikers bewogen, nach den Grundsätzen einer christlichen Verantwortung und nicht nach abstrakten Prinzipien ethischer Gesinnung zu handeln. „Nach Max Weber sah er sich der Verantwortungsethik und nicht der Gesinnungsethik verpflichtet.“8 Auch stand nicht der Antagonismus von Machterhaltung und Machtverlust im Vordergrund seines Denkens, „sondern das Erhalten oder das Erwerben von Vertrauen in die Institutionen des Staates und des Volkes“.9 Dementsprechend verband er auch die Glaubwürdigkeit und die Rechtfertigung einer christlichen Weltanschauungspartei, die er in seinen Reden und Schriften vehement
nisse anbelangt, ist“, so Peter Schmidhuber in einer Darstellung der politischen Ideenwelt Hanns Seidels im Jahre 1987, „beeindruckend und sicherlich nicht ohne Bedeutung.“ Peter M. Schmidhuber, Weltbild, politische Ideenwelt und Persönlichkeit Hanns Seidels, in: Hanns Seidel – „Ein Leben für Bayern“, Berichte und Studien der HannsSeidel-Stiftung, Bd. 35, hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung, München 1987, S. 61– 70, hier S. 62. Vgl. auch Hans Ferdinand Groß, Hanns Seidel, 1901–1961. Eine politische Biographie, Untersuchungen und Quellen zur Zeitgeschichte des Archivs für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung, Bd. 1, hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung, München 1992, hier S. 216 ff. 5 Christian Seidel, Maximen eines bayerischen Politikers. Politische Anschauungen Dr. Hanns Seidels, unveröffentlichtes Manuskript, 1968, S. 4 (ACSP, Personenselekt Hanns Seidel). 6 Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 24. 7 Vgl. Christian Seidel, Maximen eines bayerischen Politikers, S. 4. 8 Karl Möckl, Hanns Seidel in seiner Zeit: Die politisch-historische Entwicklung Bayerns (1946–1961), in: Hanns Seidel – „Ein Leben für Bayern“, Berichte und Studien der Hanns-Seidel-Stiftung, Bd. 35, hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung, München 1987, S. 50–60, hier S. 50. 9 Ebd., S. 50.
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gegen Kritik von verschiedenen Seiten verteidigte,10 mit dem Postulat eines diesem Parteitypus entsprechenden christlichen Politikers. Nur wenn die christliche Weltanschauungspartei durch Funktions- und Mandatsträger verkörpert werde, die in der Politik nicht nur „eine Gelegenheit zur Ausübung von Macht“ sähen, sondern überzeugt seien, dass „es keine Diskrepanz zwischen Weltanschauung und praktischem Handeln geben darf, dass vielmehr Politik ein Auftrag ist, dessen Vollzug am Ende der Tage verantwortet werden muss“11, könne eine christliche Weltanschauungspartei ihren normativen Wertmaßstäben entsprechen und ihre selbstgestellten, ethisch fundierten Ziele glaubhaft verfolgen. Während Seidel einen engen Zusammenhang zwischen christlicher Weltanschauung und Politik insofern sah, als er das politische Handeln einer christlichen Weltanschauungspartei als Auftrag verstand, der „im letzten Grund vor Gott verantwortet werden muss“12, machte er gleichzeitig den Unterschied zwischen christlicher Weltanschauung und Religion deutlich, zumal Letztere „vom Glauben her mit einer völligen Bindung der Menschen an Gott bestimmt“13 werde. Seit jeher ein entschiedener und eminenter Verfechter des Gedankens einer politischen Union zwischen Katholiken und Protestanten, die jenseits zahlreicher religiöser Unterschiede das gemeinsame Fundament christlicher Weltanschauung verbinde, lehnte er das Verständnis einer christlichen Partei als Kirchenpartei ab. „Diese so lange und vergeblich ersehnte politische Union zwischen Katholiken und Protestanten ist ein kostbares Gut, das wir mit allen Mitteln bewahren sollten.“14 Einen konfessionell gebundenen, katholischen oder evangelischen Glaubensstaat lehnte er angesichts der pluralistischen Gesellschaft ebenso entschieden ab. Christliche Politik basiere stattdessen auf dem Wissen, dass dem Staat „keine grenzenlose Macht über die Seelen der Menschen eingeräumt werden darf und dass deshalb das christliche Gewissen gegen die Gefahr der Vergewaltigung durch den Staat gesetzt werden muss“.15 Auch wenn an der Spitze des Staates katholische oder protestantische Politiker stünden, so präzisierte Seidel in seiner Regierungserklärung vom 5. November 1957, werde die Staatsgewalt, die sie ausübten, „dadurch nicht katholisch oder protestantisch; oder anders ausgedrückt: auch wenn das persönliche Tun der im Staatswesen tätigen Menschen das Handeln katholischer oder evangelischer
10 Vgl. etwa Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 19 f. Dazu auch Hans Pflaumer, Hanns Seidel, in: Christliche Demokraten der ersten Stunde, hrsg. von der Konrad-Adenauer-Stiftung für politische Bildung und Studienförderung, Bonn 1966, S. 331–361, hier S. 354 f. (Sonderdruck, hrsg. von der Christlich-Sozialen Union in Bayern, München). 11 Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 23. 12 Ebd., S. 19. 13 Ebd., S. 18. 14 Ebd., S. 102 f., 112 f. 15 Ebd., S. 113.
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Christen ist, an dem Zuständigkeitsbereich und dem Charakter der staatlichen Funktionen wird dadurch nichts geändert“.16 Bemerkenswert ist, dass der Pragmatiker Seidel ungeachtet seiner Forderung, die Ziele politischen Handelns vor dem Hintergrund einer christlichen Weltanschauung zu setzen,17 sehr klar das Spannungsfeld der Politik zwischen normativen Geboten der Ethik und Weltanschauung einerseits und Erwägungen des machtpolitischen und ökonomischen Nutzens andererseits erkannte. Wir wissen genau, so verdeutlichte er in seiner Rede vor der Landesversammlung der CSU am 7. Juli 1957 in Nürnberg, dass sich „politische Entscheidungen häufig im Raume der Zweckmäßigkeit vollziehen und dass überall da, wo eine echte weltanschauliche Problematik ausscheidet, sich das Zweckmäßige, das Sachgerechte und das Nützliche durchzusetzen hat“.18 Nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Erkenntnis des Vorhandenseins eines für die Politik charakteristischen Spannungsverhältnisses zwischen Norm und Nutzen, aber auch weil er während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die verhängnisvollen Folgen politischen Machtmissbrauchs erlebt hatte, unterstrich Hanns Seidel immer wieder die Notwendigkeit einer christlich geprägten „weltanschaulichen Richtschnur“, die im Interesse der Parteien selbst wie auch im Interesse der Allgemeinheit wertvoller sei als die „rein technische, von weltanschaulichen Vorstellungen losgelöste Beherrschung der Macht, die [. . .] die Sonne ihrer politischen Weisheit über gerechte und ungerechte Herrscher leuchten lässt“.19 Seidel sah, so sein Nachfolger im Parteivorsitz der CSU, Franz Josef Strauß, in einer Würdigung aus dem Jahre 1987, „dass eine Politik ,nur aus der Welt und für die Welt‘ unausweichlich in Orientierungslosigkeit und Sinnleere abgleitet, dass die richtige Wegweisung für die Herstellung des Gleichgewichts zwischen Staatsmacht und Menschenwürde nur aus der Religion kommen kann“.20 Der deutlichste Beleg dafür, dass er angesichts der von ihm perzipierten zunehmenden Verweltlichung der Gegenwart im Glauben an Gott eine verhaltenssteuernde politische Funktion erkannte, findet sich in einer rhetorischen, sich selbst mit „Nein“ beantwortenden Frage, die Hanns Seidel in seiner Rede vor der Landesversammlung der CSU am 13. Juni 1959 in München stellte: „Kann in einem Jahrhundert, das so viele Diktatoren hervorgebracht hat, das die Massengesellschaft entstehen ließ und 16 Ebd., S. 129. Vgl. auch Christian Seidel, Maximen eines bayerischen Politikers, S. 4. Zum Verhältnis von christlicher Weltanschauung, Religion und Politik im Denken und Werk von Hanns Seidel siehe auch Helmut Zenz, Christliche Weltanschauung und Politik im Werk von Hanns Seidel, in: Politische Studien, H. 355, 1997, S. 96– 109. 17 Vgl. Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 19. 18 Ebd., S. 111. 19 Ebd., S. 21. 20 Franz Josef Strauß, Hanns Seidel – „Ein Leben für Bayern“, in: Hanns Seidel – „Ein Leben für Bayern“, Berichte und Studien der Hanns-Seidel-Stiftung, Bd. 35, hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung, München 1987, S. 17–28, hier S. 18.
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das die individuelle Überlegenheit hasst, weil es die Gleichmacherei liebt, kann in einem solchen Zeitalter auf den Grundsatz verzichtet werden, dass der Staat keineswegs die Quelle allen Rechts ist und dass auch er an eine höhere Ordnung, insbesondere an Gottes Gebot gebunden ist?“21 III. Die Funktion der Parteien im demokratischen Rechtsstaat Einen zentralen Stellenwert in Seidels politischem Denken nahm der demokratische Rechtsstaat ein. Da er eine unmittelbare Beteiligung des Volkes an der politischen Entscheidungsfindung auf Grund der Kompliziertheit des modernen Lebens als nicht praktikabel ablehnte, forderte Hanns Seidel die Zwischenschaltung eines Mediums zwischen Volk und Staat. „Abgesehen davon, dass der moderne Mensch nicht dauernd an die Wahlurne gebracht werden kann, müssten, selbst wenn es möglich wäre, die Fragen auf eine Antwort mit Ja oder Nein abgestellt sein, und außerdem könnte man selbst bei einer so primitiven Reduzierung nur in seltenen Fällen mit einer sachverständigen Beantwortung rechnen.“22 Wenn in der Demokratie die Staatsgewalt vom Volke ausgehe, könne dies, so Seidels Folgerung, lediglich durch das Medium der politischen Parteien geschehen, weswegen der demokratische Staat notwendigerweise ein Parteienstaat sei.23 Die wichtige Funktion der Parteien als Mittel und als Mittler demokratischer Herrschaft, die erheblichen Einfluss auf die politische Willensbildung im Staate nähmen, hat Seidel immer wieder hervorgehoben. „Die Parteien sind das Feld, auf dem Interessen der verschiedenen sozialen Gruppen austragsfähig gemacht werden. Dies geschieht einmal durch die nicht zu unterschätzende Auseinandersetzung innerhalb der Parteien selbst, zum anderen durch die politische Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Parteien, die in Konkurrenz zueinander stehen.“24 In den Parteien fänden sich die Strömungen des politischen und sozialen Lebens des Volkes zusammen, um sich ein Mittel zu verschaffen, das ihre jeweiligen Anliegen in Exekutive und Gesetzgebung zur Geltung bringe.25 Gleichzeitig setzte Seidel sich mit der seiner Meinung nach ungerechtfertigten Kritik am demokratisch-parlamentarischen System auseinander, wie sie von älteren Theoretikern wie Gaetano Mosca, Robert Michels, Vilfredo Pareto, Georges Sorel und anderen vorgetragen wurde. Obwohl er einige Argumente der Parteienschelte, die von zeitgenössischen Soziologen, Historikern und Staatsrechtlern formuliert wurden, als durchaus berechtigt bezeichnete, wehrte sich 21 22 23 24 25
Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 153. Ebd., S. 9. Vgl. ebd., S. 9. Hanns Seidel, Zeitprobleme, S. 266. Vgl. ebd., S. 267.
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Seidel gegen den von ihm konstatierten „Antiparteien-Affekt“, der infolge pauschaler Vorwürfe der „Ämterpatronage, der Korrumpierung jeder Art, der Monopolisierung der politischen Entscheidungsgewalt bis zur Behauptung, dass ein hemmungsloses Streben nach Macht und politischem Einfluss um sich greife“,26 entstanden war. Ungeachtet mancher Verbesserungsmöglichkeiten seien die Parteien „für ein freiheitlich demokratisch und repräsentativ verfasstes Staatssystem unentbehrlich und unersetzbar. Wir müssen mit den Parteien leben, ob wir wollen oder nicht. Wir brauchen sie bei der Durchführung von Wahlen, bei der Bildung von Regierungen, bei der Gesetzgebung und der Formung politischen Willens überhaupt.“27 Noch wichtiger als die Betonung der mangelnden akzeptablen Alternativen zum Parteienstaat schien Seidel die Relativierung der Kritik an den Parteien. „Das Entscheidende ist aber, dass in den Parteien trotz aller gegenteiligen Behauptungen sehr viel Idealismus, ein entwickeltes Verantwortungsbewusstsein und oft ein starkes Gefühl für die Notwendigkeiten des gemeinsamen Wohles lebendig sind, dass in den Fraktionen der Parteien mehr als man annimmt, der Sachverstand den Sieg über die Interessen davonträgt, und dass die Abhängigkeit von den so genannten Interessenverbänden sehr viel geringer ist, als es von Theoretikern und manchmal auch von Partei-Funktionären behauptet wird.“28 In seinen Betrachtungen der Funktion politischer Parteien im demokratischen Rechtsstaat hat Hanns Seidel besonderes Augenmerk auf die Problematik des Zuganges zur politischen Führungsschicht gelegt. Er kritisierte das Honoratioren- und Funktionärswesen der Parteien, das den für die demokratische Elitenbildung notwendigen Prozess ständiger sozialer Erneuerung unterbinde, und forderte, dass die Tore einer Partei für die Jugend „weit geöffnet werden“29 müssten. Je mehr sich die Organisation einer Partei verfestige, umso dringlicher stelle sich die Frage der Führungsauslese, zumal Funktionäre zumeist kein Interesse am Aufstieg neuer Eliten hätten. „Der Hinweis auf die Existenz von starken und staatsmännisch begabten Persönlichkeiten in fast allen Parteien ist ungenügend: Solche Persönlichkeiten pflegen sich auch gegenüber störenden oder gar feindseligen Funktionären oder Honoratioren durchzusetzen. Wichtiger ist, dass in einer Partei eine Schicht von kenntnisreichen und charaktervollen Männern wirkungsmächtig wird, die sich von reiner Routine und Technik abhebt und die in eine gewissenhafte, über die Umstände des Tages hinausgehende Haltung hineinwächst. Das ist sicherlich in weitem Umfang eine Erziehungsaufgabe, für die nicht alle Parteien genügend gerüstet sind.“30 26 27 28 29 30
Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 14. Ebd., S. 15. Ebd., S. 15. Ebd., S. 16. Ebd., S. 16.
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Am 22. Januar 1955 wurde Hanns Seidel auf einer außerordentlichen Landesversammlung der CSU zum neuen Landesvorsitzenden der Christlich-Sozialen Union gewählt. Verständlicherweise hat er sich auch deshalb besonders intensiv mit der Stellung christlicher Parteien in repräsentativen Demokratien beschäftigt. Interessant ist, dass Seidel die CSU „wie jede andere Partei“ als „eine Kampforganisation gleich gesinnter Menschen“31 bezeichnete. Christliche Parteien hielt er nicht für „Lebensgemeinschaften“, sondern betrachtete sie wie alle anderen Parteien auch als einen „Zweckverband mit konkreten Zielen und mit einer Methodik, die von den Prinzipien der Zweckmäßigkeit auszugehen hat“.32 Dennoch existierte für ihn ein entscheidender Unterschied zwischen christlichen und nicht christlichen Parteien, ein Merkmal, auf das er etwa in seinem Schlusswort auf der Feierstunde anlässlich des zehnjährigen Bestehens der CSU am 23. Oktober in München explizit hinwies: „Wer gezwungen ist, auch in der Politik sein Handeln einem höheren ethischen Sinn unterzuordnen, wird in seinem Nachbarn in der Partei nicht nur den Nachbarn, sondern den Weggenossen sehen, dem er sich brüderlich verbunden fühlt.“33 Mit dieser Hervorhebung der ethischen Fundierung christlicher Politik suchte Seidel nicht zuletzt den „verletzenden Vorwurf“ zurückzuweisen, wonach die christliche Weltanschauung „nur als Köder für das Wahlvolk verwendet würde“.34 Zum einen sei eine solche vermeintliche „Köderfunktion“ längst wirkungslos, weil anstelle von Weltanschauung Lebenspraxis gefragt sei. Zum anderen übersehe die Kritik an den christlichen Weltanschauungsparteien die seit Platon von allen großen politischen Denkern erkannte Notwendigkeit, Politik nicht nur als bloßes Werk der Routine zu betrachten, sondern politisches Handeln in den Rahmen einer ethischen Fundierung und Ordnung zu stellen.35 „Unsere Wirksamkeit“, so legitimierte Hanns Seidel in diesem Zusammenhang die normative Maxime der CSU, „beruht weniger auf Satzungen, so notwendig sie auch sein mögen; unsere Wirksamkeit gründet sich auch nicht ausschließlich auf Organisation, so wichtig sie ist; unsere Wirksamkeit empfängt vielmehr ihre wesentlichen Impulse aus den ehernen Gesetzen, von denen das christliche Weltbild beherrscht wird. Nicht die allgemeinen Ideen also, die für den Zeit-
31
Ebd., S. 10. Ebd., S. 103. Vgl. zu der Frage der Notwendigkeit einer ethischen Fundierung der Politik im Denken und Werk Hanns Seidels auch Theo Waigel, Politische Grundsatzfragen der CSU und das Vermächtnis Hanns Seidels, in: Hanns Seidel – „Ein Leben für Bayern“, Berichte und Studien der Hanns-Seidel-Stiftung, Bd. 35, hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung, München 1987, S. 29–37, hier S. 30–33. 33 Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 103. 34 Ebd., S. 20. 35 Vgl. ebd., S. 19 f. 32
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geist charakteristisch sind, sondern die unvergänglichen Werte christlichen Glaubens sind es, die es uns erlauben werden, geraden Weges, unbeirrt und sicheren Schrittes durch die Zeit zu gehen.“36 An die Adresse der Kritiker der Weltanschauungsparteien gerichtet, meinte Seidel, man könne zwar darüber streiten, ob diese Parteien dem Funktionieren der Demokratie hinderlich seien und ob das Funktionieren der Demokratie nicht besser gewährleistet sei, wenn die Ziele politischer Parteien ausschließlich auf praktische Möglichkeiten gerichtet seien. Schließlich sei in parlamentarischen Demokratien der Kompromiss eine notwendige Voraussetzung, während Kompromisse in Weltanschauungsfragen kaum möglich seien. Er hielt es aber für müßig, deshalb über die Existenz von Weltanschauungsparteien zu jammern, zumal es unrealistisch sei, dass diese auf Grund der spezifischen historischen Entwicklung und der Mentalität der deutschen Bevölkerung entstandenen Parteien durch andere Parteien ersetzt würden, welche eher den amerikanischen oder englischen entsprächen. Außerdem betonte Seidel, dass auch der so genannte Säkularismus eine Welt- und Lebensanschauung sei und die CSU als christliche Weltanschauungspartei die Aufgabe habe, das öffentliche Leben „mit christlichem Gedankengut zu füllen und der bedenklichen Säkularisierung aller Begriffe entgegenzuwirken“.37 IV. Die Bedeutung der Opposition im parlamentarischen System Nach den Landtagswahlen im November 1954, die ungeachtet der Stimmenzuwächse für die CSU38 zur Regierungsbildung einer Koalition aus SPD, GB/ BHE, BP und FDP führten, wurde Hanns Seidel zum Vorsitzenden der CSUFraktion im Bayerischen Landtag gewählt. In dieser Funktion und als CSU-Landesvorsitzender musste sich Hanns Seidel nun auch mit sachlich überzeugender Oppositionsarbeit als Parteipolitiker bewähren, und der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister war, wie der Autor einer biografischen Studie zu Recht behauptet, „der rechte Mann, diese Lage zu meistern: Selbst nüchtern und sachlich, ein Virtuose eher in der Handhabung eines feinmechanischen politischen Instrumentariums denn in der Anwendung gröberen Werkzeuges, gelang es ihm rasch, der Union die Umstellung auf die neuen Aufgaben in der Opposition zu erleichtern. Er hielt es zwar für unnatürlich und dem demokratischen Prozess abträglich, dass die stärkste Partei im Lande von der Regierungsverantwortung
36
Ebd., S. 102. Die CSU in Bonn und Bayern, Rede des CSU-Landesvorsitzenden, Hanns Seidel, auf dem Landesausschuss in Ingolstadt am 4.6.1955 (ACSP, Nachlass Seidel Hanns, Nr. 8). 38 Die CSU erhielt 38 Prozent der Wählerstimmen und zog mit 83 Abgeordneten als stärkste Fraktion in den Bayerischen Landtag ein. 37
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ausgeschlossen blieb, aber er betrachtete die Oppositionszeit nie ausschließlich negativ“.39 Bei seiner Aufgabe der Parteiführung in der Opposition kam Seidel, dessen umfassende Bildung sich von der Jurisprudenz und Geschichte über Verwaltung, Volkswirtschaft und Finanzen bis zu Kunst und Philosophie erstreckte,40 zugute, dass ihn die Wechselwirkungen zwischen Regierung und Opposition in der parlamentarischen Demokratie bereits seit seiner Studienzeit beschäftigt hatten. Seidels Analysen der Funktion der Opposition in der parlamentarischen Demokratie gehen von seinen Betrachtungen der englischen Parlamentsgeschichte aus und setzen an einem Vergleich des Zweiparteiensystems mit kontinentaleuropäischen Mehrparteiensystemen an. Dem englischen Modell zufolge, in dem sich die Funktion der Opposition als ein wesentliches Ordnungselement eines funktionierenden demokratischen Herrschaftssystems entwickelt hat,41 übt die im Gegensatz zur Majorität an keine Regierungsverantwortung und an keine Regierungsinteressen gebundene Opposition als unabhängige Minorität die Kontrolle nicht nur über Regierung und Verwaltung, „sondern gewissermaßen über die Mehrheit aus, die die Macht in den Händen hat, die so gerne missbraucht wird“.42 Seidel sah die Funktion der Opposition nicht in einem Gegensatz zur Regierung, sondern als eine des inneren Ausgleichs zur Erhaltung des Gleichgewichts des Systems, das auf der Vorstellung der Einheit des Parlaments als zentralem Staatsorgan beruht. In dieser Sicht befindet sich der Standort der Opposition nicht außerhalb, sondern innerhalb des Ganzen, zumal die Opposition selbst ein Stück Regierung sei, „jederzeit befähigt und willens, die Regierung zu übernehmen, sobald sich die Minderheit in Mehrheit wandelt. Ihr ständiges natürliches Streben ist es, diese Wandlung herbeizuführen, indem sie für ihre politischen Auffassungen und Ziele eine Majorität zu gewinnen trachtet“.43 39
Hans Pflaumer, Hanns Seidel, S. 349. Vgl. zu Seidels Tätigkeit als Oppositionspolitiker auch die Beiträge von Stephan Deutinger und Horst Möller in diesem Band. 40 Vgl. Georg Stadtmüller, Hanns Seidel, S. 11. 41 „Man kann sagen: Das englische Parlament ist aus dem Trieb zur Opposition entstanden, aus dem Willen, der Führungsschicht der Krone und der Exekutive eine ihre Macht einschränkende Kontrolle entgegenzusetzen.“ (Hanns Seidel, Zeitprobleme, S. 255). Seidels Beitrag „Die Funktion der Opposition im parlamentarischen System“ in seinem Sammelband „Zeitprobleme“ ist die überarbeitete Version eines Vortrages, den der damalige CSU-Vorsitzende am 13. Juli 1955 an der Hochschule für Politische Wissenschaften München gehalten hat, abgedruckt in: Politische Studien, H. 66, 1955, S. 24–35. 42 Hanns Seidel, Die Funktion der Opposition im parlamentarischen System, in: Hanns Seidel, Zeitprobleme. Gesammelte Aufsätze und Vorträge, Aschaffenburg 1960, S. 255–273, hier S. 257. Vgl. zu Seidels theoriegestützten Überlegungen zur Rolle der Opposition in der parlamentarischen Demokratie auch Christian Seidel, Maximen eines bayerischen Politikers, S. 19–22; ferner Hans Pflaumer, Hanns Seidel, S. 349–353. 43 Hanns Seidel, Zeitprobleme, S. 257.
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Die Funktionsverteilung zwischen Regierung und Opposition als zwei einander ergänzende Teile eines einheitlichen Ganzen betrachtete Seidel dialektisch: „Die moderne parteistaatliche Demokratie hat in der Komplexität und Polarität ihrer vielfältigen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Erscheinungsform so viel dialektische Kräfte in sich eingeschlossen, dass sie nur durch These und Antithese zu einer Synthese, das heißt zu einem fruchtbaren Ausgleich, man kann auch sagen, zu einem schöpferischen Kompromiss gelangen kann, der schließlich und letzten Endes die begehrenswerte Leistung ist, die sich die Menschen von einem demokratischen Staats- und Gesellschaftssystem erwarten.“44 Seidels Überzeugung zufolge entfaltet sich in Zweiparteienparlamenten ein gut funktionierendes Oppositionssystem wesentlich leichter und überschaubarer als in Vielparteienparlamenten. Weil in einem Zweiparteiensystem der Opposition die Regierungsverantwortung sicher sei, sobald sie die Mehrheit gewinnt, trage die Opposition dort die Verantwortung, keine Opposition um der Opposition willen zu machen. Demgegenüber, so Seidel, sei dieses prinzipielle Opponieren in Mehrparteienparlamenten durchaus üblich, zumal dort manche Parteien wüssten, dass sie „niemals oder nur auf anfechtbaren Schleichwegen in die Regierung, also in die Verantwortung, gelangen werden“.45 Seidel spricht in diesem Zusammenhang von „illegitimer Opposition“ für den Fall, dass die Wahlentscheidungen missachtet und die durch den Wahlakt zur Führung legitimierte Partei durch Koalitionsbildungen parlamentarischer Gruppierungen in die Opposition manövriert werden. Dies sei zwar verfassungsrechtlich „durchaus in Ordnung“, da „weder das Grundgesetz noch unsere Länderverfassungen Bestimmungen kennen, die der stärksten Parlamentsfraktion das Recht der Regierungsbildung a priori zugestehen“, sachlich entspreche eine derartige Praxis jedoch „keineswegs der richtigen demokratischen Ordnung“.46 Die paradoxe Situation, dass die CSU als stärkste politische Kraft in Bayern im November 1954 durch ein Bündnis der kleineren Parteien, dessen einzige Grundlage die gemeinsame Gegnerschaft zur CSU war, von den Regierungsbänken verdrängt wurde, veranlasste Seidel zu einer harschen Kritik an der künstlichen Herstellung eines Mehrheitssystems, in dem kleine Randparteien, denen das Volk keinerlei Führungsanspruch zugebilligt habe, faktisch das Heft der Regierung in die Hand bekämen.47 Das hohe Maß an Verantwortung, das Hanns Seidel der parlamentarischen Opposition zuwies, hängt auch mit seinem Verständnis von „Macht“ zusammen,
44 45 46 47
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
S. S. S. S.
268. 258. 269. 270.
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die er generell für „sittlich neutral“ hielt, weil sie zum Guten wie zum Bösen gebraucht werden könne. Er kannte jedoch auch die verhängnisvollen Folgen des Missbrauchs von Macht und schloss sich Lord Actons Satz „Power corrupts, absolute power corrupts absolutely“ an. Die Erkenntnis der Notwendigkeit der Macht im Bereich der politischen Ordnungsgestaltung in der Gesellschaft einerseits und der Gefahren des Machtmissbrauchs andererseits veranlassten Seidel zur Forderung nach einer permanenten Machtkontrolle, die im demokratischen Staat die Hauptfunktion der parlamentarischen Opposition sei.48 Die Verantwortung der Opposition sah Seidel in diesem Zusammenhang nicht zuletzt darin, dafür zu sorgen, dass die Herrschaft der Majorität „nicht zur Diktatur ausartet oder sich zu einer Parteioligarchie im Staate entwickelt“. Ein Staat, in dem die Opposition schlecht, falsch oder gar nicht funktioniere, leide an einer „schweren Integrationsstörung, man könnte bildlich auch sagen an einer organischen Durchblutungsstörung“. Ohne eine funktionierende Opposition „würde unser demokratisches System rasch erstarren und entarten, und das Ganze würde in die Gefahr geraten, auseinander zu fallen“.49 Die Opposition, so wusste Seidel aus eigener Erfahrung, könne ihre wichtige Integrationsaufgabe jedoch nur dann erfüllen, wenn die regierende Mehrheit in ihr nicht nur etwas Entgegengesetztes, sondern etwas Dazugehöriges erkenne. Heftig geißelte er in diesem Zusammenhang den von der „Viererkoalition“ ins Leben gerufenen Koalitionsausschuss und die mit diesem verbundene Gefahr einer Machtverschiebung von der verfassungsmäßigen „Exekutivregierung“ auf eine „politische Regierung“. Wenn ein solcher Ausschuss die „Regierungsparteien zwingt, die Opposition unter allen Umständen und in jedem Falle niederzustimmen, dann wird das Parlament zur Sterilität verurteilt und zur Abstimmungsmaschine herabgewürdigt“.50 Damit die Regierung die Opposition als Mitgestalter der demokratischen Ordnung akzeptiert, sei allerdings nötig, dass die parlamentarische Minorität sich als positives Element, als zweite Kraft, einer Einheit verstehe, die nur in ihrer Gesamtheit den Staat durchdringen könne. Ein Neinsagen der Opposition, so räumt Seidel jedoch einschränkend ein, könne auch „positiver sein als das Jasagen“, wenn es „kein introvertiertes, nur auf parteitaktische Interessen bezogenes und von dem Gesamtinteresse abgezogenes Nein ist. Fruchtbar ist jedenfalls
48 In dem während seiner letzten Lebensmonate verfassten Werk „Vom Mythos der öffentlichen Meinung“ räumte Seidel allerdings ein, dass seiner Meinung nach „der Missbrauch staatlicher Macht niemals völlig zu verhindern ist, selbst wenn wir noch so viele Einrichtungen zu seiner Verhinderung ersinnen.“ (Hanns Seidel, Vom Mythos der öffentlichen Meinung, S. 126). 49 Hanns Seidel, Zeitprobleme, S. 267 f. 50 Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 96. Vgl. auch Hans Pflaumer, Hanns Seidel, S. 351.
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eine Opposition immer dann, wenn ihre Tätigkeit dem Staatsorganismus zugute kommt und seine innere Dynamik steigert“.51 Generell sah Seidel die große Chance einer parlamentarischen Opposition darin, dass sie, von der unmittelbaren Regierungsaufgabe entbunden, sich mit Grundsätzlichem beschäftigen könne. Nicht nur mit ihren eigenen Parteigrundsätzen, sondern auch mit allgemeinen Staatsgrundsätzen, „und zwar gegenüber opportunistischen Anwandlungen und Praktiken, die sich gerne bei den Inhabern der Macht einschleichen, wenn sie sich nicht beobachtet fühlen“.52 Besonders kritisch betrachtete Seidel in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass die parlamentarische Regierungsmehrheit durch ihre Verbindung mit der Regierung gegenüber der Exekutive nicht frei sei. Den Einbruch in die exekutiven Bereiche von Seiten der parlamentarischen Regierungsmehrheiten hielt Seidel für eine negative Erscheinung des Parteienstaates, die „bisweilen bis an die Wurzeln des Prinzips der Gewaltenteilung herangeht“.53 Hier forderte er ebenso eine Kontrollaufgabe für die Opposition wie im bürokratischen Bereich, den er gleichfalls in Gefahr sah, zu einem „Machtdominium der politischen Mehrheitsparteien“ gemacht zu werden.54 Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Seidel die Rolle der parlamentarischen Opposition nicht negativ, im Sinne bloßen Opponierens gegen die Regierung, sondern konstruktiv und integrativ verstand. Dieses sowohl in Seidels theoretischen Überlegungen wie auch in seinem praktischen politischen Handeln zum Ausdruck kommende Verständnis eines positiven Funktionscharakters der Opposition manifestierte sich vor allem anlässlich der Diskussion der großen weichenstellenden Grundfragen der Bundesrepublik. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang etwa seine Forderung nach einer von Regierung und Opposition gemeinsam betriebenen, parteienübergreifenden Verfolgung des Ziels der deutschen Einheit, das in Seidels politischem Denken einen prioritären Stellenwert einnahm. „Der Kampf um die freie, selbstbestimmte Einheit Deutschlands ist ein zentrales Problem der jüngsten deutschen Geschichte, und er muss das zentrale Problem der deutschen Politik bleiben.“55 Seidel fürchtete in diesem Zusammenhang, dass die Opposition ihres positiven Funktionscharakters beraubt und die Glaubwürdigkeit des demokratischen Systems an sich erheblich geschwächt werde, wenn es nicht gelänge, die ungeachtet verschiedener politischer und programmatischer Differenzen vorhandenen Grundübereinstimmungen auch in der parlamentarischen Politik bei der „Behandlung der großen
51 52 53 54 55
Hanns Seidel, Zeitprobleme, S. 268 f. Ebd., S. 270. Ebd., S. 271. Ebd., S. 272. Ebd., S. 320.
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außenpolitischen Fragen zur Geltung kommen zu lassen. Gerade hier sollte die Funktion der Opposition als eine integrierende Kraft spürbar werden“.56 Seinem noblen Verständnis parlamentarisch-demokratischer Regierungskultur entsprechend hat Hanns Seidel diese konstruktive Rolle der Opposition nicht nur als CSU-Oppositionsführer, sondern auch später als Regierungschef reklamiert. Unmittelbar nach seiner Wahl zum Bayerischen Ministerpräsidenten lud er in diesem Sinne in einer Rundfunkansprache am 16. Oktober 1957 auch die politischen Gegner der CSU zu einer gemeinsamen Politik zum Wohle Bayerns und der bayerischen Bevölkerung ein. „Die Art, wie wir die Regierungsbildung betrieben haben, sollte als ein Zeichen verstanden werden, dass wir nicht den Wunsch haben, eine Kampfregierung gegen irgendjemand aufzurichten. Wir wollen unsere Kräfte nicht in der Erhitzung von Gegnerschaften vergeuden, sondern für die Ermunterung aller Gutwilligen zur sachlichen Mitarbeit zum Wohle unseres Bayernlandes nutzen, ob sie innerhalb oder außerhalb der Regierung stehen. Diesen Wunsch richten wir auch an alle, denen eine Verantwortung für die Gestaltung der öffentlichen Meinung auferlegt ist.“57 V. Der geistige Auftrag Hanns Seidels Diese Geste Hanns Seidels, die Einladung an den unterlegenen politischen Gegner, sich konstruktiv am politischen Gestaltungsprozess zu beteiligen, war charakteristisch für das beeindruckende Toleranzverständnis dieses herausragenden bayerischen Politikers. Ungeachtet dessen war er davon überzeugt, dass einzig die Union die politische Kraft sei, die die schwierige Gratwanderung zwischen Norm und Nutzen, zwischen ethischen Maßstäben und machtpolitischem Nutzen, zum Wohle der Allgemeinheit bewältigen könne.58 Den Auftrag der Union hat Hanns Seidel vor dem Landesausschuss der CSU am 8. Juni 1958 in Hof mit den später viel zitierten Worten beschrieben: „In dubiis libertas, in necessariis unitas, in omnibus caritas. In dubiis libertas, das heißt in allen Fragen, die eine verschiedenartige Antwort zulassen, gewähren wir die Freiheit der Entscheidung; in necessariis unitas, das heißt in allem Notwendigem verlangen wir Einigkeit und Einheit; und schließlich: in omnibus caritas, das heißt, in allem wollen wir uns in der Christlich-Sozialen Union in brüderlicher Liebe begegnen.“59
56
Ebd., S. 273. Hanns Seidel, Weltanschauung und Politik, S. 126. 58 Vgl. Hans Pflaumer, Hanns Seidel, S. 357. 59 Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden der CSU Hanns Seidel auf der Landesausschusssitzung der CSU in Hof am 8.6.1958 (ACSP, Nachlass Seidel, Nr. 13). 57
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Auf Grund seiner fundierten Analysen gilt Hanns Seidel neben seiner Rolle als Architekt des modernen Bayerns als einer der scharfsinnigsten Vordenker der Christlich-Sozialen Union im Sinne einer freiheitlichen und sozialen Volkspartei. Obwohl ihm als Parteivorsitzenden nur wenige Jahre des Wirkens vergönnt waren, bevor eine heimtückische Krankheit seinen Schaffensdrang stoppte, gelten der organische Aufbau und die geistige Profilierung der CSU als sein Werk und sein Verdienst.60 Seidels in zahllosen Stellen seiner vielen Reden und Schriften zum Ausdruck kommendes Ziel galt, in den Worten von Franz Josef Strauß, der Formung der CSU als geistiger und politischer Heimat all derer, die nach dem Zusammenbruch einer „gottfernen kollektivistischen totalitären Gewaltherrschaft die Zukunft unseres Volkes auf einer weltoffenen christlichen Grundlage suchten“.61 Deshalb hat Seidel sich zeitlebens für den Unionsgedanken engagiert, wobei seine geistige Fundierung und Darstellung dieses Gedankens Seidels überragende Bedeutung als Parteiführer ausmachten. „Er war“, so bemerkte Hans Pflaumer, der erste Leiter der Akademie für Politik und Zeitgeschehen, der nach Hanns Seidel benannten und im Jahre 1967 gegründeten Stiftung, in seiner vorzüglichen, feinfühlig geschriebenen kleinen Biographie, „keiner von denen, die ihren politischen Pragmatismus nur notdürftig mit einigen schlechtsitzenden Phrasen vor der Öffentlichkeit und oft vor sich selbst zu verstecken suchen. Seine politischen Überzeugungen beruhten auf einem Weltbild, dessen Gestalt letztlich von seinem christlichen Glauben geprägt war. So gelang ihm stets fast mühelos der Ausgleich zwischen seinen Grundsätzen und den pragmatischen Notwendigkeiten jeder Politik – ein Ausgleich, der vielen Politikern so unendlich schwer fällt, weil ihre Hilflosigkeit im Grundsätzlichen sie zum Opfer der wechselnden Erscheinungen im pragmatischen Bereich werden lässt.“62 Zusammenfassung Der Schlüssel zum Verständnis des politischen Denkens Hanns Seidels findet sich in den konkreten sozio-historischen und sozio-ökonomischen Bedingungen der Krisenjahre der Weimarer Zeit, in denen sein Entschluss zur aktiven politischen Mitarbeit reifte. In der damaligen geistigen und materiellen Notsituation kam Seidel zu der Überzeugung, dass politisches Handeln sich an allgemeinen, übergeordneten Prinzipien zu orientieren habe. Diese Prinzipien glaubte Seidel im christlichen Glauben, in der christlichen Weltanschauung finden zu können. Sein Menschenbild und seine Vorstellungen vom Ideal eines christlichen Politikers bewogen Seidel (im Sinne von Max Webers Unterscheidung zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik), nach den
60 In diesem Sinne Franz Josef Strauß, Dank und Erinnerung. Vor 20 Jahren starb Hanns Seidel, in: Bayernkurier, 1.8.1981. 61 Ebd. 62 Hans Pflaumer, Hanns Seidel, S. 354.
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Grundsätzen einer christlichen Verantwortung und nicht nach abstrakten Prinzipien ethischer Gesinnung zu handeln.
Summary The key to understanding the political thought of Hanns Seidel lies in the specific socio-historical and socio-economic conditions of the tumultuous years of the Weimar period. It was during this time that his decision to take an active part in political life matured. The moral and material crisis which then prevailed led Seidel to the conviction that political activity should be grounded in general, overarching principles. Seidel believed that he had found such principles in the Christian faith and the Christian world view. Seidel’s view of man and of the ideal of the Christian politician moved him to act in accordance with the principles of Christian responsibility and not just according to abstract principles of an individualistic ethic – in the sense of Max Weber’s distinction between an ethics of responsibility and an ethics of conviction.
Kirche und Demokratie Der lange Weg des Zueinanderfindens Von Anton Rauscher Das vor kurzem erschienene „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ enthält innerhalb des Kapitels, das sich mit der politischen Gemeinschaft befasst, einen Abschnitt über „Das System der Demokratie“ (Nr. 406–415). Die Ausführungen beginnen mit einem Zitat aus der Enzyklika Centesimus annus (1991) von Johannes Paul II.: „Die Kirche weiß das System der Demokratie zu schätzen, insoweit es die Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen sicherstellt und den Regierten die Möglichkeit garantiert, sowohl ihre Regierungen zu wählen und zu kontrollieren als auch dort, wo es sich als notwendig erweist, sie auf friedliche Weise zu ersetzen“ (Nr. 406). Der Papst fügt hinzu, die Kirche könne die Bildung von elitären Führungsgruppen, die aus Sonderinteressen oder aus ideologischen Absichten die Staatsmacht an sich reißen, nicht billigen. Die positive und zugleich nüchterne Einschätzung der Demokratie spiegelt die Erfahrungen wider, die Karol Wojtyla mit dem Sozialismus und mit dem totalitären Machtsystem des Kommunismus in seinem Heimatland Polen machen musste. Es gab keine Demokratie. Die sogenannte „Volksdemokratie“ war alles andere, nur keine Herrschaft des Volkes. Der Begriff war ein Propagandainstrument, um die totale Herrschaft der kommunistischen Partei – näherhin ihres inneren Machtzirkels (Zentralkomitee) – irgendwie als Herrschaft des „Volkes“ erscheinen zu lassen, was allerdings den immer rascheren Zerfall der Machtbasis nicht aufhalten konnte. Der Grund der Demokratie liegt für den Papst freilich nicht so sehr im Prozess der politischen Willensbildung durch das Volk und beim Zustandekommen der Regierung, sondern in der Einsicht: „Eine wahre Demokratie ist nur in einem Rechtsstaat und auf der Grundlage einer richtigen Auffassung vom Menschen möglich“ (ebd.). Entscheidend für die Demokratie ist die „überzeugte Annahme von Werten, die die demokratische Vorgehensweise inspirieren: die Würde jeder menschlichen Person, die Achtung der Menschenrechte, die Anerkennung des ,Gemeinwohls‘ als Ziel und maßgebendes Kriterium des politischen Lebens“ (Nr. 407). Johannes Paul II. war viel zu welterfahren, als dass er sich mit dem Recht der Bürger, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, zufrieden gegeben hätte. Dies gehörte für ihn eher zur formalen Seite der Demokratie. Die Erwartungen und Hoffnungen, die die Menschen sowohl im Wes-
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ten als auch im Osten mit der Demokratie verbinden, hängen davon ab, ob die Grundwerte, allen voran die Würde jedes Menschen und die darin verankerten Menschenrechte, den Stellenwert des Menschen in der Gesellschaft und im Staat bestimmen. Auch in den westlichen Demokratien kommt es diesbezüglich immer wieder auch zu Missständen und Verletzungen der Menschenrechte, wenn sich die Mehrheit über die vorgegebenen Grundwerte und -normen hinwegsetzt. Allerdings können derartige Fehlentwicklungen in Staaten mit demokratischen Strukturen leichter und schneller entdeckt und öffentlich an den Pranger gestellt werden. Dies geschieht aber nur dann, wenn innerhalb der Gesellschaft und der Politik das Bewusstsein um die Menschenwürde und die Menschenrechte so lebendig ist, dass ihre Missachtung zu kritischen Anfragen und Protesten, womöglich auch zu Demonstrationen und politischen Aktivitäten führt. I. Die Kirche war nicht vorbereitet Die Aussagen von Johannes Paul II. lassen nicht erkennen, wie schwer sich die Kirche mit der Demokratie und mit den neuen Verhältnissen und Strukturen getan hat, die nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung in der Französischen Revolution entstanden sind. In den tausend Jahren seit Karl dem Großen hatte sich in Europa der orbis christianus herausgebildet, in dem die geistliche und die weltliche Gewalt, Papst und Kaiser, die bestimmenden Größen waren. Auch wenn die Zuständigkeiten getrennt waren und Staat und Kirche als „societates perfectae“ galten, so entwickelte sich – trotz immer wieder aufbrechender Rivalitäten und Gegensätze – ein enges Bündnis zwischen Thron und Altar. Die Kirche hatte sich fest darin eingerichtet. Sie genoss die vielen Privilegien und Möglichkeiten, die diese Konstellation ihr bot, und trug ihrerseits zur inneren Stabilität der Verhältnisse bei. Die lange Gewöhnung brachte es mit sich, dass diese Ordnung als gottgewollt galt und eine radikale Änderung gar nicht mehr vorstellbar war. Das philosophisch-theologische Gedankengebäude, dem in der Hochscholastik eine überragende Bedeutung für die Entfaltung der christlichen Kultur und für die Gestaltung der Lebensverhältnisse zukam, hatte in den folgenden Jahrhunderten viel geistig-sittlichen Schwung und Kraft verloren. Sieht man einmal ab von den Kontroverstheologien, die die Reformation und das Konzil von Trient auslösten, ebenso von der spanischen Spätscholastik, die im Zeitalter der Renaissance und der Entdeckungen auf dem Gebiet des Völkerrechts und auch der Wirtschaftsethik neue Maßstäbe setzte1, dann beschränkte sich die Theolo1 Hier sind die Untersuchungen Joseph Höffners heute noch wegweisend: Christentum und Menschenwürde. Das Anliegen der spanischen Kolonialethik im Goldenen Zeitalter, Trier 1947. – Ebenso ders., Wirtschaftsethik und Monopole im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, Jena 1941.
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gie im 17. und 18. Jahrhundert auf die Wiederholung von scholastischen Positionen. Die neuen Überlegungen und Erkenntnisse auf den Gebieten der Philosophie, der Politik, des Rechts, der Ökonomie und der aufstrebenden Naturwissenschaften wurden kaum wahrgenommen, zumal wenn sie von Protestanten bzw. Nichtkatholiken vorgetragen wurden. Man war dann rasch bei der Hand, diese Denker als „adversarii“ einzustufen, anstatt sich mit ihren Positionen und Begründungen auseinanderzusetzen. In der Hochscholastik hätte man die wissenschaftliche Disputation mit Andersdenkenden gesucht. Was nun die Staatsform der Demokratie betrifft, so war die negative Einstellung der griechischen Philosophen Platon und Aristoteles gegen diese Staatsform bekannt. Sie trauten der Demokratie nicht zu, das, was ein Gemeinwesen leisten soll, nämlich das Gemeinwohl, zu verwirklichen. Was in der Antike fehlte, war das, was Johannes Paul II. die „richtige Auffassung vom Menschen“ nennt. Erst das Christentum konnte im Zuge der Klärung von Glaubensfragen Begriff und Inhalt der „Person“ herausarbeiten, was bald auch auf den Menschen als „Bild Gottes“ angewandt wurde. Im Mittelalter erhielt das christliche Menschenbild weitere Konturen. Für Thomas von Aquin ist der Mensch Person und somit „perfectissimum in tota natura“, „scilicet subsistens in rationali natura“.2 Person sagt etwas aus über den Selbststand des Menschen, der mit Vernunft und Freiheit von Gott seinem Schöpfer ausgestattet ist und der Verantwortung trägt. Parallel dazu wurde schon früh der Gedanke entwickelt, dass der Mensch, weil er als „Bild Gottes“ geschaffen ist, eine einzigartige Würde besitzt, wie dies schon in alten liturgischen Texten zum Ausdruck kommt. Thomas spricht von der „Würde“ der Person: „magna dignitas est subsistere in natura rationali“. II. Das Ganzheitsdenken Leider ist diese Reflexion über den Menschen als Person auf dem Höhepunkt der mittelalterlichen Scholastik gar nicht zur Geltung gekommen. Sie blieb eher ein theoretischer Ansatz, als dass sie das Denken und Handeln der Menschen, in Sonderheit der Gebildeten, sowie die konkreten sozialen Verhältnisse bestimmt hätte. Dies lag vor allem an den sozio-kulturellen Voraussetzungen und Gegebenheiten. Das physische und das soziale Überleben des Einzelnen hing weitgehend von seiner Einfügung in das umgreifende Ganze der jeweiligen Gemeinschaft ab. Nur die Träger der politischen Herrschaft und auf kirchlicher Seite der Klerus und die Ordensgemeinschaften hatten größere Spielräume. Die 2 Überzeugend hat Leo J. Elders herausgearbeitet, dass nach Thomas der Mensch nicht nur teilhat an der natura humana, sondern als Person in Freiheit handelt. „Die Würde der Person beruht auf dem Selbst-Ausüben der Existenz und auf allem, was in der vernünftigen Natur eingeschlossen liegt“: Die Naturphilosophie des Thomas von Aquin (Schriftenreihe der Gustav-Siewerth-Akademie, Bd. 17), Weilheim-Bierbronnen 2004, 296 f. (mit Angabe der Fundstellen bei Thomas).
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konkreten Lebensverhältnisse in den Großfamilien und Dorfgemeinschaften bewirkten, dass das „Ganzheitsdenken“, wie es uns schon bei Platon begegnet, auch im Mittelalter die philosophische und theologische Reflexion inspirierte. Die Denkfigur des Individuums oder gar des „Selfmademan“ war undenkbar, solange das Überleben des Einzelnen nur in der weitgehenden Ein- und Unterordnung unter die Gemeinschaft gesichert war. Unter diesen Umständen lag es nahe, das Verhältnis von Mensch und Gemeinschaft als das eines Teils zum Ganzen zu begreifen. Die griechische Philosophie, die den Menschen als „animal rationale“ und als „zoon politikon“, aber nicht als Person erkannt hatte, kam dem Ganzheitsdenken insofern entgegen, als alle Menschen dieselbe Natur haben. Damit war die Vorstellung verknüpft, der einzelne Mensch ist Teil der „natura humana“; erst die vielen Einzelnen (Teile) bilden den ganzen, den „Großen Menschen“. Das Soziale bekommt eine besondere Qualität: Durch die Einfügung in das Ganze überwindet der Einzelne seine Teilhaftigkeit. Die sozialen Beziehungen ergänzen somit, was dem Teilhaften fehlt. Das Gemeinwohl überragt das Einzelwohl, so wie auch das Ganze alles Teilhafte hinter sich lässt. In einem anderen Zusammenhang wird nochmals auf dieses Ganzheitsdenken zurückzukommen sein. Wie hätte sich das Verhältnis zur Demokratie in Europa entwickelt, wenn die Kirche und die Theologie auf den Umsturz der alten Ordnung besser vorbereitet gewesen wären? Wenn die Denkansätze des heiligen Thomas über den Menschen als Person nicht in Vergessenheit geraten wären und die Denker des 18. Jahrhunderts daran hätten anknüpfen können? Auch wenn die Geschichte nicht neu geschrieben werden kann, muss man diese hypothetische Frage stellen. Es ist ja nicht so, als ob das christliche Menschenbild, das unlösbar mit Freiheit und Verantwortung verbunden ist, erst im Zweiten Vatikanischen Konzil entdeckt worden wäre, wie manche heute behaupten. Auch wenn in der Scholastik nicht von „unantastbarer Menschenwürde“, auch nicht von „Menschenrechten“ die Rede war, so ist doch mit der „Person“ das Fundament der Menschenwürde und der Menschenrechte jedes Menschen greifbar geworden.
III. Die Hinwendung zum Subjekt In der Aufklärung kam es zu Bewusstseinsveränderungen. Der einzelne Mensch war nicht mehr wie bisher abhängig von der Gemeinschaft, in der er lebte. Die Zeit war reif, den Menschen nicht mehr als Teil eines Ganzen zu sehen, sondern als Subjekt, das abwägt, entscheidet und handelt, das seine Welt und das öffentliche Leben gestaltet. In der Philosophie formuliert Immanuel Kant den berühmten Satz, dass der Mensch Selbstzweck sei und niemals Mittel zum Zweck sein dürfe. Es ist aufschlussreich, dass schon Thomas von Aquin ganz ähnlich dachte und formulierte: „Sola igitur intellectualis creatura est
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propter se quaesita in universo, alia autem omnia propter ipsam“3. Wenn sich die Kirche auf das christliche Menschenbild der Scholastik besonnen hätte, dann wäre es durchaus möglich gewesen, dass von der Person her die Idee der Freiheitsrechte entwickelt worden wäre. Dem revolutionären Elan, der meist auch mit Unmenschlichkeiten und schwerem Unrecht gegen unschuldige Menschen einherzugehen pflegt, hätte die Spitze gebrochen werden können. Die Bewusstseinsänderungen erreichten auch den politischen Bereich. Im Zeitalter des fürstlichen Absolutismus trat an die Stelle der Verantwortung des Herrschers für seine „Untertanen“ ein ausgeprägtes Machtdenken, wie es Nicoló Macchiavelli in seiner Schrift „Il principe“ propagierte. Typisch für diese Einstellung ist der Ausspruch des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV.: „L’état c’est moi“. In einem solchen Klima kommt es leicht zu Gegenpositionen, wie sie Jean Jacques Rousseau mit seinen Überlegungen über die Demokratie entwickelte und damit der Revolution den Weg bahnte. Die Epoche der „Untertanen“ neigte sich ihrem Ende zu; der „Bürger“ wollte auch in den öffentlichen Angelegenheiten und bei der Gestaltung des Gemeinwohls mitsprechen und Verantwortung mittragen. Wenn die liberale Bewegung im 19. Jahrhundert für die Freiheitsrechte des Bürgers eintrat, so wurden diese vornehmlich als „Abwehrrechte“ gegen den Staat, wie er sich im fürstlichen Absolutismus herausgebildet hatte, gesehen. Kirche und Theologie hätten in dieser Situation eine gewisse Vorreiterrolle spielen können, weil die christliche Sicht des Menschen die Freiheit und damit auch seine Freiheitsrechte ursprünglich in Gott dem Schöpfer begründet weiß. Diese Sichtweise hätte durchaus eine Brücke zum säkularen Staat und zur Demokratie bauen können, so wie auch die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 daran festhält, dass jeder Mensch seine Grundfreiheiten und Grundrechte von seinem Schöpfer erhält. Auf diese Weise hätte man auch die beiden grundverschiedenen Auffassungen über die Demokratie unterscheiden können. Die eine Auffassung, die auf Rousseau zurückgeht, die von der Autonomie des Individuums ausgeht und die Souveränität des Volkes absolut setzt. Hier herrscht das „Volk“ beziehungsweise die „Mehrheit“, wie immer sie auch zustande gekommen ist. Die andere Auffassung ist diejenige, die auf John Locke und auf die angelsächsische Tradition zurückgeht, an die die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 anknüpft, die die Grundwerte und Grundrechte als vorgegebene Wirklichkeiten anerkennt, die auch von qualifizierten Mehrheiten nicht preisgegeben oder verändert werden dürfen.4
3
Ebd. Vgl. dazu Jude P. Dougherty, Religion – Gesellschaft – Demokratie. Ausgewählte Aufsätze (Reihe: Soziale Orientierung, Bd. 16), Berlin 2003; besonders: Die Trennung von Staat und Kirche, 54 ff. 4
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IV. Der liberale Individualismus Geistesgeschichtlich war mit der Hinwendung zum Subjekt auch ein neues Denken über den Menschen und vor allem über das Verhältnis von Einzelmensch und Gemeinschaft angesagt. Der Mensch wurde nicht mehr in seiner Einbettung in ein Ganzes, in die Gemeinschaft und Kultur eines Volkes, gesehen. Die vielfältigen sozialen Bindungen, die in der Agrargesellschaft den Lebensrhythmus bestimmten, wurden nunmehr eher als Hemmschuh, und nicht mehr als Bedingung für die Entfaltung des Einzelnen erachtet. Jetzt bekommt der Begriff des Individuums eine neue Bedeutung. Das „Individuum“, selbstmächtig und selbstgenügsam, wird zum Akteur. Entsprechend ändert sich das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft. Das Individuum befindet selbst darüber, ob es mit einem anderen oder mit mehreren Individuen eine soziale Bindung eingehen will oder nicht. Der Einzelne erfährt sich nicht mehr als Teil der (Groß-)Familie, der Sippe, des Volkes und der Nation; vielmehr entsteht Gemeinschaft dann, wenn zwei oder mehrere Individuen einen Vertrag zur Verwirklichung von bestimmten Zwecken schließen. Der Vertrag tritt an die Stelle des aus dem sozialen Wesen des Menschen sich ergebenden sozialen Zusammenhalts: Ehevertrag, Arbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag. Im Vertrag werden die Rechte und Pflichten der Beteiligten festgelegt. Der Vertrag ist kündbar, änderbar. Das Grundmuster für diese Art vertraglicher Vereinbarung zwischen Individuen war der in der Wirtschaft übliche Kaufvertrag, der sich freilich auf den Austausch von Waren bezieht. Was in dieser Perspektive auf der Strecke blieb, war die innere Einheit der Gemeinschaft, auf die die Menschen von ihrem sozialen Wesen her hingeordnet sind. Gemeinschaft wurde als Summe von Individuen betrachtet. Auch die Menschenrechte, wie sie die Französische Nationalversammlung verkündete, hatten einen stark individualistischen Charakter. Nirgends wird dies deutlicher als beim Privateigentumsrecht, das als „heilig“ und „unantastbar“ verstanden wurde. Eine solche Auffassung wäre in der alten Ordnung undenkbar gewesen, gab es doch vielfältige Bindungen und Auflagen für das Privateigentum vor allem an Grund und Boden (Ober- und Untereigentum). Gewiss, die Aufhebung aller Beschränkungen begünstigte die Industrialisierung in Europa und die Entstehung der freien Marktwirtschaft. Aber die Vorstellung, dem Privateigentum wohne keinerlei soziale Pflichtigkeit inne und man könne sich aller sozialen Bindungen entledigen, war ein schrecklicher Irrtum. Unter diesen Umständen konnte sich jenes Laisser-faire-System im Früh- und Hochkapitalismus ausbreiten, das die „soziale Frage“ mit allen Folgen entstehen ließ. Die liberale Bewegung, die im 19. Jahrhundert wesentlich zum Aufbau des Rechtsstaates und zur Stärkung der individuellen Freiheitsrechte als Abwehrrechte gegenüber dem Staat beitrug, hat lange Zeit die Sprengkraft der sozialen Frage nicht erkannt. Man war der Überzeugung, dass diese eher ein Übergangs-
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problem von der alten in die neue Gesellschaft sei, aber kein Strukturproblem der im Kern individualistisch gedachten Gesellschaft, in der die Freiheit des Individuums zusammen mit dem wissenschaftlichen Fortschritt der Beherrschung der Natur in nicht zu ferner Zukunft alle Übel, auch Armut und Elend besiegen würden. Nichts wäre in dieser geistig-moralisch-politischen Umbruchsituation vordringlicher gewesen als eine grundsätzliche Orientierung. Die Päpste von Pius VI., Gregor XVI. bis Pius IX. waren dazu nicht in der Lage, weil sie der bisherigen Zuordnung von Kirche und Staat, von geistlicher und weltlicher Macht verhaftet waren. Ihr Blick war rückwärts gerichtet, so wie sich auch die Traditionalisten in Frankreich und die sogenannten Romantiker in Deutschland und Österreich mit der Revolution und ihren Folgen nicht abfinden wollten.5 V. Wege aus der Isolation Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil, das 1870 abgebrochen wurde, und nach der politischen Einigung Italiens und dem Ende des Kirchenstaates stellte sich die Frage, wie die Kirche aus der geistig-kulturell-politischen Isolation, in die sie geraten war, wieder herauskommen könnte. Leo XIII., der als Nuntius in Belgien die Lebens- und Arbeitsverhältnisse in der entstehenden Industriegesellschaft kennengelernt hatte, veröffentlichte die erste Sozialenzyklika Rerum novarum (1891) zur Lösung der Arbeiterfrage. Schon vorher war er bemüht, tragfähige Brücken zu bauen zur modernen Gesellschaft und zum Staat. In der Enzyklika Libertas praestantissimum (1888) bekannte er sich zur Neutralität der Kirche gegenüber den verschiedenen Staatsformen, einschließlich der Demokratie. Die Kirche lehne „keine der vielen verschiedenen Formen ab, die eine Regierung haben kann, sofern sie nur geeignet ist, das Wohl der Bürger zu sichern“. Sicherlich war dies nur ein erster Schritt, aber er besiegelte die Abkehr vom mittelalterlichen System. Vorbereitet wurde diese Wende durch die Erneuerung des Naturrechtsdenkens auf dem Gebiet der Gesellschafts- und Rechtsphilosophie. Zwei Namen sind hier hervorzuheben. 1840 bis 1843 erschien in Palermo das fünfbändige Werk von Luigi Taparelli: Saggio teoretico di diritto naturale appoggiato sul fatto. Welches Aufsehen dieses Werk in Kirche und Theologie bewirkte, kann daraus ersehen werden, dass es bereits zwei Jahre später in deutscher Übersetzung unter dem Titel: Versuch eines auf Erfahrung begründeten Naturrechts (Regensburg 1845) herauskam. Das Anliegen Taparellis war es, der eingetretenen Erstarrung der Ethik zu einer rein formalen Vernunftethik entgegenzuwirken. Die Rückbesinnung auf Thomas von Aquin, der die Erfahrung und situationsbezo5 Vgl. dazu Hans Maier, Revolution und Kirche. Zur Frühgeschichte der Christlichen Demokratie, Freiburg i. Br. 51988, 137 ff.
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gene Elemente in seine Überlegungen einbezogen hatte, sollte die Sozialethik wieder befähigen, die in Gesellschaft und Politik neu entstandenen Verhältnisse und Strukturen auf ihre sittliche Tragfähigkeit hin zu befragen. Noch größere Bedeutung erlangte die Untersuchung des deutschen Jesuiten Theodor Meyer: Die Grundsätze der Sittlichkeit und des Rechts (1868). In den Folgejahren wurde daraus ein zweibändiges Lehrbuch: Institutiones iuris naturalis (1885/1900). Er befasste sich darin mit den gesellschaftlichen Institutionen, wie sie vom Naturrecht her begründet sind. Die Abfassung in lateinischer Sprache sicherte dem Werk eine weite Verbreitung nicht nur an den Ordenshochschulen der Jesuiten, sondern weit darüber hinaus. Vor allem für die deutschen Jesuiten, die im Kulturkampf Deutschland verlassen mussten und erst nach dem Ersten Weltkrieg zurückkehren konnten, wurde die Ordenshochschule in Valkenburg/Niederlande zum Zentrum der philosophisch-theologischen Erneuerung und des Naturrechtsdenkens. Von großer Bedeutung wurde das Gesellschaftssystem des christlichen „Solidarismus“, das von dem Jesuiten Heinrich Pesch entwickelt wurde und in der lang andauernden Auseinandersetzung mit dem individualistischen Liberalismus und mit dem aufstrebenden Sozialismus Orientierung bot. Seine Ordensbrüder Gustav Gundlach und Oswald von Nell-Breuning haben sich vor und nach dem Zweiten Weltkrieg für die solidarische Gesellschaftsauffassung eingesetzt, auch wenn sich die Bezeichnung Solidarismus zunächst weder innerhalb noch außerhalb der Kirche durchsetzen konnte. Das naturrechtliche Denken wurde auch von der Görres-Gesellschaft gepflegt und erlangte große Ausstrahlungskraft in dem von ihr herausgegebenen „Staatslexikon“6. In einer Zeit, in der der Materialismus die Naturwissenschaften weithin bestimmte und in der ein radikaler Positivismus in der Rechtswissenschaft und in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften dominierte, war die Besinnung auf das Naturrecht und seine historischen Wurzeln eine wesentliche Stütze für das Christentum und die katholische Kirche. Das Naturrechtsdenken ermöglichte eine vertiefte Reflexion über das Wesen des Menschen und über die Menschenrechte, die seit der Französischen Revolution nicht mehr als vom Schöpfer jedem Menschen gegeben, sondern als vom Staat seinen Bürgern verliehen propagiert wurden. Genau hier lag die strukturelle Schwäche der „liberalen“ Demokratie, die den großen sozialen Ideologien nicht den notwendigen Widerstand entgegensetzen konnte. Was das Verhältnis von Kirche und Demokratie betrifft, so hat die Neutralitätsthese von Leo XIII. nicht dazu geführt, dass sich die Kirche intensiver mit den Kernelementen der Demokratie befasst hätte. Dies gilt mutatis mutandis auch für die damalige Theologie und die im Entstehen begriffene katholische 6 Vgl. Clemens Bauer, Das Staatslexikon der Görres-Gesellschaft – Spiegel der Entwicklung des deutschen Katholizismus, in: ders., Deutscher Katholizismus. Entwicklungslinien und Profile, Frankfurt a. M. 1964, 54 ff.
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Soziallehre. Manche vermuten, dass die Vorliebe für die frühere ständische Ordnung und für die Tradition ein neues Denken verhindert und das historischorganische Denken etwa bei Joseph Görres und beim Mainzer Bischof Ketteler begünstigt habe.7 Auch Leo XIII. wird bisweilen vorgehalten, dass die in seinen Enzykliken entwickelte Staatslehre „politiktheoretisch betrachtet nicht konsistent“ sei und in „herkömmlichen politisch-theologischen Bahnen“ verharre8. Solche Deutungen übersehen, was z. B. Hans Maier schon 1965 über die staatspolitischen Rundschreiben Leos XIII. festgestellt hat: Darin nähmen zwar die Zeitgefahren und Zeitirrtümer einen großen Raum ein: „Aber Leo XIII. untersucht die gesellschaftlichen Probleme seiner Zeit, ohne vorschnell zu urteilen; er deckt Zusammenhänge auf, ohne die Nuancen zu verwischen; er kritisiert, ohne maßlos zu werden; er ermahnt, ohne zu drohen. Vor allem hat er die Gabe der Unterscheidung der Geister und einen scharfen diagnostizierenden Verstand; und was noch mehr ist, er weiß das Übel nicht nur zu bezeichnen, sondern kennt auch Wege, ihm zu steuern.“ Dann fährt Maier fort: „So erkennt Leo XIII. frühzeitig, dass in allen gesellschaftlichen und politischen Bewegungen, welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Kirche bedrohen – Kulturkampf, Laizismus, antikirchliche Schul- und Ehegesetzgebung – ein revolutionäres Staatsverständnis nachwirkt, das auf der Idee der Totalität des Politischen beruht und dem Staat das Recht zuschreibt, alleinige Ordnungsinstanz des sozialen Lebens zu sein. Letztlich will der Staat eine totale moralische Oberherrschaft über den Menschen; er lässt bei diesem Streben keinen Raum für eine Kirche, die eine selbständige Geltung als societas perfecta für sich in Anspruch nimmt.“9 Wer das revolutionäre Staatsverständnis aus der „liberalen Demokratie“ des 19. Jahrhunderts ausklammern möchte, bastelt an einer Idealvorstellung, die mit der Realität nicht übereinstimmt.
7 Rudolf Uertz, Vom Gottesrecht zum Menschenrecht. Das katholische Staatsdenken in Deutschland von der Französischen Revolution bis zum II. Vatikanischen Konzil (1789–1965), Paderborn 2005, 118 ff. und 161 ff. 8 Ebd., 240 f. Uertz wird von einem grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber der „Neuscholastik“ und dem von ihr wiederbelebten Naturrechtsdenken bestimmt. Diese Frontstellung habe die Anerkennung der „liberalen Demokratie“ und des Verfassungsstaates durch die Kirche lange Zeit blockiert. Das Quellenmaterial, das Uertz für seine Einschätzung zusammengetragen hat, ist auf den ersten Blick eindrucksvoll; bei näherem Zusehen erkennt man, wie sehr die Autoren und vor allem die ausgewählten Stellen dazu dienen sollen, die eigene Meinung gleichsam abzusichern und ihr den Anschein von Wissenschaftlichkeit zu geben. 9 Hans Maier, Die staatspolitischen Rundschreiben Leos XIII., in: ders., Katholizismus und Demokratie (Schriften zu Kirche und Gesellschaft Band 1), Freiburg i. Br. 1983, 70 f. Zuerst erschienen in: Wilhelm Sandfuchs (Hrsg.), Das Wort der Päpste, Würzburg 1965, 30 ff.
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VI. Die liberale Demokratie und die gesellschaftliche Wirklichkeit Es war nicht nur das revolutionäre Staatsverständnis, das im Kulturkampf hervorbrach und auf katholischer Seite ein gesundes Misstrauen gegenüber dem modernen Staat bewirkte. Wenn die liberale Demokratie und die Freiheits- und Gleichheitsverheißungen des politischen Liberalismus bei den Katholiken und insbesondere bei der Arbeiterschaft keine positive Resonanz auslösten, dann hängt dies mit der sich zuspitzenden sozialen Frage zusammen. Die liberale Demokratie und der liberale Verfassungsstaat haben die Sprengkraft der Arbeiterfrage nicht erkannt und zunächst ihre Bekämpfung auf die lange Bank geschoben. Auch dann noch, als der Sozialismus immer größeren Zulauf bekam, fand sich Bismarck nur zu sozialen Zugeständnissen bereit, um die Arbeiterschaft zu besänftigen. Man sperrte sich gegen tiefgreifende Strukturreformen, ohne die die kapitalistische Wirtschaft nicht in der Lage war, die Arbeiterschaft in die Industriegesellschaft zu integrieren. Das bis zum Ersten Weltkrieg bestehende Dreiklassenwahlrecht sicherte auf der politischen Ebene eine Demokratie ab, die die Arbeiter als eine Farce empfinden mussten. Unter diesen Umständen ist es gut verständlich, dass sich der soziale und politische Katholizismus mit aller Kraft der Lösung der sozialen Frage zuwandte. Während die sozialistische Bewegung nach dem Tode von Ferdinand Lassalle (1864) immer mehr auf die marxistische Linie einschwenkte, konzentrierte sich auf christlicher Seite die Ursachenanalyse auf das individualistische Menschenbild und das individualistische Gesellschaftsverständnis des herrschenden Liberalismus. Der Einsatz für Gerechtigkeit und Solidarität, für gerechte Löhne, für soziale Sicherheit und menschenwürdige Arbeitsbedingungen hat viel Kraft und Anstrengung gekostet. Aber die Orientierung am christlichen Menschen- und Gesellschaftsbild, die die Soziallehre der Kirche und die katholische Sozialwissenschaft boten, der Zusammenschluss vieler Katholiken in Verbänden und in der christlichsozialen Bewegung, das Wirken der Zentrumspartei auf der parlamentarischen Ebene waren erfolgreich. Auch die Weimarer Demokratie hatte einen schwierigen Start. Der verlorene Weltkrieg, die Forderungen der Siegermächte, die Inflation, die alle Ersparnisse zunichte machte, und nach etwas günstigeren Jahren die Weltwirtschaftskrise mit ihren verheerenden Folgen für den Arbeitsmarkt, dazu die politischen Gegensätze und das parteiliche Gerangel im Deutschen Reichstag: Die Bürger verloren immer mehr das Vertrauen, dass die gewaltigen wirtschaftlichen und sozialen Probleme auf einen guten Weg gebracht werden könnten. Die Demokratie wurde zwischen rechts und links, zwischen Deutsch-Nationalen und Nationalsozialisten auf der einen und Sozialisten und Kommunisten auf der anderen Seite regelrecht aufgerieben. Es fehlten die Kräfte, auch in den Wissenschaften und in den Medien, die in einer so aufgewühlten Situation den kühlen
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Kopf bewahrt, die sozialen Ideologien und antidemokratischen Bewegungen entlarvt und die Bürger vor falschen Versprechungen und Illusionen bewahrt hätten. Schwache Regierungen sind nicht selten die Ursache dafür, dass im Volk der Ruf nach einem starken Mann (oder Frau) laut wird. Auch können demokratische Strukturen leicht unterwandert und missbraucht werden, vor allem dann, wenn eine „schweigende Mehrheit“ zulässt, dass machtbewusste Minderheiten unter Ausnutzung formaler demokratischer Regeln die Herrschaft an sich reißen. VII. Die Weihnachtsbotschaft Pius’ XII. im Jahre 1944 In der Sozialverkündigung der Kirche wurde das Thema Demokratie von den Päpsten, die Leo XIII. nachfolgten, nicht aufgegriffen. Die Lösung der „Arbeiterfrage“, die Bemühungen Benedikts XV. um den Frieden im Ersten Weltkrieg, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Weltwirtschaftskrise, der Kampf gegen die totalitären Machtsysteme des Nationalsozialismus in Deutschland und des Kommunismus in der Sowjetunion, all diese Problembereiche beanspruchten die Aufmerksamkeit. Das bedeutet nicht, dass nicht auch Fragen behandelt wurden, die auch für die Demokratie von großer Bedeutung sind. Dies gilt besonders für das Subsidiaritätsprinzip, wonach sich Gesellschaft und Staat von den Menschen her, „von unten“ her, aufbauen. Angesichts des Versagens der Demokratie in vielen Ländern Europas, den kollektivistischen und totalitären Mächten rechtzeitig zu widerstehen, brachten die Aussagen Pius’ XI. in Quadragesimo anno zum Subsidiaritätsprinzip und zur Unterscheidung zwischen christlicher und sozialistischer Gesellschaftsauffassung grundsätzliche Klärungen, auch wenn sie keine Wende herbeiführen konnten. Erst Pius XII. wandte sich in seiner Weihnachtsbotschaft im Jahre 1944, als sich der Weltkrieg dem Ende zuneigte und Italien schon kapituliert hatte, aber zum Teil von deutschen Truppen noch besetzt war, dem Thema der Demokratie zu. Der Papst erinnert daran, dass die furchtbaren Zerstörungen des Weltkriegs die Völker kritisch und misstrauisch gegenüber dem Staat und den Regierenden gemacht hatten. „Durch bittere Erfahrung belehrt, widersetzen sie sich immer heftiger den Ansprüchen einer diktatorischen Macht, die nicht zur Verantwortung gezogen werden kann und die unangreifbar ist; sie suchen ein Regierungssystem, das mit der Würde und Freiheit der Bürger besser zu vereinen ist. Diese unruhigen Massen, die durch den Krieg in ihren Tiefen erschüttert sind, haben heute die Überzeugung gewonnen, – die anfangs vielleicht verschwommen und unklar war, jetzt aber nicht mehr zu unterdrücken ist –: die Welt wäre nicht in diesen vernichtenden Wirbel des Krieges hinein gezogen worden, wenn es möglich gewesen wäre, das Vorgehen der öffentlichen Macht zu kontrollieren und zu steuern; in den Völkern selbst wären wirksame Garantien zu schaffen, damit für die Zukunft solche Katastrophen vermieden würden.“10
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In einer Zeit, so die Überlegungen des Papstes, in der die Tätigkeit des Staates ein so großes Ausmaß und einen so entscheidenden Einfluss gewonnen hat, erscheint die demokratische Form der Regierung vielen „als eine Forderung der Natur, die von der Vernunft selbst aufgestellt ist. Doch wenn man ,mehr Demokratie und eine bessere Demokratie‘ fordert, dann kann diese Forderung nur das Ziel haben, den Bürger immer mehr in die Lage zu versetzen, sich seine persönliche Meinung zu bilden, sie zu äußern und ihr entsprechend den Forderungen des allgemeinen Wohls Geltung zu verschaffen.“11 Was hat Pius XII. bewogen, in der damals äußerst zugespitzten weltpolitischen Situation sich über den Zusammenhang von Demokratie und Weltfrieden zu äußern? Der Vorschlag dazu kam von seinem Berater, dem Jesuiten Gustav Gundlach, der, wie er in seinen Lebenserinnerungen bemerkt, jedes Jahr den Auftrag erhielt, die Thematik der Weihnachtsbotschaft vorzuschlagen und den Entwurf zu erarbeiten.12 Die Weihnachtsbotschaft 1944 sollte Orientierung für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geben. Gundlach, dem wir die Formulierung des Subsidiaritätsprinzips in Quadragesimo anno (1931) verdanken, war zur Überzeugung gelangt, dass nur die Besinnung auf den Menschen als Person defizitäre Vorstellungen über das Verhältnis von Einzelmensch und Gemeinschaft korrigieren und radikale Fehlentwicklungen kollektivistischer und totalitärer Gesellschaftsauffassungen vermeiden könne. Das bisher in Theologie und Sozialethik vorwaltende Denken über das Verhältnis von Einzelmensch und Gemeinschaft folgte dem sogenannten Ganzheitsdenken: Das Soziale bestehe in der Teilhabe des einzelnen Menschen an der allgemeinen Menschennatur. Die Ein- und Unterordnung des Einzelnen unter die Gemeinschaft, des Einzelwoh10 Rundfunkbotschaft Pius’ XII. über Demokratie und Weltfrieden am 24. Dezember 1944. Abgedruckt in: Papst Pius XII., Gerechtigkeit schafft Frieden. Reden und Enzykliken, hrsg. von P. Wilhelm Jussen S.J., Hamburg 1946, 93 ff.; hier: 96. 11 Ebd. 98. – In der erwähnten Untersuchung (Anm. 7) ist Rudolf Uertz darum bemüht, einerseits die Demokratieansprache als „Neubesinnung“ hinzustellen, andererseits nachzuweisen, dass Pius XII. dennoch der alten „organologischen Staatstheorie und ihren theologisch-kanonistischen Implikationen“ verhaftet sei (a. a. O. 336). Den Grund hierfür sieht er im Naturrechtsdenken der Neuscholastik, das bei Gundlach und auch bei Pius XII. durchschlage und mit dem modernen Politikverständnis der Demokratie nicht übereinstimme. Erst seit den 1960er Jahren, seit Johannes XXIII. und dem Konzil gebe es eine wirkliche Annäherung der katholischen Soziallehre an die liberale Demokratie und an die moderne Politikwissenschaft. Man fragt sich unwillkürlich, warum Uertz die großen Juristen und Politikwissenschaftler, die bei der Entstehung des Grundgesetzes und bei der Rechtsprechung in der Phase des geistig-sittlichen Wiederaufbaus der Bundesrepublik Deutschland aus seiner Untersuchung weitgehend ausspart. Damals gab es eine vielfache Rückkoppelung zur Lehre Pius XII. und zu jenen katholischen Sozialethikern, die eine Besinnung auf das Naturrecht und auf das Wesen des Menschen für unerlässlich hielten. 12 Gustav Gundlach S.J., Meine Bestimmung zur Sozialwissenschaft (23. Februar 1962), in: Wider den Rassismus. Entwurf einer nicht erschienenen Enzyklika (1938). Texte aus dem Nachlaß von Gustav Gundlach S.J. Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Anton Rauscher, Paderborn 22001, 207.
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les unter das Gemeinwohl war unter den Bedingungen der dezentral organisierten Agrargesellschaft ungefährlich. Im Zeitalter der Massen und vor allem der sozialen Ideologien und Machtsysteme war diese Sicht nicht eindeutig genug, um die humane Basis jeder Gesellschaft zu bewahren. Worauf es ankommt, ist eine Gesellschaft, in der die menschliche Person Ursprung, Träger und Ziel des gesellschaftlichen Lebens ist, in der alle Gesellschaft, auch der Staat im Dienste der Entfaltung der Personen stehen. Gundlach erkannte, dass das von Heinrich Pesch entwickelte Gesellschaftssystem des Solidarismus dieses personale Fundament zum Ausdruck bringen kann. Das Soziale besteht nicht in der Teilhabe an der Menschennatur, sondern in der Verbundenheit der Personen, die ihre je eigene Wertfülle im Geben und Nehmen einander mitteilen und durch die gemeinsamen Ziele und Zwecke innerlich geeint werden. Pius XII. hat sich diesen Ansatz zu eigen gemacht und in seiner Sozialverkündigung den personalen Kern des christlich-sozialen Denkens betont. Er übernahm von Gundlach die Formulierung: „Die menschliche Person ist Ursprung, Träger und Ziel allen gesellschaftlichen Lebens“13. Sein Nachfolger Johannes XXIII. hat diese Formulierung in die Sozialenzyklika Mater et Magistra eingebaut (Nr. 219). Desgleichen hat sich das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes zu diesem Grundsatz bekannt (Nr. 25). Ohne Zweifel korrespondiert das personale Fundament der Sozialverkündigung der Kirche in besonderer Weise mit der Demokratie. Dies hat Johannes Paul II. zum Ausdruck bringen wollen, wenn er feststellt, dass Demokratie nur in einem Rechtsstaat und auf der Grundlage einer richtigen Auffassung vom Menschen möglich ist. VIII. Auch Demokratie bedarf der Wachsamkeit Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wandte sich Pius XII. nur noch gelegentlich Fragen der Demokratie zu. Dies ist wohl auf die gewaltigen Schwierigkeiten der Nachkriegszeit, vor allem aber auf die Zuspitzung des Kalten Krieges zwischen Ost und West und auf die Ausdehnung des sowjetischen Machtbereichs auf Mittel- und Osteuropa zurückzuführen. Auch Johannes XXIII. hat die Demokratie-Impulse seines Vorgängers nur indirekt aufgegriffen. In den Sozialenzykliken Mater et magistra (1961) und Pacem in terris (1963) machte er sich das von Pius XII. betonte personale Fundament der Sozialverkündigung der Kirche zu eigen. Es hätte nahegelegen, in der Friedensenzyklika im Zusammenhang mit der Rezeption der Menschenrechte weitere Überlegungen zur Demokratie anzufügen und die inzwischen gemachten Erfahrungen des Demokratieprozesses einzubeziehen. Es blieb bei dem eher dürftigen Hinweis auf die Teilnahme der Bürger am öffentlichen Leben: „Dass es den Menschen gestattet ist, 13
Pius XII., Rundfunkbotschaft am 24.12.1942, in: Utz-Groner, Nr. 227.
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am öffentlichen Leben aktiv teilzunehmen, ist ein Vorrecht ihrer Würde als Personen, auch wenn sie die Teilnahme nur in den Formen ausüben können, die dem Zustande des Staatswesens entsprechen, dessen Glieder sie sind.“ Überraschend ist, dass das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (1965) im Kapitel über das Leben der politischen Gemeinschaft keinen eigenen Abschnitt über die Demokratie enthält. Vielmehr wird die traditionelle Lehre bekräftigt, dass die politische Gemeinschaft und die öffentliche Autorität in der menschlichen Natur begründet sind und zu der von Gott vorgebildeten Ordnung gehören, „wenngleich die Bestimmung der Regierungsform und die Auswahl der Regierenden dem freien Willen der Staatsbürger überlassen bleiben“ (Nr. 74). Dennoch weist Paul Mikat zu Recht auf die starke Betonung des Freiheitsprinzips hin, das für die innere Annahme und volle Bejahung der freiheitlichen Demokratie ausschlaggebend war (besonders Nr. 73) und das auch den Zugang zu den Ordnungsaufgaben einer freiheitlichpluralistischen Gesellschaft geebnet hat (Nr. 75).14 Paul VI. nahm nur selten den Bereich der Demokratie in seinen Blick. Dies lag wohl daran, dass für die nachkonziliare Kirche der Kalte Krieg zwischen dem kommunistischen Imperium und der freiheitlichen Lebensordnung der westlichen Völker im Vordergrund stand, der sich noch zuspitzte beim Ringen der Blöcke um Einfluss auf die neuen Nationen in Asien, Afrika und Lateinamerika. Es war auch die Zeit der politischen Theologien. Paul VI. musste Grenzen ziehen dort, wo die solidarische Entwicklung der Menschheit und der Kampf gegen Ungerechtigkeit durch Revolutionen vorangetrieben werden sollte. Der Papst wandte sich den verschiedenen Formen der demokratischen Gesellschaft zu und erklärte: „Einige sind schon erprobt; aber keine von ihnen befriedigt vollkommen“ (Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens [1971], Nr. 24). Die Situation in zahlreichen Ländern der Welt war damals ziemlich prekär und oft von Ideologien statt von der Wirklichkeit bestimmt. Auch in den ersten Jahren des Pontifikats Johannes Pauls II. finden sich in seinen Äußerungen nur wenig Hinweise auf die Demokratie. Der Papst aus Polen war sich bewusst, wie sehr jedes seiner Worte von den kommunistischen Machthabern gewogen und womöglich gegen die Kirche ausgespielt worden wäre. Da war es klüger, keine Kritik an den „Volksdemokratien“ zu üben, die eben keine Demokratien waren. Auf seinen Reisen in die westlichen Länder und in vielen Ansprachen hat er sich mit den Voraussetzungen und Grundlagen der konkreten Demokratien befasst und Kritik geübt, wo immer die Freiheitsrechte der Bürger, vor allem der „kleinen Leute“ in Gefahr waren und nicht einmal die Ansätze eines sozialen Rechtsstaates erkennbar waren.
14 Paul Mikat, Artikel „Staat“, VIII. Der Staat in katholischer Sicht, in: Staatslexikon, Fünfter Band, 7. Aufl., Freiburg 1989, Sp. 161 f.
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Wirklich zueinandergefunden haben Kirche und Demokratie erst nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und der totalitären Systeme in Mittel- und Osteuropa. Jetzt war auch der Weg frei, darauf hinzuweisen, dass eine echte Demokratie nicht nur das Ergebnis einer formalen Einhaltung von Regeln, sondern die Frucht einer überzeugten Annahme von Werten ist, die die demokratische Vorgehensweise inspirieren: die Würde jeder menschlichen Person, die Achtung der Menschenrechte, die Anerkennung des „Gemeinwohls“ als Ziel und maßgebendes Kriterium des politischen Lebens. Wenn hinsichtlich dieser Werte kein allgemeiner Konsens herrscht, verflüchtigt sich die Bedeutung der Demokratie, und ihre Festigkeit gerät ins Wanken.15 Eine der größten Gefahren für die Demokratie sieht Johannes Paul II. im ethischen Relativismus: „Heute neigt man zu der Behauptung, der Agnostizismus und der skeptische Relativismus seien die Philosophie und die Grundhaltung, die den demokratischen politischen Formen entsprechen. Und alle, die überzeugt sind, die Wahrheit zu kennen, und an ihr festhalten, seien vom demokratischen Standpunkt her nicht vertrauenswürdig, weil sie nicht akzeptieren, dass die Wahrheit von der Mehrheit bestimmt werde beziehungsweise je nach dem unterschiedlichen politischen Gleichgewicht schwanke. In diesem Zusammenhang muss gesagt werden, dass dann, wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke missbraucht werden können. Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus“ (Evangelium vitae, Nr. 70). Hier liegt die Achillesferse der modernen Demokratie. „Die fragile Demokratie“: Die Thematik unseres Kolloquiums zwingt uns darüber nachzudenken, wie dieser neue Totalitarismus an die Leine gelegt werden kann. Zusammenfassung Mit der Französischen Revolution (1789) brach die alte Ordnung des orbis christinanus zusammen. Die katholische Kirche verlor ihre privilegierte Stellung. Mit den neuen Verhältnissen, die sich in der Politik, in Wirtschaft und Gesellschaft durchsetzten, tat sich die Kirche schwer. Für sie war das „Bündnis von Thron und Altar“ gottgewollt, wohingegen sie den demokratischen und liberalen Reformbewegungen ablehnend gegenüberstand. Obwohl in der christlichen Tradition der einzelne Mensch als „Bild Gottes“ gesehen wurde, gelang es der Theologie nicht, eine Brücke zu den Freiheitsbewegungen zu schlagen, die seit der Aufklärung und im Kampf gegen den fürstlichen Absolutismus die Subjektstellung des Menschen und seine Freiheitsrechte in den Mittelpunkt rückten. Die Kirche geriet immer stärker in die Isolation. Erst die Erneuerung der Schöpfungstheologie und des Naturrechtsdenkens im 19. Jahrhundert 15
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brachten eine Wende. Es war Pius XII., der das personale Fundament der katholischen Soziallehre herausarbeitete und in der Demokratie die Regierungsform sah, die dem Menschen am meisten angemessen ist. Wirklich zueinander gefunden haben Kirche und Demokratie erst nach dem Niedergang des Sozialismus und der totalitären Systeme.
Summary With the French Revolution (1789) the old order of “orbis Christianus” collapsed, and the Roman Catholic Church lost its privileged position. The Church had difficulties with the new conditions, which permeated politics, the economy, and society. The Church viewed the “alliance of throne and altar” as being divinely ordained and refused the democratic and liberal reform movements. Although in the Christian tradition the individual is seen as an “image of God,” this theology did not succeed in forging links with the freedom movements which moved the subject position of the human beings and its civil rights liberties into the center since the Enlightenment and in the struggle against the royal absolutism. The Church became more and more isolated. Only the revival of the theology of creation and natural law in the 19th century brought about a change. Pius XII worked out the personal basis of the Church’s social doctrine. He saw democracy as the most appropriate form of government for the human person. In reality, the Church and democracy found common ground only after socialism and totalitarian systems began to decline.
Democracy and the Thin Veneer of Civilisation By Michael A. Casey The growing suspicion with which nineteenth century thinkers came to regard religion led to it being treated as a form of ideology. But over the course of the twentieth century it became clear that sometimes it is more illuminating to treat ideology as a form of religion. The work of Leszek Kolakowski on Marxism, Ernest Gellner on nationalism, and Emilio Gentile on fascism (among others), has shown how these movements assumed many of the dimensions and functions of religion for their followers, despite often being expressly anti-religious, or at least anti-Christian, in their rhetoric. This dynamic is most apparent in the great totalitarian ideologies of national socialism and communism, which Eric Voegelin and Raymond Aron described respectively as “political” and “secular” religions. Gentile’s careful taxonomy of political religion has been particularly important in clarifying both what the concept means and its usefulness for understanding the totalitarian phenomenon.1 The interesting question is to what extent the treatment of ideology as a form of religion can or should be applied to democratic political movements and what it might reveal about the nature of democracy. It is important to be clear on the sense in which the word religion is used in this context. Describing an ideology as a political religion is not a matter of using a metaphor or drawing an analogy. It is not a reference to the role that the residues of a repudiated faith might play in giving form to the political ideas of an individual or a culture. Nor is it concerned with the politicisation of traditional religion or the political mobilisation of religious forces, both of which might be said to underlie religion’s return to prominence in politics internationally and also domestically in Western countries such as the United States and Australia. An ideology or a philosophy of life is not a religion unless it takes on the attributes and functions of religion, and it is only in cases such as this that treating an ideology as a political religion is justified. To understand the meaning of the word religion we could consider religion not as a natural kind which can be defined by reference to a shared essence found in all its instances, but in terms of family resemblances. It is on this 1 See for example: Emilio Gentile, The Sacralization of Politics in Fascist Italy (1993), trans. Keith Botsford (Harvard University Press: Cambridge MT, 1996).
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basis, for example, that Buddhism is counted as a religion even though it acknowledges no god to worship. The nature of family resemblances is that members of a family will share different attributes with each other but no one member will possess all the attributes of the family.2 Christianity, for example, may well be the most complete form of religion, but the attributes of animism or ancestor worship are unknown to it. Political religions are the product of two factors: anthropological necessity and secularisation.3 The anthropological necessity is the permanent nature of the religious instinct in human beings. Two arguments for this might be evidenced. Anthony O’Hear has observed that “there is in our nature as self-conscious but finite beings an ontological tension which naturally expresses itself religiously”. At the heart of this is our experience as thinking creatures of “both the infirmity and transcendence of reason”. Reason subjects all beliefs and practices to corrosive scrutiny, but is unable to replace them. At the same time the self-consciousness that reason operates within, and which enables us to step outside ourselves to test a situation against a particular standard, clearly implies “a transcendent aspect to reality”. The experience of constantly coming up against the limits of reason while being driven by the possibility of a truth which transcends them finds its “natural fulfilment and concrete expression” in religion, which with its “intimations of human limits and their overcoming mirrors very precisely our nature as thinkers constrained by finitude”4. A second argument from the logic of reason and experience which suggests that religion is inherent to human nature is advanced by Germain Grisez, John Finnis and Joseph Boyle. They reinvigorate the classical view that the contingent reality of human life implies a source in something which is not contingent, and which explains why contingent reality has come into being when it need not exist at all. “Aware of this more-than-human source of meaning and value, most human persons also are acutely aware that they are not in complete harmony with it”, an awareness that arises both from our wrong-doing and from the vulnerability that comes from our weakness before the forces of the natural world. The way to pursue harmony with a “more-than-human source of meaning and value” is not clear, however, and this leads people to “seek to know what they can about this transcendent source, learn how to get along with it, and to put into practice what they learn”. Two important conclusions follow from this for these authors: that “the duty to seek religious truth, embrace what appears to be that truth, and live according to it” is one of “the natural respon2 Ludwig Wittgenstein, Philosophical Investigations, ed. and trans. by G. E. M. Uncombed & Rush Rhees (Blackwell: Oxford, 1953), par. 66. 3 Michael Burleigh, Earthly Powers (Harper Collins: London, 2005), 10. 4 Anthony O’Hear, Beyond Evolution (Clarendon Press: Oxford, 1997), Chapter 2, esp. 23–27.
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sibilities of human persons”; and that the desire to integrate the different aspects of a person’s life under a single purpose ultimately leads to a religious commitment, without which integration or unity of life “cannot be established”5. There are three important points to highlight from these arguments when it comes to considering political religions, or perhaps more precisely one important point with two aspects that require special emphasis. The main point is that religion is something which arises naturally, and so irresistibly, in human beings from the experience of reason on the one hand, and the experience of finitude and contingency on the other. The arguments which O’Hear and Grisez Finnis and Boyle offer for this should be treated as an account of what it means to say that the need for religion is an inherent part of human nature, although obviously there is much more to say on this matter. One aspect of this that should be specially noted is the role that reason, both in what O’Hear describes as its infirmity and its transcendence, plays in driving the religious instinct to its fulfilment. Another is the emphasis which both O’Hear and Grisez, Finnis and Boyle place on the logic of experience and reason directing us to a transcendent reality. The second factor explaining the emergence of political religion is secularisation. This term refers to the process which has led to the gradual increase in the number of people in the West without traditional religious affiliation or beliefs, the steady diminishment of religious control or influence over the major spheres of life, and the increase in both the separation of the state from religion and state regulation of religious or formerly religious activities.6 Although secularisation is a well-established term in the human sciences and not likely to be discarded, it is not entirely unproblematic and the developments it is applied to might be described with greater accuracy as a process of modernisation and deChristianisation. Urbanisation, industrialism, rationalisation, the centralisation of government and politics, and the stupendous economic growth of the West which has made it possible for material abundance to supplant scarcity as one of the defining conditions of human existence, have all played their part in diminishing the importance of religion, and Christianity specifically, in modern society, as has the apparently endless process of structural and functional differentiation which underlies each of these elements. The course of history in nineteenth century Europe (the United States, with its differing conditions and its series of “awakenings” is a different story) 5 Germain Grisez, John Finnis & Joseph Boyle, “Practical Principles, Moral Truth, and Ultimate Ends”, 32 American Journal of Jurisprudence (1987) 99–152, at 141– 143. 6 Cf. Nikki R. Keddie, “Secularism and its Discontents”, Daedelus 132:3 (Summer 2003), 16.
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makes it clear that secularisation meant de-Christianisation rather the withering away of religion in general, although of course this process was neither linear nor uncomplicated. The transfer of religious attachment from transcendent to human objects, and particularly political objects, became conspicuous with the French Revolution. From this time up to the first world war different political religions took shape. Some were confined mainly to small groups of intellectuals and writers, but this was not the case with the major political religions based on either socialism, nationalism or, especially towards the end of the century, nature (what we now call the environment). While the appeal of these political religions was considerable, the still predominantly Christian disposition of the population at large during this period exercised a powerful moderating and limiting influence. In Ireland and Poland, for example, nationalism and Catholicism regularly went together, and in Britain Welsh Methodism, Scottish Presbyterianism, and the Catholicism of Irish immigrants played an important part in defining the Labour Party’s approach to socialism.7 More generally, Christian presuppositions were still strong enough even in those who no longer worshipped to make cults of Reason, Science, or Vegetarianism seem suspect, if not faintly ridiculous. Secularisation as it unfolded, therefore, did not mean the desacralisation of life but the “metamorphosis of the sacred”8. The growing complexity and confusion of life under the process of modernisation made it more and more difficult to grasp the totality of the world people lived in, so that in encompassing modernisation, secularisation sustained and sometimes intensified the need for religion.9 It is for that reason that early in the twentieth century Benedetto Croce claimed that the problem of modernity is above all a religious problem: Religion is born of the need for orientation as regards life and reality, of the need for a concept that defines life and reality. Without religion, or rather without this orientation, either one cannot live, or one lives unhappily with a divided and troubled soul. Certainly, it is better to have a religion that coincides with philosophical truth, than a mythological religion; but it is better to have a mythological religion than none at all. And, since no one wishes to live unhappily, everyone in their own way tries to form a religion of their own, whether knowingly or unknowingly10.
The return of the mythological that Croce evokes is well observed. Max Weber considered that modern life was characterised “by rationalisation and intellectualisation and, above all, by the ‘disenchantment of the world’”, but speak7
Burleigh 262–263. Emilio Gentile, “The Sacralisation of Politics”, Totalitarian Movements and Political Religions 1:1 (Summer 2000), 28. 9 John Keane, “The Limits of Secularism”, Times Literary Supplement, 9 January 1998. 10 Cited in Gentile “The Sacralisation of Politics”, 31. 8
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ing these words in the year the first world war ended it was perhaps clearer than before that this did not entail the certain triumph of reason. Following Nietzsche, Weber spoke of a return to “polytheism” in the wake of Christianity, referring in the first instance to the conflicting spheres of activity and value that modernity had brought into being. “Many old gods ascend from their graves; they are disenchanted and hence take the form of impersonal forces.”11 We must include among these the impersonal forces of politics, which were already demonstrating their capacity to appeal to myth in the absence of philosophical truth. Following and adapting Gentile, the key elements of a political religion are in place when a political movement “more or less dogmatically” confers “sacred status” on an earthly entity or idea and treats it at once as a foundation of collective existence, “the main source of values” for individual and communal behaviour, and “the supreme ethical precept of public life”12. The totalitarian variant of political religion is distinguished by integralism and intolerance, the sanctification of violence in the service of human regeneration, the denial of individual autonomy, the primacy given to the community and self-sacrifice, and distinct rituals and mass liturgical celebrations. Democratic political religion, in contrast, makes explicit appeals to inclusiveness and tolerance, repudiates violence, recognises individual autonomy, and does not have a pronounced ritualistic and liturgical dimension. It is directed to the modification of human nature and society rather than to the revolutionary regeneration of humanity, and pursues its ends where possible through judicial and administrative coercion and more generally through capturing the “commanding heights” of the culture. The attitude to traditional religion in both cases is hostile. Political religion is different to civil religion, which is typically a “civic creed” designed to foster unity and collective identification. Civil religion will sacralise a secular entity such as a country, and will often include an acknowledgement of a deistic god. It has a stronger ritualistic and liturgical element than democratic political religion and has a less qualified commitment to individual autonomy. Civil religion “appeals to spontaneous consensus in the observance of its ethical commandments”, unlike democratic political religion which works through “enforceable understandings”. Civil religion maintains a clear distinction between church and state and exists “side by side with traditional religions”. Perhaps most importantly, it is intended to be acceptable to a variety of political ideologies and to operate as something above and beyond them.13 11 Max Weber, “Science as a Vocation” (1919), in: H. H. Gerth/C. Wright Mills (eds. and trans.), From Max Weber (London: Routledge & Kegan Paul, 1970), 148– 149 & 155. 12 Gentile “The Sacralisation of Politics”, 18. 13 Ibid., 24–25.
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Civil religion is meant to be a religion for everyone, whereas both democratic and totalitarian political religions assign a critical role to a saving elect in the struggle against malevolent forces. When the historic political religions of totalitarianism and the contemporary versions at work in democratic societies are taken into account, it becomes apparent that secularisation is best seen not as the necessary condition of modernity but as one of its paradoxes. A new point of interest for considering secularisation is the dynamic which underlies the apparent displacement of the religious by the secular, and in one sense compensates for it, whereby people come to treat particular political ideas and values as matters of religious belief and action. Looking back over the twentieth century in the light of this it appears that the hey-day of the version of the secularisation thesis which emphasised the inevitable withering away of religion did not last long, only for about thirty years between the end of the second world war and events such as the rise of the Moral Majority in the United States and the revolution of Ruhollah Khomeini in Iran in 1979. Even then its apparent validation during this time was only possible by overlooking the powerful appeal that communism continued to have as a political religion, and the emergence out of this in the 1960s of a new democratic political religion focussed on rights, anti-discrimination and multiculturalism. Pierre Trudeau’s 1982 Canadian Charter of Rights and Freedoms is one of several important markers here, although its significance at the time was not well understood. A range of ideologies in democratic societies are capable of taking on aspects of political religion, including radical variants of feminism, environmentalism and free market economics. The main candidate for a democratic political religion in the present context incorporates some of these elements and is known in different places by names such as secularism, multiculturalism, or radical liberalism. It centres on the sacralisation of ideas like human rights, tolerance, and anti-discrimination and works through a number of issues. Homosexuality is one of them, and on this issue it has made enormous ground over the last decade. A token of this political religion’s preferred possibilities for the future was provided by the Massachusetts Supreme Judicial Court’s 2003 Goodridge decision, which held, among other things, that there is “no rational reason” for opposition to same-sex marriage and that this opposition could only be explained by “persistent prejudices” against homosexuals.14 As 14 Supreme Judicial Court of Massachusetts, Hillary Goodridge & Ors. vs. Department of Public Health & Anor, 18 November 2003 (http://www.mass.gov/courts/ courtsandjudges/courts/supremejudicialcourt/Goodridge.html). Writing for the majority, Chief Justice Marshall held that “the marriage ban works a deep and scarring hardship on a very real segment of the community for no rational reason. The absence of any reasonable relationship between, on the one hand, an absolute disqualification of same-sex couples who wish to enter into civil marriage and, on the other, protec-
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several commentators have observed, this raises the prospect that querying the gay-rights agenda will be treated in the same way as racial prejudice; that is, as a matter of unconscionable bigotry which disqualifies those who suffer from it from full participation in the public square.15 This example highlights a critical question about the relationship between political religion and reason. It is not that a reasoning process is not used to justify such claims, and there can be no question at all about the strict adherence on the part of proponents of democratic political religion to the logic of their presuppositions. But underneath this it is clear that political religion relies less on reason than on myth. There are two senses of myth that need to be taken into consideration. Firstly, the sense in which it was theorized by Georges Sorel in Reflections on Violence. For Sorel myth does not describe a reality. Its function is to provide the sense of clarity and certainty necessary for action.16 In a culture riven by relativism and the adamant denial of any transcendent foundations, resorting to myth is effectively the only way of preserving concepts such as justice and human rights. Because it is no longer possible to give a reasoned account of why these ideas are good it is necessary to appeal to people’s wishes and desires for there to be such a thing as justice. Problems of definition are resolved by providing a symbolic representation of injustice (“authority”, “patriarchy”, “racism”, “homophobia”, etc.) against which to mobilise with a series of rightsclaims. It is not, of course, that injustices do not exist. In fact, real injustices are indispensable to allow what is overwhelmingly an appeal to the symbolic to assure itself that it has an anchor in reality. But beyond the particularities of any specific issue the critical concern in this analysis is with the substitution of mythical and symbolic ways of relating to the world for reasoned reflection. Sorel observed that people living in a world of myths “are secure from all refutation”17. An example of this is the talismanic nature of “abortion rights”. Once this idea is invoked evidence from reality (for example, of the nature of partial-
tion of public health, safety, or general welfare, suggests that the marriage restriction is rooted in persistent prejudices against persons who are (or who are believed to be) homosexual. ‘The Constitution cannot control such prejudices but neither can it tolerate them. Private biases may be outside the reach of the law, but the law cannot, directly or indirectly, give them effect’ [Palmore v. Sidoti, 466 U.S. 429, 433 (1984) (construing Fourteenth Amendment)]. Limiting the protections, benefits, and obligations of civil marriage to opposite-sex couples violates the basic premises of individual liberty and equality under law protected by the Massachusetts Constitution.” 15 Maggie Gallagher, “Banned in Boston: the coming conflict between same-sex marriage and religious liberty”, The Weekly Standard 11:33, 15 May 2006. 16 Georges Sorel, Reflections on Violence (1908), trans. Thomas Ernest Hulme (1914, revised Jeremy Jennings, 1999), (Cambridge University Press, Cambridge: 1999), 28. 17 Ibid., 30–31.
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birth abortion, or of the dangers of RU-486) loses all the persuasive power that it would normally have. The mechanism at work here is exactly that of an “article of faith” in secularist caricature: a dogma is pronounced and adherents cease thinking and obey. The second sense in which myth is important is in the way it provides meaning, or in fact, what is more or less understood as an illusion of meaning. In the classical world myth and religion did not belong to the order of reality as such. The gods were a creation of the state, instituted to subserve culture, morals, and the political order. They were the deception and self-deception that made these other things possible. Myth is all the more necessary in a situation of relativism. In a world characterised by a “plurality of norms”, where the individual is free to create and deify his own values and rights, and where any resolution of competing “truth-claims” is apparently beyond the capacity of reason, life in common increasingly depends on myths which not only elevate certain “godvalues” over others but provide a proximate sense of the meaning and goodness of life. There is an underside to this which must also be kept in view. Sorel observed that the beliefs of people who engage with the world through myths do not depend “on reasoning or any education of the individual will; they depend upon a state of war”18. This partly explains the vociferous intolerance of those preaching the faith of tolerance and committed to overthrowing symbolic representations of unfreedom or oppression. But it also points to the nihilism which lurks beneath the strange disavowal of reason by highly educated people who believe in and depend upon modern technology and science, but who prefer the consolations of myth to the possibilities of truth. Dostoyevsky and Conrad tellingly dissected nihilism in the nineteenth century, and their findings about the rancour and hatred of life evident within it, and the social and personal pathology feeding it are indispensable today, not least in making sense of the selfhatred which leads some people to readily identify with the enemies of their own society. Nietzsche’s account of nihilism is also important, especially in its analysis of how it becomes an attitude to life generalised throughout the culture once Christianity is dispensed with. It is important to recall how the West was set on the long trajectory of reason and freedom. The appearance of Christianity in the ancient world was decisive to this. From the beginning, as the former Cardinal Ratzinger has argued, Christianity based itself not on the poetry and presentiment that gave rise to myth but on philosophical rationality. It was not content to rely on a social or political justification and to worship in the absence of truth. Instead it appealed to knowledge and to the rational analysis of reality, displacing myth “not by vir18
Ibid., 207–208.
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tue of a type of religious imperialism but as the truth which renders the apparent superfluous”19. The West today refuses to countenance Christianity’s “claim to reasonableness”, but a consequence of this has been the displacement of reason by myth, and the rise of irrationalism at the heart of democratic life. Modernity has not been the end of religion. Rather it has demonstrated the tenacity of the religious impulse, both in the persistence and growth of traditional religions and in the appearance of new religious forms. The emergence of a democratic political religion, and the substitution within democratic societies of sacralised ideas and entities for faith in transcendence, and of mythical and symbolic ways of relating to the world for reasoned reflection, have enormous implications for the future and the viability of democracy. While an unfettered instrumental rationality keeps democratic civilisation going, to survive and to serve human flourishing civilisation has to be more than a thin veneer. A deep culture of reason is one of the things that makes this possible. A religion that completes the work of reason is another. Summary The growing suspicion with which nineteenth century thinkers came to regard religion led to it being treated as a form of ideology. But over the course of the twentieth century it became clear that sometimes it is more illuminating to treat ideology as a form of religion. This dynamic is most apparent in the great totalitarian ideologies of national socialism and communism, but the interesting question is to what extent the treatment of ideology as a form of religion should be applied to democratic political movements and what this reveals about the nature of democracy. An ideology or a philosophy of life is not a religion unless it takes on the attributes and functions of religion, and it is only in cases such as this that treating an ideology as a political religion is justified. Political religions are the product of anthropological necessity and secularisation. The anthropological necessity is the permanent nature of the religious instinct in human beings. Secularisation was a process of modernisation and de-Christianisation, which produced a “metamorphosis of the sacred”. The key elements of a political religion are in place when a political movement “more or less dogmatically” confers “sacred status” on an earthly entity or idea and treats it as a foundation of collective existence, “the main source of values” for individual and communal behaviour, and “the supreme ethical precept of public life”. Democratic political religion differs from the totalitarian variant because it makes explicit appeals to inclusiveness and tolerance, repudiates violence, recognises individual autonomy, and does not have a pronounced ritualistic and liturgical dimension. It is directed to the modification of human nature and society rather than to the revolutionary regeneration of humanity. Political religion relies less on reason than on myth, even though it is usually rationalised. The substitution within democratic societies of
19 Joseph Ratzinger, “Christianity: The Victory of Intelligence over the World of Religions”, 30 Days 1 (2000), 35–36.
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sacralised ideas and entities for faith in transcendence, and of mythical and symbolic ways of relating to the world for reasoned reflection, has enormous implications for the future and the viability of democracy.
Zusammenfassung Der zunehmende Argwohn, mit dem die Denker des 19. Jahrhunderts die Religion betrachteten, führte dazu, sie als eine Form von Ideologie zu behandeln. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wiederum wurde deutlich, dass es manchmal aufschlussreicher ist, die Ideologie als eine Art Religion zu betrachten. Dies zeigt sich besonders bei den großen totalitären Ideologien des Nationalsozialismus und des Kommunismus. Allerdings stellt sich die Frage, bis zu welchem Grad die Ideologie als eine Art von Religion auf demokratische Bewegungen anwendbar ist und was dies über das Wesen der Demokratie enthüllt. Eine Ideologie oder eine Lebensphilosophie ist keine Religion, es sei den, dass sie Merkmale und Funktionen einer Religion annimmt. Nur in diesen Fällen wäre es gerechtfertigt, von einer politischen Religion zu sprechen. Politische Religionen sind das Produkt einer anthropologischen Notwendigkeit und der Säkularisierung. Die anthropologische Notwendigkeit zielt auf die religiöse Veranlagung des Menschen ab. Die Säkularisierung war ein Prozess der Modernisierung und der Dechristianisierung, der eine „Metamorphose des Heiligen“ hervorbrachte. Die Schlüsselelemente einer politischen Religion werden sichtbar, wenn eine politische Bewegung „mehr oder weniger dogmatisch“ vorgeht und den „heiligen Status“ auf eine irdische Entität oder Idee überträgt; dies wird dann als Grundlage einer kollektiven Existenz betrachtet, als „die Hauptquelle von Werten“ für individuelles und soziales Verhalten, und als „das höchste ethische Gebot des öffentlichen Lebens“. Eine demokratische politische Religion unterscheidet sich von der totalitären Variante, weil sie ausdrücklich an die Toleranz appelliert, Gewalttätigkeit zurückweist, individuelle Autonomie anerkennt und keine rituelle und liturgische Dimension besitzt. Sie ist eher interessiert an der Entwicklung der menschlichen Natur und Gesellschaft, aber nicht an einer revolutionären Erneuerung der Menschheit. Die Politische Religion verlässt sich weniger auf die Vernunft als auf den Mythos, auch wenn er einem Rationalisierungsprozess unterliegt. Der Ersatz von Glauben und Transzendenz durch sakralisierte Ideen innerhalb demokratischer Gesellschaften, und die Betonung mythischer und symbolischer Wege anstelle des Gebrauchs der Vernunft, hat enorme Bedeutung für die Zukunft und die Lebensfähigkeit der Demokratie.
Chancen und Grenzen der Demokratie Ein Kommentar zu Centesimus Annus Nr. 46 und 47 Von Manfred Spieker Die Frage nach den Möglichkeitsbedingungen einer menschenwürdigen Staats- und Gesellschaftsordnung ist die zentrale Frage der katholischen Soziallehre seit Rerum novarum. Sie stellt diese Frage im Rahmen konkreter politischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Situationen. Dementsprechend gehen immer auch zeitbedingte Probleme und Umstände in die Antwort ein. Dass die Demokratie ein tragender Pfeiler einer menschenwürdigen Staatsund Gesellschaftsordnung ist, ist von der katholischen Soziallehre seit Pius XII. wiederholt betont worden. Weder intra noch extra muros gab es darüber bemerkenswerte Kontroversen. Pius XII. stellte die Demokratie in seiner Weihnachtsbotschaft 1944 als die wahre Alternative zu den Diktaturen dar, die Europa und die Welt in den Zweiten Weltkrieg gerissen hatten. Er gab zu verstehen, dass die Welt „nicht in den verhängnisvollen Wirbel des Krieges hineingezogen worden wäre, wenn die Möglichkeit bestanden hätte, die Tätigkeit der öffentlichen Gewalt zu überprüfen und zu berichtigen.“1 Unter den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI. und im II. Vatikanischen Konzil wurden die Bemühungen verstärkt, die Demokratie als jene Staats- und Gesellschaftsordnung darzustellen, die dem personalen Menschenbild der katholischen Soziallehre und ihren Ordnungsprinzipien der Solidarität, der Subsidiarität und des Gemeinwohls am besten entspricht.2 Johannes Paul II. hat diese Tradition bereits in seiner ersten Enzyklika Redemptor hominis aufgegriffen. Demokratische Staats- und Gesellschaftsordnungen, die jedem Bürger Partizipationschancen einräumen, die Menschenrechte beachten und das Volk Herr seiner eigenen Geschicke werden lassen, seien gerade im 20. Jahrhundert, einem Jahrhundert der größten materiellen und moralischen Verwüstungen, eine Aufgabe, der „unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Fortschritts des Menschen und der gesamtheitlichen Entwicklung seines Menschseins“ erstrangige Bedeutung zukäme.3 In der Enzyklika Sollicitudo rei 1 Pius XII., Benignitas, Weihnachtsansprache 1944, in: Emil Marmy (Hrsg.), Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau, Fribourg 1945, Randziffer 1055. 2 Dies gilt vor allem für Gaudium et spes 31 und 75; vgl. auch Pacem in terris 52 und Octogesima adveniens 24 und 47. 3 Redemptor hominis 17.
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socialis, die die Probleme der Dritten Welt und der Entwicklungshilfe reflektiert und Kriterien einer menschenwürdigen Entwicklung formuliert, wird die Ersetzung korrupter, diktatorischer und autoritärer Regime durch demokratische Ordnungen der Mitbeteiligung eine notwendige Bedingung der Entwicklung genannt.4 In Centesimus annus stellt Johannes Paul II. die Frage nach einer menschenwürdigen Staats- und Gesellschaftsordnung vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs des totalitären Kommunismus im Jahre 1989, mit dem für einige Länder Europas erst die Nachkriegszeit begonnen habe.5 Die Enzyklika will jedoch nicht nur für den Neuaufbau der Länder Mittel- und Osteuropas Orientierungen geben, sondern auch für die Entwicklung der westlichen Industrieländer und die Staaten der Dritten Welt. Dabei spielt die Demokratie erneut eine Schlüsselrolle. Um ihre Legitimitätsbedingungen und Strukturen, ihre Probleme und Gefährdungen sowie ihr Verhältnis zur Kirche geht es in den Ziffern 46 und 47 sowie verstreut in zahlreichen anderen Abschnitten der Enzyklika. Johannes Paul II. beginnt mit einem die Weihnachtsbotschaft Pius XII. von 1944 zitierenden Lob der Demokratie: „Die Kirche weiß das System der Demokratie zu schätzen, insoweit es die Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen sicherstellt und den Regierten die Möglichkeit garantiert, sowohl ihre Regierungen zu wählen und zu kontrollieren als auch dort, wo es sich als notwendig erweist, sie auf friedliche Weise zu ersetzen“ (46). Er begrüßt die neuen Demokratien, die aus dem Zusammenbruch vieler Diktaturen nicht nur in Mittel- und Osteuropa, sondern auch in Lateinamerika, Afrika und Asien in den 80er Jahren entstanden sind. So groß auch die Schwierigkeiten sind, die ihrer Entwicklung und Stabilisierung entgegenstehen, sie geben ihm Anlass zur „Hoffnung auf einen Wandel in den brüchigen politischen und sozialen Strukturen, die nicht nur von der Hypothek schmerzlicher Ungerechtigkeit und Verbitterung, sondern auch von einer geschädigten Wirtschaft und schweren sozialen Konflikten belastet sind“ (22). I. Warum Demokratie? Warum gibt die katholische Soziallehre im allgemeinen und Centesimus annus im besonderen der Demokratie den Vorzug vor allen anderen Staats- und Regierungsformen? Weil sie den Bürgern in optimaler Weise Möglichkeiten einräumt, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, Regierungen zu wählen, zu kontrollieren und zu ersetzen. Diese Partizipationschancen stehen dem Menschen auf Grund seiner personalen Natur, seiner Würde und seiner Freiheit zu. 4
Sollicitudo rei socialis 44. Centesimus annus 28 (im Folgenden werden die Ziffern der Enzyklika Centesimus annus im Text genannt). 5
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Sie sind gewiss auch mit subjektiven Voraussetzungen verbunden, mit der Verpflichtung, sich verantwortlich zu engagieren, sich an der politischen Willensbildung in Parteien und Verbänden zu beteiligen, sich zu informieren und zu bilden, Konflikte friedlich auszutragen und Kompromisse zu suchen. Aber auch wenn diese Voraussetzungen nur unvollkommen erfüllt sind, bleibt die Sicherung der Partizipationschancen eine Legitimitätsgrundlage der staatlichen Ordnung. Eine gewisse Unvollkommenheit werden diese Voraussetzungen auf Grund der Gebrochenheit und der Ambivalenz der menschlichen Natur immer aufweisen. Die katholische Soziallehre sieht sich deshalb immer wieder gezwungen, elitäre Herrschaftsansprüche zurückzuweisen, die ihr Machtmonopol mit der besseren Kenntnis irgendwelcher Gefahren, der Einsicht in den Gang der Geschichte oder einer behaupteten göttlichen Vorsehung zu rechtfertigen versuchen und damit gegen Grund- und Menschenrechte verstoßen (46).6 Sie weiß andererseits auch um die Bedeutung einer stabilen Regierung für das Gemeinwohl. Diese Stabilität darf aber nicht um den Preis einer Beseitigung der Partizipationschancen erkauft werden. Ein zweiter Grund für die Bevorzugung der Demokratie gegenüber allen anderen Staats- und Gesellschaftsordnungen wird in Ziffer 46 nur angedeutet, in Ziffer 48 dagegen ausführlicher erörtert. Er lässt sich mit dem Subsidiaritätsprinzip umschreiben. Der Person, ihrer Fähigkeit und Bereitschaft, Initiativen zu ergreifen, sich mit anderen Personen zusammenzuschließen, um gemeinwohlverträgliche Ziele anzustreben, kommt Priorität gegenüber staatlichen Interventionen in die Gesellschaft zu. Diese haben deshalb subsidiär zu sein. Sie dürfen den Bürgern das, was diese aus eigener Kraft leisten können, nicht entziehen. Sie müssen deren Wirkungsmöglichkeiten schützen und fördern, statt sie einzuengen.7 Auch ein sozialstaatliches Leistungssystem hat deshalb das Subsidiaritätsprinzip zu beachten (48, vgl. auch 15). Keine Staats- und Gesellschaftsordnung gibt dem Subsidiaritätsprinzip mehr Raum als die Demokratie. Sie ermöglicht es, die „Subjektivität“ der Gesellschaft zu sichern (46). Centesimus annus 46 bindet die Demokratie nicht nur an das personale Menschenbild, sondern auch an den Rechtsstaat. In Ziffer 44 erörtert Johannes Paul II. diesen Begriff näher und spricht Leo XIII. das Verdienst zu, ihn erstmals in der Soziallehre der Kirche gewürdigt zu haben. Das Rechtsstaatsprinzip beinhaltet vor allem die Gewaltenteilung und die Herrschaft des Rechts, d. h. die Verpflichtung für Regierung und Verwaltung, nach dem Gesetz zu handeln, und die Verpflichtung für den Gesetzgeber, Gesetze entsprechend der Verfassung zu verabschieden. Er beinhaltet die Sicherung einer unabhängigen Rechtsprechung. Diese rechtsstaatliche Struktur spielte bereits in Gaudium et spes 6 Vgl. auch Redemptor hominis 17; Sollicitudo rei socialis 15 und Kompendium der Soziallehre der Kirche 406. 7 Vgl. Quadragesimo anno 79; Kompendium 419.
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eine hervorgehobene Rolle.8 Auch das Kompendium der Soziallehre der Kirche unterstreicht sie.9 Vor allem aber bedeutet Rechtsstaatlichkeit die Anerkennung vorstaatlicher Menschenrechte, die zu schützen Aufgabe und Legitimitätsgrundlage jeder staatlichen Gewalt ist. Die Schlüsselbedeutung der Menschenrechte für das Gemeinwohl, für den Frieden in der Welt und auch für die Sendung der Kirche hat Johannes Paul II. schon 1979 in seinen Ansprachen vor der 3. Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla und der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York sowie in der Enzyklika Redemptor hominis hervorgehoben. Er nannte sie das „Grundprinzip aller Bemühungen um das Wohl des Menschen“; ihre Beachtung galt ihm als „das wesentliche Kriterium für alle Programme, Systeme und Regime“. Sie nicht nur dem Buchstaben, sondern dem Geiste nach zu beachten, bedeutet für ihn, Staats- und Gesellschaftsordnungen zu errichten, die dem Verlangen der Bürger nach echter Beteiligung am politischen Leben Rechnung tragen und das Volk Herr seiner eigenen Geschicke sein lassen. Sie zu beachten verlangt mit einem Wort die Demokratie.10 Sie zu beachten bedeutet aber zugleich, wie noch zu zeigen sein wird, die Grenze der Demokratie. Das Plädoyer für die Menschenrechte zieht sich wie ein Leitfaden durch die Enzykliken, die Apostolischen Schreiben und die Ansprachen auf den zahlreichen Pastoralreisen Johannes Pauls II.11 Es ist anthropologisch und naturrechtlich begründet: „Die effektive Anerkennung der Personwürde eines jeden Menschen erfordert die Verteidigung und die Förderung der Menschenrechte sowie die Ehrfurcht vor ihnen. Diese sind Naturrechte, Universalrechte, unantastbare Rechte: Niemand, nicht der einzelne, nicht die Gruppe, nicht die Autorität und nicht der Staat kann sie verändern oder aufheben, weil sie von Gott selbst kommen“.12 In Centesimus annus führt Johannes Paul II. sein Plädoyer für die Menschenrechte in zwei Richtungen weiter. Zum einen geht es ihm darum, die Geltung der Menschenrechte auch im Bereich der Wirtschaft zu unterstreichen. Zum anderen geht es einmal mehr um das Recht auf Leben, um seine Konsequenzen und Gefährdungen. Was die Geltung der Menschenrechte im Bereich der Wirtschaft betrifft, so kann sie nur in einer marktwirtschaftlichen Ordnung gesichert werden. Schon in Sollicitudo rei socialis hatte Johannes Paul II. erstmals vom Grundrecht auf unternehmerische Initiative als einem „wichtigen Recht nicht nur für den einzel8
Vgl. Gaudium et spes 75. Kompendium 408. 10 Redemptor hominis 17; Kompendium 406. 11 Laborem exercens 16 und 17; Sollicitudo rei socialis 15; Kompendium 152 und 155. 12 Christifideles laici 38. 9
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nen, sondern auch für das Gemeinwohl“ gesprochen, dem gerade für die Entwicklung der Dritten Welt eine Schlüsselbedeutung zukomme.13 Deutlicher als frühere Enzykliken unterstreicht Centesimus annus die Interdependenz zwischen Demokratie und Marktwirtschaft – nicht nur in Ziffer 19, in der anerkannt wird, dass der Aufbau demokratischer Gesellschaften in einigen Ländern Europas nach dem 2. Weltkrieg „durch die Methoden der freien Marktwirtschaft unterstützt“ wurde, sondern auch an mehreren anderen Stellen, in denen die Bedeutung des Unternehmers, des Gewinns und des Marktes reflektiert wird (32, 34, 35, 43 und 48). Die staatliche, die gesellschaftliche und die ökonomische Ordnung müssen harmonieren, wenn die Menschenrechte und das Gemeinwohl gesichert werden sollen. Deshalb hat der Staat „die Ausübung der Menschenrechte im wirtschaftlichen Bereich zu überwachen und zu leiten“ (48). Er hat die rechtliche Rahmenordnung zu entwickeln und zu sichern, die ein freies Unternehmertum, das private Eigentum, einen funktionierenden Wettbewerb, aber auch ein System sozialer Sicherheit und die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ermöglichen (15, 19, 35, 40). Er hat bei seinen wirtschafts- und sozialpolitischen Interventionen in die Gesellschaft aber mit dem Solidaritätsprinzip immer auch das Subsidiaritätsprinzip zu beachten, d. h. der Tatsache Rechnung zu tragen, dass „die erste Verantwortung auf diesem Gebiet“ nicht bei ihm, sondern „bei den verschiedenen Gruppen und Vereinigungen, in denen sich die Gesellschaft artikuliert“, und damit beim Bürger liegt (48). Das Kompendium lässt diese Klarheit im Hinblick auf den Vorrang gesellschaftlicher Initiativen leider vermissen. Es preist zum einen zwar die Vorteile des freien Marktes14 und den Vorrang der Zivilgesellschaft vor dem Staat15, fordert aber gleichzeitig, dass Markt und Staat „ihr Handeln aufeinander abstimmen“ müssen, ja dass der Staat die Richtung der wirtschaftlichen Entwicklung lenkt.16 Was das Recht auf Leben betrifft, so betont Johannes Paul II. einmal mehr, dass seine Beachtung zu den unverzichtbaren Voraussetzungen der Glaubwürdigkeit der Demokratie gehört. Dieses Recht schließt das Recht ein, „nach der Zeugung im Mutterschoß heranzuwachsen“ (47). Das Recht auf Geburt ist mithin dem Recht auf Leben inhärent.17 Es ist gegenwärtig in den westlichen Demokratien, aber auch in den sich vom Sozialismus befreienden Staaten Mittelund Osteuropas das am meisten gefährdete und missachtete Grundrecht. Seine Beachtung steht aber nicht im Ermessen des Staates. Das Recht auf Leben kann 13
Sollicitudo rei socialis 15 und 42. Kompendium 347. 15 Kompendium 418. 16 Kompendium 353. 17 Vom Recht, geboren zu werden, sprach Johannes Paul II. auch schon 1979 in Puebla (III, 5). Vgl. auch das Arbeitspapier der Päpstlichen Kommission Justitia et Pax, Die Kirche und die Menschenrechte, 3. Aufl. München/Mainz 1980, Ziffer 115 und 119 und das Kompendium 155. 14
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so wenig wie andere Grundrechte der Verfügung des Gesetzgebers bzw. demokratischer Mehrheiten unterworfen werden, wenn dem Staat Legitimität zukommen soll. Jede Demokratie erreicht hier eine Grenze, deren Respektierung ihre zentrale Legitimitätsbedingung ist. II. Grenzen der Demokratie Johannes Paul II. spricht in Centesimus annus von mehreren Legitimitätsbedingungen der Demokratie. Der Schutz des Lebens und des Rechts, geboren zu werden, ist die erste und entscheidende. Die Missachtung dieses Rechts in der weltweit verbreiteten Abtreibung ist nicht nur ein „Skandal“ (47) und Symptom einer „Kultur des Todes“ (39), sondern Ausdruck einer Krise der Demokratie (47). Sie zwingt zu dem Schluss, dass der Demokratie die Fähigkeit abhanden kommt, das Gemeinwohl als Gesamtheit der politischen und sozialen Möglichkeitsbedingungen personaler Entfaltung des Menschen zu schützen, dass sie nicht mehr in der Lage ist, Einzelinteressen in das Gemeinwohl zu integrieren und an einer Werthierarchie festzuhalten, die auf der Würde und den Rechten der Person basiert (47).18 Die Anerkennung von Grundwerten und ihre Umsetzung in der Rechts- und Verfassungsordnung ist eine zweite Legitimitätsbedingung der Demokratie. Grundwerte wurzeln in der Wahrheit über den Menschen, in anthropologischen Konstanten. Demokratie kann deshalb nicht heißen, dass über alles abgestimmt werden könnte, dass die Rechtsordnung allein von der Mehrheit abhinge, dass es einen Wahrheitsanspruch in der Politik nicht geben dürfe. Johannes Paul II. weist entschieden die These zurück, dass der skeptische Relativismus und der Agnostizismus die philosophische Basis der Demokratie seien, dass eine Demokratie also nur funktioniere, wenn die Bürger sich eingestehen würden, dass sie unfähig sind, Wahrheit zu erkennen, und dass all ihr Erkennen relativ, eitel oder interessenbedingt sei. Die für eine Demokratie konstitutive Freiheit erhalte „erst durch die Annahme der Wahrheit ihren vollen Wert“ (46).19 Wenn jene Bürger, die an unverzichtbaren Grundwerten und an der ihr zugrunde liegenden Wahrheit festhalten, als „nicht vertrauenswürdig“, mithin als demokratieunfähig gelten, dann ist die Demokratie in Gefahr, nicht nur dem Relativismus, sondern dem Missbrauch der Macht und einem „offenen oder hinterhältigen Totalitarismus“ den Weg zu bereiten (46). Ausführlicher als je zuvor spricht Johannes Paul II. in Centesimus annus über die Merkmale und Konsequenzen totalitärer Herrschaft, über ihren Kampf gegen die Würde des Men-
18 Kompendium 407. Vgl. auch Manfred Spieker, Der verleugnete Rechtsstaat. Anmerkungen zur Kultur des Todes in Europa, Paderborn 2005. 19 Kompendium 199.
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schen und gegen die Kirche (19, 29, 44, 45 und 46). Dies kommt der analytischen Schärfe der Enzyklika und auch ihrem Plädoyer für die Demokratie zugute. In der Verteidigung des Menschen gegen wirtschaftliche Ausbeutung und die Tyrannei der totalitären Systeme sieht der Papst einmal mehr die Aufgabe der Kirche. Er greift in diesem Zusammenhang auch das aktuelle Stichwort „Fundamentalismus“ auf. Mit diesem Begriff wird eine ganz bestimmte religiöse, weltanschauliche und politische Haltung bezeichnet. Diese Haltung beansprucht, alle Fragen des weltlichen Lebens aus einer religiösen Wahrheit oder Ideologie heraus beantworten zu können. Sie glaubt darüber hinaus, im Namen dieser Ideologie „den anderen Menschen ihre Auffassung von dem, was wahr und gut ist, aufzwingen zu können“ (46). Diese Haltung ist für die Demokratie in der Tat eine tödliche Gefahr. Sie belastet gegenwärtig Länder der islamischen Welt. Johannes Paul II. weist einmal mehr auf diese Gefahr hin (29), die auch eine Gefahr für die Kirche und ihren missionarischen Auftrag ist20, stellt aber zugleich mit aller wünschenswerten Deutlichkeit fest: „Die christliche Wahrheit ist nicht von dieser Art. Der christliche Glaube, der keine Ideologie ist, maßt sich nicht an, die bunte soziopolitische Wirklichkeit in ein strenges Schema einzuzwängen“ (46). III. Demokratie und Kirche Johannes Paul II. nutzt sein Plädoyer für die Demokratie und seine Erörterung ihrer Grenzen und Legitimitätsbedingungen auch dazu, einmal mehr die Rolle der Kirche in einer demokratischen Gesellschaft klarzustellen: „Die Kirche achtet die berechtigte Autonomie der demokratischen Ordnung. Es steht ihr nicht zu, sich zu Gunsten der einen oder anderen institutionellen oder verfassungsmäßigen Lösung zu äußern“ (47).21 Das Festhalten an der Wahrheit des Evangeliums und an anthropologischen Konstanten stellt also nicht den legitimen Pluralismus in weltlichen Entscheidungen auch unter Christen in Frage, den schon Gaudium et spes mit hinreichender Klarheit unterstrichen hat22 und den die Lehrmäßige Note der Glaubenskongregation „zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben“ 2002 erneut unterstreicht. Ein Fundamentalismus hat in der Soziallehre der Kirche keinen Platz. Aber die „Autonomie der zivilen und politischen Sphäre gegenüber der religiösen und kirchlichen“ beinhaltet keine Autonomie „gegenüber der moralischen Sphäre“, deren nicht verhandelbare Prinzipien Gegenstand kirchlicher
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Vgl. auch Redemptoris missio 35. Kompendium 424. Gaudium et spes 43 und 75.
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Verkündigung und Prüfungsmaßstab für politische Entscheidungen sind.23 „Der Christ ist gehalten, berechtigte Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Ordnung irdischer Dinge anzuerkennen. Zugleich ist er gerufen, sich von einer Auffassung des Pluralismus im Sinne eines moralischen Relativismus zu distanzieren, die für das demokratische Leben selbst schädlich ist. Dieses braucht wahre und solide Fundamente, das heißt ethische Prinzipien, die auf Grund ihrer Natur und ihrer Rolle als Grundlage des sozialen Lebens nicht verhandelbar sind.“24 Der Christ lebt die Freiheit und dient ihr, indem er seinem Sendungsauftrag getreu die Wahrheit, die er erkannt hat, immer wieder anbietet (46). Die Wahrheit, die er erkannt hat, ist die christliche „Sicht von der Würde der Person, die sich im Geheimnis des Mensch gewordenen Wortes in ihrer ganzen Fülle offenbart“ (47). Den Blick für diese Würde zu schärfen, ist der Beitrag der Kirche in der demokratischen Gesellschaft. Sie leistet diesen Beitrag durch die Verkündung des Evangeliums und die Vermittlung ihrer Soziallehre. Auch dieser Beitrag bleibt ein „Angebot“ (47 und 60). Das Evangelium und die Soziallehre der Kirche sind mithin ein Sauerteig für die demokratische Gesellschaft und ihre politische Kultur. Sie sind Fundament einer Civil Society, ohne die keine Demokratie Bestand hat. Sie vermitteln dem Bürger den Geist und die Strukturen der Freiheit und des Dienstes, der Solidarität und der Gerechtigkeit. Sie zeigen ihm, dass die Entwicklung und Stabilisierung menschenwürdiger Staats- und Gesellschaftsordnungen nicht nur von rechtlichen Strukturen, sondern auch von Einstellungen und Verhaltensweisen abhängen (60). Sie zeigen, dass Christen um dieses Zieles willen die Kooperation mit allen Konfessionen und auch mit Konfessionslosen suchen müssen (60). Sie fordern ihn auch auf, seinen Glauben im beruflichen Alltag zu bezeugen und das heißt, mit Sachkompetenz und gesellschaftlichem Engagement zu verbinden.25 Zusammenfassung Das Plädoyer für die rechtsstaatliche Demokratie durchzieht das gesamte Pontifikat Johannes Pauls II. Nicht nur seine Sozialenzykliken, sondern schon seine erste Enzyklika Redemptor hominis plädiert für die rechtsstaatliche Demokratie. In Centesimus annus geht es um Orientierungen für den Neuaufbau der Länder Mittel- und Osteuropas sowie für die Entwicklung der westlichen Demokratie und der Dritten Welt. Im Zentrum stehen die Legitimitätsbedingungen und Strukturen, die Probleme und Ge23 Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24.11.2002, Ziffer 6. 24 A. a. O., Ziffer 3. 25 Vgl. auch Pacem in terris 147 ff.; Gaudium et spes 43; Christifideles laici 17, 23, 42, 43 und 44.
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fährdungen der Demokratie. Hauptgrund für die Bevorzugung der Demokratie ist die Möglichkeit optimaler Mitwirkung des Bürgers an der politischen Willensbildung. Dieses Recht auf Partizipation steht dem Bürger aufgrund seiner personalen Natur, seiner Würde und seiner Freiheit zu. Die erste Legitimitätsbedingung der Demokratie ist der Schutz des Lebens und des Rechts, geboren zu werden. Die sich ausbreitende Missachtung dieses Rechts ist nicht nur Symptom einer Kultur des Todes, sondern Ausdruck einer Krise der Demokratie. Die Kirche, die für die Beachtung des Lebensrechts eintritt, verstößt nicht gegen die Autonomie der demokratischen Ordnung, sie leistet vielmehr einen Beitrag zu deren Legitimität.
Summary The plea for democracy and the rule of law runs through the entire pontificate of Johannes Paulus II. His social encyclicals as well as his first encyclical, Redemptor hominis, call for democracy. Centesimus annus outlined the proper reconstruction of the countries of Central and Eastern Europe as well as the development of Western democracy and Third World countries. In the center are legitimacy conditions and structures, the problems and risks of democracy. The main reason for the preference for democracy is the possibility of the optimal involvement of the citizen in the formulation of political policy. This right to participation of each citizen is based on his personal nature, dignity, and freedom. The first condition for the legitimacy of a democracy is the protection of human life and the right to be born. The growing disregard of this right is not only a symptom of a culture of death but is a sign of a crisis of democracy. The Church, which stands for the right to life, does not by its moral position offend the autonomy of the democratic order. Rather, it makes a contribution to its legitimacy.
Autorenverzeichnis Dr. phil. Jürgen Aretz, Historiker, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, Erfurt Prof. Dr. Winfried Becker, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Passau Prof. Dr. Wolfgang Bergsdorf, Präsident der Universität Erfurt Raymond L. Burke, Archbishop of Saint Louis, MO Dr. Michael A. Casey, Permanent Fellow in Sociology and Politics, John Paul II Institute for Marriage and the Family, Melbourne, Australia Prof. Dr. Christopher Cullen, S.J., Associate Professor of Philosophy, Fordham University, NY Prof. Dr. Bernard Dobranski, President and Dean, Ave Maria School of Law, Ann Arbor, MI Prof. Dr. Jude P. Dougherty, Dean Emeritus, School of Philosophy, The Catholic University of America, Washington, DC Prof. Dr. William A. Frank, Department of Philosophy, University of Dallas, TX Dr. Reinhard C. Meier-Walser, Leiter der Akademie für Politik und Zeitgeschichte der Hanns-Seidel-Stiftung e.V., München Prof. Dr. Fred D. Miller, Jr., Department of Philosophy, Bowling Green State University, OH Privatdozent Dr. Stefan Mückl, Universität Freiburg i. Br. Pfarrer Dr. theol. Dr. soc. Elmar Nass, Bischöfliches Generalvikariat, Aachen Prof. Dr. Karl-Heinz Nusser, Professor für Philosophie an der Universität München Prof. Dr. Heinrich Oberreuter, Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau, Direktor der Akademie für Politische Bildung, Tutzing Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels, Lehrstuhl für Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Trier Cardinal George Pell, DD, Ph.D., Archbishop of Sydney, Australia Nicholas T. Pinchuk, President and Chief Operating Officer of Snap-On, Inc., Kenosha, WI Prof. Dr. Anton Rauscher, em. Universitätsprofessor für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Augsburg, Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ), Mönchengladbach
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Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Jürgen Schwarz, em. Universitätsprofessor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München Prof. Dr. Peter Simpson, Professor of Philosophy, City University of New York, NY Prof. Dr. Manfred Spieker, Lehrstuhl für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück Prof. Dr. David Walsh, Department of Politics, The Catholic University of America, Washington, DC