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German Pages 264 [257] Year 1962
ABHANDLUNGEN
DER DEUTSCHEN
DER WISSENSCHAFTEN Klasse für Chemie, Geologie und
ZU
AKADEMIE
BERLIN
Biologie
Jahrgang 1961 Nr. 2
Dr. h. c. PAUL
BLÜTHGEN
DIE FALTENWESPEN MITTELEUROPAS (HYMENOPTERA, DIPLOPTERA)
Mit 72 Abbildungen
AKADEMIE-VERLAG
1961
•
BERLIN
Zum Druck genehmigt lt. Klassenbeschluß vom 11. September 1958, ausgegeben am 15. September 1961
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Leipziger Straße 3—4 Copyright 1961 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 . 100/434/61 Gesamtherstellung: V E B Druckerei „Thomas Müntzer" Bad Langensalza Bestellnummer: 2001/61/II/2 Preis: DM 26,50 Printed in Germany E S 18 G 3
Meinem S o h n e
Hans-Georg Blüthgen zum G e d ä c h t n i s
INHALTSÜBERSICHT Einleitung
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Besonderer Teil
12
Klassifikation
16
Bestimmungsschlüssel f ü r die Familien u n d U n t e r f a m i l i e n
16
F a m i l i e Vespidae U n t e r f a m i l i e Vespinae Schlüssel f ü r G a t t u n g e n u n d U n t e r g a t t u n g e n Schlüssel f ü r die A r t e n aller G a t t u n g e n U n t e r f a m i l i e Polistinae Schlüssel f ü r die G a t t u n g e n
20 20 20 23 48 48
Familie Eumenidae Unterfamilie Eumeninae Schlüssel f ü r G a t t u n g e n u n d U n t e r g a t t u n g e n U n t e r f a m i l i e Discoeliinae G a t t u n g Diacoelius
60 61 61 216 216
F a m i l i e Masaridae
221
G a t t u n g Oelonites
221
Zusammenfassung
224
A n m e r k u n g e n zur Klassifikation, Synonymie u n d N o m e n c l a t u r
226
Verzeichnis der G a t t u n g e n u n d U n t e r g a t t u n g e n
237
Verzeichnis der A r t - u n d infraspezifischen N a m e n
238
A b k ü r z u n g e n der M u s e u m s n a m e n
241
Benutztes Schrifttum
242
Schlußbemerkung
249
Nachschrift Ortsverzeichnis
'
250 251
EINLEITUNG Die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin hat mich beauftragt, eine Bearbeitung der Wespen Deutschlands in Bestimmungstabellen zu verfassen. Die Kenntnis der in Deutschland vorkommenden Faltenwespen liegt in der Tat noch sehr im argen. 1 ) Der H a u p t g r u n d hierfür scheint mir folgender zu sein: Die Ordnung der Hautflügler hat, verglichen mit den Schmetterlingen und den Käfern, in Deutschland von jeher nur eine recht beschränkte Gemeinde von Liebhabern gefunden. Schon die bloße Sammeltätigkeit vernachlässigte sie, man konnte diejenigen Entomologen, die sie auch auf Hymenopteren ausdehnten, sozusagen an den Fingern abzählen. Ganz besonders gilt das für die Faltenwespen, die auch von vielen der Sammler, die sich für Hymenopteren interessierten, nur gelegentlich oder überhaupt nicht erfaßt wurden und Liebhaber, die ihre Systematik zum Spezialstudium gemacht hätten, in Deutschland in den letzten 100 J a h r e n nicht gefunden haben. So erklärt es sich, daß im Gegensatz zu Schmetterlingen und Käfern die in Deutschland vorkommenden Faltenwespenarten wahrscheinlich noch nicht vollzählig ermittelt sind und daß über die Verbreitung der festgestellten Arten im Gebiet noch sehr wenig bekannt geworden ist. Einige Beispiele mögen die Sachlage erläutern: Mitte der 60er J a h r e des vorigen Jahrhunderts hat der russische Arzt Dr. F. MORAWITZ bei Bad Kreuznach eine ganze Anzahl für Deutschland neuer mediterraner Hymenopteren, darunter auch die Faltenwespe Allodynerus floricola (SAUSS.) aufgefunden und darüber berichtet. Man h ä t t e annehmen sollen, daß das f ü r deutsche Hymenopterologen ein Ansporn gewesen wäre, das untere Nahetal und ähnliche Gegenden', z. B. das Mosel- und das Ahrtal, planmäßig faunistisch zu erforschen. Das ist jedoch nicht der Fall gewesen, und so ist der bald 100 J a h r e zurückliegende MoRAWiTzsche Fund bislang der einzige Nachweis von Allodynerus floricola aus Deutschland geblieben. SCHENCK hat Stücke von Eumenes arbustorum ( P A N Z . ) und Pseudepipona variegata ( H . - S C H . ) aus „Thüringen" gesehen, — den genauen Fundort und den Verbleib der Belegstücke, die in seiner Sammlung nicht vorhanden sind, anzugeben, hat er leider verabsäumt, — bis heute sind aber diese beiden ansehnlichen und durch ihre Körperform oder durch ihre Färbung ins Auge fallenden Arten noch nicht wieder aus Thüringen gemeldet worden. Bis zum J a h r e 1947/53 hat es gedauert, bis der bis dahin nur aus den Hochalpen der Schweiz, Frankreichs und Südtirols bekannte Oplomerus alpinus (SCHULTH.) aus dem Allgäu nachgewiesen wurde. Erst 1951 wurde der mediterrane Microdynerus longicollis F. Mor. im Elsaß aufgefunden. Diese Verhältnisse haben sich noch verschlechtert. Die alten deutschen Hymenopterologen sind größtenteils durch Tod weggefallen, — ich nenne nur J . D. A L F K E N ( 1 9 4 5 ) , I n der Schausammlung des Museums in Freiburg i. Br. f a n d ich 1941 ein N e s t v o n Odynerus murarms (L.) oder v o n Odyn. crassicomis (PANZ.), kenntlich a n den eingetragenen Larven v o n Melasoma populi, als „ N e s t einer Mordwespe" beschriftet, eine N e s t a n l a g e v o n Oplomerus spinipes (L.) oder v o n Opl. renijormis (GMEL.) d e m Ancistrocerus parietum (L.) und eine N e s t w a b e v o n Polistes biglumis bimaculatus (GEOFFR. in FOURCR.) dem Polistes gallicus (L.) zugeschrieben.
8
Einleitung
H . H E D I C K E (1949), P . EIGEN (1947), H . LEININGER (1954), R . M E Y E B (1944), A . MÖSCHLER ( 1 9 4 5 ) , H. M Ü L L E R ( 1 9 4 5 ) und E. S T Ö C K H E K T ( 1 9 4 6 ) , — die wenigen Überlebenden sind vielfach bereits durch ihre Alter genötigt, die Sammeltätigkeit einzuschränken oder einzustellen. An Nachwuchs fehlt es aber so gut wie ganz. Was F E . P E U S in Dtsch. E n t . Zeitschr., N.F., 1 , 1 9 5 4 , S. 1 2 5 / 1 2 6 über die Verhältnisse in der Dipterologie gesagt hat, gilt genau so f ü r die Hymenopterologie. Was zur Förderung unseres Wissens über die deutsche Vespidenfauna vor allem nottut, ist die sammlerische Erfassung des Gesamtgebietes. Diese setzt aber voraus, daß sich eine möglichst große Zahl deutscher Entomologen dazu bewegen läßt, auch Vespiden zu sammeln, wenn auch nur zur Abgabe an ein Museum. (Was auf diesem Wege erreicht werden kann, haben mir Aufsammlungen an Vespiden bewiesen, die von E. S C H M I D T [Bonn] und G. S E I D E N S T Ü C K E R [Eichstätt] in den letzten J a h r e n in Syrien und Kleinasien nebenher zusammengebracht wurden und erfreulich viel an seltenen oder neuen Arten enthalten.) Sehr große Teile Deutschlands sind noch völlig oder so gut wie unerforscht. Was will es schon heißen, wenn weiträumige Gebiete im Umfange unserer früheren Provinzen in 100 J a h r e n 2 oder 3 oder nur einen einzigen Bearbeiter gefunden haben, die ihre Tätigkeit überdies häufig nur auf die Umgebung ihres Wohnsitzes erstreckten ? Der Thüringer Wald ist in bezug auf die Faltenwespen überhaupt noch nicht erforscht worden; auch S C H M I E D E K N E C H T und G. J Ä N N E R (Gotha) haben dazu nichts von wesentlichem Belang beigetragen. Vom Harz und den anderen Mittelgebirgen wissen wir auch verschwindend wenig oder nichts. Diese Beispiele mögen genügen. F. R U D O W hat in „Die Hymenoptera anthophila (Blumenwespen) des Unterharzes" gesagt: „Sowie große oder doch praktische Sammelwerke über eine Gruppe erschienen sind, wird auch dieselbe weiter erforscht, wie man nach dem Erscheinen von H A R T I G S Werk über die Blattwespen an diesen und nach D A H L B O M S Grabwespen-Untersuchungen auch hier wajirnahm, denn bald darauf erschienen aus allen Gegenden Bearbeitungen der Lokalfaunen, die manches Neue b r a c h t e n . " . Daran ist sicher viel Wahres. Wie anregend eine Veröffentlichung über schwierige und vordem vernachlässigte Insektengruppen wirken kann, zeigen sehr instruktiv die Polistinae: Die Untersuchung von K L . Z I M M E R M A N N „Zur Systematik der paläarktischen Polistes" 1930 veranlaßte alsbald verschiedene Forscher, sich dieser schwierigen Materie zuzuwenden, und das Ergebnis war die Veröffentlichung einer ganzen Anzahl wertvoller Arbeiten über dieses Gebiet. Für einen Entomologen, der kein Anfänger mehr ist, hat es sicher wenig Reiz, Insekten zu sammeln, deren Bestimmung ihm mangels genügender Literatur nicht oder nur mit unsicheren Ergebnissen möglich ist und die er deshalb, wenn ihm an ihrer Identifizierung liegt, einem Spezialisten vorlegen muß, (wobei es vorgekommen ist, daß ihm unliebsame Erfahrungen nicht erspart blieben.) Will man also einen Sammler dafür gewinnen, in seine Tätigkeit eine ihm noch nicht vertraute andere Insektengruppe einzubeziehen, so ist es vor allem erforderlich, sein Interesse für sie zu erwecken und zu erhalten, indem man ihm die entsprechende Literatur in die H a n d gibt, und zwar in erster Linie zuverlässige Bestimmungsschlüssel, mit denen er etwas anfangen kann. Dem deutschen Hymenopterologen standen als neuzeitliche Hilfsmittel zur Bestimmung von Faltenwespen bisher nur zwei zur Verfügung: in erster Linie der von A. VON S C H U L T H E S S für die 2. Auflage von S C H M I E D E K N E C H T S „Hymenopteren Nord- und Mitteleuropas" (Jena, G. Fischer, 1930) gefertigte Bestimmungsschlüssel und ferner die Bearbeitung der Vespidae durch H . H E D I C K E in Bd. V 2. Teil von „Die Tierwelt Mitteleuropas" von P. B R O H M E R U. a.(Quelle & Meyer, Leipzig, 1930). Der v. ScHVLTHESs'sche Schlüssel enthielt schon von vornherein verschiedene Unrichtigkeiten, namentlich in der Nomenklatur, und ist inzwischen in großen Teilen überholt und veraltet. Dasselbe gilt für die in
Einleitung
9
ihrem systematischen Teil im wesentlichen kompilatorische HEDicKEsche Zusammenstellung. Nachdem ich mich, um diese Lücken ausfüllen zu können, seit 1937 dem Studium der paläarktischen u n d namentlich der in Deutschland vorkommenden Faltenwespen gewidmet h a t t e , h a b e ich .1943 als vorläufige Zusammenfassung der Ergebnisse „Taxonomische u n d biologische Notizen über paläarktische F a l t e n w e s p e n " veröffentlicht 1 ). Diese haben m a n c h e m eine Anregung gegeben, sich mit diesem Gebiet zu beschäftigen (wenn das a u c h bei einigen dieser Autoren keine E r w ä h n u n g gefunden hat). Der gute Bestimmungsschlüssel f ü r die holländischen E u m e n i d a e in „ D e Nederlandse Metseiwespen" von FB. WILCRE2) ist f ü r deutsche Verhältnisse nur bedingt v e r w e r t b a r , d a er die deutsche F a u n a von 65 Eumenidae-Arten (ohne U n t e r a r t e n ) mit 37 A r t e n nur teilweise erfaßt. Die b e k a n n t e sorgfältige Bearbeitung der Faltenwespen Frankreichs durch L. B E E L A N D 19283) wiederum u m f a ß t wesentlich mehr A r t e n als in Deutschland bisher nachgewiesen sind. Sie ist zudem in vielen Beziehungen überholt u n d veraltet, da seit ihrem Erscheinen viele durchgreifende taxonomische u n d nomenklatorische Veränderungen eingetreten sind, ganz abgesehen davon, daß sie manche Unrichtigkeiten enthält. Bei den sozialen Vespidae, die wegen ihrer Biologie, namentlich wegen ihres Nestbaues, schon i m m e r eine bevorzugte Stellung u n t e r den Faltenwespen eingenommen haben, liegen die Verhältnisse besser. Über die Vespinae ist 1944 die auch auf Deutschland zutreffende Bearbeitung „Les Guepes ( V e s p a L.s.l.) de la Suisse" von J . D E B E A U M O N T (Lausanne) erschienen, die uneingeschränkt als vorbildlich bezeichnet werden kann. 4 ) Dieselbe Anerk e n n u n g verdienen die Arbeit von D E I . F A GUIGLIA (Genova) ,,Le Vespe d'Italia" 5 ) u n d die von Z . B O U C E K und 0 . S U S T E K A (Prag) „Vosy Öeskoslovenske republiky — Wespen der Tschechoslowakei" 8 ), die beide außer den Vespinae auch die Polistinae zum Gegenstand haben. Bei den Vespidae sind es, wie gesagt, besonders der N e s t b a u u n d das staatliche Leben, die von jeher allgemeineres Interesse gefunden u n d zu sehr vielen Veröffentlichungen Anlaß gegeben haben. Von deutschen Forschern ist es namentlich W . W E Y K A U C H , der hierüber sehr gründliche u n d sehr wertvolle Beobachtungen angestellt h a t . Das Leben der nichtsozialen Faltenwespen, das sich (mit wenigen Ausnahmen, die sich auf einige an besonders geeigneten Stellen oft in sehr großer Individuenzahl vergesellschaftete Oplomerus-Arten beschränken) ziemlich verborgen u n d unauffällig abspielt, ist sehr viel schwieriger zu ergründen, u n d es sind auch n u r verhältnismäßig wenige Forscher, die ihm nachgegangen sind, so daß hier noch ein großes Betätigungsfeld offen steht. Voraussetzung f ü r ein erfolgreiches Arbeiten in dieser Richtung ist aber das Vorhandensein sicherer taxonomischer Kenntnisse. Zu welchen Fehlergebnissen deren Mangel f ü h r e n kann, zeigen die Angaben über die Biologie der Lehmwespen in dem Buch „Bienen u n d W e s p e n " von R . SCHOLZ (Quelle & Meyer, Leipzig, 1 9 1 3 ) . ' ) Auch die biologischen Mit!) Stett. ent. Ztg., 104, 1943, S. 149—158. 2 ) „De levende Natuur" 1952, pp. 190—199, 210—220, 233—239. Der taxonomische Teil beruht wohl weitgehend auf meiner vorerwähnten Arbeit, die biologischen Angaben sind überwiegend aus BERLAND 1928 übernommen. 3 ) Faune de France, 19, Hym. vespif. II, Paris (P. Lechevalier), 1928. 4 ) Bull. Soc. Vaud. Sei. Natur., 62, 1944, n. 261, p. 329—362. 6 ) Mem. Soc. Ent. Ital., 27, 1948, p. 5—84. e ) Prirodovedecky sbornik Ostravsk