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German Pages 92 [96] Year 1925
DIE ERREICHBARREIT DER HIMMELSKÖRPER U N T E R S U C H U N G E N ÜBER DAS R A U M F A H R T P R O B L E M VON
DR.-ING.W. HOHMANN, ESSEN
MÜNCHEN UND BERLIN 1925 DRUCK UND VERLAG R.OLDENBOURG
Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechtes, vorbehalten. Copyright 1925 by R. Oldenbourg, München und Berlin.
Vorwort. Die vorliegende Arbeit will durch nüchterne rechnerische Verfolgung aller scheinbar im Wege stehenden naturgesetzlichen und Vorstellungsschwierigkeiten zu der Erkenntnis beitragen, daß das Raumfahrtproblem durchaus ernst zu nehmen ist, und daß bei zielbewußter Vervollkommnung der bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten an seiner schließlichen erfolgreichen Lösung gar nicht mehr gezweifelt werden kann. Bei der ursprünglichen Bearbeitung, deren Anfänge etwa 10 Jahre zurückreichen, glaubte der Verfasser in einer Abstoßungsgeschwindigkeit von 2000 m/sec das Alleräußerste erblicken zu müssen, was von unseren technischen Hilfsmitteln in absehbarer Zeit überhaupt erreicht werden könnte. Deshalb wurden die Berechnungen anfänglich nur für diesen zunächst höchstens noch erreichbar gedachten Grenzwert durchgeführt. Inzwischen sind aber drei Arbeiten über das Raketenproblem erschienen, aus denen hervorgeht, daß bei geeigneter Anordnung weit höhere Auspuffgeschwindigkeiten erreicht werden können: G o d d a r d : »A method of reaching extreme altitudes« (hauptsächlich auf Grund ausgeführter Versuche); O b e r t h : »Die Rakete zu den Planetenräumen« (besonders wertvoll durch genau ausgearbeitete Vorschläge auf Grund theoretischer Untersuchungen); V a l i e r : »Der Vorstoß in den Weltenraum« (eine allgemeinverständliche Darstellung des Problems). Aus diesem Grunde und besonders zur Ermöglichung eines unmittelbaren Vergleiches mit den Ergebnissen der Oberthschen Arbeit sind die Berechnungen nachträglich auch auf höhere Abstoßungsgeschwindigkeiten (2500, 3000, 4000 und 5000 m/sec) ausgedehnt worden, so daß schließlich der ursprünglich als höchstmöglich angesehene Betrag von 2000 m/sec jetzt als unterster Grenzwert erscheint. Dadurch sind die Verhältnisse natürlich wesentlich günstiger geworden. Hierbei ist allerdings folgendes zu beachten: Bei der Verwendung verhältnismäßig geringer Abstoßungsgeschwindigkeiten muß jeder tote Ballast vermieden werden. Diese Forderung führte zur Anordnung der abzustoßenden Betriebsmasse in der Form
—
IV
-
eines Turmes aus einem f e s t e n Explosivstoff, bei dessen allmählichem Abbrennen die Abgase von selbst mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit entweichen sollen. Diese Anordnung stellt gewissermaßen die ideale Lösung dar — weil ohne toten Ballast; sie ist aber auch nur bei verhältnismäßig geringen Abstoßungsgeschwindigkeiten denkbar. Die höheren Auspuffgeschwindigkeiten sind nach Oberth nur durch das Ausströmen verbrennender Gase aus verengten Düsen erreichbar; und die Mitführung der Düsen sowohl wie der zur Unterbringung des jetzt bestenfalls flüssigen Betriebsstoffes nötigen Behälter bedeutet einen mehr oder weniger großen toten Ballast, der allerdings auch wieder um so leichter zu ertragen sein wird, je höher die erreichbare Auspuffgeschwindigkeit ist. Bei den in den letzten beiden Abschnitten berechneten Aufstiegsgewichten sind diese voraussichtlich unvermeidlichen toten Massen noch-, nicht berücksichtigt, da ihre Abschätzung ohne praktische Versuche über die günstigste Form- und Materialverwendung für die Düsen und Behälter kaum möglich ist. Die jeweils angeführten Aufstiegsgewichte G0 stellen also die untersten Grenzwerte bei Verwendung einer idealen Antriebsmasse dar. Die Berücksichtigung der höheren Abstoßungsgeschwindigkeiten sowie einige weitere nachträgliche Ergänzungen — so besonders die Untersuchungen über die Landungsmöglichkeit ohne Bremsellipsen am Schlüsse des zweiten und über die schneidenden Ellipsen am Schlüsse des fünften Abschnittes, sowie die Berücksichtigung der Erwärmung beim Landen — verdanken ihre Entstehung den Anregungen von Herrn Valier und Herrn Professor Oberth. Wenn bei den Berechnungen stellenweise statt streng mathematischer Formeln etwas umständlich erscheinende Näherungsverfahren angewendet wurden, so liegt dies daran, daß der Verfasser nicht Mathematiker sondern Ingenieur ist. Auf die Endergebnisse wird es ohne großen Einfluß geblieben sein. Essen, im Oktober 1925. W. Hohmann.
Inhalt. Seite
I. II. III. IV. V.
Loslösung von der Erde Rückkehr zur Erde Freie Fahrt im Räume Umfahrung anderer Himmelskörper Landung auf anderen Himmelskörpern
1 14 41 63 76
I.
Loslösung von der Erde. Befänden wir uns außerhalb des Wirkungsbereiches jeder Schwerkraft in einem ruhenden Fahrzeuge, so könnten wir unserem Fahrzeug in beliebiger Richtung eine GeschwinAvt-t digkeit Av erteilen dadurch, daß wir Am (">),''s r von der Fahrzeugmasse m einen Teil CP w A m in entgegengesetzter Richtung mit __i c ,f der Geschwindigkeit c relativ zum Abb } Fahrzeug fortschleuderten. Da der Massenmittelpunkt (Schwerpunkt) der Gesamtmasse m dabei seine Ruhelage beibehalten muß, so ist nach Ablauf einer beliebigen Zeit t nach Abb. 1. oder oder
Jm. (et
— Avt) m
= (m — Am) - Ad • t;
— ^m Am
c — Av Av '
m ¿J m
also
_c_ A v'
. Av = c
. K1)
Am m
d. h.: nach einmaligem Fortschleudern des Massenteiles A m mit der Geschwindigkeit c bewegt sich die übrigbleibende Masse (m —A m) ¿4 m mit einer Geschwindigkeit Au = c m vom Ausgangspunkte weg nach entgegengesetzter Richtung wie-dm, und zwar so lange, bis durch eine neue Maßnahme eine Änderung der Bewegung eintritt. dm Wird in jeder Sekunde ein Massenteil mit der gleichbleibenden Geschwindigkeit c fortgeschleudert oder »ausgestrahlt«, so erhält die jeweils übrigbleibende Masse eine Beschleunigung dv dt
c m
dm dt
unter steter Abnahme der Masse m. H o h m a n n , Die Erreichbarkelt der Himmelskörper.
1
—
2
—
Wird nun der Betrieb so eingerichtet, daß in jedem Augenblicke die sekundlich fortgeschleuderten oder ausgestrahlten Massenteile proportional der jeweils noch vorhandenen Masse m sind, so daß also : m = a = konstant
dt
ist, so wird die Beschleunigung gleichförmig und von der Masse unabhängig : ~di=c-a-
< lb >
solange auch die Fortschleuderungs- oder Ausstrahlungsgeschwindigkeit c unverändert bleibt. Die Massenabnahme erfolgt dabei nach dem Gesetze dm ~W = ~ a m (lc> (negativ, da m mit zunehmender Zeit abnimmt), also
i
('dm m
und nach Integration
ajdt
In m = — at + C. Bezeichnet m0 die ursprüngliche Masse zu Beginn der Beschleunigung, also zu der Zeit t = 0, so ist In m0 = 0 + C \ C — In m 0 ; also In m = — at -f In m0, m oder
,
In —- = — at, m0
und
— =
oder — = e'")
m0
(2)
m
d. h. die nach Ablauf der Zeit t übriggebliebene Masse ist m o m — ——t' gat Wirkt nun einem Raumfahrzeuge vorstehend beschriebener Art mit der Eigenbeschleunigung ca eine Schwerkraft mit der Schwerbeschleunigung g entgegen, so ist seine Gesamtbeschleunigung dv ~dt=Ca~g' ™
—
Bewegt sich z. B. das Fahrzeug im Abstände r vom Erdmittelpunkte in radialer Richtung nach auswärts und bezeichnet g0 die Schwerbeschleunigung an der Erdoberfläche vom Halbmesser r 0 (s. Abb. 2), so ist die der Eigenbeschleunigung entgegenwirkende Schwerbeschleunigung nach dem Gravitationsgesetze1):
S — So' also die Gesamtbeschleunigung des Fahrzeuges
dv = ca~dt da ferner
So -3-
dr = v dt
ist, so folgt
Abb. 2.
goV
do _ ca~dr~
-= car -f-
goV
+ C.
Soll an der Erdoberfläche (r = r 0 ) die Fahrzeugbewegung aus der Ruhelage (v — 0) beginnen, so ist dort 0 = car0 + So V + also
C,
C = — car0 — g0r0 = — r0 (ca + g0),
folglich allgemein
-= car
goV
• ro (ca + g0) = (r — r0)
(4)
Hört im Abstände r x und nach Erreichung einer Höchstgeschwindigkeit vt die Eigenbeschleunigung ca auf, so verhält sich in der Folge das Fahrzeug wie ein mit der Anfangsgeschwindigkeit senkrecht nach oben geworfener Körper, d. h. es erfährt im beliebigen Abstände r' > r x in seiner augenblicklichen Geschwindigkeit
v = eine Verzögerung
*) Eine Ableitung der III. Abschnittes.
do' dt
dr' dt So r' 2
Gravitationsgesetze befindet sich am Schlüsse des
—
4
—
aus diesen beiden Gleichungen folgt jetzt v>dv'
also
° ~ÖT
und zwar ist
_
also
= —
g0r