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German Pages [581]
Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) • MarkS. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)
6
Ulrike Sals
Die Biographie der „Hure Babylon" Studien zur Intertextualität der Babylon-Texte in der Bibel
Mohr Siebeck
Geboren 1971; Studium der evangelischen Religionslehre und der Germanistik in Paderborn; 2003 Promotion; Postdoc-Stipendiatin und Lehrbeauftragte an der Universität Würzburg. ULRIKE SALS:
ISBN 3-16-148431-2 978-3-16-157857-1 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISSN 1611 -4914 (Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2004 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Druckpartner Rübelmann GmbH in Hemsbach auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Schaumann in Darmstadt gebunden.
Vorwort Der vorliegende Band stellt eine leicht überarbeitete Fassung meiner 2003 an der Ruhr-Universität Bochum angenommenen Dissertationsschrift dar. Mein größter Dank gilt Prof. Dr. Jürgen Ebach, der nicht nur das Erstgutachten erstellte und die Arbeit in allen ihren Stadien betreute, sondern mir auch stets geduldig, anregend und teilnehmend zur Seite stand. Prof. Dr. Klaus Wengst danke ich für sein wundervolles Zweitgutachten. Es war ein großes Privileg, die Arbeit an der anregenden Bochumer Evangelisch-Theologischen Fakultät einzureichen, der ich dafür herzlich danke. Ich danke Prof. Dr. Bernd Janowski und Prof. Dr. Hermann Spieckermann für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe FAT II. Viele Freunde, Freundinnen und Kollegen, Kolleginnen haben mich beraten, ermuntert und mir geholfen auf fachliche wie auf menschliche Weise. Erwähnen möchte ich meine damaligen Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsamt Paderborn sowie das Würzburger Graduiertenkolleg „Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz in religiösen Symbolsystemen", das mir 1998-2001 ein Promotionsstipendium gewährte. Besonders hervorheben möchte ich hier PD Dr. Maria Häusl, Irene Pabst, Claudia Schäfers, Prof. Dr. Theodor Seidl und Prof. Dr. Gernot Wilhelm, ihnen danke ich für die gute Zusammenarbeit und die Diskussionsbereitschaft über die letzten Jahre. Prof. Dr. Bernhard Lang, Prof. Dr. Martin Leutzsch und Prof. Dr. Christof Hardmeier standen immer auf ihre uneigennützige Weise als Berater zur Verfügung. Rafael Saidl half mir bei den Korrekturen und war stets ein interessanter und interessierter Gesprächspartner. PD Dr. Gerlinde Baumann, PD Dr. Maria Häusl und Dr. Anna Kiesow danke ich für die Mühe des beratenden Korrekturlesens, Frau Alwine Heising für all ihre Weisheit und Dr. Alexandra Grund für viele wichtige Gespräche. Meinem Mann Dr. Martin Przybilski danke ich für die fachliche und liebende Begleitung durch alle Höhen und Tiefen. Gewidmet sei dieses Buch Lieselotte Rousseau und Dr. Henning Landgraf (t), ohne die ich das nicht hätte erreichen können, was ich erreicht habe. Den Lesern und Leserinnen sei gesagt, daß überlaufende Absätze, weil sie in der Druckersprache „Hurenkinder" heißen, in der vorliegenden Arbeit nicht getilgt wurden. Würzburg, im April 2004
Ulrike Sals
Inhalt
A. Babylon und „Babylon"
1
1. Wege der Forschung 2. Umgrenzungen des Projekts 3. Intertextualität und Wahrnehmung 4. Von Städten und Frauen 5. Zur Beschreibungsform Biographie
4 18 20 27 43
B. Die Texte
49
I. Die Zusammen-Schau: Offenbarung 17-19
51
1. Der Kontext von Offenbarung 17-19
53
1.1. Die Offenbarung des Johannes als Synthese von Textgattungen
53
1.2. Offenbarung 17-19 im Kontext des Buches: Aufbau und Zeitstruktur
58
2. Der Prophet und die Hure
67
3. Wer oder was ist Babylon?
76
3.1. Die „Hure Babylon" als Metapher 3.2. Porträt und Ende der „Hure Babylon"
4. Die „Hure Babylon" und ihre Beziehungen
76
81
121
4.1. Die Freiergruppen
121
4.2. Gott
133
5. Zusammenfassung - der synthetisierte Untergang Babylons als Biographie
141
II. Die Geburt der „Hure Babylon"
145
1. Die Nicht-Entstehung der Stadt: Genesis 11,1-9
146
1.1. Der Kontext von Genesis 11,1-9
146
1.2. Wer oder was ist Babylon?
149
1.2.1. Sprache und Erkenntnis, Namen und Identität
150
1.2.2. Menschen, Kollektivität und Einheit
156
1.2.3. Stadtentwicklung, Stadtzerstörung und Zivilisation
159
1.2.4. Geschlecht
162
VIII
Inhalt
2. Die Frau nach Babylon: Sachaija 5,5-11 2.1. Das Buch Sacharja
164 164
2.1.1. Zeit und Ort des Sachaijabuches - Babylon und der Neuanfang nach Israel 2.1.2. Babylon und Sacharja 2.2. Sacharja 5,5-11
166 170 171
2.2.1. Prophetie und Wahrnehmung - Vision im Dialog
171
2.2.2. Die gedeuteten Visionselemente Tonne und Frau
178
2.2.3. Der Transport der Frau nach Sinear
184
2.2.4. Frau Unrechtmäßigkeit nach Babylonien
189
3. Die Geburt der „Hure Babylon"
194
3.1. Sacharja 5,5-11 und Genesis 11,1-9
194
3.2. Sacharja 5,5-11 als Geburtstext der „Hure Babylon"
195
III. Klage in Babylon und über Babylon: Psalm 137
197
1. 2. 3. 4.
199 199 202 206
Psalm 137 im Kontext der Psalmen Datierung - die Verjüngung des Textes Sprechen - Singen - Gesang des Vergessens Orte und Verortungen - Wer oder was ist Babylon?
IV. Der Untergang Babylons
213
1. Das Buch Jesaja
213
1.1. Babylon im Jesajabuch - ein Überblick 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27 1.2.1. Jesaja 13,1-14,27 im Kontext von Jesaja 13-23
215 217 217
1.2.2. Jesaja 1 3 , 1 - 2 2 - E i n bestialischer Weltuntergang
228
1.2.2.1. Prophetie und Wahrnehmungen
231
1.2.2.2. Wer oder was ist Babylon?
234
1.2.2.3. Gott in Jesaja 13
241
1.2.2.4. Der Krieg
244
1.2.3. Jesaja 1 4 , l ^ t a - Israels Rückkehr
254
1.2.4. Jesaja 14,4b-21 - Ein Spottlied
256
1.2.4.1. Sprecher/Prophetie und Aufbau des Textes
258
1.2.4.2. Wer ist der König?
262
1.2.4.3. Begründung für den Untergang
267
1.2.5. Jesaja 14,22-23 - Die Vollendung des babylonischen Untergangs
269
1.2.6. Jesaja 14,24-27 - Assur als Appendix zu Babylon
271
Inhalt
1.3. Die Worte eines Zeugen: Jesaja 21,1-10.11-12
IX
275
1.3.1. Der Text als Supplement
279
1.3.1.1. Der Untergang Babylons: Jesaja21 und Jesaja 13
281
1.3.1.2. Die Wahrnehmung des Untergangs
283
1.3.2. Wer oder was ist Babylon?
285
1.3.2.1. Wer oder was ist das Wüstenmeer?
287
1.3.2.2. Der Zeitpunkt des Untergangs
288
1.3.3. Die anderen Beteiligten
288
1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
292
1.4.1. Jesaja 47 im Kontext Deutero-Jesajas
294
1.4.2. Jesaja 46 als Exposition zu Jesaja 47
295
1.4.3. Jesaja 47 - Deklassierung und Demütigung
297
1.4.3.1. Der Text im Aufbau
299
1.4.3.2. Soziale Deklassierung und geschlechtliche Demütigung
300
1.4.3.3. Die Vergangenheit
306
1.4.3.4. Systemische Opposition
308
1.4.4. Wer oder was ist Babylon?
310
1.4.4.1. Status als Kampf um die Definitionsmacht
310
1.4.4.2. Das Schuld-Strafe-Modell
315
1.4.4.3. Wer oder was ist Babylon?
318
1.4.4.4. Stadt und Frau
319
1.5. Babylon im Jesajabuch: eine Untergangsfolge
320
1.5.1. Die zeitliche Abfolge des Niedergangs - Linien durch das Jesajabuch... 3 2 0 1.5.2. Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz - Jesaja 47 und Jesaja 14
323
1.5.3. Das intertextuelle Bild vom Untergang Babylons im Jesajabuch
327
2. Das Buch Jeremia 2.1. Babylon im Jeremiabuch - ein Überblick
331 336
2.1.1. Nebukadnezar König von Babel
339
2.1.2. JerG und JerH
343
2.2. Der Plan: Jeremia 25
345
2.2.1. Die Zeit in Jeremia 25 - die Zeit von Jeremia 25
349
2.2.2. Jeremia 25 im Kontext des Buches
352
2.2.3. Prophetie in Jeremia 25
353
2.2.4. Wer oder was ist Babylon?
358
2.2.4.1. Babel und die (anderen) Völker
359
2.2.4.2. Der Untergang der Welt und Babels
363
2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremia 50-51
375
2.3.1. Jeremia 50-51 im Kontext des Buches und der Fremdvölkersprüche Jeremia 46-51
395
X
Inhalt
2.3.2. Prophetie
402
2.3.3. Wer oder was ist Babylon - Summierte Identitäten
405
2.3.3.1. Jeremia 50-51 als Summe der Babylon-Texte - Stimmen der Forschung 2.3.3.2. Bilder des Textes und ihre Formen
406 411
2.3.3.3. Stadt, Land, Frau - Geschlechter-durcheinander
416
2.3.3.4. Babylon als Religion
431
2.3.3.5. Namen
433
2.3.3.6. Die Untergänge - Vielfalt der Verwüstung und Monotonie des Verwüsteten
437
2.3.4. Die Beziehungen Babylons
456
2.3.4.1. Babel und Juda/Jerusalem
456
2.3.4.2. JHWH und Babel
459
2.3.4.3. Die Schuld Babels
461
2.3.5. Jeremia 50-51 als Summe des Untergangs Babylons
464
C. Die Biographie der „Hure Babylon"
467
1. Überblicke über die Babylon-Texte
467
2. Die Kommunikation der Texte
472
2.1. Wiederholungen
473
2.2. Text-antworten
478
2.3. Satellitentexte
481
3. Porträts als Biographie
485
3.1. Babylon im Untergang
485
3.2. Die Verflechtungen der Figuren
492
3.3. Babylon als Werkzeug und Gegner/-in Gottes
499
4. Entwicklungen als Biographie
501
D. Literaturverzeichnis und Register
509
1. Abkürzungsverzeichnis
509
2. Quellen- und Literaturverzeichnis
510
2.1. Quellen und antike Texte
510
2.2. Hilfsmittel und Nachschlagewerke
512
2.3. Literaturverzeichnis
512
3. Register
542
3.1. Stellenregister
542
3.2. Personenregister
555
3.3. Sachregister
562
Teil A:
Babylon und „Babylon" „Gefallen, gefallen ist Babylon die Große, die von dem Zorneswein ihrer Hurerei trinken ließ alle Völker" (Offb 14,8). „[...] das symbolische anspielende Formelwort nicht nur rückwärts, sondern auch vorwärts zu deuten" 1 .
Thema der vorliegenden Arbeit ist die sogenannte „Hure Babylon", eine imposante böse Frauengestalt und ein großer Raum in geographischer wie in textlicher Hinsicht. „Babylon" verkörpert die irdische Macht, die es zu vernichten gilt. In den verschiedenen Texten der Bibel und ihrer Rezeptionsgeschichte macht die „Hure Babylon" eine unvergleichliche kulturgeschichtliche Karriere, in etwa von der Großbaustelle Babel (Gen 11) zur femme fatale BaßuÄ,Ct)V (Offb 17-19), die alles und alle in ihren Bann zieht, während ihr Pendant im binären Oppositionssystem der Johannesoffenbarung und dem folgend des neuzeitlichen Europa, die „Braut Jerusalem", farblos hinter ihr zurückbleibt. Als Stadt und Frau zugleich ist sie Stadt schlechthin und Frau schlechthin, so daß sie spätestens in der Folge der Apokalypse Kristallisationspunkt von Zivilisationsängsten und sexuelles, d.h. weibliches, Wunschund Angstphantasma wird. In der „Hure Babylon" personifiziert sich das Bezugsfeld von Eigenem, Fremdem und Entfremdetem. Zudem verkörpert sie ein gesellschaftliches System, das dem des israelitischen Gottes diametral entgegenzustehen scheint. Das Thema der Texte ist zumeist nichts Geringeres als die Weltherrschaft, was umso komplizierter wird, da eine Randgruppe, Bewohner des kleinen Landes Israel (topographisch, machtpolitisch und ökonomisch), die Großmacht Babylon zu einer noch randständigeren Gruppe (machtpolitisch, rechtlich und sozial) umdefiniert: zu einer Frau - der Kampf Gottes mit der Babylon-Frau wird zu einem Kampf der Geschlechter. Theologisch ist mit der Frage nach der „Hure Babylon" die Frage nach dem Bösen gestellt, im Begriff „Sündenbabel" greifbar wie auch in der Hure, die das Blut der Märtyrer Christi trinkt (Offb 17,6). Die monographische Erforschung des biblischen Bildes von Babylon/Babel ist also vielsprechend. MANN, D e r Zauberberg, S. XI.
2
A. Babylon und „Babylon"
Die wesentlichen Erkenntnisinteressen, die meine Studie leiten, lassen sich in folgenden Fragen umreißen: Wie gestaltet sich das Bild Babylons? Welche Motive und Bilder werden mit Babylon verbunden, welche Themen besetzt es? Was für eine Theologie steht hinter den Texten, in denen Babylon Thema ist? Wie wirken auf der textimmanenten Ebene Stadt- und Frau-Attribute zusammen? Dies betrifft einzelne Begriffe und ihre Semantik, Juxtapositionen, Textaufbau und Argumentationsstrukturen. Wie arbeiten verschiedene Texte zusammen am Bild Babylons? Ist dieses Bild einheitlich oder widersprechen sich die Texte? Läßt sich ein Prozeß von Typisierung an den Texten ablesen? Meine Fragestellung ist zugleich exegetischer, theologischer und kulturwissenschaftlicher Art, wobei in dieser Studie vornehmlich den exegetischen Fragen nachgegangen wird. Diese Arbeit wird die erste Untersuchung zur Figur der „Hure Babylon" in ihrer biblischen Entwicklung sein. Zugleich ist sie ein Beitrag zur Funktions- und Wirkungsweise der Stadt-Frau-Metaphorik und zur gewcfer-Forschung in biblischen Texten. Außerdem ordnet sie sich in den Kontext der Forschungen zu Intertextualität biblischer Texte ein. Zuletzt stellt sie einen Beitrag zu den alttestamentlichen Bezugsstellen der JohannesApokalypse dar und der Art und Weise, wie diese verarbeitet werden. Dafür untersuche ich folgende Texte: Gen 11,1-9; Ps 137; Jes 13,1-14,27; 21,1-10.11-12; 47; Jer 25,1-38; 50,1-51,64; Sach 5,5-11 und Offb 17,119,10. Schon daran, daß es die „Hure Babylon" eigentlich nicht gibt, weil dieser Terminus in keinem biblischen Text fallt, ist ablesbar, daß der heutige Blick auf diese Frauenfigur in vielfacher Weise verstellt ist. Stärker noch: in den wenigsten biblischen Texten ist Babylon überhaupt als Frau vorgestellt. Daß ich im Titel meiner Arbeit trotzdem den nichtbiblischen Namen „Hure Babylon" verwende, ist der Wirkungsgeschichte geschuldet, die sich auf die Bibel zu berufen meint. Die Frage, inwieweit biblische Texte heute ohne ihre Wirkungsgeschichte lesbar sind, begleitet als Hintergrundfrage die gesamten folgenden Ausführungen. Ähnlich steht es mit den Namen „Babylon" und „Babel", die über Fragen der wirkungsgeschichtlichen Prägung hinaus noch weitere Probleme aufwerfen: Zwar steht die Mehrzahl der hier untersuchten Texte im AT, weshalb die Übersetzung aus dem Hebräischen - „Babel" sich anböte, aber das NT mit der griechischen Form Baß'üA.cöv - „Babylon" hat doch das europäische neuzeitliche Bild der akkadisch bezeichneten Größe bäbilu erheblich stärker geprägt als das AT - beruft sich aber und speist sich wiederum aus dem AT. Welche Bezeichnung ist also angemessen? Dazu kommen noch Texte wie die von Herodot und anderen antiken Schriftstellern, die zwar griechisch (und vorchristlich) BaßuXcov beschrieben, aber im Ge-
A. Babylon und „Babylon"
3
gensatz zu manch alttestamentlichem Propheten oder Redaktor relativ sicher diese Stadt und Region auch gesehen hatten2 - was aber auch nicht ohne vorgefertigte Meinungen einerseits und ein gewisses Literaturstudium andererseits vonstatten ging. Das heißt somit, daß keine übersetzte Namensform „authentischer" ist als eine andere. Zugleich stellt sich das Problem, daß mit dem Gebrauch eines noch so „ursprünglichen" Namens die Wirkungsgeschichte, in der wir - Autorin und Leser/Leserinnen dieser Untersuchung stehen, nicht abgestreift werden kann. Dem wird auf den folgenden Seiten Rechnung getragen, indem beide Worte, „Babel" und „Babylon", benutzt werden. Zur Form des Namens kommt sein kommunikativer Modus: Babylon ist heute immer „Babylon", also ein Zitiertes, Entlehntes und Gesprochenes und war es immer schon. Was zunächst einfach heißt, daß jedwede Wahrnehmung bereits eine Deutung ist. Niemand kann „unkulturell" geprägt wahrnehmen: Wahrnehmung konstituiert Wirklichkeit, und Deutung prägt Wahrnehmung. Umso wichtiger wird diese ästhetische Grunderkenntnis, wenn, wie im Falle „Babylons", das Bild so sehr die Wahrnehmung der „Wirklichkeit" prägt.' Vor allem in prophetischen Texten werden Städte als Frauen vorgestellt, und die „Hure Babylon" ist die prominenteste geworden. Sie verdankt ihre Existenz dem Charakteristikum prophetischer Literatur, zum einen Traditionsliteratur zu sein und zum anderen - allgemeiner noch - Aussagen in bekannte Bilder zu kleiden, die durch ständiges Wiederaufgreifen modifiziert, differenziert und verkehrt werden, ein Thema wird intertextuell fortgeschrieben. Für die Gestalt der „Hure Babylon" heißt das, daß sie im Laufe der Texttradition immer mehr Profil erhält, so daß sie sich immer mehr verselbständigt: In gegenseitiger Antwort steigern sich die Texte derart, daß sich darin eine Biographie der „Hure Babylon" konstituiert. Diese These wird im folgenden durch alle längeren Texte der Bibel, die „Babylon" thematisieren, verfolgt. Damit lege ich eine Biographie der „Hure Babylon" vor - und bin doch nicht die erste Biographin: Johannes von Patmos hat dieses Charakteristikum der alttestamentlichen Literatur in seiner Offenbarung kongenial in seinem Text umgesetzt, indem er die erste und zugleich ultimative Biographie der „Hure Babylon" in einem gigantischen Untergangsporträt schrieb. A u f ihre Lebensgeschichte in den alten Schriften zurückgreifend und sie alle zusammen und zugleich rezipierend wird er wohl zum ersten Biographen der „Hure Babylon".
2 Zur Diskussion um einen möglichen Baylonaufenthalt Herodots wie um die Verschränkung typologischer und singulärer Darstellung in seinen Historien s. NESSELRATH, Herodot; BlCHTER, Herodots Welt; ROLLINGER, Herodots babylonischer Logos. 1 Zum Problem der Wahrnehmung s.u. A.3.
4
A. Babylon und „Babylon"
Diese knapp umrissenen Zugangsweisen und die Frage, warum eine Biographie und nicht eine Motivuntersuchung o.ä. hier vorgelegt ist, welche Grenzen und Chancen diese gewählte Beschreibungsform hat, werden im folgenden näher erläutert, indem ich nach einem Forschungsbericht (1.) und einer textlichen Umgrenzung meines Projekts (2.) auf Intertextualität und Wahrnehmung eingehe (3.), einen Überblick über das biblische Phänomen der als Frauen personifizierten Städte gebe (4.) und die hier gewählte Beschreibungsform „Biographie" erläutere (5.). Im exegetischen Hauptteil dieser Studie lege ich Offb 17-19 aus unter der Fragestellung, welches Bild von Babylon darin entworfen wird (B.I.). Dieser Frage gehe ich anschließend in den Auslegungen der alttestamentlichen Texte einzeln und intertextuell nach (B.II.-B.IV.), um am Ende zusammenfassend die Formen und Inhalte der alttestamentlichen Biographie Babylons zu erläutern (C.).
1. Wege der Forschung Zum Zusammenhang der biblischen Babylon-Texte ist in der alttestamentlichen Exegese bereits verschiedentlich gearbeitet worden. Im folgenden werden diejenigen Monographien in zeitlicher Reihenfolge vorgestellt, die sich von ihrer Anlage her mit mehreren Babylon-Texten befassen/ Sodann werden die Aufsätze zu diesem Thema, ebenfalls zeitlich geordnet, zusammengefaßt. Im Anschluß daran werden die Charakteristika der bisherigen Forschungsbeiträge zusammengestellt und für die Fragestellung nach der „Biographie der ,Hure Babylon'" ausgewertet. Die älteste Arbeit zum Thema der Intertextualität Babylons unter den Parametern moderner Bibelwissenschaft ist leider nicht mehr greifbar: Die Dissertation von Paul Lohmann über die anonymen Prophetien gegen Babel aus der Zeit des Exils aus dem Jahr 1910 ist nur teilveröffentlicht worden.5 Die Veröffentlichung enthält nur die Auslegungen zu Jes 14,4b-21 und Jes 47,115 und will damit eine Studie zur Entwicklung des prophetischen Spottlieds liefern. Das Manuskript hat, wie aus einigen Andeutungen zu schließen ist, alle, auch die kürzeren Babylon-Prophezeiungen des AT untersucht. Ob das Dissertationsmanuskript ebenfalls einen formgeschichtlichen Schwerpunkt hat, läßt sich dem Teilabdruck nicht entnehmen.6 Trotzdem geben zwei TaEinschlägige Arbeiten werden bei den Einzeltextanalysen vorgestellt. Arbeiten, die sich mit der Archäologie Babels (KOLDEWEY, Babylon) oder der Geschichte Babels als historischpolitische Größe (OATES, Babylon; ELSELE, Babylon; SCHNEIDER, Babylon; FISCHER, Babylon) beschäftigen, bleiben außen vor („II n'y a pas de hors-texte", DERRIDA). LOHMANN, Prophetien gegen Babel. 6 Ferner hat LOHMANN an anderen Stellen zu diesen Babylon-Texten veröffentlicht: ders., Das Wächterlied (zu Jes 21,11-12); ders., Gliederung (zu Jes 21,1-10); ders., Text und Me-
A. 1. Wege der Forschung
5
bellen im Teilabdruck einen Hinweis auf eine motiv- und formgeschichtliche Ausrichtung der Arbeit: Lohmann vergleicht für Jes 21,1-10; Jes 13,2-22; Jes 14,4b-21; Jes 47,1-15 und Jes 46,1-2 die „Verteilung des Stoffes der Babelprophetien auf die einzelnen Strophen" und gibt für diese Texte eine „Übersicht über die redenden und angeredeten Personen in den Babelprophetien". Auch wenn die Ergebnisse des Vergleichs in meiner Arbeit anders und differenzierter ausfallen, als Lohmann sie in zwei Tabellen zusammenfaßt, ist m.E. doch beachtenswert, daß die Babylon-Texte selbst bestimmte Fragestellungen herauszufordern scheinen, z.B. den Blick auf Sprecher/Sprecherinnen der Prophezeiungen (Tabelle 2). Auch der Aufbauvergleich und die Suche nach wiederkehrenden Argumentationsmustern scheinen durch die Texte und ihre Ähnlichkeiten bedingt zu sein.7 In den folgenden Jahrzehnten geriet die Frage nach dem Bild Babylons in biblischen Texten weitgehend aus dem Blick der monographischen Forschung. Seit Mitte der achtziger Jahre aber mehren sich die Veröffentlichungen zu Babylon in der Bibel. Birgit Hartberger veröffentlichte 1986 ihre Dissertation zu Psalm 137 unter Berücksichtigung der biblischen und außerbiblischen Traditionen zu Edom.8 Sie fragt nach dem literarischen Ort und dem Aussageziel des Psalms. Die insgesamt diffusen Ergebnisse insbesondere der Literarkritik von Ps 137 gibt Hartberger, wie schon aus ihrem Vorwort deutlich wird, skeptisch wieder. Vor allem die Babylon- und Edomtexte, ihre Struktur, Intertextualität und ihre Dubletten seien mit herkömmlicher Literarkritik nicht überzeugend analysierbar (S. 12-15). Statt dessen stehen für Hartberger Aufbau- und Kompositionsanalysen am MT im Vordergrund. Ausgehend von der Annahme, daß Babel und Edom die Hauptadressaten von Ps 137 sind, stellt sie für ihre Exegese des Textes nun Untersuchungen zum Babeltext Jer 51 an - er weise zahlreiche intrum (Jes 13,2b—3.16; 14,19 u.a.). Alle diese Aufsätze wurden aber laut Notiz am Ende der jeweiligen Ausführungen im Jahre 1912 bzw. 1911 abgeschlossen. Inwieweit sie über die Dissertation hinausgehen, ist nicht nachprüfbar, LOHMANN kommt in den Artikeln zuweilen auf die Texte Jes 14,4b-21; Jes 47 und ihre Formgeschichte zu sprechen, z.B. in ders., Das Wächterlied, S. 28. 7 Ein noch stärkerer Verlust ist die Nichterreichbarkeit und eben noch nicht einmal Teilveröffentlichung von durch Frauen verfaßte Arbeiten über Frauengestalten. Zwei solcher Titel sind mir bekannt geworden: S. ZIMMERS „Zion als Tochter, Frau und Mutter. Personifikation von Land, Stadt und Volk in weiblicher Gestalt" (Diss. masch. München 1959) und Katharina NEULINGERS „Frauengestalten des Neuen Testaments" (Diss. masch. Wien 1952). Die Forschung ist nach diesen Arbeiten dann noch einmal die wohl selben Fragen durchgegangen. Wären sie gedruckt und rezipiert worden, wäre die internationale wie nationale Diskussion inzwischen vielleicht weiter, vielleicht wäre sie anders verlaufen. 8
HARTBERGER, Psalm 137.
6
A. Babylon und „Babylon"
haltliche Berührungen mit Ps 137 auf und sei die wesentliche biblische Informationsquelle zu Babel - und zu biblischen und außerbiblischen Informationen über Edom. Die Auslegung von Jer 51 besteht dann in einem abschnittsweisen Textdurchgang, der vor allem zwei Charakteristika aufweist: das eine ist der Versuch, die Verse, die zu einem Abschnitt gerechnet werden, zusammen zu lesen und damit Linien durch den Gesamttext zu ziehen; das andere ist die Annahme und entsprechende Umsetzung, daß religions- und literaturgeschichtliche Anspielungen auf babylonische Kultur und sprachliche Anspielungen auf das Akkadische in großer Zahl zu finden sind, so daß in Jer 50-51 letztlich das Selbstbild Babels dekonstruiert werde. Dabei bezieht Hartberger nur zurückhaltend andere Jeremia- und kaum andere Babylon-Texte mit ein. Der Charakter von Jer 51 als Literatur und mithin als auch rhetorisch gestalteter Text wird von ihr zugunsten des Charakters als historischer (Quellen)text minimiert, im Zentrum steht Edom, weil nach Hartberger der Schlüssel für die historische Einordnung von Ps 137 im Edombild zu finden ist. Mit Blick auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund von Ps 137,7 werden archäologisches und textlich-außerbiblisches Quellenmaterial sowie biblische Texte zu Edom untersucht (Obd 8-15; Joel 4,19ff; Am 1,1 lf; Ez 35,1-9), die im Anschluß daran in einer Synopse entlang des Textes Obd 1 21 nach Übereinstimmungen befragt werden und sich in der Folge zeitlich ordnen lassen: Ps 137 hat „mit seiner Edom- (und Babel-)Problematik seinen festen und zeitlich früh liegenden historischen Ort".9 Die Dissertation von Erich Bosshard-Nepustil aus dem Jahr 1995, veröffentlicht 1997, erforscht die Redaktionsgeschichte der Prophetenbücher des AT.10 Diese wird rekonstruiert ausgehend und anhand von Texten, die Babel thematisieren, weil diese Texte so breit gestreut sind und die Parallelen in der Textabfolge der Prophetenbücher besonders deutlich aufweisen (S. 9). Nach Ansicht von Bosshard-Nepustil lassen sich die drei Hauptwidersprüche im Babelbild (Babel als Werkzeug Gottes; Babel als gerichtet und Babel als Angriffspunkt eines universalen Gerichts) nur literar- und redaktionskritisch erklären (S. 9-11). Dabei sind Babylon-Texte für Bosshard-Nepustil nicht nur diejenigen, in denen der Name Leitbegriff ist, sondern auch andere Texte, in denen Namen von Herrschern und Königen sowie „aufgrund von Jes 21,1-10; Jer 51,11.28 tfriJ und "HC"" vorkommen. Dies ist bereits eine Eingrenzung, da Babel zuweilen auch dort thematisiert wird, wo der Name gar nicht fällt.
9
HARTBERGER, Psalm 137, S. 2 0 4 .
10 11
BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen. BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 9.
A. I. Wege der Forschung
1
Ausgehend von der Literar- und Redaktionskritik von Jes 21,1-10; 22,1— 14 und Jes 13(f) erfolgte die Redaktionsgeschichte von Protojesaja demnach folgendermaßen: Der Assur/Babel-Schicht, sie datiert nach 587/6, wahrscheinlich um 562, gehören Jes 13,2-8.14-16; 21,1.2aba.3-5.6.8-9a; 22,1-5. 7-14.15-25; 14,28-32; 20,1-5; (*)36-39 an, sie ist eine betont historisierende Neubearbeitung von IJes und zielt auf die assyrische Bedrohung Jerusalems 701 v.Chr., dies ist die Vorabbildung für die Zerstörung Jerusalems durch Babylon 587/6 v.Chr. (S. 157). Außerdem bezieht sich diese Schicht sowohl auf das DtrG als auch auf Jer: das Verhältnis zum DtrG ist dabei eine kritische Auseinandersetzung und Nebenstellung; Passagen des Jeremiabuches (*l,lff/ *2,4ff; *4—6ff; 46ff; 52) sollen durch die Assur-Babel-Redaktion perspektiviert werden; Jes* und Jer* sind als sich in ihren Teilen gegenseitig erklärende Bücherfolge zu verstehen.12 Die Babel-Redaktion, sie entstand kurz vor 539 v.Chr., verantwortet nach Bosshard-Nepustil folgende Eigenformulierungen: Jes 5,30; 8,8b; 11,6-9; 13,1.17-22; 14,(*)4a.22-23; 16,1-5; 21,2bßy.7.9b-10; 21,11-12.13-15; 22,6; 33,1-13.17-24 u.a. Dieser Redaktion können ebenfalls Jer 25,(*)12-14. *25.26aab; 27,7b; (*)50f u.a. zugeordnet werden. Hier ist Babel nicht mehr Werkzeug Gottes, sondern wird selbst gerichtet; der in Jes 14,4bff erwähnte König ist bewußt nicht genannt, es ist aber Nabonid gemeint (S. 206): „Dabei ist aber folgendes mitzubedenken: 1) Mit der Nennung Babels in 13,1.19; 14,4a; 21,9b kann die Babel-Schicht immerhin an die von der Assur/Babel-Red. vorgegebene Stelle 39,6f (1) anknüpfen. 2) Babel, Medien und Elam (13,17; 21,2bß; 22,6) erscheinen in der Babel-Schicht nur in Visionen und Weissagungen (vgl. *13,1-14,23; 21,2.5.9; 22,*5?. 5Rest-7). 3) Es ist von Belang, daß mit Babel, Medien und wohl auch Elam Größen genannt sind, die zur Zeit des Propheten Jesaja in Jerusalem/Juda bekannt waren und nicht etwa die auf das 6. Jh.v.Chr. festgelegten Nabonid oder Kyros II. 4) Babel, Medien und Elam werden von der Babel-Schicht nur in Jes 13-22, nicht aber in Jes 28-33 (explizit) genannt. Jedenfalls die Nennung Babels in Jes 13-22 wird auch damit zusammenhängen, daß die Babel-Schicht in Jes 1322 Worte gegen explizit genannte Völker bereits vorgefunden hat."11
Die Schicht ist inhaltlich durch Motive von der Bedrängnis der Hilfsbedürftigen, der Vorschau auf eine heilvolle Zeit für das Gottesvolk und der Heimkehr gekennzeichnet (S. 207-223). Eine oder mehrere jüngere Schichten fugen eine universalistische Dimension ein; dies sind zunächst Völker-Ergänzungen in der Perserzeit und der Zeit Alexanders und dann u.a. eine Heimkehrredaktion um 312/11 v.Chr. Dazu gehören u.a. Jes 11,11-16; 13,9-13; *24-27; b.34,2^1; 35,14 also eine universalistische Gerichtsdimension.
12 Eine weitere Schicht ist der schwer einzuordnende Komplex Jer 4,9f; 22,28-30; 25,15.16; 52 ([*]35), BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 177.
" BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 201. 14 BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 266f Anm. 4, zu den anderen späteren Redaktionen s. ebd., S. 253-267.
8
A. Babylon und
„Babylon"
Diesen Prozessen entsprechen analoge Redaktionen im Zwölfprophetenbuch. Die Assur/ Babel-Redaktion x " umfaßt insbesondere Joel * 1,1-2,11; Hab * 1,1—2,4 und Zeph *l,l-3,8a; dabei sind die drei Texte jeweils Texten der Assur/Babel-Redaktion Jes zuzuordnen (Jes 13: Joel; Jes 21: Hab; Jes 22: Zeph). Die Babel-Redaktion datiert für das Zwölfprophetenbuch auf die Zeit um 520 v.Chr.: die Nichtzerstörung Babels durch Kyros II. hatte die IJes-Tradenten so enttäuscht, daß sie von einer Überarbeitung des Dodekaprophetons Abstand nahmen. Erst als um 520 v.Chr. babylonische Aufstände niedergeschlagen wurden und die Heimkehr unter Serubbabel stattfand, konnte die Redaktion erfolgen (S. 440f). Ihre Eigenformulierungen betreffen u.a. Joel 2,12-17; Mi 4,9f; Nah I,lb.2-8.9f.l2a.b.l3; Zeph 2,13-15; Sach 2,10a.l 1.14;
8,1-6.
In den jeweiligen Schlußfolgerungen entwirft Bosshard-Nepustil also eine Entstehungsgeschichte des Corpus propheticum von den Anfangen des syrisch-ephraimitischen Krieges bis in die Zeit der Diadochen. Entsprechend der Zielsetzung spielen die Babylonbilder und ihre Wandlungen gerade nicht die Hauptrolle, im Gegenteil: die Annahme, daß es drei grundsätzliche Typen von Babel-Bildern gibt, ist Ausgangspunkt und Grundlage der Argumentation. 1999 erschien die Dissertation von John Hill zum Bild Babylons im Jeremiabuch." Zwei Quellen speisen das Vorgehen und das Forschungsinteresse der Studie: der Mangel an Arbeiten zum Bild Babylons im Jeremiabuch als ganzem, dem nach Einschätzung Hills die ausreichende Erforschung von Jer 5051 gegenübersteht, und der aktuelle Stand der Jeremiaforschung, der eine synchrone Analyse nahelege (S. lf u. 10-13). Deshalb untersucht Hill, wie Babylon als Metapher funktioniert und sich in die Textwelt des Jeremiabuches einordnet. Der Metaphernbegriff wird in einem eigenen Abschnitt und dann noch mehrmals im weiteren von Ricoeur abgeleitet. Hill vertritt die These, daß, anders als in der Johannesoffenbarung und im Jesajabuch, wo Babylon Gegenbild zu Jerusalem und Feind Gottes sei, im Jeremiabuch neben dem negativen Bild Babylons ein positives Bild zu finden ist. Babylon ist hier zum einen festgemacht am Vorkommen des Lexems ^ 2 2 und „any other expressions or figures of speech which are used to represent it",16 und zum anderen metonymisch in der Gestalt des Königs. Zunächst wird Jer 1 als hermeneutischer Interpretationsschlüssel für das Buch als ganzes ausgelegt, dieses Kapitel enthält nach Hill einen oft übersehenen metaphorischen Aspekt, der in der Überschrift (1,1-3), in der Figur des Propheten als Metapher für JHWH (1,10) und der Metapher vom Feind aus dem Norden (1,13-16) festgemacht wird. Dazu stellt sich Jer 52 als abschließender Text, der mit Jer 1 das Buch rahmt: es beginnt und endet mit dem Exil 15
HILL, Friend.
16
HILL, F r i e n d , S. 16.
A. I. Wege der
Forschung
9
und sollte aus der Perspektive des Exils gelesen werden. Hier stehen die Themen Gericht und Hoffnung in einer (noch) ungelösten Spannung zueinander. Die ersten Kapitel des Jeremiabuches, Kap. 2-20, sind von Babylon als organisierender Metapher für JHWHs Gericht geprägt, insofern in 20,1-6, der ersten Erwähnung Babylons im Jeremiabuch, viele Motive des Gerichts an Juda aus Kap. 2-20 zusammengefaßt werden. Dann ändert sich das Bild: in Kap. 21-24 erscheint Nebukadnezar als Gottes Verbündeter, während die judäischen Könige negativ oder ambivalent beurteilt werden. In Kap. 24 wiederum ist Juda der Ort, der in einem Exodus zu verlassen ist, so daß regelrecht Juda als Exilsort fungiert. Die Mitte des Buches Jer 25 transformiert die Rolle Babylons: während durch die Datierung zu Beginn ( V . l ) Babylon eine historische Gestalt hat, wird es im Laufe des Textes mystifiziert, insofern der Name nur als Atbasch vorkommt (25,26). Dieser Wandel vom historischen Gegenstand zu einem archetypischen JHWH-Feind ist darin begründet, daß der Text die Schlacht bei Karkemisch (605 v.Chr.) und den Fall Jerusalems (587 v.Chr.) zusammenfallen läßt. Im Rest des Buches kommt Babylon nach Hill eine doppelte Funktion zu: sowohl in Jer 27; 29 als auch in Jer 50-51 wird Babylon metaphorisch mit Juda gleichgesetzt. Nebukadnezar wird wie ein guter judäischer König dargestellt, wie ein Erzvater, wie der erste Mensch in Gen 2 (Jer 27), Babylon soll - zeitlich begrenzt - der Ort sein, an dem sich die deuteronomistischen Verheißungen erfüllen (Jer 29,4—9). Aber Babylon soll auch wie Juda und Jerusalem zerstört werden. Zugleich ist Babylon Ort des Exils und der Unterdrückung, ein Gegenpol zu Jerusalem, der dermaleinst zerstört wird (Jer 25,12-14; 29,10-14; 50-51) und von dem man ausziehen soll. Insbesondere in Jer 50-51 verteilt sich militärische Stärke und Zerstörtwerden auf die Geschlechter: das dominante und mächtige Babylon wird männlich, oft in Gestalt des Königs, dargestellt, das besiegte und zerstörte weiblich, als Stadt, Mutter oder Tochter. Aber, so die Bestätigung der Ausgangsthese, so eindeutig negativ wie in Jes 13-14 und Jes 46-47 wird Babylon in Jer 50-51 nicht dargestellt. Schließlich vertritt Jeremia die Theologie von einem nicht beendeten Exil und die Theologie von einem dezentrierten Jerusalem/Juda.
Zum Thema „Babylon im Alten Testament" sind außerdem mehrere Aufsätze erschienen, die Gesamtüberblicke bieten.17 Robert Martin-Achard hat in einem Aufsatz von 1980 das Babylonbild von Jes 47 mit dem in Jes 13; 14; 21 und Jer 50-51 verglichen und versucht, eine Entwicklung des biblischen Babylonbildes nachzuzeichnen. Dabei sei bereits die Herstellung der zeitlichen Reihenfolge sehr schwierig, weil alle Texte an-
17
Aufsätze, die mehrere Texte zu Babylon behandeln, aber erklärtermaßen nicht alle (z.B.
BEGG, Babylon), werden an der jeweiligen Stelle dieser Studie behandelt.
10
A. Babylon und „Babylon"
onyme Nachträge sind, die z.T. außerdem spätere Einschöbe enthalten. In der Summe der Prophezeiungen sei eine Transformation des historischen Babylon in das apokalyptische Babylon zu beobachten, weil die Rolle der Stadt sich erweitert: sein/ihr Schicksal sei nicht nur für die unmittelbaren Nachbarn, sondern für die ganze Erde und am Ende für das ganze Universum von Bedeutung, was besonders in Jes 13 deutlich werde. Babylon wird also von einer exemplarischen Figur zum Typus der gottfeindlichen Macht und sogar zur Repräsentation des Bösen, was man an den Einfügungen von Jes 14,4a.22f in das Gedicht über den Tyrannen und an einigen Aussagen von Jer 50-51 ablesen könne. Enthoben von irdischer Bedeutung hin zur Gott-Gegnerschaft schlechthin erscheint Babylon dann in der Offenbarung des Johannes." Den Redeweisen Israels über Gott geht Walter Brueggemann nach und stößt dabei auf die große Bedeutung Babylons. Er verweist darauf, daß auch unter persischer Herrschaft Babylon die theologische Metapher für politische Macht blieb und faßt zusammen: „In the OT, the theological struggle concerning public power and divine purpose remains focused on the reality, memory, experience, and symbolization of Babylon."" Für die theologische Bedeutung Babylons im AT führt Brueggemann zwei Gründe an. Der eine liege in der Herausforderung, das babylonische Exil theologisch zu verarbeiten, und der andere im zeitlichen (und kausalen) Zusammentreffen von Exil und Kanonisierungsprozeß. Sowohl das theologische Problem des Exils als auch der literarische Versuch einer Systematisierung warfen das Problem des Erbarmens auf, was in dieser Zeit und wegen dieser Geschehnisse aber das Erbarmen und Nichterbarmen Gottes und Babylons aneinanderbindet. Das erkläre, warum im AT im Zusammenhang mit „Babylon" so oft von Erbarmen die Rede ist.'" Peter Welten hat in seiner 1998 veröffentlichten Antrittsvorlesung Babylon in der Bibel dargestellt und die moderne Wirkungsgeschichte in und anhand von Berlin ausgeführt. Während in frühen Texten Jeremias und bei Ezechiel Babylon mit seinem König Nebukadnezar Werkzeugcharakter habe, entwirft Deutero-Jesaja im Bild der Königin Babel (Jes 47) als Untergangsszenario Babels nach der Eroberung durch Kyros II. (539 v.Chr.). Jes 21,1-10 beinhaltet eine Bearbeitung des Falls Babels aus der Zeit, in der sich der babylonische König Nabonid in der Wüste, in Duma (21,11-15) befand. Dafür seien in Jer 50-51; Jes 13 und den Endstufen von Gen 11 keine historischen Züge Babels mehr erkennbar. Babel ist hier Typos, Chiffre, es sind z.T. (proto-)apokalyptische Texte. Das NT nimmt in Offb 17-18 das AT auf und fügt konkrete Züge aus dem eigenen Zeitbezug hinzu. Im modernen Berlin seit der Wende zum 19. Jahrhundert wird Babel einerseits in der bildenden Kunst in 18
2
EsaTe 47. Mercy, S . 1 3 . Mercy.
MARTIN-ACHARD,
" BRUEGGEMANN, " BRUEGGEMANN,
A. I. Wege der Forschung
11
seinem biblisch-dämonischen Bild weiter illustriert, andererseits in der politisch gelenkten Archäologie als historisch macht- und prachtvolles Großreich wiederentdeckt und daher positiv gewertet. Es ist vor allem die Zerstörung Jerusalems 587 v.Chr., die Babels prominente Rolle unter den anderen ChiffreStädten wie Ninive oder Sodom hervorhebt.2' 1999 erschien ein Tagungsband der Deutschen Orient-Gesellschaft zum Thema Babylon unter interdisziplinärer und insgesamt weitgefaßter Perspektive. Drei Aspekte Babylons stehen im Vordergrund: zum einen allgemeine Geschichte, kulturelle (archäologische und schriftliche) Hinterlassenschaft der Stadt, die Herrscher und deren Wirkung in der Geschichte Mesopotamiens; zum anderen das Weiterleben und die Wirkung babylonischer Kultur; zum dritten der Mythos, die Metapher „Babylon" bis heute." Darin ist der bislang jüngste Beitrag zu Babylon im AT von Reinhard Kratz21 enthalten: Im groben beginne die Beschäftigung Israels mit Babylon, als Nebukadnezar das erste Mal vor den Toren der Stadt Jerusalem steht (598/7 v.Chr., S. 478f). Seine Truppen würden von Jeremia in Jer 6,1,22-23a beschrieben als Feind aus dem Norden und nach dem Untergang Judas dann in 50-51* offen im Babel-Orakel mit Gerichtsaussagen belegt. Die gesamte nachfolgende Geschichte Israels in und mit Babylon werde nun in Texten gespiegelt: Um die Zerstörung Jerusalems adäquat zu vergelten, wird zur Metapher der Tochter Zion, die in der Zerstörungserfahrung Judas entstand, eine Tochter Babel entworfen, die in Jer 50-51 und Jes 47 zunächst als Königin gezeichnet wird, um dann entmachtet und entblößt zu werden.24 Als das Gericht an Juda eingetreten war, ging es nun um die Anerkennung der Wahrheit Gottes im Prophetenwort und damit um die Anerkennung Babylons als Oberherrschaft. Dies zu unterstreichen ist die Funktion von Jer 27,5f.8.11; Jer 32,15 und Jer 29,5-7. Man erkannte den Status quo an und erklärte Nebukadnezar zum auserwählten „Knecht" Gottes. Nachdem Juden die persische Erlaubnis zum Wiederaufbau des Tempels bekommen hatten, entstanden Prophezeiungen, die die babylonische Weltherrschaft auf 70 Jahre begrenzten. Insgesamt liege historische Detailtreue nicht im Interesse der biblischen Texte.2'
21
WELTEN, B a b y l o n .
22
RENGER, B a b y l o n , S . U .
25
KRATZ, B a b y l o n .
24 Mit den Zwischengliedern Jes 47,10 LXX; Jes 23,15-18 und Nah 3,4-5 tat die Johannes-Offenbarung nur noch den einen Schritt, von der Strafe auf das Vergehen zu schließen, um auf die Vorstellung der „Hure Babylon" zu kommen (KRATZ, Babylon, S. 484). ' Bei den drei letzten Artikeln konnte nur die Argumentations//'n/e wiedergegeben werden. Alle drei Beiträge zeichnen sich durch eine Vielzahl von besprochenen Bibelstellen aus. Die jeweiligen Einzelargumente oder -gedanken kommen im folgenden an der passenden Stelle zur Sprache.
12
A. Babylon und „Babylon"
(K)ein Forschungsstand Auffallend ist an den eben vorgestellten Beiträgen, daß sie verschiedensten Hermeneutiken, Methodiken und Ausrichtungen verpflichtet sind, so daß Vergleiche vor gewissen Schwierigkeiten stehen. Und doch ist es erstaunlich, wie wenig die einzelnen Beiträge aufeinander Bezug nehmen, auch wenn sie ähnlich ausgerichtet sind, eine wirkliche Diskussion des Themas „Babylon" in den biblischen Texten also kaum stattfindet. Das ist sicherlich auch den verstreuten Veröffentlichungsorten und -kontexten geschuldet und muß nur wenig am Thema „Babylon" liegen, sondern ist m.E. bei einer Vielzahl von Forschungsbereichen ein allgemeines Phänomen. Die Forschung ist im Vergleich von deutschsprachiger und internationaler Exegese disparat, insofern deutschsprachige Arbeiten nur wenig internationale Studien zu Rate ziehen, aber auch anglo-amerikanische Veröffentlichungen deutschsprachige Ergebnisse hauptsächlich aus der klassischen Zeit bis etwa von Rad aufnehmen.2' Ebenfalls wenig gegenseitige Wahrnehmung weisen feministische und nichtfeministische Arbeiten auf. Deshalb kann man m.E. auch nicht von einem „Forschungsstand" sprechen, den ich hier kurz darstellen und dann weiterfuhren könnte. Ein Ziel dieser Arbeit ist es daher auch, diese verschieden ausgerichteten Forschungsbeiträge zusammenzuführen. Eine Studie zu Babylon in der Bibel ist also gewissermaßen eine synkretistische Arbeit, womit sich bereits hier Eigenschaften Babylons in seiner Beobachtung niederschlagen. In diesem Zusammenhang ist es auch kein Wunder, daß Babylon auf so vielen hermeneutischen und methodischen Feldern eine Herausforderung darstellt. Alle eben vorgestellten Beiträge zusammengenommen, bieten, was die Beobachtung „Babylons" angeht, viele der Themen, die auch in der vorliegenden Studie eine Rolle spielen: Babel und andere topographische Größen (Hartberger); Babel und die Veränderung des Babelbildes (Martin-Achard) im Laufe der Formgeschichte (Lohmann) oder der Redaktionsprozesse (Bosshard-Nepustil; Kratz) bis hin zum Babylonbild der Moderne (Welten), Babel als Metapher (Hill) und die Theologie Babels (Brueggemann). Eine Studie zu allen biblischen Babylontexten in einer Gesamtschau gibt es bislang nicht."
26
Es gehört zu den Beschränkungen dieser Arbeit, außer anglo-amerikanischen selbst nur wenige französischsprachige und keine anderssprachige Forschungen zu Rate zu ziehen. 27 Arbeiten zu topographischen Größen nehmen zumeist historische Fragestellungen in den Blick. Jüngst hat KESSLER, Ägyptenbilder, eine Studie zu den verschiedenen Images Ägyptens in den biblischen Texten vorgelegt. Zielpunkt seiner Studie ist zugleich, einen Beitrag in der Monotheismusdebatte um die Thesen Assmanns zu liefern. Die Texte werden in verschiedene Diskurse eingeteilt, in denen Ägypten eine Rolle spielt. Das bietet sich deshalb an, weil die dadurch gewonnenen Ägyptenbilder relativ nebeneinander stehen. Das ist bei Babylon nicht der Fall.
A.l.
Wege der
Forschung
13
Trotz der in der dargestellten Literatur vorherrschenden Diversität von Meinungen ist ein gewisser Konsens über literargeschichtliche Abhängigkeiten der Babeltexte voneinander durchaus, allerdings verstreut, zu beobachten, z.B. geht Baltzer davon aus, daß die Texte Jes 13-14 und 21 eine Rolle gespielt haben bei der Beschreibung des Untergangs Babylons in Jes 47.28 Auch Westermann meint, daß Jes 13; 14; 47; 46,1-2 und Jer 50-51 „zusammengehören", die Texte wiesen Berührungen, aber auch wesentliche Abweichungen auf.2' Insgesamt waren Abhängigkeiten der Texte Jes 13; 14 und 21 immer wieder Thema. Erlandsson, O'Connell und Uehlinger stellen in der Folge von Rads und Westermanns fest, daß Gen 11 und Jes 14 „verwandt" bzw. mindestens ähnlich sind.30 Ebenfalls sind Jer 25 und 50-51 „verwandt", und Jer 5051 nimmt seinerseits Jes 13; 14 auf sowie Gen 11 und Psalm 137. Jer 50-51 wird denn auch als Text angesehen, der alle bisherigen zusammenfaßt. In relative Vergessenheit der modernen Forschung sind ältere literarkritische Arbeiten geraten, von denen die bekannteste noch Buddes Auslegung zu Jer 5051 ist." Budde selbst hat ausführlich dafür argumentiert, daß Jer 50-51 einige seiner Ideen und Motive aus Ezechiel entlehnt habe, z.B. Ez 35,3ff in Jer 51,25f.32 Am meisten habe der nachahmende Dichter in Jer 50-51 von Jes 13f entnommen, sodann auch von Jes 21,1-10 und Jes 34f." Aus Jes 40-66 führt er nur verstreute Einzelstellen an (S. 447),54 aber auch Nah 3,8-18 (S. 449) und jeremianische Texte aus Jer 1 ^ 9 (S. 451^455), von denen Jer 25 allerdings nur summarisch unter den Texten, „die verhältnismäßig zahlreiche Anklänge bieten",'5 erwähnt wird. Budde gibt zudem ganze Diskussionen um die Abhängigkeiten zwischen Jesaja und Jeremia wieder, die anhand der Texte Jes 13; 14; 21,1-10; 40-66 und Jer 50; 51 geführt wurden.36 Literar- und re-
28
BALTZER, Deutero-Jesaja, K A T , S. 22. Er nimmt außerdem an, daß e s eine S a m m l u n g
v o n Babel-Sprüchen gab, die dann insbesondere in die Fremdvölkerzyklen Jesajas und Jeremias Eingang fanden und nimmt dabei eine Arbeit von HAYES (The U s a g e o f Oracles Against Foreign N a t i o n s in A n c i e n t Israel. In: JBL 87 ( 1 9 6 8 ) S. 8 1 - 9 2 ) aus d e m Jahr 1968 auf (BALTZER, Deutero-Jesaja, K A T , S. 3 2 8 , bes. A n m . 6 u. S. 3 4 4 ) . Auch dies ist in der Forschung bislang nicht weiter a u f g e g r i f f e n worden. D i e Validität dieser im wörtlichen Sinne redaktionsgeschichtliche T h e s e ist nicht auszuschließen, soll hier aber nicht weiter verfolgt werden. 29
WESTERMANN, Jesaja 4 0 - 6 6 , A T D , S. 153.
3
" ERLANDSSON, Bürden, S. 157; O'CONNELL, Ironie Reversal, S. 4 1 2 -417; UEHLINGER,
Weltreich, S. 5 3 7 - 5 4 5 . 31
BUDDE, U e b e r die Capitel.
32
BUDDE, Ueber die Capitel, S. 4 3 6 - 4 3 9 .
33
BUDDE, Ueber die Capitel, S. 4 4 0 - 4 4 7 .
34
Jes 4 2 , 2 2 - 2 5 (in Jer 5 0 , 7 . 1 0 . 3 3 ; 5 1 , 3 4 ) ; Jes 4 6 , l f f (in Jer 5 0 , 2 . 2 1 ; 51,27); Jes 4 8 , 2 0 (in
Jer 50,8); Jes 52,11 (in Jer 5 1 , 4 4 ) ; Jes 5 2 , 4 (in Jer 5 0 , 1 7 b ) und Jes 5 4 , 4 . 5 (in Jer 51,51.5; 50,34). 35
BUDDE, U e b e r die Capitel, S. 4 5 5 .
36
D e n A n f a n g muß d e m n a c h w o h l JAHN, Einleitung ins A.T., 2. Auf. 1803 II. S. 4 6 3 - 6 7
(zit. nach BUDDE, Ueber die Capitel, S. 4 3 9 ) gemacht haben, mit der Argumentation für die
14
A. Babylon
und„Babylon"
daktionskritische Überlegungen dieser Art nehme ich wahr, führe sie aber nicht selbst durch. Mir geht es um die Analyse des Bildes, das von „Babylon" in den biblischen Texten gezeichnet wird, und deshalb um die Endtextgestalt. Aus diesem Forschungsüberblick ergibt sich aber nicht nur - wie am Anfang einer jeden Dissertationsschrift - ein Forschungsdesiderat, sondern auch eine Reihe bedenkenswerter hermeneutischer Beobachtungen, von denen ich drei Aspekte zur Intertextualität Babylons hier anspreche. Intertextualität als
Notwendigkeit
Biblischen Babylon-Texten eignet eine inhärente gegenseitige Beziehung. Das belegen nicht nur sporadische Bemerkungen, sondern auch die Anlagen der Arbeiten zu Babylon: Hartberger und Hill legen über ihren eigentlichen Textgegenstand hinaus noch mehrere Texte zu Babylon (und Edom) bei den Propheten aus." Studien zu Einzeltexten sehen sich zu Exkursen und Zusatzkapiteln zu anderen Babylon-Texten genötigt: Erlandssons Dissertation zu Jes 13,2—14,23" enthält ein Kapitel zu Jer 50-51, Gosse ordnet in seiner Studie™ zu Jes 13,1-14,23 den Text sowohl in den Kontext des Jesajabuches als auch in die Tradition der Fremdvölkersprüche ein, dazu liefert er auch ein Kapitel zu Jes 21,1-10. Seine Rekonstruktion der Textentstehung von Jes 21,1-10" (und anderen Texten) stützt sich massiv auf die Beobachtung gemeinsamer Motive und Begriffe: die Entstehung von Jes 21,1-10 verdanke sich in Teilen Hab 2,1 ff, Jes 21,1-10 ist in Jes 13 und Jer 50-51 verarbeitet worden, das prophetische Ich in Jes 21 sei dasselbe wie das in Jes 61,1 ff, und seinen endgültigen Ort erhielt Jes 21,1-10 als Antwort auf Jes 22,1-14. Vor dieser Beobachtung erscheint intertextuelles Arbeiten nicht als bloß anwendbare, sondern als notwendig anzuwendende Methode, um auch nur einzelnen Texten gerecht zu werden. Wie wenn man ein Netz hochhebt, ist es gleich, von welchem Ende her man zugreift, alle Maschen hängen aneinander. Nur wenn man dieses Netz auseinanderfaltet, werden die Struktur und überhaupt die Tatsache, daß es sich um ein Netz handelt, sichtbar. Die Texte zu Babylon bilden ein solches Netz eine Textur, alle zusammen betrachtet zeigen ein Muster.
Echtheit der Jesajatexte; dem haben dann KÜPER, HÄVERNICK, NÄGELSBACH, VON CÖLLN und GESENIUS weitere Aspekte und (Gegen)argumente hinzugefügt (ebd., S. 439f)37 Verkomplizierend kommt hinzu, daß die engen Text-Text-Bezüge nicht nur ein Kennzeichen der Babel-Texte sind, sondern auch Charakteristikum derjenigen prophetischen Texte, die sich mit weiblichen Stadt-Personifikationen befassen: BAUMANN gelangte von einer Exegese des Nahumbuches zu einem Exkurs über prophetische Ehemetaphorik und von da aus zu einer ganzen Monographie (BAUMANN, Liebe, S. 9). ,8 ERLANDSSON, Bürden. " GOSSE, Isaïe 13,1-14,23. 40
GOSSE, L e , M o i ' p r o p h é t i q u e .
A. 1. Wege der Forschung
15
Intertextualität als Argument
Gleichzeitig wird die Übereinstimmung zwischen Texten oft als Argument herangezogen, um eine Unklarheit im gerade diskutierten Text zu vereindeutigen. Dabei steht unausgesprochen im Hintergrund, daß diese Texte in denselben Zusammenhang gehören. Beispiele dafür werden noch in der Einzeltextanalyse aufgeführt. Hier sollen nur einige übergreifende genannt werden: Macintosh vertritt die These, daß Jes 21 seine heutige Textgestalt erreicht hat, weil Jes 21* in Jer 50f aufgenommen wurde.41 Dies habe dann die Relektüre von Jes 21* im 6. Jh. im Angesicht des Siegeszugs Kyros II. vor 539 v.Chr. beeinflußt. Die Texte Jes 21 und Jer 50-51 seien also aneinander gewachsen. Das betreffe sowohl die Textgestalt selbst als auch Textlektüren in ihrer historischen Wandlung, wie z.B. in Jes 21,1: Macintosh beläßt den Textbestand von 21,1a, ändert aber die Bezüge: im 8. Jh. ist die Überschrift NÖC. 42 Das nachfolgende C heißt hier nicht Meer, sondern C - „Sturm" und ist das Subjekt von V.lb: „A storm sweeping along like whirlwinds in the Negeb, has come from the wilderness ,..".43 Jer 51,42f präsentiert dann die Vorstellung, daß Babylon vom Meer überflutet wird. Das hat Verwüstung und Austrocknung zur Folge: „Es ist angestiegen über Babel das Meer, und mit dem Getöse seiner Wellen wurde sie bedeckt. Ihre Städte wurden zu Entsetzen, zu einem Land der Trockenheit und Wüste, zu einem Land, in denen sich kein Mann niederläßt, und durch das kein Mensch hindurchzieht." (Jer 51,420
So kann durch Jer 51,42f in Jes 21,1 im 6. Jh. C als „Meer" gelesen und doppelt bezogen worden sein: „Oracle, Desert of the Sea. The sea, like whirlwinds sweeping along the Negeb, has come [...]."44 Ein weiteres Beispiel ist 21,2a. Macintosh übersetzt V.2a des 8. Jh.s folgendermaßen: „a harsh vision is told to me: the treacherous deals treacherously and the devastator devastates." Das Partizip XHn beziehe sich auf die Allianz um Merodach-Baladan inklusive Hiskia und Juda, "HÖH auf Sanherib (besonders wegen Jes 33,1). Nun ändert sich die Textlektüre aufgrund folgender neuer Aspekte: in Jer 51,55f.53.25 kommt der Ausdruck T1Ö vor, Jes 33,1 wird auf Babylon hin gelesen, und der Targum zu Jes 21,1 liest die Sätze als Passiv. So wird derselbe hebräische Text im 6. Jh. anders verstanden, die Lexeme semantisch anders zugeordnet: „A harsh vision is told to me: there is one dealing treacherously with her who dealt treacherously (with us); there is one devastating her who devastated us".45 41 Die Überarbeitung (MACINTOSH, Isaiah xxi, worden. 42 MACINTOSH, Isaiah 43 MACINTOSH, Isaiah 44 MACINTOSH, Isaiah 45 MACINTOSH, Isaiah
hin zum Endtext sei zusätzlich durch andere Texte wie Jes 22,13 S. 122, zu Jes 21,5) und Hab 2, Iff (S. 124, zu Jes 21,6ff) beeinflußt xxi, xxi, xxi, xxi,
folgt hier DRIVER, s. ebd., S. 9. S. 116f. S. 118. S. 118f.
16
A. Babylon und „Babylon"
Charakteristisch für die Zuhilfenahme anderer Texte, um die Schwierigkeiten eines Textes zu beheben, ist auch die Argumentation von Berges, er begründet seine Auffassung, daß zumindest in Jes 24,10-12 und 25,2 Babylon die „Stadt" sein müsse, mit sechs Argumenten: „- Keine andere Stadt im Tanach ist Ziel solch offener Aggressionen (vgl. Jer 50-51; Jes 13,114,23; 21,1-10; 46-47). - Das rr2üT f ' S n in 24,1b weist auf die dreimalige Verwendung von j'13 in der Babelepisode (Gen 11,4.8.9) hin; darüber hinaus erinnern die Alliterationen in 24,4 an die in Gen 11,1-9. Wenn auch mit unterschiedlichen Formulierungen, so stimmen 13,9 und 24,6 dahingehend überein, daß die Sünder dem Gericht anheimfallen und nur wenige Menschen gerettet werden. - Im Kontext des Buches kann Inn m p (24,10) keine andere Stadt als Babel meinen, denn Inn verweist mit 41,29 und 44,9 auf die Babelkapitel in 40-48. - Die Kontrastierung der gefallenen Stadt Babel (24,10-12; 25,1-5; 26,5) mit der Gottesstadt und dem Zion (24,23; 25,6.10a; 26,1-4) hat ihre Entsprechung in der Gegenüberstellung der im wahrsten Sinne des Wortes heruntergekommenen ,Tochter Babel' (47,1 "II) und der aus dem Staub erhöhten .Tochter Zion' (vgl. 52,1-2; 54,1-3). - Die alternierende Gegenüberstellung der zerstörten Stadt mit der Zionsstadt in 24-27 ist ein deutliches Indiz dafür, daß im Hintergrund ein aktueller Zeitbezug steht; ist dem so, dann bieten sich Babels Niedergang und der Wiederaufbau Jerusalems besonders an."
Unabhängig davon, ob in Jes 24,10—12; 25,2 Babylon gemeint ist oder nicht, zeigt dieses Zitat, wie sehr Beobachtungen an einem Text die Auslegung des anderen Textes prägen. Deshalb sollen im folgenden die Texte, die sich im AT mit Babylon befassen, einzeln und dann allmählich mit Rekursen aufeinander ausgelegt werden. Interessanterweise gehören ähnliche Aussagen und Motive in BabylonTexten zu literarkritisch signifikanten „Doppelungen", es wird also zuweilen mit einem wohl textlich systematisierten Bild Babylons gearbeitet. Gerade die BHS ist hier bekanntermaßen vorsichtig und umsichtig. Wenn aber zu gewichtende Differenzen zwischen MT und besonders LXX bestehen, kommt dieses Ähnlichkeitsargument zum Tragen: So schlägt BHS z.B. im Anmerkungsapparat zu Jer 50,2 vor, die Aufforderung „erhebt das Schlachtzeichen" zu streichen, weil es im erschlossenen hebräischen Text der LXX nicht enthalten ist, dafür aber in Jes 13,2 und Jer 4,6, einem Jer 50-51 entsprechenden Text über Jerusalem. Als zweites Beispiel mag Jer 50,8 dienen: In der Differenz zwischen MT, der in Jer 50,8 „Leitböcke" bietet, und LXX, die 5pdKOVT£- A u s der L e k t ü r e v o n BAILs Beitrag über Susanna er-
geben sich m.E. eine Reihe von Parallelen zum Text über die „Hure Babylon". Beide werden im Laufe des Gerichts entblößt (Offb 17,16), voyeuristisch betrachtet (Offb 17,3-6) und zum Tode verurteilt, ohne angehört zu werden. Aber die unschuldige Susanna wird im Gegensatz zur schuldigen „Hure Babylon" gerettet, weil sie sich wehrt, indem sie zu Gott schreit, und Daniel ihr zu Hilfe kommt und das Unrecht wieder ins Recht setzt. Die Schuldige schreit nicht, an ihr wird das Gericht vollzogen, wobei die jeweils beteiligten Richtenden andere sind: bei Susanna sind es ,böse' Männer, bei der „Hure Babylon" Gott und die Männer, die er einsetzt. Am Ende jubelt beidesmal die ganze Gemeinde (Dan 13,60; Offb 19,1 ff). Unter die „gängigen Materialien, die zur Ausgestaltung erotischer Szenen seit je üblich waren" zählt KÜCHLER, Schweigen, S. 216, unter anderen: „Beschreibung des Schmucks [...], Schaffung eines Kontextes von Ausgelassenheit durch Wein, Geld [...], Luxus und Verruchtheit." 63 Ähnlich LOHMEYER, Offenbarung, HNT, z.St.; RUIZ, Ezekiel, S. 338-340, 51 lf u. 350f: „reflection on the vision as a i^UGTiipiov is the only way out of 0a"G|j.a" (S. 351).
B.I.2. Der Prophet und die Hure
71
In jedem Fall greift auf das Staunen Johannes' hin ein Engel mit einer m.E. konsternierten Rückfrage ein, und das ist eine mögliche Erklärung für das Ungleichgewicht zwischen Vision und Deutung: Auf die Schilderung dessen, was Johannes sah (17,3-6) erfolgt nun die Deutung dessen, was er hätte sehen sollen, wenn er sich nicht in den Anblick der Frau vertieft hätte.64 Tatsächlich sollte man meinen, daß ein scharlachrotes Tier behangen oder beschrieben mit blasphemischen Namen, mit 7 Köpfen und 10 Hörnern, einen Menschen weit mehr in Erstaunen versetzt als eine reiche betrunkene Frau. Im folgenden geht es lange um das Tier, die Deutung von Einzelheiten der Hure Babylon erfolgt nicht, erst am Ende ist wieder von ihr bzw. ihrem brutalen Schicksal die Rede. Es wird dabei zuerst das Ergehen Babylons geschildert, und erst dann ihre Deutung, ihre Identität genannt. Der Prophet selbst bezeichnet die „Hure Babylon" immer nur als Frau, „Hure" wird sie vom Engel genannt.65 Kap. 18- Die
Botenberichte
Wo Johannes eine Frau sah, schauen die anderen Beteiligten in Kap. 18 eine Stadt, wiedergegeben in zwei Reden und einer Symbolhandlung. Zunächst erscheint ein mächtiger Engel (18,1-3), der an die Engelsbotschaft von 14,8 anknüpft. Quasi als Neubeginn wird das Gerichtswort erneut zitiert und ausgeschmückt. Wie in Kap. 17 verlautet erst ihr Urteil (18,2), und dann ihre Schuld (18,3), wieder ist das Zukünftige Vergangenes. Ging es in 18,1-3 noch um den Niedergang der Stadt, behandelt die Rede der anderen Stimme in 18,4—20 auf mehreren Ebenen und aus mehreren Blickwinkeln ihren Untergang. Dieser wird vorbereitet durch die Aufforderung an das Gottesvolk zum Exodus (18,4) ähnlich den Aufrufen aus Babylonien in Jes 48,20; 52,11 oder dem untergehenden Babylon in Jer 50,8; 51,6.45 und einer Gerichtsaufforderung (18,5-7a). Nun erfolgt ein Perspektivenwechsel, denn es kommen in wiedergegebener Rede nicht nur die „Hure Babylon" selbst (18,7b), sondern auch jene Männer zu Wort, die die „Hure Babylon" ganz anders als die Engel wahrgenommen haben: die Könige (18,10), die Kaufleute (18,16-17a) und die Schiffsleute (18,18b. 19b).66 Während die Sätze der „Hure Babylon" präsentisch sind, bezeichnen die parallel aufgebauten Weherufe der drei Freiergruppen allesamt etwas bereits Gesche64 Die Beobachtung, daß 17,1-2 etwas ankündigt, was erst in Kap. 18 folgt, und daß 17,3— 6 eine Vision enthält, in 17,7-18 aber etwas anderes gedeutet wird, macht eine ganze Reihe von Forschern und Forscherinnen, meist mit der Erklärung verschiedener Quellen bzw. Textstörungen, s. z.B. C H A R L E S , Revelation, I C C , Bd. 2, S. 58f u. 62; L O H M E Y E R , Offenbarung, HNT, S. 138; RJSSI, Geschichtsauffassung, S. 82. 65 RUIZ, Ezekiel, S. 349. 66 Daß 18,4-20 die Rede einer Figur ist, wird hauptsächlich in der angloamerikanischen Forschung betont (s. C O L L I N S , Taunt-Song, S. 192, u. dies., Crisis, S. 116; B A U C K H A M , Climax, S. 340f).
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B.I. Die Zusammenschau: Offenbarung 17-19
henes, Vergangenes: In einer Art Mauerschau67 beklagen sie die Vernichtung der Stadt und liefern so quasi einen Authentizitätsbeweis für ihre tatsächliche Zerstörung, zumal in ihren Klagen die Formulierung aus dem Urteil V.8 wieder aufgenommen wird. Der relative Zeitpunkt der Klagen ist freilich unterschiedlich: die Könige und die Kaufleute klagen in der Zukunft (V.9f. 15), die Kaufleute noch einmal in der Gegenwart ( V . l l ) und die Seeleute bereits in der Vergangenheit (V.17b-19b), so daß am Ende des Textabschnitts die beklagte Vernichtung vollendet ist." Aus einer (unfreiwillig) eschatologischprophetischen Klage, die im voraus gesungen wird," wird eine, die tatsächliche Vernichtung betrauert. Jede dieser Gruppen hat spezifische Vorzüge in der Hure gesehen, die in der stereotypen Klage benannt werden: Stärke (Könige, V.10), luxuriöse Kleidung (Kaufleute, V.16) und Kauf- und Wirtschaftskraft (Seeleute, V.19).70 Die Attribute der Hure haben sich durch die veränderte Wahrnehmungsposition im Vergleich zu der der Engel aus dem Himmel (18,1.4) verschoben. Hatten die Gegner der „Hure Babylon" die vermeintlich wahre, aber verborgene Identität, ihr „Geheimnis", wahrgenommen, sehen ihre Freier an ihr Äußerlichkeiten, und zwar solche, die sich aus ihrer jeweiligen Gruppenidentität ergeben. Die Sätze sagen mehr über ihre Sprecher aus als über ihr Objekt. Trotzdem ist in buchstäblicher und übertragener Hinsicht noch nicht einmal dieser oberflächliche Blick der Männer direkt und unverstellt: sie sehen die Hure ausdrücklich nur von „fernab" (V.10.15.17), außerdem stehen sie in erotischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu ihr (z.B. 17,18b). Für die Wahrnehmung der „Hure Babylon" ist die merkwürdige Aufzählung von 18,11-14 auffällig: es wird ausgemalt, was die Hure den Kaufleuten nicht mehr abkaufen wird, und plötzlich springt der Text in die direkte Anrede an die „Hure Babylon": „Und das Obst, für deine Seelenbegierde ist von dir gegangen, und alles Fette und Helle wird dir verloren sein. Und ganz gewiß nicht mehr finden sie es." (18,14)
67
ROLOFF, Offenbarung, ZBK, S. 174. COLLINS, Taunt-Song, S. 203, zieht die Verbindungen zum antiken Drama noch weiter, sie spricht von Pathos und dramatischen Effekten. RUIZ, Ezekiel, S. 393-482, bes. S. 393, bezeichnet ähnlich die verschiedenen Redeteile in Kap. 18 als „dramatic monologues" im Gegensatz zum „liturgic dialogue" 19,1-10, s. ebd., S. 482-504. 68 BAUCKHAM, Climax, S. 341, meint, die unterschiedlichen Zeitstufen tragen der Lebendigkeit der Szene Rechnung und schließt sich damit COLLINS, Taunt-Song, S. 196, an. KRAFT, Offenbarung, HNT, S. 234, meint, das sei „vielleicht nur poetische Abwechslung [...], vielleicht aber auch die Verdammung Babels in alle Ewigkeit". 65 JAHNOW, Leichenlied, S. 162. 70 Ähnlich LOHMEYER, Offenbarung, HNT, S. 151; KRAFT, Offenbarung, HNT, S. 235; BAUCKHAM, Climax, S. 372 u.a.
B.I.2. Der Prophet und die Hure
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Dieser Vers" benennt zum ersten Mal im Text eine Emotion der Hure, es ist von ihrer Lust die Rede und zwar eigentlich positiv. Das Personalpronomen „du" fallt nicht weniger als dreimal, und zwar jedesmal im Genitiv: für die „Hure Babylon" soll es für nichts außer dem Gericht mehr einen Genitivus possessivus geben, sondern allenfalls noch einen Genitivus separationis. Interessanterweise gibt es zu 18,14 auch keine alttestamentliche Parallelstelle bzw. Quelle. Aber auch hier kann die Hure nur durch männliche Augen gesehen werden. V.20 ist zu den Weherufen fast parallel aufgebaut72 und knüpft als Aufforderung an Gottes Volk gleichzeitig an die Gerichtsaufforderungen (V.4.6.7a) an mit dem Unterschied, daß nun ein Fortschritt in der Handlung erreicht ist. Sollte zuvor das Urteil vollstreckt werden, geht es nun - sachlich in Adversation zu den Klagen der Freier73 - um die freudige Reaktion über das vollstreckte Urteil. Ab Vers 21 schwenkt die Perspektive wieder zu den Engeln zurück. Ein „starker Engel" vollzieht eine prophetische Symbolhandlung, die sich in V.2474 bewahrheitet/„realisiert".75 Die Prophezeiung, die die Symbolhandlung begleitet, beinhaltet die Wahrnehmung der „Hure Babylon": Hier wird sie mehrfach direkt angesprochen, sie soll nicht mehr gefunden werden (V.21), was in den folgenden Versen im einzelnen ausgeführt wird. Nichts wird mehr gehört oder gefunden, kein Licht ist erkennbar: die Vernichtung der Hure ist total. Die Ausmalung des Ergehens in diesem symbolischen Prozeß ist befremdlich. Musiker, Handwerker, Geräusche der Mühle, Licht der Lampe,
71
In der jetzigen Textgestalt ist Sprecher, Sprecherin von 18,11-15 die Stimme aus dem Himmel selbst. Allerdings vermutet eine Reihe von Kommentatoren, Kommentatorinnen einen Abschreibefehler, ursprünglich gehöre 18,14 zwischen V.21 und V.22 (s. BOUSSET, Offenbarung Johannis, KEK, z.St.; CHARLES, Revelation, ICC, Bd. 2, z.St.; LOHMEYER, Offenbarung, HNT, z.St.; LOHSE, Offenbarung, NTD, z.St.; KRAFT, Offenbarung, HNT, z.St.; ROLOFF, Offenbarung, ZBK, S. 177). Tatsächlich entspricht die Anredeform in 18,14 der in 18,21-24. 18,14 paßt aber m.E. nicht in die Komposition der Verse 21-24, s. dazu u. 72 Zum Vergleich der Weherufe RUIZ, Ezekiel, S. 412, 420-422 u. 444. 73 WENGST, Pax Romana, S. 156, stellt sogar einen direkten Zusammenhang her: „Erst wenn die auf die Stadt ,Babylon' Fixierten, mit gebanntem Blick auf ihren Untergang starrend, in Wehklagen ausgebrochen sind, erschallt für sie [die Märtyrer] die Aufforderung zum Jubel". 74 Wer der Sprecher von V.24 ist, ist unklar. 75 STRAND, Judgment, S. 53-57, hat m.E. überzeugend die parallele Struktur von 18,1-3 u. 18,21-24 betont mit einer Ankündigung des Untergangs (l-2a.21); Ausführungen zu ihrem Innenleben (2b.22-23a) und ihrer Schuld und Beziehung zu anderen Gruppen (3.23b-24); ähnlich auch Ruiz, Ezekiel, S. 481. Strands Vorschlag einer chiastischen Struktur für das ganze Kap. 18 scheitert m.E. aber an V.20. Ähnliche Probleme hat SHEA, Chiasm, der in seiner Analyse der literarischen Formen auf Strand aufbaut. Dazu kommt, daß m.E. eine von Shea vorgeschlagene chiastische Struktur durch abwechselnde Drohworte und Hymnen in Offb 18 nicht gegeben ist.
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B.I. Die Zusammenschau:
Offenbarung
17-19
Stimmen von Braut und Bräutigam sind durchweg positiv besetzte Elemente einer Stadt. Daß ein so freudig-freundliches Fest- und Alltagsleben in dieser Stadt existierte, die „Hure Babylon" also positive Attribute hatte, wurde zuvor nicht gesagt. Die mehrfach und mehrschichtig verstellte Wahrnehmung der Hure und ihrer Vernichtung,76 die das ganze Kap. 18 prägt, wird ganz aufhören, mit dem Rauch, der im Jubel der Engel und Heiligen gen Himmel steigt, wird sich die Hure gänzlich in Luft auflösen (19,3). Kap. 19- Vernichtung mit Zuschauer Im Himmel ruft die Zerstörung der „Hure Babylon" Jubel hervor, wobei die Wahrnehmung Johannes' etwas getrübt scheint, er hört ezechielisch nur etwas wie eine Stimme (19,1.6).77 Die Jubelnden sind die 24 Ältesten, die vier Gestalten, eine Stimme vom Thron, die Stimme einer großen Schar, großer Wasser und starken Donners. Sie haben der Vernichtung wohl zugeschaut, und während der Rauch vom Brand der Stadt-Frau Babylon in Ewigkeit aufsteigt, wird die Braut Jerusalem auf ihre Hochzeit mit dem Lamm vorbereitet. Dieser Text über den Jubel über die Zerstörung der gottfeindlichen Macht nach dem Exodus des Gottesvolkes trifft eine Gegenaussage zu einem anderen Text, dem über den Tod der Ägypter beim Durchzug Israels durch das Schilfmeer. In bSanh39b; bMeg 10b u. Midr Ex rabba heißt es zu Ex 15,1, die Engel im Himmel wollten - wie die Israeliten und Israelitinnen - ein Loblied auf Gott anstimmen. Gott untersagte es aber seinen Engeln mit der Begründung, daß der Untergang der Ägypter als seine Geschöpfe kein Grund zum Jubeln sei - jedenfalls nicht für die unbeteiligten Engel.78 In Offb 19 aber jubeln nicht nur die Engel im Himmel, sondern auch die ganze Schöpfung über die Vernichtung der „Hure Babylon". Eine ähnliche Reaktion auf die Vernichtung des gottfeindlichen Heers (19,17-21), oder des Satans mit seinem Propheten (20,7-10) wird in der Offenbarung nicht wiedergegeben. Zum Vergleich - Die Wahrnehmung der „ Braut Jerusalem " Ganz ähnlich zur Wahrnehmung der „Hure" „Babylon" wird aus dem Mund eines Engels (19,7f) und in einer Vision (21,1-8) die eigentliche Schau der 76 ROLOFF, Offenbarung, ZBK, S. 174, charakterisiert Kap. 18 folgendermaßen: die Schilderung des Gerichts „beschränkt sich darauf, gleichsam den äußeren Rand des mächtigen Kraters, der durch Gottes Vernichtungshandeln aufgerissen ist, abzuschreiten, indem sie das Geschehen ankündigen, kommentieren und seinen Vollzug symbolisch andeuten läßt". 11 Entsprechend dem Kompositionsprinzip des Gesamttextes (s.o.) ist nicht sicher, ob es sich dabei um eine Variation von 14,2 handelt, oder um eine ähnliche Wortwahl zweier verschiedener Erfahrungen. 78 S. dazu EBACH, Klage vor Gott, S. 80-82.
B.I.2. Der Prophet und die Hure
75
„Braut" „Jerusalem" (21,9-22,5) vorbereitet. Gleich gestaltete Einleitungsverse (17,lf; 21,9) stellen beide in eine Parallele,79 aber sofort werden auch die Unterschiede deutlich: wurde die Hure durch ihr Tun, ihre Topographie und die Tatsache ihrer Verurteilung (ab)qualifiziert, so ist die Braut allein durch ihren Status definiert, der sich wiederum nach männlichen Kriterien und Männern richtet: sie ist Frau des Lammes. Sie kommt erst dann in den Blick, als es die beeindruckend böse StadtFrau „Hure" „Babylon" nicht mehr gibt (19,1-6). Diese erste Erwähnung (19,7f) stammt auch nicht von einem einzelnen ankündigenden Engel (wie 14,8), sondern vom Chor der (himmlischen) Schöpfung: diese Stadt-Frau ist schöpfungsgemäß!80 Nachdem nun die Braut lange aus dem Blickfeld gerät, erscheint sie erst wieder ganz am Ende (21f). Die Vision ab V.9 erfolgt erst, als die himmlische neue Stadt eingeführt und dabei mehrmals die Autorität Gottes betont wurde (V.2.5.6). Das Brautmotiv erscheint nur als Vergleich (21,2). Vor 21,9 ist von Gott und Christus definiert, was und wen die Stadt umfassen soll - und wen nicht. Erst als also das Bild „Stadt" Dominanz gegenüber dem Bild „Frau" erhalten hat, die Macht Gottes und Christi über die Stadt betont ist und die Unterschiede zur „Hure Babylon" deutlich sind, kann in 21,9 nach 19,7 eine zweite Parallele zur Hure gezogen und damit das Bild „Frau" eingeführt werden. Die Vision der Braut ist im Vergleich zur Vision der Hure (17,3-6) auffallend lang (21,10-22,5). Auch der „Braut Jerusalem" nähert sich der Seher, er nähert sich aber einer Stadt und keiner Frau. Eine Deutung der Vision folgt nicht im Anschluß, so muß die Antizipation 21,3f als Deutung gelten, sie wird von Gott gesprochen, also mit der höchstmöglichen Autorität versehen. In eine ähnliche Richtung geht auch die Rede Jesu am Ende (22,10-19), die das Bild von der Braut (22,17) und der Stadt (22,14f.l9) noch einmal aufgreift. In der Abfolge der Berichte, Klagen und Prophezeiungen bekommen die Rezipierenden mit der Visionsschilderung des Propheten und ihrer Deutung durch den Engel (Offb 17) ein Porträt, eine Beschreibung Babylons einerseits und in den Engelsprophezeiungen, den Freierklagen und den himmlischen Reaktionen (Offb 18-19) die Entwicklungen des babylonischen Untergangs andererseits - interpersonale Stimmen einer Biographie.
79 RÖSSING, Choice between Two Cities, S. 67, zeigt die Ähnlichkeit von Offb 17,1 und 4,1, die Vison von Gottes himmlischen Thron, auf, die die Konkurrenz zwischen Gott und Hure erneut hervorhebt. 80 Gleichzeitig bleibt in der Schwebe, wer Sprecher von 19,8 ist.
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B.I. Die Zusammenschau: Offenbarung 17-19
3. Wer oder was ist Babylon? Die Darstellung der „Hure Babylon" folgt m.E. im wesentlichen drei zusammenhängenden Prinzipien, die in den nächsten Kapiteln behandelt werden: die „Hure Babylon" ist eine Synagoge des Satans (Offb 2,9; 3,9), außerdem eine Imitation Gottes. Damit ist sie auch Repräsentantin und Beherrscherin der verkehrten Welt. Was genau unter den jeweiligen Stichworten zu verstehen ist, wird sich im Laufe der Analyse herausstellen. Dabei ist wichtig, daß es sich m.E. bei der Offenbarung insgesamt um einen Text handelt, der in Streitigkeiten innerhalb einer religiösen Gruppierung Bedeutung erhält, die nicht nur nicht in Abgrenzung zum Judentum lebt, sondern m.E. sich sogar als jüdische Gruppe definiert, deren Selbstverständnis geäußert durch Johannes aber gleichzeitig eine starke Christozentrik enthält. Ein Schisma hat m.E. in den in der Offenbarung adressierten Gemeinden noch nicht stattgefunden. Gerade Offb 2,9; 3,9 sind m.E. dafür Belege. Es folgen Durchgänge durch den Text in der Frage nach der metaphorischen Form des Textes (3.1.) und den Einzelheiten des Porträts (3.2.).
3.1. Die „Hure Babylon" als Metapher Hinsichtlich der Antwort auf die Frage, um was für ein Bild es sich bei der „Hure Babylon" handelt, herrscht innerhalb der Forschung Uneinigkeit. Während in älteren Kommentaren indifferente Formulierungen wie z.B.: „Götzendienst wird in der Bibel häufig als ,Hurerei' bezeichnet",81 dominieren, schlägt die neuere Forschung oft ins andere Extrem um, indem eine ganze Reihe spezifisch literaturwissenschaftlicher Termini herangezogen wird wie „Bild",82 „Symbol",83 „Chiffre",84 „Metapher",85 „Bildwort",86 „Personifizierung",87 „Code"88 und „Motiv",89 die z.T. synonym verwendet und nicht begründet oder
81
KRAFT, Offenbarung, HNT, S. 212. Ähnliche Formulierungen bei CHARLES, Revelation,
I C C , B d . 2 , S. 7 ; LOHMEYER, O f f e n b a r u n g , H N T , S. 124, u. LOHSE, O f f e n b a r u n g , N T D , S.
78. Eine Ausnahme bildet BOUSSET, Offenbarung Johannis, KEK, S. 404, er spricht von „Symbol". 82
ROLOFF, O f f e n b a r u n g , Z B K , S. 166; SCHÜSSLER-FLORENZA, O f f e n b a r u n g , S. 119; RLSSI,
Hure, S. 50. 83 ELLUL, Apokalypse, S. 186; SCHÜSSLER-FIORENZA, Offenbarung, S. 121; RlSSI, Hure, S. 9 . 84 85
87
88
RlSSI, Hure, S. 49. ROLOFF, Offenbarung, ZBK, S. 167; RlSSI, Hure, S. 49. RlSSI, Hure, S. 49 u. 55. SCHÜSSLER-FIORENZA, O f f e n b a r u n g , S. 1 2 1 .
ELLUL, Apokalypse, S. 186, in Zusammenfassung anderer Kommentare. 89 ROLOFF, Offenbarung, ZBK, S. 168.
B.I.3. Wer oder was ist Babylon?
11
definiert werden. Da es aber m.E. für das Verständnis des Bildes und seiner Deutung von erheblicher Relevanz ist, ob es sich z.B. um ein (abwandelbares) Motiv oder einen (zu entschlüsselnden) Code handelt, soll der Versuch unternommen werden, etwas Klarheit in den Tropus „Hure Babylon" zu bringen. Zunächst besteht die Schwierigkeit, das Bildliche in 17,1-19,3 quantitativ zu bestimmen: man kann den Text über die „Hure Babylon" als Ganzen, teilweise oder alle Aussagen einzeln wörtlich oder nicht wörtlich verstehen. Die Mehrzahl der Kommentatoren und Kommentatorinnen versteht Kap. 17 wegen 17,18 quasi symbolisch: alle einzelnen Aussagen werden auf die Deutungsfolie Stadt (= Rom)90 übertragen - ein nicht minder symbolischer Ort." In der Regel wird Offb 17 so interpretiert, daß die Hure Babylon als Stadt auf sieben Hügeln Rom sein muß. Die sieben Könige werden als Abfolge römischer Kaiser verstanden, deren Verifizierung die Forschung übrigens intensiv beschäftigt. Im Prunk, der Trunkenheit und den unterworfenen Völkern werden die Brutalität und das unmenschliche System der römischen Weltherrschaft gesehen. Zugleich fällt aber eine stadttypische Deutung der Einzelheiten schwer. Was bedeutet der Name auf der Stirn der Frau für eine Stadt? Was der Purpur? Hier sind die Exegesen in der Regel sehr ungenau, weil sie häufig unvermittelt zwischen den Interpretation des Bildes und der Illustrierung der Deutung springen: der Name auf der Stirn wird oft mit der Sitte in römischen Bordellen erklärt, daß Prostituierte dort Namensschilder trugen, der Blutgenuß deutet vielen auf die Christenverfolgung unter Domitian hin - die aber so systematisch wie noch vor einigen Jahren angenommen nicht stattgefunden hat. Kap. 18 hingegen wird dann weitgehend wörtlich verstanden, weil im Text von einer Stadt die Rede ist, die - wieder mit 17,18 argumentiert - das eigentlich Bezeichnete sei. So wird schnell die Frau zum 90
BOUSSET, O f f e n b a r u n g J o h a n n i s , K E K ; CHARLES, R e v e l a t i o n , I C C , B d . 2 ; LOHSE, O f -
fenbarung, NTD; KRAFT, Offenbarung, HNT; ELLUL, Apokalypse; COLONS, Crisis; Ruiz, Ezekiel; ROLOFF, Offenbarung, ZBK. Vielen Exegeten und Exegetinnen sind die Argumente so überzeugend, daß sie inzwischen von der Identität Babylon=Rom ausgehen, z.B. FÜSSEL, Zeichen, S. 56-71; WENGST, Pax Romana, S. 147-166; SCHUSSLER-FIORENZA, Offenbarung; BAIJCKHAM, Climax; WENGST, Babylon, passim; KRAYBILL, Cult, passim. Weitere Aufzählungen bei RUIZ, Ezekiel, S. 265 Anm. 13. Bei dem Verständnis „Hure Babylon"=Rom kommt die Schwierigkeit hinzu, daß nicht immer klar unterschieden wird bzw. werden kann zwischen der Stadt, der Landschaft und dem Reich (s. UHLIG, Babylon, S. 115). SCHÜSSLERFLORENZA votiert für eine Anspielung an alle, s. dies., Offenbarung, S. 121. Übrigens wird bei der Deutung des Tieres, daß es war, jetzt nicht ist und wieder kommt (17,8) häufig eine Interpretation des damaligen Gerüchts vom Nero redivivus im Raum, der sich bei den Parthern aufhalte und dann wieder komme. Da das Partherreich Babylonien ist, setzt Bild und Deutung in dieser Interpretation gleich. Alles ist Babylon, alles ist Rom. 91 Zur Bedeutung Roms im Abendland von biblischen Texten über Vergil bis zu Carl Schmitt forscht Richard FABER seit Jahrzehnten, s. z.B. seine vierbändige Kritik der „Konservativen Revolution", die sich in Studien wie Die Verkündigung Vergils oder Roma Aeterna niederschlägt.
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B.I. Die Zusammen-Schau:
Offenbarung
17-19
Bild und die Stadt zum Gemeinten. Einige andere Forscher und Forscherinnen argumentieren analog, sie sehen in der Stadt aber Jerusalem.92 Eine dritte Gruppe sieht gar keine Stadt bezeichnet: die Rede von der Stadt und der Frau sei auf der gleichen metaphorischen Ebene anzusiedeln, beides verweise auf etwas Übergeordnetes, auf das Dämonische, Gottfeindliche schlechthin." Die Konsequenzen, die die drei Deutungsrichtungen letztlich mit sich bringen können, sind unterschiedliche: Handelt sich bei der „Hure Babylon" um die Stadt Rom, die zur Abfassungszeit der Offenbarung die Weltherrschaft inne hat, wird der Text Offb 17-19 nicht nur zu einer Religions-, sondern auch zu einer Sozial- und Staatskritik und zwar aus der systemimmanenten, aber unterprivilegierten, unterdrückten Perspektive. Wer Jerusalem mit der „Hure Babylon" identifiziert, sieht entweder eine innerjüdische Auseinandersetzung oder eine christlich-jüdische bezeichnet: das alte Jerusalem und damit das gesamte Judentum wird durch das neue Jerusalem (Offb 2Ii) und damit durch die Christenheit ersetzt. Erstere Argumentation führt leicht zur Distanzierung von der Offenbarung insgesamt. Mit dem Diktum Bultmanns, die Offenbarung enthalte ein nur „schwach christianisiertes Judentum"94, hätte die Offenbarung letztlich keine Berechtigung mehr im christlich-biblischen Kanon. Letztere Argumentation befindet sich im theologischen Argumentationsbereich der Enterbungslehre, mithin der Konstitution christlicher Identität durch eine Abwertung des Judentums, sie steht in der langen christlichen Antisemitismustradition. Daß Jerusalem bei der Abfassung der Offenbarung bereits zerstört ist, kann von Vertretern und Vertreterinnen dieser Linie als historischer Beleg für die Richtigkeit der Lesart verstanden werden. Die „Hure Babylon" als übergreifend allgemein Dämonisch-Böses zu verstehen, ist die einzige Deutung, die nicht direkt politisch ist im Sinne einer historisch rekonstruierbaren Größe, die die Erstadressat/ -innen konkret bedrohte. Dadurch daß in der Auslegung eine Inkonkretheit bleibt, ist aber einem Verständnis heutiger Rezipierenden, sie selbst seien die eigentlich adressierten, wenn sie in der „Hure Babylon" eine konkrete Stadt, Herrschaft, Partei erkennen wollen, Tür und Tor geöffnet. Allerdings schwingt ein interpretatorischer Bezug auf heutige Verhältnisse bei vielen Deutungsvorschlägen mit. Oftmals stehen zwei konkurrierende 92 HOLWERDA, Schlüssel, passim. Weitere Exegeten und Exegetinnen genannt bei Ruiz, Ezekiel, S. 266 Anm. 14. DYER, Identity, S. 433^149, deutet die „Hure Babylon" zwar auch als Stadt, aber als tatsächliches Babylon: weil der zentrale Bezugstext Jer 50-51 (die Zerstörung Babylons) noch nicht erfüllt sei, prophezeie Johannes ein zweites Mal denselben Untergang, d.h. in einer Zukunft wird Babylon am Euphrat wieder Weltmacht erlangen und dann endgültig und nachhaltig zerstört werden. 93
KRAFT, O f f e n b a r u n g , H N T , S. 193f; LOHMEYER, O f f e n b a r u n g , H N T , 1 3 8 - 1 5 3 ; RLSSI,
Hure, passim. 94 BULTMANN, Theologie, S. 525.
B.I.3. Wer oder was ist Babylon?
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Herrschaftssysteme gegeneinander, von denen ,das Gute siegt'. Die „Hure Babylon"=Rom steht dann für vieles an politischen Herrschaftssystemen zu kritisierende, je nach Auslegung könnte so die Offenbarung zur Vorläuferin der Befreiungstheologie oder der Samisdat-Literatur der UdSSR werden. Die Position im Anschluß an die „Hure Babylon"=Jerusalem ist dagegen nicht eine von Unterdrückten gegenüber der Macht, sondern eine aus der Perspektive der Siegern, Siegerinnen oder zumindest der Davongekommenen auf das, was unterging. Das Verständnis „Hure Babylon"=Satan ermöglicht nicht nur aktuelle politische Deutungen, sondern auch gesellschaftlich-religiöse, vom Papsttum oder Häretikern angefangen bis zur Herrschaft des EwigWeiblichen. So ist also Vorsicht geboten. Sowohl eine Deutung als auch eine hier vorgelegte Auslegung der Bildebene muß die Standortbezogenheit der Wissenschaften vor Augen behalten.95 Tatsächlich ist mir die Deutung „Hure Babylon"=Rom, und damit eine systemimmanente Kritik an Herrschenden weit sympathischer als andere, das spricht aber noch nicht für ihre Richtigkeit. Aus den folgenden Seiten soll die Frage nach einer außerliterarischen (Be)Deutung „Babylons" herausgehalten werden, es geht allein um das Bild, seine textimmaneten und alttestamentlichen Bezüge.96 Einige Hinweise zum Verständnis, um was für einen Tropus es sich handelt, gibt der Text selbst: Kap. 17 umfaßt nach einer Einleitung (17,lf) eine Vision (17,3-6) und ihre Deutung (17,7-18). In 17,7 leitet der angelus interpres seine Deutung mit dem Satz ein „ich werde dir sagen das Geheimnis der Frau und des Tieres", worauf eine kurze Erläuterung des Tieres folgt. So beginnt erst mit 17,9a („Hier ist der Sinn, der Weisheit hat.") die eigentliche Deutung. Da dieser Satz in Anlehnung an 13,18 formuliert ist, wo die Aufforderung folgte, das geschilderte Tier als eine menschliche Person zu verstehen, stellt der Satz zugleich eine Deutungseinleitung und -aufforderung dar: Es erfolgt nämlich eine Punkt-für-Punkt-Deutung der Vision durch den angelus interpres nach dem Schema: a' ist b, c' ist d. Allerdings erfährt nicht jedes Element der Vision des Propheten eine Deutung durch den Engel, insbesondere die Frau wird in nur einem einzigen Satz am Ende als Stadt identifiziert (17,18). Name, Schmuck, Kleidung, der Becher, sein Inhalt und die Trunkenheit der Frau werden in der Deutung nicht genannt.97 Jedoch verweist eine Inkongruenz in 95 S. dazu o. A.3. FRIESEN, Revelation, geht noch weiter, nicht nur die Eingebundenheit der Forscher und Forscherinnen in das Denken des 19. und 20. Jahrhunderts stehe dem Verständnis eines Textes oft im Wege, auch die geringen bzw. ungeprüften historischen und archäologischen Kenntnisse führten zu Fehlinterpretationen. 96 S. auch o. A.2. Daß dies eine unbefriedigende Beschränkung sein mag, sei zugestanden; aller Rahmen wird aber gesprengt, wenn ich die Fragestellung der innerbiblischen Intertextualität ausweite. 97 Zum Verhältnis von Vision und Deutung in Offb 17 s.o. S. 67-71.
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B.I. Die Zusammen-Schau:
Offenbarung
17-19
17,9b darauf, daß ein Ersetzungsverfahren das Bild vollständig deuten kann: „Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt". Da der Vers nur verstanden werden kann, indem man „Frau sitzt" durch „Stadt liegt" ersetzt, ist m.E. angedeutet, daß die Rezipierenden die Übersetzung weiterführen können oder sollen. Die Rede des Engels legt also nahe, die Frau als Stadtallegorie - für eine bestimmte Stadt - zu verstehen.98 Die literarische Gattung von Kap. 17 ist ein klassischer apokalyptisch-prophetischer Visionsbericht mit Vision und anschließender Deutung durch einen angelus inter99
pres. In Kap. 18 liegt (oder sitzt) die Sache anders: nun ist die Stadt und nicht mehr die Frau das dominante Bild. In zwei Auditionen werden Johannes Gerichtsworte und -prophezeiungen über die „Hure Babylon" verkündet (18,13.4—20), dann folgt eine Symbolhandlung durch einen Engel (18,21-23) und Jubel im Himmel (19,1-6). Hier findet sich - entsprechend einigen alttestamentlich-prophetischen Texttraditionen - eine ganze Anzahl von literarischen Figurationen der „Hure Babylon": neben Passagen, die nur wörtlich auf die Stadt (18,2.4.1 Ob. 18b. 19b.22.23a) oder nur wörtlich auf die Frau (18,6.7.14a) beziehbar sind, gibt es welche, die zwar auf die Stadt zielen, aber auch auf die Frau übertragen (18,8.9.10a.l 1-13.17a), d.h. metaphorisch verstanden werden können. Dazu kommen die Personifikation der Stadt als Frau (18,16)'°° und der Vergleichscharakter der Symbolhandlung (18,21). Die im Text enthaltenen Bilder sind bereits topisch oder werden mit Rückgriff auf die Tradition gebildet. In 19,1-8 ist die Alternative Stadt oder Frau im Rauch aufgehoben, das Tun der Hure gerächt. Der Bild- und Textkomplex „Hure Babylon" ist als Stadt-Frau eine Gattungs- und Tropencollage, so daß der Wechsel der Bezugsfelder mit dem sonstigen inhaltlichen wie formalen Collagecharakter der Offenbarung'01 übereinstimmt. Die Kombination von Allegorie, Metapher, Personifikation und Vergleich, wie sie in Kap. 17-19 vorliegt, wird durch einen geschickten kompositorischen Zug verstärkt. Die Begriffe t| yuvf] - „die Frau" und t| 7t6A,i£ - „die Stadt" sind im Text weitgehend voneinander getrennt, weil f| yuvtf] nur in Kap. 17, t| TtÖ^lQ nur in Kap. 18, und das erst ab V.10, erscheint; den 98 Die Begriffe Metapher, Allegorie, Personifikation, Bild und Vergleich sind nach den Definitionen von BRAAK, Poetik, S. 3 2 - 3 9 , verwendet. WEIGEL, Topographien, S. 167-173, versteht unter einer Allegorie das Bild von etwas Abstraktem und kommt, was die Frau als Allegorie betrifft, zu anderen Ergebnissen. 99 ROLOFF, Offenbarung, ZBK, S. 167. 100 Zu den Bezugsmöglichkeiten auf die Stadt und die Frau s. Ruiz, Ezekiel, S. 377f, u. COLLINS, Taunt-Song, S. 198, mit z.T. anderen Zuordnungen. KRAFT, Offenbarung, HNT, S. 277, sieht auch die Themenverlagerung von 17 zu 18, meint aber zu Kap. 18: „wird bildlich von einem Weibe gesprochen, dann besteht doch keine Beziehung auf die Vision in Kap. 17". Ähnlich ELLUL, Apokalypse, S. 194.
"" S. dazuo. B.I. 1.1.
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Angelpunkt bildet 17,18.102 Dazu quer gelagert sind aber die beiden Spezifizierungen Baßl)A,c6v - „Babylon" und (das Wortfeld) Jl6pvr| - „Hure", die sich jeweils wiederum getrennt voneinander - die einzigen Ausnahmen sind 14,8 u. 17,5 - durch den ganzen Text ziehen und so die beiden getrennten Bereiche „Stadt" und „Frau" verknüpfen. Alle vier Substantive erscheinen zuweilen mit dem Attribut „groß", was eine weitere Brücke bildet. Übertragungen vom einen zum anderen werden hier also erst hergestellt. Frau und Stadt sind also zwei Anteile eines Bildkomplexes, eine vorschnelle Trennung von Frau als Bild und Stadt als Gemeintes geht ebenso fehl103 wie eine vorschnelle Synthese beider. Es entsteht ein kompliziertes Beziehungsgeflecht von „Frau" und „Stadt", dem Leser, Leserinnen und Hörer, Hörerinnen kaum entziehen können.104
3.2. Porträt und Ende der „Hure Babylon" Im folgenden wird der Versuch unternommen, die Attribute unter den Kategorien Name, Selbstverständnis, Topographie, äußere Erscheinung, Essen und Trinken, Innenleben und Verhalten einzeln zu anzuschauen. Damit soll der Versuchung widerstanden werden, alle Attribute auf die pejorative Gesamtaussage hin zu deuten. Der Text Offb 17-19 soll gelesen werden, ohne Johannes' Verständnis, das |J,\)axflpiOV durchschaut und offengedeckt zu haben, zu übernehmen.. Da der Offenbarung ein derart synthetisierender Charakter zu eigen ist, werden jeweils die textimmanente Zeichnung in Offb 17-19, in der Offenbarung insgesamt sowie mögliche Bezüge auf das AT durchgegangen. Dabei steht weniger eine Konkordanzfunktion im Vordergrund der Ausfuhrungen als vielmehr die Erarbeitung dessen, wie die Offenbarung mit Traditionen und Bildern im Spiegel der eigenen Theologie umgeht. Die Paradoxa und Uneindeutigkeiten bei den Eigenschaften der Hure werden sich
102
LOHMEYER, Offenbarung, HNT, z.St.; anders KRAFT, Offenbarung, HNT, z.St. Daß dieses Strukturelement nachhaltig wirkt, zeigen Diskussionen im angloamerikanischen Raum um die Frage, ob es sich bei Kap. 17 u. 18 nicht um zwei getrennte Visionsbereiche handelt, zwei ,Babylons'. SELVIDGE, Powerless Women, S. 153 u. 164-166, z.B. interpretiert 17 u. 18 als zwei einzelne Frauenfiguren. Zur Wiedergabe der Positionen, ihrer Stichhaltigkeit mit der letztlichen Entscheidung für die Identität, s. DYER, Identity, S. 305-316. 103 Wenn die „Stadt" das eigentlich Gemeinte ist, ist m.E. unerklärlich, warum der Text auch nach 17,18 oder 18,10 immer wieder in das Bild „Frau" springt. 104 S. dazu grundsätzlich o. A.3, A.4. Für Offb 17-19 anders, in der Folge aber ähnlich Ruiz, Ezekiel, S. 334: „The hermeneutical imperative at this stage is an invitation to the reader to be aware of this dynamic, whereby a Prostitute is spoken of as though she were a City, and a City as though it were a Prostitute, and wherein both Prostitute and City participate in a larger metaphoric process." Gerade Ruiz nimmt die zahlreichen Verbindungen von Frau und Stadt zu einem großen Teil wahr.
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17-19
häufen, so daß man von einem System sprechen kann, der verkehrten Welt. Alles ist auf dem Kopf gestellt, Schein und Sein, d.h. die bekannte und die ,wahre' Identität fallen auseinander (und zusammen). Was per definitionem auf bestimmte Weise sein müßte, ist nicht so. Die Weisheit auf Erden ist Torheit bei Gott, sagt ähnlich schon Paulus und entfaltet, was er meint, im gesamten lKorintherbrief. Offb 17f kann als erzählte Theologie der verkehrten Welt gelten,105 und doch geht der Text über eine Addition von IKor u. Ez 16,34"*' hinaus. Babylon ist die weibliche Summe allen Übels und muß endlich vernichtet werden. Ihr Name
Der „Hure Babylon" ist ihr Name förmlich auf den Leib geschrieben (17,5). Einen eigenen Namen auf dem Körper geschrieben hat in der Offenbarung sonst nur noch Christus als Reiter auf dem weißen Pferd, und zwar auf dem Gewand und dem Oberschenkel (Ö jarjpö^, 19,16).107 Der Name bewirkt eine die Identifikation,108 die Gravur auf den Körper weist auf Körperlichkeit von Sünde oder Nichtsünde hin. Der Körper Christi wie der der „Hure Babylon" werden zerstört, hier erst offenbart sich der Unterschied beider: Christus als Wiederauferstandener ist nicht an den Körper als Symbol des Diesseitigen gebunden, während die Existenz der „Hure Babylon" mit der Zerstörung und Verbrennung ihres Körpers endet. Andere Figuren tragen ebenfalls Namen: der Tod (6,8), Wermut (8,11), Abaddon (9,11) und der Ort Harmagedon (16,16). Die Namen einiger sind ebenso wie ihre Identität verborgen und nur ihren eigenen Trägern bekannt (2,17; 19,12). Eine etwas andere Nuancierung zeigen die Namen der Menschen: die Anhänger der jeweiligen Gruppe - des Tieres oder Christi - tragen deren Namen als Kennzeichen am Arm oder an der Stirn (3,12; 14,1; 22,4) als a^payi-G (9,4) oder JidpayHOC (13,16; 14,11)."" Das ewige Leben erhält 105 Der Terminus „verkehrte Welt" ist in Anlehnung an BACHTINs Karnevalstheorie gebraucht. Ihn benutzt auch PIPPIN, Heroine, S. 74-77, u. dies., Death, S. 65-68, die die Verkehrung aber nicht in der Spiegelung der satanischen Welt auf Erden und Gottes ,wahrer' himmlischer und künftiger Welt sieht, sondern in der Bestrafung und Demütigung der Hure. Zur verkehrten Welt in der Lehre Jesu s. TAUBES, Eschatologie, S. 51. 106 S.o. A.4., S. 30f. 107 Probleme bereitet das Tier: m.E. sind in 13,1; 17,3 nicht die Namen des Tieres, sondern Spottnamen Gottes gemeint. Der Name des Tieres in 13,17f ist nicht auf seinem Körper geschrieben. Anders KRAFT, Offenbarung, HNT, z.St., der für Selbstbezeichnung und beanspruchten Titel votiert. 108 HARTMAN, Art. övona, Sp. 1269f. 109 Ruiz, Ezekiel, S. 333: „Both God [...] and the Beast [..] mark those who are their own." Gerade weil auch den Anhängern Christi der Name Gottes auf die Stirn geschrieben ist (14,1; 22,4, als CT^payi? 7,3; 9,4), ist die Deutung des Namens auf der Stirn der Hure (17,5) als Anspielung auf römische Prostituierte (CHARLES, Revelation, ICC, Bd. 2, z.St.; LOHMEYER,
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nur, wessen Name im Buch des Lebens verzeichnet ist (3,5; 13,8; 17,8 vgl. Lk 10,20; Phil 4,3), der zieht dann ins neue Jerusalem, auf deren Grundsteinen die Namen der zwölf Apostel stehen, durch eines der zwölf Tore, auf das der Name eines der zwölf Stämme geschrieben ist und behält ewig den Namen Gottes auf der Stirn, also auch hier werden die Namen besonders betont. Daß die Hure, deren Erscheinung von Gold glänzt, ihren Namen auf der Stirn trägt, kann als Anspielung auf ihre „Hurenstirn" (Jer 3,3) oder auf das goldene Stirnblatt des Hohepriesters gesehen werden (Ex 28,36; 39,30), auf dem „Heilig" steht. Letzteres ist ironischerweise wie ein Siegel eingraviert (Ex 28), so daß die Hure die CTcJjpayi^ imitiert. Daß ihr eigener Name und nicht wie beim Hohepriester oder den Erwählten der Name Gottes darauf steht, verweist auf ihre Eigenmächtigkeit, die damit eine Nicht-Anerkennung von Gottes Macht ist und zugleich auf eine Parallelstellung zu Christus. Ebenso wichtig wie Namen scheinen Geschriebenes,110 die Sprache bzw. alles, was aus dem Mund kommt (14,5; 19,15), und Bücher bzw. Buchrollen zu sein."1 Dementsprechend ist der Name der Hure geschrieben. Die „Braut Jerusalem" trägt auch einen Namen, er ist aber nicht ihr eigener, sondern der der Söhne Israels (21,12), außerdem sind diese Namen nicht einfach geschrieben (ypöC())CO, 17,5), sondern eingeschrieben, eingeritzt, eingeprägt (felllYpcictxo, 11,12). Ihre Funktion ist nicht nur Identifikation, sondern auch Ordnung. Das sieht man daran, daß im neuen Jerusalem die Menschen ebenfalls noch das Siegel Gottes auf der Stirn tragen (22,4), was gar nicht nötig wäre, wenn es nur um Identifikation von Gut und Böse ginge, denn ins neue Jerusalem ziehen nur die Auserwählten. Dort sind sie dann also uniform. Während auf den Mauern Jerusalems die Namen der Söhne Gottes geschrieben stehen, tragen die Auserwählten Gottes den Namen Jerusalems, Gottes und Jesu auf der Stirn (3,12). Die Frau und die Stadt heißt/heißen „Babylon". Der Name kommt sechsmal vor und wird stets im Zusammenhang mit Größe (14,8; 16,19; 17,5; 18,2.10.21), oft im Zusammenhang mit dem Kelch mit Zornwein (14,8; 16,19; 17,5f; 18,2f), mit Hurerei (14,8; 17,5) und mit Untergang (14,8; 16,19; 18,2.10.21) erwähnt. Der Begriff/Name ist im AT bekannt als Stadt/Reich und als Größe, die dem Untergang preisgegeben sind (Gen 11; Ps 137; Jes 13; 21; Offenbarung, HNT, z.St.; LOHSE, Offenbarung, NTD, z.St.; RITT, Offenbarung, NEB, z.St.; anders KRAFT, Offenbarung, HNT, z.St.; ROLOFF, Offenbarung, ZBK, S. 169) wirklich nicht naheliegend. Die Kennzeichnung an Arm und Stirn (13,16) kann auf die Tefillin hindeuten, womit dann mit dem Zeichen des Tiers ein israelitisch-kultisches Zeichen gemeint wäre. 110 Das Verb ypd(,co kommt mit 29 Belegen erstaunlich häufig in der Offenbarung vor. 111 S. das Buch des Lebens (20,12.15), die Buchrolle des Engels (Kap. 10), das Buch mit den sieben Siegeln (Kap. 5f), der Himmel, der weicht, wie eine Schriftrolle weggeschoben wird (6,14).
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B.I. Die Zusammen-Schau: Offenbarung 17—19
47; Jer 50-51), die aber auch als Werkzeug Gottes fungiert haben (Jer 25,811.15-25; Ez 24; Mi 4,10).112 Außerhalb der biblischen Schriften wird Babylon schnell zum Typos einer orientalischen Riesenstadt."3 Im NT taucht „Babylon" relativ selten auf, im Matthäusprolog dient die babylonische Gefangenschaft als Zeitangabe, wie auch in der Apostelgeschichte."4 In IPetr 5,13 ist „Babylon" anscheinend als Deckname gebraucht, ob für Rom, wie die überwiegende Mehrzahl der Forschern und Forscherinnen annimmt oder schlicht für Gefangenschaft, wie Mt 1; Apg 7,43 nahelegen, ist unklar."5 In den rabbinischen Texten gibt es nach Billerbeck zwei Stellen, die Rom als neues Babylon verstehen: Midr Hohel 1,6 sagt, daß Rom Babylon genannt wurde, und Tanch B DHTn § 16 wendet Jes 47,1 auf Rom an."6 Negativ bewertet wird Babylon z.B. auch in JosAnt X, 131 ff; CD 1,6."' Auch in Teilen der apokalyptischen Literatur steht „Babylon" für Rom: die zumeist angeführte Stelle syrApkBar 67,7 handelt von einer Auferstehungsprophezeiung des Königs von Babel, der Zion wieder zerstören wird. Weitaus wichtiger ist Sib V. Dieses Buch enthält ausgeschmückte und bilderreiche Gerichtsworte gegen Städte Ägyptens, Asiens, Italiens und Babylon."8
112 So ist es verkürzt zu sagen, daß Babylon im Alten Testament „das Zentrum der Feindschaft gegen ihn [Gott] auf Erden ist" (ROLOFF, Offenbarung, ZBK, z.St., ähnlich LOHMEYER, Offenbarung, HNT, z.St.), „Stadt der Gottlosigkeit genannt" wird (LOHSE, Offenbarung, NTD, z.St.), die „Repräsentantin der gottfeindlichen Mächte" ist, s. GALLING, ALTANER, Art. Babylon, S. 1118-1134, s. auch UHLIG, Babylon, S. 117. 1,3
GALLING, ALTANER, A r t . B a b y l o n ; NESSELRATH, H e r o d o t ; HAAS, D i e l i t e r a r i s c h e R e -
zeption. 114 In der Rede des Stephanus erscheint ein Zitat aus Am 5,25-27, in dem „Damaskus" als Zielort einer Wegfuhrung durch „Babylon" ersetzt ist (Apg 7,43). 115 SOUZA, Widerstand, S. 155, bezweifelt, daß mit IPetr 5,13 Rom gemeint sei. Insgesamt ist m.E. durchaus vorstellbar, daß 1 Petr - unter anderen an die Gemeinden Kleinasiens adressiert - eine Reaktion auf die Offenbarung darstellt, zumindest sind einige thematische Ähnlichkeiten als Anspielungen auf die Offenbarung denkbar, z.B. IPetr 1,7.10-13.18f; 2,5.9.11.22; 3,1^1; 4,3.7.17; 5,4.13. 116 BILLERBECK, Kommentar, S. 816 (zu 14,8). Weitere Belege Aruch Completum 2, S. 8. 117 S. dazu STROBEL, Art. BaßlAcüV, Sp. 4 5 1 ^ 5 3 . Für einen Gesamtüberblick s. UHLIG, Babylon, passim. 118 Die Untergangsprophezeiungen gegen alle angesprochenen Städte (V,54-457) weisen Ähnlichkeiten zur Zeichnung der „Hure Babylon" und ihrer Zerstörung in Offb 17-19 auf. Obschon Sib V,158ff ein Text über „Babylon" ist, ist doch von Rom die Rede (Sib V, 159.170), entweder als Deckname oder als implizite Botschaft, Rom sei das eigentliche, wahre oder zweite Babylon. Während sich die Gerichtsprophezeiung Babylons=Roms in bezug auf die Strafen oder ihre Drastik nicht von denen gegen andere Städte unterscheidet, sind die Schuldvorwürfe singulär: Giftmischerei (V,165), Ehebruch ((XOlxeia V,166f) - den Einwohnern bzw. Herrschern, Herrscherinnen der angeredeten Stadt werden Homosexualität, Inzest und Sodomie vorgeworfen (V,386-396) - und Blutgier (V,171). Zu einem ausfuhrlicheren Vergleich zwischen Offb 17-19 und Sib. s. SOUZA, Widerstand, S. 85-98.
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In der Offenbarung ist „Babylon" nun - erheblich deutlicher als in den alttestamentlichen Texten - Gottes eigenmächtige Gegenspielerin (s.u.)-'" Was sich hier alles mit Babylon verbindet, ist Gegenstand des ganzen Kapitels und wird am Schluß zusammengefaßt. Hier wie auch an allen anderen Stellen ist Babylon mit dem Attribut ,groß' versehen. Es ist mit zehn Nennungen die im Text am stärksten betonte Eigenschaft „Babylons", ebenso wie der „Stadt"'20. Das Gewicht dieses Attributs wird dadurch erhöht, daß es Bestandteil des Namens ist. Bezeichnenderweise erhält dagegen „Frau" dieses Attribut nie, „Hure" fuhrt es zweimal.12' Mit den Belegen 17,1 und 19,2 bildet die „große Hure" im groben den Textrahmen. Handelt es sich hier um Überschrift und Zusammenfassung oder kann man daraus schließen, daß der Titel „große Hure" auf die Frau (17,1) und die Stadt (19,2) aufgeteilt ist? Was ist mit iieyd^ri gemeint? Insgesamt erscheint das Adjektiv jj.6ycxh.v6tt| Becrü xoü JtavxoKpdxopo, pri). Gottes Identität als Kriegsgott wird hier in zwei Wortspielen hervorgehoben: mtOU miT - „JHWH der Heerscharen" hat sein SO^ - „Heer" gemu-
112
BERGES, D a s B u c h Jesaja, S. 1 4 4 u. 1 7 1 - 1 8 6 mit V e r w e i s a u f Jes 5 4 , 9 - 1 0 u. FISCHER,
Tora, S. 6 0 - 6 2 . 113
Viel weiter geht FRANKE, Reversals of Fortune, S. 117: „In 13,19-22 Babylon is portrayed as a woman." Während Babylon - in V. 19-22 mit dem f.sg.-Suffix versehen - wie Sodom und Gomorra wird, erleidet die personifizierte Zion in Jes 1,7-9 fast dasselbe Schicksal. 114 Dazu zusammenfassend s.u. C.2.1.
242
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
stert (V.4),"5 wie "HÖft "TO „Verwüstung von dem Verwüster" kommt der Tag JHWHs (V.6)."6 „ n S C KZ) bildet ein bedeutsames Wortspiel""7, ein „erschütterndes Wortspiel""8. Weiter gehen die Kommentare und die übrige Literatur zu Jes 13 in ihrer Interpretation nicht. Dabei wird der Gottesname Schaddai hier gedeutet, es wird darauf hingewiesen, daß im Namen Schaddai schod (12}) - „Vernichtung" enhalten ist.'" Was eine Volksetymologie sein kann,120 ist doch auch eine Gotteserkenntnis: der Text legt einen Zug von Gottes Identität offen - Vernichtung ist ein Teil von ihm. Genau dies erkennend bricht bei den Menschen blankes Entsetzen aus. Joel 1,15 zitiert Jes 13,6, fahrt aber anders fort. Im Zusammenhang argumentiert der Prophet damit, dies an bestimmten Anzeichen zu erkennen. Gebärschmerzen befallen die Menschen erst, als sie das heranstürmende Heer sehen (2,6). Daß sich Jesajas Prophezeiung gegen Babylon nun gegen Jerusalem richten soll (Joel 1,15), ist ein theologisches Skandalon des Joelbuches. Ähnlich zu Jes 13.4.6 ist Ps 68,13.15: die „Könige der Heerscharen" f D ^ C mtOÜ, vgl. Jes 13,4) müssen fliehen, "Httf zerstreut sie auf dem Feld. Während man Jes 13,6; Joel 1,15 u. Ps 68,15 noch mit der Kriegssituation und damit als okkasionell erklären kann, ist das in Ez 1,24 nicht mehr möglich: im göttlichen Thronwagenzug rauschen die Flügel der Cherubim wie große Wasser, wie die Stimme Gottes C"T2j), es ist ein Geräusch wie ein Heerlager. Das Vernichtend-Kriegerische gehört hier zur überzeitlichen Erscheinung Gottes, zu seiner Ontologie gewissermaßen, und ist doch nur ein Teil von ihm. In Jes 13,6 ist Gott, sein Tun ist 1Ö/T72J. "Hiß kommt noch in Tautologie von Identität und Tun in Jes 21,2 vor, neben dem raubenden Räuber (1^3). Da am Ende des Textes Jes 21,1-10 Babel zerstört ist, wird oft und plausibel auch hier JHWH als "HCtf angenommen. In Jes 33,1 aber werden der "HE? und der D D vernichtet werden. Ist dies immer noch JHWH? Die 115 Damit bezieht dieser Text Stellung zu seinem Verständnis von JHWH Zebaoth: es geht zunächst um Krieg und Kriegsheere, außerdem und dem wohl nachrangig ist JHWH Zebaoth auch Herr über die Gestirne (V. 10-13, V.13: JHWH Zebaoth), die Deutung des Namens legt Teile seiner Identität offen, wie auch in V.6. Dies sind in drei Textnuancen die drei diskutierten Erklärungsvorschläge für die Semantik von JHWH Zebaoth, s. VAN DER WOUDE, Art.
Nas. "6 Zu '"TO und seinen religionsgeschichtlichen und etymologischen Erklärungsmöglichk e i t e n i m Ü b e r b l i c k s. KNAUF, Art. S h a d d a y ; NLEHR,STEINS, Art. "ItÖ, WEIPPERT, Art. "TO,
und WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 515. 117 EHRLICH, Randglossen IV, S. 51. S. auch WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 502. ""WOLFF, Joel, BK, zu 1,15. 119 In anderen Texten stehen andere Juxtapositionen als Deutung Gottes in seinem Namen, z.B. als Geber von Nahrung und Fruchtbarkeit ('"TO und W1W Gen 49,25), s. dazu NIEHR,STEINS, Art. "iE, bes. Sp. 1091 u. 1099-1103. 120 WOLFF, Joel, BK, zu 1,15. Die LXX gibt sowohl 1 1 3 als auch unterschiedlich wieder; diese volksetymologische Theologie in Jes 13,6; 21,2; 33,1 wird unterschiedlich übersetzt, s. dazu BERTRAM, Prägung.
B.IV. 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
243
Identität Gottes, seiner Werkzeuge und das zu Vernichtende verschwimmen. Zu Jes 33 hat Beuken überzeugend dargestellt, daß diesem Text die Funktion eines Spiegeltextes im Jesajabuch zukommt, der durch textliche Analogien mittels begrifflicher, thematischer und formaler Anzitierung wie in einem Spiegel das gesamte Jesajabuch quasi in nuce enthält.121 Beukens These läßt sich so fortführen, daß TTttf in Jes 33,1 alle Funktionen und Kontexte enthält, die im Jesajabuch die Wurzel "TO/ Tlttf hat;122 33,1 bindet alle diese Funktionen zusammen, das heißt aber, daß der "HÖ nicht ständig jemand anders sein kann - oder gerade: die Stellen können nur dann auf einen Nenner gebracht werden, wenn es bei dem um ein (vernichtendes) Prinzip geht, das sich historisch u.U. verschieden personifiziert Assur, Babylon, Persien, ,TÖ!?. Dieses Prinzip ist dann aber ein göttliches: in Jes 33,1 ist der TTO derselbe wie in den anderen Stellen des Jesajabuches, der vernichtende Teil Gottes. Dieser wird in Jes 33,1 zerstört, JHWH selbst zerstört in Jes 33,1 diesen vernichtenden zerstörenden Teil seiner selbst.123 Wie nahe ist der Tag? Die Nähe des Vernichtungstages wird mit der Nähe von TÖ und "IS ausgedrückt. Aus V.6 selbst läßt sich schließen: „Dieser Tag ist noch nicht vollendete Tatsache [...], aber er ist nahe, er ist im Kommen (tOD'' impf.)."124 Die Imperative zu Beginn des Textes und die wörtliche Rede sagen aus, daß diese Vorbereitungen jetzt gerade stattfinden. Ebenso ist es mit dem Partizip in V.17: gegenwärtig werden die Meder aufgereizt. Darüber hinaus deuten die Wortspiele, die die Worte durch sich selbst erklären, auf das Tautologische von Krieg. Die Versicherung der Nähe wird in V.22 wiederholt. Wie ein Ring schließen sich V.6-22 um den eigentlichen Untergang.125 V.2-5 werden so zu einem (läßlichen) Präludium.126
121
BEUKEN, Spiegeltext. BEUKEN, Spiegeltext, selbst sieht 33,1 als Antwort auf die offene Frage an, wer im Anschluß an 21,2 den Verwüster (und Verräter X D ) stoppen kann (ebd., S. 13, er bezieht sich nur auf TTÖ u. X 2 und die spezifische Formulierung in 33,1 und 21,2), identifiziert diesen aber als Persien (ebd., S. 29). Durch den Rekurs von 33,3-4 auf 30,27-33 aber, einen anti-assyrischen Text, vereinen sich die Großmächte zu einer großen Chiffre (ebd., S. 29). 121 Entsprechend folgt in 33,2 ein Flehen und zugleich ein Loblied einer Wir-Gruppe um Verschonung. 124 WOLFF, Joel, BK, S. 40. 125 WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 199. 126 Inhalt von 13,9-13 ist dann, daß die Zeit als solche ausgesetzt wird, s. dazu u. C.3.1. 122
244
B.IV.l. Der Untergang Babylons
-Jesaja
1.2.2.4. Der Krieg Die
Angreifenden
Anstelle ausführlicher Zerstörungsschilderungen sind die verschiedenen Gruppen, Angreifende, Angegriffene, der kommentierende und beobachtende Prophet und der lenkende Gott im Blick. Dabei sind die angreifenden Krieger zunächst nur angeredet und dann mit ,sie' benannt.127 Daß etwas mit vielen Menschen vorbereitet wird, ist der Identität dieser Menschenmenge prioritär.128 Alle Begriffe für die Wahrnehmbarkeit der Gruppe heben das Uneindeutige an ihr hervor: Akustisch bezeichnen alle drei Substantive ^Ip, ] i m und "pNIÖ nicht näher bestimmbaren Lärm, als Oberbegriff (Vlp), als ein optisch wahrnehmbares und verstörendes Durcheinander und Chaos im Sinne von Krieg, (Natur-)Gewalt und Großstatdtgetümmel (pm) 12 ' oder heranrollender Bedrohung (ptfiÖ).130 So steht auch der Lärm der Truppen im Vordergrund, mit Lautstärke und Getümmel machen sie die Vielzahl der Angreifenden deutlich. Die Beschreibung der visuellen Erscheinung der Gruppe ist kurz und problematisch: die Angreifenden sind ein 3TDJJ m m - „Abbild eines großen Volkes". Das Substantiv m m hat in seiner Bedeutung im groben zwei Funktionen: Zum einen bezeichnet es eine Kopie oder Nachahmung, zum anderen heißt P i m „Gestalt, Aussehen" und bezieht sich als Umschreibung auf etwas Vergleichbares oder gerade Unvergleichbares (Ez 1,26; 8,2; 10,1.21). So muß sich diesem Ausdruck gemäß nicht unbedingt ein sichtbares großes Volk auf dem Berg befinden. Es ist offen, ob die Realität der Krieger oder deren Beschreibbarkeit defizitär ist. Wenn es nur ein Abbild eines Volkes ist, ist die Gruppe nicht mit „einem Volk" identisch: weil die Gruppe quantitativ oder qualitativ nicht das Definiens von „Volk" erfüllt.13' Wenn der Prophet den Anblick nicht adäquat beschreiben kann, deutet das auf das Unbeschreibliche, und damit menschliche Erfahrung Übersteigende, des Anblicks. Gleich welcher der beiden Bezüge im Vordergrund steht, verleiht der Ausdruck m m
127
WATTS, I s a i a h 1 - 3 3 , W B C , S. 196.
128
Das Suffix in LTlb „ist möglicherweise zu tilgen. Eher aber soll mit ihm bewußt eine gewisse Spannung hervorgerufen werden, an wen denn der Auftrag ergehe" (WLLDBERGER, Jesaja, BK, S. 501). 129
130
BAUMANN, A r t . n a n .
BEYSE, Art. N«TÜ. Zapff, Prophetie, S. 52, gewichtet das Faktum hoch, daß die beiden letzten Begriffe zusammen mit (s. V.4) auch Jes 5,14 und 22,2 stehen. Während dort ein Gottes Mißfallen hervorrufendes Verhalten geschildert wird, sind hier die Begriffe positiv umgewertet. 131 Auch die von PREUSS vorgeschlagene Bedeutung „wie" für Jes 13,4 nimmt der Tatsache nichts, daß nach diesem Ausdruck sich nicht ein sichtbares großes Volk auf dem Berg befinden muß (PREUSS, Art. n m , S. 275).
B.IV. 1.2. Ein bestialischer
Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
245
den Angreifenden den Odeur von Übermenschlichkeit.02 Die Krieger kommen „aus einem Land der Ferne" (V.5), weshalb sie relativ unbekannt sein dürften - aber dafür umso bedrohlicher. Mit der weiteren Herkunftsbezeichnung „vom Ende des Himmels" (V.5) wird erneut der Eindruck ihrer Nichtmenschlichkeit erweckt: es sind im wörtlichen Sinne „Außerirdische". Für die Charakterisierung der Angreifenden in V.3.4 und 5 innerhalb der Verse wie in Abschnitt 3-5 insgesamt ist offengelassen, ob es sich jeweils um Attribuierungen einer einzigen Gruppe handelt, oder ob es verschiedene Gruppen sind. Daß es sich um verschiedene Gruppen handelt, darauf deutet das EJ - „auch" in V.3. Die beiden verschiedenen Formulierungen TTCJJ mc~i - „Abbild eines großen Volkes" und C S O K J - „zusammengeschlossene Völker" in der parallelen Struktur von V.4 lassen beide Möglichkeiten zu. Ebenso ist es mit den Sprecherperspektiven: die Sprecherperson in V.2 spricht zu der (den) Gruppe(n) in V.3 als Beteiligte aus der Gruppe heraus und in V.4 spricht jemand anderes über die Gruppe. In Jes 13,4 lernen wir, daß diese Krieger zu Gott gehören. Sie sind bereits in V.3 von Gott selbst als Sprecher vorgestellt worden. Sie werden mit positiv konnotierten Titeln belegt: die Bezeichnung ,Ö"TpQ - „meine Geweihten" verweist auf Gottes Krieg und Kriegsfuhrung, die Heiligung und Weihung seiner Krieger;1" - „meine Helden" ist eher eine soziologisch-militärische Bezeichnung für Berufssoldaten, und TIIKJ T b ü - „meine erhabenen Triumphierenden" stellt diese Krieger zu Gottes Hoheitstitel als Regenten. Dieser letzte Ausdruck ist mehrdeutig, r b v gehört zum Stamm T^JJ, für den Homonymität mit f'PU diskutiert wird. Es findet sich nur in poetischen Texten und heißt „sich freuen", „fröhlich sein".1" Das Wort findet in all den vielen Kontexten Verwendung, in denen von Fröhlichkeit und Frohlocken die Rede ist. Unter anderem kontrastiert die Fröhlichkeit einer Stadt mit ihrer unmittelbar bevorstehenden Zerstörung (Zef 2,15 Ninive; Jes 22,2 Jerusalem; 23,7 Tyrus; 32,13 eine ungenannte Stadt). Der ohnehin sehr ähnliche Text Zef 3 zeigt in Vers 11 eine fast wörtliche Übereinstimmung mit dem Ausdruck in 132 Kann es sich auch um eine Anspielung auf Ez 23,15 handeln? Hier wird geschildert, wie Oholiba ein Wandbild ausgerechnet babylonischer Jünglinge sieht, ein " 3 niDT. Sie schickt Boten, die Babylonier kommen und treiben mit ihr Hurerei (Ez 23,14-18). Gott kündigt ihr an, daß die Babylonier ihrer überdrüssig werden und sie zerstören werden (Ez 2 3 , 2 2 27). 133
KAISER, J e s a j a 1 3 - 3 9 , A T D , S . 15. WILDBERGER, Jesaja, B K , S . 5 1 2 . WATTS, Isaiah 1 -
33, WBC, S. 196. ZAPFF, Prophetie, S. 43f, leitet dagegen aus den anderen Belegen von 2 i p im AT ab, daß es sich wahrscheinlich um ein himmlisches Heer handelt. Aus der Perspektive von Jes 13 allein ist klar, daß die Identität dieser Gruppe undeutlich bleibt, das macht ihre Bedrohlichkeit aus: sie kommt sowohl aus einem fernen Land als auch vom Ende des Himmels (V.5). VANONl, Art. ] b s , Sp. 127. Er verweist auf die stark differierenden Übersetzungen in LXX.
246
B.IV.l. Der Untergang Babylons - Jesaja
Jes 13,3bß. Während es in Jes 13,3 heißt T ' K ; T ^ T - „meine erhabenen Triumphierenden", heißt es in „deine erhabenen Triumphierenden" - oft aber anders übersetzt, z.B. „deine stolzen Prahler" (Lutherbibel 1984). Nicht nur Gottes Wertung desselben Ausdrucks ist unterschiedlich, auch das folgende Schicksal: Die "^miM T ^ y in Zef 3,11 werden bald vernichtet sein, während Gottes TM« T^JJ in Jes 13,3 die Sieger der Schlacht sind. Darauf deuten auch die Kontexte, in denen der andere Teil des Ausdrucks ¡ItW - „Erhabenheit, Höhe" hauptsächlich benutzt wird. „Die Wurzel HS3 hat [...] ein sehr weites Bedeutungsfeld. Von der Hoheit Gottes, über den berechtigten Stolz eines Menschen oder den Glanz einer Sache geht die Entwicklung bis hin zum anmaßenden Hochmut, zur Hybris."135
Während hier wohl anzunehmen ist, daß trotz der Mehrdeutigkeit die Krieger an Gottes Erhabenheit teilhaben, wird die Bedeutung für die anderen Stellen (V. 11.19) noch zu klären sein. So decken diese drei Kennzeichen der Krieger in V.3 die theologische OEnpC), militärische p ü l ) und königlich-herrschaftliche f n i « : T ^ P ) Komponente der angreifenden Menge ab. Genau das sagt aber mehr über Gott und über Babylon aus als über diese Krieger. Die Macht Babylons zeigt sich in der Übermacht der Angreifenden. Daß diese Übermacht eben nicht nur militärische und historisch verifizierbare Attribute hat, verweist darauf, daß es dem Text nicht (nur) um die Schilderung einer militärischen und historisch verifizierbaren Stadteroberung geht. Sowohl Babylon als auch Gott sind in diesem Text überdies mit positiv und negativ konnotierten Attributen ausgestattet. Neben ihren Titeln wird Gottes Beziehung zu den Angreifenden hervorgehoben: durch die drei Possessivsuffixe, die Zwecknennung „für meinen Zorn" und das Prädikat ¡T12i „befehlen", das signalisiert, daß das Heer Gottes Befehligung untersteht. Worum es konkret in den Handlungen der Krieger gehen soll und auch was der Befehl ist, ist dem Text nachrangig. Die so schwebend umschriebenen Krieger - im Text (V. 17) als die Meder identifiziert - fuhren dann aber einen übermenschlich-unmenschlichen Krieg (V. 14-18). Ihre Grausamkeit und Erbarmungslosigkeit steht in scharfem Kontrast zu ihrer vormaligen Benennung. Warum werden die außerirdischnichtmenschlichen Krieger aus V.2-5 mit der historischen Gruppe der Meder identifiziert (13,17)? Wichtig ist der textliche Abstand: in V. 14-18 wird die bedrohliche Situation aus V.2-5 konkret.
135
KELLERMANN, A r t . n t o , S p . 8 8 4 .
B.IV. 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
1A1
Der Angriff Die Angriffsvorbereitungen sind zunächst mehrdeutig. V.2 deutet auf die Stadteroberung voraus, bleibt aber mit dem Gebrauch des Wortes „kommen" ausgesprochen allgemein: es steht anstelle eines eindeutigen Begriffs für eine militärische Erstürmung, so kann damit der Zustand des Erobertseins vorweggenommen bzw. ein sonstwie friedlicher Einzug in die Stadt angedeutet sein. Es sind geschäftige Vorbereitungen, in die Stadt einzuziehen. Es gibt einen ersten Hinweis mit bllll KÖft (V.l) und dem Stichwort OJ, das sowohl ein allgemeines (Sammel-)Zeichen als auch ein Kriegs-Angriffs-Signal sein kann;136 in V.3 wird der Zorn JHWHs erwähnt; erst ab V.4b ist wirklich deutlich, daß es sich um Kriegsvorbereitungen handelt. Wie kommt der Untergang Babylons zustande? Genannt werden die Angriffsvorbereitungen, die buchstäbliche Realisierung des Angriffs bei den Angegriffenen, bedrohliche kosmische Veränderung, allgemeine Flucht und Kampfgetümmel - und ab V.14 ist die Stadt bereits erobert, die Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt werden (im Nahkampf) getötet. Die Angreifenden kommen in die Stadt, während der Blick des Textes in den Himmel gerichtet ist. Offenbar sind sie von den Erschütterungen des ganzen Kosmos nicht irritiert oder bedroht. Schließlich kommen sie vom Ende des Himmels (13,5), also von außerhalb. Nicht nur ist die Außer-Kraftund Außer-Funktion-Setzung der Gestirne ein nachgerade beiläufiger und wohl leicht vor sich gehender Akt, es ist zusätzlicher Hohn, daß die Überwindung von Babylons berühmten Mauern nicht mit einer Silbe erwähnt wird. So wird Babylon erobert, ohne daß seine/ihre Mauern fallen. Dies ist ein Argument für eine Datierung des Textes oder seiner Überarbeitung, das in der Diskussion meines Wissens bislang keine (große) Rolle gespielt hat. Die zerstörungslose Eroberung Babylons durch Kyros II. ist ein historisches Phänomen, auf das die Konzeption dieses Fremdvölkertextes paßt: Nach 539 v.Chr. muß Babylon als schier ununtergehbar erschienen sein. Zusätzlich spricht m.E. die überhaupt nicht erwähnte Gegenwehr der angegriffenen Stadt für 539 als terminus post quem und gegen ein früheres Datum: Babylon auf dem Höhepunkt der eigenen außen- wie innenpolitischen Macht handlungsunfähig und nicht handelnd zu schildern, ist m.E. trotz der theologischen und literarischen Motive in V.2-8 nicht glaubwürdig. Für 539 als terminus post quem spricht außerdem der angedeutete friedliche Einzug in die Stadt (V.2) trotz militärischer Übermacht auf Seiten der Angreifenden. Zusätzlich ist m.E. die Annahme nicht unberechtigt, daß die enttäuschend friedliche Einnahme
Aufgrund dieses uneindeutigen Textbeginns, dem Gebrauch von 02 als friedlichem, verheißendem Sammelzeichen und der Bezüge zu 5,26 vertritt BERGES, Das Buch Jesaja, S. 159f, die Auffassung, 13,2 handele ursprünglich von der Völkerwallfahrt zum Zion, mit dem kahlen Berg (13,2) sei an den Zionsberg (2,2-4) angespielt.
248
B.1V. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
Babylons bei der theologischen Bedeutung, die Babylon hatte und hat, sich textlich irgendwo niedergeschlagen hat. So ist Jes 13 m.E. ein Text, der theologisch und historisch performativ die Ereignisse von 539 neu deutet: Wenn schon die Stadt nicht zerstörbar ist, sollen wenigstens alle Einwohner und Einwohnerinnen sterben (V.14-18) wenn schon die Stadt nicht verwüstet werden kann, dann sollen wenigstens die Wüstentiere die Stadt in Besitz nehmen (V.20-22). Wenn schon die Stadt nicht untergeht, soll sie wenigstens eine Transformation erfahren - von der politischen zur dämonischen Metropole. Wenn schon dieser Ort weiterexistiert, soll ihm wenigstens der Name genommen werden, es soll nur noch „dort" sein (fünfmal in V.20f). Die Vernichtung des Namens in 14,23 wird in 13,20-22 vorweggenommen. Es geht unter als Zentrum der zivilisierten Welt und bleibt zugleich Babylon, denn nun (V.20-22) wird es Zentrum der Gegenwelt. Notabene ziehen die Tiere eben nicht in Ruinen oder Trümmerhaufen (iinin Jes 5,17 o.ä.), sondern in Häuser (V.21), Paläste und Tempel (V.22). Die diesen Vorgang zusammenfassende Aussage V.19 hat für drei Teilaussagen entsprechend nur ein Prädikat: „nrnm" - „und sie wird sein/ist/ist gewesen/wird gewesen sein". Daß das Prädikat hier ausgerechnet ITH ist, wird im Blick auf die anderen BabylonTexte sinnfällig: der Untergang ist die Ontologie Babylons. So kommt die Stadt nur als intakte (V.2) und zukünftig umfunktionierte in den Blick, es sind also ausschließlich Zustandsbeschreibungen, kein (Zerstörungs)Handeln. Der gegenwärtige Status ist dabei dem zukünftigen nachrangig. Das Vernichtungs- und Zerstörungshandeln wird an den Einwohnern und Einwohnerinnen vollzogen.137 V. 14-18 schildert die Greuel innerhalb der Stadt im groben kontinuierlich. Am Anfang stehen die Fluchtversuche der Angegriffenen, die Angreifer morden alle, zunächst die Männer (V.15), die sich wahrscheinlich als militärische Verteidigung außerhalb der Häuser befinden und noch eventuelle Gegenwehr leisten. Dann setzt sich das Morden in immer größerem Chaos fort, nun werden auch Frauen und Kinder getötet. Das Abschlachten Wehrloser, Plünderungen und Vergewaltigungen gehören zu soldatischen Handlungen, wenn eine Stadt bereits erobert ist (V.16). Das fortschreitende Chaos wird neben den kurzen Sätzen, die zugleich das Erzähltempo und die Orientierungslosigkeit der Rezipierenden erhöhen, auch durch Widersprüche ausgedrückt, wenn zum einen von Plünderungen die Rede ist (V.16b) und zum andern davon, daß die Meder kein Silber oder Gold wollen (V. 17), sondern nur von Tötungsgier getrieben sind. Auch ist mit dem Bogen in V.18 wieder eine Distanzwaffe genannt, obwohl sich die Kriegs- und Zivilbevölkerung längst im Nahkampf befinden (V. 15f). Die Jünglinge werden
137
KAISER, Jesaja 13-39, ATD, S. 19.
B.IV. 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
249
durch die Bogen zerschmettert (V. 18a).138 Die Kraft der Angreifenden ist so groß, daß jeder Bogenschuß die Wirkung eines gewaltigen Schwerthiebes hat: Nachdem die Angegriffenen zu Frauen wurden (V.7f), werden die Angreifer zu Monstern. Die Zerstreuten aller Länder, die in Babylon versammelt wurden, zerstreuen sich wieder in die Herkunftsregionen (V.14), alle müssen fliehen. Diesen Zerstreuten stehen die versammelten Völker der Angreifer gegenüber (V.4). Nach der Stadtzerstörung werden die Häuser mit Tieren der Anti-Zivilisation gefüllt. Durch ihren angsterfüllenden dämonischen Charakter ist ihr Einwohnen in der Stadt tatsächlich eine Steigerung zur Verlassenheit. Die
Angegriffenen
Die Reaktionen der Angegriffenen werden in V.7f als Beobachtung des Sprechers, also wohl des Propheten wiedergegeben. Alle Formulierungen umschreiben die Angst der Stadtbewohner, -bewohnerinnen und ihren Schrecken. Auf dem l ^ m i n - „und sie werden erschreckt" liegt gerade durch die syntaktische Unverbundenheit ein großes Gewicht.139 Der Schrecken verdrängt alles andere. Er erfaßt alle ohne Unterschied: einen Mann (¡¿TN) und seinen Nächsten Offenbar sind es diese, dieselben Menschen, die in V.ll als ,übermütig', ,hoffärtig' und ,gewalttätig' bezeichnet werden. Während also der Sprecher von V.7-8 die todgeweihten Opfer des Angriffs als Menschen sieht, die wie er selbst sind (Lev 19,18), sieht Gott in ihnen welche, die durch schuldhaftes Handeln ihre Vernichtung auf sich gezogen haben (V.11-12). Zusätzlich weitet V.12 die ohnehin schon universale Gruppe der zu vernichtenden Menschen: nun sind es fast alle, die sterben werden, nur ein Rest bleibt. In der Kriegsschilderung V. 14-18 stehen durch die Passivformen die Angegriffenen als Opfer im Vordergrund. Selbst als in V. 17 die Meder als die Angreifenden benannt sind, kommen sie als Agressoren, Aggressorinnen nicht in den Blick, stattdessen werden in V.18 die Bogen personifiziert.140 Bei den Angegriffenen wird nach Geschlecht und Lebensalter differenziert (V.16.18), nicht aber nach Status (V.7f) oder Herkunft (V.14). Dabei kommen Frauen und Kinder lediglich als der Besitz eines Mannes in den Blick und sind zu Hausplünderungen parallel gesetzt; in V.18 geht es dagegen um die jungen Menschen selbst.141 138
Hier wird oft wegen des Widerspruchs in den Text eingegriffen, s. z.B. CLEMENTS, Isaiah 1-39, NCB, S. 137; WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 193 u. 194. 139
140
ZAPFF, P r o p h e t i e , S. 114.
ZAPFF, Prophetie, S. 173-175, emendiert V.18a und bezieht V.18b auf die Meder als Fortsetzung von V. 17. 141 Die Schärfe aus V.16 zu nehmen, ist aus verschiedenen Richtungen unternommen worden: Für Jes 13,16 beginnen euphemistische Änderungen des Wortes bXD - „vergewaltigen"
250
B.IV. I. Der Untergang Babylons - Jesaja
Begründung für den Untergang Im Text selbst gibt es sehr wenige Anhaltspunkte dafür, warum Babylon den Zorn Gottes auf sich geladen hat. Dies entspricht auch anderen Fremdvölkertexten im Jesajabuch wie in anderen prophetischen Texten generell. Wenn überhaupt ein Grund für das Gericht genannt wird, ist das zumeist Stolz oder eine (mögliche) Allianz mit Israel. Dies spiegelt die Vorwürfe an Israel, die allerdings extensiv und intensiv viel größere Bedeutung haben."2 Um Gründe für Schuld zu finden, nehmen Exegeten und Exegetinnen oft andere Texte zu Hilfe: in 13,19 ist für Erlandsson ein Symbol für den Stolz der Sünder und Gottlosen. Den Bezug zu Babylon erklärt er mit Gen 11: „That Babylon had early become known to Israel for its pride is proved in Gen.II" 143 , Gen 11,4 entspreche außerdem Jes 14,13.14. Zapff betont dagegen einen Zusammenhang der Beleghäufungen in Jes 2 und 13: „Innerhalb Jes 13 ergibt sich ein Spannungsbogen zwischen der Erhabenheit Jahwes und dem Stolz derer, die von ihm vernichtet bzw. gerichtet werden: V 3 und V 11.19. Auf kompositioneller Ebene scheint ein Bezug zu Jes 2 beabsichtigt, wo sich ebenfalls Jahwes herrliche Erhabenheit ~ H i 7 C ) im Gericht über alles Hohe (wohl im Sinn von Hochmütigen und Stolzen) als siegreich erweist."144
Wildberger macht darauf aufmerksam, daß in Jes 10,5-15 ausgeführt sei, worin der Hochmut der Assyrer bestehe, und auch Jes 47 (!) gebe „Details, die das Gericht einsichtig machen".145 Das aber sei hier in Jes 13 anders, die Schuld Babylons sei nicht konkret ausgeführt.146 Und doch liest Wildberger Jes 13 wohl aus der Perspektive von Gen 11 und Offb 17f: „Und warum hier, wo mit so großer Abscheu von Babel gesprochen wird, seine Tore als solche der Edlen oder Fürsten bezeichnet werden sollten, ist unerfindlich."14' Tatsächlich wird von Babel eben nicht mit Abscheu gesprochen! bereits bei den Massoreten, die ein Qere 3 3 2 - „(bei)schlafen" bieten. LXX und andere griechische Übersetzungen haben 6%eiv - „(ihre Frauen) ergreifen". Diese Übersetzungen werden begünstigt durch die Uneindeutigkeit der Wurzel "732) selbst. Das Verb kommt in Kai, N i f a l und Pu'al insgesamt vier Mal vor (Dt 28,30; Jes 13,16; Sach 14,2; Jer 13,2) und heißt nach Ges 17 stets „schänden/geschändet werden". Dann aber gibt es das Substantiv b'^D in Ps 45,10; Neh 2,6, das nach Ges 17 u.a. „Gemahlin eines Königs" heißt. BRENNER, Intercourse, S. 22, äußert die Vermutung, es handele sich um ein Homonym. WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 518, erwägt, CHTD - „Häuser" in CHT^TC - „Jungfrauen" zu ändern, um „eine bessere Parallele zu CiTiÖj - „Frauen" zu bekommen, aber „die Vergewaltigung der Frauen schließt sich in durchaus plausibler Weise an die Plünderung der Wohnstätten an." 142
HAMBORG, Reasons for Judgement. ERLANDSSON, Bürden, S. 118. 144 ZAPFF, Prophetie, S. 48. Der Begriff verweist außerdem auf 14,11 vor (ebd., S. 144). 145 WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 518. 146 An anderer Stelle nennt er allerdings Anmaßung als Sünde und Anlaß für Gottes Eingreifen. 147 WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 512. 143
B.IV. 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
251
Die konkreten Kriegsschilderungen nehmen einen erheblich größeren Textraum ein als die Erklärung, warum Babylon zerstört werden soll. Anhaltspunkte für die Schuld Babylons finden sich in V.9b und in V . l l und können aus V.19 geschlossen werden: In V.9 heißt es, ihre Sünder (NiiH) werden zerstört: das Femininumsuffix bezieht sich auf fHKn in V.9ba, also auf das Land Babylonien oder die ganze Erde.'48 V . l l nennt eine Reihe von Schuldthemen: „Und ich werde heimsuchen auf der Erdfeste das Böse und an den Frevlern und Frevlerinnen ihre Sünde, ich beende die Herrlichkeit der Übermütigen, die Erhabenheit der Gewalttätigen erniedrige ich:"
Der Vers besteht aus zwei Teilen, die ihrerseits aus zwei parallelen Teilsätzen zusammengesetzt sind. In V . l l a verkündigt Gott, das Böse (i~iLH)m und die Sünde (¡UJ) heimzusuchen. Beide Begriffe bezeichnen im Hebräischen ein Verhalten, das selten genau bestimmt wird, sicher ist nur Gottes Mißbilligung. Dieses verurteilenswerte Verhalten eignet Frevlern, Frevlerinnen (CTOT-!) und der Erdfeste ('pnn)! Wie schon oben erwähnt, werden Himmel, Erde und die Erdscheibe in Babylons Untergang in Mit-Leiden-schaft gezogen. So ist die Parallele von Frevlern und Erdfeste kein Zufall, sondern theologische Aussage über die Verurteilung der Erde. Und: Babylons Untergang ist ein kosmischer Untergang.150 Während also in der ersten Vershälfte alle vier Substantive, das Gottwidrige und seine Träger, pejorativ gebraucht sind, ist das in der zweiten Hälfte ein wenig anders. "IT und ^"HJ? sind pejorative Begriffe, während "KI und m t C je nach Kontext pejorativ oder positiv gebraucht werden. CHT - „Übermütige" steht - obwohl in der LXX und neuzeitlichen Übersetzungen oft mit "bßpiQ/Hybris wiedergegeben - im Hebräischen auffallend selten mit Begriffen für Stolz oder Hochmut u.a.) zusammen, sondern mit Bosheitsbegriffen (nu~l, Uttfl) und Ausdrücken für Unterdrückung; im Vordergrund steht deshalb die Anmaßung von (eben nicht zustehenden) Rechten und Machtbereichen.151 Daß für "IT in bezug auf das Zusammenstehen mit '¡ItW ausgerechnet Jes 13,11 eine Ausnahme bildet, und zusammen mit Dan 5,20 (eine Charakterisierung Nebukadnezars) und Obd 3 (das Verhalten des personifizierten Edom) nur Texte betroffen sind, die unmittelbar (Jes; Dan) und 148
LXX und 1 QIsa weisen hier kein Suffix auf. Einige Exegeten und Exegetinnen ändern H i n in n n i n (ERLANDSSON, Bürden, S. 23), s. auch BHS und geben somit dem Bösen eine Einschränkung und einen Bezug, und zwar auf grammatisch Feminines, das in der Lektüre auf die Erdfeste oder sogar auf Babylon bezogen werden kann. 150 Dies betrifft viele Texte Jesajas (Jes 24; 34) und Texte zum Tag JHWHs (z.B. Zef; Obd). 149
151
SCHARBERT, Art. TIT*.
252
B.IV. 1. Der Untergang Babylons
-Jesaja
mittelbar (Obd) mit dem Untergang Babylons zu tun haben, deutet eine Linie an für die Begründung von Babylons Untergang: die Überschreitung der eingeräumten Rechte. Beide Gruppen, die Übermütigen und die Gewalttätigen ( C ^ I P ) sind hier nicht näher eingegrenzt. Ihr Handeln bringt an den anderen Bibelstellen Schrecken, Krieg und Unterdrückung (z.B. Ez 28,7; Jes 29,5). Das wird Babylon selbst bald nicht mehr gelingen (Jes 47,12). Gewalttätig kann aber auch Gott selbst sein (Jes 2,19.21). M.E. wird erst durch die Subjekte und ihre negative Qualifizierung zu einem Begriff, der negatives Verhalten kennzeichnet. Daß es die ¡"HK5 der Gewalttätigen und die der Übermütigen ist, die beendet werden sollen, prallt mit der Attribuierung von Gottes Kriegern als Triumphierende von Gottes Erhabenheit (V.3) zusammen. Dazu kommt, daß Gott und seine Alliierten z.T. dieselben Attribute aufweisen wie die zu vernichtenden Menschen. Die Wiederholung des gleichen Ausdrucks für konträr zugeordnete Gruppen (Gott und sein Heer einerseits und Babylon und die Menschen andererseits) verweist auf ein mindestens unterschwelliges Thema dieses Textes: es geht auch um Definitionsmacht. Aber damit stellt der Text die von Gott ausgeübte Gewalt als fragwürdig dar. Die Gleichheit der Begriffe macht augenfällig, daß Gewalt doch Gewalt bleibt.'52 V.19 baut einen Gegensatz auf von der großen (gegenwärtigen) Pracht Babylons und ihrem/seinem (baldigen) Untergang, der so sein wird wie der von Sodom und Gomorra. Schon wieder fallt der Begriff]!^, wieder in anderer Wertungsnuance. Hier dient es, ob als Zitat, Titel oder eigene Einschätzung des Sprechers, zur Qualifizierung Babylons als „Zierde der Königreiche". So wie im Textverlauf die Perspektiven wechseln von den Angreifern zu den Angegriffenen zum Himmel, dann in der Stadt, wird auch die Wertung, die im Begriff steckt, gewechselt. Dann wird diese Pracht und Erhabenheit in einem scharfen Kontrast zum Untergang Sodoms und Gomorras gestellt. Der Vergleich zwischen Babylon und Sodom besteht hier im Untergang. Er wird wahrscheinlich so vollständig, plötzlich, bald und übermenschlich kommen wie der Untergang Sodoms in Gen 19. Läßt sich aus dem Vergleich zu Sodoms Untergang auch etwas schließen auf die Schuld Babylons in Parallele zu Sodom? Der Text gibt dafür keinen Anhalt. Stattdessen ist über 152 Die Forschungsliteratur ist hier häufig in ihrer Beurteilung sehr nah an der Perspektive, die Gott in dem Text einnimmt: JLT« ist nach ERLANDSSON und WILDBERGER Z.B. ein göttliches Attribut, das ein Sterblicher nur „in frevelhaftem Übermut" für sich in Anspruch nimmt (ERLANDSSON, Bürden, S. 140; WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 108). Aus begrifflichen Übereinstimmungen von Jes 13,2-5 mit den Texten vom sog. Völkerkampfmotiv schließt ZAPFF eine Umwertung der Konnotationen - der negativ konnotierte Völkersturm werde hier zu einem positiven Geschehen uminterpretiert (ZAPFF, Prophetie, S. 55f). Ich ziehe den gegenteiligen Schluß: Gott selbst als Schaddai Vernichtung bringend bedient sich der kriegerisch bedrohlichen Mittel schrecklicher tödlicher Werkzeuge gegen eine Stadt, diese Mittel sind und bleiben verworfen. In Jes 33,1 distanziert er sich von sich selbst (s.o.S. 242f).
B.IV. 1.2. Ein bestialischer
Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
253
den Vergleich mit Sodom Babylon mit Juda/Jerusalem verbunden, in Jes 1,7.9 findet sich die einzige andere Erwähnung von Sodom - als Untergang. Der Unterschied zwischen der Gerichtsverfallenheit Babylons und Jerusalems/Judas ist, daß Babylon wie Sodoms Gottesumsturz ist (13,19) und Jerusalem/Juda fast (1,7.9), von Jerusalem/Juda bleibt ein Rest (1,9 u.ö.), von Babylon nicht (14,22). Und in Jes 1,9 ist die Gleichsetzung mit Sodom und Gomorra die Selbsterkenntnis der sprechenden Gruppe,1" in Jes 13 feststehende nahe Zukunft in der Zusage des Propheten gegen Babylon. Auffällig ist zudem, daß in Jes 13 nicht von der Zerstörung und Exilierung Jerusalems und Judas die Rede ist, dies ist hier keine Perspektive auf Babylon.154 Babylon selbst kommt also in Jes 13 als prächtige Stadt in den Blick, deren Bewohner und Bewohnerinnen genauso panikerfüllt Opfer der Kriegsgreuel werden wie in anderen Texten Bewohner und Bewohnerinnen anderer Städte. Im Text ist keine spezifische Sünde Babels genannt, sondern allgemein Sünde und Böses.155 Steht Babel hier für die ganze Menschheit? Oder steht Babylon hier für die Sünde und das Böse schlechthin?156 Oder befinden sich alle zu vernichtenden Menschen in Babylon? Es ist diese Uneindeutigkeit nicht eigentlich ein theologischer Mangel der Texte, sondern vielmehr eine theologische Stärke: die eine selbe Handlung kann in einer Situation falsch und in einer anderen richtig sein, aus einer Perspektive falsch und aus einer anderen richtig sein. Dieser Text spricht und urteilt aus seiner Perspektive und Situation. Daß Menschen verschiedener Standpunkte und Zeiten ein anderes Urteil fällen, eine Handlung anders wahrnehmen, ist ein theologisches Problem, das zu differenzieren, aber nie zu lösen ist. Die Gleichzeitigkeit von Lokalität und Universalität, der Eindruck von authentischer Konkretheit und kosmischem Endgericht provoziert erneut die Frage, wer hier als „Babylon" vernichtet werden soll, insbesondere wenn so viele Begriffe die hier zur Charakterisierung der Vernichtung Anheim-Gefallenen in andern Texten Gott selbst kennzeichnen (z.B. Wer ist „Babylon"?
153
S. dazu CONRAD, Reading Isaiah, S. 83-116, bes S. 88ff. ERON, On the Dating, S. 23 mit Verweis auf eine Arbeit von Y. KAUFMANN. 155 KAISER, Jesaja 13-39, ATD, S. 21. Gegen EHRLICH, der H i n bzr. in n!12n b^Z „an Babylon heimsuchen seine Bosheit" ändert (Randglossen IV, S. 51) und betont, daß es hier nur um Babylon, nicht aber um die ganze Welt handele. Interessanterweise sagt er zu 14,26, daß der Vers von der ganzen Welt rede und der Untergang Assurs eine Erleichterung für die ganze Völkerwelt sei (ebd., S. 57). 156 WlLDBERGER, Jesaja, BK, S. 528. BERGES, Das Buch Jesaja, S. 156: Es „wird nicht Babel als frevlerisch gekennzeichnet, eine Selbstverständlichkeit, die den Aufwand nicht gelohnt hätte, sondern die Frevler sind mit Babel identifiziert." 154
254
B.lV.l. Der Untergang Babylons
Jesaja
1.2.3. Jesaja 14,l-4a - Israels Rückkehr Nach der Zusicherung, daß die Tage nahe sind, in denen Babylon in Zerstörung von Wüstentieren bewohnt wird (13,22), ändert der Text abrupt seine Perspektive. Während Babylon bald menschenleer ist (13,20-22), füllt das Land Israel sich mit Heimkehrern, Heimkehrerinnen, Fremdlingen und Völkern (14,1-2): nun geht es um Gottes Erbarmen und Rückführung Israels. Diese deutliche und kontrastive Aussage läßt bei genauerem Hinsehen jedoch vieles in der Schwebe. Zunächst ist es nicht eindeutig, aber möglich, daß T an 13,22 begründend anschließt: weil JHWH sich Israels erbarmt hat, wird Babylon nun untergehen. Es kann auch bekräftigend „fürwahr" heißen und stellt so die eine Aussage (Babylons baldigen Untergang) neben die andere (Israels Erwählung).157 Die Erwählung Israels ist außerdem mit ""IUJ spezifiziert, das ein Substantiv der Wiederholung oder der Fortdauer ist. So kann der Satz heißen, Gott habe Israel wieder erwählt oder immer noch, er erneuert seine Erwählung oder er hält an ihr fest. Nur eines ist sicher: Gottes Erbarmen an Israel (14,1a), das einen scharfen Gegensatz zum Nichterbarmen an den Einwohnern und Einwohnerinnen Babylons (13,18) herstellt. Mit diesen Uneindeutigkeiten und der einen Eindeutigkeit sind die theologischen Fragen, die das Exil mit sich brachte, sprachlich ausgedrückt, ohne expliziert zu sein.158 Deshalb steht 14,1a m.E. nicht umsonst in der Mitte des Textes 13,114,27, der doch eigentlich von Babel handelt und schlägt noch einmal die Brücke zurück zu 12,6. Gott verursacht das Niederlassen für Israel und die Erleichterung von der Last des Königs von Babel; mit dem Zeitpunkt, an dem die Ruhe eingetreten ist, singt Israel einen ein Gleichnis- oder Spottlied hier übersetzt mit „Herrschergleichung" (s.o.). Der Tag von 14,3 muß nicht identisch sein mit dem Tag JHWHs, an dem Babylon fallt (Kap. 13) und vermutlich auch der König getötet wird (14,4b-21), sondern es ist ein Tag der Ruhe, an dem keine Pein, Wüten und harter Dienst stattfinden. Wann ist dieser Tag? Hlj hif. ist ähnlich wie das Substantiv rriTljE ein theologisch besetzter Begriff, 1 " der kurz gesagt das Bedeutungsdreieck Freiheit - Heimat - Ruhe füllt. Alle drei 157 WlLDBERGER, Jesaja, BK, S. 501, plädiert für die Bedeutung „denn", und für ihn einen kausalen Zusammenhang von der Vernichtung Babylons und der Errettung Israels (S. 508 u.ö.). M.E. ist dieser kausale Zusammenhang vom Untergang eines Fremdvolkes und positiven Auswirkung für Israel nicht per se gegeben, und darin sehe ich auch nicht die Hauptmotivation für Fremdvölkersprüche. Ein kausales Verhältnis wird in diesen Jesajatexten überhaupt erst hergestellt. 158 Die Passage enthält mit den Worten "1173 - „erwählen" und n " hif. - „Ruhe verschaffen" hochtheologische Begriffe, die besonders in der Exils- und Nachexilszeit in dtr Traditionen Bedeutung gewannen, s. dazu WlLDBERGER, Jesaja, BK, S. 525f; PREUSS, Art. m : ;
STOLZ, Art. ITC s o w i e WlLDBERGER, Art. T Q ; SEEBASS, Art. T D . " ' PREUSS, A r t . ITC, S p . 2 9 9 .
B.IV. 1.2. Ein bestialischer
Weltuntergang
und ein Spottlied:
Jesaja
13,1-14,27
255
deutschsprachigen Eckbegriffe bedingen sich gegenseitig, um IVjn/nmjC zu sein, es ist ein „vollständiger, das ganze Leben umfassender Heilszustand", innerlich wie äußerlich, vergangen-utopisch wie zukünftig-utopisch, der doch stets Zielbegriff bleibt.'61 Auch, aber nicht allein deshalb, ist der Begriff „Korrelat zu dem alttestamentlichen Weggedanken'" 62 und deshalb, aber nicht nur deshalb, ist Jakob in 14,1 zweimal erwähnt, der Israel „unter der Aufbruchs- und Wegperspektiveii,a repräsentiert. Dieses Konzept in Sprache fassend, handelt es sich in 14,3 bei r n n um ein substantiviertes Verb „Niederlassen" und somit um Tun und Zustand zugleich. Während es eine aktive Form ist, ist es gleichzeitig der Hif il-Stamm mit kausativem Aspekt: daß Israel sich niederläßt, ist durch Gott verursacht und ermöglicht, I T j n / n m j C ist eine anzunehmende Gabe Gottes; kausativ, also veranlassend und bewirkend, ermöglicht Gott Israel das Verlassen der Passivität, in der es sich in seiner Sklaverei befand („Dienst, der mit dir ausgeführt wurde"). Insbesondere in Dtn 12,9 ist das Konzept der niTljC an das Wohnen im Land gebunden,164 hier in Jes 14,1-3 geht die Rückkehr in das Land dem r n n voraus. V.3, das Niederlassen(-verschafft-worden-sein), bedingt V.4, den Tod des babylonischen Königs: erst und nur dann, wenn Israel neben dem Land auch n m ] C verwirklicht hat, wird es den König nicht mehr geben. Das ist unabhängig von der Physis, weil das Sein von nriljC den König von Babel als Orientierungspunkt der Weltpolitik buchstäblich außer Acht lassen kann. Der König von Babel erscheint in diesem Text aber auch (noch) als Hindernis, die ¡ U T I J C Wirklichkeit werden zu lassen.'65 14,4b—21 ist ein utopisch-zukünftiges Lied, das eines Tages über die Vergangenheit - den König von Babel - gesungen werden wird. V.3^ta bilden die Einleitung zu dem Lied und stellen es damit in den Kontext der Babylon-Prophezeiung 13,1-14,23.166 Während 14,1-4a insbesondere durch die relative Datierung mit Kap. 13 verzahnt ist, weist der kurze
160
161
STOLZ, Art. rrc, Sp. 4 6 .
EBACH, Über „Freiheit" und „Heimat", S. 96. VON RAD, ES ist noch eine Ruhe vorhanden, S. 108. HERMISSON, Einheit und Komplexität, S. 303: „Der Ahnherr Jakob repräsentiert das erwählte Israel unter der Aufbruchs- und Wegperspektive, er ist der Wanderer und Knecht Jahwes, der zum Zeugen Jahwes geschaffen ist und unterwegs in der Erfahrung und im Bekenntnis der Wunder Jahwes für den einzigen Gott zeugen soll." 164 BRAULIK, Freiheit und Frieden. 165 Im Zusammenhang mit Ruhe, Freiheit und Heimat für Israel und die Völker stimmt es nachdenklich, daß Babylon heute fester symbolischer Bestandteil unseres Denkens ist: so kann nach 14,1-4 die nm"Q nie erreicht werden. 166 WLLDBERGER, Jesaja, BK, S. 536f. Oft wird Jes 14,1 -4a insgesamt als späterer, interpretierender Zusatz gesehen. S. dazu schon DUHM, Jesaja, HAT, S. 116, besonders nachdrücklich hebt CLEMENTS, Isaiah 1 - 3 9 , NCB, S. 139, die zwischen den Jesajatexten einheitstiftende Funktion von 14,1-2 hervor. 162
256
B.IV. 1. Der Untergang Babylons -
Jesaja
Text zu dem nachfolgenden 14,4b-21 zusätzlich zur Datierung vor allem Stichwortbezüge auf: Till (14,2.6); 03] (14,2.4b); m n u. FTD (14,3.7); T21 u. HTD (14,3.9.16).
1.2.4. Jesaja 14,4b-21 - Ein Spottlied „[..] Hochmut kommt vor dem Fall" (Spr 16,18b) „Ich beende die Hoffart der Übermütigen, die Erhabenheit der Gewalttätigen erniedrige ich" (Jes 13,11b)
Das Lied 14,4b-21 gehört gleich zu mehreren Gruppen von Liedern im AT. Formal ist es eine nrp, ein Klagelied. So übersetzt auch LXX XÖV öprjvov x o m o v - „dieses (Toten)klagelied". Die Kennzeichen und Elemente eines Klageliedes werden derart mit einem nicht erwarteten und nicht erwartbaren Inhalt versehen, daß es zu einem Spottlied wird.167 Darüberhinaus wird in der Einleitung 14,4a das Lied als ^CÜC bezeichnet. Was ist ein ^ m ? Mit werden im AT eine Reihe sehr disparater Texte bezeichnet. Dabei gibt es kaum Möglichkeiten, eine definierende Gemeinsamkeit aller dieser Texte festzustellen. So heißen einzelne Sprichwörter (z.B. lSam 10,12; 24,14; Ez 18,12; 16,44) sowie das ganze Sprüchebuch (Prov 1,1) und wichtige Teilstücke desselben (Prov 10,1; 25,1). Aber auch die Sehersprüche Bileams (Num 23,7 u.ö.), die Aussagen Ezechiels (z.B. Ez 12,22f; 21,5) und ausgearbeitete Gleichnisse prophetischer Literatur (Ez 17). Dabei wird Jes 14 zumeist in die Gruppe der als Spottverse und -lieder gereiht.168 Die anderen „Spottverse" sind lediglich als solche erwähnt (z.B. „man wird ein von euch machen", Mi 2,4), so z.B. Ps 69,12; Hi 17,6, und werden nicht zitiert. So ist m.E. ist die Identifikation von in Jes 14 als „Spottlied" vorschnell. Neben Versuchen, die Gruppen der als btÖE bezeichneten Texte in eine mehr oder minder kontinuierliche Entwicklung vom Einfachen zum Komplizierten zu ordnen,169 gibt es Ansätze, die die Bedeutung von 'PÖC eben nicht inhaltlich, sondern kommunikativ zu umreißen suchen. Nach Polk, der seinerseits Studien von Landes zu Jona und von Suter zu Henoch aufarbeitet, stellt ein einen performativen Sprechakt mit paradigmatisch-parabolischem Charakter dar, d.h. daß ein in der literarischen Form eines 167 Sprichwortes oder einer Erzählung wie Ez 17s.dieYEE, RezipierenZu den Details, wie ausgearbeiteten in Jes 14 das Klagelied parodiert wird Anatomy; WILDBERGER, Jessaja, BK, S. 539f. 168 So z.B. Ges 17 ; BEYSE, Art. btÖD, Sp. 78; JAHNOW, Leichenlied, S. 242; WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 201. S. auch CLEMENTS, Isaiah 1-39, N C B , S. 141. 169 BEYSE, Art. b v a .
B.IV. 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
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den einbezieht, indem sie aufgefordert sind, zum Wahrheits- oder zum Realitätscharakter der Aussage Stellung zu nehmen.'™ M.E. ist dies ein Nenner, auf den vorläufig all diese Texte gebracht werden können, wenn auch die Breite dessen, was unter einen Begriff fallt, für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Neuzeit unbefriedigend sein mag.1" Ausgesprochen frappant erscheinen mir abgesehen von den Bileamsprüchen die Ähnlichkeiten der langen 'PCÖQ-Texte: Ez 17 ist eine paradigmatische Parabel über das babylonische Exil und die Bündnispolitik des judäischen Königs, in dem im Laufe des Textes der König von Babylon und Gott die Rollen tauschen (Ez 17,12.22) Aus einer Parabel über historische Konstellationen wird eine theologische Belehrung: „As the semantic shift takes place from a historically referential onto a more theological plane, the mäsM becomes more inclusive in address, more paradigmatic and parabolic than it first appeared.""2
Ein anderer Text ist Hab 2,4b-20. Jes 14 und Hab 2 sind beide lange Lieder Jes 14,4a; Hab 2,6) über den Tyrannen, der stolz ist (Hab 2,5), viele Menschen getötet hat (Jes 14,19.20; Hab 2,5) und ein schlimmes Ende nimmt (Jes 14,4b—21; Hab 2,5.6a-20). Und in beiden Texten weitet sich die Charakterisierung des Tyrannen auf alle Unrechttuenden (Jes 14,5.21; Hab 2,15f. 18.19). Im Habakukbuch ist die einzige erwähnte politische Situation die militärische Bedrohung durch die Babylonier."3 Alle diese drei umfangreichen ^ÖD-Texte haben also mit Babylon zu tun. Was es mit dem in Jes 14 auf sich hat, ist damit freilich noch nicht geklärt. Wie genau verläuft hier das Parabelhafte auf der inhaltlichen Ebene? Ist der König ein Paradigma für andere? Ist sein Ergehen eine Parabel auf das Ergehen anderer? Oder ist eine Parabel (14,4b-21) hier auf den König von Babylon angewendet?174 Das kann in diesem Rahmen nicht entschieden werden - in jedem Fall steht der König von Babel nicht nur für sich selbst. Wie wichtig der Begriff für das Lied selbst ist, zeigen die damit verbundenen Wortspiele. Das Verb ^ÖQ nif. - „gleichen, gleich sein" (V.10) und das Verb 170 POLK, Paradigms, dort die Angaben zur Literatur, die er aufarbeitet. Polk expliziert seine Thesen an Beispielen aus dem Buch Ezechiel, weil hier quantitativ und von der Bandbreite das Spektrum dessen, was als ^iöö bezeichnet wird, besonders deutlich wird. 171 Auch NIELSEN, Hope, S. 245f, gibt zu bedenken, daß es im AT für Parabeln und Allegorien keine besonderen Formen gibt, und beide könnten durch ein ^¡ÖO ausgedrückt sein, im AT insgesamt sei eben nicht unterschieden zwischen satirischem Lied, Sprichwort, Ermahnung, Orakel oder apokalyptischer Aussage. 172 POLK, Paradigms, S. 581, s. dort auch den Hinweis auf den Rollentausch, S. 578-583. 173 BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 310-312, sieht starke Bezüge zwischen Hab 1,1.5.7.11; 2,1.3 und Jes 21,1.2.3.6.8, aber keine zwischen Hab 2,4ffund Jes 14,4ff. 174 Zu bedenken ist auch die Stellung des Textes 14,12-15, der nach allen bisherigen Forschungen eher aus mehreren Mythenelementen zusammengesetzt zu sein scheint. Was hat dieser Text mit der Bezeichnung ^¡2)0 zu tun?
258
B.W. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
H C l - „ähnlich sein, gleichen" (V.14) tauchen zweimal auf, ihre Synonymität wird in diesem Text dynamisch.' 75 Das Sein-(wollen)-wie des Königs von Babel und damit seine Identität ist Thema des Textes. Das Gleichen (V.10), Gleichsetzen (V.14), Vergleichen (V.19) und das Gleichnishafte (V.4) kontrastiert der Unvergleichlichkeit Gottes, die in Deutero-Jesaja theologischer Refrain des Textes wird."6 Das Lied von der gescheiterten Gottgleichheit des Königs von Babylon geht den Liedern der Unvergleichkeit Gottes weit voraus. Außerdem, sozusagen zugleich, spielt der Text mit der Doppelbedeutung/Homonymität von 7ÖfÜ als „herrschen" und „gleichen". Mit dem Verb II - „herrschen" (V.5) wird das Wort b m (von b m I) aus V.l zum Wortspiel: die Parabel ist damit auch ein Herrscher(spott)lied, also eine Art Herrschergleichung.
1.2.4.1. Sprecher/Prophetie und Aufbau des Textes Man kann den Aufbau des Textes nach verschiedenen Kriterien einteilen: Sprecher- und Zitatebenen, Ebenen des Angeredeten und Themen bzw. Metaphorik. Von den Beteiligten her wird ein Kreis abgeschritten: I 4b-6 Menschen/Völker II III
7-8 Vegetation 9-11 Unterwelt und Könige
IV V VI
12-15 Göttlichkeit und König 16-17 Unterwelt und Könige 18-19 Vegetation
VII 20-21 Menschen/Völker
Auch in anderer struktureller Hinsicht dominieren Komplementaritäten und Gleichförmigkeiten das Lied, wie Holladay herausgearbeitet hat.'77 Am Ende jedes Teils finden sich Ausdrücke, die in dieser Zusammenstellung nur noch einmal im Jesajabuch vorkommen: „Scheol/Unterwelt" und „Harfe" 175
Als Synonyme benennen JENNI, Art. HCl, Sp. 45 l f und PREUSS, Art. HOT, Sp. 267, diese beiden Begriffe. 176 *72)0 hif. - „(ver-)gleichen" und hitp., nif. steht in der Mehrzahl der Aussagen als Vergleich des/eines Menschen mit den Toten (der Unterwelt). Nur einmal steht es anders: (ausgerechnet! s.u.) in Jes 46,5 bezeichnet BSC hif. die Unvergleichlichkeit Gottes (BEYSE, Art. Sp. 71). 177 HOLLADAY, Text, S. 635, teilt die Strophen in 4b-8.9-l 1.12-15.16-20. 4b und 12 leiten je einen neuen Teil ein, der durch z'R markiert ist, so daß V. 11 und V.20 je das Ende eines Teils bilden. Als konzentrische Struktur sehen auch UEHLINGER, Weltreich, S. 540 den Text 14,4b-20 und O'CONNELL, Concentricity and Continuity, S. 128 sowie ders., Ironie Reversal, S. 407fF den Text 14,4b-23. In der Textbestimmung, Einteilungen u.a. unterscheiden sich aber die drei Modelle. Die Unterschiede werden hier aber nicht ausgeführt.
B.IV. 1.2. Ein bestialischer
Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
259
( V . l l ) in Jes 5,12.14 und „Same der Bösen" (V.20) in Jes 1,4. In jeder Strophe gibt es eine wiedergegebene Rede: Bäume (V.8b), die Könige (V.lOb), der Tyrann selbst (V.13-14) und ,sie' (V.16f). m Auch die Eigennamen sind symmetrisch verteilt: V.8 Libanon, V.13 Zaphon/Norden; V.5 JHWH, V.13 El, V.14 Elyon. Das Erheben vom Thron in V.9 erfahrt in V.13 durch das Erheben des Throns ein Echo, ebenso das „ich bin dem Höchsten gleich" (V.14) von „uns gleichst du" (V.lOb). Das Ruhen der Erde in V.7 findet einen Kontrast im Wüten der Erde in V.16. Diese konzentrische Einteilung täuscht aber darüber hinweg, daß der Text eben nicht eine abgerundete Ganzheit ist, sondern Brüche aufweist, die stets zwischen V.15 und 16 erfolgen (s.u.). Dabei ist das ganze Lied zunächst ein Zitat, es wird von Israel gesungen (V.4a). Darüber hinaus wird gerade das prophezeit; der Wortlaut des b'Zltl ist vorerst nur als Ankündigung überliefert, so gesehen ein prophezeites Zitat. Im Lied selbst kommen nun verschiedene Figurengruppen zu Wort, die vom Tod des Königs auf irgendeine Weise berührt sind: Israel, die Zypressen und Zedern Libanons, die Unterwelt und die Könige in der Unterwelt. Dabei fallt auf, daß der Beginn der jeweiligen Rede stets deutlich markiert ist (V.4b.8.10), das Ende aber nicht: so ist es ebenso möglich, daß mit V.7 das Lied Israels zuende ist und das Lied der Zedern folgt, sowie daß die Zedern in den Gesang Israels mit einstimmen. Dies steigert sich, bis in V.13 der König selbst zitiert wird/spricht und V.15 dann von allen oder nur der letzten Gruppe gesprochen sein kann, es gibt keine Einführung der Sprechenden mehr, nur noch diesen Ausruf So kommt durch den Mund Israels die gesamte Schöpfung zu Wort.179 Dann werden mit „sie" in V.16 wohl die Könige wieder aufgenommen.180 Aber es hat sich die Struktur geändert: Es schließt sich in bezug auf die Sprecherfiguren kein Kreis, auch stehen nun Imperative (V.21), mit denen der Text dann endet. Ähnlich ist es mit der Metaphorik. Im Anfangsteil I (V.4b-6) ist die Aggression des Königs und deren Aufgehörthaben Thema des Textes. „Herrschen" ist dabei im Hebräischen aktiv vorgestellt, nicht wie im Deutschen als eher statisches Verwalten, sondern als „treten" und auch „schlagen". Entspre178
Zur Text- und Literarkritik, die hier HOLLADAYS Zitateinteilungen begründen, s. HOLLADAY, Text, S. 637-640. 179 Dies entspricht der Theologie der Tora, in der Israel die Schöpfungsordnung, nach der in Gen 1 die Welt(ordnung) erschaffen wurde, am Sinai offenbart wird. Diese Ordnung(soffenbarung) betrifft übrigens insbesondere die Schabbatruhe: die Stichworte „Ruhe", die Arbeitsunterbrechung sowie das Verb rniÖ tauchen so vielleicht nicht umsonst in diesem Text Jes 14 auf. Zum Komplex Schöpfungsordnung, Schabbat und Sinai s. LINK, Schöpfung, B d . 2 , S. 3 8 4 - 3 8 7 u. JANOWSKI, T e m p e l u n d S c h ö p f u n g . 180 Die Identität dieser Gruppe ist innerhalb der Exegese umstritten: DUHM, Jesaja, HAT, S. 97: „das Volk auf der Erde"; KAISER, Jes 13-39, ATD, S. 36: „Passanten"; WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 556: „Zeugen auf einem Schlachtfeld"; GOSSE, IsaTe 13,1-14,23, S. 235: „Bewohner der Unterwelt"; s. HOLLADAY, Text, S. 642f.
260
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
chend ist PHÖ - das „Aufhören" (V.4), und FT] - das „Niederlassen" (V.3.7) ein Gegensatz zum Herrschen: die Totenstille der Angst, der sich noch der assyrische König rühmte (Jes 10,14), ist nach dem Tod des babylonischen Königs eine allumfassende Ruhe geworden. Dieser kurze Text sagt, daß eine ruhige und friedvolle Zeit eine ohne Herrscher ist. Diese Ruhe breitet sich aus von Israel (V.4b-5) auf alle Völker (V.6) auf die ganze Erde (V.7). Hier in V.7 erscheint die Wurzel ITC wieder (s.o. zu 14,3), nun aber in nicht so intensivem kal-Stamm - und ist doch eine Ahnung der künftigen nnijE. Alle drei Nuancen des Verbs im kal181 sind in 14,4b-21 angespielt: die Arbeitsruhe (14,4b), der Frieden (14,6.8) und die Totenruhe (14,18). Im zweiten Abschnitt, dem Lied der Zedern (II, V.7—9b) kommen zu diesem Bereich, der weitergeführt wird, Bilder von Auf- und Absteigen hinzu, besonders dicht sind die Aussagen im Satz der hohen Bäume (14,8): „Seit du liegst, steigt niemand mehr hinauf, der uns abhaut." Dabei bewegt sich die Aggression des Königs mit ihm mit: noch ansteckender als ein Miasma geht sie ihm in die Unterwelt voraus, die Scheol erwartet den König bereits mit Aggressivität (V.9).182 Mit dem Wort "TU? pil. - „aufreizen" ist ein Begriff verwendet, der den Niedergang Babylons in einigen Texten einleitet, indem Gott zumeist die Meder gegen Babylon zum Krieg aufreizt (hif., Jes 13,17; Jer 50,9; 51,1.11). Auch wenn der König wohl friedlich gestorben ist, soll er nach dem Tod in der Unterwelt die Zerstörung erfahren, die Babylon so oft angedroht wird. Die Vertikalitäten stellen dabei hierarchische Ordnungen dar, die von den irdischen Verhältnissen in der Scheol fortgesetzt werden: es gibt weiterhin Könige, und sie haben weiterhin Throne (V.9). Daß sie von diesen Thronen aufstehen, ist eine weitere Facette der Auf- und Abbewegung. Die Rede der Könige in der Unterwelt (III, V.10-11) bringt eine weitere Dimension in das Lied: „gleich sein" und „nicht gleich sein". Dabei ist es möglich, davon auszugehen, daß die Zukunftsaussicht, die den König erwartet, der Verfall des Körpers (V.l 1), der Zustand ist, in dem sich gerade auch die anderen Könige befinden. Den exzeptionellen König in einer Heraushebung allen anderen Königen anzugleichen, ist auch der Vorgang in Jer 25,15-29/31, wo alle aus dem Zornbecher Gottes trinken - und der König von Babel zuletzt trinken muß (Jer 25,26).183 Die wiedergebenen Gedanken des Königs (IV, V.l2-15) enthalten alle diese Bilder. Das Thema vom Auf- und Abstieg erreicht hier mit den Gegen181
STOLZ, Art. rra, Sp.44. Ähnlich DUHM, Jesaja, HAT, S. 118: „Jetzt, wo die Oberwelt zur Ruhe gekommen ist, gerät die Unterwelt, sonst so totenstill, in Unruhe; wo der Babylonier erscheint, gibt es Aufregung." Die Diskussion, ob der König von Babel zu der Gruppe „alle Könige der Völker" gehört, steht auch dadurch im Raum, daß bei Nennung dieser Könige das Wort - „alle; ganz" gehäuft auftaucht (14,9.10.18). 182
B.IV. 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
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sätzen „zum Himmel aufsteigen" (V.13) - „zur Scheol hinabfahren" (V.15) und vom „äußersten Norden" (V.13) zum „äußersten Grab" (V.15) die breitest mögliche Perspektive,184 ebenso das Thema von Gleichsein: „ich bin dem Höchsten (]Vbä) gleich!" sagt der König in V.14 - und stürzt dann in die Tiefe. Das Thema Aggression greift dem Ergebnis der versuchten Himmelfahrt vor, der König wird zerbrochen nif.) wie ein Stab (s. 14,5), er erlebt die Agression am eigenen Leib und eben passiv, statt selbst zu schlagen. Im nun folgenden zweiten Teil des Liedes (V-VII, V. 16-21) werden die zuvor herrschenden Metaphern und Aspekte nicht mehr in der Form und in derselben inhaltlichen Ausrichtung fortgeführt: nach dem Fall des Königs gibt es keine vertikalen Bewegungen mehr. Das Thema vom Gleich-Sein erscheint noch ein einziges Mal in V.19, weil Vergleiche sprachliche Kategorien für den Anblick und Zustand des Königs finden sollen. Aggression ist Thema nur noch in Form von Krieg (V.18). Die Bildbereiche dominieren hier verspaarweise und nicht mehr steigernd: 16-17: Krieg 18-19: Tod und Grab 20-21: Ausrottung der Genealogie des Königs Sie schreiten außerdem den zeitlichen Rahmen Vergangenheit (V. 16-17), Gegenwart (V. 18-19) und Zukunft (V.20-21) ab. Der Bruch zwischen V.15 und 16 wird außerdem an einigen Details deutlich: bei einer zyklischen Struktur müßten den Zedern und Zypressen (V.8) in V.19 ähnliche große Bäume o.ä. entsprechen. Aber an ihrer Stelle ist nur von einem „verabscheuten Stengel" (V.19) die Rede. In V.16b-17 reden die Könige wie zuvor noch in V.10 nicht mehr zu dem König von Babel, sondern über ihn. Ein Gegenüber - das sagt auch V.19 - ist der König nicht mehr: er gleicht nun nicht mehr den anderen Königen, sondern einem zertretenen Leichnam (V.18f). Im Vergleich zu den Zitaten der Umwelt in den Versen 4— 10 steht nicht mehr die Reaktion, sondern die Reflexion im Vordergrund; das macht sich hier bemerkbar in der Bewegung von deklarativen Aussagesätzen (V.8b.l0b) zur rhetorischen Frage (V.16b-17). Der abrupte Blick des Sprechers in V.16 zurück auf die Könige der Unterwelt macht den Höhepunkt des ersten Abschnitts (V. 12-15) im Nachhinein zu einem - buchstäblichen - Exkurs. Insbesondere V. 16-19 machen aus dem bisherigen Tenor des Gesamttextes „die gescheiterte Himmelfahrt des Königs von Babylon" den Tenor „die Höllenfahrt des Königs von Babylon". Die Ausrottung des Königs, die Verneinung seines Andenkens auf ewig wird in 14,20 vollzogen, indem noch nicht einmal benannt wird, wer oder was nicht mehr benannt sein soll. Alle diese Beobachtungen deuten darauf hin, daß der Niedergang des Königs im Laufe des Textes vollzogen wird: als (plötzlicher und tiefer) Fall aus
184
ERLANDSSON, Bürden, S. 124.
262
B.IV.l. Der Untergang Babylons - Jesaja
dem Himmel in die Unterwelt, geschehend in V. 15.1,5 Danach folgt die totale Ausmerzung: Nachdem in V.10 proklamiert war, der herausgehobene König müsse als Strafe nun wie alle Könige sein - sein Körper wird zerfallen - wird ebendiese Aussage korrigierend gesteigert. Nein, er wird kein Grab in der Scheol finden (V.19f).186 Alles, was sein ist, wird vernichtet: der König selbst hat kein Grab und damit kein Andenken an seine Person, sein Leichnam wird unerkannt und unterschiedslos mit anderen/anderem verrotten (V.19f). Seine Nachfahren und damit seine gesamte Königslinie, seine Genealogie, werden abgeschlachtet (V.21),'87 und auch sein Herrschaftsgebiet soll es nicht mehr geben: „und ich rotte aus von Babel Name und Rest, Sproß und Nachkomme, Spruch JHWHS" (14,22b). Der Text 14,22-23 ist Appendix zum Lied über den König und Bekräftigung des Untergangs Babylons in einem. Die Struktur des Liedes muß sich also ändern. Nach Tod und der Ausrottung des babylonischen Königshauses und von allem „Babylon" aus dem Macht- und Denkgefüge ist nichts mehr so wie früher. Es ist, als sei der Morgenstern vom Himmel gefallen.
1.2.4.2. Wer ist der König? Der König wird nicht wurden in der Exegese des Königs gemacht. babylonischen Könige
beim Namen genannt. Je nach Datierung des Textes bereits verschiedene Vorschläge für die Identifizierung Dabei dominieren die berühmten assyrischen und zwischen dem 8. und dem 6. Jh.'8S Diese Schwierig-
185 Dies wird auch an den Einleitungsausrufen angezeigt: wird nach V.4b wieder in V.12 als Einleitung der Wende und dann in V.15 als Vollendung der Wende gerufen. 186 Den Widerspruch zwischen V.10 und V.18f erklärt HOLLADAY, Text, S. 642, damit, daß der König zunächst standesgemäß beerdigt worden sei und dann wieder aus der Scheol vertrieben wurde, weil die Könige ihn nicht in ihrer Mitte akzeptiert hätten (V.16f): „This is the ultimate irony" (S. 643). 187 Aus Sicht dieser Strukturierung ist also an V.21 als Schluß des Textes fetszuhalten gegen WlLDBERGER, Jesaja, BK, S. 537 u. HOLLADAY, Text, Structure, and Irony, S. 635 u.a., die aus formalen (WlLDBERGER) und strukturellen und textlichen (HOLLADAY) Gründen das Lied mit V.20 enden lassen möchten. 188 ERLANDSSON, Bürden, S. 112, listet ältere Voten auf: COBB (1896) und SCHIFFER (1922) meinen Sanherib, DUHM ( 2 1902) und MARTI (1900) Nabonid, PROCKSCH (1930) Nebukadnezar, während FELDMANN (1925) und WILKE (1905) Sargon porträtiert sehen und Alfred JEREMIAS ( 3 1916) Sargon oder Sanherib. ROST (1928-29) meint, der Text handele vom personifizierten Assyrien. Zur älteren Exegese s. auch den Überblick bei VERMEYLEN, Isafe, S. 292f. ERLANDSSON, Bürden, S. 166, selbst sieht durch die Ähnlichkeiten zu Jes 10,5ff und 37,22ff den König von Assur besungen. Nach GOSSE, Isafe 13,1-14,23, ist Jes 14 mit Jes 13 in die Zeit des Darius I. zu stellen. Nach ZAPFF sind die vielen Bezüge zwischen Jes 13 und 14 stattdessen auf eine beiden gemeinsame Redaktion zurückzuführen, s. ZAPFF, Prophetie, S. 262-276: 14,4b.6-21* ist nach 538 v.Chr. entstanden, die Texte 14,l^ta.22.23 nach 500
B.IV. 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
263
keiten resultieren zu einen Teil daraus, daß die Annahme eines vaticinium ex eventu nicht möglich scheint. Kap. 13 und 14 „stimmen weder mit dem wirklichen Schicksal der Stadt noch mit dem des Königs überein."18' Daß es aber in dem Lied gar nicht um einen bestimmten und deshalb historisch verifizierbaren König gehen soll, machen sowohl 1 4 , 3 ^ a deutlich - nämlich dadurch, daß der Zeitpunkt, das Lied zu singen, in eine vollständige und deshalb zukünftige Friedenszeit gestellt wird - als auch V.4b-5: es wird kein Name genannt, auch kommt überhaupt nur, aber bereits zu Anfang, eine Singularbezeichnung für den König vor (CMJ), alle anderen Begriffe sind ein Abstraktum (Turne) und zwei Pluralwörter (C,t7iÖE; C1 die das Lied an seinem Beginn auf eine allgemeinstmögliche Ebene heben.190 Ohne identifizierbares Signifikat läuft auch der Signifikant T I E r p Tt - „Helel ben Schachar" „Sohn der Morgenröte" ins Leere (V.12). Noch nicht einmal „König" wird der König genannt. Auch das Ende des Liedes weist in dieselbe Richtung: V.21 spricht von „seinen Söhnen" und der „Sünde ihrer Väter", V.20 von den „Samen der Bösen", es geht also nicht um diesen einen König und seine Kronprinzen, sondern um die ganze Genealogie der Könige. Es geht um jeden, der „König von Babel" heißt. Darüberhinaus ist schon bedenkenswert, daß keine Redaktoren- oder Tradentengeneration, m.W. auch keine antike Übersetzung, den Text in die Richtung einer identifizierbaren Königsfigur hin vereindeutigt hat, zumindest ab einer bestimmten Zeit hätte sich Nebukadnezar durchaus angeboten."1
v.Chr., sie stellen 14,4b.6-21 hinter Jes 13,la.l7-22a und rahmen es; die Ergänzungen Jes 13,1b—16.22b; Jes 14,5 und Teile von Jes 14,20b.21 werden danach hinzugefügt und universalisieren den Text. KAISER, Jesaja 13-39, ATD, S. 6, datieren 14,4b—21 wie schon Kap. 13 nachexilisch; WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 204, plädiert für Merodach-Baladan. "" DUHM, Jesaja, HAT, S. 112. Vorsichtiger ist noch ZAPFF, Prophetie, S. 271, der VERMEYLEN, Isafe, S. 293, folgt: „Die Anonymität des Tyrannen könnte [...] bewußt gewählt sein, um sich auf jeden möglichen Tyrannen oder jede mögliche tyrannische Macht übertragen zu können, die der Anmassung verfallt, sich Gott gleichzustellen." Von dieser Annahme ausgehend entwirft NIELSEN, Hope, S. 159-161, die Rekonstruktion, daß die exilische Redaktion den Text und damit den König mit V.4a auf Babylon festlegte. Beim Fall Babylons verlor dann „der König von Babylon" seine direkte Bedeutung, so daß der Name zu einem Code-Namen wurde, wie dann in Offb 14-18 sichtbar sei. Aber schon LOHMANN, Prophetien gegen Babel, S. 34-39, sieht in Ermangelung von Anspielungen oder Hinweisen nicht den aktuellen König, sondern das ganze Reich bedroht, so auch WLLDBERGER, Jesaja, BK, S. 541-543. Ähnlich CLEMENTS, Isaiah 1-39, NCB, S. 139f, der für die in Frage kommenden Könige Wahrscheinlichkeiten diskutiert, sich aber am Ende nicht festlegt, weil im jetzigen Kontext nach Prophezeiungen gegen Juda und Babel „the passing of a hostile and hated world-dominion" (ebd., S. 401) im Vordergrund stehe. '" WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 212, verweist darauf, daß nicht nur der König als König von Babel kaum profiliert sei, sondern auch der Inhalt und die Theologie des Textes nicht wirklich typisch für Israel sind.
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B.IV.l. Der Untergang Babylons -
Jesaja
Statt identifizierbar zu sein, wird der König mit Stichworten qualifiziert. Kap. 14 weist einige gemeinsame Stilmerkmale mit Texten auf, die sich gegen Assur richten."2 Außerdem zeigt der König große Ähnlichkeiten zu Gott in Kap. 13. In 14,16 sind zwei Tätigkeiten ( m und ttíin) genannt, die in Jes 13,13 Gottes zerstörerisches Anti-Schöpfungsverhalten kennzeichneten: der König nimmt göttliches Handeln vor."3 „It is striking that precisely these two vigorous verbs so closely associated with Yahweh's intervention should be used in Is. 14:16 for the haughty tyrant's violent ravagings.""4 Der König, der Gott gleich sein will, verursacht ebenso wie Gott in Jes 13,13 Wüten ("~1) und Zittern (ÖiH), aber nicht von Himmel und Erde, sondern (nur) von der Erde und seinen Städten (14,16b). Dies und allenfalls dies mag babylonischer Machtbereich sein, Himmel, Kosmos und Naturgesetze sind Machtbereich (des israelitischen) Gottes. Auch andere Stichworte weisen 14,4b-21 als Fortsetzung von Jes 13 aus, wieder fallen die Worte „Erhabenheit" (14,11; 13,11) und C W I (14,5; 13,11). Während also der König von Babel in seiner Attribuierung den König von Assur beerbt, ist zu den (übrigen) Königen der Völker ein deutlicher Abstand gehalten, der wie oben gezeigt zunächst verringert und eingeebnet (V.9f) und dann wieder vergrößert wird (V.18Í). Wer ist der König von Babylon? Er will wie Gott sein und er ist wie Assur, er ist und ist nicht wie alle Könige der Völker. Desweiteren gibt es drei Formulierungen, die mit dem König von Babel alle gängigen Herrschaftssysteme kritisieren: in der theologischen Deutung der Entthronung Jes 14,5 heißt es, daß Gott ebenso wie den Stab der Unrechthandelnden auch den Stock der Herrschenden brechen wird. Dabei kennt hier Gottes herrscherstürzende Kraft keine Einschränkung! Als der Mord an den Söhnen des Königs verhindern soll, daß sie die Erde imperialistisch in Besitz nehmen, wird dem der Städtebau hinzugefugt (14,21). Städte gelten also als Machtzentren der Unterdrückung und des Imperialismus."5 Und zuletzt ist zu bedenken, daß es in diesem Lied keine irdischen Könige gibt, in der prophezeiten erzählten Zeit liegen sie alle in Gräbern (V.18) und/oder in der Unterwelt (V.9)."6 1,2 S. dazu die Aufzählungen und Übersichten bei ERLANDSSON, Bürden; GOSSE, Isal'e 13,1-14,23 u. ZAPFF, Prophetie. MACHINIST, Assyria, fuhrt aus, wie sehr einige Schilderungen Assyriens im Jesajabuch dem Selbstporträt assyrischer Könige in ihren Annalen entsprechen, das sind z.B. Jes 5,26f.28f; 10,6.13.27; 14,25 sowie Jes 37,24=2Kön 19,23. " 3 GOSSE, Isaie 13,1-14,23, S. 152. 194 ERLANDSSON, Bürden, S. 145. 195 So interpretiert auch WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 212, die Erwähnung der Städte, ähnlich schon WLLDBERGER, Jesaja, BK, S. 560. 196 Damit gehe ich in der Interpretation des Textes weiter als WATTS, Isaiah 1 - 3 3 , WBC, S. 212, der hier die Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit politischer Macht besungen sieht. Dazu kommt m.E. der Spott des Textes auch gegen diese unterirdischen Könige, die u.a. als „Leithammel" - und eben nicht als Hirten oder Löwen! - bezeichnet werden.
B.IV. 1.2. Ein bestialischer
Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
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14,12-15 steht seit langem im Verdacht, daß hier ein Mythos verarbeitet worden sei; dieser konnte bislang aber nicht verifiziert werden, noch ist bislang der Herkunftsort unstrittig. Es werden Traditionen aus Ugarit, „Kanaan", Babylon oder Griechenland vermutet."7 Dieser Text des angenommenen Mythos soll demnach in Jes 14,12-15 gegen einen König Assurs und dann gegen einen König Babels historisiert worden sein.198 Präziser: nach der Historisierung auf Assur wurde er durch Umschreibung auf Babel wieder ent-historisiert bzw. re-historisiert."9 Jenseits außerhalb liegender und zudem nur rekonstruierten Parallelen wird innerhalb des alttestamentlichen Kanons aufgrund begrifflicher Übereinstimmungen ein anderer Text zum Bezugspunkt: V.12 sagt, der König komme zu Tode, indem er auf der Erde zerbricht (IHH nif.). Damit ist er der einzige Mensch, dessen Tod im AT mit diesem Wort bezeichnet wird. Sonst zerbrechen Gegenstände - und Werkzeuge wie in Jer 50,23: „Wie ist zerbrochen [Uli nif.] und zerborsten der Hammer der ganzen Erde! Wie ist Babel zum Entsetzen unter den Völkern geworden!"200 Aufstieg und Niedergang von Königsherrschaft wird auch an dem unscheinbaren Wort T i l - „Zweig, Stengel" offenbar. Zu solch einem Stengel soll der König von Babel werden, verabscheut und ausgerissen, hingeworfen kann auch ein Neuanfang sein, er geht hervor aus (V. 19).201 Genau so ein dem zuvor abgeschlagenen Stamm Isais, wird Zweige und Früchte bringen (Jes 11,1). Und später, viel später soll ganz Israel ein solcher Sproß sein (Jes 60,21).202 Der Unterschied zwischen dem einen (Jes 14) und dem anderen (Jes 11) König ist dabei nicht nur der von Ende und (neuem) Anfang, quasi Entwurzelung und Sproß, sondern auch der von Aggression und Ruhe: auf dem Herrscher über das Friedensreich ruht (TT13) nämlich der Geist Gottes (11,2)! Der Same des Bösen (14,20) ist ein Ausdruck, mit dem auch Israel bezeichnet wird (1,4), ebenso wie mit dem Vergleich zu Sodom und Gomorra
197
Zum Überblick s. WATSON, Art. Helel u. WlLDBERGER, Jesaja, BK, S. 550-556 PREUSS, Art. HOl, Sp. 270. 199 YEE, Anatomy, bes. S. 577-579, interpretiert 14,12-15 als Klagelied innerhalb des Klagelieds. Dabei handele es sich um ein Zitat eines Textes über Helel, dessen Schicksal so mit dem König verglichen werde. So auch OHLER, Mythologische Elemente, S. 176. 200 Dieser Vers wird wegen der stilistischen Ähnlichkeit zu 14,4bff von JAHNOW, Leichenlied, S. 243, zitiert. 201 GOSSE, Isafe 13,1-14,23, S. 239 u. in seiner Folge HOLLADAY, Text, Structure, and Irony, S. 635 halten es für möglich, daß dieser Stengel auch in anderer Weise wie der König von Babel ist: es könne eine Anspielung auf den Namen „Nebukadwezar" sein. Anders, WlLDBERGER, Jesaja, BK, S. 542. Der König ist in jedem Fall der Grund, warum "1X3 mit dem Attribut 3JJP versehen wird, das erheblich stärker negativ qualifiziert als die unwichtige Kleinheit eines Stengels tragen kann. 202 FRANKE, Reversais of Fortune, S. 121. NIELSEN, Hope, sieht in genau diesem Vegetationsbild die Jesajas Theologie ideal darstellende Metapher. 198
266
B.IV.l. Der Untergang Babylons - Jesaja
(13,19; l,9f).203 Das kann bedeuten, daß Israel im Exil Babylonisches angenommen hat, es kann aber auch bedeuten, daß Babylon wie Israel wird/ werden wird - und werden will: In diese Richtung ist die Absicht des Königs verstehbar, sich in die Religion des Großraums Syrien-Israel zu integrieren und sich an deren Spitze auf den Götterberg im Norden zu stellen (V. 12-15), oder aus der Perspektive Israels: sich höher zu stellen als Gott, den Weltbeherrscher. Menschlicher Imperialismus, so scheint der Text zu sagen, ist das eine, Imperialismus auf göttliche Sphären auszudehnen, ist das andere, insbesondere die „mythische Usurpation" Israels wird zurückgewiesen.204 In der christlichen Lektüre wird dann der Text 14,12-15 in einer anderen Form von mythischer Usurpation zum „Geburtstext" Luzifers. Daß (der König von) Babylon und „Luzifer" in diesem Text zusammenkommen, wird in der Johannesoffenbarung zum Eckstein der Theologie und Geschichte. Später ist es für Augustinus dann klar, daß der „Teufel unter dem Bilde eines Fürsten von Babylon"205 auftritt. Im Ergebnis bestätigen verschiedene Bibelstellen die Theologie vom Teufel und seiner babylonischen Geburtsidentität, wie Duhm beispielhaft schreibt: „Da nach Lk 10,18 der Satan vom Himmel fallt wie ein Blitz (vgl. Apk 12,7ff), so konnten Tertullian und Gregor d. Gr. aus unserer Stelle den Namen Lucifer für den Teufel schöpfen, um so mehr, als Babel im eigentlichen (Sach 5,5ff) oder übertragenen (Apk 12,8 usw.) Sinne der Sitz der personifizierten Gottlosigkeit ist."206
Damit repräsentiert diese Aussage diejenige Form intertextueller, ätiologischer Lektüre, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist. An dieser Stelle befindet sich also eine Schnittstelle zwischen der „Biographie der ,Hure Babylon'" und der „Biographie des Teufels".207 Aber auch Origenes schreibt schon:
" H O L L A D A Y , Text, Structure, and Irony, S. 635 u. 647f hat daraufhingewiesen, daß sich „Same des Bösen" nicht unbedingt auf die Söhne des Königs beziehen muß, er bezieht den Ausdruck auf den König selbst. 214 Der Ausdruck ist durch den „mythic usurper" bei O ' C O N N E L L , Ironie reversal, S. 417, angeregt. 205 Augustinus, De civitate Dei XI,15. D U H M , Jesaja, HAT, S. 119. Er übersetzt 14,12 ebd.: „O wie bist du gefallen vom Himmel, Lucifer, Auroras Sohn! / O wie gefällt zur Erde, der alle Völker niederstreckte!" 207 Letzteres Thema wurde bereits verschiedentlich angegangen. Während R Ü S S E L jüngst eine „Biographie des Teufels" veröffentlichte, tritt L I N K , Teufel, mit der Gegenthese an: der Teufel habe keine Biographie, weil er keine Person sei und auch die verschiedenen Teufelsbilder sich nie überschnitten: „Er kann viele Masken haben, aber sein Wesen ist eine Maske ohne Gesicht." (S. 17). 2
206
B.IV. 1.2. Ein bestialischer
Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
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„Und keiner, der nicht eine Untersuchung über das Wesen des sogenannten ,Teufels und seiner Engel' anstellt: was er war, ehe er Teufel wurde, und wie er Teufel geworden ist, und welches die Ursache war, daß diejenigen, die als seine Engel bezeichnet werden, mit ihm abfielen, wird fähig sein, ,den Ursprung des Bösen zu erkennen'."208
Textimmanent ist der Schluß des Textes m.E. besonders wichtig, denn gleich, wo Helel ben Schachar „wirklich" herkommt, seine Genealogie in Gestalt seiner Söhne (V.21), seines eigenen Namens (V.20c) und seines Andenkens (V.19a) wird restlos getilgt. Der Text Jes 14 wünscht und vollzieht, daß auf die Frage „Wer ist der König?" die Antwort „Niemand" erfolgt. Das Herrschaftsgebiet des Königs von Babylon Einmal wieder hat das Ergehen (des Königs) von Babylon weltweite Konsequenzen: seine Herrschaft übte er über „die Völker und Volksgruppen" (V.6), aus, er war der „Besieger der Völker" (V.12) und herrschte über „die ganze Erde" (V.7) bzw. „die Erde" (V.21). Ähnlich Jer 25 sind auch hier alle Könige der Erde beteiligt, eine Gruppe, aus der er herausgehoben ist. Sie sind „alle Leithammel der Erde" (V.9), „alle Könige der Völker" (V.9.18). „Die Erde" (V.16), „die Königreiche" (V.16) und die Erdfeste ( ^ 3 n ) überzieht er mit Krieg (V.16f) - seine Söhne könnten die Erde wieder in Besitz nehmen und die Erdfeste (^IH) mit Städten füllen (V.21). Gemeinsamkeit aller Verse V.4b-21 ist die Einhelligkeit, mit der die gesamte Welt auf die Todesnachricht reagiert. V.4b-21 handeln davon, daß über die Ausbreitung der Herrschaft über die ganze Horizontale hinaus noch auf die gesamte Vertikale der Welt vereitelt wird: aus dem Himmel hinabgeworfen (V.12) wird er in der Scheol mit Wüten empfangen. Das lehrt uns: der Himmel ist im Gegensatz zur Unterwelt (noch) kein Ort kriegerischer Aggression. Und: Erneut wird der Anspruch Babylons, in den Himmel zu reichen (Gen 11) zurückgewiesen.209 Und genau dies ist der Grund, warum die Herrschaft Babylons über die ganze Erde (V.21) - in Jes 14 wie in Gen 11 - beendet wird.
1.2.4.3. Begründung für den Untergang Zwei Bereiche werden hier ausgeführt: Hochmut und Brutalität. Hochmut wird in diesem Text sehr buchstäblich illustriert. Obwohl sich der König Gott gleichstellen will, erscheint dieser nicht als Verursacher des Falls. Gott, gleich welchen Namens, bleibt bei der Himmelsstürmung völlig passiv, der König bringt sich offenbar selbst zu Fall. Hierin sieht Holladay eine ironische Spitze
208
Origenes, Contra Celsum, IV, 65. " Im Gegensatz zu Gen 11 ist in Jes 14 die Intention, sich Gott gleich oder höher zu stellen, explizit. 2I
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B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
des Gedichts: „It is ironic, then, that the tyrant, referring to El Elyon in his boasting, is shown by this implicit identification to have no notion at all of who ultimately governs the universe."2I° Sein Tun zieht sein Ergehen notwendig nach sich. „Vor dem Zusammenbruch kommt Stolz; Hochmut kommt vor dem Fall" (Spr 16,18).211 Und doch sind Identität wie Handeln im Text ambivalent beurteilt: unabhängig davon, ob der König als Helel ben Schachar/ „Sohn der Morgenröte" angesprochen wird oder wie er - nach V.12 ist er ein (legitimer) Teil der himmlischen Sphäre. Aber genau das sein zu wollen, wird in V.13 zur Ursache für den umso tieferen Fall. Diese Ambivalenz in der Gleichzeitigkeit von (legitimer) Identität und (selbstbestimmtem verurteiltem) Selbstbewußtsein begegnet oft im AT (s. z.B. u.) und wird hier durch die Fortsetzung nach V.13a plausibilisierend gelockert: der König/Morgenstern möchte höher (und mächtiger) sein als alle, ein solcher Hochmut endet mit Recht im Fall. Aber was ist Hochmut? Durchaus plausibel wird die Himmelfahrt gestoppt. Der Text kann jedoch durch die Erwähnung der Zedern (14,8), legendär hohe Bäume, davor bewahren, die Erzählung als dualistische Moritat zu lesen - und stattdessen als Paränese: Zum einen rühmte sich schon der König von Assur, die Zedern des Libanon abgehauen zu haben (37,34) und zum anderen ist die Freude der hohen Zedern vielleicht verfrüht: Gottes Umsturz der überkommenen Verhältnisse betrifft die Erniedrigung von allem Hochmütigen wie dem König von Babel und allem Hohen - wie den Zedern des Libanon (Jes 2,13, s. auch 40,4).212 Das sagt auch Ez 31,18: hier wird Pharao mit einer Zeder des Libanon verglichen (HCl, Ez 31), die in die Scheol hinabgestürzt wird. So sind der König von Babel und seine Sünde vielleicht doch nicht so weit von den Adressaten und Adressatinnen des Jesajabuches entfernt. In 14,4b-6 wird als Tun des Königs aggressive und oppressive Herrschaft über die Völker genannt. Während hier V.4b insbesondere aus der Perspektive der ehemals unterdrückten und nun erlösten Völker bzw. Israels spricht, ist in 14,5 die theologische Dimension des Ereignisses benannt: Gott hat die Erlösung bewirkt und aus dieser Perspektive gehört der König von Babel zu den •TIÖI (s. ähnlich Ps 125,3). 14,6 benennt das Tun des Königs nun konkret. Allerdings ist nicht sicher, wer das Subjekt des Satzes, also „er" ist. „Der 210
HOLLADAY, Text, Structure, and Irony, S. 641. Zugespitzt darauf, daß Helel aus eigenem Antrieb fällt, übersetzt YEE, Anatomy, S. 585 V. 13a: „It was you who thought in your heart". 211 WLLDBERGER, Jesaja, BK, S. 562f, stellt denn auch den Text zeitlich und theologisch in weisheitlichen Kontext. 212 Komplizierend kommt hinzu, daß für das Abholzen der Bäume Werkzeug benötigt wird. Dieses Werkzeug verkörperte lange der König von Assur. Dieser hatte sich seiner eigenen Kraft und Macht gerühmt: „Rühmt sich die Axt gegen den, der mit ihr schlägt? Wie wenn sich die Säge groß gebart gegen den, der sie zieht! Als ob der Stock den schwingt, der ihn hebt! Als ob der Stecken den hebt, der doch kein Holz ist!" (10,15).
B.IV. 1.2. Ein bestialischer
Weltuntergang
und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
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Treiber" aus V.4b ist als Subjekt sehr weit vom Satz in V.6 entfernt. Zuvor war JHWH Subjekt, er hat „den Stock der Herrscher zerbrochen". Als nächstes Substantiv (sing.) steht EQttf - „Stock". Auch für dieses Wort ist es möglich, daß es das Subjekt von V.6 ist.213 De facto aber ist alles eins: JHWH sagt in 10,5: „Wehe Assur, Stock meiner Wut, ein Stecken ist er, in ihren Händen mein Zorn!"214 So wird die grammatische Ungenauigkeit zur inhaltlich präzisen Aussage.215 Erst nachdem der Hochmut des Königs seinem Fall vorausging, kommen nun Taten und Ergehen in den Blick,2" deren Kausalität gleichwohl nicht offenbar oder explizit wird, aber immerhin eine Abfolge von Tun und Ergehen darstellt. Als Handlungen des Königs sind die Zerstörung der Erde und seiner Städte benannt, die Erschütterung ganzer Königreiche und die Unterdrückung der nach Babylon Verschleppten (V.16f). Dem folgt die Schilderung seiner schmählichen Existenz nach dem Tod, er ist ohne Grab hingeworfen und „bekleidet mit Getöteten, vom Schwert Durchbohrten" (V.18f). Er wird sich nicht mit „ihnen", wohl den anderen Königen im Grab vereinen, weil er - und erst und nur hier wird kausal argumentiert - sein eigenes Land verdorben und sein eigenes Volk getötet hat (V.20). Daraus folgt - und erst und nur hier wirken Menschen mit - , seine Genealogie (V.21) auszutilgen, indem seine Söhne getötet werden.
1.2.5. Jesaja 14,22-23 - Die Vollendung des babylonischen Untergangs 14,22 wechselt nun wieder zu Babylon zurück. Der Aufforderung der Sprecherperson an eine nicht genannte Gruppe, die Genealogie des Königs von Babylon restlos auszurotten, folgt die Ankündigung Gottes, von Babel alles restlos und erinnungslos zu vernichten. Tatsächlich wechselt der Text in 14,22 plötzlich von einer Rede über die Söhne des Königs zurück zur Stadt Babylon, so daß einige Forscher und Forscherinnen diese Plötzlichkeit dahin zu erklären versuchen, daß eigentlich gar kein Themawechsel vorliege: auch 14,1-21 handele von Babylons Untergang.2" Vermeylen argumentiert mit derselben Beobachtung (und anderen), daß 14,22-23 zugefügt wurde mit der
213
So übersetzt von JAHNOW, Leichenlied, S. 240 u. YEE, Anatomy, S. 584. BUBER: „Ihnen, in deren Hand mein Groll ein Stecken ist!" 2,5 Rute bzw. Stock war bereits Leitmotiv im Text über (den König von) Assur, Jes 10,5.15.24; s. auch Jes 14,29. 216 Erst nach dem Bruch hinter V.15 stimmt die gerechte Weltordnung wieder, zuvor konnten nur die beteiligten Gruppen aus ihrer Perspektive schildern, besonders deutlich im Satz der Zedern (14,8). Nun nach V. 15 ist das Tun des Königs Maß für sein Ergehen. 214
217
HARTMAN ( 1 9 6 6 ) , zit. n a c h ERLANDSSON, B ü r d e n , S. 1 2 5 .
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B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
Deutung, daß „Babylon" die Gottlosen in Israel meint, was so auf 14,4b—21 zurückwirkt: Nachdem Babylon nach dem Exil keine Bedrohung mehr ist und die Perser nie eine waren, ist der größte Feind der frommen Gemeinde in den Frevlern und Gottlosen im eigenen Land zu suchen.218 Und doch ist zu beachten, daß der Übergang von V.21 und V.22 nahezu assoziativ ist: nach der Erwähnung von Städten und Städtebau ist eines wieder ganz klar - nie wieder Babylon. Der bildet einen Teil des Untergangs Babylons.219 M.E. sind trotz der verschiedenen Adressaten (V.22 Babel, V.21 Söhne des Tyrannen) in beiden Versen ähnliche Aussagen gemacht. Durch diese Einbettung von 14,1-21 in den Zusammenhang 13,1-22; 14,22-23.24-27 werden der Tod des Königs und die Erlösung Israels aus Unterdrückung und Gefangenschaft zu einer Konsequenz aus oder Begleiterscheinung des Untergangs Babylons. Es ist das Lied im Munde Israels, das den Blick überhaupt erst auf das Schicksal des Königs lenkt. Der Untergang Babels (13,2-22; 14,22-23) rahmt den ganzen Abschnitt und umschließt damit den Text über Israels Rettung (14,1-2) und das Gleichnislied über den toten König (14,3-21).220 Zugleich sind im Blick auf den Textumfang und das Stichwort „Babel" das Schicksal der Stadt und ihrer Einwohner, Einwohnerinnen (13,2-22) mit dem Schicksal des Königs (14,4b21) parallel gesetzt. Dem Tod der Ersteren entspricht das Weiterlebenmüssen des Letzteren. Und: die Stadt/Gegend Babylon und sein König sind hier nicht identisch. Die kleinen Abschnitte (14,1-2.22-23) kontrastieren Israels und Babylons Zukunft: Israel wird wieder einen Gott bekommen, ausländische Mitbürger, ein Land und (versklavte) Arbeitskräfte (14,1-2); Babylon wird es nicht mehr geben und Babylon wird Wohnort von gräßlichen Tieren.221 Israel ist ein Volk, Babylon ist eine Stadt gewesen. Nachdem Babylon bereits als Stadt untergegangen war und nun Hort der Anti-Zivilisation, eine Geisterstadt wurde (13,20-22), wird genau das noch einmal wiederholt: nachdem Babylon so ein wichtiger Ort war, wird „Babylon" zum wichtigen Topos. Der Widerspruch mindert nicht die Aussagekraft, sondern steigert sie.
218
VERMEYLEN, Isa'ie, S. 292-296. Leider hat VERMEYLEN in seiner sehr umfangreichen Arbeit keinen Raum gefunden, seine Thesen zum nachexilischen Judentum mit Sach 5,5-11 zu stützen, ein Text, der behauptet, daß HOTTI, die Gottlosigkeit, nach Babylonien gehört (s.u.) und eine Ursache dafür sein kann, daß spätere Generationen die Jesajatexte in diese Richtung überarbeiteten. 2 " S. auch WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 212-216. 220 ERLANDSSON, Bürden, S. 125; WLLDBERGER, Jesaja, BK, S. 537f; WILLIAMSON, Book, S. 158. Zu meiner Abgrenzung 14,1-2.3-21 s.u. 221 Dieser Widerspruch steigert die Aussage, statt sie zu schmälern.
B.IV. 1.2. Ein bestialischer
Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
271
Jakob ist eine in 14,1 zweimal erwähnte Metapher. Die Doppelheit der Repräsentation, die Hermisson für Deutero-Jesaja herausgestellt hat, nämlich Jakob und Zion, wird in Jes 14 eben nicht bemüht. Zwar kommt Jakob vor, und es geht auch um Rückkehr und Wegmetaphorik, aber die feminine Metapher kommt nicht vor, ebenso wenig wie überhaupt eine Weiblichkeit Babylons. Nachdem der Text die Frage „Wer ist der König?" mit „Niemand" beantwortet hat, soll die Nachfrage „Wer ist der König von Babylon?" nach 14,22-23 beantwortet werden mit der Rückfrage „Was ist Babylon?"
1.2.6. Jesaja 14,24-27 - Assur als Appendix zu Babylon Gehört 14,24-27 noch zum KÖG Babylons oder nicht? Von ihrer Textentstehung werden beide Texte unterschiedlich eingeordnet: während für Jes 14,2427 diskutiert wird, zur Verkündigung des historischen Jesaja zu gehören,222 wird 13,1-14,23 von der großen Mehrheit der Exegeten und Exegetinnen in das 6. Jh.v.Chr gestellt. Auch handeln beide Texte von unterschiedlichen theologischen Konzepten: Jes 13 hat den Tag JHWHs zum Thema, Jes 14 ist ein verballhorntes Leichenlied; dagegen ist 14,24—27 ein Stück der sogenannten Plan-JHWH-Theologie. Schließlich wenden sich 13,1-14,23 und 14,24-27 gegen zwei verschiedene Fremdvölker. Und doch fällt die mangelnde Abgrenzung auf; 14,24 ist nicht mit einer neuen KÖC-Einleitung versehen, und auch die betonte Gottesgegnerschaft fuhrt V.24-27 aus V.22-23 fort. Zusätzlich fallt der Name Assur erst relativ spät in V.25: alle Möglichkeiten, zu signalisieren, daß in 14,24 ein neuer Abschnitt beginnt, bleiben ungenutzt. Daß nicht mehr von Babylon, sondern nun von Assur die Rede ist, wird erst im Nachhinein (V.25) auch für V.24 deutlich. Alles das spricht für eine Sukzession: der Unterschied zwischen Babylon und Assur scheint nicht besonders groß zu sein - nicht so groß wie z.B. der Unterschied von Babylon/Assur (13,1-14,23.24-27) zu Philistäa (14,2832).223 Dieser Umstand kann zumindest theologiegeschichtlich nicht schwer genug gewichtet werden: nach den am stärksten vertretenen Datierungsvorschlägen haben Redaktoren und Propheten, Prophetinnen eine Prophezeiung des historischen Jesaja über die zeitgenössisch schlimmste Bedrohung Israels
222 14,24-27 gehört zu den am meisten diskutierten Texten der Jesaja-Exegese. Dabei geht es hauptsächlich um die Authentizität als Text des historischen Jesaja und damit zusammenhängend um die Zionstheologie im Text. Zu den Diskussionen bis Anfang der achtziger Jahre
d e s 2 0 . Jh.s KILIAN, J e s a j a 1 - 3 9 , E d F , S . 5 2 - 5 7 . KAISER, J e s a j a , A T D , S. 6 , ist e i n e r der w e -
nigen, die 14,24-27 spät datieren, er setzt es in die Seleukidenzeit, Assur sei hier Deckname fiir das hellenistische Reich. 221 Mit redaktionskritischen Argumentationen Barth, Jesaja-Worte, S. 290 u. ZAPFF, Prophetie, S. 296.
272
BAV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
und seines Gottes (Assur) als Fortsetzung, Epilog oder Appendix an eine lange Prophezeiung über die aktuell schlimmste Bedrohung Israels und seines Gottes (Babylon) angehängt. Durch die Einleitung in 13,1 sind beides Jesajatexte. Im Geist „Jesajas" wird für Babylon erheblich Schlimmeres erwartet als für Assur. Diese Komposition wird von Redaktoren, Redaktorinnen und Propheten, Prophetinnen des 6. Jh.s. offenbar als eine angesehen, die im Geist „Jesajas" steht, die ,jesajanisch" ist. Kontrastiv zu 13,1-14,23.24—27 wird die folgende Prophezeiung gegen Philistäa zunächst mit einer Zeitverortung und erst dann mit dem Stichwort KÖC abgegrenzt. So ist der Einschnitt besonders betont, 14,28 leitet einen neuen Text ein.224 Nachdem also in 14,27 der Komplex zu Ende geht, der in 13,1 begann, wird deutlich, daß in den Worten der Überschrift 13,1 die Rolle Babylons dokumentiert ist; die Prophezeiung mit dem danach noch neunmal folgenden KÖO-Begriff einzuleiten, demonstriert, daß Babylon zu den Fremdvölkern gehört. Daß der Text nach 1,1 und 2,1 erstmals wieder mit Jesaja in Verbindung gebracht wird, zeigt, daß Babylon eigentlich nicht zu den Fremdvölkern gehört. Daß Babylon die Reihe der Fremdvölker eröffnet, verdeutlicht ihre prominente Stellung unter den Fremdvölkern. Daß Babylon und Assur hier als Abfolge von Reichen vorgestellt werden (13,1-14,23.24—27) zeigt, daß „Babylon" ein theologischer Topos ist. Der besonders tiefe Einschnitt in 14,28 trennt Babylon von den anderen Fremdvölkern. 13,1-14,27 ist eine eigene Einheit™ Assur ist in Proto-Jesaja mit einer ähnlichen Ambivalenz dargestellt wie Babylon im Jeremiabuch, und zwar zugleich als Werkzeug Gottes, das Israel und Juda zerstören soll und als zu zerstörende Macht (z.B. Jes 10,5-16). Dieser Widerspruch wird oft als zeitliche Abfolge in der Verkündigung Jesajas erklärt, der ein Stimmungsumschwung nach den Ereignissen um 701 vorausging, aber auch als Dialektik innerhalb der Theologie des historischen Jesaja und/oder seiner Nachfolger, Nachfolgerinnen.226 In der Fremdvölkersammlung Jes 13-23 hat Assur dagegen keine einzige eigenständige ^¿/^-Prophezeiung erhalten. 14,24—27 bezieht sich auf die Zukunft. Stattdessen ist am Werkzeugcharakter Assurs (Kap. 20), ja an seinem hoffnungbringenden Status (19,2325) festgehalten. 224 Zugleich verweist 14,29 trotz den doppelten Einschnitts in 14,28 darauf, daß eigentlich kein Abschnitt ohne den anderen gelesen werden kann; mit der Warnung „Freue dich nicht, Philisterland als ganzes, weil der Stock, der dich schlug, zerbrochen ist, denn aus der Wurzel kommt eine Schlange heraus, eine Viper, und ihre Frucht wird eine fliegende Schlange sein [Lutherbibel 1984: „ein feuriger fliegender Drache"]" schließt 14,29 deutlich an 14,5f; 10,5.15.24 u.ö. 225 Diese Schlußfolgerungen sind durch die Überlegungen von WILLIAMSON, Book, S. 162-164 zu den Überschriften in Jes 13-23 angeregt worden. 226 S . die Darstellung der Forschungspositionen bei KILIAN, Jesaja 1 - 3 9 , EdF, S . 9 8 - 1 0 6 u. HARDMEIER, Jesajaforschung, S . 6 - 1 3 .
B.IV. 1.2. Ein bestialischer Weltuntergang und ein Spottlied: Jesaja 13,1-14,27
273
Der kleine Abschnitt über Assur knüpft Verbindungen zu zwei anderen Texten: mit den Verben ""Qtö und HC (14,25) nimmt der Text explizit Wendungen aus Kap. 14,1-21 auf (14,5.6). Auch die Aussage, daß die Unterdrükkung aufhören werde, ist dieselbe. Gott hat den Stock der Frevler zerbrochen (14,5) und schwört, Assur zu zerbrechen (14,25); wie der Tyrann ohne Unterlaß die Völker schlug (14,6), ist nun sein (Assurs) Joch von ihnen gewichen (14,26).227 Wenn es dann heißt, Gott werde Assur auf seinem Berg zerstampfen, und das Joch Assurs sei entfernt, dann sind entscheidende Aussagen aus 14,3 und 14,13f aufgenommen, die doch aber Babylon galten. Damit werden der König von Babel und (das personifizierte) Assur gleichgesetzt. Auch wenn eine Vorstufe des Textes 14,4b-21 nicht auf den König von Babel, sondern auf den Herrscher Assurs gesungen sein mag (s.o.), ist durch die Nennung Babels in 14,4 und Assurs in 14,24 bei solchen Textbezügen eine Sukzession der beiden Unterdrückerreiche angedeutet. Der zweite Anspielungsbereich wird durch die Wendung ¡"HE)]n ~P hervorgerufen. Unter anderem ist die Texttradition des Exodus angespielt, die Plagen der Ägypter werden durch die ausgestreckte Hand Moses eingeleitet (Ex 7,19; 8,2 u.ö.). Auch in Jes 1-12 ist die ausgestreckte Hand Gottes und sein Zorn ein immer wiederkehrendes Motiv (Jes 5,25; in Jes 9,1 lb.16.20; 10,4 als Kehrvers).228 So verzahnt dieser Abschnitt die Fremdvölkersprüche Jes 13-23 mit dem Anfang Jes 1-12. Clements hat die Verse 14,22-27 zusammen gelesen und auf eine Dreiteilung hingewiesen: der Text enthält in 14,22-23 eine Prophezeiung gegen Babel, in 14,24-25 eine gegen Assur und in 14,26-27 eine gegen die ganze Erde. Diese Verteilung entspricht den drei Redaktionsstufen, die in der Folge von Barths Studie für die Entstehung des Jesajabuches wahrscheinlich gemacht werden, die Assur-Redaktion, die Babel-Redaktion und die universalistische oder apokalyptische Redaktion. 14,24f entstand in Auseinandersetzung mit Sanheribs Angriff auf Jerusalem (Jes 37,22-35) und dem Krönungstext Jes 8,23-9,6. Zu dem Zeitpunkt, als 14,22-23 hinzugefügt wurden, hatte sich 14,24f bereits erfüllt. Nachdem auch Babel 539 v.Chr. gefallen war, wurde 14,26-27 ergänzt.229 227 ERLANDSSON, Burden, S. 67. CLEMENTS, Isaiah 14,22-27, S. 257, stellt besonders den Bezug von Jes 14,25b zu Jes 9,3 u. 10,27, Erwähnung zum Joch, heraus: „The primary occurence is that of Isa 9,3 affirming the Davidic kingship to be a defence against foreign domination and both Isa 10,27 and 14,25b draw upon this and give to it a specific application". 228 Der Werkzeugcharakter des Israelfeindes Assur auf der einen Seite und die Struktur von Jes 6 -12 auf der anderen ist am Gebrauch des Begriffes T ablesbar, den VAN WIERINGEN, Jesaja 6-12, ausgewertet hat: die Hand ( T ) ist dabei immer gegen das Volk gewendet, es ist die Hand Gottes (Jes 9,11.16.20; 10,4) und die Hand des Feindes (10,5.10.13.14.32). Dann kehrt sich die Hand Gottes (Jes 11,11.15) und die Hand des Restes (11,14) gegen den Feind und Feinde; eine Ausnahme ist 11,8. 229 CLEMENTS, Isaiah 14,22-27.
274
B.IV.l. Der Untergang Babylons - Jesaja
Gerade in Jes 13 wird es refrainartig wiederholt, daß die Frage des Untergangs eine Terminfrage ist: der Tag kommt, und dann beginnt der unumkehrbare Untergang. Zeit ist hier die kurze Frist bis zur Vernichtung. Der Einbruch der Ewigkeit in die menschliche Zeit ist genau terminiert. Der Tag der Vernichtung wird dann sogar die Zeit selbst aussetzen, denn die Anzeichen für den Punkt und den Ablauf von Zeit sind nicht mehr vorhanden (13,10). So wird der Untergang ein ewiger sein, weil er außerhalb meßbarer oder wahrnehmbarer Zeit stattfindet und er wird zugleich sehr kurz sein, weil der Tod das Ende ist. Daß der Tod eben nicht das Ende ist, betont Jes 14,4-21 und fallt der Drohung von Jes 13 noch steigernd ins Wort: Am Beispiel des Königs wird ausgeführt, daß die Qual Babels und ihrer Bewohner auch nach dem Tod kein Ende hat (14,4b-21). Nun erst wird das Lied vom Untergang Babels zu Ende gesungen, das unterbrochene Bild von dem Einzug und dem dauerhaften Wohnen der Gegenwelt in dieser Stadt wird zu Ende gesungen (14,22f). Daß dieses Ende auch kein Ende ist, sagt 14,24—27: Assur zu zerstören gehört (auch) zu Gottes Plan. Ab jetzt lösen sich die Lastworte ab. Und inmitten des Untergangs und der alldimensionalen Zerstörung bleibt die Zusage des Neuanfangs für Israel (14,1—4a). Der Untergang Babels ist Ausgangspunkt für weiteres Geschehen innerhalb und außerhalb der Zeit: nachdem Babylon untergegangen ist, kommt Israel zurück ins eigene Land (14,1-2), der babylonische König kommt in die Unterwelt (14,4b-21), Babel wird von der Gegenwelt in Besitz genommen (14,22-23) - und das Gericht über Assur steht noch aus (14,24-27)! Der Plan und die Emphase Gottes nehmen in 14,24-27 den größten Raum ein. Die Wurzel fT"1 erscheint in V.24.26.27. Der Plan Gottes ist jeweils ein Zerstörungsplan, gegen Ägypten (Jes 19,12.17), gegen Tyrus (23,9, hier wird die Demütigung hervorgehoben), und in Jeremia gegen Edom (Jer 49,20) und Babel (Jer 50,45).230 Nach Conrad ist es gerade der militärische Plan Gottes, der mit der Wurzel f IT bezeichnet wird.231 Die Ankündigung und Erfüllung von Gottes Plan dominiert Passagen des Jesajabuches: Während der Plan zur Zerstörung Assurs (14,24-27) in der deshalb an entscheidender Stelle positionierten Hiskia-Erzählung (Jes 36-39) in Erfüllung geht, wird der Plan zur Zerstörung Babels (13,1-14,23) in Jes 40-47 mit dem Höhepunkt in Jes 47 erfüllt.252
230 Der Plan kann sich auch gegen Einzelpersonen richten, z.B. Amazja (2Chr 25,16). Es gibt auch einige Texte, in denen der Plan nicht ein Vernichtungsplan ist, sondern allgemein die Lenkung der Geschicke bezeichnet: Gott hat die Betperson gut beraten (Ps 16,7). 231 CONRAD, Reading Isaiah, S. 53f. 232 CONRAD, Reading Isaiah, S. 52-82. Einen etwas anderen Akzent setzt O'CONNELL, Concentricity and Continuity, S. 112-118; 127-130, der ftir den Abschnitt Jes 13-39 eine konzentrische Struktur ausmacht, deren äußerer Kreis Babylon-Texte sind (13,1-22; 14,4b21).
B.IV. 1.3. Die Worte eines Zeugen: Jesaja
21,1-10.11-12
275
Der nächste, zu besprechende „Babel-Text" Jesajas, Jes 21,1-10 wird in Jes 21,1 aber nicht mit an den Appendix Jes 14,24-27 anschließen, sondern mit dem Begriff „Wüstenmeer" ein Komplement zu „Wassersumpf' aus Jes 14,23 aufnehmen.
1.3. Die Worte eines Zeugen: Jesaja 21,1-10.11-12 „Wir leben in dieser Stadt wie Gefangene, nicht wie Entronnene. Diese geographisch eng begrenzte Neutralität sieht aus wie ein Gefängnis, da der Krieg geographisch unbegrenzt geworden ist. Manchmal kommt es mir vor, daß wir auf einem kleinen Schiff dahinschwimmen. Gute und Böse, anständige Menschen und Schurken. Und die Fahrt nimmt kein Ende. Manchmal wünschte ich, es möchte etwas Furchtbares geschehn. [...] Aber es sind immer die gleichen Ereignisse, und ein Sieg sieht dem andern ähnlich, eine Niederlage der andern, der Feind seinem Feind, und die Parteien sind voneinander ebensowenig zu unterscheiden wie Gewehre." 2 "
Jes 21,1-10 folgt einem Text (Kap. 20), der in mehrfacher Hinsicht einen neuen Abschnitt markiert, es erfolgt nämlich eine Datierung, und der Prophet Jesaja selbst ist Gegenstand eines prophetischen Berichts. Nachdem in Jes 19 ein riesiges Friedensreich, Ägypten, Assur und Israel umfassend, verheißen worden war,234 kündigt Jes 20 Ägypten und Kusch Eroberung und Zerstörung durch Assur an. 20,6 endet mit der Frage der Bewohner/ Bewohnerinnen der Küste, wer noch Hilfe senden könne vor der assyrischen Bedrohung. Hier setzt Jes 21 ein, die Lasttexte beginnen erneut, nun mit einer Last für das Wüstenmeer, an deren Ende die Nachricht vom Fall Babylons steht. Die Abschnitte in 20-23 sind dadurch gekennzeichnet, daß zum einen oft keine konkrete Ortschaft benannt ist und zum anderen die Lastworte oft mehrere Gebiete betreffen.235 Die Lastworte 21,1-10.11-12.13-17; 22,1-8 handeln außer233 234
ROTH, Der stumme Prophet, S. 106f. DARR, Isaiah's Vision, S. 158, sieht eine Linie vom Friedenstext Jes 2,1—4 zu Jes
19,16-25. 235 Gemeinsame Stichworte und Motive zwischen Jes 21 und 22 werden von einigen so interpretiert, daß Jes 21 wegen des Folgetextes in Kap. 22 hin komponiert und hier eingefugt sei, z.B. GOSSE, Le ,Moi' Prophetique, S. 83f; ders., Isaie 13,1-14,23, S. 53. Dem hat sich ZAPFF, Prophetie, S. 282 u. 293 f, wenn auch mit anderen redaktionskritischen Schlußfolgerungen für den Gesamtkomplex Jes 13-23, angeschlossen, s. auch JENKINS, Development, S. 247. Auch Watts liest Jes 21 und 22 als eine Szene (WATTS, Isaiah 1-33, WBC).
276
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
dem mit Untergang, Flucht, Flüchtlingsschicksalen, Tod ohne Fluchtmöglichkeit und Reaktionen auf Untergangsmeldungen aus anderen Städten von ähnlichen Themen. Jesaja 21 1 Lastwort für „Wüstenmeer". Wie Sturmwinde im Süden, indem sie vorüberbrausen, kommt er aus der Wüste, aus einem gefurchteten Land ... 2 Eine harte Offenbarung ist mir verkündigt: der Mißhandelnde mißhandelt, der Verwüstende verwüstet... „Steige auf, Elam, belagere ..., Medien! Ihr (f.sg) ganzes Stöhnen lasse ich aufhören!" 3 Deshalb sind meine Hüften voll mit Gebärschmerzen, Wehen haben mich ergriffen, wie Wehen einer Gebärenden. Ich werde gekrümmt vom Hören weg und erschreckt vom Sehen ab. 4 Mein Herz taumelt, Schrecken hat mich überfallen, in der Dämmerung meines Begehrens macht er mir Furcht. 5 Den Tisch decken, das Spähen spähen (den Uberzug überziehen), macht euch auf, ihr Befehlshaber, salbt den Schild!
239
essen, trinken -
6 Denn so spricht zu mir Adonai: „Gehe und stelle jemand auf die Spähwarte, der sehen und verkünden soll. 7 Und er wird einen Wagen mit Pferdegespann sehen, Wagen mit Esel, Wagen mit Kamel, und er merkt auf Aufmerksamkeit, viel Aufmerksamkeit."
236
Hier liegt mit C^'U ein Gleichklang vor, der im Deutschen nicht nachzuahmen ist. „Eil hinan, Elam". Raschi u. Ges17, s.v. n n i K : „das ganze Seufzen über sie". W l L D B E R G E R , Jesaja, BK, S. 762: „All seinen Hochmut". Daß sowohl Ges17 als auch Bibelübersetzungen „seufzen" für n]K bieten, liegt wahrscheinlich an der Übersetzung Luthers, der auf frühneuhochdeutsche Semantik abzielte, im Neuhochdeutschen entsprechen die Semantik von n2R wie die synchrone Varietät in anderen semitischen Sprache dem Verb „stöhnen". 238 W i l d b e r g e r , Jesaja, BK, S. 762: „Die Abenddämmerung (sonst Stunde) der Lust, hat er mir zum Entsetzen gemacht." 239 JT32S ist hapax legomenon und kann eine Nominalisierung von ilE'i sein, mit dem es dann eine figura etymologica bildet. Was aber heißt HBU bzw. welches HSÜ ist gemeint? HE!» I heißt: „spähen", HS'J II „überziehen". Letzteres wird im AT in der Regel in Baunotizen zum Stiftszelt gebraucht; die Bedeutung „Überzug überziehen/Decke ausdecken" müßte von dem gängigen Gebrauch abgeleitet werden. Ersteres ist (militärische) Terminologie für die Wahrnehmung der Aktivitäten anderer; die Wurzel ¡12^ I wird im übrigen in V.6 mit dem Substantiv ns^Q - „Spähwarte" (wieder) aufgenommen. Buber: 237
B.IV.1.3. Die Worte eines Zeugen: Jesaja
21,1-10.11-12
277
240
8 Und er ruft, ein Löwe: „Auf der Spähwarte, Adonai, bin ich stehend beständig bei Tag und auf meinem Wachtposten bin ich gestellt alle Nächte. 9 Und siehe dort kommt ein Wagen mit einem Mann, ein Pferdegespann, und er hebt an und sagt, 241 .Gefallen, gefallen ist Babel, und alle Schnitzbilder ihrer (f.sg.) Götter sind auf der Erde zerschmettert!'" 242
10 Mein Gedroschenes und Kind meiner Dreschtenne, was ich gehört habe von JHWH Zebaoth aus, dem Gott Israels, das habe ich euch verkündet. 243
11 Lastwort für „Schweigen" , „Zu mir ist man rufend aus Seir: „Wächter, was von der Nacht (ist noch übrig), Wächter, was von der Nacht?" 12 Es sagt der Wächter: „es kommt Morgen, aber auch Nacht wenn ihr Fragen stellen wollt, fragt, kehrt um, kommt (wieder)."
Der Anfang kennzeichnet den Text als Teil der NÖQ-Sprüche. Die Fortsetzung von V.la deutet an, daß es um Gewalten und Gewalt geht (V.lb.c). Nun schildert ein Ich die Wirkung eines Offenbarungsempfangs, es sind große Schrecken und Schmerzen wie die einer Gebärenden, dem Ich schwinden die Sinne vom Erfahrenen (V.2—4). Daraus resultiert eine Aufzählung von absoluten Infinitiven, auch hier werden weder Sprechperson, noch Adressaten/ Adressatinnen oder ähnliches benannt, es kommen „Befehlshaber" vor. V.6 leitet einen Auditionsbericht ein, ein Späher soll Ankommende nach Bemerkenswertem beobachten. Nach Tagen kommt ein Bote: „Gefallen, gefallen ist Babel, und alle Schnitzbilder ihrer Götter sind auf der Erde zerschmettert!" (Jes 21,9). Wovon zuvor die Rede ist, müssen Rezipierende aus der Kumulation und Juxtaposition der Worte schließen. Jes 21,1-10 gehört zu den inhaltlich rätselhaftesten Texten des AT. Das liegt vor allem daran, daß keinerlei Textkohärenzen die Lektüre steuern: Zeitund Sprecherangaben fehlen weitgehend, die Ortsangabe „Wüstenmeer" ist rätselhaft, ebenso, ob es sich um den Ort des Geschehens, den Standort der Sprechperson oder den Bestimmungsort der Prophezeiung handelt und ob diese identisch oder verschieden sind. Auch ist keine der handlungstragenden 240 Qumran und Syriaca ändern in NIPRI - „der Seher", MARTI NTO^ - „ich sehe"; zu älteren Änderungsvorschlägen s. Ges17, s.v. RPHN. Es ändern außerdem: KAISER, Jesaja 13-39,
A T D , S. 9 8 ; WILDBERGER, J e s a j a , B K , S. 7 6 6 ; MACINTOSH, I s a i a h x x i , S. 1 2 7 ; WATTS, I s a i a h
S. 2 7 1 . WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 270: „She has fallen! Babylon has fallen!" 242 BUBER: „Mein Ausgedroschnes, das Erzeugnis meiner Tenne". 243 n o n kann ein Ortsname sein, aber auch „Stillschweigen" heißen. 244 BUBER: „Morgen zieht herauf,/ aber auch Nacht noch, - / wollt ihrs ermühen,/ mögt ihr euch mühen,/ einst sollt ihr kehren,/ einst herwärts ziehen." 1-33, WBC, 241
278
B.IV.I. Der Untergang Babylons - Jesaja
oder angeredeten Figuren wirklich eindeutig bestimmbar, ebenso wenig wie ihre Beziehungen. Zu dieser fehlenden Ordnung und Einordnung kommt die Überlagerung der Identität der beteiligten Figur (s.u.). So muß man am Ende fragen, ob nicht sogar die neuzeitlich übliche Lektüreweise einer chronologischen Abfolge der berichteten Elemente überhaupt eine diesem Text selbstverständliche und angemessene Setzung ist. Dieser Text enthält eine Vision oder mehrere - ohne jede Deutung, d.h. Bilder, Bildtexte und Bildfetzen ohne Bezug, Ordnung oder Erklärung.245 Der verwirrende Inhalt drückt sich auch darin aus, daß die Sätze auch sprachlich kaum aufeinander folgen oder sonstwie zusammenzuhängen scheinen. Die fehlenden Kohärenzen betreffen neben dem ganzen Text und seinen Sätzen auch einzelne Formulierungen, ein Beispiel sei V.2: in V.2a ist das Genus des Verbs maskulin, es müßte aber feminin sein, keiner der vier Teilsätze zeigt einen Bezug zu den anderen an, in V.2c ist T1Ü absolut gebraucht, obwohl es mit Objekt stehen müßte, in V.2d fehlte das Bezugswort für das Suffix 3.fem, die zwei Nennungen des Ich müßten sich auf zwei verschiedene beziehen (Prophet und Gott), ein Sprecherwechsel ist aber nicht angedeutet. Die Probleme von Semantik und Syntax werden in der Forschung zum Teil einzeln gelöst, indem die Phänomene trotz ihrer Ungewöhnlichkeit als (Ausnahme)Form der Regelhaftigkeit erklärt werden (zu V.2 z.B. Ges-K §121 a.b). Eine andere Möglichkeit ist, eine fehler- und lückenhafte Niederschrift und/oder Überlieferung anzunehmen und in den Text einzugreifen.246 Andere scheiden literarkritisch verschiedene Wachstumsschübe.247 Zusätzlich kann der 24i Literatur- und prophetiegeschichtlich ist es m.E. noch zu deuten, daß dieser Text bei einer Datierung von vor (oder nach meinem Verdacht nach) 539 kaum zwanzig Jahre vor Protosacharja entstanden ist, einem Text, in dem der Prophet auf die Deutung und Wahrnehmung des angelus interpres angewiesen ist, s. dazu o. B.II.2.2. 246 S. z.B. WILDBERGER, Jesaja, BK. zu V.3 u.ö., der aber insgesamt sehr zurückhaltend mit Texteingriffen ist und überdies den Gesamttext für einheitlich hält. 247 S. z.B. GOSSE, Le ,Moi' Prophetique, er nimmt insbesondere ein intertextuelles Textwachstum an, Hab 2,1 ff sei in den Text eingetragen, was einige Merkwürdigkeiten des Textes erklärt. Und zwar hatten Jes 21 und Jes 60-62 denselben Verfasser bzw. Überarbeiter, Jes 21 datiert in seiner Endgestalt in die ersten Jahre nach dem Ende des Exils. S. auch BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 25^12: während die Erweiterungsschicht 21,2bßy.7.9b-10 um 539 datiert, umfaßt die Grundschicht 21,1.2aboc.3-5.6.8-9a und „bezieht sich auf die Vorgeschichte von 701 v.Chr., aber mit deutlicher Transparenz auf spätere Ereignisse (u.a. 587/6 v.Chr.)" (ebd., S. 42) und datiert nach 587/6. Was dies genau heißt und wie es im Text deutlich wird, führt BOSSHARD-NEPUSTIL leider nicht aus. Eine detailliertere Auseinandersetzung z.B. mit ERLANDSSON oder MACINTOSH hätte dies vielleicht bewirkt. Daß diese nicht erfolgt, liegt an dem Irrtum, die neuere Forschung stufe Jes 21,1-10 mehrheitlich als nachjesajanisch ein (ebd., S. 23); j e nachdem, was man unter „neuerer Forschung" versteht, zeigt MACINTOSH, Isaiah xxi, im Jahr 1980 eher die Unentschiedenheit der Forschung für das 8. oder das 6. Jh.
B.IV. 1.3. Die Worte eines Zeugen: Jesaja
21,1-10.11-12
279
Text als ganzer erklärt werden, wenn das (prophetische) Phänomen der Ekstase auf diesen Text angewendet wird."8 Und doch gleicht nichts davon die mangelnden Kohärenzen aus.
1.3.1. Der Text als Supplement Die Rezipierenden sind darauf angewiesen, daß die Kohärenzen des Textes und damit sein sinngebender Rahmen über Kontexte zur Verfügung gestellt werden. Diese Kontexte werden von Lesenden in Vorerwartungen konstruiert. Dafür wurden bislang im Blick auf Jes 21,1 ff unterschiedliche Vorschläge vorgebracht: Die neuzeitlich historisch-kritische Forschung glaubt an historische Ereignisse als Kontexte, die Jes 21,1-10 zu einem sinnvollen Text machen. Die jeweils vorgeschlagene historisch-militärische Konstellation wird dann Schlüssel zum Text, von wo aus alle Details interpretiert werden. Prämissen für die zeitlichen Bestimmungen sind nicht nur die Identität Babylons als historisch-militärischer Macht einer bestimmten Zeit, sondern dazu noch die Identitäten von Elam und Medien (21,2) und möglicher militärischer Konstellationen, die auf den Text passen.21' So wird oft Jes 21 als Text aus der Zeit des historischen Jesaja gelesen, 21,1-10 sei ein vaticinium ex eventu vom Scheitern der Aufstandsallianz gegen Assur. Es handelt sich um eine Prophezeiung des historischen Jesaja: Elam, Medien und Babylon zusammen (V.2c) versuchen einen Aufstand gegen Assur (V.2a.b), der Prophet Jesaja aber sieht das Unternehmen scheitern: siegessicher feiern die Krieger während der Vorbereitung Feste (V.5f), aber dann erfahrt der Wächter die Botschaft, daß Babylon gefallen ist (V.9) und somit die Aufstandspläne für Elam und Medien zerschlagen sind."0 Ähnlich stellt auch Watts251 Jes 21,1-22,25 in die Zeit von Hiskias Aufstand (705-701), Jes 21,1-10 schildert die erschreckte Reak248 Ob es sich bei der Schilderung in Jes 21 um einen ekstatischen Zustand handelt oder nicht, ist in der Exegese umstritten, was auch mit traditionellen Vorbehalten gegen Ekstase zusammenhängt (zum Überblick über Ekstase im AT s. POLA, Ekstase). Während DUHM, Jesaja, HAT, S. 151, den Text als Ekstase-Erfahrung interpretiert, sieht POLA, Ekstase, S. 127 mit Rückgriff auf HILLERS, Reaction, hier die unmittelbare Reaktion auf schlechte Nachrichten ausgedrückt. 249 Zu den wichtigsten Datierungen und Rekonstruktionen der Auslegungsgeschichte s. MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 63-75. MACINTOSHS eigene Rekonstruktion s. ebd., S. 106-116. Die ebd., S. 63-75 - obwohl manchmal zu kurz und fehlerhaft - zusammengefaßten Ansätze werden hier nicht mehr einzeln aufgeführt, stattdessen sind hier spätere Auslegungen kurz genannt, die 1980 noch nicht erschienen waren. 250
ERLANDSSON, B ü r d e n , S . 9 2 .
251
WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 266-274.
280
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
tion politischer Kreise in Jerusalem in der Person des Schebna auf die Nachricht, daß Sanherib den babylonischen Aufständischen Merodach-Baladan 703 v.Chr. besiegte. Andere datieren den Text ins 6. Jh., der Fall Babylons in Jes 21,9 meine die Eroberung Babylons durch Kyros II., die Perser werden hier entsprechend anderer antiker Texte als Meder bezeichnet. Kyros II. war vor der Eroberung Mediens König von Anschan, das ein Teil von Elam war, mit Elam und Medien sind also Kyros' II. Armeen umschrieben. Wie Wildberger252 stellt Clements den ganzen Text vor 539 v.Chr., hält ab¿r Vermeylens Spätdatierung auch nicht für ausgeschlossen.2" Dieser datiert Jes 21 ebenso wie Jes 13,17-22 auf die Zeit zwischen 4 8 5 ^ 7 6 v.Chr., als Xerxes I. eine babylonische Revolte niederschlug.254 Die m.W. einzige Monographie zu Jes 21 von Macintosh2" plädiert nicht so schnell für eine Möglichkeit, sondern sieht sich ständig mit der Rätselhaftigkeit des Textes konfrontiert und stellt deshalb immer wieder im Laufe der Untersuchung hermeneutische Überlegungen an z.B. zu den Grenzen moderner Rekonstruktionsmöglichkeiten und über den Widerspruch zwischen modernen Interpretationen und antiken Propheteninteressen. Der Aufbau der Arbeit ist im Vergleich zu seinem Untersuchungsgegenstand umso übersichtlicher: im ersten Kapitel wird jeder Vers von Textvarianten angefangen durch die gesamte Auslegungsgeschichte hindurch, d.h. inklusive der rabbinischen Literatur der Antike und des Mittelalters bis zur modernen christlichen Exegese, beleuchtet und diskutiert. Das zweite Kapitel widmet sich den Vorschlägen zur Auslegung, d.h. zumeist den Rekonstruktionen der wohl dem Text zugrunde liegenden politisch-militärischen Situation. Der Schwerpunkt liegt dabei wie schon im ersten Kapitel auf der anglo-amerikanischen Forschung, wobei prominente deutschsprachige Ansätze ebenso wie rabbinische Auslegungen Berücksichtigung finden. Die Argumentationen aus der Auslegungsgeschichte werden z.T. aufgenommen, d.h., daß viele Bestandteile des gesamten Kap. 21 aus dem 8. Jh. stammen und daß der Text in seiner jetzigen Gestalt nach 539 datiert. Wie ein Palimpsest wurde also der Text des 8. Jh.s im 6. Jh. einer entscheidenden Überarbeitung unterzogen.256 Konsequent setzt
252
WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 774. CLEMENTS, Isaiah 1-39, NCB, S. 176f. 254 VERMEYLEN, Isafe I, S. 327f. 255 MACINTOSH, Isaiah xxi. 256 M.E. ist der Begriff „Palimpsest", der auch in den Titel der Arbeit aufgenommen wurde, unangebracht. Er bezeichnet ein Schriftstück, von dem der ursprüngliche Text getilgt und das dann neu beschrieben wird. Ein Palimpsest dokumentiert also die Gegensätzlichkeit zweier Schreiberintentionen, auch in Form ihrer Unverbundenheit. Das liegt im AT m.E. (zumindest bei Jes) nicht vor: Es geht den Redaktoren/ Redaktorinnen um die Bewahrung und Bewahrheitung der jesajanischen Prophetie und nicht wie beim Begriff des Palimpsests um 253
B. IV. 1.3. Die Worte eines Zeugen: Jesaja
21,1-10.11—12
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Macintosh dann diese These in den beiden letzten Kapiteln um, indem er anschließend jeden Vers zweimal interpretiert, zunächst 21* als Text des 8. Jh., und dann 21 als Text des 6. Jh. In der Zwischenzeit hatte Jes 21* Jer 50-51 beeinflußt. In der Überarbeitung von Jes 21* im 6. Jh. spielte dann wiederum der Text Jer 50-51 eine Rolle, so daß Macintosh en detail nachzuweisen versucht, wie beide Texte, Jer 50-51 und Jes 21, an- und miteinander gewachsen sind.257 Eine Alternative zu historischen Ereignissen als Interpretationsfolie und schlüssel ist andere Literatur, auf die sich Jes 21 beziehen könnte. In rabbinischen Traditionen hat sich als möglicher Bezugstext Dan 5 herausgebildet, in Nuancen unterschiedlich vertreten u.a. von Raschi, Redak und Ibn Esra. Dafür werden die Texte anhand von 4 Erzählzügen parallelisiert: In beiden Texten gibt es ein Festmahl (21,5; Dan 5,1 ff), das dann im Schrecken einer Nachricht endet (21,9; Dan 5,8.24-30).258 Ebenso wie der Sprecher in Jes 21,2-4 ist die Reaktion Belsazars heftig und physisch, wenn auch ohne Wehen selbst (Dan 5,6.9). In Jes 21,2 sind die Angreifenden Elam und Medien, in Dan 5,28 Medien und Persien; Jes 21,4 wird als Aussage Belsazars gelesen, und in 21,5 wird von Ibn Esra in der Folge Saadjas259 das Salben des Schildes als Salben des Königs verstanden, in der Nacht, in der Belsazar starb, wurde Darius I. zum König gesalbt.260
1.3.1.1. Der Untergang Babylons: Jesaja 21 und Jesaja 13 Tatsächlich gibt es noch eine andere Textlektüre, die das Fehlen der Kohärenzen auffüllen kann: Jes 21 kommentiert den Untergang Babylons in Jes 13. Für die Lektüremöglichkeit von Jes 21 als Kommentar zu Jes 13 gibt es im Text einige Lesesignale: eine erste Andeutung steht in V.lc, „er kommt" „aus einem gefürchteten Land" (21,1c), ähnlich heißt es in Jes 13,5 „sie sind
die Tilgung eines Textes zur Unkenntlichkeit zugunsten eines anderen, der von dem ersten unabhängig ist. Auch insinuiert der Palimpsestbegriff eine lediglich zweistufige, in jedem Fall eine stufige und keine tradierend kollektive allmähliche Entstehung des heutigen Textes. Auch der Entstehungsprozeß, den MACINTOSH rekonstruiert, ist mit dem Begriff „Palimpsest" nicht treffend bezeichnet. 25 ' Zum Ansatz und den je angeführten Stellen s. auch o.S. 15f. 258 Herodot, Historiae 1,191, und Xenophon, Cyropaedia 7,5, berichten, daß am Vorabend von Babylons Eroberung durch Kyros II. ein Fest stattgefunden habe. 259 S. MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 25f. 260 Diese Zusammenfassung wird in ihrer kurzen Allgemeinheit den Auslegungen der mittelalterlichen Rabbinen nicht gerecht, mir geht es hier um einen kurzen Einblick in wenige Deutungsaspekte. Diese intertextuellen Auslegungen müßten gesondert untersucht werden, so sei hier nur auf die n'fr'nj niKIpO und Ibn Esras Kommentar für die genaueren Argumentationen verwiesen.
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B.lV.l. Der Untergang Babylons - Jesaja
kommend aus einem Land der Ferne". Signal dafür, daß es sich um dasselbe Ereignis handelt, ist 21,2b: „der Verwüstende verwüstet". Diese „harte Offenbarung" ist die Vision der Babyloneinwohner, wie nah der Tag JHWHs ist: „wie Verwüstung von ,Verwüster' kommt (er)" (13,6). Das Ich erfahrt dieselbe Erkenntnis wie die Menschen im angegriffenen Babylon in Jes 13,6. Er ist (im Geist) in die Stadt versetzt und zeigt deshalb auch dieselben Reaktio21,3; 13,8) und ist plötzlich eine Gebärende nen wie sie: er erschrickt (21,3; 13,8), diese beiden Stellen sind übrigens die einzigen Belege für (nif) im ganzen Jesajabuch.261 Wie in Jes 13 sind die Wehen mit einem Anblick begründet (und beidemale steht p ' Jes 13,7; 21,3). Daraus ergeben sich Sprachfetzen, die allmählich zu Imperativen werden (V.5). Aufgrund einer weiteren Offenbarung stellt der Prophet einen Späher auf (V.6f). Dieser ist angewiesen, auf Ungewöhnliches bei den in der Stadt Ankommenden zu achten262 und meldet nach Tagen die Nachricht eines Boten: Babylon ist gefallen (V.8f) - das ist auch das Ergebnis in Jes 13,14-22a.263 Diese Lesart kann viele Fragen, die der Text offenläßt, beantworten, z.B. die Frage, warum sich im Abschnitt Jes 13-23 zwei Prophezeiungen von Babylons Untergang finden:264 es handelt sich um einen einzigen Untergang, geschildert aus zwei verschiedenen Perspektiven. Jes 13 ist die Beschreibung des Untergangs als chronologische Schilderung der Ereignisse, Jes 21 ist der Untergang Babylons aus der Perspektive von Zeitzeugen in einer anderen Stadt. Nun erklärt sich auch, warum der Prophet so erschüttert ist von einer
261
GOSSE, Le ,Moi' Prophetique, S. 73. Gegen CLEMENTS, Isaiah 1-39, NCB, S. 178f, der in den Gespannen und Wagen die elamitisch-medische Kavallerie bezeichnet sieht. 263 1793 veröffentlichte ROSENMÜLLER in seinem Jesajakommentar eine Auslegung von Jes 21 mit einer ähnlichen Richtung. Nach seiner Auffassung datieren Jes 13 und 21 aus derselben Zeit (ROSENMÜLLER, Scholia, S. 466); ROSENMÜLLER interpretiert aber nicht die beiden Textbeziehungen, sondern beider Bezug zu den geschilderten Ereignissen: Jes 21 handelt davon, daß der Prophet sich bei Kyros' II. Einmarsch in Babylon bei den Angegriffenen befindet, und zwar nicht nur psychisch, sondern auch physisch. Das ist für ROSENMÜLLER vor allem deshalb begründbar, weil antike Quellen (Herodot, Historiae 1,191; Xenophon, Cyropaedia 7,15) einen ähnlichen Ereignishergang wie Jes 21,1-10 schildern (ROSENMÜLLER, Scholia, S. 471—474). Dies betrifft zum einen V.4 und 5 (ein Fest am Vorabend der Niederlage) und zum anderen V.7 (Kamel- und Eselszüge waren in Kyros' II. Heer wichtiger Bestandteil). 262
264 Dieses Problem löst WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 196, indem er im Rahmen seiner Auslegung zu Jes 13 andeutet, Jes 21,9 sei die Erfüllung der Prophetie von Jes 13,17-22, so wie der Fluch in Jes 34,5-7 sich in Jes 63,1-3 erfülle. BERGES, Das Buch Jesaja, S. 155, meint, zwei Prophezeiungen seien nötig wegen der großen Hoffnungen und Erwartungen auf das Ende Babylons, und Jes 13f hätte es nach der Existenz von Jes 21 noch bedurft, weil mit 539 Babylon nicht untergegangen sei. Jes 13f sei Ergebnis einer theologischen Auseinandersetzung mit diesem Problem. Aus den sprachlichen Übereinstimmungen zieht GOSSE, Le ,Moi' Prophetique, S. 73f, den Schluß, daß Jes 21 in Jes 13 eine Relecture erfahren hat.
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Vision, auf die er und viele seiner Zeitgenossen u.U. schon lange warten: er wird (im Geist) in die Stadt Babylon zum Zeitpunkt des Angriffs versetzt.265 Auch erklärt sich die Erwähnung Mediens: die Meder sind auch in Jes 13 und die Jer 51 die Babyloneroberer.266 Die Autoreferentialität und damit die Totalität von Krieg wird in 21,2c und 13,6 mit denselben sprachlichen Mitteln, mit Tautologien ausgedrückt. So ist - vielleicht absichtlich - nicht klar, wer der 115C ist, er bringt Gewalt und Verwüstung. Dieses hat Babylon selbst getan - und das wird sie/er auch erleiden. So ist "123 in Jes 13,6 die Verwüstung, die Gott Babel bringen wird; in Jes 21,1 ist Verwüstung in einem Text benannt, die am Ende Babylon getroffen hat - und in Jes 33,1 ist prophezeit, das der Verwüster (T1Ö) selbst verwüstet wird. Und doch hebt Jes 13 als Kontext und Kohärenzlieferant für Jes 21 nicht alle Widersprüche auf (wie z.B. die Frage, wovon eigentlich in V.5 die Rede ist). Eindeutigkeiten in jeder Hinsicht können auch in diesem Text nicht hergestellt werden, im Vordergrund steht eben nicht die Schilderung einer militärischen Konstellation, sondern eine prophetische Visionserfahrung, ihre Wirkung auf den Propheten und das Eintreffen des geschauten (militärischen) Ereignisses: die Hermeneutik der visionären Prophetie ist neben dem Aussageziel, dem Untergang Babylons (V.9) eines der beiden Hauptthemen im Text. Diese Hermeneutik der visionären Prophetie wird durch diesen Text und diese Perspektiven demonstriert statt erklärt.
1.3.1.2. Die Wahrnehmung des Untergangs Auf eine sehr ungewöhnliche Art handelt Jes 21,1-10 von einer Vision, aber eben nicht vom Inhalt des Geschauten, sondern fast ausschließlich von der Wirkung des Geschauten auf den Visionär. Anders als in Num 11,26ff wird diese Wirkung nicht aus der Perspektive Dritter, sondern aus der Perspektive des Propheten selbst in (deshalb defizitäre) Sätze und Worte gefaßt.
265 Ähnlich, aber textimmanent erklärt DUHM, Jesaja, HAT, S. 151 die Stelle: „In seinem gewöhnlichen menschlichen Bewußtsein sieht er die Zertrümmerung der babylonischen Herrschaft als seines Volkes Erlösung an, ersehnt sie, betet um sie; aber das physische Vor- und Miterleben der Katastrophe hat ihm sein tagwaches Bewußtsein so weit zurückgedrängt, daß er nur die Zertrümmerung deutlich sieht und fühlt, dagegen die glücklichen Folgen höchstens dunkel ahnt, aber noch nicht in den Vordergrund seiner Stimmung hervorzuziehen vermag. Weil er fühlt, daß er den richtigen, den israelitischen, religiösen Gesichtspunkt noch nicht finden oder doch nicht geltend machen kann, sagt er, sein Verstand sei irre." 266 Freilich muß das nicht bedeuten, daß Jes 21 - zusammen mit Jes 13 - nach 539 entstand. Aber für die Endformation - wann immer diese erfolgte - kann diese Kohärenz-Anleihe sehr wohl ausschlaggebendes Gestaltungskriterium gewesen sein.
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B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
Hier sind erneut der Prophet, sein Status und sein Visionsempfang eng mit dem Visionsobjekt Babylon verbunden. In beiden Texten steht die Prophetenfigur stark im Vordergrund, in Jes 13 durch seine seltene namentliche Nennung und in Jes 21 durch die geschilderte Reaktion des Propheten auf seine Vision: er bekommt Wehen. Die zweite Hervorhebung der Prophetenfigur im zweiten Babylontext des Buches ist deshalb so bemerkenswert, weil im Jesajabuch sonst der Prophet zugunsten der Gottesrede sehr stark zurücktritt. Auffallig intensiv ist die Wirkung der Prophezeiung auf den Propheten geschildert. Es ist eine „harte Offenbarung" (HtÖp), wie der Dienst der Israeliten und Israelitinnen in der Gefangenschaft Ägyptens (Ex 1,14; Jes 14,3). Mit „Ich werde gekrümmt vom Hören und werde erschreckt vom Sehen" ist die Rede vom Hören und Sehen aus dem Verstockungsmotiv wieder aufgenommen, das doch als Refrain das gesamte Buch durchzieht267 - hier im Zusammenhang mit dem Fall Babylons. Obwohl es bei den Sinnes Wahrnehmungen „Hören" und „Sehen" eigentlich um ¿'/«drücke, d.h. um die (geistige) Aufnahme äußerer Sachverhalte geht, beschreibt der Prophet seine Visionserfahrung doch mit Gebärbegriffen, also einem Wortbereich, bei dem es eigentlich darum geht, daß etwas aus dem eigenen Körper heraus kommt. Visionen haben nicht immer nur beglückende Wirkung auf die Propheten, Prophetinnen, im Gegenteil. Aber ein solcher Schrecken, als sähe der Prophet selbst dem Tod ins Auge, ist ein im AT neben Dan 10,16 singuläres Phänomen. Die Wirkung auf den Propheten drückt sich darin aus, daß verständliche und ganze Sätze ihm offenbar nicht mehr möglich sind (V.lb.c.2.5). Gebärschmerzen kommen erstaunlicherweise nur zweimal in Erzähltexten vor, die von Frauen handeln (Gen 35,16 Rahel; lSam 4,19f die Schwiegertochter Elis), beide Frauen sterben bei der Geburt. An den meisten anderen Stellen werden Personifikationen (Ägypten Jes 19,16f; Kusch Ez 30,4; Damakus Jer 49,24; Tochter Zion Jer 4,31; Mi 4,10; Jerusalem Jer 13,21; 22,23; Jer 4,19; Ephraim Hos 13,13), Menschengruppen (Bewohner und Bewohnerinnen Babylons/alle Menschen Jes 13,8; Ninives Nah 2,11; Kuschs Ez 30,9; Völker Joel 2,6; Zions Jer 6,24 u.a.) von Wehen ergriffen. Neben dieser Stelle sind es Gott als der Angreifer in Jes 42,14 und der König von Babel in Jer 50,43, die von Wehen ergriffen werden. Hiskia spricht von Wehen wohl als Bild bzw. innerhalb seiner Bitte um die Gewährung eines Orakels. Während für Gott in Jes 42,14 das Bild etwas unüblich gebraucht wird, singulär im AT ist es hier der Siegreiche und der Angreifende in einem Krieg, bleiben also nur noch zwei Stellen Jer 50,43 und Jes 21,2, in denen zwei einzelne (männliche) Menschen aufgrund einer Wahrnehmung, Nachricht oder Erkenntnis derart erschrecken, daß sie in Wehen zu sterben drohen. Beidesmal ist der Anlaß der militärische Fall Babylons einmal dieser Prophet, einmal der König von
267
DARR, Isaiah's Vision, S. 103.
B.IV.1.3. Die Worte eines Zeugen: Jesaja
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Babel selbst. Im Jesajabuch - so Berges - bindet das Thema „Wehen/Geburt" eine der Hauptaussagen des Jesajabuches zusammen.268 Es kommt in zwei von vier Babylon-Texten vor. Die eigentliche Nachricht ist nun vierfach verschachtelt: Gott fordert den Propheten auf, seinen Späher auf den Turm zu stellen, der dann Gott melden werde, daß in die Stadt ein Mann zieht, der die Nachricht vom Fall Babylons bringen wird/bringt.2" Dies berichtet der Prophet den Adressaten seiner Rede. Die Meldung vom Untergang Babylons, Pointe und Höhepunkt der Prophezeiung ist also virtuell, weil vierfach durch Boten mit Gott als Urheber tradiert. Jes 21 ist in unserer Abhandlung (und evtl. auch in bezug auf die historische Entstehung der Bibeltexte) der erste Text, der die Wahrnehmung Babylons zum expliziten Thema hat - und das ist die Wahrnehmung von Babylons Untergang. Die zweite Hälfte des Botenzitats fügt sich übrigens nicht unbedingt in die Lesart, daß Jes 21 den Text Jes 13 kommentiert, weil dort nicht von Götzenbildern die Rede war - aber er weist voraus auf Jes 46, lf! So steht der Text über die Wahrnehmung vom Untergang Babylons in der Mitte zwischen zwei Untergangstexten: Jes 13 und Jes 46—48.
1.3.2. Wer oder was ist Babylon? Die Nachricht vom Fall „Babylons" ist die Pointe des Textes. Außer dieser Nachricht und der Zerstörung der Götterbilder wird von Babylon nichts weiter gesagt. Zur Charakterisierung Babylons trägt auch eine Relektüre von 21,110 mit dem Wissen von V.9 kaum etwas bei. Tatsächlich ist der Text nicht eindeutig negativ in der Be- oder Verurteilung „Babylons", sicher ist nur Babylons militärische Besiegung.270
268 BERGES, Das Buch Jesaja, S. 193. Das nrTI3N - „Stöhnen" (21,2) steht überdies in Assonanz mit 13TOR - „wir entrinnen" (20,6) aus dem vorherigen Kapitel. Zu den verschiedenen Überlegungen zu Semantik und Herleitung von nnrijK im Laufe der Auslegungsgeschichte s. MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 17-19. 269 Anders MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 129, der die Untergangsmeldung vom Wächter gesprochen sieht. Wenn in Jes 21,1-10 ein Argument der Logik auch nicht greifen muß, so ist doch syntaktisch der 2TK m.E. der naheliegendste Sprecher. 270 S. auch WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 775. MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 6, gibt die Überlegungen DELITZSCHS wieder, daß I I I S aus V.la und lc auf topographische Besonderheiten Babylons und Babylonien anspielen könnte. Eine andere Interpretation ist die, daß insbesondere in V . 1 5 nicht Babylon, sondern Jerusalem anegegriffen wird (vertreten von BARNES 1900, zit. nach MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 70f), s. auch BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 25-42. Wie so oft vertauschen Babylon und Jerusalem zumindest in der Rezeptionsgeschichte ihre Attribute und z.T. sogar ihre Identität.
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B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
In V.9 wird über die Themenbereiche Wahrnehmung und Krieg hinaus ausgesagt, daß die Götterbilder zerschmettert seien2" - der Text bekommt eine theologische und theologiepolitische Wende, wobei auch hier kaum eine Wertung herauszuhören ist. Zum Triumphschrei wiederum wird V.9 erst aus der Perspektive der Götzenpolemik Deutero-Jesajas. Zur deutlichen Abgrenzung der den Rezipierenden und Sprecher/ Sprecherin eigenen Religion von „Babylon" wird 21,9 durch die Bilderverbotstexte des AT und Texte, die eine Abgrenzung zu anderen Religionen z.B. durch Alleinverehrung (des einen bilderlosen) Gottes fordern.272 In V.9 ist Babylon also nicht nur eine Stadt, sondern auch ein theologisch besetzter Ort, Hort von Götterbildern.273 In der Annahme, daß in V.10 Israel vom Propheten angesprochen ist,274 fuhrt V.10 die theologische Deutung der Botenmeldung weiter: der Fall „Babylons" wird in Zusammenhang mit der Offenbarung an den Propheten und Gott als Urheber gebracht. Dazu wird in der Apposition „dem Gott Israels" die Beziehung zwischen Israel und JHWH betont, die Anrede als Gedroschene rekurriert auf die Geschichte als Beziehungsgeschichte zwischen Gott und Israel durch die Vermittlung des Propheten. Diese Geschichte war eine Leidensgeschichte (V.lOa). Erneut klären sich für Israel Identität und Verhältnisse in und nach dem Untergang Babylons - ohne daß Israel hier wirklich als Einheit angesprochen, sondern eben als Zerstörtes und Zerstreutes attribuiert wird. Entsprechend muß „Babylon" hier auch nicht Stadt und Reich aus dem 8./6. Jh. meinen, Vermeylen sieht V.2c und V.10 als Nachträge einer späteren Zeit an, mit denen der Text als Auseinandersetzung zwischen den gottlosen und den frommen Juden interpretiert wird. Die unterdrückende Gruppe der gottlosen Juden werde von dieser Überarbeitungsgruppe als Babylon identifiziert. Als Gründe fuhrt er formale und inhaltliche Widersprüche zwischen V.2c.l0 und dem Rest des Textes an und die Parallelstellen Ps 6,7; 31,11; 102,6 für V.2c und Jes 14,22; 28,27-28 für V.10, die nach seiner
271 Dies ist für einige ein weiterer Hinweis auf die Datierung des Textes, Kyros II. zerstörte keine Götterbilder 539, es sei also kein vaticinium ex eventu, post 539, stattdessen kann das für das 8. Jh., Assurs Eroberung sprechen, s. dazu MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 37. 272 S. dazu im Überblick DOHMEN, Art. ^ 0 2 und die dort genannte Literatur. 273 Die nicht erfolgende Wertung der Götterbilder mag ein Hinweis auf eine historische Einordnung von V.9b sein (für KLEINERT in einem Aufsatz aus dem Jahr 1877 spricht die mangelnde Deutung für ein positives Babylonbild und deshalb für eine Datierung ins 8. Jh., als Scheitern der Aufstandsallianz, zit. nach MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 64f): die Nichtwertung ermöglicht es einem heterogenen - gespaltenen - Publikum, das je Eigene herauszuhören, sei es daß der verabscheuungswürdige Ort inklusive seiner dominanten Gottheiten endlich zerstört ist, sei es daß auf Babylon und seine/ihre dominanten Gottheiten zu bauen am Ende zur erneuten Heimatlosigkeit führen wird; es ist besser, sich jetzt davon zu ent-solidarisieren. 274 Anders rabbinische Auslegungen, gedroschen sei Babylon, zu den verschiedenen Vorschlägen der Forschungsgeschichte s. MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 37-39.
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Interpretation innerjüdische nachexilische Auseinandersetzungen thematisieren.275 Babylon erfahrt darüber hinaus noch weitere Charakterisierungen, wenn ihm/ihr die Last gilt, und wenn es identisch ist mit dem Wüstenmeer.
1.3.2.1. Wer oder was ist das Wüstenmeer? Die Schwierigkeiten mit dem Ausdruck bringt Duhm auf den Punkt: „, Wüste des Meeres' ist unverständlich [...], weil es weder direkt noch indirekt aus dem Text stammt".276 Da in allen anderen KÖQ-Einleitungen im folgenden ein Ort als Adressat für die folgende Unheilsprophezeiung genannt ist, dürfte es hier auch so sein: C QIC ist ein Ort, dem die Last gilt. Bei den Namen kann es sich um ein Codewort277 handeln, einen metaphorischen Ausdruck oder eine Prolepse: der Begriff bezeichnet den Zustand, zu dem der Ort x einmal wird.278 Dem steht aber der Widerspruch der beiden Elemente entgegen, beide Landschaften kann es eben nicht gleichzeitig an einem Ort geben. Aber vielleicht ist gerade das die Drohung, eine Drohung, die dann nicht nur lokal, sondern universal ist, weil sie jede bestehende (physikalische) Ordnung außerkraft setzt. Bereits einzeln sind Wüste und Meer Chaostopoi. Im Gegensatz zu den folgenden Visionen 21,13 und 22,1 wird der sprechende Name im folgenden nicht mehr aufgenommen. Eines der beiden Wortbestandteile ~C~!f2 - „Wüste" wird in V.lb als Herkunftsort des Zerstörerischen benannt, weshalb von einigen C emendiert wird.279 Das verursacht wieder Irritation: wie kann die Wüste gleichzeitig Ziel- und Herkunftsort sein? Sie kann es nur im Chaos der durchbrochenen Kausalitäten (wie es z.B. in Jes 13 vorliegt, s.o.). Das Wüstenmeer wird im Laufe der Rezeptionsgeschichte von Jes 21 zu einem Kennzeichen Babylons, insofern die „Hure Babylon" der Johannesoffenbarung beides zugleich in ihre Herrschaft bringt (Offb 17,1.3). Ob Babylon 275
VERMEYLEN, Isafe, S. 328f. DUHM, Jesaja, HAT, S. 150. 277 Schlüssel können Buchstabenvertauschung oder ähnliches sein, s. z.B. Jer 25,26. 278 Ibn Esra zu 21,1. VERMEYLEN, Isaïe, S. 326, Anm. 1, nimmt einen älteren Vorschlag auf, daß es sich um eine Analogie zu akkad. mât tamtîm „Land des Meeres" handelt mit denen die Assyrer Südbabylonien bezeichneten. Dagegen MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 6. 219 S. dazu MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 4f. Zu diesem Ausdruck gibt es viele Versuche, seine Widersprüchlichkeit zu seinem Kontext zu erklären, s. dazu ausführlich WLLDBERGER, Jesaja, BK, S. 763f, der in seine Literaturwiedergaben und eigenen Überlegungen mehrmals einstreut: „Das sind Auskünfte, deren man nicht froh wird [...]. Aber es läßt sich nun einmal nicht verstehen, daß ein Wort, welches Babel Gericht ankündet, als Ausspruch über irgendeine Wüste bezeichnet werden soll. [...] Bei der großen Unsicherheit all dieser Vorschläge mag man es vorziehen, bei M zu bleiben [...], obwohl man dann eingestehen sollte, daß der Text eigentlich unverständlich ist". 276
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B.IV.l. Der Untergang
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das „Wüstenmeer" in Jes 21 ist, kann damit noch nicht entschieden werden. Ein Ort, der zugleich Wüste und Meer ist, muß ungeheure Ausmaße haben, ist also im doppelten Sinn nur marginal begrenzbar. Zusammen mit dem doppelt Chaotischen und der Tatsache, daß im Text der physische Standort des Propheten nicht benannt ist und er deshalb an jedem Ort, überall und nirgends stehen kann, ist m.E. das Wüstenmeer eine Deutung „Babylons" wie es sein wird und mit dem Verkünden der Prophezeiung qua Zusprechung ist. Wenn dann in V.9 Babylon die Stadt und Babylon der Ort der Götterbilder zerstört werden, ist das der Versuch, wenigstens das Lokale und ,Reale' an Babylon zerstört zu sehen. Das Unheil des Chaos ist damit freilich nicht gebannt (s.u. zu 21,1 lf).
1.3.2.2. Der Zeitpunkt des Untergangs Der Prophet erlebt den Untergang Babylons gegenwärtig aus der Perspektive der Angegriffenen mit, er ist im Geist dorthin versetzt. So ist der zeitliche Abstand zwischen Jes 13,6a „Klagt wehe! Denn nahe ist der Tag JHWHs"; Jes 13,22a „Nahe zu kommen ist ihre Zeit" und Jes 21,1b im Laufe der Textlektüre Jes 13-23 eingeholt. Nach Jes 21,4 ist die Einnahme Babylons durch die Meder und die Wüstentiere nun vollzogen. Daraus resultieren Handlungsanweisungen (21,5). Die Zeitspanne von Jes 21,1-4 und 21,9 „Gefallen, gefallen ist Babylon" beträgt in der gedachten erzählten Zeit den Zeitraum, den ein Bote von Babylon zum Standort des Propheten und des Spähers benötigt. Über eine tageszeitliche Distanz hinausgehend wird im weiteren Verlauf aus der Abenddämmerung (^EJj, 21,4) tiefste Nacht in der Wende zum Morgen (21,1 Ii).
1.3.3. Die anderen Beteiligten Wer ist der Prophet?
Das Ich wird nicht identifiziert. Mit der Annahme, in Jes 21 werde eine Person im Geist ins bestürmte Babylon versetzt, ist es nicht notwendig, daß dieser Prophet eine besonders enge positive Beziehung zu Babylon hat - sei es als Politiker der Aufständischen oder als König von Babel. Es kann sich um den historischen Jesaja handeln: Jes 21 folgt einem Text, der vom Tun des Propheten Jesaja berichtet (Jes 20).280 Das aber ist nicht zwingend. Watts hat aus den Beobachtungen, daß das Ich in V.6 kommunal-militärische Befehlsgewalt innehat, und aus seiner Bucheinteilung geschlossen, daß es sich bei der
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BERGES, Das Buch Jesaja, S. 142.
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Figur in Jes 21,1-10 um den in 22,15 erwähnten Schebna handelt.28' Das ist möglich, aber auch nicht zwingend. Ibn Esra meint, daß der Sprecher der König von Babel ist.282 Gosse schließt aus den begrifflichen Übereinstimmungen von Jes 21,1-10 und Jes 60-62 (insbesondere 61,1), daß das sprechende prophetische Ich in beiden Texten dasselbe ist.283 Stattdessen bleibt festzuhalten, daß die historische Identität des Ich dem Text wohl nicht wichtig ist. Es muß sich nicht um einen Berufspropheten handeln. Die Vision macht ihn zum Propheten. Der Vorgang der Offenbarung ist der Identifizierbarkeit des Propheten prioritär.284 Die Wehen des Propheten als Wirkung der Vision sind ein transgenderPhänomen, wie es einige Male im AT vorkommt. Hier stehen diese Wehen zusätzlich in Juxtaposition zur Aussage Gottes „Ihr (f.sg.) ganzes Stöhnen lasse ich aufhören". Watts geht davon aus, daß diejenige, die stöhnt, die Angegriffene sei. Wer ist diese Größe? Es gibt keinen Hinweis im Text.285 Auch wenn mit dem Kontext Jes 13 im Text einiges klarer wird, bleiben doch ausgerechnet die Identitäten der Figuren Prophet, Adonai und der Späher im Dunkeln, weil sie im Text selbst verdoppelt sind, sozusagen inkohärent. In der Tat scheinen (Ver)Doppelungen ein Grundmuster des Textes zu sein: es gibt zwei Feindvölker (Elam und Medien V.2) statt einem (Jes 13,17); statt einer ("Hitf - der Verwüstende 13,6) sind zwei zerstörende Kräfte am Werk, der Verwüstende und der Mißhandelnde ("133 V.2); das Fallen Babylons wird wiederholt (V.9)286 ebenso wie die Aufmerksamkeit des Spähers (V.7); es fällt die Stadt, und es fallen auch die Götterstatuen (V.9); im absoluten und damit sinnlosen Handeln überblenden sich die Handlungsfelder Essen und Krieg (V.5).287
281
WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 267 u. 272. Ibn Esra zu Jes 21,2ff. 28J GOSSE, Le ,Moi' Prophetique, S. 82f. 284 Es gibt zwei Andeutungen darauf, daß es sich bei dem Ich nicht um eine Frau handelt: der Ausdruck •"!"!• - „Hüften" als physischer Schmerzort deutet mir darauf, daß die Person keinen C m - „Gebärmutter" hat, und deshalb dieselbe Stelle mit einem geschlechtsneutralen Wort benennt. Der Ausdruck „wie Wehen einer Gebärenden" ist ebenso ungewöhnlich. Eine erwachsene Frau, auch eine nach dem Klimakterium hätte - weil die in der Regel Wehen kennt - nicht einer vergleichenden Ergänzung bedurft. Aber in Ermangelung von textlichem Vergleichsmaterial in bezug auf Frauentexte im AT muß das Spekulation bleiben. 285 WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 271. CLEMENTS, Isaiah 1-39, NCB, S, 178, interpretiert die Gebärschmerzen als Andeutung auf das Schicksal des (weiblichen) Babylons: „The note of terror is aroused by the frightful slaughter which he saw was about to take place, even though inwardly he perceived that Babylon would only be suffering herself the same fate that she had inflicted on others (v.2)." 286 Die Wiederholung des H^Q] in V.9 erklärt Raschi damit, daß Babylon wirklich zweimal fällt: einmal durch die Perser und ein zweitesmal durch Gott selbst, wie es in Jes 13,19 durch den Vergleich mit Sodoms Untergang angekündigt sei (Raschi zu 21,9). 287 Zusätzliche Irritationen stiften die Verkehrungen: der männliche Prophet wird zur Gebärenden, und den Befehlshabern wird befohlen (V.5). 282
290
B.IV.l. Der Untergang Babylons
-Jesaja
Wer ist Adonai? Zweimal kommt die Anrede - „Adonai" in Jes 21 vor (V.6a.8b). Sie wird nur von Gott gebraucht. In V.6a wird das Ich von „Adonai" angeredet, einen Späher aufzustellen. Die Identität Gottes als ist eine der wenigen, die zunächst verständlich scheint - doch dann folgt V.8. Hier erstattet der aufgestellte Späher Adonai Bericht (V.8f) und nicht dem Propheten-Ich! Bleibt 'HK Gott? Wer ist der Späher? Wenn nun in V.6 und 8 Adonai Gott ist, wer ist dann der Späher, daß er Gott Bericht erstattet? In V.6 kann der Späher nicht identisch sein mit dem Propheten, weil dieser jenen einsetzt. In V.8 müßte der Späher, der als Löwe bezeichnet wird, der Prophet sein, weil er Gott antwortet und nicht den Stadteinwohnern, in Hab 2,1 pDttf, HSiS) Jes 62,6 pGttf); Ez 3,17 (HSiS) sind Propheten als Späher und Wächter vorgestellt.288 Daß auch Hab 2 nach den vielen Bezügen zwischen Jes 14 und Hab 2,5ff erneut so viele Übereinstimmungen aufweist, zeigt, daß Verdichtung und Amplifikation ein prophetisch literarisches wie exegetisch midraschisches Prinzip ist. Die weitere Frage ist, ob der, der auf der Spähwarte (PIBÜD) steht, und der Wächter p Q Ö ) in 21,1 lf identisch sind. Die Tatsache, daß die Fragenden „aus Seir" rufen (21,11), deutet auf Übersinnliches in der Situation. Auch ist die kommunikative Situation in 21,1 lf ähnlich der in 21,6-8: ein Ich berichtet die Aufforderung (V.6) oder die Frage (V.l 1) von dritter Seite. Sowohl in V.8 als auch in V.l2 wird das Ich durch den Wächter ersetzt, in V.8, indem der Wächter selbst Adonai direkt Bericht erstattet und eben nicht dem Ich; in V.l2, indem die Rede vom Ich (des Wächters) in die dritte Person wechselt.289 Auch ist nicht klar, wer V.10 spricht. Es ist, als habe nicht nur die geschlechtliche Identität des Propheten gewechselt.290 Wer oder was ist Duma - Jesaja 21,11—12 In 21,1-10 und 21,11-12 liegt dasselbe Phänomen wie in 13,1-14,23.24-27 vor: auf einen langen Babylon-Text folgt ein sehr kurzer Text, der nicht be288 Der Ausdruck rn~lti - „Löwe" aus 21,8 hat denselben Zahlenwert wie der Name p"~2n - „Habakuk" (Raschi zu 21,8). Diesen Befund schätzt GOSSE, Le ,Moi' Prophetique, S. 7 6 78, zusammen mit anderen textlichen Übereinstimmungen zwischen Jes 21,1-10 u. Hab 2,1 ff so hoch ein, daß er schließt, Hab 2,1 ff habe entscheidend zur Endgestalt von Jes 21 beigetragen. 289 S. auch WATTS, Isaiah 1-33, WBC, S. 275. 290 DUHM, Jesaja, HAT, S. 152f geht davon aus, daß sowohl der Wächter als auch der Visionär der Prophet sind, der in einer Katalepse seinen Körper verlassen hat und nun beide Figuren in einer Person ist.
B.IV.1.3. Die Worte eines Zeugen: Jesaja 21,1-10.11—12
291
sonders deutlich abgegrenzt ist. Man kann ihn ebenso gut zum jeweiligen Komplex dazustellen wie ihn abtrennen. Zwar ist mit dem Begriff „Lastwort" ein textgliederndes Signal gegeben, aber in 21,1 lf wird das Thema des Wächters weitergeführt. M.E. liegt in 21,11-12 genau das vor, was der Text markiert: es handelt sich um ein neues Lastwort (V.lla) unter Fortfuhrung des Themas (Wächter V.l lb und der Dialog). Duma könnte den Stamm Duma, Nachkommen von Ismael bezeichnen (Gen 25,14; IChr 1,30), ein anderes „Duma" oder ein mythischer Name für Edom sein,2" die LXX jedenfalls übersetzt das hebräische HÖH mit iSoDH-Cxiaq - „Edom", was durch die Nennung Seirs in V.l laß nahegelegt wird. M.E. handelt es sich hier aber wie bei den anderen Orten nach Kap. 20, denen ein Lastwort gewidmet ist (Wüstenmeer 21,1; Wüste 21,13; Schautal 22,1), um einen sprechenden Namen, der den adressierten Ort charakterisiert. Auslegungen zum Text interpretieren die Diskussion, ob der Morgen schon gekommen ist, häufig metaphorisch als Diskussion um die Berechtigung der Hoffnung oder um die weltpolitischen Machtverhältnisse, wie 21,1-10 stehen Datierungen in die Zeit assyrischer und babylonischer Hegemonie im Vordergrund.292 Und doch muß diese metaphorische Bedeutung nicht im Vordergrund stehen, es kann sich wirklich um die wegen der Wiederholung wohl drängende Frage nach der Uhrzeit handeln, die zusammen mit der Antwort der Gleichzeitigkeit von zwei Zeiten über sich hinaus weist: Die Antwort des Wächters „Es kommt Morgen, aber auch Nacht" (21,12) umreißt präzise den Tag JHWHs, wie er in Jes 13,10 angekündigt ist: der Tag ist gekommen, aber es ist dunkel, obwohl es keine Sterne mehr gibt, geht die Sonne nicht auf. Es gibt wohl Anzeichen für Morgen und Abend. Erneut liegt eine Verdoppelung einander ausschließender Phänomene vor. Dies findet seine Fortsetzung im Nebeneinander von Kommen und Gehen in V.l2b, der Tautologie der Fragen (12b) und dem Widerspruch, daß das Lastwort für den Ort, der „Schweigen" genannt wird, ausschließlich Dialog enthält. Darüber hinaus scheint der Dialog mit dem Ausdruck „rufen aus Seir" nachgerade virtuell, zumindest ist es ein buchstäbliches Ferngespräch.293 Das heißt, was in Jes 13 Babylon angedroht und in Jes 21,1-10 erneut aus anderer Perspektive beschrieben ist, hat nun auch Seir/Duma erreicht, das Hereinbrechen des Chaos steht unmittelbar
291
2.2
z.B. ERLANDSSON, Bürden, S. 92.
S. dazu die Zusammenstellungen bei MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 75-91, s. auch CLEMENTS, Isaiah 1-39; NCB, S. 180. Phänomene, die zur Datierung einer Interpretation bedürfen, sind hier zum einen das Fehlen einer negativen Attribuierung Edoms und zum anderen die Frage nach dem Zusammenhang mit dem vorhergehenden Text 21,1-10 (MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 79). 2.3 Daß der Prophet unabhängig, ob die Frage das Ende der Nacht oder das Ende der schlechten Zeiten intendiert, überhaupt eine Antwort gibt, verweist darauf, daß geistige Entrückung(sfahigkeit) im Spiel ist.
292
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
bevor, die Ewigkeit der Zeitlosigkeit hat schon begonnen. Noch kann der Wächter die Zeichen nicht deuten. Wenn auch in 21,11 der Name als Prolepse fungiert,294 ist das ein weiterer Hinweis auf die kommende Vernichtung alles Lebenden. Folge-richtig ist das nächste Lastwort für die Wüste. Die nächsten Texte gehen also zum einen der (drohenden) Vernichtung nach und zum anderen den Fliehenden - bis alles in Jerusalem ankommt und in der historischen Zeit des Aufstands gegen Assur (wieder) konkretisiert wird. Die Reihenfolge der „Tätervölker" im Zuge von Jerusalems Eroberung 587 Babylon und Edom entspricht nun der Reihenfolge der heimgesuchten Völker in den Zeiten der Rache.
1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47 Handelte Jes 13 vom Untergang der Stadt und Jes 21 von der prophetischen Schau dieser Katastrophe, nahm Jes 14 die Demütigung des Königs (von) Babylon vor. Dem stellt Jes 47 nun die Demütigung der Königin Babylon an die Seite. Für den Jesaja-Abschnitt Deutero-Jesaja werden in der Regel exilische Abfassungszeit und exilischer Abfassungsort angenommen.295 Westermann z.B. grenzt den Zeitraum der Abfassung auf 553 ein, den Beginn des Siegeszuges von Kyros II., bis 539, die Eroberung Babylons.296 Baltzer hat diese Sicherheit erschüttert, weil er für eine Abfassung unter persischer Herrschaft plädiert, und zwar zwischen 450 und 400 v.Chr., mit den Argumenten, daß die Themen der Restitution der davidischen Dynastie und des Wiederaufbaus des Tempels fehlen. Stattdessen weise Deutero-Jesaja frappante Beziehungen zum Buch Nehemia auf, was die politischen Maßnahmen (Nehemias) und Anspielungen auf konkrete politische Situationen betreffe und trotz einiger anderer theologischer Unterschiede („Ehemetaphorik" Deutero-Jesaja vs. Mischeheverbot Neh) eine ähnliche Gottesknechttheologie bei beiden zu finden sei. Dazu komme der politische Status Ägyptens als persischem Herrschaftsgebiet (Jes 45,14—17; 43,3) und das Kyrosbild als Idealisierung aus dem Rückblick.297 Dieser Argumentation folge ich (s. auch u. zu Jes 47). Auch der Abfassungsort Babylonien wird in Zweifel gezogen, Barstad hat in seiner 1989 erschienenen Dissertation und weiteren Veröffentlichungen den relativen Konsens der Forschung wieder infrage gestellt, daß Deutero-Jesaja im Exil entstanden
294
So MACINTOSH, Isaiah xxi, S. 137. Zur Forschung über Deutero-Jesaja s. den ausfuhrlichen Forschungsbericht von HERMISSON, Neue Literatur. 296 WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 7. 297 BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 57-59. 295
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
293
sei;298 Baltzer argumentiert ebenfalls für Jerusalem als Entstehungsort, weil insgesamt und besonders in 49,16 von der Wiederherstellung Jerusalems und seiner/ihrer Mauern die Rede ist und weil in 49,12 die relative Angabe der Himmelrichtungen eher auf Jerusalem als Baylon weist.2" Meinem Eindruck des Textes Deutero-Jesaja nach ist gleichwohl der physische Abfassungsort (und die Zeit) dem ,psychischen' Abfassungsort nachrangig: Text und Verfasser(gruppe) befinden sich im Exil, wo immer und wann immer das ist. Thema des Textes Deutero-Jesaja ist der Glaube an die Identität JHWHs als JHWH, an die eigene Identität als Israel und daraus folgend an die Möglichkeit einer Rückkehr aus dem Exil. Dafür weist Deutero-Jesaja nach, daß Götter anderer Völker und Götterbilder insgesamt nur Gegenstände sind. Quantitativ und qualitativ so stark wie in keinem anderen biblischen Text wird in Deutero-Jesaja deshalb die Theologie an Kollektive repräsentierenden Figuren erarbeitet: Zion/Jerusalem, Jakob, der Gottesknecht, Babylon.300 Zusammengenommen mit der Götzenbilderpolemik folgt daraus die Behauptung: die größten Mächte haben keine konkrete Gestalt, aber konkrete, historische Wirkungen, JHWH ist der Herr der Geschichte: 'JK TTÖD - „ich habe es getan" (46,4b).30' Deshalb tritt in Deutero-Jesaja auch die Prophetengestalt zurück. Stattdessen hat nun ganz Israel eine prophetische Aufgabe, personifiziert in der Gestalt des Gottesknechts und seiner Lieder, die als prophetische Idealbiographie Aufgaben und Schicksal des Kollektivs zusammenfaßt.302 Auch Zion/Jerusalem soll von Gott künden (z.B. 40,9ff) - eine zerstörte und wiederzuerrichtende, also unsichtbare Stadt als Prophetin ihres unsichtbaren Gottes! Die Personifikationen sind für Rezipierende, die das Buch Jesaja durchgehend lesen, durch Jes 1-39 gut vorbereitet.303 Bereits im Rahmen des Gesamtbuches ruft Gott Himmel und Erde als Zeugen an, um sich über die Kinder, die er aufzog, zu beklagen (Jes l,2ff). Auch Motive der Stadt-Frau-Personifikationen ziehen Fäden durch den Gesamttext: während Jerusalem in Jes 3,26b leer und einsam auf der Erde sitzt und in Jes 29,4 aus dem Staub der Erde wispert, wird ihr in 46,13, direkt vor dem Beginn dieses Babylon-Textes, Heil 298
BARST AD, Way; ders., Akkadian ,Loanwords'. BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 50f. Allerdings muß der Text nicht einheitlich an einem einzigen Ort entstanden sein. Auch eine großartige Theologie wie die Deutero-Jesajas muß nicht (kann nicht?) aus einem Guß sein. 300 Die Bedeutung Kyros' II. wird hier wie im folgenden nicht berücksichtigt. Wichtig ist: diese „historische" „reale" Gestalt erhält eine theologische Deutung, die vitale (letale) historische Auswirkungen hat, haben wird und gehabt haben wird. 301 WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. Iii. Diesem Aspekt widmet sich WILLEY, Remember, in ihrer Studie. 302 BALTZER, Biographie, S. 196. Diese Lektüre hat er in seinem Kommentar, Deutero-Jesaja, KAT, S. 44, ebenfalls ausgeführt. 303 DARR, Isaiah's Vision, S. 164. 299
294
B.IV.l. Der Untergang Babylons - Jesaja
versprochen - und Babylon in den Staub befohlen (47,1 ff).304 Der „Meister der Personifikation"305 stellt also Babylon und Jerusalem als zwei Frauengestalten dar, die im Laufe des Textes ihre gesellschaftliche Position untereinander vertauschen.306 Zugleich werden die beiden Städte durch ihre Personifikation als Frauen und durch zahlreiche literarische Motive parallelisiert, ein expliziter Vergleich oder eine literarisch inszenierte Begegnung der beiden Frauenfiguren erfolgt jedoch nicht. Wie alle Personifikationen des DeuteroJesaja-Abschnitts bleiben auch Babylon und Jerusalem textimmanent auffallig beziehungslos.307
1.4.1. Jesaja 47 im Kontext Deutero-Jesajas Jes 47 ist der einzige Text gegen ein Fremdvolk im Deutero-Jesajatext.308 Er thematisiert die Identität Babylons - im Zusammenhang von lauter Texten, die von der Identität des wahren Gottes und der Identität von Götter(bilder)n als Holzstücken handeln. Dabei unternimmt Jes 47 die Einordnung Babylons in soziale und ökonomische Kategorien, wie z.B. in verschiedene Frauenrollen, im Kontext von religiösen Argumentationen: in Jes 46, also dem direkt vorausgehenden Kapitel, war von den (männlichen) babylonischen Göttern die Rede, die als ohnmächtig und lächerlich desavouiert wurden. Im nachfolgenden Text Jes 48 erfahrt Babylon seine/ihre letzte Erwähnung. Im Auszugsaufruf (48,20) ist Babel nurmehr eine Stadt.309 Der erste lange und zusammenhängende Text über eine Stadt-Frau in Deutero-Jesaja ist also der über Babylon (Jes 47), nicht Jerusalem. In der Situation der beiden Städte wird die Situation der beiden Völker offenbar. Während die Aussagen über Zion über den gesamten Text verstreut sind, bildet „Babylon" einen nahezu monolithischen Block in der Mitte des Textes: die Graphie des Textes enthält die Topographie der Signifikate. 304
DARR, Isaiah's Vision, S. 175. DUHM, Jesaja, HAT, S. 354. 306 Zum Verhältnis der weiblichen Babylon (Jes 47) und Jersualem/Zion (Jes 49; 51f; 54) s. BIDDLE, Lady Zion's Alter Ego; HERMISSON, „Die Frau Zion"; SCHMIDTGEN, Stadt als Frau. 307 S. auch BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 38. Für den Gottesknecht und Zion wird insbesondere für Jes 50 u. 54 dafür ein Ineinanderübergehen diskutiert, s. dazu z.B. KORPEL, The Female Servant, und die dort genannte Literatur. 308 WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 152. 309 So geht m.E. FRANKE in der Betonung der Gemeinsamkeiten zu weit, weil das die Unterschiede, d.h. die Variationen des Themas nivelliert. Die unterschiedliche Metaphorisierung Babylons in 46, l f (Götter); 47; (Königin); 48,20 (Ort) sind ein Beispiel. Die von FRANKE, Isaiah 46, 47, and 48, S. 263 u. Satiric Lament, S. 415, selbst angeführten „processions" in allen drei Kapiteln ein weiteres Beispiel: davon abgesehen, daß m.E. in 47,1.5 Babylon weder in die Unterwelt noch in 47,2 ins Exil geht, handelt es sich bei 4 6 , l f um das mühevolle Schleppen der Götter und in 48,20 um Flucht, den Exodus Israels aus Babylonien. 305
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
295
Doch noch in anderer Hinsicht bildet Jes 47 die inhaltliche und formale Achse der Prophetie vom Ende des Exils. Es stellt den Wendepunkt von Texten dar, die von der Unterdrückung Israels sprechen (40—46), zu denen, die von der Erwählung und Restitution Jerusalems/Zions handeln (48-55)."° Mit Beginn von Jes 47 setzen die „reversals of fortunes"3" ein, Babylon strukturiert den Text Deutero-Jesaja.3'2 Und doch ist Jes 47 nur halb in das Textumfeld integriert: während Jes 46 mit dem Wegtragen der babylonischen Götter(figuren) auf Babylons Demütigung vorgreift und Jes 46,12f den Text Jes 47 in Gottes Unternehmen zur Rettung Israels einbettet, erfolgt mit 48,1 ein abrupter Wechsel vom Thema „Babylons Untergang" zur Beziehung und Beziehungsgeschichte zwischen dem Haus Jakobs und Gott. Erst im Laufe des Kapitels 48 wird Babylon noch zweimal erwähnt (V.14.20), allerdings ohne daß besonders deutlich der Text Jes 47 aufgegriffen wird. Ebenso erfolgt zwar im Laufe von Deutero-Jesaja ein schrittweiser Ausgleich der Schicksalsschläge Babylons und Jerusalems, und doch enthält der Wortschatz von Jes 47 viele Lexeme, die nur hier vorkommen. Daß es sich um genau 40 Worte handelt,"3 muß kein Zufall sein: die Anzahl der Jahre der Wüstenzeit eingeschrieben in einen Text, der das Land des Exils charakterisiert. Die Ganzheit der Fremd-Wörter zeigt zudem an, daß die Jahre des Exils jetzt erfüllt sind. Mit der Überwindung des Wendepunktes Jes 47 kann und muß die Rückkehr nach Israel beginnen.
1.4.2. Jesaja 46 als Exposition zu Jesaja 47 In ihrer Studie zu Jes 46, 47 und 48 hat Franke erarbeitet, daß Jes 46 und 48 in einigen Aspekten einander entsprechen und damit Jes 47 umschließen.314 Ähnlich hat schon Westermann betont, daß Jes 46-48 das deutero-jesajanische Thema von der Heilsbotschaft variiert:
310 3
FRANKE, Satiric Lament.
" FRANKE, Reversals o f Fortunes.
312 Nach O'CONNELL, Concentricity and Continuity, S. 152-162, handelt es sich bei Jes 47,8-15 um die Achse in der chiastischen Struktur von Jes 40-55, also um den zentralen Text. Dem schließt sich FRANKE, Reversals of Fortune, S. 119, an. In dies., Isaiah 46, 47, and 48, S. 145f, s. den Forschungsüberblick über die (meistens nicht berücksichtigte) Rolle von Jes 47 im Aufbau von Deutero-Jesaja. 313 FRANKE, Satiric Lament, S. 411. 314 FRANKE, Isaiah 46, 47, and 48. Dabei ist ihre Fragestellung nicht der Zusammenhang der drei Kapitel, sondern „to test the theory that each of the chapters is a unified literary work, to discover more about the poetic techniques and devices used by DI [Deutero-Isaiah, U.S.], and to see how the poetry of DI is related to other Biblical Hebrew poetry" (262). Eine inhaltliche und eine auf die Gesamtsstruktur Deutero-Jesajas bezogene Auswertung unternimmt sie in Fortfuhrung ihrer ersten Ergebnisse in den Aufsätzen Satiric Lament und Reversals of Fortunes.
296
B.IV.l. Der Untergang Babylons — Jesaja
„In den drei Gedichten 46,1-13; 48,1-11 und 12-17, die sich um die Siegesbotschaft vom Sturz der Götter Babylons (46,1-2) und den Völkerspruch Uber Babel (47) gruppieren, wird das in den Gerichtsreden und dem Kyrosorakel zu den Völkern Gesagte zu einem an Israel gerichteten Wort: Dies alles ist für euch geschehen!"315
Der Anfang von Kap. 46 (V.lff) und das Ende von Kap. 48 (V.20ff) haben Babylon zum Thema, in ihrer Mitte bildet Kap. 47 ihr Verbindungsstück und Zentrum. So sind Jes 46 als Prolog und Jes 48 als Epilog zu Jes 47 lesbar, was hier nur für Jes 46 in einigen Stichworten ausgeführt werden soll: Zunächst wird ein scharfer Gegensatz aufgebaut zwischen den babylonischen Göttern, die nicht transportierbar sind (46,1-2), und Israel, das sich von Gott vom Mutterleibe an getragen weiß (46,3).316 Zum letzten Mal im Jesajabuch ist in 46,11 die Rede vom Plan Gottes, einer Aussage, die Proto-Jesaja durchzogen hatte. Dies veranlaßt Conrad dazu, eine durchgehende Linie von Jes 13 bis 47 zu sehen: nun findet seinen Abschluß, was mit der Prophezeiung von Babylons Untergang (Jes 13) begann. Was zu Zeiten des historischen Jesaja noch Zukunft war, ist mittlerweile für die implizite Rezipierendengruppe Gegenwart geworden - und wird doch bald Vergangenheit sein.317 Zwei Signale stellen den Komplex, der in 46,1 beginnt, in den Zusammenhang der Babylontexte Jesajas. Zum einen beginnt der Text mit dem Sturz der babylonischen Götter (46, lf), ein Ereignis, mit dem Jes 21,9 geendet hatte. Die Götzenpolemik in 46 bildet dabei nicht nur eine Fortsetzung zu Jes 21,9, sondern auch zum Refrain im ersten Teil Deutero-Jesajas, in dem immer wieder die Machtlosigkeit anderer Götter hervorgehoben wird, weil es eben keine Götter, sondern Gegenstände sind. In Jes 46,1 ff wird der Spott gesteigert, indem er an den beiden Göttern Bei und Nebo konkretisiert wird. Das zweite Signal ist das Substantiv KÜE - „Last", in Jes 46,lf zweimal genannt: es bezeichnet das Gewicht der Götzenstatuen und ist doch nach Jes 13,1 und 21,1 die dritte „Last" für Babylon, und: Babylons Götter sind eine erdrükkende Bürde. So enthält Jes 46 einige Anknüpfungspunkte an die bisherigen BabylonTexte (13; 14; 21), wenige deutliche an das nachfolgende Kap. 47. 46,1-2 nimmt in dem Status- und Machtverlust der Götter(bilder) eine Jes 47 parallele Bewegung zur Versklavung der Königin vor. Lebendigkeit und lebenslange Begleitung Gottes werden als Gegensatz in 46,3-4 ausgedrückt und in 47 vollzogen. Die Verse 46,8-10 bereiten darauf vor, daß das Hauptthema in 47,8-10 die mimetische Konkurrenz zwischen Gott und Babylon sein wird und zwar nicht als Konkurrenz zwischen Göttern (das wurde in 46,1-2 bereits abgetan), sondern als Konkurrenz zwischen Gott und (einer anderen) Macht. Jes 46 bindet also wichtige Themen Deutero-Jesajas zusammen: das Exil, die 315
WESTERMANN, J e s a j a 4 0 - 6 6 , A T D , S. 15.
316
DARR, Isaiah's Vision, S. 170. CONRAD, Reading Isaiah, S. 52-82.
317
B. IV. 1.4. Die A bsetzung der Königin: Jesaja 4 7
297
Götter(bilder)polemik, die Unvergleichlichkeit Gottes und das appelative Ringen um Israel und seine Identität als Gottes Volk. Alles dies wird an das Thema Babylon geknüpft, das im folgenden in einem langen Lied behandelt wird.
1.4.3. Jesaja 47 - Deklassierung und Demütigung Jesaja 47 1 Steige hinab! Setze dich auf den Staub, Jungfrau Tochter Babel.318 Setze dich zur Erde, wo kein Thron ist, Tochter Chaldäa. Denn nicht bist du fortan, die sie nennen „Zarte und Weiche". 2 Nimm Mühlsteine und mahle Mehl! Entblöße deinen Schleier, 319 decke Kleid auf, entblöße Schenkel, durchziehe Flüsse.
320
3 Deine Scham werde entblößt, auch wird deine Verhöhnung sichtbar. Ich nehme Rache und treffe keinen Menschen. 4 „Unser Löser, JHWH der Heerscharen ist sein Name, der Heilige Israels." 5 Setze dich stumm hin und geh in der Dunkelheit, Tochter Chaldäa; denn nicht bist du fortan, die sie nennen „Herrscherin über Königreiche". 6 Ich zürnte über mein Volk, ich entheiligte mein Erbe, und ich gab sie in deine Hand, du hast ihnen kein Erbarmen erwiesen; auf dem Greis machtest du dein Joch sehr schwer. 7 Und du sagtest: „Für Ewigkeit werde ich eine Herrscherin sein"; solange du diese [Dinge] nicht in deinen Gedanken erwogen hast, dich nicht an ihre (f.sg.) künftigen [Dinge] erinnert hast.
318
WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 151: „Du Babelmädchen"; er übernimmt hier die
Ü b e r s e t z u n g KÖHLERS. 319
Hapax legomenon. Ges17 schlägt als Übersetzung „Schleppe" vor. Zustimmend, daß die Ableitung von - „herunterhängen" sich auf ein Kleidungsstück beziehen kann, halte ich die Übersetzung „Schleppe" für problematisch, weil diese Übersetzung die Frau als unpassend gekleidet für Handarbeit, also als verwöhnte Kokotte, auf demütigende Weise lächerlich macht; sie verstärkt die Deutung des Textes, die doch erst erstellt werden muß. Deshalb ist ^ntö hier mit dem neutraleren „Kleid" übersetzt. Zu BAUMANNS Verständnis s.u. Anm. 348. 320 MARTIN-ACHARD, Esaïe 47, S. 85: „Que ta nudité soit dévoilée, qu'apparaisse aussi ton sexe!" 321 Zur textkritischen Diskussion s. HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 150. 322 KORPEL, DE MOOR, Structure, S. 334 Anm. 6, haben daraufhingewiesen, daß alle antiken Textfassungen I C nicht zu V.7a, sondern zu V.7b rechnen. K1? IS komme auch in Prov 8,26 vor. Ges17 s.v. K1? II): „solange nicht".
298
B.IV.l. Der Untergang
Babylons-Jesaja
323 8 Nun höre dieses, Wonnige, sicher Sitzende, in ihren Gedanken Redende: „Ich und nichts mehr. Nicht als Witwe werde ich sitzen, und nicht werde ich Kinderlosigkeit erfahren." 9 Aber diese zwei Dinge kommen zu dir, plötzlich an einem einzigen Tag: Kinderlosigkeit und Witwenschaft, in vollstem Maße kommen sie über dich trotz der Menge deiner Zaubereien und der großen Stärke deiner Bannsprüche. 10 Und du warst sicher in deiner Bosheit und sprachst: „Niemand sieht mich." Deine Weisheit und dein Wissen, es hat dich abgelenkt , und du redetest in deinen Gedanken: „Ich und nichts mehr." 11 Und es kommt auf dich das Böse, und du weißt es nicht zu suchen, und es wird auf dich fallen Unglück, und du kannst es nicht entsühnen. Und plötzlich kommt auf dich eine Katastrophe, und du erkennst sie nicht. 12 Stehe doch mit deinen Bannsprüchen und der Menge deiner Zaubereien, mit denen du dich abgemüht hast von deiner Jugend an, vielleicht kannst du helfen, vielleicht kannst du schrecken. 13 Du bist müde von der Menge deiner Pläne, und es sollen doch hertreten, und dich befreien die Himmelsteiler und die Sternenpropheten und die Neumondskünder, von dem, was über dich kommt. 14 Siehe, sie sind wie ein Strohhalm, ein Feuer verbrennt sie, nicht retten sie ihre Leben aus der Hand der Flamme; - es ist keine glühende Kohle zum Wärmen , keine Feuerstelle, vor dem man sitzt! 15 So sind sie für dich, mit denen du dich abgemüht hast, mit denen du gehandelt hast von Jugend an. Ein Mann taumelt zu seinem Gegenüber, niemand rettet dich.
323
BUBER: „Wollüstige". Der einzige andere Beleg dieses Wortes, 2Sam 23,8, ist textkritisch umstritten, s. Ges17, s.v. ]'~!i>*. 324 Ges-K §901 versteht das Chireq von 'OSK als Chireq compaginis, einen dem Klang dienenden bedeutungslosen Bindevokal. Dies bezweifeln KORPEL, DE MOOR, Structure, S. 334 Anm. 9, mit JOÜON, MURAOKA §160n und übersetzen: „I am, and no other than me exists". 325 S. zum adversativen Gebrauch JENNI, Präpositionen, S. 356. 326 DUHM, Jesaja, HAT, S. 357: „die hat dich verfuhrt". 327 Die grammatikalische Schwierigkeit ist hier der Anschluß dessen, was kommt, an den Satz: bezieht es sich auf die Visionen der Neumondskünder oder als Objekt auf das Befreien? Zur komplizierten grammatikalischen Satzstruktur kommt die Ungewöhnlichkeit der Wörter. S. zum Überblick über die vielen, allesamt nicht schlagend stichhaltigen bisherigen Lösungsversuche HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 154. BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 353, ändert mit LXX, S und T in "IttfK - „was kommt". 328 HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 154 u. 189f, erwägt, daß im Text eine bewußte Doppeldeutigkeit gelassen ist, ob die Kohle zum Wärmen (p + Inf. Eon) oder mit Blick auf Jes 44,15.19 zum Brotbacken (cnb mit Suff, pl.) dient.
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
299
Und die Chaldäer: wird ihr Jubel (Jes 43,14). 32 '
Wie viele Texte des Deutero-Jesaja-Abschnitts hat Jes 47 keine Überschrift und auch keine prophetische Vermittlungsinstanz. Die textimmanenten Hinweise zur Abfassungszeit sind spärlich und schwer zu deuten. Bemerkenswert ist aber, daß in Jes 47 nicht die völlige Zerstörung Babylons verkündigt ist, obwohl es doch Texte wie Jes 13; 21 und Jer 50-51 gibt, von denen der eine oder andere vielleicht älter als Jes 47 ist. Auch wird, um in der Bildwelt von Jes 47 zu bleiben, nicht nur der Tod Babylons nicht vorhergesagt, sondern auch körperliche Gewalt allenfalls angedeutet (47,3, dazu s.u.). Da stimmt es schon nachdenklich, daß in der Tat Babylon unter persischer Herrschaft schrittweise in die Bedeutungslosigkeit sank - ein Prozeß, den auch die gegenläufigen Bemühungen Alexanders des Großen nicht aufhalten konnten. Ein solcher Verlust an Macht und Ansehen, ein Sinken von der Herrscherin über Königreiche zur körperlich geschundenen Unfreien wird in diesem Text vorgeführt. Was diese Übereinstimmung von Prophezeiung und historischer Entwicklung zur Datierung des Textes beiträgt, ist damit gleichwohl (noch) nicht geklärt."0 Während Jes 47 oft als Text gelesen wird, in dem eine hochmütige, selbstbezogene Babylon-Prinzessin für ihren Stolz gestraft wird, werde ich dagegen im folgenden nachweisen, daß Jes 47 den rhetorischen Kampf um die Identität Babylons ausficht. Die verhandelten Bereiche sind Politik und Aussenwahrnehmung, also ihr Ruf/Ruhm, ihre Eigensicht, ihre soziale Rolle und Intimität. Dafür werde ich zunächst nach kurzen Bemerkungen zu Inhalt und Aufbau Einzelheiten des Textes innerhalb der Argumentationen durchgehen, dann das Thema Status als Kampf um die Definitionsmacht behandeln, schließlich das Dreiecksverhältnis Gott, Babylon und Israel, die zeitliche Abfolge des Niedergangs, die „Realität" Babylons und die literarische Identität Babylons als Stadt/Reich und Frau betrachten.
1.4.3.1. Der Text im A u f b a u Jes 47 ist ein mehrfach unterbrochener, an Babylon gerichteter Monolog Gottes, in dem Babylon durchgängig weiblich vorgestellt wird. Dabei enthält der Text keine wirklich abgrenzbaren Strophen. Überlappungen und Wiederholungen bewirken regelrechte Textschleifen, die die Entwicklung der Ar329 Übersetzung von BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 215; zu den textkritischen Problemen s. ebd. 330 Die Begriffe, die sich auch gehäuft in israelitischer Weisheitsliteratur finden, können zusätzlich Aufschluß über eine mögliche Datierung des Textes oder einiger Passagen geben.
300
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
gumentation immer wieder retardieren, so daß der gedankliche Fortlauf spiralförmig verläuft, was in den Versen 1 und 5,"' 8 und 10,332 9 und 12a,333 12b und 15a334 gehäuft auftritt.335 Während im Anfangsteil Imperative dominieren, die die buchstäbliche Erniedrigung Babylons vom Thron in den Staub und von der Prinzessin zur Sklavin vollziehen sollen (V.l-5), geht die Rede in Argumentation über (V.6), aus der dann, rhetorisch stark lenkend, entwickelt wird, was alles passieren kann, was Babylon nicht bedacht hat und wovor sie sich nicht schützen kann (V.7-15). In den drei hier mit allen Schwierigkeiten der Retardierungen gezogenen Grenzen der Abschnitte wird das Verhältnis zwischen Gott und Babylon variiert. Während im ersten Teil (V.l-5) Bilder aus der sogenannten „Ehemetaphorik" Jerusalems/Zions auf Babylon übertragen werden, diskutiert der kurze zweite Teil (V.6) den Werkzeugcharakter Babylons, das/die nach dem Willen Gottes Israel knechten sollte. Im dritten Teil (V.7-15) steht die Konkurrenz zwischen Gott und Babylon im Vordergrund.
1.4.3.2. Soziale Deklassierung und geschlechtliche Demütigung Der Text beginnt mit Imperativen, die bei der ersten Nennung der Adressatin Babylon als siebtem Wort zum Skandalon werden: Befehle an das/die vermeintlich allmächtige Babylon! In schockierender Dichte wird gleich zu Beginn des Textes vorgeführt, daß Babylon trotz allem eine Stadt/Frau wie jede andere ist, zum Beispiel wie Jerusalem. Und wie jede andere Stadt/Frau ist auch sie zerstörbar/schändbar. Das Gedankenspiel für den ersten Teil (V.l-5) ist also, die Zerstörung Babylons in gleichen oder ähnlichen metaphorischen Kategorien wie die Zerstörung Jerusalems zu beschreiben.336 Wie die „Tochter
332 353
334 335
'3tÜ, c n t o - m , Yritcip- , s , oin -d. rrn, 3tÜ\ nm^n n-mn/ - ^ 3 nasm. ysEb
nur -iß«,
Yi3n.
Ähnlich HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 168. Außerdem antwortet V.9a direkt auf den vorhergehenden V.8c sowie V.l 1 auf V.10 mit dem Stichwort Hin. FRANKE, Isaiah 46, 47, and 48, S. 148f, greift WATSONS Beobachtung auf, daß in vielen aufeinanderfolgenden Sätzen und Verse Worte wiederholt werden (s. auch FRANZMANN, City, S. 6). Ebd., S. 150f auch ein Überblick über die Stropheneinteilung in der Forschungsdiskussion. Hier wie auch in FRANKES eigener Einteilung (S. 153-162) wird deutlich, wie jeweils unterschiedliche Schlußfolgerungen aus denselben Beobachtungen gezogen werden. Mit Hilfe formaler Analyse und den antiken Textzeugen argumentieren KORPEL, DE MOOR, Structure, S. 333-361, für ihre Stropheneinteilung. Die oben vorgeschlagene Strukturierung orientiert sich an inhaltlichen und argumentativen Beobachtungen. 336 Das Wort HTM - „Scham, Blöße" erscheint z.B. in Ez 16,8.36; 23,18; Hos 2,11, die Scham soll aufgedeckt werden. Sie soll entblößt werden (H^J, Ez 16,36f; Jer 13,22).
B.IV.1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
301
Dibon" (Jer 48,18) und „die hohe Stadt" (Jes 26,5, s. auch 25,12) und die Ältesten Jerusalems (Klgl 2,10) muß Babylon sich in den Staub setzen (V.la). Der dreimalige Befehl an Babylon, sich zu setzen, steht im Kontrast zum Gehenmüssen der babylonischen Götzen (46,2) und den Israeliten, Israelitinnen, die ins Exil gehen mußten, und dem Exoduszug heraus aus Babel (48,20). In der Last Moabs, in der nachts die Verwüstung (T72) Jes 15,1 vgl. Jes 13,6; 21,2) kommt, weinen Moab und Dibon, trauernd mit dem Sack und abgeschnittenen Haaren, sie steigen hinab im Weinen ("OID TV Jes 15,3; Jes 47,1). Die Aufforderung, sich in den Staub und auf die Erde herab zu setzen, wird in der Forschung zum einen oft als Anspielung auf Trauerriten"7 zum anderen auf einen Gang in die Unterwelt verstanden, der Ausdruck "IT kann auch „in die Unterwelt gehen" bedeuten, das Wortpaar Erde - Staub wird oft mit Tod assoziiert.338 Gegen diese Deutung spricht m.E. die Dominanz, die hier Termini von Frauenrollen und gesellschaftlichen Positionen einnehmen es geht um Demütigung zu Lebzeiten. Zusätzlich ist zu bemerken, daß in biblischen Texten "IT als Sterbemetaphorik nur in Ps 22,30 vorkommt, sonst aber H^KÖ "IT gebraucht wird (Gen 37,35; Num 16,30.33; Ez 31,1517; 32,27; Ps 55,16; Hi 7,9),339 übrigens auch für den König von Babel (hof. Jes 14,11) und Pharao (hof. Ez 31,18). als Totenaufenthalt findet sich ,überwiegend mit anderen Verben.340 Überdies steht im Text H ~iDi? - „Steig hinab! Setze dich auf den Staub!" und das ist m.E. eine Anspielung auf HDD b ä UV" - „auf dem Thron sitzen" (lKön 1,46; 2,12.19; 22,10; Jer 22,4, Est 1,2). Die Königlichkeit Babylons und das Prinzessin-sein werden hier nicht annähernd so hämisch und als angemaßt beschrieben wie die der stolzen Frauen in Jes 32,9ff, der „Töchter Zions" in Jes 3,16ff oder die Jerusalems in Jer 4,30f. Statt die Anmaßung einer niedriggestellten Frau(enfigur), sie sei eine Prinzessin, zurückzuweisen, geht es in Jes 47,2-3 um die Herabsetzung und Entwürdigung einer (tatsächlichen) Prinzessin zur Sklavin. Beide Begriffe - „zart" und ¿112 -„weichlich" (V.lc) rufen außerdem die Fluchdrohung Moses an Israel wach: zarte und weichliche Menschen werden ihre eigenen Kinder aus Not essen (Dt 28,54.56).341 Der Befehl, den Schleier abzulegen, kommt dem Verlust von sozialem Prestige und juristischem Schutz gleich.342 Während
337
TAYLOR, A First and Last Thing, bes. S. 164f, ihm folgt DARR, Isaiah's Vision, S. 171. BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 347f; TROMP, Primitive Conceptions, S. 23. 339 KBL 3 II, S. 415, s.v. I T . 340 KBL 3 III, S. 816, s.v. nau. 341 DUHM, Jesaja, HAT, S. 355. 342 Die Interpretation vor dem Hintergrund des mesopotamischen Rechts (Mittelassyrisches Gesetzbuch §40), daß eine ehrbare Frau (Ehefrau, Witwe, Tochter, Sklavin in Begleitung ihrer Herrin) Recht und Pflicht hatte, den Schleier zu tragen und eine unehrbare nicht 338
302
B.IV.l. Der Untergang Babylons
-Jesaja
sie mit dem Schleier den Status einer etablierten Frau ablegen muß, ist sie geheißen, mit der Mühle ein Statussymbol der Armen und der Unfreien anzunehmen.343 Zum Statusverlust gehört, Mehl mahlen zu müssen (Jes 47,2), was als Sklavinnenarbeit (Ex 11,5) oder als Lebensunterhalt (Dt 24,6) gilt. Nun aber geht der Text noch weiter, Babylon wird befohlen, sich zu entblößen (V.2f) - dies stellt Jes 47 besonders in die Nähe prophetisch-metaphorischer Texte von Jerusalem. Der Ausdruck vom Aufdecken der Blöße (nm-|J> n 1 ?:) erfolgt für Jerusalem (Ez 16,36.37; 23,10.18.29), Samaria (Ez 23,10) und Babylon (Jes 47,3).344 Die Entblößung scheint schrittweise verlangt zu werden: Schleier - Kleid - Schenkel, wobei hier Obj.+rfe sowohl die Entblößung des Körpers als auch die Entfernung des Kleidungsstückes bezeichnen kann.345 Dabei sind sowohl Denotation als auch Konnotation von 'PUStf - hier mit „Kleid" übersetzt - unsicher346 ebenso wie für ilCK - hier mit „Schleier" übersetzt.347 Die sprachlichen Unsicherheiten für die Objekte von sind Kennzeichen für Texte, die die Entblößung weiblich personifizierter (Sklavin, Unverheiratete, Prostituierte), ist für diesen Kontext m.E. in seiner Breite am nächsten. Diese Stelle mit BAUMANN, Liebe, bes. S. 90, in Analogie zu altorientalischen Scheidungsritualen zu interpretieren, setzt voraus, daß zuvor Babylon mit Gott eine Ehebeziehung hatte. Wie schon bei Jerusalem-Texten kommt diese Ehe im Normalzustand nicht in den Blick. Im Gegenteil: ohne Einführung oder Begründung würde ein (bislang literarisch nicht hergestellter) Vorstellungsbereich abgeschafft. Ein Scheidungsritual erscheint mir also nicht plausibel. Zusätzlich ist zu bedenken, daß in Jes 47 eine ganze Reihe von Frauenrollen und lebenstadien genannt werden - die Rolle der verheirateten Frau ist übrigens nicht darunter! 343 BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 346. 344 Während das Entblößen und zuweilen nachfolgend die Vergewaltigung einer StadtTochter oder Stadt-Hure im Hebräischen auch noch anders formuliert wird (s. zum Oberblick BAUMANN, Liebe, S. 56-65), steht sonst „die Blöße aufdecken" (TrriJJ H1?;) für Menschen, und zwar bis auf Lev 18,7 ausschließlich für Männer: es steht zum einen als zu vermeiden bei Priestern, wenn sie eine Altartreppe hinaufsteigen (Ex 20,26), und zum anderen im sog. Dodekalog (Lev 18,6-19) und Lev 20,11.17-21, zwei Texte, die mit dem Ausdruck sexuelle Handlung zwischen Familienmitgliedern verbieten (Lev 18) und unter Strafe stellen (Lev 20), in Ez 22,10, wo ein Verstoß gegen diese Verbote erwähnt ist, und in der Geschichte um den betrunkenen Noah mit seinen Söhnen (Gen 9,21-23). Bereits mit diesem Stellenbefund ist m.E. nahegelegt, daß es einige Gegenargumente gegen die fast landläufige Überzeugung gibt, Entblößung sei im alten Israel eine Schandstrafe für Ehebrecherinnen gewesen. Auch wenn das im Alten Orient in Gesetzestexten bezeugt ist, ist für Israel das Fehlen solcher Texte in Rechtscorpora doch gerade auffällig. 345 Zur Klärung der Valenzen mit n'pj s. BAUMANN, Liebe, S. 57-62. 346 BAUMANN, Liebe, S. 62-65, argumentiert dafür, daß der Begriff sowohl Metapher für Genitalien als auch Bezeichnung ihrer Bedeckung sein kann. 347 n n ü - „Schleier" kommt nur hier und im Hohenlied vor (Hld 4,1.3; 6,7). Während es dort nach Ges17 auch „herabfallendes Haar" meinen kann, ist hier wohl ein statusgebendes Kleidungsstück gemeint (s.u.). Die konsonantische Ähnlichkeit zu I"ßi> - „vernichten; zum Schweigen bringen; vergewaltigen" ist vielleicht ein Grund, an dieser Stelle kein anderes Wort für „Schleier" zu benutzen. HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 148, nimmt für alle Vorkommen die Ableitung von der Wurzel POS an.
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
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Städte schildern: den 50 Jerusalems (Jer 13,22) und Ninives (Nah 3,5),348 die Genitalien (511*73]*) der Mutter-Hure Israel (Hos 2,12) und das ConstructusVerhältnis „die Blöße (¡T~IU) der Hurerei Jerusalems" (Ez 23,29).349 Das dreifache ruft das Wort 511*73 - „Exil" in Erinnerung. Unabhängig von der Etymologie350 gewinnt die Verwendung von an Brisanz, weil sich Israel eben gerade im Exil befindet. ist auch der Konsonantenbestand des Wortes „Hebräer", zusammenstehend mit 511~in] kann so Ps 137 in Erinnerung gerufen werden: „An den Flüssen Babels, dort saßen wir und weinten". So deutet Jes 47,2bß auf V.4 und 6 voraus.35' Gewaltsam soll den Adressaten und Adressatinnen die Verhöhnung Babylons vor Augen geführt werden (^51B~in HRin DJ, V.3c), die Öffentlichkeit der Entblößung, die Sichtbarkeit, ist im Zusammenhang mit häufig betont.352 M.E. ist das eine der Funktionen von V.4: die Anwesenheit einer Gruppe und damit Öffentlichkeit anzuzeigen. Aber Baltzer betont m.E. zu Recht den Jussiv in V.3a - zum Vollzug kommt es nicht (s.u.).353 Zu dieser Problematik kommt hinzu, daß im Text das Geschlechterverhältnis thematisiert wird. Der in diesem Text grammatisch männliche Gott übt hier sprachliche Gewalt aus und droht reale Gewalt an. Die als Frau angeredete und vorgestellte Stadt/Reich wird in ihrer äußeren Erscheinung und ih348
Für ^12) erwägt BAUMANN, denselben semantischen Raum wie für b z t i (Jes 47,2), es kann sich bei beiden Begriffen um eine Bezeichnung für ein Kleidungsstück oder für Genitalien handeln, zum Überblick s. BAUMANN, Liebe, S. 62-65. ni^D]* ist ein hapax legomenon, für das KBL3, S. 628, s.v. r r t a : die Übersetzungen „Scham oder Torheit" erwägt. Jes 57,8 als weiterer Beleg von H^J stößt auf einige Verständnis- und Textprobleme, es geht hier um verurteiltes Handeln Jerusalems. 349 Wenn es sich um eine männliche metaphorische Figur handelt, finden sich interessanterweise Formulierungen, die mit auch anders verwendeten Wörtern als Objekten auf Euphemismen derselben Aussage schließen lassen: das Aufdecken (^ffln, s. auch Jes 47,2; Jer 13,26; Jes 20,4) und Entblößen (n*?;) von Esaus verborgenem Ort/Versteck ( T I O O , Jer 49,10), die Entblößung der Decke Judas (DDD, Jes 22,8) und der Gewandvorderseite des Leviathan (Hi 41,5). 550
WESTERMANN, ALBERTZ, A r t . n ^ ; , S p . 4 1 8 f , ä u ß e r n d i e V e r m u t u n g , d a ß b e i a l l e r U n -
geklärtheit der etymologischen Zusammenhänge beide Bedeutungen zusammengedacht werden können, wenn das intransitive H^J eine ständige Ellipse im Sinne von „das Land bloßlegen" und dann eigentlich transitiv ist. Sie nehmen im folgenden gleichwohl zwei verschiedene Verben an. GOSLING, An Open Question, z.B., schließt aus dem Befund der BHS und den Methoden der komparativen Linguistik, daß H^J II unabhängig von existierte. 351 Nach DUHM, Jesaja, HAT, S. 355, ist damit angedeutet, daß sie in die Gefangenschaft gehen muß. Das hat sich als Deutung durchgesetzt, obwohl es keinen Text gibt, der den Ausdruck so belegt. Dazu und zur Verwendung von ~\2S in Deutero-Jesaja s. FRANKE, Isaiah 46, 47, and 48, S. 114f. 352 Bei der Entblößung von Stadt-Frauen steht n t O in Jes 47,3; Ez 16,37; Hos 2,12; Nah 3,5. In Kontexten, die sich nicht auf die Entblößung von weiblicher Scham beziehen steht n 1 ?; mit n m in 2Sam, 22,16; Ps 18,16; Hi 38,17; Jes 40,5. 353
BALTZER, D e u t e r o - J e s a j a , K A T , S. 3 4 9 .
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B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
rem Ergehen beschrieben. Dieses löst im Lese- und Rezeptionsprozeß eine Charakterisierung aus. Zusammengenommen wie einzeln konstituieren diese beiden Figuren ein Geschlechterverhältnis wie es durch moderne Erfahrungen sowohl bestätigt als auch hergestellt wird. Für das Frauenbild in Jes 47, insbesonders für seine moderne Wirkung, ist es fatal, daß hier die soziale Deklassierung mit sexueller Beschämung einhergeht. Dies betoniert den Zusammenhang von Sklavinnenstatus und sexueller Ausbeutbarkeit, als legitim angesehene sexuelle Benutzung von Menschen, über deren Arbeitskraft man verfügt. Die Entblößung im Zusammenhang mit der körperlichen Arbeit wird nun nämlich zur Entblößung als Beginn sexueller Gewalt.354 Auf die Entblößung folgt der Satz: „ich nehme Rache C7K DaU3S8 schwierig. Die bei ist die Ubersetzung des Ausdrucks Schwierigkeiten werden zumeist auf verschiedene Weise textkritisch gelöst. Die Form kal (hier verstanden als l.sg. kal JJ5S) - ,jmd. stoßen, treffen, überfallen" übersetzt Buber: „[ich] lasse nicht Menschen dazwischentreten". Damit bezieht er sich wohl auf die Auslegung von Ibn Esra, Hieronymus u.a., daß hier ein fürbittendes Eintreten für Babylon abgewehrt werde."5 Dagegen ändert Baltzer U32K in l.sg. nif. und bezieht CIN als Regieanweisung auf den Sprecher auf den folgenden Satz: „Rache nehme ich, .... Ein Mensch: Unser Erlöser? Jahwe Zebaoth ist sein Name.""'
Hermisson konjiziert zusätzlich den Text mit LXX u.a. von und übersetzt V.3 und 4 zusammen:
zu "ICK
„[...] Rache nehm ich >unerbittlichspricht< unser Erlöser, Jahwe Zebaoth ist sein Name [...].""'
354
FRANZMANN, City, S. 12. S. dazu und zu anderen texkritischen bzw. exegetischen Überlegungen der bisherigen Forschungsgeschichte HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 148f. 356 BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 345. Die erste Hälfte, also V.3b bis JJISN, spricht nach seiner Deutung die Unterwelt (ebd., S. 349). KORPEL, DE MOOR, Structure, S. 333, übersetzen ähnlich „I will spare nobody". S. auch BARTHÉLÉMY, Critique textuelle II, S. 348f. 357 HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 146, darin folgt er dem Vorschlag DUHMS, Jesaja, HAT, S. 355. Ähnlich auch KÖHLER, zit. nach WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 151. FRANKE, Isaiah, S. 118, folgt NORTH, der in Anlehnung an Jes 44,4 UJB als „(freundlich) behandeln" auffaßt, und übersetzt deshalb: „and I will not deal kindly with anyone". 355
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
305
Und doch kann der Satz einfach heißen: „ich treffe keinen Menschen". Der überlieferte Text betont dann, daß seine Rache eben keinen Menschen, hier: keine Frau trifft. Seine Bedeutung kann sein, daß sich tatsächlich keine Menschen (mehr) in Babylon befinden, daß die dort Lebenden nicht als Menschen angesehen werden - oder daß es nicht um Krieg und physische Zerstörung geht.358 Das menschenleere Babylon ist ein Zustand vom Ende von Jes 13: Wüstentiere und Dämonen als Bewohner. Das Absprechen des Menschenstatus für Menschen ist ein modernes und m.W. kein biblisches Phänomen. Daß es nicht um Behandlung von Menschen geht, sondern eine Idee „Babylon" bezeichnet sei, ist als (moderne) Dekonstruktion dieser Gewaltepisode durchaus lesbar. Dann ragte dieser Vers aus der Vorstellungs-Welt des Textes hinaus und ermöglicht Lesern und Leserinnen, sich von der Identifikation mit den Figuren in dieser Szene zu distanzieren. Was eine Lektüremöglichkeit/einen möglichen Textbezug zu Jes 13,20-22 angeht, wäre hier ein Bogen geschlagen zum Ende des Stadtuntergangs. In jedem Fall ist V.3b eine kommentierende Erläuterung zu den vorangegangenen Imperativen, er bildet ein Zögern im Handlungsfortschritt und dies ist ein Zögern vor der direkten Vergewaltigung. Der Satz als ganzer ist sowohl Erklärung als auch Fortsetzung der Entblössung, das Rachenehmen nach der Entblößung der Scham deutet eine Vergewaltigung an.359 In diesem entscheidenden Moment des Übergangs von Demütigung zu körperlicher Gewalt kippt der Text in die Versicherung, es seien keine Menschen betroffen.360 In diesem Moment erfolgt Israels Gotteslob. Nun kommt mit einem der Leitworte des Jesajabuches töllp - „Heiliger Israels"361) wieder die Theologie und Gedankenlinie des Gesamttextes in den Blick. Dem Zögern Gottes, literarisch körperliche Gewalt anzuwenden 358 Gegen HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 193, der für seine Konjektur argumentiert, daß „ich treffe keinen Menschen" keinen Sinn ergebe. WATTS, Isaiah 34-66, WBC, S. 168 u. 171, übersetzt „do not meet a human" und erklärt: „The sentence may mean that God does not find a human being in Babylon, only magic and sorcery. It could mean that he does not meet a man in mercy or judgment. The hearers/readers are left to draw their own connotation from it" (S. 171). HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 149, selbst hatte zuvor den Vorschlag KOOLES (J.L. KOOLE, Jesaja II, deel I, Jes 40-48. Kampen 1985 [COT]) der auf den Targum zurückgeht („Ich werde (dich) nicht anfallen wie ein Mensch), verworfen: „Aber ob T das meinte, ist nicht sicher; man wird zunächst übersetzen: ,Ich mache das Gericht über dich anders als (das über) Menschen', und wiewohl die andere Übersetzung von T näher beim hebräischen Text bliebe, fügt sie sich doch auch nicht in den Duktus der Aussage vom Rache nehmenden Gott und bedarf ihrerseits erst wieder einer Interpretation." 359 DUHM, Jesaja, HAT, S. 355 u.a. 360 In der Tat geben die Konjekturvorschläge dem Text einen erheblich gewalttätigeren Sinn, indem die erste Hälfte des Verses noch gesteigert - und nicht dekonstruiert wird. So wird V.4 zum Applaus für die Rache und nicht (s.u.) zur Antwort Israels auf Gottes Gewaltunterbrechung. 361 S. zu diesem Begriff im Jesajabuch RENDTORFF, Zur Komposition.
306
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
(V.3b), folgt das Bekenntnis Israels zu seinem Gott. Diesmal geht däs Bekenntnis Israels zu JHWH dem Erlöser (V.4), dem Geständnis Gottes, er habe über sein Volk gezürnt (V.6), voraus. Es ist das erste Mal in Deutero-Jesaja, daß Israel als Gruppe das Wort ergreift. Es ist ein Bekenntnis zum Namen Gottes und zur eigenen Identität als Israel. V.4—6 beinhalten das Dreicksverhältnis Gott, Babylon und Israel, weil dem Bekenntnis Israels zu Gott die Zusammenfassung der Demütigung Babylons folgt (V.5). In V.6 wendet Gott sich wieder Babylon unter Berücksichtigung seines Volkes zu, seines Erbes und der Dauer des Exils. Im Vorwurf an Babel erinnert sich Gott also seines Volkes. Die gegenseitige und je eigene Erinnerung der Beziehung zwischen Gott und Israel umschließt den Satz vom Verstummen und Verschwinden Babylons. Zugleich bedeuten die Vorgänge als Ganze Heil für Zion: „Ich habe meine Gerechtigkeit nahe gebracht, sie ist nicht fern und meine Rettung zögert nicht, und ich habe für/mit Zion Rettung gegeben und für Israel meinen Ruhm." (Jes 46,13) Der oben erwähnte schleifenartige Aufbau wird in V.6 sinnfällig, insofern V.6 sowohl V.4—6 zu einem Zusammenhang macht als auch für sich allein die Argumentation über die Schuld Babylons darstellt. V.5 faßt seinerseits in der Perspektive dieses Gesamttextes Deutero-Jesaja die ersten vier Verse noch einmal steigernd zusammen: Nachdem der weiblichen Babylon der Platz auf dem Thron genommen (V.l), sie zu Sklavinnenarbeit gezwungen (V.2) und entblößt wurde (V.2-3), soll die Frau, die im folgenden mit vier Selbstaussagen zitiert wird, nun stumm werden. Ihr die Stimme zu nehmen (V.5) ist der letzte und (fast) brutalste Schritt der Entwürdigung: ihr wird auch noch die Möglichkeit zur Klage und Anklage genommen, sie wird nicht mehr gehört und nicht mehr gesehen. Hinter der entblößten Scham verschwindet die Frau in der Dunkelheit (V.5).362 Über die Stummheit hinaus übernimmt hier Gott der Aggressor zusätzlich noch ihre Selbstaussagen (V.7.8.10) - der Schein eines Dialogs wird gewahrt, das Bild der Frau wird entworfen, die Frau selbst sitzt stumm in der Dunkelheit.
1.4.3.3. Die Vergangenheit „Und nun, in die Stille und das Dunkel hinein die Begründung": Nicht die Eroberung und Exulierung des Volkes wie in anderen prophetischen Texten wird Babylon vorgeworfen,363 sondern wie in Jes 14 Brutalität (47,6). Häufig in prophetischen Texten ist davon die Rede, daß Gott im Zorn Israel seinen 162
Ähnlich rät Absalom seiner von Amnon vergewaltigten Schwester Tamar, zu schweigen (2Sam 13,20). S. dazu MÜLLNER, Gewalt, S. 307-321 u. BAIL, Schweigen, passim. 363
WESTERMANN, J e s a j a 4 0 - 6 6 , A T D , S . 1 5 4 .
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
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Feinden überläßt (z.B. auch Jes 43,28; Jer 27,6), diese aber zu brutal sind (z.B. Jer 12,7; Sach 1,15). Und doch scheinen die in V.6 geschilderten Handlungen kein Automatismus zu sein. So jedenfalls läßt sich die Unverbundenheit der Teilsätze in V.6 erklären: es handelt sich nicht um einen Fortgang der Ereignisse, sondern um einen jeweiligen Neueinsatz, genauso übrigens wie die Demütigung Babylons in V.2. Das Joch wird in der alttestamentlichen Literatur besonders häufig bildhaft gebraucht. Hier, wie im Alten Orient insgesamt, verwenden Herrscher, Herrscherinnen und Beherrschte das Bild vom Joch für politische (Fremdherrschaft) und wirtschaftliche (Frondienst) Hegemonie und deren Veränderungen, was allerdings ineinander übergeht und stets religiöse Komponenten hat.364 V.6 enthält dagegen Gottes Einspruch gegen maximale Ausbeute und Ausbeutung in Dauer („Greis"/ „Greisin") und Intensität („sehr schwer machen").365 Wie vergangen ist die hier dargestellte Vergangenheit? V.6 fällt nach vorherigen PK-Formen und Imperativen in die wohl vorzeitig zu verstehende AK, unterbrochen von einer weiteren PK-Form (E3riKl - „und ich gab sie in deine Hand" V.6b). Danach fahrt der Text mit PK-Formen fort. Was bedeutet dieser Konjugationsgebrauch für die Relationen in der erzählten Zeit? Zunächst geht es dem Text offensichtlich nicht um den genauen Termin wie z.B. Sachaija oder um die Nähe des Tages wie z.B. Jes 13. Und doch kann V.6c einen Hinweis geben. Warum werden von allen Gruppen im Exil und von allen Schwachen ausgerechnet der Greis, die Greisin hervorgehoben?366 Ein Greis steht am Ende seines/ihres Lebens, das siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, achtzig Jahre, dauert (Ps 90,10) - siebzig Jahre ist im Gedächtnis und Prophezeiungen der biblischen Texte die Dauer des Exils (Jer 25,1 lf; 29,10; 2Chr 36,21). Die Erwähnung des Greises sagt: Ein Menschenleben lang ist genug, es wird Zeit für das Ende des Exils. Die ersten fünf Verse haben performativ Jeremias Prophezeiung erfüllt, an die V.6 mit dem Joch und dem Greis zusätzlich erinnert. In Jeremias Predigt vom Joch Nebukanezars heißt es: „Und es werden ihm dienen alle Völker und seinem Sohn und dem Sohn seines Sohnes bis die Zeit auch für sein Land kommt, auch für ihn; und er wird ihnen dienen, vielen Völkern und großen Königen" (Jer 27,7; ähnlich Jer 25,12-14).
364
S. zu den Belegen SCHMOLDT, Art. *7I3. FRANKE, Isaiah, S. 123, deutet das Faktum, daß die zweite Hälfte von V.6 die meisten Silben und die meisten Tonsilben/Hebungen des ganzen Kapitels enthält, als formalen Ausdruck der buchstäblich schweren Unterdrückung. 366 WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 155, meint, daß das harte Schicksal alter Menschen, wie es auch in Klgl 1,19; 2,21 u. 5,12 erwähnt sind, sogar nur Einzelfälle sind. HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 196, meint, der Greis sei als Kontrast beispielhaft hervorgehoben, weil diesem Stand ganz besondere Ehrfurcht und Rücksichtnahme gebühre. 365
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B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
Dabei ist die Interpretation der siebzig Jahre367 entscheidend: Während in der Frage, wann diese 70 Jahre vorbei sein werden, Haggai und Sachaija mit einem genauen Datum Jetzt" antworten, ist das , jetzt" Deutero-Jesajas relativ in dem Sinne, daß es genealogisch begründet ist, und in dem Sinne, daß es dafür (s.o.) der Identitätsbejahung Israels bedarf. So kann der talmudische Text bSanh 98a, der auf die Frage nach der Ankunft des Messias antwortet, auch die (deutero)jesajanische Antwort auf die Frage nach dem Datum vom Ende des Exils antworten: „Heute, wenn ihr auf seine Stimme hört".368
1.4.3.4. Systemische Opposition Nachdem nunmehr die Drohung der körperlichen Gewalt abgewendet ist, geht der Text V.7-15 von Befehlen in Argumentation über. In vielen Arbeiten zu Jes 47 wird der zu brechende Stolz Babylons als Hauptthema des Textes genannt.369 Dabei werden „Stolz" und „Hochmut" aber gar nicht erwähnt - was im Vergleich zu den anderen Babylon-Texten Jes 13; 14 auf der einen und zu anderen Texten gegen Frauen(figuren) Jes 3; 32; Jer 4 u.a. auf der anderen Seite besonders auffällt. Nicht nur das: die Selbstaussagen sind nach menschlichem Ermessen (und das wird hier dekonstruiert, s.u.) richtig! Dieses Thema macht sich an den Begriffen fest, die ich, anders als Hermisson,370 nicht als gegenseitige Interpretation desselben Sachverhalts, sondern als Aufzählung der Facetten dessen, was Babylon ausmacht, verstehe: neben Zeitwörtern für die Dimension der Ewigkeit ("112, V.7) sind dies Wörter, die Selbstvertrauen (TICH V.8.10), Strategie ( H ^ V.13), Weisheit, (ncrül V.10), Wissen (niH V.10) und Verstand (2^ V.7.8.10) anzeigen. Dazu kommen religiöse Absicherungen wie Zauberei (^ÖD V.9.12), Bannsprüche ("Oll V.9.12) und Sühne (mSD V.ll). Babylon kann Dinge im Guten (V.12ca)37' wie im Bösen (V.12cß) regeln. Entsprechend sind die von 367
Zu den siebzig Jahren s.u. S. 307f, 338, 351, 394f, 504f. Es macht es alles einfacher und schwieriger, daß dieser Satz ein Zitat aus Ps 95,7 ist, ein Text, der mit Schöpfungstheologie beginnt (V.l-6), ein Bekenntnis der (Volks)Gruppe enthält (V.7) und mit dem Höraufruf (V.7b) endet, auf die Geschichte Israels voller Ungehorsam und Irrweg zu hören (V.8-11). 369 WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 153, nennt zwei Gerichtsbegründungen: die unbarmherzige Behandlung der Exilierten und „die hybride Selbstsicherheit Babylons". HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 159 betont, „daß der eigentliche Vorwurf des Gerichts an Babel die Hybris ist, nicht die Überschreitung seiner Kompetenz durch zu große Grausamkeit". Damit bezieht er sich auf V.8 und 10, V.6 scheidet er als nachträglich aus, s. auch ebd., 368
S. 1 7 6 - 1 7 8 . 370
S. HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 182f zu V.9 u. 10. Dabei steht das Wort b ä ' - „helfen" mehr als einmal im Zusammenhang mit der von Göttern/Götzen erhofften und enttäuschten Hilfe: lSam 12,21; Jes 44,9f; Jer 2,8.11; 16,19, Hab 2,18 - nur JHWH hilft (Jes 48,17) - und Babylon nicht! S. auch HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 185. 371
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
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Babylon erwähnten Tätigkeiten ebensolche, die insbesondere mit Weisheit (und Weisheitsliteratur) in Verbindung gebracht werden: suchen ("YIÖ V . l l ) , erkennen (UT V . l l ) , erinnern ("CT V.7), aber auch simple Plackerei V.12.15) und Handeln (TIS, V.15).372 Kurz, es geht um Religion und Weisheit/Strategie. Der zu Beginn so schändlich wie mühsam verschleppte Nebo (46,1) ist übrigens als Schreibergott dann auch Gott der Wissenschaft und des Schicksals.3" Babylon verfügt über das bestmögliche Absicherungssystem.374 Aber das - so betont Jes 47 - ist eben nicht absolut sicher: diese oder jene Dinge (V.7b) sind in den Planspielen nicht berücksichtigt. Der Zufall muß in die Berechnung von Ereignissen der Zukunft mit einbezogen werden. Religiös ausgedrückt, kann trotz allem das Unvorhergesehene einen treffen, theologisch ausgedrückt, kann Gott einen treffen: z.B. Böses (Hin), das Unglück (mit), Katastrophe (TTNIttf) V . l l oder, ganz konkret, ein Feuer (tÖK, V.14). Im Gegensatz zur Ewigkeit Babylons (V.7), die sich auch in den Nominalsätzen ausdrückt (V.8.10), kommt das Unerwartete plötzlich (V.9.11), mit aller Wucht (V.9), es kommt (V. 11.13) und fällt ( V . l l ) auf sie - in der Zukunft (V.7b) oder jetzt (V.8a). Gott argumentiert damit, daß jedes Verteidigungssystem überwindbar ist, daß immer ein Restrisiko bleibt, daß es sich bei Babylons Sicherungssystem um Perfektion nach menschlichem Ermessen handelt und nicht nach göttlichem. Und Gottes Maß ist eben Menschen nicht möglich: „Wer mißt mit seiner hohlen Hand Wasser und bestimmt das Maß des Himmels mit der Spanne? Und mit einem Drittelmaß den ganzen Staub der Erde und gewichtet mit der Waage Berge und mit dem Waagschalenpaar Hügel? Wer bestimmt das Maß des Geistes JHWHs und welcher Berater läßt ihn erkennen? Und von wem läßt er sich beraten und wer gibt ihm Einsicht und wer lehrt ihn den Pfad des Rechts und wer lehrt ihn Wissen und läßt ihn den Weg der Klugheit erkennen?" (Jes 40,12-14)375
Doch nicht nur Gottes Schöpfung, sondern auch Gott selbst ist unberechenbar - im wörtlichen (47,13) wie im übertragenen Sinn (47,11.12).376 372 FRANKE, Isaiah, S. 143, weist darauf hin, daß der Gebrauch von T I S an dieser Stelle Jes 47 mit Jes 23 (der Prophezeiung gegen die feminine Handelsstadt Tyrus) verbindet. 373 BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 329 u. Miliard, Art. Nabu. 374 WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 156, erkennt dies - trotz seiner Deutung des verurteilten Stolzes - als historische Leistung Babylons an: „Es ist wahrscheinlich das erstemal in der Weltgeschichte, daß die Verabsolutierung der Macht nicht auf materielle Mittel, Heer, Waffen und Reichtum, sondern auf die geistigen Grundlagen der Macht zurückgeführt wird." 375 Insbesondere 40,13f enthalten Begriffe, die auch in Jes 47,8-10 vorkommen. Daß das Gegenteil von dem eintrifft, was Babylon denkt, sowie den Gegensatz von Wissen und Nichtwissen zusammen mit der Häufung von Synonymen und Antonymen interpretiert FRANKE als Ironie und den Gesamttext als Satire (FRANKE, Satiric Lament). Anders WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 157: „Hier ist keine Rede von Spott und Hohn. Vielmehr deutet der Prophet die Tragik des völligen Zusammenbruchs an: es ist die in einer langen, glorreichen Geschichte („von deiner Jugend an") entwickelte Weisheit und Wissenschaft, die im Augenblick der Katastrophe versagt." Wieder anders PREUSS, Verspottung, S. 223: Deutero-Jesaja „spottet auch hier, und sein Spott ist auch hier mit Drohungen und Anklagen durchsetzt".
310
B.IV.l. Der Untergang Babylons
-Jesaja
So hat Jes 47 in der Mitte des Abschnitts Deutero-Jesaja eine entscheidende Funktion. Der Text veranschaulicht die Konsequenzen des Deutero-jesajanischen Monotheismus am Beispiel „Babylon": Realität stellt sich als Illusion heraus, das Nicht-Mögliche wird möglich, für Babylon zum Schlechten, für das Volk Israel zum Guten.3" Die gesamte Wissenschaft und zivilisatorische Absicherung Babylons nützen nichts, wenn das Nicht(Vorher)Sehbare passiert, wenn das Unglück auf einen niederfallt (V. 11): das „Unglück" (¡TTI) ist vielleicht nicht umsonst als der halbe Gottesname lesbar - so wie in Jes 13,6 ntÖ (Verwüstung) den halben Gottesnamen "HtÖ enthält, in Jes 13,6 in eine explizite Beziehung gesetzt. Dazu liefert Jes 47 einen für Babylons spätere Rezeption z.B. durch die Johannesoffenbarung ebenfalls entscheidenen Aspekt: die Personifikation, die Figur einer weiblich personifizierten Babylon. Die Personifikation Babylons in Jes 47 dient als Gegengewicht zum König von Babylon (Jes 14) und dient eben auch als Gegengewicht zu Jerusalem/Zion. Zusätzlich entwirft Jes 47 ein Gegenbild gegen die „Realität", ein Gegenbild zur Wissens- und Militärstrategie, die Nutzung von Technologie und Ressourcen, eben von ökonomischem Potential. Dagegen wird die Biographie als Perspektive und Maß aller Dinge gehalten. Damit ist Babylon sterblich und besiegbar - und in der Folge der Rezeptionsgeschichte unsterblich.
1.4.4. Wer oder was ist Babylon? 1.4.4.1. Status als Kampf um die Definitionsmacht Im Text werden Selbstbilder, Fremdbilder (V.lc.5b) und das Bild, das Gott hat, gegeneinander gestellt. Massiv geht es hier um Namen und Status. Wirklichkeit, Nicht-Wirklichkeit und Bald-Wirklichkeit befinden sich im Widerstreit, ebenso wie der hegemoniale Kampf historischer und theologischer Identität. In der Enthüllung/Entblößung von Babylons Identität wird zugleich Gottes Identität offen-bar. Dabei äußert sich der Kampf um die Definitionsmacht in zwei der drei Teile des Textes unterschiedlich. Imperative sind ein Versuch, Definitionsmacht sehr direkt auszudrücken und auszuüben (V.l-5), im dritten Abschnitt werden hingegen Babylon Selbstaussagen in den Mund geschoben, es ist ein Monolog, der einen Dialog suggeriert (V.7-15). Status und Statusverlust, Sünde und Strafe machen sich vor allem am Motiv des SitBALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 73-76, vermutet, daß die Desavouierung von Weisheit (durch Verschweigen einerseits und einmalige Nennung ausgerechnet im Zusammenhang mit Babylon andererseits) mit der Konkurrenz zweier Weltentwürfe (Tora vs. Weisheit) zusammenhängt. Deutero-Jesaja gibt der Tora eine Schlüsselfunktion.
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
311
zens fest (das Verb 30"' kommt sechsmal vor, ein [Auf]Stehen ist vergeblich), aber auch an den Namen, Selbstaussagen und Frauenrollen,3,8 was nun kurz erläutert werden soll. Bereits mit dem ersten Wort, einem Imperativ, positioniert sich die Sprecherperson über Babylon. Die zahlreichen Imperative veranschaulichen die Macht des Sprechenden gegenüber der Angesprochenen, es ist Befehlsgewalt. Gott tauscht alte Namen durch neue aus: die Menschen nennen sie „Zarte und Weiche", Gott nennt sie „Jungfrau Tochter Babel" und „Tochter Chaldäa" (V.l.5). Statt „Herrscherin über Königreiche" nennt Gott sie „Tochter Chaldäa" (V.5). Der eine Name steht aber gegen den anderen, ohne daß eine explizite Umbenennung stattfindet. Sicher ist, daß sie ihre bisherigen Namen verliert, ob „Tochter Babel/Chaldäa" ihr neuer Name ist, bleibt ungewiß. Deshalb gehört auch V.4 in diesen Kontext: die Gruppe bekennt den Namen Gottes, des Heiligen Israels. Dabei ist die Relation zu „Israel" erheblich präziser als das allgemeine „Königreiche"379 als Relation Babylons. Auch steht das Bekenntnis zum Namen Gottes im Gegensatz zum Nicht-mehr-genanntwerden Babylons in V.l.5. Alle Sätze, die Babylon in Jes 47 spricht, sind Selbstaussagen. Die Eigensicht Babylons, eine m i l J - „Herrscherin" zu sein, stimmt mit der derjenigen überein, die sie (an)rufen (V.l.5). Eigenaussagen, die anderen Mächten als Gott in den Mund gelegt werden, finden sich bei Jesaja für den König von Assur (10,13-14; 37,24b-25), das maskulin personifizierte Assur (Jes 10,8-11), den König von Babel (Jes 14,13-14) und das feminin personifizierte Jerusalem (Jes 49,21).380 Das verweist darauf, daß die These, es handele sich in diesem Text um eine Stadt-Fraw-Metaphorik, zu kurz greift: es ist vielmehr eine Stadt-ÄTömgm-Metaphorik. Die Zitate im Text lesen sich wie ein Herrscherinnenlob.38'
378 Ein weiterer Indikator, daß dies die verhandelten Themen sind, ist die Lektüre von FRANZMANNS Artikel, City: sie untersucht nämlich in Jes 47 die drei Aspekte „Terms definitions and description", „Activity of the woman-city" und „Activity against the woman-city". Hierbei ist der zweite Abschnitt, das Handeln der Frau, mit Abstand der kürzeste. 379 Babylons Changieren zwischen selbstbehaupteter Unabhängigkeit und fremd behaupteter Eingebundenheit macht sich auch am Vorkommen des Wortes fest, das in der Aussage anderer im st.cstr. steht (V.5) und in ihrer eigenen im st.abs. (V.7), s. zum Begriff und zur (Nicht)Abgrenzung von HIDJ und m 3 3 KlESOW, Löwinnen, S. 101-103, zu Jes 47 ebd., S. 120-127. 380 Ausnahme ist Jes 33,24: „Und kein Einwohner wird sagen: ,Ich bin schwach' [...]". 381 Liegt also in dem Satz „Ich und nichts mehr" eine ,Ich bin'-Formel vor? Angesichts einer Hoheitsformel wie „Ich bin JHWH, dein Gott" oder der Erweisworte wie „Sie werden erkennen, daß ich JHWH bin" formuliert BECKER, Zur „Ich bin"-Formel, S. 48, vorsichtig, Jes 47,8.10 sei eine „der ,Ich bin'-Formel verwandte Wendung", während FRANKE Jes 47,8.10 als Deklarationen der eigenen Göttlichkeit interpretiert (FRANKE, Isaiah 46,47, and 48, S. 131 u. dies., Reversais of Fortune, S. 118; BERGES, Das Buch Jesaja, S. 364).
312
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
Der Selbstvorstellungen Gottes sind viele, die Formulierungen variieren. Mit zunehmender Nähe zu Jes 47 wird die Ähnlichkeit in Gottes Selbstaussagen zum Wortlaut TIU in Jes 47,8.10 größer: Jes 43,11; 44,6.8; 45,5f. 18.21; 46,9. Wer reagiert auf wen in der Selbstdarstellungsformel? Babylon und JHWH stehen in Konkurrenz zueinander. Babylon wird in V.8 mit derselben Beschreibung und derselben Eigenaussage versehen wie die Stadt in Zef 2,15: Ninive. Wie schon in Jes 13f ist Babylon wie Assur.382 Im Unterschied zu Zef 2,15 wird in Deutero-Jesaja die eine Definitionsmacht gegen die andere gesetzt, da hier die Selbstaussagen Gottes gegen die Babylons stehen. Warum sagt Babylon dann aber von sich selbst: „Niemand sieht mich"? Dies steht im krassen Widerspruch zu ihrem Status als Herrscherin über Königreiche (47,5). Textimmanent kann eine Erklärung darin liegen, daß ihre Strafe im Rahmen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs ist, öffentlich intim entblößt zu werden, ihre Verhöhnung soll sichtbar werden (V.3).383 Aus der Perspektive der Psalmen kann damit die Selbstsicherheit der Gottlosen (CTÖ1) angezeigt sein, daß es keinen Gott gibt und/oder einen Gott, der nicht straft (Ps 10,4).384 Aber genau der Widerspruch zum textimmanenten Bild Babylons in Jes 47 wie zur Realität der gesamten Antike kann intendiert sein: Babylon irrt sich. In Jes 40-55 ist betont, ausgeführt und immer wieder wiederholt, daß die größten Mächte keine konkrete Gestalt haben. Wenn aber Babylon meint, ebenso wie JHWH unsichtbar (und also mächtig) zu sein, dann ist das offen-sichtlich falsch. Vielleicht ist auch deshalb eine der vorherigen Selbstaussagen noch einmal aufgenommen: die Relektüre macht „ich und nichts mehr" zu einer selbstbetrügerischen Aussage. Der Selbstbetrug von „Ich und nichts mehr" äußert sich außerdem darin, daß Babel für sich zwar eine Biographie für (theoretisch) denkbar, aber trotzdem für ausgeschlossen hält, da sie verneint, je verwitwet oder kinderlos werden zu können: JHWH hält ihr entgegen, daß es ein anthropologisch-biographisches Mißverständnis ist zu meinen, allein sein zu können, ohne je einsam sein zu müssen. Aus den Selbstaussagen V.8-10 wird deutlich, daß es drei Aspekte sind, die Babylons Niedergang ermöglichen: Babylons Ver-Messenheit nämlich insbesondere in V.8-10, sich nicht in Relationen zu anderen zu sehen, die Unkalkulierbarkeit eines Lebenslaufs zu akzeptieren und die Un(be)greif-
382 Während wohl Zef 2,15; Jes 47,8.10 als Machtaussage zu verstehen sind, ist in Tyrus' zitierte Eigenaussage die Schönheit der Stadt hervorgehoben (Ez 27,3). 383 Der Satz „Niemand sieht mich" kann auf der Sachebene jedoch auch auf den Schutz der Stadt und ihres Innersten anspielen, also auf etwas, was bei der Entblößungsdrohung (V.2-3) eben offen und ungeschützt zutage liegt, die Ruinen einer Stadt, im Deutschen sinnfällig in einem Begriff wie „Häusergerippe". 384 In diese Richtung erwägen HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 183, und RlNGGREN, Art. Ut!n, Sp. 679.
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
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barkeit dessen, was sie trifft. Besonders deutlich wird das in V.12: Babylons Gegenwehr läuft ins Leere, sie ist zugleich objektlos („vielleicht kannst du helfen", V.12) und ziellos („vielleichst kannst du schrecken", V.12), worin sich die Konsequenzen der eigenen Isolierung in V.8-10 zeigen. Aus ^fcO - „niemand sieht mich" wird "^ITttflQ - „niemand rettet dich" (V.15). In Jes 47 werden für den gesellschaftlichen Status des weiblichen Babylon gleich vier Möglichkeiten genannt: Jungfrau und Tochter, hier im Constructus-Verhältnis, Witwe und Herrscherin. In der Argumentation des Textes sind die Frauenrollen Babylons z.T. zeitliche Abfolgen, z.T. gleichzeitiger Status: die jetzige Herrscherin meint, weder kinderlos noch Witwe werden zu können, und wird beides doch werden. Es ist in diesem Text deutlich, daß beide einen Gegensatz zueinander bilden. Und doch ist noch nicht einmal klar, wie weit sich dieser Gegensatz erstreckt, ob der Witwenstatus die analoge Verneinung zum jetzigen Status der Frau, der iTVHl, ist, schließlich findet sich der Bezug auf das mögliche Schicksal einer Witwe nur in V.8f, und es ist nicht recht einsehbar, warum eine Witwe keine mantischen Praktiken und Rituale ausüben können soll (V.9.12). Auch ist wichtig, daß eine Witwe nicht automatisch unfrei sein muß, wie V.2 mit dem Verlust des Schleiers als Status einer ehrbaren Frau androht. Obwohl der Ausdruck X~I"Q r ' / T Q mehrmals für Städte und Regionen gebraucht wird (Zion 2Kön 19,21 par Jes 37,22; Klgl 2,13; Juda Klgl 1,15; Mizraim Jer 46,11; Sidon Jes 23,12 und „Jungfrau Tochter mein Volk" Jer 14,17), wird in V.l der Doppeltitel bedeutungstragend sowohl als Kontrast zu dem Doppeltitel „Zarte und Weiche" (V.lc) als auch zur doppelten Erniedrigung in den beiden Imperativen 1 - n - „steig hinab" und 25 - „setz dich hin". Die beiden Titel zu Anfang des Textes „Jungfrau Tochter" stehen sowohl zur Witwe als auch zur Herrscherin in einem Spannungsverhältnis.385 Während eine H T ^ innerhalb des Rechts- und Herrschaftssystems relative Selbständigkeit besitzt, ist eine kinderlose Witwe, wenn kein männlicher Verwandter mehr lebt, allein, was zum Vorteil oder zum Nachteil werden kann.386 Lebt noch ein Verwandter, untersteht sie ihm als Vormund, ebenso wie eine Tochter ihrem Vater und Vormund untersteht. Ergebnis des Kampfes um definitorische Hegemonie ist somit, daß sich die Wirklichkeit der Identität als „Herrscherin über Königreiche" als Illusion herausstellen wird. Ihr angekündigter Statusverlust von einer „Herrin über Königreiche" zur kinderlosen Witwe ist nahezu total.387 Der Status Babylons wird aber hier nicht infragegestellt. Er wird vielmehr performativ verändert. 385 Zur Semantik von H^YQ s. ENGELKEN, Frauen, S. 5 ^ 3 u. MOLLNER, Gewalt, S. 2 0 3 205. Zu n~QJ - „Herrscherin" s. KIESOW, Löwinnen, S. 9 6 - 1 3 4 , zu Witwen ebd., S. 83. 386 S. auch o. B.I.3.1. 587 SEIFERT, Tochter und Vater, S. 297.
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B.IV. I. Der Untergang Babylons - Jesaja
Für die Wahrnehmung von Frauen hat dieser Text dazu beigetragen, daß so verschiedene Frauenrollen und Lebensstadien wie Jungfrau-Tochter, Witwe und Herrscherin alle wieder doch nur zu einem Bild, dem Bild der „Frau", ein Beitrag zum Immergleichen ewig Weiblichen werden. Dabei zeigt dieser Text deutlich, wie weitgehend Macht über die Symbolwelt Konsequenzen für den Körper hat: Berater taumeln, verbrennen; Babylon erfährt körperliche Demütigung durch sexuelle Beschämung und Handarbeit; sie hat das Joch auf Alte gepreßt. Um das zu demonstrieren, wird für die Stadt/dem Reich Babylon überhaupt erst ein Körper - ein verletzlicher Frauenkörper - konstruiert. Der babylonischen Perspektive auf die Ewigkeit des Himmels hält Gott nämlich die biographische Perspektive entgegen: darauf deutet vor allem der Ausdruck „von Jugend an" (V.12.15). Besonders nahe kommen sich beide Perspektiven in V.6 und 7: die Ewigkeit (V.7) steht im Kontrast zum Alter und das heißt, dem baldigen Lebensende des Greises (V.6) - Ewigkeit steht gegen Vergänglichkeit. Gott geht es um Generationen und Genealogien und nicht um Zahlen und Figuren. Zur biographischen Perspektive gehören auch die Zusicherung „du bist müde" (V.13) sowie die Frauenrollen, die sich auf ihren Status, aber auch auf ihr Lebensalter, in jedem Fall auf menschlich-biographische Kategorien beziehen. Die biographische Perspektive für Babylon wird gleich mehrfach unterstrichen. In der Vervielfachung der Frauenrollen logische Widersprüche in Kauf nehmend geht es darum, nicht nur Babylons Wissenschaft, sondern auch Babylon selbst auf menschliches Maß zu reduzieren.388 Schärfer: „Babylon" auf menschliches Maß zu reduzieren, ermöglicht absurderweise im folgenden, zu erkennen, daß Babylon sozusagen auch nur ein Ort ist und ihn zu verlassen (48,20). Unabhängig von der interkulturellen Verbreitung des Titels „Tochter" für Städte wird mit dieser Anrede Babylons Herrschaft verneint und ihr Eingeordnetsein in ein (gesellschaftliches) System betont, mehr noch: ihr Unterstelltsein unter Vormundschaft, was der Titel „Tochter" qua Bedeutung sagt.38' Insgesamt fallt auf, daß Babylon mit israelitischen Kategorien gesehen und beschrieben wird, es taucht z.B. das Verb ,sühnen' (~lS3, 47,11) auf, ein Lexem, das als priesterlicher Opferterminus breite Verwendung im AT findet.350 Die Darstellung einer nicht-israelitischen Stadt-Frau als „Tochter" gehört ebenso hierher. Das Ergebnis von Barstads Untersuchung, daß Deutero-Jesaja
388 So wird der Unterschied zwischen Babylon und Gott deutlich. Jes 46,3f dreht Jes 47,6 vorwegnehmend um: vom Mutterleib bis zum Greisenalter, Gott ist derselbe. 389 Damit verneine ich die Auffassung MARTIN-ACHARDS zu Jes 47, der meint, der Tochterstatus und die Jungfräulichkeit, von der in Jes 47 übrigens nicht die Rede ist, deuten auf die Unabhängigkeit der Stadt (MARTIN-ACHARD, Esai'e 47, S. 92). Das Gegenteil ist der Fall. 390 S. dazu LANG, Art. "ED. Eine sprachhistorische Beziehung von "ED und akk. kuppuru wird diskutiert, s. ebd., S. 304f.
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
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keine Lehnwörter aus dem Akkadischen enthält,3" weist in die gleiche Richtung: der Text demonstriert, daß nicht Israel sich in der Galut eingewöhnt hat, sondern zeigt die Beurteilung Babylons und des Exils aus der Perspektive des einen einzigen Gottes und seines Volkes. Der in Deutero-Jesaja entworfene und geforderte Monotheismus erstreckt sich also nicht nur auf die Bekenntnissätze, sondern auf die gesamte Erzählwelt und das gesamte Denksystem, wenn auch die Texttopographie mit Babylon als monolithischem Zentrum dem noch entgegensteht.
1.4.4.2. Das Schuld-Strafe-Modell Daß Jes 47 Stolz und Überheblichkeit gerade nicht thematisiert, ist bereits oben dargelegt worden. Wie schon in anderen Texten bemühen Exegeten/ Exegetinnen zur Unterstreichung von Babylons Schuld in diesem Text oft die vermeintlich erwiesene Schuld in anderen Texten. Als Beispiel diene die Interpretation von Watts: Nach einem kurzen Vergleich mit Jes 13; 14; 21; 39 kommt er auf die Bedeutung Babylons: „she is the symbol of worldly self-deception, fostered by idolatry with its accompanying sorceries, magic, astrology, and oracles that passed for wisdom and sage counsel. Her pride and ambition were known to all as the ultimate symbol of human sin (cf. Gen 11:1-9). [...] Babylon is here the symbol of humanity and its capacity for self-delusion, sinful pride, and ambition. The Revelation of John uses it in the same sense (16:19; 17:5; 18:10,21)."3'2
Diese Form der intertextuell ätiologischen Lektüre hat zum heutigen Babylonbild geführt. Aber entspricht es auch den Texten? Besonders in 47,8f wird offenbar, daß das Verneinte hereinbricht, die Ausschließung der Möglichkeit, kinderlos und verwitwet werden zu können, zieht ihr Eintreffen nach sich, ebenso wie Babylons Bosheit (V.10) Böses (V.ll) nach sich zieht. Die Bosheit, auf die Babylon vertraut (V.10), ist m.E. der Begriff, auf den in diesem Text alle Handlungen und Eigenschaften Babylons gebracht werden. Das Wort HUI - „Bosheit" wird in der LXX interessanterweise mit Ttopveia „Hurerei" übersetzt. Hermisson vermutet als Ursache zwar Textverderbnis oder Verschreibung von Jtovr|pia - „Schlechtigkeit, Bosheit", erwägt aber auch die Möglichkeit, daß die Übersetzung den Text insgesamt wie das allgemeine „Bosheit" konkretisierend interpretiert.393 Auch wenn sich insbesondere bei neuzeitlich-bürgerlichen Rezipierenden die Assoziation einstellen mag, hier werde Luxus verurteilt, ist dem nicht so: ist kein pejorativ konnotierter Begriff und hier auch nicht so gemeint,394 der Text arbeitet mit den Gegensätzen von Schein, Sein und (Selbst)Zuschreibung. 391
BARST AD, Akkadian ,Loanwords'. WATTS, Isaiah 34-66, WBC, S. 172. 393 HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 151ff. 394 HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 176. 392
316
B.IVA. Der Untergang Babylons
-Jesaja
Babylon wird auch nicht die Zerstörung des Tempels (wie in Jer 50,28) oder Kriegsgreuel (wie in Ps 137,8f), sondern die brutale Behandlung der Exilierten vorgeworfen (V.6). Brueggemann hat festgestellt, daß das Erbarmen Gottes und das Erbarmen Babylons (mit Ausnahme von Jes 47,6!) stets zusammenhängen: das (Nicht)Erbarmen des/der einen zieht das (Nicht)Erbarmen des/der anderen nach sich. Dies macht er an Jer 42,9-17; 50,41—43 (im Vergleich mit 6,22-23); Jes 47,5-7; lKön 8,46-53; 2Chr 36,15-21 p n n ) u. Dan 4,19-27 (]n) fest."5 Das Erbarmen Babylons ist an den Stellen, die Brueggemann anführt, nicht auf das Geschlecht einer Person/Personifikation festgelegt. In der Tat ist auffallig, daß von acht Belegen, die Ges17 für Cll~l I - „erbarmen, a) von Menschen" anfuhrt, sechs direkt oder indirekt mit Babylon zusammenhängen.396 Jes 13,18 findet aber bei Brueggemann merkwürdigerweise keine Erwähnung. Dabei kann Jes 13,18 m.E. Brueggemanns These noch stützen: zu Jes 47,6 führt er nämlich aus, daß die Autonomie per definitionem Erbarmen ausschließt und genau das führe zur Selbstzerstörung.397 In der Tat kann die Unbarmherzigkeit der Eroberer Babels als Folge der Unbarmherzigkeit Babylons in Jes 47,6 gelesen werden, die Eroberer in Jes 13 sind schließlich Gottes Heere. In der Forschung findet sich durchgängig die Ansicht, Babylon werde hier der Vorwurf gemacht, Zauberkünste und magische Praktiken auszuüben. Zauber (Wurzel außer in Ex 22,17 ist an allen Stellen Teil einer Aufzählung) ist Israeliten und Israelitinnen verboten (Lev 19,26b.31; 20,6.27; Dt 18,9-14) und findet sich dementsprechend auch in nichtjuristischen Texten als auszurottende Tat (2Kön 9,22; Mi 5,11: Mal 3,5), als Sünde (2Chr 33,6) und Fremdpraktik (Pharao Ex 7,11; Nebukadnezar Dan 2,2). Wie bei den beiden letzteren wird Babylon die Zauberei aber nicht vorgeworfen, sondern als Usus fremder Völker einfach benannt,398 sie wird nur - wie bei letzteren - als wirkungslos entlarvt. Mit diesem Wissen und dieser Gewißheit fordert Gott sie sogar auf, ihre mantischen Möglichkeiten zu nutzen!399
395
BRUEGGEMANN, M e r c y .
396
Das (Nicht-)Erbarmen Babylons/Nebukadnezars lKön 8,50; Jer 21,7; 42,12, das Nichterbarmen der Feinde Babylons Jes 13,18; Jer 50,42; das Nichterbarmen der Feinde Jerusalems Jer 6,23 par Jer 50,42. Ausnahmen sind der Vergleich Gottes mit dem Erbarmen eines Vaters (Ps 103,13) und einer Mutter (Jes 49,15). 397
398
BRUEGGEMANN, M e r c y , S . 12.
Das ist bei Ninive (Nah 3,4) anders. Wirkungsgeschichtlich ist die Verbindung von „bösen Frauen" mit Zauberei (Jes 47,8.10; 2Kön 9,22; Nah 3,4; Ex 22,17) fatal, nicht nur führte sie z.B. zur Hexenverfolgung der Frühen Neuzeit, sondern schlägt sich in der modernen Kriminalistik und Rechtsprechung in der Ansicht nieder, Giftmord sei die weibliche Form des Mordens, s. dazu die Ausfuhrungen und Belege bei WEILER, Gitftmischerinnen, u. MAKAC, „Außerhalb der ethischen Gesetze". 399
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
317
Mit der Folge, aus Babylon nicht nur eine Mantikerin, sondern noch eine Hexe zu machen, setzen sehr viele Exegeten/ Exegetinnen für das Verb 1FIÖ II pi. - „suchen"400 eine eigene, nur in Jes 47,11 vorkommende Bedeutung „(weg)hexen", an, in Jes 47,15 wird darüberhinaus ~lilD in ~iri!Ü als zweiter Beleg konjiziert.401 Gleichzeitig gerät mit einer solchen Übersetzung Tlttf als Terminus der Weisheitstheologie und damit das breite Belegtsein von weisheitstheologischer Begrifflichkeit aus dem Blick.402 Selbstredend gehen in der gesamten Antike Wissenschaften im allgemeinen wie Astronomie, Mathematik und Medizin im besonderen mit Religion und mantischen Praktiken ineinander über und sind so kaum voneinander zu trennen. Diese historische wie auch die in diesem Text verhandelte Leistung Babylons aber als bloße Mantik darzustellen, verkleinert die Reichweite des hier mit viel Aufwand behandelten Problems und reduziert letztlich alles auf eine Art Götzenbildpolemik. Wie die Vorannahmen die Deutung bestimmen, zeigt ein Vergleich mit der Lektüre eines an zwei Punkten Jes 47 sehr ähnlichen Text, der Isis-Inschrift von Sais: „ich bin alles, was ist, war und was sein wird, kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben". Obwohl die Göttin Isis hier dem Absolutheitsanspruch und dem Selbstverständnis JHWHs (Ex 3,14) näher ist 400 Die Form H i n s heißt „ihre Morgenröte" und wird besonders im angelsächsischen Bereich durch die Zuordnung des BDB oft auch so übersetzt (s. z.B. WATTS, Isaiah 34-66, WBC, S. 168; Franke, Isaiah 46, 47, and 48, S. 135). Alle anderen Übersetzungen - wie auch meine - konjizieren in PnnÖ als Inf. pi. mit Suffix von TTO II. Diesem Wort wird dann unterschiedliche Semantik gegeben, hier verstanden als Grundbedeutung „suchen". Ges17, s.v. "intf II pi., liest „es abkaufen". 401
Z . B . KÖHLER, zit. n a c h WESTERMANN, J e s a j a 4 0 - 6 6 ; A T D , S. 151; HERMISSON, D e u -
terojesaja, BK, S. 152 u.180; BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 357 u. 353. u. RUPPERT, Art. T I E II, Sp. 1223, aber auch BUBER. Als Argument dient dabei, daß im Akkad. das verbreitete Verb sahäru(m) „sich wenden, suchen" u.a. mit einer Spezialbedeutung „behexen" (AHw II, 1005) überliefert ist. 402 JJT - „erkennen, wissen" wird von BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 357, zum Beispiel als eine Form von Mantik aufgefaßt, ähnlich schon WATTS, Isaiah 34-66, WBC, S. 171. Zu V.10 „Deine Weisheit und deine Erkenntnis haben dich verfuhrt" (Übersetzung HERMISSON) stellt HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 179, denn auch klar: „Damit ist nicht in erster Linie die politische Klugheit und das taktische Geschick gemeint [...], sondern wie in 44,25 die Mantik und die Kunst der Magie". Obwohl kein Lehnwort oder ähnliches dafür vorkommt, vergleicht er V.10 (hebr. HCDH und HUI) mit dem akkad. Wort für Weisheit nemequ, das eben nicht Weisheit bezeichne, sondern mantische Fähigkeiten. Im Anschluß daran heißt es unvermittelt, Ibn Esras Auslegung, daß es um den Gegensatz von Gott oder Technik gehe, sei „auch bedenkensweit" (ebd.), um am Ende trotzdem für okkulte Praktiken als Gemeintes zu plädieren (S. 183). Dieses Verständnis zieht sich durch seine Auslegung: der B e g r i f f n e » (V.13) z.B. faßt nach HERMISSON die babylonische mantische Praxis zusammen (ebd., S. 186). Und dennoch heißt es am Schluß seiner Gesamtauslegung zu Jes 47, daß es nicht Mantik sei, was Babylon vorgeworfen werde, und auch nicht Hybris, sondern die Behauptung der eigenen Göttlichkeit (S. 198f).
318
B.W. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
als den Eigenaussagen Babylons in Jes 47, wird diese Inschrift in der europäischen Neuzeit mitnichten als hochmütig oder blasphemisch verurteilt.403 Im Gegenteil, in seiner „Kritik der Urteilskraft" fuhrt Kant diese Inschrift als Inbegriff des Erhabenen an.404 Sie wurde Titelblatt vieler naturwissenschaftlicher Werke, die sich um die Entschleierung der letzten Naturgeheimnisse (vergeblich) bemühen.405 Währenddessen wird für Jes 47 die naturwissenschaftliche Thematik zugunsten einer Hybris- und Blasphemie-Deutung nicht gesehen. Die „eigentliche" Sünde Babylons ist m.E. eher ein Denkfehler: obwohl sie ein Werkzeug Gottes ist (V.6), dachte sie, ihren eigenen Willen ausgeführt zu haben und sie dachte, sie wäre allein. Beides ist nicht der Fall.406
1.4.4.3. Wer oder was ist Babylon? In einem Text über widerstreitende Definitionsmächte wie Jes 47 ist es kaum möglich, festzustellen, wer oder was Babylon ist, weil ja gerade das verhandelt wird. Und doch fallt besonders im Vergleich zu anderen Babylon-Texten auf, daß die babylonische f l t f , und damit das geographische Machtgebiet Babylons, nicht erwähnt wird; stattdessen fällt der nicht eingegrenzte Ausdruck r r o b n n - „Königreiche" - und erinnert an Jer 25,l-26a. Insgesamt treten topographische Begriffe und Kategorien zugunsten weiblicher sozialer Rollen in den Hintergrund. Allenfalls deutet die betonte Desavouierung der wissenschaftlichen Berater auf Babylon als Wissenschaftszentrum. Die eigentliche Gegenwart kommt nur in der Verneinung, als zukünftiges „Nicht-mehr" in den Blick. Die gegenwärtige Pracht dient als Kontrast zukünftigen Zerstörtheit und erscheint doch nur als Verneinung. Zum Beispiel wird Babylon entthront, aber nicht zuvor als Thronende dargestellt.407 In der Schilderung dessen, was Babylon alles verlieren wird, entsteht eine regelrechte descriptio ex nihilo der gegenwärtigen Pracht, der Macht und des Reichtums Babylons. In der Tat leistet Jes 47 die politische und ökonomische Identifizierung Babylons nur als Nebeneffekt zur theologischen Identifizierung - und hier unternimmt, wie oben gezeigt, Jes 47 den Versuch, Babylon als Hauptkonkurrenz zu Gott aus dem theologischen Denksystem zu streichen, indem ihre/seine Identität neu festgelegt wird. An die Stelle Babylons als Hauptent403
Zu einem Vergleich des JHWH-Namens und der Isis-Inschrift in der Kulturgeschichte s. ASSMANN, Der Name Gottes. Zur Kulturgeschichte der Inschrift; nun ders., Das verschleierte Bild. 404 KANT, Kritik der Urteilskraft, S. 417. 405 ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 195; HADOT, Zur Idee der Naturgeheimnisse. 406
FRANZMANN, C i t y , S. 11.
M
DARR, Isaiah's Vision, S. 171.
B.IV. 1.4. Die Absetzung der Königin: Jesaja 47
319
sprechung zu Gott soll nun Zion/Jerusalem treten. Genau dies wirkte sich in der Folge fatal aus: statt die Gegnerschaft Babylon - Gott in der Folge von Jes 47 von der .Pcw/werschaft Zion - Gott abgelöst zu sehen (Jes 49,17-21; 50,1; 54,1-10), hat die Auslegungsgeschichte ein solches Interesse an dem Gegeneinander(ausspielen) der beiden Frauenfiguren gehabt, daß das Paar Babylon-Jerusalem und in der Folge der Johannesoffenbarung Hure-Braut die Lektüre dieser Texte beherrscht.
1.4.4.4. Stadt und Frau Die Kommentarliteratur schwankt ähnlich, wie es Day408 für die Auslegung von Ez 16 angeführt hat, zwischen den Bildern Stadt und Frau und der „historischen Realität". Hermisson sei hier als Beispiel herausgegriffen.409 Er meint, der Kinderverlust (V.8f) Babylons beziehe sich auf die Einwohner (S. 177), während die Aufforderung, die Ströme zu durchziehen, „da eine Stadt nicht wandern kann" „natürlich im Bild" bleibt (S. 173) und quasi metaphorisch ausmalt, daß die Babylonier ins Exil müssen. Die Anreden in V. 1 und 5 dagegen seinen literarischer Usus und meinen „die junge Frau in voller Lebensfrische", was historisch dann den „Aspekt ihrer Bewohnerschaft oder genauer: der sie seit 626 beherrschenden Dynastie, des Staatsvolks" (S. 170) anspricht. Weiter unten heißt es zu V.8-10: „Man soll natürlich nicht fragen, wie denn eine Jungfrau' zur Mutter und Witwe werden kann, schon deshalb nicht, weil solche Gegenüberstellung dem Sinn der Anrede in V.l nicht entspricht, und darüber hinaus, weil man poetische Bilder mit je eigenem Assoziationshorizont nicht gegeneinander aufrechnen kann." (S. 177)
Dagegen sei die Bedeutung von ""ISO nicht einfach die allgemein verwendete, sondern meinte in diesem Zusammenhang etwas „durch magisch-rituelle Handlungen" abzuwenden, was sich wahrscheinlich auf babylonische Riten der Beschwörungspriester in Krankheitsfällen oder für Reinigungszwecke bezieht (S. 181). Demgegenüber ist festzuhalten, daß Jes 47 der einzige Babylon-Text - und einer der wenigen Texte im Alten Testament überhaupt - ist, in dem die Metaphorisierung einer Stadt als Frau und in verschiedenen Frauenrollen gänzlich durchgespielt und durchgehalten wird. Das Springen von einem Bildbereich zum anderen, wie es in anderen prophetischen Texten begegnet, erfolgt hier an keiner Stelle. Eine Rückübertragung auf die Bedeutungsebene „Stadt" ist allenfalls aufs Textganze gesehen möglich, für die einzelnen Bilder jedoch nicht. Dies betrifft besonders V.2 und 3, d.h. die Stelle, an der der Text 408 409
DAY, Adulterous Jerusalem's Imagined Demise. HERMISSON, Deuterojesaja, BK.
320
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
am detailliertesten die geschlechtliche Demütigung einer Frau vollzieht, ist am wenigsten auf den Bereich „Stadt" hin zu lesen. Zugleich sind genau diese beiden Verse gerahmt von den einzigen Signalen, die überhaupt darauf hinweisen, daß es sich um eine Stadt handeln kann, die Namen „Jungfrau Tochter Babel" (V.l) und „Tochter Chaldäa" (V.l.5). Sehr typisch für die sogenannte Ehemetaphorik kommen alle sozialen Frauenrollen vor: Jungfrau, Tochter, Gebira, Witwe; nur der Status der Ehefrau nicht! Die Motive in Jes 47 finden sich in einigen Texten über Frauenfiguren auch außerhalb von Deutero-Jesaja wieder und knüpfen so ein Netz zwischen den Texten. Während der Vorwurf der Zauberei (^ÖD) auch Frau Ninive (Nah 3,4) und die Königin Isebel (2Kön 9,22) trifft, finden sich zusätzlich einige Bezüge zwischen Jes 47,1-7 und Klgl 1,8-10; 2,1.10 und dann 3,28-3,30.410
1.5. Babylon im Jesajabuch: Eine Untergangsfolge 1.5.1. Die zeitliche Abfolge des Niedergangs - Linien durch das Jesajabuch Daß am Anfang des Textes Jes 47 die persönliche und intime Demütigung Babylons steht, ist ein provokativer Textbeginn, wie er in Deutero-Jesaja öfter vorkommt, ähnlich ist z.B. der abrupte Beginn in 40,1. Und dennoch muß Jes 47 für die Rezipierenden auch plausibel sein. Warum steht die Deklassierung und körperliche Demütigung Babylons vor dem Verlust der Ratgeber und Minister?4" Tatsächlich ist der Text von beiden Seiten her plausibel lesbar, nämlich von vorn nach hinten und von hinten nach vorn. Eine Lesart von hinten nach vorn bietet ein chronologisches Modell, wie der Untergang Babylons möglich wird. Diese Lesart der Abschnitte verleiht auch dem auf den ersten Blick etwas unscheinbaren Schlußsatz eine große Bedeutung. Das Taumeln der Berater am Schluß (47,15) erinnert an den Jeremiatext vom Tränken aller Völker mit Babylons König als dem, der zuletzt trinkt (Jer 25). Genau hier setzt 47,15 410
WILLEY, Remember, S. 167-170. WESTERMANN (Jesaja 40-66, ATD, S. 154) führt für die Erniedrigung in den Staub außerdem einen ugaritischen Text an, in dem Baal und Anath Ltpn den Gott der Barmherzigkeit in den Staub befehlen. 411 BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 347, fragt mit seiner Lektüre, warum die Absetzung als Königin dem Gericht vorausgeht. Seine Lösung ist, daß die folgenden Verse einen Gang in die Unterwelt schildern, in der dann in V.8-15 eine Gerichtsverhandlung stattfindet. HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 168, erklärt dasselbe Phänomen als literarisches Mittel: „In der zeitlichen Abfolge geht das erst in V . l l [...] angekündete Unheil natürlich vorauf, aber der Prophet setzt mit dem entscheidenden Effekt der über Babel kommenden Katastrophe ein."
B.IV.Ì.5. Babylon im Jesajabuch: eine
Untergangsfolge
321
ein."2 Nach Jahren und Jahrzehnten der allgemeinen Zerstörung haben sich Jer 25,l-26a, insbesondere 25,17-26a, erfüllt. Nun muß noch der König von Scheschach trinken, so daß auch er und sein Volk taumeln und fallen - ins Schwert (Jer 25,27). Scheschach ist ein Tarnname für Babel, bei dem die Buchstaben in ihre alphabetische Reihenfolge mit der Mitte als Spiegelachse von hinten nach vorn und von vorn nach hinten vertauscht sind.*" Wenn das Wort HUP - „taumeln" in Jes 47,15 fallt, kann das m.E. als Textsignal gelesen werden, hier Jer 25,26b einzutragen. Damit steht der Anfangspunkt eines detaillierten Zeitplans bevor, wie das/die übermächtige Babylon in die Bedeutungslosigkeit sinkt: zuerst verliert Babylon ihre/seine Berater und Führungskräfte (V. 13-15), daraufhin die eigene Analysefahigkeit (V. 10-12), dann den sozialen Familienverband (V.8-9), ihre Stimme und ihre öffentliche Stellung (V.5), schließlich verliert sie jede menschliche Würde (V.2-3), V.l bildet die Überschrift als Ankündigung der Erzählung vom buchstäblichen Niedergang Babylons. Die Machtverteilung im Text verläuft ebenfalls rückwärts: während V.7-15 noch einen wiedergegebenen (Schein-)dialog enthält, ist mit der Gelenkstelle V.6 der erste Abschnitt zu Befehlen übergegangen. Auch das Gewicht Babylons im Vergleich zu Gott verliert sich vom Ende zum Anfang: in V.7-15 noch Konkurrenz zu Gott (ähnlich wie Pharao in Ex 1-15), wird Babylon in V.6 Werkzeug von Gottes Willen, in V . l - 5 wird sie zur ihm unterstellten Sklavin. Zeitlicher Schluß des Textes ist für Babylon V.3; V.4-6 faßt die wiedergewonnene Beziehung zwischen Gott und Israel noch einmal zusammen, sie umschließt das Ende Babylons (V.5) - wie schon in Jes 12-14. So weist der „neue" Schluß Jes 47,3-6 über Jes 47 hinaus zurück auf das (bisherige) Jesajabuch: Erst aus einer eroberten Stadt können die Götter entführt werden (46,l^). 4 1 4 Gott offenbart (Hb:) seine Herrlichkeit (40,5), ihm ist nichts unmöglich, ebenso wie er die mächtigste Stadt der Welt zur Sklavin 412 Die Eintragung von Jer 25,26 hinter Jes 47,15 ist eine Erklärung für das Ungleichgewicht des Ergehens von Babylon und Jerusalem in Deutero-Jesaja: in 51,17-23 soll die (ehemals) betrunkene Jerusalem sich nun erheben. Eine Trunkenheit ist aber für Babylon in Deutero-Jesaja nicht erwähnt. Zum - in jedem Fall vorhandenen - Widerspruch zwischen 47,14 (Tod durch Feuer) und 47,15 (Taumeln, was im AT nie durch Feuer verursacht wird) gibt es in Jer 51,39 zumindest eine zusammenfassende Tendenz: „Wenn sie glühen [CCH vgl. Jes 47,14], werde ich ihr Gastmahl bereiten, und sie berauschen, damit sie sich freuen und (dann einschlafen) - einen Schlaf der Ewigkeit und nicht mehr aufwachen, Spruch JHWH." Anders HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 178, der 51,17ff entsprechende Textstellen in 47,1.9aba sieht, was ich allerdings nicht nachvollziehen kann. 413
S. dazuu. S. 361 f. BERGES, Das Buch Jesaja, S. 364-365, führt mehrere Gründe an, warum 46,1-4 Kap. 47 chronologisch wohl nicht vor-, sondern nachgeordnet ist: im Gegensatz zum präsentischen Kap. 47 ist 46,1-4 perfektisch formuliert und in Jes 47 ist nicht von der Wegführung der Götterbilder die Rede, stattdessen wird ihre Nützlichkeit hinterfragt. In der der Zerstörung folgenden Verschleppung der Götterstatuen 482 v.Chr. durch Xerxes I. kann ein historischer Anlaß gesehen werden. 414
322
B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
macht, kann er die Berge einebnen und die Täler erhöhen - dies ist der Rückweg aus dem Exil (40,3-4; 35), ein Trost für Israel (40,1-2; 12,1; 66,13)/" an dessen Ende eines Tages die Ankunft steht (14,1-2),416 die Ruhe, die keinen Trost mehr braucht (14,3) und Gotteslob in kollektiver Freude (12,4b-6). Dies (Jes 12,4b-6) ist aus dieser Perspektive Zielpunkt des Buches Jesaja. Für Babylon laufen die Textbezüge parallel: in Jes 47 ist mit dem Taumeln der Bewohnern /Bewohnerinnen das Signal gegeben, daß die 70 Jahre der babylonischen Vorherrschaft nun zu Ende sind, Jer 25,11 =25,15-26a haben sich erfüllt, nun beginnt Jer 25,12=25,26b sich zu erfüllen; die Trunkenheit = die Verwüstung Babylons. Bis zum Ende/Anfang von Jes 47 ist Babylon bis zur Entblößung geschwächt. Hier setzt parallel zu obiger Entwicklung Jes 13 ein, der Untergang der Stadt Babylon durch ein übermenschliches Heer, dem keine Gegenwehr begegnet. Dies nimmt auch der Prophet in Jes 21 wahr, er zeigt eine ähnliche Reaktion wie die Babylonier, Babylonierinnen - und taumelt (21,4). Am Ende ist Babylon ohne Einwohner - eine Geisterstadt (Jes 13,20-22; 14,22f). Nachdem Israel (wieder) vollständig Israel ist, ist vom König von Babylon nur noch eine Witzfigur geblieben (Jes 14). Zapff vertritt die These, daß Jes 13 ähnlich wie Jes 35 im Jesajabuch insgesamt eine Brückenfunktion zukommt.417 Für mich schließt sich daran die Frage an, warum dies ein Babylon-Text ist. „Babylon" ist ein Fremdvolk und doch von ausgerechnet allen anderen Fremdvölkern verschieden. Davies weist nach, daß Rekurse auf Fremdvölker und Motive aus Fremdvölkersprüchen das Jesajabuch in seiner Gänze prägen und somit zu seiner Einheit beitragen. Bereits die Anfangs- und Endpassagen des Jesajabuches (2,2—4; 66,18-24) enthalten Fremdvölkersprüche, sie spielen außerdem eine wichtige Rolle in allen drei Teilen des Jesajabuches sowie in allen Abschnitten Proto-Jesajas.418 Das Bild und die theologische Rolle der Fremdvölker sind dabei ähnlich heterogen wie im Zwölfprophetenbuch, die Widersprüche spiegeln die verschiedenen Positionen. Über Babylon und Babylon-Texte findet Israel im Konzept Jesajas zu seiner eigenen Identität (47,6; 14,3; 12,6). So und erst so bewirkt tatsächlich das Unheil für Babylon Heil für Israel.
415
Der Trost für Israel umspannt alle drei Teile des Buches, s. RENDTORFF, Zur Komposition, S. 298f. 416 14,1-2 „summarises in a very concise fashion the main lines of Jewish hope which emerged late in the sixth century with the prophecies now preserved in chs. 40-55" (CLEMENTS, I s a i a h 1 - 3 9 , N C B , S. 138). 4
" ZAPFF, Prophetie, S. 43 u.ö. DAVIES, Destiny of the Nations.
418
B.IV. 1.5. Babylon im Jesajabuch: eine Untergangsfolge
323
1.5.2. Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz - Jesaja 47 und Jesaja 14 Der doppelte Niedergang von Stadt/Reich und König in Jes 13-14 ergibt für Babylon Gemeinsamkeiten mit Tyrus (Ez 26,1-26, bes. V. 19-21) und seinem/ihrem König (Ez 28,1-10, bes. V.8), Assur (Jes 10,8-11; Nah 3) und seinem König (Jes 10,13-14; 37,24b-25) und Ägypten (Ez 32,17-32, bes. V.1819) und Pharao (Ez 31,1-18, bes. V.14.15-18).4" Für Babylon gibt es im Jesajabuch noch weitere Bezüge: auf der einen Seite stehen sich Jes 13 und 21 gegenüber, auf der anderen Jes 14 und 47. Bereits oben ist ausgeführt worden, daß Jes 14 als Teil des Stadt-/Reichsuntergangs Babylons vorgestellt ist. In Jes 14 und 47 finden sich dagegen komplementäre Entsprechungen. Singulär ist die feminine Personifizierung einer/s Stadt/Reichs in Jes 47 derart konsequent durchgehalten, daß beide Texte in eine Parallele zueinander treten (können). Darüber hinaus ist beiden Texten das Thema eines plötzlichen und nachhaltigen Statusverlusts einer königlichen Figur, des Königs von Babel (Jes 14,4) und der Herrscherin über Königreiche (Jes 47,5), gemeinsam.420 Bereits Lohmann hat in der Teilveröffentlichung seiner Dissertation „Die anonymen Prophetien gegen Babel aus der Zeit des Exils" 1910 einen Vergleich von Jes 14 und 47 unternommen, der eine Studie zur Entwicklung des prophetischen Spottliedes darstellt. Bei der Exegese beider Texte nimmt Lohmann z.T. gravierende Eingriffe vor. Sein Ergebnis ist dann, daß beide Texte in ihrem Aufbau parallel laufen: Thema, expositio, Überleitung, Ausfuhrung und Schluß sind sehr ähnlich. Bei beiden besteht die Überleitung von der Einleitung zur Ausfuhrung darin, daß es JHWH ist, „der dem Treiben Einhalt gebietet" (Jes 14,5; 47,3b-4*). Die Ausfuhrung des Themas erfolge nun in vier Abschnitten: „Der Weltbeherrscher als Tyrann"/„Die weichliche und verzärtelte Herrin"; „Sein gottloser Hochmut und seine hochfahrenden Pläne"/„Ihre maßlose Herrschsucht"; „Seine Zerstörerwut und Behandlung der Gefangenen"/„Ihr gottloser Hochmut und ihre Sorglosigkeit"; „Sein Wüten im eignen Land und Volk"/„Ihr Pochen auf ihre Weisheit und Zauberkünste". Den Schluß bildet bei beiden „die gänzliche Aussichtslosigkeit auf Ret-
419
BALTZER, Deutero-Jesaja, KAT, S. 344. FRANKE, Isaiah 46, 47, and 48, S. 108. Für FRANKE sind beide Texte in ihren Kontexten Negativfolien zu positiven Texten. Während Jes 47 durch den gesamten Deutero-Jesajatext als Negativfolie zu Jerusalem fungiert, ist Jes 14 - und 13 - das Negativ zu Friedens- und Königsutopie in Jes 11 (FRANKE, Reversais of Fortune, S. 120). WILLIAMSON, Book, S. 169, fuhrt an, daß Jes 14 und 47 insbesondere im sprachliche Stil wie dem Sarkasmus und Spott einander sehr ähnlich sind. FRANZMANN, City, S. 14f, vergleicht Jes 14 und 47 unter dem Aspekt der Entthronung, nimmt hier aber noch Dan 4; Jer 52 und Jer 13,18-22 hinzu. Den Hauptunterschied zwischen Jes 14 und 47 sieht sie in der Todesstrafe für den König und der sexuellen Entwürdigung der Königin. 420
324
B.IV.l. Der Untergang Babylons - Jesaja
tung".421 Die Übereinstimmungen sieht Lohmann aber weniger im gemeinsamen Stoff als im gleichen literarischen Charakter der Dichtungen. Beides sind spöttische Leichenlieder, während aber Jes 14,4b-21 an dem dafür traditionellen Schema festhält, durchläuft Jes 47 eine Entwicklung, indem „es das Spottlied von der Verkettung mit dem Leichenliede loslöst und es sozusagen auf eigene Füße stellt".422 Das ist der unterschiedlichen Position des Propheten gegenüber seiner Prophezeiung geschuldet: „Dort (Jes. 14) sieht er den prophezeiten Untergang bereits vollzogen, hier sieht er die Katastrophe erst herannahen"423. In meinen obigen Bemerkungen zu Jes 47 und 14 habe ich die literarischen Gattungen nicht berücksichtigt, meine Überlegungen zum Aufbau tragen andere Ergebnisse, und doch hat Lohmann m.E. die vielen Gemeinsamkeiten von Jes 14 und 47 zurecht betont, wenn auch seine geschlechtsspezifische Perspektive auf beide Texte seine Auslegung beeinträchtigt. Gerade wegen der Gemeinsamkeiten treten die Unterschiede zwischen Jes 14 und 47 m.E. aber auch besonders hervor. Zum einen sind beider Tun und Schicksal graduell unterschieden, zum anderen komplementär zueinander. Die Demütigung des Königs erfolgt erst im Totenreich, und sie besteht darin, daß sein Prunk geschwunden ist und er sich mit Gewürm bedecken muß. Er wird kein ehrenvolles Grab und Andenken erhalten (Jes 14,19f). Die Königin wird im Gegensatz dazu bereits zu Lebzeiten gedemütigt und erniedrigt, und zwar vor aller Augen (Jes 47,1-5). Als eine kinderlose versklavte Witwe, zu der sie gemacht wird, wird sie weder ein prunkvolles Grab besitzen, weil sie womöglich über kein Geld oder keinen Besitz mehr verfügt, noch überhaupt ein Andenken, weil sie niemanden mehr hat, der ihrer gedenken kann. Diese Komparation zwischen den beiden Figuren spiegelt auch die Eigenschaften und Handlungsweise der beiden. Seiner Aggressivität gegen die gesamte Schöpfung (14,4b-8) steht ihre Unbarmherzigkeit an Israel gegenüber (47,6). Während er sein eigenes Volk (14,20) und alles andere getötet hat, hat sie ein fremdes Volk (Israel) unterdrückt (47,6). Während die Aggressivität des Königs ihm in die Unterwelt vorausgeht, und also eine Übereinstimmung zwischen seinem Tun und seinem Ergehen besteht, ist das bei der Königin nur in Teilen der Fall: die verneinte Unwahrscheinlichkeit bricht herein. Aber darüber hinaus ist die in V.2f angekündigte Demütigung sexueller Art. Diese Strafe verletzt die Frau in ihrer Geschlechtlichkeit, demütigt und erniedrigt sie in beschämender Weise als Frau. Allenfalls in gewalttätigen Eheverhältnissen wurde und wird die Frau durch sexuelle Demütigung und Vergewaltigung „diszipliniert". Die Männlichkeit des Königs erfahrt keine sexuelle Beschämung, sie kommt an einer Stelle kurz zum Vorschein, wo es um sein jetziges mangelndes kriegerisches Tun geht: „Ist das der Mann, der die Erde wüten, 421 422 423
LOHMANN, Prophetien gegen Babel, S. 66. LOHMANN, Prophetien gegen Babel, S. 67. LOHMANN, Prophetien gegen Babel, S. 58.
B. IV. 1.5. Babylon im Jesajabuch: eine Untergangsfolge
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die Königreiche beben macht, der die Erdfeste wie die Wüste machte und seine Städte einriß, der seine Gefangenen nicht nach Hause entließ?" (14,16bf). Sonst ist in beiden Texten das Männliche im Sinne des Allgemeinen im Blick: jeder (UTK) der Könige liegt in seiner Gruft (14,18) und jeder (Ö'K) mögliche Retter taumelt (47,15). Obwohl es bei ihrer Schuld um buchstäbliche Unterdrückung, nämlich Schwacher unter ein Joch geht, wird ihr von Gott mit großer Aggressivität begegnet (V.3).424 Ihre Schuld und ihre Strafe stehen nur in Teilen in einem Entsprechungsverhältnis zueinander. Zudem war die Unterdrückung des Gottesvolkes ihr von Gott aufgetragen; der König handelte aus eigenem Ehrgeiz und ohne Auftrag. Die Hervorhebung der Fehler weist ebenfalls graduelle Unterschiede auf: die Königin wähnte sich durch ihre Sicherungssysteme geschützt, während der König bei dem Versuch, über den Höchsten (Gott) zu steigen, umso tiefer fällt. 425 Obwohl es in Jes 14 neben der Frage nach dem Status auch um Körperlichkeit geht (Aufstieg, Abfall und Tod), kommt der Text erst in V.19 auf den Körper des Königs zu sprechen. Damit aber beginnt Jes 47 und zwar massiv (V.l-5) - dabei handelt die zu ändernde Situation der Königin (V.7-15) von Systemen und nicht von Körperlichkeit. Die Sprecher des Textes sind ebenfalls graduell unterschieden. Den Text gegen die Königin spricht Gott selbst, die Zeitgenossen und Israel kommen nur am Rande zu Wort. In Jes 14 singen Israel, die Natur und die anderen Könige ein Lied, von einer persönlichen Gottesgegnerschaft ist nichts zu spüren, der König scheint von selbst zu Fall zu kommen. Entsprechend ist auch die Schuld-Strafe-Abfolge unterschiedlich ausgestattet: Gott verkündigt der Königin zuerst ihre Strafe und kommt im Laufe seiner Rede auf ihre Schuld zu sprechen. Jes 14 beginnt hingegen mit der Erleichterung der Umwelt, langsam wird im Laufe der Wortbeiträge deutlich, daß den König ein seinem Tun entsprechendes Schicksal ereilt. Beide Texte dienen ausschließlich der Äußerung von Kritik in metaphorischer Sprache. Daß aber diese Metaphern kein dauerhaftes, systematisches Bild abgeben sollen, hat für das Bild der Frauen keine Folgen. Gerade weil die Frau, die in der Logik des Textes nur alles falsch machen kann, und die mit (sexueller) Gewalt gedemütigt wird, fast alle Frauenrollen abdeckt, wirkt 424 In Deutero-Jesaja ist die Rede vom Entlassen der Gefangenen aus dem Gefängnis relativ häufig. Umso erstaunlicher, daß in Jes 47 davon kein Wort fällt - dafür aber in Jes 14,17. 425 Daß ein relativ großer Unterschied zwischen Selbstvertrauen und Selbstüberhebung besteht, wird von RITT im Zusammenhang mit seiner Auslegung von Offb 18,7 schlicht geleugnet. Offb 18,7 nehme „das Hoffartsorakel von Babel a u f und in Parallelsetzung von Jes 47 und Jes 14 heißt es: „Wer sich für eine selbstsichere Weltbeherrscherin hält, wird im Gericht als arme Witwe entlarvt" (RITT, Offenbarung, NEB, S. 90). Die Wortwahl ist interessant: die Frau ist nicht selbstsicher, sondern sie hält sich dafür, und sie wird nicht zur Witwe, sondern wird als Witwe entlarvt, d.h. sie war es eigentlich immer schon. Eine solche Aussage geht m.E. sowohl an Offb 18,7; Jes 47,8 als auch an Jes 14 vorbei.
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B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
dieser Text fatal auf die Wahrnehmung von Frauen. Eine Frau in vielen Rollen: das läßt an das Tückische und Dämonische des Weiblichen denken. Die Verkörperung verschiedener Frauenrollen und Status in einer Figur zeigt, daß doch alle letztlich nur „Frau" sind. Dagegen gibt es neben dem babylonischen König in Jes 14 noch viele andere Könige (14,9.18) - die Frau steht isoliert da. In der Rezeptionsgeschichte wird sie zum zementierten Frauenbild, er zur historischen Figur - beide Lesarten gehen an beiden Texten vorbei. Zusammenfassend stellt sich heraus: während in Jes 14 der Tun-ErgehenZusammenhang als Kausalität vorherrscht, mangelt es Jes 47 an entsprechenden Kausalitäten; daß ihr mit Gott selbst gerade ein unlogisches gleichwohl aber folgerichtiges Ergehen trifft, ist oben bereits ausgeführt worden. Dem logischen Verhältnis von Tun und Ergehen des Königs in Jes 14 ist in Jes 47 ein personales Verhältnis zwischen Stadt/Reich und Gott entgegengesetzt. Wenn der König sich in Konkurrenz zu Gott stellt, kommt er durch sich selbst zu Fall. Wenn die Königin sich aus sich selbst heraus definiert, begegnet ihr Gott selbst mit der Drohung körperlicher Gewalt wie in einem Eheverhältnis. Nach Aufwand in der Rhetorik, Sprecher und der Strafe ist das Tun der Königin die größere Bedrohung als das des Himmelsstürmers, aus dem in der Rezeption des Textes Luzifer wird. Das System und die Systemzwänge (Jes 47) erscheinen als erheblich bedrohlicher für die göttliche Ordnung als die personale Gottesgegnerschaft eines einzelnen, und sei er auch das Staatsoberhaupt eines bedeutenden Reiches (Jes 14). Im Angesicht von Jes 14 und 47 und den parallelen, komplementären und komparativen Inhalten ist noch einmal zu fragen, ob die Suche nach dem gemeinten König eigentlich dem Text gerecht wird. Warum soll der König als Repräsentant eine historische Gestalt sein und die Königin als Repräsentation Babylons nicht?426 Es sollten hier also im Angesicht der Vergleichbarkeit der beiden Texte entweder für beide historische Verifizierbarkeit oder für beide den Charakter als Repräsentation angenommen werden. Sie beide stellen in gewisser Hinsicht Babylon dar, so ist m.E., nicht mehr vom „König von Babylon" (Jes 14) und der „Jungfrau Babel" (Jes 47) zu sprechen, sondern vom „König Babylon" (Jes 14) und der „Königin Babel" (Jes 47), denen dann allerdings in der geschlechtlich typischen Wahrnehmung begegnet wird. 426
Die Zeichnung der Königin(mutter) zu Zeiten Belsazars weist durchaus in diesen wenigen Versen ihrer Erwähnung (Dan 5,10-12) der Stadt-Königin in Jes 47 ähnliche Züge auf: beide sind königliche hervorgehobene Frauenfiguren (WD^D Dan 5,10; ¡ 1 1 2 Jes 47,5.7) und beide rekurrieren so explizit auf die religiösen, politischen und weisheitlichen Beraterstäbe (Dan 5,1 lf; Jes 47,9-13), daß man für Dan 5 annehmen kann, daß die hier gezeichnete Frau am babylonischen Hof ihren Zuständigkeitsbereich dort haben konnte. Jedenfalls ist es m.E. genauso denkbar, daß die literarische ,reale' Figur und die literarische ,metaphorische' Figur der Königinnen in ihrer Zeichnung voneinander abhängen wie die literarisch ,metaphorische' Figur des Königs in Jes 14 und die nunmehr nur noch literarisch ,realen' Figuren der vielleicht in ihm abgebildeten Könige.
B.IV. 1.5. Babylon im Jesajabuch: Eine
Untergangsfolge
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Beide Texte leisten in der Zeichnung „Babylons" in einer zu demütigenden Königsgestalt eine Personalisierung, die auch eine Biographisierung ist. Sie ermöglicht, eine Verletzung „Babylons" vorstellen zu können und leistet doch auch in dieser leichten und plausiblen Vorstellungsmöglichkeit eine Nachhaltigkeit, die dieses Bild Babylons in einem Menschen unsterblich macht.
1.5.3. Das intertextuelle Bild vom Untergang Babylons im Jesajabuch Die vorstehenden Ausführungen haben unter anderem gezeigt, daß und wie die Texte Jes 13f; 21 und 47 in ihren jeweiligen Textkontext eingebettet sind und ihre jeweils wichtige Rolle im Fortgang der Prophezeiungen des Jesajabuches spielen. Nachfolgend sollen nur noch weitere Verbindungen der Texte dargestellt werden, die noch über die rückwärts folgende Chronologie und die Entsprechungen der männlich und weiblich biographisierten Repräsentationen Babylons hinausgehen. Franke zeigt anhand von Details eine Reihe von Bezügen zwischen den Babylon-Texten Jes 13-14; 21; 47 untereinander und zu anderen Abschnitten im Jesajabuch auf, besonders die Korrespondenz zwischen den ersten Babylon-Texten 13-14 und dem letzten Babylonabschnitt 46—48: „corresponding to this is the personification of VirginDaughter Zion, both within chs. 13-48, and in chs. 1-12 and 56-66. In a general way, it could be said that the references to Daughter Zion form an envelope around the references to VirginDaughter Babylon which are limited to the centre of the book. In the end, Daughter Zion and her descendants are restored, but VirginDaughter Babylon has ceased to exist."427
Zusätzlich bildet Hab 2 m.E. einen Bezugspunkt zu einigen Babylon-Texten, an dem viele Formulierungen, Motive und Inhalte gebündelt vorkommen, ähnlich wie Ez 7 (z.B. Jes 13,11 u. Ez 7,24; Jes 47,13 u. Ez 7,26). Dazu kommen Jer 50-51 als Text, der viele alttestamentliche Traditionen zu Babylon zusammenfaßt, sowie Jer 25, ein Text, der m.E. ebenfalls Bezüge zu den Texten des Jesajabuches aufweist (s.u.). Eine stichwortliche Besonderheit der Babylon-Texte ist aber m.W. bislang noch nicht angeführt worden, die mir jedoch wichtig scheint: Die BabylonTexte des Jesajabuches sind m.E. durch Stichworte am Ende und Anfang derart miteinander verknüpft, daß sie als Fortsetzungen zueinander erscheinen: Im Text Jes 13-14 sind in 14,23 CC^C^N - „Wassersümpfe" erwähnt. Sie finden ein Komplement in 21,1 mit C •"IC - „Wüstenmeer". 21,9 und 46,1 sind durch die Erwähnung der babylonischen Götterbilder aneinandergebun427
FRANKE, Reversals of Fortune, S. 122f.
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B.IV. 1. Der Untergang Babylons - Jesaja
den. Ebenso wie 13,1 und 21,1 ist der Textabschnitt 46-48 in 46,1 mit KÖC eingeleitet. So treten die Babylonprophezeiungen im Jesajabuch zueinander in Beziehung. Sie erscheinen je als Fortsetzung des vorhergehenden Textes und bilden einen möglichen Ariadnefaden durch das Labyrinth428 des Jesajabuches. Die verschiedenen Texte zu Babylon im Jesajabuch weisen von ihrem Babylonbild her Gemeinsamkeiten auf. Begg nennt hier Stolz (47,7-8.10; 13,11; 14,13-14), Unterdrückung (48,6; 14,4b-6.16-17), die endgültige Besiegung durch Gott (43,14; 47,3.9.11; 48,14; 13,19-22; 14,22-23); Verkehrung der Verhältnisse (47,1.5; 13,19; 14,15) und das Verhindern eines künftigen Wiedererstarkens (47,9; 13,20; 14,22).42' Die Bereiche Astronomie, Magie und Mantik finden sich dagegen nach Meinung Beggs nur in Jes 47.430 Dem ist m.E. aber noch Jes 13,10; 14,12-15 hinzuzufügen (s.o.). Zusätzlich fällt auf, daß Jes 21 diese gemeinsame vorkommenden Eigenschaften Babylons nur selten aufweist. Das bestätigt meine Auslegung, daß es in diesem Text nicht wirklich um Babylon geht, sondern um die Wahrnehmung von Babylons Untergang und daß dieser Text ein Supplement zu Jes 13 darstellt. Den Ergebnissen der bisherigen Forschungen sind noch einige Details hinzuzufügen. Wie schon in Jes 13; 14 und 21 wird in Jes 47 der Name Babel/Babylon nur selten genannt. In allen Babylon-Texten (Jes 13f; 21; 47) enthüllt der Namen Gottes Grausamkeiten seiner Identität im Aufeinandertreffen mit Babylon. Wie "IÖ das halbe Wort "Hvtf, ist m n als das halbe Wort m i r lesbar. Nur dem König von Babylon, Sohn der Morgenröte, der doch Gott gleich sein wollte (Jes 14,14) wird der Tod durch Gottesbegegnung versagt; ohne Nennung der Todesursache ist sein Ergehen nach dem Tod betont. In Jes 13; 14 und 47 wird nicht nur die Königlichkeit Babylons hervorgehoben, sondern sogar Babylons Herrschaft über Könige und Königreiche; die Stadt ist die Zierde der Königreiche (13,19), der König ist der Bebendmacher von Königreichen (14,16) und die Königin Herrscherin über Königreiche (47,5). Im jeweiligen Kontext repräsentiert und thematisiert „Babylon" in allen Texten mehr als sich selbst: Anfang und damit Haupt der Fremdvölker (Jes 13f), ein Machthaber schlechthin (Jes 14), Wahrnehmung (und Wahrnehmungsprozeß) von Krieg (Jes 21), eine (neue) Position im Denksystem der israelitischen Theologie Deutero-Jesajas wird Babylon zugewiesen, die von Babylon selbst behauptete Position verneint (Jes 47).431
428
Der Begriff ist von MISCALL, Labyrinth of Images, entliehen. BEGG, Babylon, S. 123. 430 BEGG, Babylon, S. 124. 431 Ausgehend von seiner literarkritischen Zuordnung weist BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 202, die der Babel-Redaktion zugehörenden Textteile verschiedenen Aspekten Babylons zu: „In *13,1-14,23 ist vom Ende des Reichs Babel (13,2-5), der Stadt Babel (13,19-22; 14,22f) und des Königs von Babel (14,[*]4a.4b-21; 13,22 [Suffix]) die Rede, in 21,1-10; 22,5-7 wohl von der Stadt und ihren Götzenbildern, in 33,1.3.12 vom Heer/Volk 429
B.1V.1.5. Babylon im Jesajabuch: eine
Untergangsfolge
329
Babylon und Israel sind in ihrem Ergehen komplementär verbunden, der Untergang Babylons kann die Wiederherstellung Israels ermöglichen und das nicht nur im Blick auf das gesamte Buch und seine Theologie, sondern auch innerhalb der einzelnen Babylon-Texte (12,1-6; 14,1—4a im Gegensatz zu 13,1-22; 14,4b-27-21,10 in Verbindung mit 21,1-9 - 47,1-3.5.7-15 im Gegensatz zu 47,4.6)/" In der Mitte der Teile am Ende von Proto-Jesaja steht dann die Geschichte, wie es zum ersten Kontakt zwischen Israel und Babylon kam (Jes 39).4" Babylon wird untergehen oder untergegangen sein, ist die Aussage aller Babylon-Texte im Jesajabuch. Dabei zeigt die Umstrittenheit in den Datierungen vom 8. Jh. v.Chr. (noch nicht das historische Babylon) bis ca. ins 4. Jh. v.Chr. (nicht mehr das historische Babylon), daß zwar die Notwendigkeit des babylonischen Untergangs und dieser selbst sicher sind, aber die Identität Babylons nicht. Auch bleiben die Texte mit der Aufzählung von Schuldvorwürfen auffallend zurückhaltend, die Gottesgegnerschaft Babylons scheint so sehr festzustehen, daß sie im Namen „Babylon" selbst inhärent ist. Insbesondere die These von Vermeylen, mit „Babylon" sei im 4. Jh. v.Chr. eine Fraktion des eigenen Volkes gemeint, zeigt auch für diejenigen, die seine Ergebnisse ablehnen,434 daß diese Deutung möglich ist. Jes 13 und 47 geben die Möglichkeiten an, wie es zu einem Untergang Babylons kommen kann: in Jes 13 ist es die kosmologische Macht und Kraft Gottes und seiner Angreifer, in Jes 47 ist es das Versagen aller politischen, religiösen und persönlichen Sicherungssysteme im Angesicht des Unvorhersehbaren: in beiden Texten geht es also um den Schicksalsschlag des Unvorhersehbaren und deshalb Unglaublichen. In beiden Texten ist Gegenwehr nicht möglich: das Nichterbarmen Babylons gegenüber seinen/ihren Gefangenen (47,6) hat das Nichterbarmen von Gottes Heer, den Medern, an den Einwohnern und Einwohnerinnen Babylons (13,18) zur Folge.4" Jes 47 hat dabei die Kraft, Jes 13,15-18 zu korrigieren: der Text setzt die literarische Gewalt an die Stelle der physischen - eine ähnliche Funktion hat Ps 137. Im Jesajabuch wird der Untergang Babylons auf zweierlei Weise zweimal variiert: der Untergang der Stadt wird in Jes 13 aus der Innen- und in Jes 21 aus der Außenperspektive geschildert. Die Herabsetzung oder der Sturz einer von Babel, wobei als neues Gerichtswerkzeug Jahwes Medien und Elam (13,17; 21,2bß; 22,6) genannt sind; offensichtlich stellt sich auch das Problem der Verzögerung (13,22b; 33,1)." 432 Anders BEGG, Babylon, S. 122. 433 BEGG, Babylon, S. 123. 434
435
S. z . B . SCHARBERT, R e z . z u VERMEYLEN, S. 15.
Eine kleine Variante dessen, wie die moderne Auslegung in Teilen die Babylon-Texte zusammenliest ist das Verb }-*~IB in Jes 47,12. HERMISSON, aber auch andere, erwägt, daß hier eine Ableitung vom Substantiv 3 - „Gewalthaber, Mächtiger" vorliegt, was einen Bezug zu Jes 13,11 herstellt (HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 153). I als intransitives „schrecken" ist gleichwohl belegt, eine solche Ableitung somit nicht nötig.
330
B.IV.l. Der Untergang Babylons - Jesaja
Figur, die für „Babylon" steht, ist in Jes 14 in dem König Babel und in Jes 47 in der Königin Babel ausgestaltet. Wichtig ist die Aussage, daß sowohl die Babylonier (und den König, Jer 50,43) als auch die Zeitgenossen der Untergang Babylons überraschend trifft (Jes 13; 21). Und: die Pläne der imperialen Großmacht sind von Gott jederzeit zerstörbar, weil sie sich am Ende selbst zerstören (Jes 14; 47). Während in Jes 13 also Gott der Zerstörer ist, handelt Jes 46,1 ff von der Zerstörung der babylonischen Götter. In Jes 14; 47 wird die Figur jeweils mit „du" angeredet. Dabei ist es Israel als literarische Figur, die der femininen Personifizierung, die Gott in Jes 47 für Babylon vornimmt, eine maskuline Personifizierung in Jes 14 entgegensetzt. Jes 14 und 47 erzählen in Dialogform die Geschichte, wie es zu dem Sturz des Königs/der Königin Babylon kommen konnte. In der literarisch-mythischen Fiktion liegen Jes 14; 47 also zeitlich vor der unmittelbaren Zerstörung in Jes 13, die in Jes 21,9 schon berichtete Vergangenheit ist. Es ist eine Parallele zur ersten Erwähnung Babylons in der Urgeschichte als kurze Randnotiz (Gen 10,10) und dann als Untergangstext (Gen 11), daß auch im Jesajabuch die Prophezeiung vom Untergang Babylons (Jes 13; 21) den Berichten von der Eroberung Judas und Jerusalems sowie der Exilierung voraus geht. Die kurze Prophezeiung des Exils (39,1-6) wird in der Realisierung mit Schweigen übergangen. In Kap. 40,1 setzt der Trost Jerusalems und des Gottesvolkes ein. Aber die Möglichkeit, wie Babylon untergeht, läßt sich theologisch literarisch auch anders imaginieren. Im folgenden soll es um das Jeremiabuch gehen.
Kapitel IV.2:
Der Untergang Babylons: Das Buch Jeremía Mehr noch als im Buch Jesaja nimmt Babylon im Jeremiabuch textstrukturell wie theologisch eine entscheidende Stellung ein. Gegenstand der Auslegungen werden in Jer 25 ein geschichtstheologischer Zukunftsentwurf und mit Jer 50-51 eine gigantische Untergangsprophezeiung sein.' Während das Buch Jesaja sich von seiner erzählten Zeit wie auch seiner Entstehung über mehrere Jahrhunderte erstreckt, handelt das Jeremiabuch von einem erheblich knapperen Zeitraum. Laut Jer 1,1-3; 25,3 wirkte Jeremia vom 13. Regierungsjahr Josias 627/6 v.Chr. bis zur Zerstörung Jerusalems 587 v.Chr. (Jer 1,3) und darüber hinaus noch weitere Zeit, seine datierbaren Spuren verlieren sich im Exil. Das Schweigen Jeremias über die Josianische Kultreform ist eines der derzeit ungelösten Probleme in der Exegese, aber die meisten Texte können in etwa in diese Wirkungszeit Jeremias datiert werden, wenn auch spätere Ergänzungen bis weit in die hellenistische Zeit reichen. Für die Datierung vieler Teile ist oft der Machtgewinn Babels und sein/ihr Machtverlust 539 ausschlaggebend: „The tendency of many scholars to date the book of Jeremiah c. 550 is caused by the belief that much of it must have been written before the fall of Babylon in 539 and the subsequent return of a few exiles to Jerusalem after the Persians take-over of power. This view only has force if it can be shown that the fall of Babylon impinged directly on the consciousness of the Judeans (whether in Babylon or the land of Judah)."2
Der Text des Jeremiabuches wird gerahmt von einer Partie über die Beziehung zwischen Prophet und Gott (Kap. 1) und einer Chronik der Eroberung und Zerstörung Judas und Jerusalems sowie dem Schicksal ihrer Könige (Kap. 52): Prophetietheologie und Geschichtstheologie rahmen das Buch Jeremia und füllen es auch: dahinein sind gigantische Lieder, Offenbarungen und Erzählungen von Untergang und Zerstörung, deren Drohung und Vollzug gewebt und, wie es denen ergeht, die so schlechte Nachricht überbringen. Das babylonische Exil, exemplarisch am Verb II - „ins Exil gefuhrt werden" festgemacht, ist mit den Erwähnungen in Jer 1,3; 52,27 Anfang und Ende des Jeremiabuches.
' Gegenstand der Exegesen ist der MT, s. dazu u. 2.1.2. 2
CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 68.
332
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
„Der Reichtum des Buches Jeremía, das mag seine Faszination ausmachen, liegt gerade in der Verbindung des Vielfaltigen: In einer aufgewühlten Epoche der Weltgeschichte, mitten im Machtkampf der führenden Weltmächte erscheint ein Prophet, der anfangs das kühne Projekt eines Reformkönigs beobachtet, nicht ohne Zurückhaltung und Kritik, der dann einem teils frivolen, teils unfähigen Herrschertum begegnet, ein Prophet, der keinem nach dem Munde redet, der die Unterwerfung empfiehlt und die Katastrophe kommen sieht, sie selbst erlebt, das Land wider Willen verläßt und in der Fremde, so darf man schließen, stirbt; dies alles ist im Jeremiabuch eingebunden in schicksalsschwere Worte, in Weisungen und Dichtungen, in Erzählungen und bisweilen aphorismenhafte Dicta. [...] Und dennoch, das Buch bleibt voller offener Fragen, sucht man seiner Vielfalt in Form und Inhalt auf den Grund zu gehen."3
In großen und kleineren Einheiten sind die Texte im Jeremiabuch thematisch und chronologisch zusammengestellt. Sehr grob eingeteilt dominieren in Kap. 1-25 Prophezeiungen gegen Juda, Jerusalem und Israel, in 25-36 jeweils datierte Reden Jeremias und Erzählungen seines Ergehens, dieser Abschnitt ist um 30-33 gruppiert, in 37-45 Erzählungen vom Schicksal Jeremias im Untergang Judas und Jerusalems, in 46-51 Fremdvölkersprüche, in 52 ein die Ereignisse berichtender Appendix.4 Die thematische und die chronologische Strukturierung sind zwei nebeneinanderstehende Prinzipien, während z.B. Kap. 2-24 nicht datiert sind, erfolgen im Abschnitt 25-36 einzelne Datierungen für (fast) jedes Kapitel.5 Dabei sind Inklusionen (s.o.) eine dominante Struktur im Buch, zum Beispiel rahmen Ereignisse in der Regierungszeit Jojakims (25; 26; und 35; 36) jene in der Regierungszeit Zedekias (27; 28; 29; 32; 34),6 im vierten Jahr Jojakims passiert Entscheidendes zu Beginn (25), in der Mitte (36) und am Ende (45) des Doppel-Abschnitts, außerdem fallen Prophezeiungen gegen Juda und die umliegende Region (Jer 27-28) und gegen Babel (50-51) ins vierte Jahr Zedekias, sie befinden sich im Gesamtbuch je ein Kapitel nach dem Beginn und ein Kapitel vor dem Ende des zweiten Buchteils (26-52). Als makrostrukturelle Inklusion kann auch die Frage „Was siehst du, Jeremia?" (1,11; 24,3)7 oder die Formulierung „die Worte Jeremias" (1,1; 51,59) gelten. So sind kleine wie große Abschnitte miteinander verzahnt, ohne daß die Struktur des Buches bislang allerdings vollständig durchleuchtet wäre. Dem Jeremiabuch eignet ein vielschichtiger und trotz intensiver Bemühungen in den letzten hundert Jahren noch immer erst in kleinen Teilen erhellter Entstehungsprozeß. So ist die Jeremiaforschung insbesondere im deutschen Sprachraum in großen Teilen von den Diskussionen um das Deuteronomisti3
HERRMANN, Jeremia, EdF, S. 187. ROFÉ, Arrangement. 5 ROFÉ, Arrangement. 6 ROFÉ, Arrangement, S. 393, hier allerdings muß ROFÉ mehrere Ausnahmen machen: zunächst einmal ändert er textkritisch 27,1 •p , 1!T in ÌTp"T2i, wofür allerdings einiges spricht, dann muß er für 30-33 eine andere redaktionelle und anderen Textstrukturen folgende Hand annehmen, um die Differenzen zu den umliegenden Texten in 25-36 zu erklären. 1 ROFÉ, Arrangement. 4
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
333
sehe Geschichtswerk im allgemeinen und der oder den deuteronomistischen Redaktionen im besonderen geprägt.8 Fortschreibungen und , echte' Worte sind ein Text geworden: „Mit Recht kann gesagt werden, daß aus dem Buch Jeremia nicht allein der Prophet, sondern auch seine Wirkung auf die ihm folgende Generationen spricht."9 Stellung zur Plausibilität literarhistorischer Entwürfe wird hier nur am Rande bezogen, eigene Thesen zu Wachstumsstrukturen unterbleiben hier. Das erste Kapitel des Jeremiabuches beschreibt die Berufungs- und Bildungsgeschichte des Propheten und seine Aussendung, Kap. 2 beinhaltet seine erste Predigt, die die in Jer 1 bereits angedeuteten theologischen Grundlinien für das ganze Buch zeichnet. Die Berufungsgeschichte und die in ihr enthaltene Theologie sind hoch konzentriert von Bildern und Theologumena durchdrungen, die fortan das Buch durchziehen,10 von denen zwei hier kurz genannt werden sollen, weil sie sowohl für das Jeremiabuch als auch für die BabylonTexte m.E. entscheidende Linien bilden: Jer 1,10 und 1,18. Berühmt ist Jer 1,10: „Schau, ich habe dir heute die Völker und Königreiche anvertraut, um zu vertreiben und zu zerstören, und um zu vernichten und zu zerbrechen, zu bauen und zu pflanzen."" Abgesehen vom Thema der Zerstörung und der globalen Ausrichtung wird hier die große Macht des Propheten benannt, der in die Position JHWHs versetzt wird. Sie begegnet nicht nur an den weiteren Stellen im Buch, an denen der Vers ganz oder in Teilen zitiert wird (24,6; 42,10; 45,4 sowie in Teilen in 31,40; 12,17; 18,7.9 und 31,28), sondern auch mit anderen Worten in anderen Kapiteln, ein Beispiel dafür wird mit Jer 25 unten diskutiert. Auch klingt hier bereits Jeremias Stellung als Mittler zwischen Gott und Volk an.12 Wie sehr Jeremias Handeln zwischen Gott und dem Volk steht,
8
S. zu neueren Überblicken über Forschungslinien PERDUE, KOVACS, A Prophet to the Nations; HERRMANN, Jeremia, EdF; THIEL, Vierteljahrhundert; WEIPPERT, Vier neue Arbeiten, und die Bibliographie von THOMPSON, The book of Jeremiah. Zu Jeremia und dem DtrG s. als neueren Band GROSS, Jeremia. 9 HERRMANN, Jeremia, EdF, S. X. 10 In Jer 1 dürfte sich ein Beispiel für das biblisch-midraschische Prinzip finden, auf dem Johannes von Patmos seinen Text und seine Theologie aufbaut. HERRMANN, Jeremia, BK, S. 49, schreibt, Jer 1 sei „aus lauter traditionellen Elementen zusammengesetzt [...], wie überhaupt das ganze Kap. 1 wie eine wohldurchdachte Zitatesammlung anmutet, keine Zeile, die nicht irgendwo eine Anleihe machte oder durch Parallelen aufzuhellen ist." Wie die Offenbarung des Johannes ist Jer 1 eine Aufeinanderfolge mehrerer Offenbarungen, die unmittelbar oder zeitlich unterbrochen aufeinander folgen. " Zur Forschungsgeschichte dieses Verses und Verteilung und Erklärung der einzelnen V e r b e n s. HERRMANN, J e r e m i a , B K , S. 6 7 - 7 2 . 12 Ein darauf hinweisendes Detail in Jer 1 ist noch die stilistische Juxtaposition oder eben theologisch-literarische Identifizierung von den Worten Jeremias mit den Worten JHWHs, die
334
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
wird daran sichtbar, daß an den anderen Stellen, an denen die Worte aus 1,10 vorkommen, JHWH Subjekt der Handlungen ist (und nicht Jeremia). Und: in 8,18-9,8 und 10,19f wie an anderen Stellen gehen die Stimmen von Volk, Jeremia und JHWH derart ineinander über, daß ihre Identitäten zusammenfließen.'3 Die Gegenbewegung und Gegenaussage wird in Jer 42 problematisiert und in den Suffixen ausgedrückt: Das übrig gebliebene Volk bittet Jeremia in Mizpa: „Bete für uns zu JHWH, deinem Gott ..." (Jer 42,3). Jeremia antwortet: „Ich habe gehört und siehe, ich flehe zu JHWH, eurem Gott ..." (42,4). Während in der nun folgenden Antwort der Gruppe zunächst noch die Zuschreibung „dein Gott" bleibt, ändert sich im Verlauf der Rede die Gottesbeziehung: „Und sie, sie sprachen zu Jeremia: es sei JHWH ein Zeuge von Beständigkeit und Treue zwischen uns, wenn wir nicht all so tun gemäß der ganzen Sache, mit der JHWH dein Gott dich für uns schickt. Ob es gut ist oder böse, auf seine, die Stimme JHWHs unseres Gottes, zu dem wir dich schicken, wollen wir hören, damit es uns gut geht, weil wir hören auf die Stimme JHWHs, unseres Gottes." (42,5-6)
Daß diese Mittlerstellung (auch) eine Stellung zwischen den Fronten sein kann, zeigt 1,17b, hier spricht JHWH: „Erschrick nicht von ihrem Angesicht weg, damit ich dich nicht erschrecke zu ihrem Angesicht hin."" So ist der Status als Prophet so unbestritten wie gefährdet. Jeremias Prophetsein wird noch durch das besonders häufige Vorkommen des Verbs K2I - „prophezeien" und des Substantivs K^J - „Prophet" im Jeremiabuch, vor allem im Vergleich zu den anderen prophetischen Büchern, hervorgehoben." Diese Stellung des Propheten zwischen den Fronten Volk - JHWH und/als den Fronten von Kriegsparteien wird in 1,18 deutlich angekündigt: als Abschluß der Berufungsgeschichte gibt Gott Jeremia ein Bild, das Jeremia Verhaltensleitbild werden soll. Er wird heute gemacht zu einer festen Stadt, gegen die die Menschen anrennen, die aber von Gott beschützt wird: „Und ich, siehe, ich habe dich heute zu einer befestigten Stadt gemacht und zu einer Eisensäule und zu kupfernen Mauern über das ganze Land für die Könige Judas und ihre (f.sg.) Fürsten und für ihre (f.sg.) Priester und für das Volk des Landes. Und sie kämpfen gegen dich, aber sie können nicht an dich, denn mit dir bin ich, Spruch JHWHs, um dich zu befreien." (Jer 1,18f)16
HERRMANN, Jeremia, BK, S. 4, als „eigenartige Inkongruenz" bezeichnet. Zu noch anderen Dimensionen der Mittlerstellung Jeremias SEITZ, The Prophet Moses. 13 POLK, Prophetic Persona, S. 58-126; HILL, Friend, S. 40-46. 14 Wie schwierig diese Aufgabe zu lösen ist, zeigt z.B. Jer 17,18. Hier formuliert das lyrische Ich, daß es auf die Hilfe Gottes angewiesen ist, das alles auch durchzuhalten. 15 MEYER, Jeremia, S. 324. 16 Ein Teil dieser Verse, die Rede von der Mauer und die Hilfszusage in V.19 werden in 15,20f wiederholt. „Wiederholung" meint hier weiteres Vorkommen im Verlauf des Textes und trifft keine Aussage zu Alter oder Abhängigkeit.
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Die von diesem Vers ausgehende theologische Linie wird in der Jeremiaexegese nicht so betont wie die vorherige, ist aber m.E. ebenso wichtig. Dies ist ein Gegenbild zur großen Macht des Propheten: seine Passivität und vordergründige Schutzlosigkeit gegenüber Angriffen. Zu einer Stadt gemacht kündet Jeremia im folgenden immer wieder von Stadtzerstörung, mal von Jerusalem (Jer 2-6 u.ö.), den Städten Judas (Jer 4,16.29f; 7,34 u.ö.), mal von Babylon (Jer 50-51)." Er selbst ist eine Stadt, zum Schutz für die Menschen über das ganze Land gesetzt, wird er aber erfahren, daß sie (in Zeiten äußerer Bedrohung: 1,13-16) sich gegen die Stadt/gegen den Propheten als Gottes Beauftragten wenden. Dieser Konflikt ist kaum auszuhalten, entsprechend verwünscht Jeremia in einer seiner Konfessionen den Tag seiner Geburt, der Tag solle sein wie Städte, die JHWH ohne Erbarmen vernichtet hat (20,16). Gott aber wird die Stadt/ihn beschützen - Jerusalem jedoch wird fallen.18 Dies ist auch Inhalt seiner ersten Predigt (2,2ff) und so deutet auch Kohelet Rabba 1,2 seinen Namen "liTOT: in seiner Zeit sei Jerusalem zu einer geworden, dies ist ein hapax legomenon, ein Lehnwort aus griech. feprmia „Wüste"." Stadtzerstörung und Landverheerung gehen ineinander über, bei Jerusalem/Juda und auch bei Babel/Chaldäa. In Texten wie Jer 2-6, aber auch Jer 50-51 wird das prophezeite Chaos durch eine Stimmenvielfalt, ein Stimmengewirr ausgedrückt, das den sprechenden Propheten als Autorerzähler auch zum „female impersonator"20 macht. Jer 1,18f kündigt an, daß diese Form der buchstäblichen Personifizierung existentielle und auch körperliche Züge trägt. Für den Propheten, der sich wie eine Stadt fühlen soll, deren Mauern die Angreifenden versuchen zu durchbrechen, wird diese Einfühlung auch zur gender-Überschreitung. Denn Städte werden - wenn sie personifiziert werden bei Jeremia durchgehend weiblich personifiziert.21 Auf noch andere existenti17 Deshalb ist das Bild in 1,18f m.E. mitnichten ein ermutigendes Bild an den Propheten „für die Gewißheit seiner eigenen Festigkeit und Unüberwindlichkeit" (HERRMANN, Jeremia, BK, S. 43, s. auch ebd. S. 81,82 u.84; MEYER, Jeremia, S. 335), sondern im Gegenteil ein Bild für die Zerstörbarkeit und die Wahrscheinlichkeit, ja Sicherheit, existentiell bedroht zu werden. Diese Nuance des Stadtbildes stimmt m.E. sowohl für die Bilder von Stadt und Städten im Jeremiabuch als auch für die Einsamkeit und Angegriffenheit Jeremias in den Konfessionen wie in den erzählten Texten eher überein als die Konnotation der Sicherheit. 18 Es ist eine Frage der Theologie nach dem Jeremiabuch, welches „Jerusalem" bewahrt und welches zerstört wird: in Ps 137 ist das Jerusalem der Erinnerung die ewig unzerstörbare Heimat und Freude. " S. zur Entlehnung JASTROW, Dictionary, Bd.l, S. 60. Zur onomasiologischen Analyse des Namens "5TÖT s. STAMM, Der Name Jeremia. 20 KAISER, The Poet as „Female Impersonator". MAIER, Die Klage der Tochter Zion, weist für Jer 4,19-21 und 10,19-20 einen Rollentausch zwischen Prophet und Stadt nach. S. dazu auch POLK, Prophetic Persona, S. 58-126. 21 Wichtig ist aber, daß sich in der weiblichen Stadtmetaphorik die Zerstörungsbilder Jeremias nicht erschöpfen: es gibt auch Zerstörungsbilder für männliche Figuren, die familiäre
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
eile Weise als die unendlich lange Zeit für Jesajas Verstockungsauftrag (Jes 6, s.o.) und Ezechiels Wächteramt mit gleichzeitig persönlicher Erfolgsverantwortung und Schweigegebot (Ez 3) ist bei Jeremia die Beziehung zwischen Gott und Volk durch den Propheten in seiner Person vermittelt. Ein derart herausgehobener Prophet wie Jeremia stellt eine Größe sui generis dar.22 Das könnte ein Grund dafür sein, daß die Zerstörung von Städten nicht so stark ausgeprägt ist wie die Schilderungen und Dokumentationen von Jeremias Schicksal und seinen Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Entsprechend der Stadt-Theologie im Jeremiabuch als einem einzigen Untergangsszenario sind die Utopien antistädtisch: gegen Gen 11 konstituiert sich die Einheit des Volkes nicht durch Sprache, eine Stadt, einen Turm oder andere zivilisatorische Errungenschaften, sondern durch „ein Herz und einen Weg" (Jer 32,39). Die zivilisatorischen Errungenschaften des Volkes werden nicht Städtebau sein, sondern Ackerkauf (32,42^4) und Weinbergbau (31,5)." Der Beginn des Jeremiabuches betont als die enge Beziehung zwischen Gott und Jeremia Jeremias machtvolle, ja gottähnliche Stellung zu den Menschen, zusammen mit seiner Herausgehobenheit. Im Jeremiabuch wird es um Krieg und Zerstörung gegen Juda, Jerusalem und die gesamte bewohnte Welt sowie gegen Babylon gehen, auch hier ist Jeremia existentiell eingebunden, ein Neuanfang ist zaghaft im Blick.
2.1. Babylon im Jeremiabuch - ein Überblick In gewisser Parallelität zu den weit-historischen Prozessen der Machtverschiebung aus judäischer Sicht kommt Babylon erst spät ins Bild. Zu Beginn durchziehen Texte zum Feind aus dem Norden, dem unbesiegbaren Feind und dem Ort der Zerstreuung von weither den Text über die Innenpolitik Judas, insgesamt den ganzen ersten Teil Jer 2-20. In Jer 20,1-6 konkretisiert sich diese Macht in Babylon, dies ist der Ort, an den die Judäer verschleppt werden und von dem das Unglück droht. Nun sind die Nennungen Babels häufiBilder für die Beziehung zwischen Gott und Volk/Stadt sind nicht nur in der Beziehung Vater-Tochter, Mann-Ehefrau (wenn überhaupt) abgebildet, und das Tochter- und Hurenbild ist nicht auf Stadt festgelegt, sondern besonders mit 'OUTO - „Tochter meines Volkes" noch anders bestimmt. Darüber hinaus wird der drohende Untergang auch allzu oft direkt angekündigt. Zu diesem Komplex s.o. A.4. 22 So hat STECK, Zion, S. 262 u.ö., die theologische Funktion personifizierter Städte auf den Begriff gebracht. 23 Deshalb hat m.E. obige Übersetzung von 1,10 nicht nur die Drastik für sich, sondern auch die Nuancen: trotz ihrer breiten Verwendungskontexte sind die Zerstörungsbegriffe (vor dem Ätnach) antizivilisatorisch-militärisch und die Neuanfangsbegriffe (nach dem Ätnach) agrarisch.
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ger und mehren sich bis zum Beginn der Fremdvölkersprüche. Am Schluß des Buchs dominiert dann Babylon derart, daß ihm/ihr der letzte Fremdvölkerspruch des Buches gewidmet ist, es ist der mit Abstand längste Fremdvölkertext der Bibel, und mit dem Ende der Babylon-Prophezeiung ist auch das Ende der Worte Jeremias gekommen. Aus dem Nachhinein, daß Babel in Jer 2-6 der Feind aus dem Norden ist, wird aus Jer 5,15-17 eine Beschreibung babylonischer Krieger: „Siehe, ich lasse auf euch kommen ein Volk aus der Ferne, Haus Israel! Spruch JHWHs, ein dauerhaftes Volk ist es, ein uraltes Volk ist es, ein Volk, dessen Sprache du nicht kennst, und von dem du nicht hörst, was es redet. Sein Köcher ist wie ein offenes Grab, in ihrer Gänze sind sie Helden. Es wird fressen deine Ernte und dein Brot, und sie fressen deine Söhne und deine Töchter, es frißt dein Kleinvieh und deine Rinder, es frißt deinen Weinstock und deinen Feigenbaum, es zerstört deine Festungsstädte, auf die du dich verläßt, mit dem Schwert." (Jer 5,15-17)
Im Jeremiabuch-MT finden sich mit Abstand die meisten Belege des Wortes „Babel" in einem biblischen Buch (168 von 262 Belegen).24 Dazu kommen die Namen Chaldäa - CTIDD (45 von 80 Belegen) und Nebukadnezar/Nebukadrezar (36 von 60 hebräischen Belegen).25 Trotz der vielen Nennungen enthält das Jeremiabuch deshalb nicht so viele (Visions)Texte zu Babylon selbst, weil es/sie im Jeremiabuch fast ausschließlich als Orts- oder Herkunftsangabe vorkommt. Vom Reich Babylon handeln nur die Kapitel Jer 50-51, denen unten eine Auslegung gewidmet ist. Vor diesem Abschnitt sind drei Texte hervorzuheben: Jer 25; 27f u. 29. Jer 25 enthält zunächst eine Rede Jeremias an das ganze Volk Judas, in der er die Verheerung des ganzen Landes durch Nebukadnezar ankündigt, alle Völker werden ihm siebzig Jahre lang dienen, bis dann Babel selbst heimgesucht wird. Alle Völker der Erde trinken aus Gottes Zornbecher, werden betrunken und sterben durch das Schwert, mit Jerusalem und Juda wird begonnen - und der König von Babel trinkt zuletzt. Gott selbst hat sich zum Krieg bereitet. Jer 27f enthält die berühmte Zeichenhandlung vom Joch des Nebukadnezar. Jeremia legt ein Joch auf seine Schultern und schickt zu den ausländischen Gesandtschaften, die sich zur Zeit bei Zedekia am Hof aufhalten, daß JHWH als Erschaffer und Besitzer der Schöpfung nun die Macht über alle Lebewesen an Nebukadnezar, König von Babel gegeben habe und alle Völker 24 Doppelnennungen in einem Vers sind mitgezählt, nicht gezählt sind die 25 aramäischen Belege aus den Büchern Daniel und Esra. 25 Nicht gezählt sind die 31 aramäischen Belege des Namens Nebukadnezar in den Büchern Daniel und Esra.
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ihm bis zur dritten Generation dienen werden, bis sich das Schicksal wendet. Zu Zedekia wiederholt er: wer sich dem Joch Nebukadnezars beugt, wird am Leben bleiben, wer sich widersetzt, stirbt. Die bereits nach Babel überführten Tempelgeräte werden bis auf weiteres dort bleiben. Weil die Propheten aber die Rückkehr versprechen, werden auch die übrigen Geräte nach Babel verschleppt (Jer 27). Dann tritt Hananja auf und zerbricht Jeremias Joch: JHWH hat das Joch zerbrochen und die Zeit verkürzt, Joj achin und die Tempelgeräte werden binnen zwei Jahren wieder zurück sein. Jeremia aber teilt Hananja mit, daß er damit ein eisernes Joch an die Stelle des hölzernen gesetzt hat (Jer 28). Gesandten Zedekias gibt Jeremia dann einen Brief an die nach Babel weggeführte Oberschicht mit auf den Weg: sie sollen sich auf das Leben in Babel dauerhaft - lebenslang - einstellen und ihre Genealogien in Babel fortsetzen. Es kommt sogar zur Solidaritätsaufforderung mit Babylon: „Und sucht den Frieden der Stadt, in die ich euch weggeführt habe und betet für sie zu JHWH, denn in ihrem (f.sg.) Frieden liegt Frieden für euch." (Jer 29,7) Erst nach Ablauf von siebzig Jahren - einer ganzen Lebensspanne (Ps 90,10) bzw. drei Generationen (27,7) - werden die Weggeführten zurückkehren. Dem wird eine Rückkehr Israels zu JHWH vorausgegangen sein (29,13f). Überhaupt ist trotz Jer 29,7 das Kapitel Jer 29 ein Gegenvotum zu Jer 27, wo Nebukadnezar so über die Menschenmaße hervorgehoben wurde: Mit Ausnahme von 29,7 ist Babylon in Jer 29 von kaum einer Wichtigkeit, hier ist es um das vorläufige und endgültige Wohlergehen Judas zu tun; Babylon und Babylons Schicksal gerät, wo es nicht mehr mit dem Schicksal der Exulierten sich kreuzt, aus dem Blick. In all diesen Texten erscheint Babel als Ort, als Ziel der Wegführung. Über Babel ist dabei zumeist wenig ausgesagt, nur 29,7 befaßt sich direkt damit: Einen Ort zur Heimat zu machen, an den man nach dem Krieg gewaltsam verschleppt wird, während die eigentliche Heimat noch auf Befreiung wartet, ist eine ungeheuerliche Forderung, die sich noch dadurch steigert, wenn man im dreimal erwähnten Cl^Ö - „Frieden" eine Anspielung auf den Namen Jerusalem (Ps 122,6) sieht.26 So kurz vor dem Untergang Judas wird alles auf den Kopf gestellt: die Plagen aus der Zeit des Exodus aus Ägypten durch Gottes eigene Hand treffen nun diejenigen, die im Land Juda bleiben (21,5), die eigentlich deuteronomistische Verheißung vom Leben im Land meint die nach Babylon Gegangenen (27,12-15). Segen und Frieden werden für die Stadt des Exils erbeten und nicht für die eigene Hauptstadt (Jer 29,7). Trotzdem ist Babel keine Gestalt des Buches, sondern eine entfernte Größe. Stattdessen steht das Für und Wider Judas im Vordergrund, auch die zum Fluch gewendete Verheißung zielt noch auf Juda. Diese Texte werden unten am stellvertretenden Beispiel Jer 25 ausgelegt. Ich habe dabei Jer 25 ausgewählt, weil dieser Text mit seiner ungewöhnlichen 26
HILL, Friend, S. 151.
B.IV.2.1. Babylon im Jeremiabuch - ein Überblick
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(Zeichen-?)Handlung, die innen- wie außenpolitische Bedeutung hat (s. Jer 27), und mit der Prophezeiung der siebzig Jahre (s. Jer 29) wichtige Aspekte der beiden Texte aufgreift, die in Jer 25 enthaltene Namensverschleierung und verkehrte Namensoffenbarung ein wichtiger Schritt auf die symbolische Bedeutung Babels hin ist und außerdem das Motiv der Trunkenheit enthält, das in der Johannesoffenbarung zentrale Bedeutung gewinnt und auch in Jer 51,7 in einem Konzentrat vorkommt (s.u.). Bevor ich dazu komme, noch einiges über Nebukadnezar und die Gestalt des Jeremiabuchs.
2.1.1. Nebukadnezar König von Babel Im Zusammenhang der Frage nach der Bedeutung „Babylons" für Israel kommt selbstredend auch sein/ihr berühmtester König Nebukadnezar in den Blick, der seinerseits eine legendäre Figur ist. Während im Jesajabuch „Babylon" als Ort und theologische Größe nachgerade ohne König auskommt (Jes 13; 21; 47) und seine einzige Erwähnung Repräsentationscharakter hat (Jes 14, dazu s.o.), bekleidet Nebukadnezar in den Texten des Jeremiabuches vielfältige Funktionen, die in ihrer Komplexität und Komplementarität auf wenigen Seiten nicht gegriffen werden können.27 So sollen hier nur die allerwichtigsten Schlaglichter geworfen und die deshalb nur sehr vorläufig beantwortbare Frage nach dem Verhältnis „Babylons" zu „Nebukadnezar" gestellt werden. Ähnlich wie „Babylon" steht er zunächst außerhalb, insofern er im Streit zwischen Gott und seinem Volk nur als Strafwerkzeug hinzutritt.28 Das ist z.B. in 21,1-10 sichtbar: Gott gibt Jeremia einen negativen Bescheid über den Ausgang des Kriegs zwischen „Nebukadnezar" und Juda unter der Regentschaft Zedekias. Es fallen sogar Zitate aus der Exodustradition, aber entgegengesetzt: Gott selbst wird gegen sie streiten „mit ausgestreckter Hand und starkem Arm, großer Wut, Grimm und Zorn." (Jer 21,5). Obwohl in der umgedrehten Konstellation den Judäern die Rolle Ägyptens und Pharaos zukommt, werden dem herausfuhrenden Nebukadnezar auch nicht im entferntesten Züge von Mose gegeben. Die theologische Einordnung Nebukadnezars ist also an vielen Stellen zurückhaltend. Zwar gibt es Aussagen, daß Überläufer ihr Leben behalten. Das ist zwar alles, was zählt, aber dennoch zu wenig, um als positives Bild Nebukadnezars zu dienen. Daneben stehen nämlich auch Zerstörungsprophezeiungen, in denen Nebukadnezar der militärische Aggressor ist, angedeutet z.B. in Jer 4,6ff, explizit in 36,29.
27
S. zu einem Überblick BRUEGGEMANN, Mercy, S. 5-15. S. z.B. Jer 32,27-35, wo Nebukadnezar und sein Heer als Strafwerkzeug für Israels Götzendienst auftreten wird. 28
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B.IV.2. Der Untergang Babylons— Jeremía
Auch sind an fast keiner Stelle des Jeremiabuchs Worte Nebukadnezars überliefert29 oder wird sein Handeln geschildert, er tritt nicht als Handelnder auf, sondern bleibt Hintergrundfigur mit einem langen Schatten. Erst ab Jer 25 erhält diese Hintergrundfigur theologische Funktion, die anhält, bis in Jer 30 mit dem Trostbuch wieder eine Umkehrung der Verhältnisse und eine revitalisierte Konzentration auf Juda einsetzt. Nebukadnezars Regierungsdaten treten in Jer 25,1 zu denen Jojakims hinzu, als sei er ein Mitregent in Juda. Es ist - so macht Jer 25,1 deutlich eine neue Zeit angebrochen. Man muß nun buchstäblich und offenbar stärker als je zuvor mit dem babylonischen König rechnen. Dem kommen all die Texte hinzu, die Prophezeiungen Jeremias nach den (Kriegs)Handlungen Nebukadnezars datieren: die Schlacht von Karkemisch (46,1-2), der Regierungsantritt (s. hier 25,1), Verschleppung (24,1; 29,1-4; 40,1), Belagerung (32,2; 34,lf; 39,lf), Wegführung (1,3). In der Rede Jeremias (Jer 25,3-14), die die Konsequenzen für Israels Nichthören zieht, wird eine im Vergleich zu Jer 2-6 und anderen Texten in ein Konzentrat gesteigerte Bedrohung aufgebaut. Nicht (nur) kommt der Feind aus dem Norden, sondern gleich alle Völker aus dem Norden und Nebukadnezar (25,9). Damit erfüllt der König von Babel dieselbe Funktion wie sie und ist doch nicht identisch: Nebukadnezar ist in Jer 25 nicht der Feind aus dem Norden. Direkt nach dem Moment, in dem JHWH die Gestörtheit der Beziehung Israels zu ihm konstatiert (Jer 25,3-7), benennt er sein Verhältnis zu Nebukadnezar, König von Babel: In Jer 25,9; 27,6; 43,10 wird Nebukadnezar, der Juda verheert und Jerusalem zerstört, als „mein Knecht" bezeichnet, an diesen Stellen wird stets Nebukadnezars Herrschaft über die ganze Welt auf sein Knecht-Gottes-Sein zurückgeführt. Das ist zunächst einmal ein großer Unterschied zur Deutung Assurs, das noch als Werkzeug galt und somit zu einem bestimmten Zweck buchstäblich instrumentalisiert wurde. Wenn das Werkzeug nicht mehr funktioniert, wird es zerstört. Zu Nebukadnezar dagegen besteht für JHWH an dieser Stelle ein personales, ein Vertrauensverhältnis.30
29
Die einzige Ausnahme ist ein Befehl an seine Leibwache, den Propheten Jeremia zu
schonen (39,12).
Ob es sich bei Nebukadnezar mit diesem Titel auch um einen Vasallen JHWHs handelt, wird seit langem diskutiert. ZEVIT, Diplomatie Term, hatte schon 1969 altorientalische und ugaritische Belege für die Bedeutung 13U als „Vasall" zusammengestellt. Das erhält durch neue Thesen Brisanz: OTTO, Deuteronomium, und ASSMANN, Herrschaft und Heil, haben schlüssig nachgewiesen, daß religions- und literaturgeschichtlich politische Vasallenverträge Assurs auf das Verhältnis von JHWH und Israel umgebucht wurden, was dann ein Meilenstein in der Entwicklung zum Monotheismus und ein Grundstein des Deuteronomiums und des DtrG wurde. Die Integration des babylonischen Königs als Vasall JHWHs hat in diesen Entwürfen bislang aber keine Rolle gespielt. Wenn die Zuordnung "QU als Vasall philologisch aufrechterhalten werden kann (zu möglichen Belegen s. RLNGGREN, RÜTERSWÖRDEN, SIMIAN-YOFRE, Art. "DD, Sp. 997), kann das große Konsequenzen fiir Geschichts-, Bundesund Schöpfungstheologie des DtrG oder zumindest Jer-D haben.
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Mit der Bezeichnung 13U befindet sich Nebukadnezar in einer Reihe mit den positiven Gestalten israelitischer Geschichte: Abraham (Gen 26,24; Ps 105,6.42), Isaak (Gen 24,14; IChron 16,13), den Erzvätern insgesamt (Ex 32,13, Dtn 9,27) Mose (Ex 14,31; Num 12,7), Josua (Jos 24,29; Ri 2,8), David (2Sam 3,18; 7,5.8; lKön 11 u.ö.), Hiob (Hi 1,8; 2,3; 42,7.8) und den Propheten (lKön 14,18; 15,29; 2Kön 17,13.23; Jer 7,25; 25,4 u.ö.).31 Sie sind Offenbarungsmittler, Erwählte, Begnadete oder Wortführer und haben in jedem Fall eine Sonderstellung zu JHWH inne.32 Nebukadnezar als Gottes Knecht zu bezeichnen, bedeutet auch, daß die Eigensicht der politischen Macht Babylon, etwas ganz Besonderes, Auserwähltes zu sein, vom Gott Israels, dem Schöpfer der Welt, anerkannt und sogar gutgeheißen wird. Trotz der großen Macht und Aufgabe als Gottes Knecht reklamiert aber JHWH selbst die Verantwortung für Zerstörung und Verwüstung für sich, er habe sie selbst herbeigeführt (Jer 25,9). So behauptet der Text Jer 25,9 die Übermenschlichkeit Nebukadnezars und hält zugleich an der Allmacht Gottes fest. Allein, der Macht Nebukadnezars sind Grenzen gesetzt. Nicht nur zeitliche (70 Jahre), sondern auch der Bezeichnung inhärente. Ein Knecht ist unfrei und eben auch kein Sohn wie in Ps 2 der König in Jerusalem." Wenn also JHWH Nebukadnezar als - „meinen Knecht" bezeichnet, sind in dem einen Wort der Trost, daß der mächtige König von Babel nur ein Knecht Gottes ist, und der Schrekken, daß der König von Babel Gottesknecht ist, gleichermaßen enthalten. Diese Aussage wird in der Jochpredigt Jer 27 unterstrichen und gesteigert. Jeremia teilt den diplomatischen Abgesandten der Juda umliegenden Regierungen mit: „So spricht JHWH Zebaoth der Gott Israels, so sollt ihr zu euren Herren sprechen: 5 ,Ich habe die Erde, den Menschen und das Tier gemacht, die auf dem Angesicht der Erde sind, mit großer Kraft und mit ausgestrecktem Arm, und ich gebe sie dem, der rechtschaffen ist in meinen Augen. 6 Und nun, ich, ich, gebe alle diese Länder in die Hand Nebukadnezars, König von Babel, meinem Knecht, und alle Lebewesen des Feldes, ich gebe es ihm, daß sie ihm dienen. 7 Und es dienen ihm alle Völker und seinem Sohn und dem Sohn seines Sohnes, bis die Zeit kommt für sein Land, und auch für ihn, und dann lassen ihn dienen viele Völker und große Könige. 8 Und es sei: das Volk und das Königreich, das Nebukadnezar, König von
31 Insbesondere in Jer 25,4 und 25,9 gerät die Bezeichnung der Propheten JHWHs und Nebukadnezars als „Knecht(e)" JHWHs hart aufeinander (CARROLL, Halfway through a Dark Wood, S. 80f). 32 RJNGGREN, Rüterswörden, SLMIAN-YOFRE, Art. ~QJJ, Sp. 1001 f. Übrigens wird der Gottesknecht Nebukadnezar weder in diesem Artikel noch in Westermann, Art. "DU, diskutiert oder auch nur erwähnt. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 532, sieht die Bezeichnung Nebukadnezars als Knecht vor allem als ein Argument für eine nachexilische Datierung dieses Textkomplexes. 33 SCHENKER, Nebukadnezzars Metamorphose, S. 508 Anm. 12. Von der Gottessohnschaft des judäischen Königs ist allerdings durch das gesamte Jeremiabuch überhaupt nichts zu spüren außer in der Intimität der Wut und Enttäuschung.
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Babel, nicht dient und nicht seinen Nacken in das Joch des Königs von Babel gibt, dieses Volk suche ich heim mit Schwert, Hunger, Pest, Spruch JHWHs, bis ich sie fertiggemacht habe in seine Hand.'" (Jer 27,4b-8)
Mit der Aussage, er sei rechtschaffen ("lid"') in JHWHs Augen (Jer 27,5), ähnelt Nebukadnezar den herausragenden Königen Israels (David lKön 15,5), judäischen (Hiskia 2Kön 18,3; 2Chron 29,2; 30,4; Josia 2Kön 22,2; 2Chron 34,2) und israelitischen (Asa lKön 15,1; 2Chron 14,1; Josaphat lKön 22,43; 2Chron 20,32; Jehu 2Kön 10,30; Joas 2Kön 12,3; 2Chron 24,2; Amazja 2Kön 14,3; 2Chron 25,2; Asaijah/Usia 2Kön 15,3; 2Chron 26,4; Jotham 2Kön 15,34; 2Chron 27,2)34 und bekommt als Kennzeichen diese summarische Formulierung dtn-dtr. Gebotserfullung (Ex 15,26; Dtn 6,18; 12,25.28; 13,19; 21,9; Jer 34,15). Nebukadnezar wird von JHWH mit immenser Macht ausgestattet, er herrscht über die gesamte Schöpfung als von JHWH legitimierter König." Schöpfungs- und Geschichtstheologie werden in einer Gestalt vereinigt. „Der babylonische König hat zugleich den Platz inne, der in den Schöpfungserzählungen das Privileg des Lebewesens Mensch ist (Herr der Tiere), und den Rang des Herrschers über ein geschichtlich gewordenes Reich (Herr der Welt)."36
Nebukadnezar zum Verwalter und Bevollmächtigten aller Lebewesen der Erde zu machen, bestätigt die babylonische Eigensicht vollends.37 Nicht nur das: es bleibt nicht bei einer Bestätigung der Erwählung Nebukadnezars oder Babyloniens selbst, sondern diese Erwählung wird zuvorderst und einzig anderen Mächten mitgeteilt (27,3f).38 Das zeigt, daß stärker noch als sonst in Texten über Fremdvölker und ihre Herrscher Israel (und seine Nachbarstaaten) Adressaten der Prophetentexte sind. Damit bestätigt Jer 25; 27, was so viele andere Texte des AT mit viel rhetorischem Aufwand falsifizieren wollen. Die religiöse und politische Allmacht wird aber interessanterweise am König von Babel, nicht an „Babel" festgemacht. Dabei sind Könige grundsätzlich keine Privatpersonen oder Individuen, sondern Repräsentanten ihres Reiches, deshalb können z.B. die Krankheit des Königs, seine Todesumstände
34
HILL, Friend, S. 133, der die Chronikstellen allerdings ausläßt. Das wird wiederum in 28,14 wiederholt. Viele der Aspekte im Text werden im Danielbuch noch einmal aufgenommen, z.B. Dan 2,21; 2,37f; 4,7b-14.28-30. In Jer 27,6 allerdings eine Ironie im Lichte von Dan 4,22 zu sehen (CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 527), halte ich angesichts der Bedrohung, von der das Jeremiabuch handelt, für verfehlt. 36 SCHENKER, Nebukadnezzars Metamorphose, S. 504. 35
37
GEORGE, ' B o n d o f t h e l a n d s ' ; MAUL, H a u p t s t a d t ; BRAUN-HOLZINGER, FRAHM, L i e b l i n g
des Marduk, S. 148-155. 38 Dieser Botenauftrag ist allerdings wiederum eingebettet in einen Ich-Bericht Jeremias, den er (in Ermangelung anderer Dialogpartner) den Lesern und Leserinnen des Buches mitteilt.
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symptomatische Bedeutung für das jeweilige Reich haben.39 Damit wird diese Allmacht an eine eine abstrakte Größe repräsentierende Person geknüpft, nicht an eine einen konkreten Herrscher repräsentierende abstrakte Größe. Das Verhältnis von „Babel" zum „König von Babel" ist im Buch Jeremia bis Jer 50-51 stark auf die Seite des Königs hin konzentriert. So sind nicht nur die nach Babel Weggeführten wie die sehr guten Feigen (24,4), mit ihnen wird auch die positivste religiöse und geschichtliche Tradition nach Babylon und auf Nebukadnezar übertragen. Babel bleibt aber bis zu Jer 50-51 Ort der Wegführung, es ist keine theologische oder literarisch ausgestaltete Größe. Nebukadnezar wird - auf den ersten Blick absurd, auf den zweiten konsequent - als theologisch wichtige positive Gestalt in das Erbe Israels gestellt. Nachdem die Zuordnungen umgedreht waren, werden sich die Verhältnisse nach Ablauf der siebzig Jahre ein weiteres Mal umkehren. „Babylon" bleibt bis auf 29,7, wo es/sie aber nicht genannt wird, nebulös, bis in Jer 51,61 Seraja die Stadt erblickt und den Text Jer 50-51 vorliest.
2.1.2. JerG und JerH Die Gestalt des Buches ist im griechischen Text (G) und dem hebräischen Text (H) in Umfang und Reihenfolge so unterschiedlich,40 daß es sich m.E. um zwei verschiedene Theologien handelt: davon möchte ich die hier relevanten Unterschiede hervorheben. Die oben erwähnte Macht und wichtige Stellung Jeremias ist in G zugunsten der Betonung JHWHs und seiner Urheberschaft zurückgedrängt, was man beispielhaft am Beginn Jer 1,1-3 sehen kann. Diejenigen, die sein Wort weitertragen, werden in H und G unterschiedlich hervorgehoben: JerH endet vor dem Epilog (Jer 52) mit einem Wort an Seraja ben Neria, die Prophezeiung gegen Babel bei der Ankunft in Babel vorzulesen. JerG endet mit einer Prophezeiung an Serajas Bruder Baruch ben Neria, die er bei der Niederschrift der „Urrolle" (Jer 36) bekam - er wird sein blankes Leben retten. Ein weiterer Hauptunterschied besteht in der Stellung der Fremdvölkersprüche in der Abfolge der Kapitel und deren theologischer Bedeutung: Während in H das Buch mit den Fremdvölkersprüchen und insonderheit mit dem langen Spruch gegen Babel, die Anweisung an Seraja ben Neria (51,59-64) und die Chronik der Zerstörung Jerusalems (Jer 52) endet, ist G anders aufgebaut: dort folgt nach 25,1-13, einer Prophezeiung gegen Juda und die umliegenden Gegenden, sie würden von Nebukadnezar zerstört 39 Zu einem Überblick über theologische Bewertungen der Krankheit eines Königs in den deuteronomistischen Schriften des AT s. BENDER, Geschick Gottes. 40 Am plausibelsten ist es, textkritisch von zwei Rezensionen zu sprechen. Die m.E. beste, kurze Zusammenfassung der bisherigen Forschung liefert STEINER, TWO Sons of Neriah.
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und siebzig Jahre beherrscht, die lange Reihe der Fremdvölkersprüche (JerH 46-51), Babel ist hier nicht Schlußpunkt, sondern nach Elam (JerG 25,14-20) und Ägypten (JerG 26,2-25) drittes Land/Stadt in der Reihe (JerG 27-28). Diese Reihe endet mit Moab, und dann erst erfolgt der Text über den Zornwein für alle Völker (JerG 32,15-38, JerH 25,14-38). Nun setzt der Text entlang JerH 26 fort und endet mit der Prophezeiung an Baruch ben Neria (JerH 45, JerG 51,31-35) und der Chronik der Zerstörung Jerusalems (Jer 52). Auch in den Texten selbst nimmt Babel in G eine weniger zentrale Stellung ein als in H: in JerG 25,9.11.12 fehlen die Benennungen Babels und des Königs von Babel, so daß der Text ausschließlich von dem schlimmen Schicksal Judas handelt. In der Taumelbecher-Episode fehlt H Jer 25,26b. In JerG 25,1 ist der Text bereits nicht auch nach Nebukadnezars Regierungsantritt datiert, was in JerH der Beginn einer neuen Textstrukturierung bedeutet. In JerG 25,1-13; 32,15-38 (= JerH 25) kommt Babel gar nicht vor, die Klimax des hebräischen Textes ist in JerG 32,26 durch die Könige des Nordens und alle Königreiche der Erde gebildet (JerH 25,26a). Gegenüber JerH 25,9; 27,6; 43,10 fehlt in G die Bezeichnung Nebukadnezars als Gottesknecht ebenso die Entsprechung zu JerH 27,7-8a, also die große Macht und der spätere Machtentzug Nebukadnezars. Es fehlt aus JerH 29 (JerG 36) die Nennung Nebukadnezars überhaupt (JerH 29,3) und Babel als Exilsort (JerH 29,4).41 So sind sowohl die Stellung des Propheten als auch die Stellung Babels in JerG weniger zentral als in H. Unabhängig von der Frage, welches Konzept das ältere ist, stellen beide Konzepte verschiedene Theologien zu Babylon und Jerusalem dar. Wegen des Blicks auf die Johannesoffenbarung wird es im folgenden um JerH gehen, wegen des Umfangs dieser Arbeit wird JerG weitgehend ausgelassen. Wie „Babylon" anhand des Königs Nebukadnezar und seines Heeres vorkommt, soll hier an dem wirkungsgeschichtlich bereits innerbiblisch folgenreichen Kapitel 25 gezeigt werden.
41 Zum Versuch, diese Unterschiede in LXX und MT zueinander text- und redaktionsgeschichtlich zu gewichten s. SCHENKER, Nebukadnezzars Metamorphose. Zu den Unterschieden in Jer25 H und G s. WATTS, Text and Redaction. Die Verhältnisse in JerH 50-51 liegen ähnlich, s. dazu u. S. 375 Anm. 146.
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía 25
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2.2. Der Plan: Jeremia 25 Jeremia 2542 1 Dies ist das Wort, das geschah auf Jeremia, auf das ganze Volk Juda im vierten Jahr von Jojakim, des Sohnes Josias, König von Juda; es ist das erste Jahr von Nebukadnezar , König von Babel, 2 was geredet hat Jeremia, der Prophet, zum ganzen Volk Juda, und für alle Einwohner und Einwohnerinnen Jerusalems folgendermaßen. 3 „Seit dem Jahr dreizehn von Josia, des Sohnes Amons, König von Juda, und bis zu diesem Tag, sind es dreiundzwanzig Jahre, die das Wort JHWHs zu mir geschieht; und ich redete zu euch aufgeladen und redete, und nicht habt ihr gehört. 4 Und es schickte JHWH zu euch alle seine Knechte, die Propheten, aufgeladen; und er schickte, und nicht habt ihr gehört, und habt nicht eure Ohren gespitzt, um zuzuhören. 5 für Folgendes: ,Kehrt doch um! Jedermann von seinem bösen Weg und von euren bösen Handlungen, so sollt ihr wohnen auf demjenigen Erdboden, den JHWH für euch und eure Väter gegeben hat von Ewigkeit zu Ewigkeit. 6 „Und ihr sollt nicht hinter den anderen Göttern herlaufen, um ihnen zu dienen und vor ihnen niederzufallen. Und kränkt mich nicht mit den Werken eurer Hände und macht mich nicht böse auf euch! 7 Aber ihr habt nicht auf mich gehört, Spruch JHWHs, um mich zu kränken mit den Werken eurer Hände, zum Bösen auf euch!" 8 Deshalb so spricht JHWH Zebaoth: ,Weil ihr nicht gehört habt meine Worte: 9 Siehe, ich schicke und habe genommen alle Clans des Nordens, Spruch JHWHs, bis hin zu Nebukadnezar, König von Babel, meinen Knecht, und ich habe sie kommen lassen über dieses Land und seine (hebr. ihre) Bewohner und über alle diese Völker ringsum, und ich banne sie und mache sie zu Entsetzen und zum Gezisch und zur Trümmerstätte für ewig. 10 Und ich vernichte von ihnen die Stimme der Freude und die Stimme der Fröhlichkeit, die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut, die Stimme der Mühlsteine und das Licht der Lampe. 11 Und es wird sein: dieses ganze Land wird zu einer Trümmerstätte und zu Entsetzen, und es dienen diese Völker dem König von Babel siebzig Jahre. 12 Und es sei, wenn siebzig Jahre erfüllt sind, werde ich heimsuchen auf dem König von Babel und seinem Volk, Spruch JHWHs, ihre Sünden und auf dem Land der Chaldäer; und
42 MT und LXX haben bekanntlich im Jeremiatext viele entscheidende Differenzen, die insbesondere literarkritisch wichtig werden. Ich folge hier MT, liste auch die Abweichungen in LXX nicht auf, weil es sich m.E. um derart verschiedene Theologien in den beiden Rezensionen handelt, so daß punktuelle Vergleiche der Differenzen den beiden Texten nicht gerecht werden (s.o.). 43 In weiten Teilen wie auch hier ist der Name "l^KTD'nj - „Nebukadrezzar" geschrieben. Der Einfachheit halber ist aber die im Deutschen inzwischen übliche Schreibung „Nebukadnezar" verwendet. 44 Jer 25,2 und 1,2 sind die beiden einzigen Stellen, an denen der Satz (eine Wortereignisformel) aus V.l derart über Versgrenzen weitergeführt wird. Dazu kommt etwas verändert just Jer 46,1, der Beginn der Völkersprüche, der unvermittelt mit einem ~©K-Satz beginnt (s. auch Jer 14,1). S. zu dieser Überschrift und ihrer sprachlichen Gestaltung HUWYLER, Jeremia
und die Völker, S. 3 7 2 - 3 7 6 . 45
Es steht ein wie BRIGHT, Jeremiah, AncB, S. 157, treffend formuliert, „syntactically awkward", er hält dies wie viele andere Kommentatoren und Kommentatorinnen mit LXX für eine Glosse.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
ich mache ihn zu Verwüstungen für ewig. 13 Und ich lasse kommen über dies Land alle meine Worte, die ich gegen sie geredet habe, alles in diesem Buch Geschriebene, was Jeremia prophezeit hat gegen alle diese Völker. 14 Fürwahr, sie machen sie dienen, auch sie, vielen Völkern und großen Königen, und ich vergelte ihnen nach ihren Taten und den Werken ihrer Hände. 15 Denn, so spricht JHWH, der Gott Isr^ls zu mir: ,Nimm diesen Becher mit Zornwein aus meiner Hand, und du sollst ihn alle Völker trinken lassen, zu denen ich dich schicke. 16 Und sie sol^n trinken und schwanken und wahnsinnig werden, - vor dem Angesicht des Schwertes, das ich zwischen sie schicke.' 17 Und ich nahm den Becher aus der Hand JHWHs und ich ließ alle Völker trinken, zu denen mich JHWH geschickt hatte: 18 Jerusalem und die Städte Judas und ihre Könige und ihre Fürsten, sie zu einer Trümmerstätte zu machen, zu Entsetzen und Gezisch und Fluch wie an diesem (heutigen) Tag 19 und Pharao, den König Ägyptens und seine Untergebenen und seine Fürsten und sein ganzes Volk 20 und das ganze Mischvolk und alle Könige des Landes Uz und alle Könige des Landes Philistäa und Askalon und Gaza und Ekron und der Rest von Aschdod 21 und Edom und Moab und die Kinder Amons 22 und alle Könige von Tyrus und alle Könige von Sidon und die Könige des Küstenlandes am andern Ufer des Meeres 23 und Dedan und Tema und Bus und alle, die geschnittene Ecken haben, 24 und alle Könige Arabiens und alle Könige der Mischvölker, die in der Wüste wohnen, 25 und alle Könige von Simri und alle Könige von Elam und alle Könige der Meder 26 und alle Könige des Nordens, nah und fern, ein Mann zu seinem Bruder; und alle Königreiche der Erde, die auf dem Angesicht des Erdbodens sind, und der König von Scheschach trinkt nach ihnen. 27 Und du sollst zu ihnen sprechen: „So spricht JHWH Zebaoth, der Gott Israels: trinkt, werdet berauscht und speit und fallt, und ihr steht nicht mehr auf, - vor dem Angesicht des Schwertes, das ich zwischen euch schicke." 46
Die komplizierte status constructus-Reihe faßt Ges-K §131 als Permutation auf. Zur Diskussion der schwierigen syntaktischen Konstruktion der Fügung r w ~ n e n n ]"n C"3, die oft zur Tilgung von n e n n führt, s. SEIDL, Becher, S. 53-55, der für die Beibehaltung des Textes morphosyntaktische Möglichkeiten sieht: „Beide Lösungen verdeutlichen, wie sehr MT an der Hervorhebung und Deutung der Bechermetaphorik schon auf der Ebene der Wortfugung gelegen ist. Das ist als Funktion dieser auffallig dichten, mehrdeutigen Wortfügung festzuhalten" (ebd., S. 55). 47 McKANE, Jeremiah, ICC, S. 633, BRIGHT, Jeremiah, AncB, S. 158 u. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 498f, verstehen die Präposition ¡0 in m i l "SD - „weg von dem Angesicht des Schwertes" kausal. M.E. steht, wie in der Übersetzung umgesetzt, der privative Charakter von j e im Vordergrund. MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 633, übersetzt V.18b unter Ellision von ubbp^ ntn CTD: „reducing it to a waste and making them a spectacle at which men are appalled and whistle in horror". 49 Obwohl die meisten Exegeten und Exegetinnen mit Hieronymus (DUHM, Jeremia, KHC, S. 2 0 5 ; BRIGHT, J e r e m i a h , A n c B , S. 158; MCKANE, J e r e m i a h , ICC, S. 6 3 3 ; CARROLL, Jere-
miah, OTL, S. 498f; HOLLADAY, Jeremiah 1, Hermeneia, S. 671) ¡1KB als elliptischen Ausdruck auffassen, ist das nicht so eindeutig. Es könnte sich auch um die Feldecke, die nicht abgeerntet wird, handeln: m ä ) PRD. Der Text läßt dies offen. Anscheinend war diese kulturelle Differenz allen Beteiligten auch ohne präzise Beschreibung klar. 50
BUBER: „ D u c k d u c k " .
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía 25
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28 Und es wird sein: wenn sie sich weigern, den Becher aus deiner Hand zu nehmen und zu trinken, dann sprich zu ihnen: „So spricht JHWH Zebaoth: ihr trinkt - Trinken! 29 Fürwahr, siehe, in der Stadt, die nach meinem Namen benannt ist, beginne ich mit dem Bösen, und ihr bleibt ungestraft - ungestraft!? Nicht bleibt ihr ungestraft, fürwahr, das Schwert rufe ich auf alle, die auf Erden wohnen, Spruch JHWHs Zebaoth. 30 Und du prophezeie ihnen alle diese Worte, und du sollst ihnen sagen: „JHWH aus der Höhe brüllt und aus seiner heiligen Wohnung gibt er seine Stimme von sich, er brüllt Brüllen auf seine Wohnung, er antwortet einen Ruf wie die Keltertreter zu allen, die die Erde bewohnen. 31 Es kommt ein Getöse bis an die Enden der Erde. Fürwahr, ein Streit JHWHs mit den Völkern, er fuhrt einen Rechtsstreit mit allem Fleisch. Die Frevler, er gibt sie dem Schwert, Spruch JHWHs." 32 So spricht JHWH Zebaoth: „siehe, es geht Böses aus, von Volk zu Volk, und ein großer Sturm erwacht von den Seiten der Erde. 33 Und es wird Durchbohrte JHWHs geben an diesem Tag, von einem Ende der Erde zum anderen Ende der Erde, und sie werden nicht betrauert und nicht aufgehoben und nicht begraben. Wie Mist auf dem Angesicht der Erde werden sie sein. 34 Jammert, ihr Hirten, und schreit, wälzt euch (in der Trauerasche), ihr Führer der Herde , denn eure Tage sind erfüllt zum Schlachten; es ist eure Zerstreuung, und ihr werdet fallen wie Gefäße. 35 Und die Zuflucht geht verloren für die Hirten und die Rettung für die Machthaber der Herden. 36 Horch, Hilfegeschrei der Hirten und die Wehklage der Führer des Kleinviehs, denn JHWH verwüstet ihre Herden. 37 Es werden vertilgt die Weiden des Friedens im Angesicht der Zornes-Glut JHWHs. 38 Er verläßt wie der junge Löwe seine Hütte, fürwahr, ihr Land wird zu Entsetzen im Angesicht der Gewalt-Glut und im Angesicht seiner Zornes-Glut."
Das Kapitel enthält vier Abschnitte 1-7.8-14.15-31.32-38. In Abschnitt I (V.l-7) ist zunächst eine Prophezeiung an das Volk Juda angekündigt. Hierin schildert Jeremia, daß Gott ihn selbst schon so lange und darüber hinaus noch viele andere Propheten zum Volk geschickt habe mit der Aufforderung zur Umkehr. Weil sie aber nicht hörten, folgt nun die Prophezeiung (II, V.8-14): Gott schickt alle Völkerstämme des Nordens „bis hin zu Nebukadnezar, König von Babel, meinen Knecht" (V.9), die Juda, seine Bewohner, Bewohnerinnen und die gesamte Region zerstören und vernichten werden. Mit der Aufzählung von Details aus dem Stadt- und Zivilisationsleben wird unterstri51
ZUNZ.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Aufzählung von Details aus dem Stadt- und Zivilisationsleben wird unterstrichen, wie total die Vernichtung sein wird (V.26b). Nach Ablauf von 70 Jahren werden dann Babylon und sein König selbst vernichtet (V.12-14). Alles das wird in Abschnitt III (V.15-31)52 illustriert, Jeremia nimmt aus der Hand Gottes den Becher mit Zornwein und läßt daraus alle nachfolgend aufgezählten Völker trinken: „Und sie sollen trinken und schwanken und wahnsinnig werden im Angesicht des Schwertes, das ich zwischen sie schickend bin." (V.16) Babylon ist unter einem Pseudonym erwähnt, der König von Scheschach (=Babel) trinkt als letzter. Ein unausweichliches und weltumfassendes Berauschtsein wird die Vernichtung durch Gott zur Folge haben (V.27-31). Den Abschluß bildet eine weitere Rede JHWHs zum Gericht (IV, 32-38). Die letzte Formulierung des Kapitels faßt den Tenor aller Abschnitte zusammen "EK p n "DBC"! nüvn ]1~in ^ s n - „im Angesicht der Gewalt-Glut und im Angesicht seiner Zornes-Glut" (25,38)." Die Textabschnitte bauen aufeinander auf, indem sich das Folgende aus dem Vorhergehenden begründet ( p b V.8, "O V.15), Späteres illustriert Früheres (V.30-38 bezieht sich auf V. 15-29).54 Die Abschnitte insgesamt erläutern sich gegenseitig: Die Verse 15-31 teilen mit 8-14 die Unausweichlichkeit von Tod und Untergang durch Krieg und Mord (V.9b-11.16b.27b). In beiden Texten folgt eine Aufzählung dessen, was alles vernichtet wird." Nur bei Jerusalem, der ersten genannten Stadt und der Heimat, leuchtet kurz auf, was dieser Schluck aus dem Becher bedeuten wird. Während V.9-12 detailliert Bestandteile von Städten auflistet, die alle vernichtet werden, folgt in V.19ff eine Aufzählung der Völker. Vergangenheit und Zukunft sind sowohl in V.8-14 (die siebzig Jahre) als auch in V.15-31 enthalten (das nacheinander Trinken). V.32-38 prophezeit noch einmal die jetzt beginnende Zukunft. Im Unterschied zu V.8-14 ist die Gruppe der Angreifenden und der Sterbenden in V.15ff anders strukturiert: während 25,9 an Juda und seine Nachbarländer gerichtet ist, sind in 25,15-26 alle Völker - einzeln aufgeführt und 52 Die Unterteilung des Textes in Jer 25 ist ab V.30 relativ problematisch. Weithin wird ein neuer Abschnitt in V.30 angesetzt, m.E. liegt hier aber nicht so ein tiefer Einschnitt vor wie in 25,32 mit einer neuen Botenformel, weil in V.30 die „du"-Anrede aus V.27.28 weitergeführt wird. Thematisch handelt schon V.29 wie dann auch V.30.31.32.33 von „allen, die auf Erden wohnen", diesbezüglich gibt es weder in V.30 noch in V.32 einen Einschnitt. 53 CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 506, faßt denn auch Jer 25,30-38 als eine Art Kommentar zum Vorherigen auf. 54 So ist m.E. die Trennung des Kapitels in zwei Hälften in der Folge der LXX in 25,1-13 und 25,15-38 nicht dem jetzigen Text und seiner Struktur angemessen. Aus der Perspektive des möglichen Text- und Buchredaktionen wird 25,13 weithin als früherer Abschluß des Jeremiabuches ausgemacht und V.15-31 literarkritisch in verschiedene Wachstumsschichten zergliedert. Zu den neueren Vorschlägen in der Forschung s. SEIDL, Becher, S. 48-51, s. auch HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 347-364, zu einem differenzierten literar- und redaktionskritischen Ansatz für Entstehung und Überarbeitung von Jer 25,1-14 u. 25,15-38. 55
S. auch HILL, Construction of Time, S. 148.
B.1V.2.2. Der Plan: Jeremía 25
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schickt, sondern alle Völkerstämme aus dem Norden und Nebukadnezar, wird in Jer 25,15-29 kein Angreifer benannt, sondern die Ganzheit der Menschen als Opfer, die dem unausweichlichen Tod geweiht ist: sie sind trunken und können sich gegen „das Schwert, das JHWH unter sie schickt" nicht wehren. Inhaltlich handeln die Abschnitte 8-14.15-31 und 32-38 von demselben schrecklichen Thema: der kriegerischen Zerstörung aller Länder durch Nebukadnezar, dessen Reich am Ende selbst durch Krieg zugrunde geht. Die „Zeichenhandlung" (s.u.) vom Taumelbecher steht hier nicht, wie sonst häufig, z.B. der Gürtel (Jer 13), die Töpferei (Jer 18), das Joch (Jer 27-28) oder der überkochende Kessel (Jer 1), am Anfang und wird auch nicht mit einem Wort Gottes und/oder einer Deutung ausgelegt,56 sondern hier illustriert die Schilderung vom Taumelbecher die vorhergehende Prophezeiung. Unabhängig von der Textentstehung sind also die einzelnen Abschnitte von Jer 25 im aktuellen Text miteinander verzahnt und illustrieren einander.
2.2.1. Die Zeit in Jeremia 25 - die Zeit von Jeremia 25 Zeit ist in diesem Kapitel eine vielfach entscheidende Kategorie,57 während der Ort des Geschehens nicht genannt wird. Das im Text angegebene Jahr 605 ist terminus post quem für das Datum der Textentstehung.58 So wird der Text relativ einhellig ins 6. Jahrhundert datiert mit dem Streitpunkt, wie groß ein möglicher jeremianischer Anteil sein könnte. Die Abschnitte des Kapitels werden allerdings oft unterschiedlich datiert, weil 25,1-13 als „ursprünglicher" Schluß des Jeremiabuchs diskutiert wird,59 während aus Anlaß von 25,15-31 u. Kap. 46-51 gefragt wird, ob Jeremia selbst überhaupt Fremdvölkersprüche verfaßt habe. Bei der konkreten Datierung von 25,15-31 spielen erneut historische Konstellationen der Geschichte Babylons eine große Rolle.60 Bright datiert V. 17-29 in die Mitte des 6. Jahrhunderts, weil Babel hier sehr mächtig, aber Persien im hebräischen Text noch nicht genannt ist.61 Nicholson nimmt die Erwähnung Elams und der Meder für ein Datierungssignal für kurz vor 539, ebenso wie das Atbasch für Babel, das in einer Zeit entstanden sein muß, in der die direkte Nennung Babels zu gefährlich war.62 56 V.27- 29/31 sind zwar JHWH-Wort, dienen aber weniger zur Begründung, sondern stärker zur Illustrierung dessen, was passiert. 57 HILL, Friend, S. 92-101. S. auch HILL, Construction of Time. 58 Zum folgenden und den Positionen in den exegetischen Diskussionen s. MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 629-647. 59 S. dazu immer noch THIEL, Die deuteronomistische Redaktion, S. 262-275. 60 S. schon zu Jes 13 u.ö. 61 BRIGHT, Jeremiah, AncB, S. 164. 62 Zit. nach M C K A N E , Jeremiah, I C C , S. 645. M C K A N E selbst hält, 25,26b fiir sekundär und datiert V. 15-26 wegen der Nennung Elams und Mediens in die persische Epoche (ebd., S. 646).
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Immanent datiert sich der Text mit einer vorangestellten Datumsangabe, es ist das vierte Jahr Jojakims und das erste Jahr Nebukadnezars, also das Jahr 605 v.Chr. und damit zugleich der Zeitpunkt, an dem durch die Schlacht bei Karkemisch und dem Sieg Nebukadnezars über Necho die neue Supermacht aufgestiegen ist. Das erste Mal nach der Gesamtüberschrift des Buches (1,13) ist ein Text wieder datiert. Nach Kap. 25 folgen Datumsangaben in fast jedem Kapitel, der Text strukturiert sich danach. Was also die Verknüpfung von Geschichte, Politik und Theologie angeht, beginnt in Kap. 25 ein neuer Abschnitt im Buch. Darüber hinaus ist das Jahr 605 nicht nur historisch, sondern, davon ausgehend, auch theologisch und literarisch ein wichtiges Jahr: im Jeremiabuch werden der Beginn der Ereignisse um die vom König verbrannte Buchrolle (Jer 36) und zumindest die Motivation für das Orakel gegen Ägypten, wenn nicht alle Fremdvölkersprüche (46,1-2) an dieses Jahr geknüpft.63 Mit der Verbrennung von Gottes Wort hat König Jojakim das Schicksal Judas zugleich besiegelt und verschlimmert (36,32), genauso wie Jeremia mit dem Tränken der Völker, Judas und Babels deren Schicksal besiegelt (Jer 25). Ähnlich wird Hananja im wiederum vierten Regierungsjahr - diesmal Zedekias - mit dem Zerbrechen von Jeremias Joch das Schicksal Judas besiegeln und verschlimmern (Jer 28), genauso wie der Bote des Propheten im selben Jahr mit dem Steinwurf das Schicksal Babels besiegelt (Jer 51, 59-64). Nur dreimal ist im Jeremiabuch ein Text nach den Regierungsjahren eines fremden Königs, hier Nebukadnezars, datiert (Jer 25,1; 32,1; 52,12)." Die beiden letzten Datierungen beziehen sich auf die Ereignisse von 587: 52,12 in einer Rückschau, 32,1 in einer Schilderung von Jeremias Schicksal im Untergang Judas. Jer 25,1 wiederum weist auf diese Ereignisse voraus, weil die Zerstörung Judas und Jerusalems durch Nebukadnezar in 25,9-11.18 prophezeit und die kommenden Ereignisse des ganzen nächsten Menschenlebens65 von siebzig Jahren in einem prophetischen Konzentrat präsentiert werden. Der Text befindet sich aber nicht vor dem Beginn eines (Zeit)Plans für die nächsten siebzig Jahre, sondern schon nach dem Beginn: In V.9 heißt es, „ich bin schickend und habe (bereits) genommen", in V.17 wird von der Einflößung des Taumelweins als etwas Abgeschlossenem berichtet, die Zerstörung Jerusalems hat schon stattgefunden (V.18) bzw. beginnt JHWH jetzt mit der Zerstörung Jerusalems (V.29). 63 Das Ereignis in Jer 36 wird deshalb sehr buchstäblich an das Jahr 605 gebunden, weil die Verlesung und die folgende Verbrennung des Buches erst im nächsten Jahr, beim nächsten landesweiten Fasten stattfindet, das Geheiß Gottes zur Niederschrift aber und das Diktat Jeremias in die Feder Baruchs ein Jahr vorher, eben im Jahr 605 erfolgen. 64 Auf die Schlacht von Karkemisch wird noch in Jer 46,2 Bezug genommen. Sie wird interessanterweise mit dem vierten Jahr Jojakims, nicht aber mit den Regierungsdaten Nebukadnezars verbunden. 65 Darauf, daß siebzig Jahre eine Lebensspanne umfassen, haben auch BRIGHT, Jeremiah, AncB, S. 160; McKANE, Jeremiah, ICC, S. 627, u.a. hingewiesen; s. auch o. B.IV. 1.4.
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía 25
351
So liefert Jer 25, ausgehend vom Jahr 605 (Jer 25,1) bzw. „heute", einen Überblick über den Rest des Buches, einen Zeitplan,66 nach dem die siebzig Jahre im Verlauf des Textes abgeschritten werden: erst Jerusalem/Juda, dann die Fremdvölker (46-49), dann Babylon (50-51) - und schließlich zurück in das Jahr 594, in dem das alles noch Prophezeiung ist (Jer 51,59-64). Diese Zeitspanne ist aber nicht nur in bezug auf die Prophezeiung im Text enthalten, sondern auch in seine eigene Deutung eingeschrieben: in 25,3 wie in 25,18 kommt ein ,heute' vor, ohne daß auch nur die Szene wechselt oder sonst eine Unterbrechung angezeigt wäre. Der Text Jer 25 datiert sich im ersten Vers auf das Jahr 605, was deshalb wahrscheinlich auch der Zeitpunkt von Jeremias Rede ist (25,3). 25,18 aber spricht vom Taumelbecher an Jerusalem, der dann zu einer Zerstörung und Verwüstung führt „wie sie heute ist". Die Zukunft ist bereits gegenwärtig.6' So ist bereits für Jer 25 in der Folge nicht klar, wann diese siebzig Jahre beginnen: 605 oder 587? Dazu kommt nämlich noch die Aussage in dem Vers 29,10, die wegen der Datierung in 29,1-3 dafür spricht, daß die nun beginnenden siebzig Jahre im Jahr 597 ihren Anfang nehmen.68 So deckt Jer 25 die Zeitspanne ab vom Anfang der Prophetie Jeremias bis heute und dann noch 70 Jahre, benennt außerdem einen Zeitpunkt der Erzählzeit, der multipel ist und so zwei entscheidende Daten, die Jahre 605 und 587 zusammenfallen läßt. Zeitlich ist so gesehen Jer 25 die Nußschale des Jeremiabuches. Das ist auch inhaltlich und kompositioneil so.
66
Daß Jer 25,15-31 in die Zukunft gerichtet sei, wird weithin angenommen, s. z.B.
KESSLER, Function, S. 68. 67
Es ist ein Charakteristikum des Jeremiabuches, daß Ereignisse zusammenfallen, nicht nur 605 und 587 in Jer 25 (s. auch HILL, Friend, S. 94), sondern auch 597 und 587: obwohl sich die Ereignisse beider Daten ähneln, wird im Jeremiabuch 597 den Verschleppungen und 587 der Eroberung Jerusalems zugeordnet (CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 483 zu Jer 24,1 u. 5 3 0 , 5 3 5 zu Jer 2 7 ) . 68 Tatsächlich kommt zum genannten Beginn auch die je unterschiedliche Perspektive (auf das Ende) hinzu: während 25,11 die Dauer der Zerstörung Judas betont, bezieht sich 25,12 auf das, was Babel nach den 70 Jahren passiert, 29,10 hat wieder Judas Wiederherstellung nach 70 Jahren im Blick. Je nachdem, an welchen Vers spätere Texte und Interpretationen anknüpfen, verschiebt sich die Zeitspanne (APPLEGATE, Jeremiah and the Seventy Years).
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
2.2.2. Jeremia 25 im Kontext des Buches Die Stellung von Jer 25,1-29 MT im Kontext des Buchganzen kann mit Recht als Scharnier bezeichnet werden, das die erste Hälfte des Buches, die überwiegend an Juda und Jerusalem gerichtet ist, mit der zweiten Hälfte verbindet, in der Erzählungen über das Schicksal des Propheten dominieren und auch Fremdvölkerorakel einen großen Teil bilden." In der Mitte des kanonischen Textes positioniert bildet Jer 25 mit der Berufungsgeschichte in Kap. 1 und der Untergangsvision Babylons in Kap. 50f und dem Untergangsbericht Judas und Jerusalems in Jer 52 die makrostrukturelle und thematische Klammer, die den Gesamttext umschließt.70 Gottes Auftrag „zu vertreiben und zu zerstören und zu vernichten und zu zerbrechen, zu bauen und zu pflanzen" (Jer 1,10) wird hier so allumfassend, wie er formuliert ist, in konkrete Pläne umgesetzt." Die Bilder des Kapitels sind ähnlich denen in Jer 2-6 und 46—49; 50—51 und ziehen so noch auf anderer Ebene einen (blut)roten Faden durch das Buch. So kommt den Babel-Texten - als einen solchen möchte ich Jer 25 behandeln72 wie schon im Jesajabuch auch in Jeremia buchstrukturierende Funktion zu. Auch in einzelnen Aussagen und Motiven ist Jer 25 eng mit anderen Texten des Buches verbunden.73 Die strukturell wichtige Datierung läßt die Ereignisse von Jer 25; 36 und 45 zusammenfallen (s.o.), mit Jer 25 beginnt eine Abfolge von datierten Texten im Buch. Gleich im nächsten Kapitel eröffnet Jeremia seine zweite Tempelrede mit einem Rekurs auf die Dauer seiner vergeblichen Predigten, ähnlich 25,3-7.74 Wie es angekündigt und von Jeremias Lebenswandel vorweggenommen wurde (Jer 16,8f), soll es keine Festesfröh" PATTERSON, Of Bookends; KESSLER, Jeremiah 25,1-29; CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 493, sieht die das ganze Buch zusammenfassende Funktion von Jer 25 nur für 25,1-14 gegeben. HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 331, 343 zur ausführlichen Begründung S. 3 3 2 346. Ähnlich schon DUHM, Jeremia, KHC, S. 200, der Jer 25 als „buntscheckig" bezeichnet und genau das als Manko des Textes herausstreicht, was Kessler wie auch ich als seine Stärke ansehen. 70 Kap. 50-51 und Jer 1 stehen sich m.E. deshalb gegenüber, weil mit der Zeichenhandlung Serajas gegen Babylon die Worte Jeremias enden, die in Jer 1 begannen. Hierin besteht ein Unterschied zwischen Babylon (50-51) und den (anderen) Fremdvölkern (46-49). 71 KESSLER, Jeremiah 25,1-29, s. auch ders., Function, wo die Thesen aus dem ebengenannten Aufsatz noch einmal zusammengefaßt werden mit besonderen Blick auf eine synchrone Lektüre des Buches und der These, daß das Jeremiabuch eine Geschichtsphilosophie darstellt. HERRMANN, Jeremia, BK, S. 48, sieht 1,15f in Jer 25,6-10 konkretisiert. Auch war die Heimsuchung fremder Völker in 9,24f schon einmal prophezeit worden. Schon DUHM, Jeremia, KHC, S. 203, konstatierte einen „gewissen Zusammenhang mit Cap. 1". 72
S.o. S. 18f. Zu detaillierten Ausführungen der Übereinstimmungen mit Phrasen und Wortschatz anderer Jeremiatexte sei hier auf HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S.665-667, verwiesen. 74 HILL, Friend, S. 91, sieht vor allem den Bruch zwischen Jer 25 und 26, auf jeder Textebene („in form, setting, and content", S. 91). 73
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía 25
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lichkeit mehr geben, damit auch keine Lebensstationen oder Punkte im Leben mehr - allerdings wird es auch kein Dazwischen mehr geben, keinen Alltag (25,10b). Die Ähnlichkeit von 25,30-38 mit anderen Prophezeiungen ist beispielsweise von McKane hervorgehoben. Zwar weist er Duhms These zurück, 25,30-38 sei eine Nachahmung von Sach 11,3-7," konstatiert aber Übereinstimmungen. Diese sieht er mit unterschiedlichen literar- und redaktionskritischen Einschätzungen auch für andere Verse und Versteile gegeben: V.30 Am 1,2; Joel 4,16; V.32 - Jer 6,22; 10,22; V.33 - Jer 8,2; 16,4; 12,12; 25,31; V.35 - Am 2,14; V.38a- Jer 4,7." Dazu kommt, daß innerhalb des Kapitels 25 die einzelnen Abschnitte II-TV auseinander folgen, einander illustrieren,77 miteinander entsprechend formal verzahnt sind (s.o.) und denselben Leitworten folgen.78
2.2.3. Prophetie in Jeremia 25 Entsprechend der kompositorischen und schicksalhaften Schlüsselstellung des Kapitels beginnt Jer 25 mit einen Blick auf die gesamte prophetische Existenz Jeremias von den Anfangen bis zu dieser Situation (25,1) zusammen mit Jer 1,1-3, der Buchüberschrift dient 25,1 deshalb oft zur Datierung der Prophetie des historischen Jeremia. Mit 51,59-64 enden die Worte Jeremias (51,64). Thematisiert wird in Jer 25 unter anderem die Verbindung von Biographie, Theologie und Geschichte, wie es in Jer 1 schon vorgezeichnet ist. Aber auch formal wird die auf all diesen Ebenen hervorgehobene Beziehung zwischen Jeremia und Gott einerseits und seine Beziehung zum Volk andererseits gekennzeichnet: Die Beziehungsgeschichte steht insbesondere zu Beginn des Textes derart im Vordergrund, daß das der Wortereignisformel typische HNC m r r - „von JHWH" fehlt (25,1) und die Reminiszenz an die Geschichte zwischen Prophet und Adressaten (V.3-7) das Wort Gottes selbst zunächst regelrecht abdrängt, es folgt erst in V.8. Eine weitere Ebene ist in der Aufeinanderfolge von V.l und 2 darin enthalten, daß Jeremia das Wort Gottes offenbar direkt und unverfälscht weiterträgt, die Mehrschichtigkeit von Botschaftserhalt und Botschaftsweitergabe nicht erwähnt.7' Obwohl in Jer 25,3ff Jeremia auf seine Beziehungsgeschichte zum Volk rekurriert, benutzt er mit CDiä - „aufgeladen" (V.4 u.ö.) eine Vokabel, die im Jeremiabuch nur von JHWH in Ei-
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DUHM, Jeremia, KHC, S.209. Auch Jer 50,7 sieht DUHM als abhängig von Sach 11 an (ebd., S. 361). 76 MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 657. 77 Gegen KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S: 57f u. 64, der meint, V.12a sei innerhalb des Textes ein Scharnier. 78 Zu den Leitworten in Jer 25 s. KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S. 64f. 79 KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S. 50.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
genaussagen vorkommt (Jer 7,13.25; 11,7; 26,5; 29,19; 30,33; 35,14.15; 44,4).80 Dafür ist es in Jer 25,13 nicht der Prophet, der sich in anderen BabelTexten legitimieren muß,81 sondern JHWH selbst, der seine Worte bekräftigt und die Wahrheit dieser heiligen Schrift und die Sendung des Propheten beglaubigt. Jeremia ist hier nicht Sprecher, sondern Empfanger. Die Sprecherrolle übernimmt Gott selbst in seinem Buch.82 Am Schluß des Kapitels (V.32) steht die Botenformel ohne Einleitung oder Botennennung: die Botschaft ist nun absolut. In welchem Verhältnis der Prophet zu dem zu Sagenden steht oder von Gott gestellt wird, ist an den Präpositionen ablesbar, mit denen der Botschaftserhalt versehen wird: In Jer 25,1 heißt es, das Wort kommt auf (bP) Jeremia auf (*?!>) das ganze Volk Juda.83 Durch die präpositionale Parallelisierung wird Jeremia mit dem ganzen Volk gleichgestellt: die Prophezeiung (be)trifft auch ihn. Auch wird das ganze Volk Jeremia gleichgestellt: es sind zwei gleiche hintereinander gestellte Wortempfanger, Jeremia und das ganze Volk. Und beide Parteien werden damit voneinander getrennt: obwohl er dazugehört, ist er von ihnen abgehoben und isoliert. Daß Jeremia die Worte an das Volk in eben dieser Konstellation weiterträgt, ist ausgesagt in 25,2: „was geredet hat Jeremia der Prophet, zu dem ganzen Volk Juda, und für alle Einwohner und Einwohnerinnen Jerusalems folgendermaßen". Ebenso zeigt V.2, daß Jeremia eben kein Teil der Jerusalemer, sondern nur (der) Judäer ist.84 Diese Konstellation liegt zu Beginn der zweiten Hälfte in Jer 25,15 nicht vor. Hier heißt es: „Fürwahr, so spricht JHWH, der Gott Israels, zu mir O^K). Inhalt der Botschaft, dessen Empfanger er selbst ist, ist ein Auftrag für eine Zeichenhandlung an der gesamten bewohnten Welt. Er soll den Becher Gottes weiterreichen. So ist Jeremia Adressat einer Botenformel, ohne daß vorher ein Bote erwähnt wäre. So scheint er selbst Bote und Adressat zu sein und verdoppelt seine kommunikative Rolle. Der Auftrag, den/einen Becher mit dem Zornwein Gottes an alle Völker weiterzureichen, ist aus zweierlei Gründen ungewöhnlich: es gibt in der Bibel 80
McKANE, Jeremiah, ICC, S. 620. S. Offb 17-19; Sach 5. 82 Dies ähnelt der Konstellation in Jer 36 wie dann auch der Konstellation in 2Kön 22-23. 83 Das ist das einzige Mal im Jeremiabuch, daß die Wortereignisformel mit b s statt ^K steht. E H R L I C H , Randglossen IV, S . 307; N E U M A N N , Wortempfangsterminologie, S . 202 Anm.l, konjizieren deshalb. H U W Y L E R , Jeremia und die Völker, S.338f. Anm. 36, beläßt den Text, weil die Handschriftenvarianten zu 25,1 seiner Ansicht nach so zu interpretieren sind, daß „zumindest von einer gewissen Zeit an b s unterschiedslos sowohl ,an' (Adressaten) als auch ,über' (Thema) bedeuten" konnte. 84 Nur noch ein weiteres Mal sind das Volk und Jeremia derart verbunden: in 44,1 heißt es, „das Wort geschah zu Jeremia zu allen Judäern, die im Land Mizraim wohnten..." Tatsächlich ist hier Jeremia Teil der Gruppe, weil er mit ihr nach Ägypten gelangt ist. Die Formulierung in 44,1 unterstützt obige Interpretation von 25,1. 81
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eine Reihe von Texten, in denen jemand einen Becher aus der Hand Gottes nehmen muß - stets muß diese Person auch trinken (s.u.). In keinem anderen biblischen Text wird der Becher einfach weitergereicht. Nur noch einmal ist davon die Rede: Jesus bittet im Garten Gethsemane, „daß der Becher an mir vorübergehe" (Mt 26,39.42.44 parr.), was aber bekanntlich nicht passiert. So bleibt Jeremia die einzige Figur der Bibel, die den Becher mit Zornwein weiterreicht, ohne selbst zu trinken. Wie nimmt man aus Gottes eigener Hand einen Becher? In V.15 und 16 wird sprachlich noch eine Parallele zwischen dem becherreichenden Propheten und dem todbringenden Schwert hergestellt (TT^tö ""DDR ItöK). Zusammen mit der Beobachtung, daß der Kelch an ihm vorübergeht, deutet das darauf hin, daß Jeremia in diesem Abschnitt ein Teil Gottes ist. So ist in den einzelnen Abschnitten des Kapitel 25 die Stellung Jeremias zum Volk, zum Wort Gottes, zu Gott selbst und seine Funktion als Bote und Betroffener derart problematisiert und konzentriert, wie es über das gesamte Buch erfolgt. In Jer 25 kommt darüber hinaus eine der Figurenkonstellationen des Gesamtbuchs vor. Nebukadnezar und Jeremia erfüllen in den beiden Abschnitten des Kapitels V.8-14.15-29/31 eine ähnliche Funktion: in V.8-14 ist Nebukadnezar der Knecht Gottes, der die Vernichtung bringt, während in V.15ff es der Prophet Jeremia ist, der an alle Völker den Zornbecher Gottes reicht. Kessler weist darauf hin, daß die Funktion als Werkzeug der Vernichtung auch sprachlich markiert sei: „as YHWH ,took' the tribes of the North (particularly Babylon) to punish Judah (9a), he now commands Jeremiah to ,take' the cup to the nation to make them drink (16)".85 Daß Jeremia mindestens nicht hier ein Prophet ist wie andere, wird im masoretischen Text ähnlich subtil wie deutlich ausgedrückt: zum einen ist hier Jeremia wieder abgehoben und parallelisiert durch die Formulierung in V.3.4, zum anderen ist die Qualität der prophetischen Rede beiderseits gleich aufgeladen - CDÖ, aber trotz identischer Form unterschiedlich geschrieben: CDtÖK V.3, DDÖn V.4.86 Und: aus Jeremias Mund erfahren die Rezipierenden, was die Predigten aller Propheten enthält (V.5). Die prophetische Aktionsform in Jeremia
25,15-31
Je öfter man Jer 25,15-31 liest, umso skuriler wirkt der Text, was sich aus mehreren Eigentümlichkeiten herleitet. Der Text ist zugleich durch die Rede vom Becher aus der Hand JHWHs kryptisch und durch die geographisch-politische Aufzählung sehr sachlich. Es zeigt sich ein außerdem interessantes
85
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KESSLER, J e r e m i a h 2 5 , 1 - 2 9 , S. 5 9 .
KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S. 52, verweist auf eine weitere Nuancierung, daß nämlich bei Jeremia das Sprechen direkt benannt ist (V.3), während bei den Propheten nur das Geschicktsein erwähnt ist (V.4).
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Verhältnis von Auftrag (V.15f) und Ausführung (V. 17-26): der Auftrag ist kurz und präzise, die Ausführung muß nun in allen Einzelheiten und in aller Langatmigkeit das Aufgetragene in die Tat umsetzen. Und genau diese Arbeitsamkeit ist schockierend: die Aufzählung wird immer länger und umfaßt am Ende alle denkbaren Völker. Schritt für Schritt und Wort für Wort werden sie alle aneinandergereiht. Und trotz der Schrecklichkeit dieses Vorgangs und dieser Handlung zeigt der ausfuhrende Prophet keine Reaktion. Die prophetische Handlung ist schwer in eines der üblichen Schemata einzuordnen. Hinweise auf eine symbolische Handlung fehlen: Es ist keine Zeichenhandlung, weil sie nicht als solche eingeführt wird und auch keine Deutung oder Interpretation der Zeichen enthält, wie es sonst bei Jeremia und bei Zeichenhandlungen insgesamt üblich ist. Auch fehlen Einleitungsformeln oder sprachliche Signale für einen Visionsbericht.87 Den Gesamttext als Allegorie oder metaphorische Darstellung zu sehen, stellt einen Widerspruch der geographisch-reale Aufzählung und dem Ernst des Textes dar: keine Hinweise ermöglichen eine Interpretation des Textes als einen übertragen gemeinten. Auch als Ritualtext ist Jer 25 nur schwer zu verstehen: als Ritual ist das zunächst nicht durchführbar. Es bräuchte Stellvertreterfiguren o.ä., ähnlich einer prophetischen Zeichenhandlung. Aber der Text behauptet die Faktizität und daß Jeremia präzise den Auftrag Gottes ausgeführt hat. Tatsächlich ist das die Hauptaussage in V.17-26.88 Es scheint nicht wichtig zu sein, daß nach menschlicher Vorstellung es gar nicht möglich ist, ein ganzes Volk aus einem Becher trinken zu lassen - geschweige denn mehrere.89 So müssen wir den Text nehmen als das, was er vorgibt zu sein: ein Bericht über ein tatsächlich geschehendes Ereignis, dessen Folgen zum Teil noch auf sich warten lassen. Jeremia hat hier also kein Glaubwürdigkeitsproblem, was den Erhalt seiner Befehle und seiner Sendung durch JHWH angeht. Das ist umso erstaunlicher, als es sich in Jer 25 um die gesamte Weltbevölkerung handelt, die damit JHWHs Gottsein anerkennt, etwas, was im Jeremiabuch von der Führungsschicht Judas und Jerusalems nicht unbedingt ausgesagt wird. Das Jeremiabuch handelt also in vielerlei Hinsicht von einer verkehrten Welt, die erst wieder gerade gerückt werden muß. 87 Gegen DUHM, Jeremia, KHC, S. 204, der das Geheimnisvolle des Textes in seiner Deutung noch verstärkt, statt es zu interpretieren: „Der Verf. [...] erzählt eine Vision, und deren Gesetze sind hier wirksam. Die Schatten der Völker schweben heran, angezogen von dem Lenker des Schicksals, um das zu empfangen, was ihnen beschieden werden soll, wie die Hausgenossen zum Hausvater treten, um ihren Anteil zugemessen zu bekommen." 88 Das wird unterstrichen durch das weitgehende Fehlen abstrakter Substantive und übertragener Deutungen im Text (SEIDL, Becher, S. 53-56). 89 Ähnlich sieht denn auch die Lösung von CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 501, aus: ein großer - und damit der unwahrscheinliche - Teil des Textes ist durch redaktionelle Texterweiterung entstanden, es sei deshalb vergeblich, eine ursprüngliche Realisierung der Handlung zu suchen: „The action only takes place in the redacted material" (ebd.).
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía 25
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Interessanterweise wird die Glaubhaftigkeit der Handlung stattdessen an einer für uns unerwarteten Stelle problematisiert: Es wird eben nicht thematisiert, wie Jeremia es anstellen soll, alle Menschen der Welt trunken zu machen, das steht fest, stattdessen diskutiert JHWH, was ist, wenn jemand nicht trinken will: Dieser Eventualität soll Jeremia durch eine bedrohlich strenge Aufforderung begegnen (V.28). Die Legitimität des Propheten ist also anerkannt, aber Gott selbst zweifelt an der Autorität seines Propheten, den Menschen ihr Schicksal einflößen zu können (V.28). Aber das Unheil ist unabwendbar, jedeR muß trinken. Kein einzelner wird entrinnen. Der Becher in der Hand
Ausgesprochen häufig wird bei Texten zum Taumel- oder Zornbecher JHWHs erwähnt, daß der Becher in der Hand gehalten wird. In Ps 116,13 die Beterperson erhebt den Becher des Heils und ruft damit Gottes Namen an - ist das implizit, in anderen Texten aber gibt Gott selbst den Delinquenten den Becher in die Hand (Jer 51,7; Hab 2,16; Ps 75,9) oder reicht ihn von einer Figur zur anderen (Jes 51,17.23; Ez 23,31-35; Klgl 4,21)/" nur in Jer 25,1529 gibt der Prophet Jeremia aus der Hand Gottes den Becher an alle Völker." Es fällt auf, daß der Begriff „Hand" und damit die Information, daß Jeremia den Becher aus der Hand Gottes in seine nehmen soll, dreimal fallt. Warum ist das so wichtig? Der Ausdruck92 scheint zunächst einfach zu bedeuten, daß eben Gott den Becher in seiner Hand hält. Der Sprachgebrauch für Gottes und für menschliches Handeln ist terminologisch gleich, so daß auch die Übergabe an Jeremia keine Ungewöhnlichkeit darstellt. Aber in der einfachen Bedeutung kann eine übertragene mitschwingen, auch diese beiden Ebenen zeigen identische Terminologie. Tatsächlich kommt für diesen Ausdruck die Bedeutung „Macht haben, verantwortlich sein, unter der Herrschaft/ Gewalt stehen" infrage. Mit dem Becher erhält Jeremia eine große Verantwortung von Gott. Auch spielt der Begriff „Hand" in zahlreichen Texten eine Rolle, in denen von Gottes Befreiungshandeln aus Fremdherrschaft oder sein Ausliefern in Fremdherrschaft die Rede ist. Diese Konnotationen für Handeln 90
Sogar in Gen 40,11 hat das In-der-Hand-halten schicksalhafte, magische Bedeutung. Eine Verknüpfung von Becher und Geschick liegt auch in Gen 44 vor. " Gerade weil der Becher stets von allen Angeredeten im Text selbst getrunken wird, ist m.E. eine Deutung, daß hier dem Propheten eine priesterliche und den Becherstellen insgesamt eine kultische Bedeutung zukommt (KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S. 59; MAYER, Art. 013, Sp. 110), mindestens aus diesem Grund weiter zu differenzieren. Zwar ist ein kultischer Hintergrund an einigen Psalmstellen durchaus möglich, und selbstredend gab es auch schon früh (s. z.B. Hos 9,4) Trankopfer, diesen aber bei den prophetischen Stellen mit den priesterlichen und kultprophetischen Biographien der einzelnen Propheten zu begründen (MAYER, Art. 013), ist m.E. nicht ausreichend. 92 Zum folgenden s. ACKROYD, Art. T , der selbst auf die Stellen Jer 25,15.17.28 u. Jer 51,7 nicht eigens eingeht.
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und Handlungsfähigkeiten schwingen m.E. mit. Und doch ist es gerade die Konkretheit, die die Rede vom Becher in der Hand dem Text verleiht. Der Ausdruck betont, wie wörtlich die Zeichenhandlung zu nehmen ist. Es geht um Verantwortung und Beteiligung am eigenen Untergang. Fast immer wird der Becher aus Gottes Hand den Menschen gereicht. Mayer formuliert, daß der Becher, der aus der Hand Gottes kommt, in der Hand des Trinkenden dessen Becher wird." Diese Informationen gehören zusammen mit den Aussagen, daß die Schuldigen zum Trinken gezwungen werden, wenn sie sich weigern sollten: Für das Unglück sind zugleich die Menschen voll verantwortlich wie Gott voll verantwortlich ist. Das findet sich noch in Obd 16; Jer 49,12; Ez 23,31-35; Ps 75,9. Dabei ist es eine biblisch-theologische Aussage, daß die Rede vom Becher in der Hand in den Segenstexten fehlt (Ps 116,13; Jer 16,7; Ps 16,5; 23,5), obwohl gerade in Ps 116,13 das naheliegt. Das Becher-Nehmen wird sich steigernd wiederholt (V.15f. 17.28).'" In Jer 25 ist das Ungewöhnliche neben der Ausführlichkeit der gesamten Handlung und der Betonung, daß hier zwischen Gott und den Verurteilten der Prophet als Übermittlungsinstanz geschaltet ist. Er soll den Becher weiterreichen - ohne selbst von ihm trinken zu müssen.
2.2.4. Wer oder was ist Babylon? „Ein goldener Becher ist Babel in der Hand JHWHs" (Jer 51,7)
Obwohl der Text Babylon kaum charakterisiert, hat Jer 25 eine entscheidende Wirkungsgeschichte für das Bild Babylons entwickelt, die besonders innerbiblisch starke Konsequenzen hatte. Wie schon in den anderen behandelten Texten des AT kommt dabei der Name „Babel" nur an wenigen äußeren Punkten vor: in 25,1 und gegen Ende des ersten Abschnitts in V. 9.11.12. Zunächst ist der Text auf Juda und die Beziehung zwischen Gott, Prophet und Juda konzentriert (25,1-7). Dann taucht Nebukadnezar als gottgesandtes Vernichtungswerkzeug neben den Völkern des Nordens auf. Siebzig Jahre Unterwerfung unter den König von Babel und nach siebzig Jahren die WiederUmkehr der Verhältnisse (V.9-12) werden angekündigt. Der König von Babel, seine Taten und sein Ergehen sind Gegenstand der nächsten siebzig Jahre Weltgeschichte. Hier sind von der Entität „Babel" explizit der König, sein Volk und das Land der Chaldäer unterschieden (25,12). Sie trifft ewiges Entsetzen (TTÖttf), etwas was in stärkerem Maße Juda und Jerusalem angedroht " MAYER, Art. DID, Sp. 109. In der Übergabe, der Situation des Übergangs sieht SEIDL, Becher, S. 129 u. 148 eine der Hauptlinien des Motivs. 94 KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S. 60.
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wird (V.9.18) und Babel selbst auch in Jes 13,9; Jer 50,3.13.13.23.45; 51,26.29.37.41.43.62 treffen soll. Nach der Becherepisode, gemäß der alle Völker und Könige in Trunkenheit und Tod fallen, wird weiter/wieder weltweite Zerstörung angekündigt. Nun gibt es keine unterscheidbaren Völker mehr.
2.2.4.1. Babel und die (anderen) Völker Während Babylon in Jer 25,15-31 durch Verdecken hervorgehoben wird, ist die besondere Stellung Jerusalems und Judas explizit (V. 18.29). Während die Funktion Babylons in Abschnitt II und III unterschiedlich ist und sein Untergang unterschiedlich begründet ist, ist Jerusalems Schicksal immer gleich: Juda und Jerusalem werden als erstes vernichtet werden. Dies ist sicher und hervorgehoben. Obwohl Jerusalem weltpolitisch eine sehr untergeordnete Rolle spielt, wird seine Zerstörung im Becher-Text noch vor der Zerstörung der Weltmächte Ägypten und Babylon angedroht. Dies ist auch ein Punkt, an dem die Abschnitte 8-14 und 15-31 miteinander verbunden sind: die Hervorgehobenheit, d.h. die Erstnennung Jerusalems. Auch die angedrohte Bestrafung ist in V.9.18 mit den Aufzählungselementen - „Entsetzen", ilp~l2j „Gezisch" und ilI3"in - „Trümmerstätte" identisch." Interessanten Aufschluß über Babel gibt auch der Vers 25,29: „Fürwahr, siehe, in der Stadt, die nach meinem Namen benannt ist, bin ich mit dem Bösen beginnend, und ihr bleibt ungestraft - ungestraft!? Nicht bleibt ihr ungestraft, fürwahr, das Schwert bin ich rufend auf alle, die auf Erden wohnen, Spruch JHWHs Zebaoth."
Wer ist hier angeredet? In jedem Fall enthält die Gruppe Nicht-Jerusalem (V.29a), und sonst „alle, die auf Erden wohnen" (V.29b). Die Summe und rhetorische Disputation überhaupt aber spricht dafür, daß Babel darin enthalten ist. Jer 25,29 entspricht jedenfalls Jes 47: die (Selbst)Sicherheit, vom Zorn eines Gottes aus einem kleinen Land am Mittelmeer nicht getroffen werden zu können. 25,29 ist eine der wenigen Stellen, an denen Babel zusammen mit anderen Völkern - ununterschieden - angesprochen ist. In der Aufzählung der Fremdvölker V. 17-26 bzw. nach ihrem Ende fällt die Bezeichnung „König von Scheschach" ("^230) besonders auf. Auch ist er dadurch hervorgehoben, daß er explizit als letztes aus dem Taumelbecher trinken soll. „Scheschach" ist ein (Atbasch) für „Babel"96, es ist nicht " Diese Vokabeln finden sich auch in anderen Jeremiatexten für Jerusalem: Jer 19,8; 29,18; 18,16. 96 Ein Atbasch ist die systematische Ersetzung der Buchstaben eines Wortes durch andere, es werden die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabeths in der Mitte geteilt und spiegelbildlich ersetzt, ein K, der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets, wird durch ein n, den letzten ersetzt. Atbaschim treten im Jeremiabuch häufiger auf, bislang sind drei relativ unum-
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wie in Gen 11,9 („Verbabbelung" o.ä.) oder Jer 51,1 („Herz meiner Gegner") eine sprechende Umbenennung, sondern ein im Hebräischen unsinniges Kunstwort, von Buber treffend als „Duckduck" übersetzt." Babylonisch soll der Name allerdings Sinn machen, es ist nach Berger die Verballhornung eines Epithetons für Babylon „Ich bin die Sonne".98 So macht der Name zunächst die kulturelle Differenz auf der Ebene der Sprache deutlich: babylonisch Sinnhaftes, ein Machtausdruck wird im Hebräischen zum störenden Unsinn. Ähnlich wie in Gen 11,9 wird ein Name Babels verballhornt. Seit Hieronymus" wird vermutet, daß es sich hierbei um einen Tarnnamen handelt, der verhindern soll, daß der Text den Zorn der Chaldäer auf sich zieht. Das ist für Jer 25 m.E. aber zweifelhaft, da Jer 25 der Text ist, der Babel sowohl in V.8-14 als auch in 15-31 zum Regierungsbeginn Nebukadnezars 70 Jahre Weltherrschaft prophezeit.'00 Daneben ist hervorzuheben, daß Babel und Nebukadnezar in Jer 25 insgesamt sowie auch in Jer 50-51 durchaus vorkommen, so daß einzelne Verschlüsselungen als Tarnung keinen Sinn machen.101 Außerdem gilt es inzwischen als belegt, daß Atbaschim und andere Techniken im Mesopotamien des 7. Jahrhunderts durchaus üblich waren,102 so daß der Name für chaldäische Leser und Leserinnen entschlüsselbar war.
stritten, alle stehen in Texten über Babel: Jer 25,26b= Jer 51,41; *Qp l 1 ? in Jer 51,1 (s.u.). NOEGEL, Atbash, schlägt auf der Basis eines zu diesem Zweck entwickelten Computerprogramms neun bislang unerkannte vor. Auch ergibt „Simri" in 25,25 als Atbasch gelesen „Elam" (s. BHS zu Jer 25,25), was zwar das sonst unbekannte Simri erklären kann, aber dafür ein literarkritisches Problem mit dem Doppelvorkommen Elams in V.25 aufwirft hat darüberhinaus denselben gematrischen Zahlenwert wie 'KOFI „Römer" (DUHM, Jeremia, K.HC, S. 206). 97 Möglicherweise kommt diese Übersetzung zustande, indem BUBER das Wort "^ÖTÖ von " p S - „sich ducken, sich senken" (s. z.B. Jer 5,26) ableitet, womit entweder der König als der bezeichnet wird, der andere Völker duckt oder - eher der Name Babel = Scheschach wie in bMeg 6a mit der sich duckenden, sich senkenden Ebene Babels = Sinears verbunden wird. So gäbe BUBERs Verdeutschung dieser Umkehrung des Alphabeths seinen eigenen verkehrenden Sinn, etwa „ducken muß sich, wer andere duckt" (Hinweis von Jürgen Ebach). 98 Sojedenfalls, HARTBERGER, Psalm 137, S. 49, die einen „demnächst" (1986) erscheinenden Aufsatz von Paul-Richard BERGER zitiert. Dieser allerdings konnte von mir bibliographisch nicht ermittelt werden, so daß auch der akkadische Beleg der Serie Tintir I, 3 ohne Diskussion stehen bleiben muß. Wichtig ist, daß tatsächlich die Möglichkeit erwogen wird, daß es sich um einen „echten" Namen handelt. " Hieronymus, In Hieremiam, XXVII, 2f. So auch z.B. STEINER, TWO Sons of Neriah, S. 83f. 100 ALBANI, Die 70-Jahr-Dauer, S. 7, und die Forscher, die er zitiert, haben allerdings Recht, daß aus der Sicht der Weltperioden 70 Jahre wiederum eine kurze Zeit ist. 101 NOEGEL, Atbash, S. 83. Dies ist umso überzeugender, als Noegel neun weitere mögliche Atbaschim für das Buch Jeremia diskutiert. Auch wenn nicht alle gleich plausibel sind (ebd., S. 250), verteilen sich die Atbaschim, nicht nur auf Namen, sondern auch auf Verben und nicht-onomastische Substantive. 102 STEINER, Two Sons of Neriah, S. 82f.
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía
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Wenn dann noch tatsächlich "^JtöÖ die Verballhornung eines babylonischen Epithets war, handelt es sich nicht um einen Geheimnamen, sondern um einen geistigen, eben spürbaren Schlag ins Gesicht. Was sagt !p'\D textimmanent über Babel aus? Interessanterweise ist bei dieser Formulierung nicht recht klar, wer sie spricht. Die ganze Aufzählung war eine Erläuterung Jeremias, welche Völker den Becher trinken. V.26b aber klingt wie ein Bestandteil aus einem Gespräch; zugespitzt enthält V.26b einen Beschluß ohne Sprecher. Das aber verweist bereits auf die Hervorgehobenheit Babels in der Aufzählung. Daß nach über acht Versen Aufzählung wieder ein Verbalsatz folgt, verweist formal auf die Ungewöhnlichkeit Babels, während inhaltlich mit dem Trinken wieder an V.17, den Ausgangspunkt der Aufzählung angeschlossen wird und so betont wird, daß Babel ist wie andere Orte. Die Gleichzeitigkeit am Eingegliedert- und Hervorgehobensein teilt Babel in diesem Kapitel mit dem Propheten Jeremia (s.o.). In der Aufzählung erscheinen Babel/Scheschach und sein/ihr König als eine geographische Größe, eine Region mit politischer Führung wie die anderen Länder und Völker auch.'03 Andererseits ist Babel/Scheschach mehrfach herausgehoben: Obwohl Babylon hier nicht die ganze Welt umfaßt wie in anderen Texten, wird Babel aber sehr wohl über die ganze bewohnte Welt herrschen, insofern der König als letzter trinkt, also noch am längsten bei Sinnen bleibt. Das ist ähnlich der Prophezeiung in 25,8-14.104 Besonders die Position in der Reihenfolge der genannten Völker weist auf Babels Besonderheit. Nach der hervorgehobenen Stellung Jerusalems wird die Aufzählung gerahmt von den Regenten der beiden antiken Supermächte, die zugleich die beiden Orte des Exils sind (diachron wie synchron) samt dem idealtypischen überlegenen Kriegsgegner, den Völkern aus dem Norden. Denn die Aufzählung beginnt bei Ägypten (V.19) und endet bei Babel/Scheschach (V.26). Gegen Ende steigern sich die Völker in ihrer (aktuellen) Feindschaft und Macht, und werden zusammengefaßt: es sind die Meder (und damit der künftige Feind Babels), die Könige des Nordens (mit „Norden" ein deutlich theologisch-militärischer Bedrohungsbegriff; diese Könige sind hier aber einfach Teil der Aufzählung und damit Teil der Völker der Erde), alle Königreiche der Erde - „the combination of vagueness and universality in the verse after the specific listing of nations which precedes it is striking"105 - und Babel/Scheschach. So wäre Ba103 Gegen HILL, Friend, S. 122, der meint, in 25,26b sei Babel weder eine geographische noch überhaupt eine räumliche Größe. Aber der Ausdruck „König von", wie "j'/D im status constructus hier m.E. zu übersetzen ist, verweist m.E. auf den Regierungsbereich dieses Königs. 104 Das ist umso bemerkenswerter, als ab V.30 mit entsprechenden Begriffen die Universalisierung des Gerichts noch deutlicher hervortritt: „alle, die auf Erden wohnen" (V. 29.30), „die Enden/Seiten der Erde" (V.31.32) u.a. 105 McKANE, Jeremiah, ICC, S. 640.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
bel/Scheschach schlimmer/mächtiger als alle Königreiche der Erde zusammen. Und: die Könige des „Nordens" sind real, gehören zu den Völkern der Welt - Babel aber nicht. Babel/Scheschach wird in einen sehr deutlichen Gegensatz zu den anderen Städten und Ländern gebracht, weil die geographische und geordnete und vollständige Reihenfolge zunächst durch Babels Fehlen eine Lücke bekommt'06 und plötzlich nach dem Ende der Aufzählung, also von außen gestört wird: Scheschach ist ein Nichtort. Getarnt als Ort gibt es ihn doch nicht. Obwohl „Scheschach" als Atbasch relativ durchschaubar ist, wird er doch nicht aufgelöst. Die codierte Existenz bleibt. So wird Scheschach zur Störung, zum personifizierten Chaos in der Ordnung, hervorgerufen durch die genaue Umkehr der richtigen Ordnung der Buchstaben und die Nennung des letzten Elements nach Ende der Aufzählung. Wenn Worte im Hebräischen Macht und Wesen besitzen, repräsentiert ein Atbasch und damit auch dieses Atbasch die Verkehrung dieser Macht und dieses Wesens, Atbaschim kommen, so Noegel, übrigens typischerweise in Texten vor, die von Machtkämpfen handeln.107 Die Hochkultur Babylon, wie sie bislang historisch erfaßt wurde, ist gekennzeichnet durch Listenwesen, Verwaltung, Mathematik und Präzision. Nun wird ein verballhorntes und als Nichtexistentes getarntes Existentes, nämlich Babel selbst, zur Störung einer Liste gebraucht, für die Völker wie Babylon so berühmt waren. Gleichzeitig wird Babel in dieser vollständigen Liste nicht erwähnt. Das ist umso wichtiger, als in Jer 25,15-31 Namen eine so große Rolle spielen, daß alle bald zerstörten Länder und Gegenden einzeln aufgezählt werden und JHWH noch hervorhebt, er werde mit der Stadt beginnen, die nach seinem Namen benannt ist (25,29). Der Name „Scheschach" selbst fugt also der Aufzählung wie auch der gesamten prophetischen Handlung eine übertragene Bedeutung hinzu. Diese Codierung im Atbasch betrifft übrigens „Babel" und damit erst mittelbar seinen/ihren König. Dadurch, daß es sich um ein entschlüsselbares Codewort handelt, ist hier die übertragene Bedeutung noch deutlicher als in Texten, in denen Babylon einen metaphorischen, eine bestimmte Eigenschaft hervorhebenden Namen bekommt. Hier wird der eigentliche Name selbst und als ganzer umgedreht und ist ein weiteres Zeichen, nein Anzeichen dafür, daß zur Zeit alles verkehrt ist (s.o.). „The inversion of power is expressed with inverted language".108 Die ganze Widersprüchlichkeit im Zusammenhang mit „Babel" drückt sich auch im Vorkommen von - „Land, Erde" aus, die schon mehrfach Schlüssel für Identität und Macht Babylons war. In Jer 25 ist Babel nicht die ganze Welt sondern sozusagen Gegenpart dazu. meint bis 25,25 „Land" (6x), danach meint stets die Gesamtheit, die Erde, es ist aber Ba106 107 108
KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S. 60 u. ders., Function, S. 66. NOEGEL, Atbash, S. 84. NOEGEL, A t b a s h , S. 8 4 .
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía 25
363
bei nicht die entscheidende Prägung, die Herrschaft dieser Erde. Ausgerechnet in dem Text, der davon handelt, daß Babel und sein König die Macht über die ganze Erde gegeben wird, wird genau das aber nicht mit dem Begriff j H ^ verknüpft. Wer oder was ist Babel? Babel gibt es hier, in der vollständigen Aufzählung, nicht. Dafür gibt es Babels Verkehrung, Scheschach, das es aber nicht gibt. Es ist der König dieses getarnten Nicht-und-doch-Babel, der am Schluß trinkt und demzufolge untergeht. Ist das wie auch immer tat-sächliche Babel davon betroffen?
2.2.4.2. Der Untergang der Welt und Babels Erster Schritt zum Untergang: den Zornbecher
trinken
Ein Grund für die weltweite Zerstörung wird nur für Juda und Jerusalem angegeben, sie besteht im Nichthören und Nichtfolgen. Dann ist noch von der heimsuchenden Sünde des Königs von Babel und seines Volkes die Rede (25,12), ohne daß diese spezifiziert wird.109 Eine Schuld der anderen Völker wird nicht erwähnt. Allerdings wird in 25,29 eine Gruppe angeredet, die ungenannt, aber nicht Jerusalem/Juda ist. Es geht darum, daß nachdem Jerusalem nun zerstört ist, die anderen nicht ungestraft bleiben können. Das besagt mehreres. Zunächst heißt es, daß das Bechertrinken eine Strafe (für ein nicht genanntes Verbrechen) ist. Dann heißt es auch, daß, da die Aktion nun schon begonnen hat, die beschlossene Strafe nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.110 Aber was genau ist es, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann? Welche Konsequenzen das Trinken aus dem Becher hat, darüber geben textimmanent mehrere Stellen Auskunft: die Menschen werden wahnsinnig im Angesicht des Schwertes (25,16), das zwischen sie geschickt wird (25,27)
109
M.E. ist nicht klar, ob sich 25,13f auf Juda oder auf das Land Chaldäa bezieht (MCKANF., Jeremiah, ICC, S. 626f plädiert vor allem wegen seiner Literarkritik für Babylon). In 25,14 ist ausgesagt, daß die Taten und die Werke ihrer Hände, oft gemeint als Götzenbilder, vergolten werden. Bei Juda/Jerusalem als Adressaten, Adressatinnen wäre dies ein Rekurs auf 25,5-7 und viele andere Stellen im Buch, bei Chaldäa/Babel käme diese Schuldangabe überraschend, weil völlig unvermittelt, es wäre zunächst plausibler, daß Unterdrückung gestraft wird (s. z.B. Jes 14; 47). Allerdings wird in Jer 50-51 (Götzen)Religion gleich zu Beginn genannt als etwas nun endlich Zerstörtes. Außerdem wurde „in diesem Buch" bis 25,13 kaum etwas gegen Babel (erst direkt vorher in 25,12), dafür aber sehr viel gegen Juda/Jerusalem prophezeit - und nach demselben Datum zu urteilen, auch bereits niedergeschrieben (Jer 36). CARROLL, J e r e m i a h , O T L , S. 503.
364
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
als Strafe (25,29). Die Handlung des Propheten entspricht dem Töten des Schwertes (25,15.16), es ist das Trinkenlassen aus dem Zornbecher Gottes.1" Im Zusammenhang mit Kriegstexten, die von Trunkenheit handeln, nehmen diejenigen Texte eine Sonderstellung ein, die vom Becher mit dem Zornwein Gottes handeln, den jemand trinken muß. Das Motiv steht an einer Schnittstelle von allgemeinen Trunkenheitsprophezeiungen und Motiven, die vom Einverleiben von Schicksalsschlägen handeln. Tatsächlich begegnen im AT Formulierungen davon, daß man Trug/Frevel trinkt ( H ^ Hi 15,16), Hohn (Hi 34,7), Verwüstung (TmCltfl HCÖ Ez 23,33), Unheil (CGI! Prov 26,6) oder Unheil Gottes (3 i n Hi 21,20), das Gift der Pfeile Gottes (¡ICH Hi 6,4) Gott trinken ist das Verlangen der Beterperson in Ps 42,1-4. So muß die Einverleibung Gottes nicht nur negative Folgen haben. Gottes Zorn ist flüssig. Jeremia ist davon angefüllt (Jer 6,11) und möchte ihn über diejenigen ausgießen, die er verurteilt (Jer 6,11b).112 Auch in Hos 5,10; Ps 69,25; Jer 7,20 wird Zorn über jemanden ausgegossen, ähnlich mit z.T. anderer Terminologie Jer 10,25; 42,18; 44,16; Ez 14,19; 20,8; 22,22; 30,15; 36,18. In Jer 1,13 sieht der Prophet einen Kessel, überkochend von Norden her: das ist das über alle hereinbrechende Unheil. Gottes Zorn oder Zornwein zu trinken, zeitigt die üblichen Folgen der Trunkenheit: Wehrlosigkeit und Übermut, in jedem Fall Tod und Unglück. Das Trinken von Gottes Zorn oder Gottes Zornwein ist seine Inkorporierung, quasi als Miasma oder als Sphäre des Tun-Ergehen-Zusammenhangs, hier nur konkreter vorgestellt. Die Inkorporierung bedingt, daß der Kontakt mit Gottes Zorn irreversibel und so intensiv-intim vorgestellt wird, daß Gottes Zorn auf einem/in einem haften bleibt. Der Inhalt des Bechers wird inkorporiert. Bei dem Ausdruck „Taumelbecher" (Sach 12,2) steht bereits verkürzt die Wirkung im Vordergrund; ob und was für ein Getränk es ist, scheint nachrangig. Ebenso ist es mit dem „Becher des Grauens und Entsetzens" (Ez 23,3135), aber auch dem Becher des Heils (Ps 116,13), dem Trostbecher (Jer 16,7) und dem Becher der Fülle (Ps 23,5); in Ps 11,6 heißt es: Gott läßt regnen auf die Ungerechten „des Blitzes Stricke", Feuer und Schwefel und Sturmwind ist der Anteil ihrer Becher."3 Genau entgegengesetzt ist es mit Ps 75,9, der nur von Gottes schäumendem Wein spricht, den die Ungerechten trinken müssen, hier scheint die Wirkung mit der Substanz genannt zu sein.114 So wird aus 111 Den immer noch genauesten und ausführlichsten Überblick über das Motiv vom Zornbecher gibt Brongers, Zornesbecher, auch wenn der Artikel in Einzelheiten nicht mehr aktuell ist. Zur Zusammenfassung der Forschungsgeschichte bis 2001 und dem neuesten Beitrag zu diesem Motiv s. SEIDL, Becher, S. 4-14. 1,2 Deshalb übersetzt WlLDBERGER, Jesaja, BK, S. 500 u.ö. n ~ n c m.E. sehr treffend mit „schäumende Wut". 113
114
MENDELSSOHN, Psalmen.
Hier ist allerdings die Semantik von "lOn ]" nicht ganz klar: ist wie in Ps 46,4 das Verb "10n I - „schäumen" gemeint (so erwägt RINGGREN, Art. "I0n, Sp. 2) oder ist in "LON -
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía 25
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Gottes Becher also das eigene Ergehen getrunken. Alle Bilder betonen oder enthalten bereits die Versicherung, daß das Trinken von Gottes Becher unausweichliche und außer in Ps 23,5; 116,13 negative Folgen hat. Das Motiv von der Trunkenheit durch den Becher und das von der Einverleibung gerade Gottes Zorns gehen ineinander über, z.T. folgen in Texten beide Formulierungen aufeinander (Hab 2,15f) und zum Teil ist es Gottes Zorn (Jes 51,17-23) oder Gottes Zornwein, der sich in dem Becher befindet. In Jes 51,17 ist wohl der Kelch des Zorns Gottes mit dem Taumelbecher identisch."5 In Jer 25,15-31 finden wir nun den längsten Text über einen Taumelbecher im AT. Entlang der Erklärungen des Motivs und der prophetischen Aktionsform sind die Interpretationen in der Forschung meist unterschiedlich. Carroll sieht, wie auch andere, im Hintergrund Ordaltraditionen und Bankettvorstellungen."6 Grundsätzlich aber läßt sich Jer 25,15-29 seines Erachtens nicht einordnen: die redaktionelle „development of the unit has turned a metaphor into a dramatic representation of magical significance""7. Nicht mehr an einzelne oder an einzelne Repräsentationsfiguren wird der Becher gegeben, sondern an alle Völker und ihre Könige auf der Erde, wie in Obd 16. Zusätzlich ist die Unausweichlichkeit, die im Trinken als Inkorporierung und dem expliziten nachdrücklichen Befehl zu trinken (Jer 25,29) ausge„Wein" zu ändern. Dafür votieren BRIGGS und BRIGGS, Psalms, ICC, z.St., DAHOOD, Psalms II, AncB, z.St. ändert in homer, abgeleitet von von ugar. hmr „Weinschale, Faß". 115 Einige Forscher und Forscherinnen meinen, diese Stellen wiesen auf ein Ordal hin oder kämen von der Ordaltradition her (BRIGHT, Jeremiah, AncB, S. 161; MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 635; TÄTE, Psalms 51-100, WBC zu Ps 75,9 zieht explizit eine Parallele zu Num 5. Gottes Becher zu trinken hat m.E. aber keinen Zusammenhang mit einem göttlichen Ordal wie bei der verleumdeten Ehefrau in Num 5. Es bleibt m.E. bei dem Gegenargument, das schon BRONGERS, Zornesbecher, genannt hatte: bei einem Ordal ist der Ausgang offen, hier nicht. An den Stellen der Bibel wird ja gerade die Unausweichlichkeit des Schicksals, hat man erst getrunken, betont. Vielmehr scheint es um die Initiation, den Beginn des Untergangs zu gehen, der mit dem Trinken beginnt. Die Folgen sind die von Trunkenheit und militärischer Vernichtung. Stattdessen sind m.E. religionsgeschichtliche Dimensionen in der Schicksalhaftigkeit des Trinkens zu sehen. FUCHS, Symbol, kann plausibel machen, daß für das Trinken aus dem Becher Bezüge zwischen ugaritischen und hebräischen Texten bestehen, sie fuhrt sie auf die hebräischen Anleihen an ugaritisch-kanaanäische Traditionen zurück: „Schon in Ugarit zeigt sich das Symbol des Bechers als erstaunlich differenziert. Den verbindenden Rahmen, der für alle Bechertexte vorausgesetzt werden kann, bildet dabei das ,Festmahl'. Es finden sich mehrfach bezeugt und in episch-stereotyper Formulierung die .goldenen und silbernen Weinbecher' für die Festgelage der Götter, sodann der Giftbecher für den Brudermörder, der Becher der Erniedrigung und Schande für Baal, der Todesbecher des Unterweltsgottes, Eis Becher der Fruchtbarkeit und des Lebens sowie der Becher als Insignie für Baals König* und Richtertum und schließlich der heilige Becher Baals. Dem epischen Genos der Texte gemäß gehören diese Motive in die mythisch-göttliche Sphäre." (ebd., S. 82f). 116 117
CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 502f. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 501.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons
-Jeremía
sagt wird, m.E. genau darin unterstrichen, daß die Ausfiihrungsnotiz in V. 15— 17.18-26 eben vor der Problematisierung eines eventuellen Autoritätsmangels (V.27-29) steht. Außerdem „ist der Vorgang des Tränkens der Völker durch den Becher Jahwes in Jer 25,15-17 als bereits vollzogen und abgeschlossen geschildert; das Völkergericht durch den Zornesbecher Jahwes verbleibt damit nicht nur in der Ankündigung, sondern ist Realität."" 8
Während in Jes 13; 21 Gott selbst mit seinem Zorn den Menschen feindlich begegnet, wird in Jer 25 der Zorn Gottes in die Körper der Menschen hineingegeben. Abgefüllt von Zorn Gottes werden sie wahnsinnig und betrunken. Dabei trifft die Trunkenheit erstaunlicherweise nicht nur Menschen und ihre Könige. In 25,15-29 werden wechselnd Könige und Länder sowie Städte aufgezählt, eine Unterscheidung von Repräsentant/Regent und Regierungsbezirk geht nicht so weit, sich zu fragen, wie Trunkenheit bei einem Land und einem König gleichermaßen funktioniert. Besonders pointiert wird das in Jer 25,18. Modern streng genommen kann eine Stadt nicht trunken werden und Könige und Fürsten nicht zu Trümmerstätten. Aber die Unterschiede zwischen Stadt, Einwohner/ Einwohnerinnen und König scheinen sich zu verwischen. Welche Folgen hat Trunkenheit in biblischen Texten? Zweiter Schritt zum Untergang: Trunkenheit Die Folgen, den Becher zu trinken, müssen nicht Trunkenheit sein, sind es aber häufig wie auch hier. Im alttestamentlichen Hebräisch gibt es sehr viele Begriffe für Wein, die Weinpflanze, den Anbau- und Erntevorgang. 1 " Die Weinbaukultur existierte in Syrien-Palästina seit frühester Zeit,120 und verschiedene Aspekte davon fanden Eingang in den israelitischen Kult und die Theologie. Gerade auch die prophetische Metaphorik gebraucht Weinbauund Weingenuß-Bilder. Wie bei vielen anderen Attributen bisher ist auch Wein in den biblischen Texten ambivalent beurteilt, und zwar gleichzeitig als Kulturgut und als den trunkenen Menschen entwürdigendes Getränk. Die beiderseits nachhaltig positive wie negative Wertung von Wein(anbau) und Weingenuß wird bereits in 118
SEIDL, Becher, S. 58. Die Vorgänge in V.27-29 sind prospektiv ausgerichtet (ebd., S.
59). 119 Allein für die Details des Weinstocks s. HENTSCHKE, Art. Sp. 61f. Der Begriff iÖTVn ist semantisch bislang nicht zweifelsfrei geklärt. Die Vorschläge reichen von „Wein" über „Traubensaft" bis „Weintraube". Für letzteres plädiert Fleischer, Art. Ö l T n , und konstatiert zugleich eine poetische Bandbreite der semantischen Verwendung sowie einen eventuellen Bedeutungswandel in den späten Texten hin zum Synonym für Wein (Sir 31,25). Die Belege zu ÖTTP in den alttestamentlichen Texten zeigen ein ähnliches Bild wie zu und werden deshalb nicht eigens behandelt (s. dazu FLEISCHER, Art. ¡ÜVFN). Die Darstellung von Bier und anderen Getreidegärgetränken unterbleibt hier. 120 S. dazu HENTSCHKE, Art. ]S:, Sp. 57f u. MÜLLER, Art. DID, Sp. 335f.
B.1V.2.2. Der Plan: Jeremía 25
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deijenigen Geschichte, die von Noah dem ersten Weinbauern handelt, mit aufgenommen (Gen 9,20-27): Wein als Zivilisationsleistung und Trunkenheit als Zivilisationsverfall gehören seit dem Beginn des Weinbaus zusammen.121 Wein ( j " ) diente als Nahrungsmittel, das zu den vollen Mahlzeiten gehörte (Gen 27,25; Jes 22,13; IChr 12,40f), deshalb wird es zuweilen mit Brot zusammen genannt (Gen 14,18),122 auch in Proviantaufzählungen (lSam 16,20; 25,18; 2Sam 16,2f; Ri 19,19), Zusammenstellungen von Lieferungen (Neh 5,15.18; 2Chr 2,9.14) oder Vorratslisten (2Chr 11,11; 32,28). So gehört Wein zu und steht auch pars pro toto für Mahlzeiten, bei denen man satt wird, also genug oder mehr als genug zu essen hat.12' Entsprechend ist Wein Bestandteil von Festen (Jes 5,12; IChr 12,39—41). Darauf verweist auch der Ausdruck nntön (Esth 5,6; 7,2.7; vgl. Esth 7,8), das Festgelage. Auch wo nur HnSC steht, handelt es sich um Gastmähler (und Feste), zu denen auch der Weingenuß gehörte (Gen 21,8; 26,30; 29,22; 40,22; Ri 14,10.12.17; lSam 25,36f; 2Sam 3,20; lKön 3,15; Esth 1,3.5.9; 2,18; 5,4f.l4; 6,14; 8,12.17; 9,1719.22;124 Hi l,4f; Jer 16,8). Er erfreut das Leben (Koh 10,19), des Menschen Herz/Verstand (Ps 104,15), die Götter und Menschen (tÖTVn Ri 9,13), sorgt für Ausgelassenheit, Gesang und Gemeinschaft (Jes 24,7-13). Deshalb soll Wein zur Aufmunterung getrunken werden (Koh 2,3.24; Sach 10,7; Spr 31,6f) und im Trauerfall (Jer 16,7), der sogenannte Trostbecher. Viel Wein zu besitzen, ist Teil von Segenswünschen (Gen 27,28; 49,1 lf); Gott veranstaltet in der Zukunft ein großes Freudenmahl für alle Völker mit Wein, in dem keine Hefe ist (Jes 25,6). Eine Negativwertung des ]11 gibt es nur im Zusammenhang mit Trunkenheit (Sir 31,30-39). Sogar Weisheitserwerb und Weingenuß können zusammengedacht werden (Spr 9,1-6; Koh 2,3; 9,7), wenn zuweilen auch das Ge121 Zur ambivalenten Beurteilung von Wein in der Zeitspanne vom Alten Ägypten bis in die Moderne s. GRIVETTI, Wine, der merkwürdigerweise die Region Syrien-Palästina sowie das AT und NT aber ausläßt - obwohl sein Beitrag eine Abbildung von Bellinis „Trunkenheit des Noah" und Talmud- und Rabbinenstellen enthält. Das trifft auf den gesamten Sammelband zu, in dem Wein und Weinanbau im Alten Ägypten, Griechenland und Mesopotamien bis zu Iran und Indien betrachtet wird, Israel und das AT aber nicht vorkommt. S. dazu grundsätzlich NIEMANN, Von Oberflächen, S. 84f Anm. 22. 122
125
DOMMERSHAUSEN, Art. ] " , S p . 6 1 7 .
Ob Wein darüberhinaus Grundnahrungsmittel ist wie Brot oder Wasser, ist umstritten. Die Stellen, die OEMING, Art. "DIS, Sp. 2f. angibt (Gen 14,18; lSam 16,20, 25,18), deute ich im obigen Sinne. Spr 31,4-7 verstehe ich entgegengesetzt: der Text tritt daftlr ein, daß arme Leute durch Betrunkenheit ihr Elend vergessen sollen, m.E. soll eine bestehende Praxis dahingehend geändert und nicht charakterisiert werden (s.u.). 124 Allein an den Belegen zu nntÖO wird deutlich, wie sehr das gesamte Estherbuch durch Feste und Gastmähler strukturiert ist, viele Handlungen werden unter Alkoholeinfluß begangen (Esth 1; 5,6), und das Estherbuch begründet seinerseits ein Fest (Purim), an dem dieser Vorgänge gedacht und viel Alkohol getrunken werden soll.
368
B.IV.2. Der Untergang Babylons
-Jeremía
genteil gesagt wird (Spr 20,1). Wenn Jeremia auf Gottes Geheiß nicht an Familienfesten teilnehmen darf (Jer 16,8), dann beruht dieses Verbot darauf, daß er an keiner Gemeinschaft und an keinem Alltag und Festtag Freude haben oder Trauen empfinden soll bei Beerdigungen, um zu demonstrieren, daß all das sehr bald durch Krieg und Tod beendet ist (16,4.9). Jeremia nimmt die Lethargie und Depression großen Leids vorweg. Neben Texten, die Weingenuß positiv sehen oder seine Wertschätzung dokumentieren, stehen Erzähltexte und prophetische Unheilsankündigungen, die die fatalen Folgen von Trunkenheit aufzeigen. Sieht man die Erzähltexte, in denen erwähnt ist, daß eine Figur betrunken ist, zusammen, dann zeigt sich, daß Betrunkenheit immer ins Unglück fuhrt. Zwar ist dies ein geeigneter erzählerischer Effekt, den Ernst eines Geschehens auf eine Situation des ausgelassenen Feierns prompt folgen zu lassen, aber dazu gehört auch das in den Texten charakteristische (Fehl)Handeln der Betroffenen. Trunkenheit hat in den erzählten Episoden zwei verschiedene Folgen: übermütige Unbedachtsamkeit, aus der falsches Handeln folgt (Uria 2Sam 11,13 [der bleibt allerdings standhaft]; Belsazar und seine Festgesellschaft Dan 5; Ben-Hadad lKön 20,12-21; wahrscheinlich Ahasveros Est 1,1 Off, vielleicht auch Vashti ebd., indirekt Nadab und Abihu Lev 10) oder Passivität, die Wehrlosigkeit bedeutet. Während die Wehrlosigkeit bei Noah (Gen 9,21) und Lot (von ihm ist nur das Trinken, nicht aber das Betrunkensein explizit Gen 19,30ff) als Bewußtlosigkeit vorgestellt ist, die (wohl) sexuelles Behandeltwerden nach sich zieht, hat das eingeschränkte Handlungsvermögen bei den anderen Figuren ihre eigene Ermordung zur Folge (Amnon 2Sam 13,28; Ela lKön 16,9f; Holofernes Jdt 12,21-13,19; Simon IMakk 16,15f).125 Häufig sind es Schwächere, die die Passivität der Trunkenen ausnutzen. Vielleicht wird deshalb an dem kriegsbeendenden Mahl (i7~D III) von Israeliten und Aramäern gerade kein Wein, sondern Wasser getrunken. Alle essen und trinken sich satt - und ziehen wieder nach Hause, „seitdem fuhren die Rotten Arams nicht mehr fort, ins Land Israel einzufallen" (2Kön 6,23). Insbesondere weisheitliche und prophetische Texte benennen die Folgen von Trunkenheit. Die Wirkungen von Trunkenheit sind in biblischen Texten genauso bekannt wie heute. Das Benehmen Betrunkener wird ridikülisiert (Jes 28) oder verurteilt (Mi 2,11), vor der Alkoholisierung und ihren Auswirkungen wird zuweilen gewarnt, die Wahrnehmung ist getrübt, es wird einem 125 Eine Ausnahme stellt die Geschichte von Nabal, Abigail und David dar: Nabal betrinkt sich bei seinem eigenen gigantischen Festmahl über die Maßen (2Sam 25,36); am nächsten Morgen ausgenüchtert, erzählt ihm seine Frau Abigail, daß sie seine selbstmörderische Abweisung Davids und seiner Krieger diplomatisch wieder ausgeglichen hat. Daraufhin „stirbt sein Herz" (2Sam 25,37), er fallt in ein Koma und stirbt nach zehn Tagen. Nabais Trunkenheit hat also gesundheitliche Empfindlichkeit zur Folge, so daß ein Schock ihn tötet.
B.IV.2.2. Der Plan: Jeremía 25
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schwindelig, Schläge bemerkt man nicht (Spr 23,29-35). Trunkene schwanken und taumeln (Jes 28,1.7), sie lallen (Jes 28,10.13), wissen nicht, wo sie sind (Hi 12,25), erbrechen (Jes 28,8; Jer 23,9; Jes 19,14), und sinken in Ohnmacht (Jes 28,13) oder schlafen (Jer 51,39.57). Sie werden wirr (Jes 28,7), übermütig (Jes 28,3f; Hos 7,5) und spotten über andere (Ps 69,16). Alkoholiker verarmen (Spr 21,17; 23,21) und sind nichtsnutzige Söhne (Dt 21,18-21). Gerade Jesaja thematisiert übermäßigen Alkoholgenuß sehr ausfuhrlich. Bei ihm findet sich neben der zornigen Verspottung der trunkenen Priester und Propheten (Jes 28) auch die Rede gegen Alkohol. Er verurteilt ausgelassen Feiernde, denen das einzige, um das sie sich bemühen, das nächste Fest ist, sozusagen Kampftrinker (Jes 5,11-17.22; 56,12). Ihnen droht er an, ins Exil gehen und Hunger und Durst leiden zu müssen. Sie, die zuvor nicht genug vom Wein kriegen konnten, werden nun von dem unersättlich aufgerissenen Schlund der Scheol in die Tiefe gerissen (Jes 5,11-17). Auch in Jer 13,12-14 hat die Trunkenheit der buchstäblich abgefüllten Israeliten/ Israelitinnen das Exil zur Folge. Trunkenheit zieht manchmal Entblößung (Gen 9,21; Hab 2,15) nach sich. Der Zusammenhang mit sexuellem (Miß)Handeln, wie er in einigen Erzähltexten angedeutet ist, findet seinen Eingang in den metaphorischen Bereich durch die Drohung an die Stadt-Frau Edom, sie werde sich, wenn sie erst betrunken sei, entblößen (HIU Klgl 4,21) und in den allgemeinen Ausspruch „Hurerei, Wein und Trauben nehmen den Verstand" (Hos 4,11). Ein Zusammenhang von ,Hurerei' als Verschuldung und Trunkenheit und, die Hurerei tragen zu müssen, als Strafe wird auch in Ez 23,33-35 hergestellt. Aber Verführungskünste einer Frau im Zusammenhang mit Weingenuß oder Betrunkenheit kommt in nicht-erzählenden Texten nicht vor (außer in Sir 9,11-13). Interessanterweise ist es Frau Weisheit und nicht Frau Torheit, die mit Weingenuß wirbt, in ihr Haus zu treten (Spr 9)! Während die Schilderung, wie Frau Weisheit in ihr Haus lockt, Bezüge zur altorientalischen Götterbankettmotivik aufweist, so ,Lady Hurriya' (KTU 1.15 IV 15,28) oder Ba'al anläßlich eines Hausbaus (vgl. Spr 9,1; KTU 1.4 VI 35,53),126 findet sich in der Passage zu den Werbungen der .fremden' Frau keine Anspielung darauf. Es geht stattdessen direkt um Sexualität, deren Ahnung freilich bei Banketten auch mitschwingt.'27 Sozialgeschichtlich ist festzustellen, daß Frauen gewöhnlich an den Trinkgelagen der Männer nicht teilnahmen (2Sam 13,23-32; Esth 1,9), ihnen aber Weingenuß durchaus erlaubt war, sogar Schwangere haben Wein getrunken (Ri 13,4.7.14);'28 trotzdem gibt es im AT wenige Erwähnungen einer betrun-
126
BAUMANN, Weisheitsgestalt, S. 209-221; MAIER, Die ,fremde' Frau, S. 222-231. MAIER, Die ,fremde' Frau, S. 217-249. 128 Hinweis von OEMING, Art. "DtÖ, Sp. 2. 127
370
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
kenen Frau.129 Es gibt Hanna, die den Eindruck von Trunkenheit bei Eli erweckt, aber es nicht ist (1 Sam 1 , 1 3 - 1 5 ) - und die Stadt-Frauen (Jes 51,17-21; Klgl 4,21; Ez 23,33-35). Aber eine Mißbilligung von Frauen, die Wein zu sich nehmen, wie wir es aus dem Hellenismus kennen (s.o.), findet sich im AT nicht - die Verurteilung Betrunkener und auch der Zusammenhang von Trunkenheit und dem Aufdecken der Blöße ist geschlechterübergreifend. Alkoholrausch macht vergessen. Deshalb tritt ein biblischer Text dafür ein, bestimmte Personen dazu anzuhalten und andere davon abzuhalten: „Nicht für Könige, Lemuel, nicht für Könige ist das Weintrinken und für Würdenträger Rauschtrank, 5 damit er nicht trinkt und vergißt das Angeordnete und die Rechtssache beugt von allen Kindern des Elends. 6 Gebt Rauschtrank denen, die umkommen und Wein den betrübten Seelen. 7 Er soll trinken und vergessen seine Armut, seiner mühevollen Arbeit soll er nicht mehr gedenken." (Spr 31,4-7)
Man trank den Wein gemischt OJOQ), d.h. mit Gewürzen versetzt (Spr 9,25; 23,30; Jes 5,22; 65,11; Ps 75,9, Hld 8,2 np~l) oder zu einem Essigtrunk verarbeitet (Ruth 2,14). Die Verdünnung mit Wasser kam erst in hellenistischer Zeit auf."0 Alle angesprochenen Wirkungen von Alkoholgenuß werden auch im metaphorischen Bereich benutzt. Bis auf eine Ausnahme handelt es sich ausschließlich um Krieg und Tod.131 Dabei gibt es zwei Verwendungsweisen: diejenigen, die getötet werden, sind betrunken, so daß sie sich nicht wehren können. Diejenigen, die andere töten, sind (blut)berauscht, so daß sie besonders aggressiv sind. Wehrlosigkeit und Übermut hatten schon die Erzählungen über Trunkene charakterisiert. Übermut ist stets Blutrausch, der zu noch größerem Morden anstachelt; dies wird ausschließlich von Gottes Waffen ausgesagt: „Ich mache meine Pfeile trunken ("DE) hif.) von Blut, und mein Schwert frißt Fleisch; vom Blut der Durchbohrten und der Gefangenen und vom entblößten Kopf des Feindes." (Dtn 32, 42)132
129
Ob sich unter den Amts- und Funktionsträgern, die Jesaja global kritisiert, auch Frauen befunden haben, kann nicht ausgeschlossen werden, die Studien von KLESOW, Löwinnen, sowie KESSLER, Mirjam, machen es denkbar und wahrscheinlich. 130 DOMMERSHAUSEN, Art. ]", Sp. 617. Er rechnet Jes 1,22 als Satz gegen die Verpanschung von Wein. WLLDBERGER, Jesaja, BK z.St. allerdings hält die Bedeutung Bier von ¡OD für gesichert. 131 Der einzige andere metaphorische Übertragungsbereich von Trunkenheit ist erneut das Hohelied, es heißt: „werdet trunken von Liebe" (Hld 5,1), s. dazu KEEL, Hohelied, ZBK, S. 156-173. Ohnehin ist Liebe schöner als Wein (Hld 1,2.4; 4,10; 5,1; 7,10, s. auch Spr 7,18). 132 Die Übersetzung von V.42bß bereitet Schwierigkeiten wegen des Wortes Gesenius nimmt ein erschlossenes ¡HS II* an für Dt 32,42 u. Ri 5,2 und übersetzt „das Haupt der Führer der Feinde" (Ges17, s.v. I H 3 II*). Raschi leitet den Ausdruck von ITE II ab und übersetzt „vom entblößten Haupt des Feindes", und BUBER übersetzt ausgehend von INS III - das Haar wachsen lassen „am feindlichen Kriegslockenhaupt".
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
371
„JHWH Zebaoth deckt sie, und es fressen und treten unter die Füße die Schleudersteine, und sie trinken (nPEÖ) und lärmen wie Wein, und sie werden davon voll wie die Opferschalen und die Ecken des Altars." (Sach 9,15)
In Jer 46,10 ist es das Schwert Gottes (ITH pi.) ebenso wie in Jes 34,5 (¡TP P I . R
In den Texten, in denen Trunkenheit Ohnmacht oder Ohnmächtigkeit zur Folge hat, stehen ebendiese Auswirkungen im Vordergrund. Dabei muß die Trunkenheit nicht vom Wein herrühren (Jes 29,9; 51,21). Andere sind trunken von Gottes Zornglut (iTCri; Jes 63,6) oder ihrem eigenen Blut (Jes 49,26). Gott trinkt im Krieg Blut wie Wein (Sach 9,15), das Volk wird sein wie ein Löwe, den Raub verzehren und das Blut der Erschlagenen trinken (Num 23,24) das Land/die Erde selbst werden trunken vom vergossenen Blut (Jes 34,7), die Vögel des Himmels, die nach der Schlacht das Blut der Erschlagenen trinken, werden davon trunken (Ez 39,17.19).134 Auch die Folgen von Trunkenheit bei literarischen Figuren sind ähnlich wie bei Menschen. In Jer 48,26 soll Moab sich übergeben müssen, damit es zum Gespött werde, Ninive soll sich verstecken müssen (Nah 3,11). Die Erde selbst soll taumeln und hin und her geworfen sein wie ein Betrunkener, so daß sie fallt und nicht wieder aufstehen kann (Jes 24,20). Andere sollen nach einem betäubenden Gelage wehrlos sein, um dann abgeschlachtet werden zu können (Babylonier Jer 51,39.57 s.u., Einwohner und Führungsschicht Jerusalems Jer 13,13f, die Völker Jes 63,6). Recht detailliert schildert dies Jer 25,27: „So spricht JHWH Zebaoth, der Gott Israels: trinkt, berauscht euch und speit und fallt, und ihr steht nicht mehr auf im Angesicht des Schwertes, das ich zwischen euch schicke." In Betrunkenheit taumeln die Völker (OT Jes 29,9), weil sie Taumelwein getrunken haben (Ps 60,5) oder Gottes Taumelgeist über sie ausgegossen wurde (JJ1] Jes 19,14 Ägypten); Schiffsleute in Seenot taumeln wie Betrunkene (Ps 107,27).135 Trunkene Völker werden wahnsinnig (Jer 51,7; 25,16). Ihnen gelingt nichts mehr (Jes 19,14f). In einigen Texten sind diese Wirkungen gar nicht mehr genannt (Jes 49,26) oder nur noch angedeutet (Jes 51,1721). Außerdem gibt es die Rede von der Taumelschale Jerusalem, die Jerusalem jetzt verkörpert ('PUl Sach 12,2) und nicht mehr trinken muß ( ^ i H Jer 51,17.2Ii). Nur im Bereich der Frauenpersonifikationen und Sexualität sind 133 Ähnlich erläutert BELLIS, Structure, S. 25 mithilfe unter anderem dieser Verse Jer 50,9: „not a single arrow is withdrawn from the body of the dead enemy and returned to the quiver without having first drunk deeply from the blood of the enemy and killed him." 134 Weitere Stellen zur Identität von Blut und Wein bei KEDAR-KOPFSTEIN, Art. E l , Sp.
2 4 8 - 2 6 6 u. BECKER, Z u r D e u t u n g v o n P s 1 1 0 , 7 u. ders., E l l i p t i s c h e s , z u P s 6 8 , 2 3 , d e r d a s
Motiv von der Bluttrunkenheit untersucht und beide Psalmstellen in diesen Zusammenhang stellt. 135 Davor geschützt sind oder daraus gerettet werden diejenigen, die Gottes Hilfe anrufen (Ps 107; Ps 60,5).
372
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
die Metaphern nicht so direkt übertragbar, in Klgl 4,21 geht es um die Entblößung und Beschämung der Tochter Edom; in Ez 23,33-35 um Jerusalem, die daraufhin die Folgen ihrer Hurerei tragen muß.136 Der letzte Schritt zum Untergang:
Krieg
In Jer 25,15-31 ist von mehreren Wirkungen die Rede und m.E. werden die Folgen für das Verhalten der Völker und Könige auch verschieden sein: Es wird mit den Verben ÖW - „schwanken" (V.16), ¡Tp - „speien" (V.27), 'pSJ - „fallen" (V.27), Elp - „nicht mehr aufstehen" (V.27) eher die Passivität Trunkener angesprochen, mit III „wahnsinnig werden" (25,16; s. auch 51,7) ihre Raserei.'37 Daß die Trunkenheit Krieg zwischen den Völkern auslöst und nicht (nur) Wehrlosigkeit für einen Angriff von außen signalisiert, kann m.E. vor allem daraus geschlossen werden, daß das Schwert nicht gegen sie, sondern zwischen sie, alle Völker, geschickt wird (V. 16.27) und insgesamt „auf alle, die auf Erden wohnen" (V.30): es ist ein Weltkrieg, er tötet die gesamte Bevölkerung. Dabei ist zusätzlich zu bedenken, daß alle tatsächlichen und potentiellen Aggressorenvölker genannt sind (Ägypten V.19, Seevölker V.22, Wüstenstämme V.24, die Meder V.25, die Könige aus dem Norden V.26 und - indirekt - Babylon V.26). Außerdem umfaßt die Liste alle Völker der Erde (V.26b), mindestens ist sie ausführlicher als die Adressatenliste der Fremdvölkersprüche Jer 46-51.138 Die Zeichensetzung der Masoreten, die jeweils vor m n n "^S - „im Angesicht des Schwertes" den Ätnach gesetzt hat, unterstreicht aber, daß das eigentliche Zutodekommen Krieg, Tötung ist.13' 136 SCHUNCK, Der Becher Jahwes, meint, bei dem Zornbecher Gottes handele es sich um eine prophetische Negativwendung eigentlich positiver Riten (erkennbar an den Psalmen- und Weisheitstexten) analog zum Tag JHWHs, der von Arnos (5,8-10) von einer positiven Tradition zu einer Unheilsprophezeiung gewendet wurden. Prophetisch sei diese Gottesbecher-Segenstradition dann negiert worden, was man am Zusammenstehen des Zornbechers mit n c n ablesen können: ilOn bezeichnet ein Rauschmittel, das die Wirkung des Weins derart verstärkt, daß es regelrecht zu Rauschgift wird (damit belebt er die These von GRESSMANN aus dem Jahr 1905 neu). M.E. aber ist die positive wie negative Wirkung dem Becher inhärent, weil sie dem Wein und der Trunkenheit inhärent sind; eine historische religionsgeschichtliche Abfolge der Stellen liegt m.E. nicht vor. Die Semantik von HOPI ist m.E. außerdem nicht zwingend auf nachgerade übernormale Wirkung einzugrenzen. 137 Zu 25,16b formuliert DUHM, Jeremia, KHC, S. 204, deshalb treffend: „Die beiden Hithpaele malen, wie der Wein zu wirken beginnt". Die Semantik von ^ b n III ist unklar, s.
d a z u CAZELLES, A r t . b b n III. 138 Zum Vergleich von Jer 25,18-26 und Jer 46-51 s. als neuesten Beitrag HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 354-358. 139 Deshalb, eben wegen der Aufeinanderfolge der genannten Widerfahrnisse und ihrer damit verbundenen konsekutiven Kausalität, ist KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S. 59, m.E. im Unrecht, wenn er meint, der Zornbecher sei eine Metapher für das Schwert, das wiederum als pars pro toto für Vernichtung stehe.
B.1V.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
373
Trunkenheit selbst tötet nicht - weder in diesem Text noch in anderen, es erleichtert aber das Getötetwerden erheblich.140 Wichtig ist außerdem, daß hier mehrere metaphorische Bereiche zu einem neuen verknüpft werden. Wer den Becher mit Zornwein trinkt, wird davon betrunken, ihm wird dann „das Schwert geschickt". Jer 25,15-29 und mehr noch alle Texte in Jer 25 zusammen umreißen einen antiken Overkill: in dem entfesselten Weltkrieg wird es keine Sieger geben. Alle Menschen fallen ihm zum Opfer. Gott braucht nach Nebukadnezar (25,13) keine Allianz und auch kein Werkzeug mehr, alle Menschen erfüllen seinen Willen, weil sie sich alle gegenseitig töten.141 Da es sich um Krieg und nicht um (zusätzliche) Naturkatastrophen handelt, werden Himmel, Erde und Schöpfung nicht in Mitleidenschaft gezogen - in Gegenteil, mehrfach wird gesagt, daß es um die Bewohner und Bewohnerinnen der ganzen Erde geht (Jer 25,18-26.29.30-31), nicht um die Erde selbst. Gott selbst läßt seine Stimme wie ein Keltertreter erklingen, und diese Lieder sind m.E. Schöpfungslieder (s.u.). Das Lob der Schöpfung wird zum Vernichtungslied der Menschheit: Das ist in der Semantik - „schwanken" logisch: „denn mit G'S (G,tD, tL) ist in 2Sam 22,8; Par. Ps 18,8; Jer 5,12; 46,7f das Schwanken und Zittern der Erde und der Elemente (Wasser) vor Jahwes depotenzierenden Wirken ausgedrückt. Dieser geprägte Wortgebrauch hat damit die Funktion, die Becherhandlung Jahwes an den Völkern seinem ordnenden und richtenden Handeln gegen die schöpfungswidrigen Mächte an die Seite zu stellen und zu parallelisieren. Die Tränkung der Völker mit dem Kelch hat mit seiner Schöpfungsmacht zu tun."'4'
Weingenuß ist eine Zivilisationserrungenschafit und Trunkenheit seine Dekadenz - deshalb haben Himmel, Erde und Schöpfung kein Verschulden. Das Motiv von Becher und Trunkenheit stellt also Bezüge zu Texten her, die schon zu anderen Babylon-Texten Parallelen aufwiesen: Hab 2, hier V.15. Die Klagelieder weisen zum Buch Jeremia insgesamt und in vielen Details Bezüge auf. Daß es in Klgl 4,21 neben dem Becher und der Trunkenheit um Edom geht, bezieht außerdem die Gleichsetzung von Babel und Edom in Ps 137 mit ein. DUHM, Jeremia, KHC, S. 206f, und MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 636, halten (V.16b und) 27b für sekundär. Die Bildwelt sei der Taumelbecher und seine Wirkung, was durch die interpretierende Glosse über das Schwert mit einem störenden Zusatz versehen wird. Das ist m.E. nicht der Fall. Die oben in Übersicht präsentierten Texte verraten eine Kenntnis der Wirkung von Alkohol. Numinose Riten, Giftordale o.ä. können nach wie vor nicht für die Hebräische Bibel belegt werden (zu Num 5 s.o.). Stattdessen spricht die häufige Verbindung von Trunkenheit und gewaltsamen Tod in diesen Texten für den Wortlaut von Jer 25,15-31 und im übrigen auch für meine Interpretation. 141 Aus der Perspektive, daß es sich bei Jer 25,15-31 um eine Vervielfachung der Werkzeuge Gottes und zu Tötende handelt, ist m.E. erklärbar, warum „diese Metapher, die sich so ganz vorzüglich zum Sichtbar- und Fühlbarmachen des Zorns Jahwes eignete, so spät im prophetischen Sprachidiom vorkommt", wie BRONGERS, Zornesbecher, S. 192, und mit ihm andere noch fragen. 142 SEIDL, Becher, S. 70f.
374
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
In Jer 25 ist aber auch entworfen, wie der Untergang vor sich gehen wird. Es ist der Zeitplan nicht nur für den Verlauf des Jeremiabuches (s.o.), sondern damit auch für den Geschichtsverlauf bis zum Untergang Babels: die Völkerwelt - Jerusalem zuerst (Jer 25,18; 13,12-14) - trinkt aus dem Becher, ist trunken und kann vom König von Babel besiegt und getötet werden. JHWH selbst ist der Verwüster (T7tÖ Jer 25,36) seiner Herde. Siebzig Jahre wird er über den Erdkreis herrschen (Jer 25,12; Jes 47,6). Das ist eine Zeit der Klage für Israel, ein Gedenken an Jerusalem, das zur eigenen Identität und zu einem nicht steinernen, sondern mnemonisch lebendigen Jerusalem führt (Psalm 137). Am Ende aber ist ihre Zeit der Knechtschaft (Jes 40,2), die siebzig Jahre (Jer 25,12), erfüllt (K^O).143 Jerusalem kann ihre Trunkenheit abschütteln (Jes 51,17), - der König von Babel hat auch getrunken (Jer 25,26b) und die Führungspersonen Babylons taumeln (Jes 47,15) und schlafen ein (Jer 51,57), die Angegriffenen Bewohner/ Bewohnerinnen Babels taumeln (Jes 21,4), auch sie schlafen ein (Jer 51,39). Die Folge davon ist Babylons Schutzlosigkeit und dann ihre Eroberung und Zerstörung, die nun einsetzt. JHWH selbst wird Babel und den Kosmos verwüsten ("VTtÖ Jes 13,6; 21,2) wie er zuvor Jerusalem und Juda verwüstet hatte (Jer 25,36). Der Moment der Realisierung ist auch der Moment des Erkennens bei den Angegriffenen, Wehen setzen bei ihnen ein (Jes 13,7f; 21,3), wie auch beim König (Jer 50,43) und der ganzen Erde (Jer 51,29). So wird die Trunkenheit zum Schlüssel für Babylons Untergang und Jer 25 zum Plan. In Jer 51,7 dann ist der ganze Komplex von der trunkenen Weltbevölkerung variiert und in einem Satz zusammengefaßt erneut aufgenommen (s.u.). Wie im Jesajabuch können auch im Jeremiabuch die Texte zu Babylon als Fortsetzung gelesen werden. Aber die intertextuelle Beziehung von Jer 25 und Jer 51,7 reicht über das Jeremiabuch hinaus: Während in Jer 25 noch der Prophet den Becher verabreichte und auch der König von Babel trank, ist in Jer 51,7 Babel selbst der Becher, der die Welt trunken macht. In der Johannesoffenbarung dann hält das/die personifizierte Babel diesen Becher als Attribut in der Hand (Offb 17,3-6): dies ist eine Entwickung vom trunkenen König von Babel zu Babel als Becher zu Babel mit Becher. Vom nichtreal-realen Teilnehmenden einer schaurigen Handlung zur Personifikation zur Person.
143
S. auch
KESSLER,
Jeremiah 25,1-29, S. 56f.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
375
2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremia 50-51 „Das lange Orakel [...] hat denselben schriftstellerischen Charakter wie die übrigen Heidenorakel, ist aber wegen seiner Länge viel monotoner; nur ein Kommentator kann es ganz durchlesen"'44.
Jeremia 50-51 ist einer der längsten zusammenhängenden prophetischen Texte der Bibel. Dem langen und komplizierten Text ist auf so wenigen Seiten nicht gerecht zu werden. Stärker noch als zu den anderen Texten soll hier nach orientierenden Anmerkungen nur auf das Bild Babylons eingegangen werden, was umso leichter möglich ist, als in dem Kommentar von McKane145 1993 die ausführlichste Aufarbeitung der Forschungsdiskussion vorgelegt wurde, die bislang zu Jer 50-51 erschienen ist.146 Herrmann bezeichnet das Jeremiabuch als „das Kompendium einer Epoche'"47, Seybold als „eine echte Summa theologiae"148. Besonders gilt dies für Jer 50-51, es fällt sein geradezu anthologischer Charakter auf: Jer 50-51 ist sowohl ein viele Texte, Prophezeiungen, Motive und Theologumena zusammenführender als auch ein aus heterogenem Material zusammengesetzter Text. Dies wird sich auch und vor allem auf das Bild Babylons auswirken. Jeremia
50-51149
50,1 Das Wort, das JHWH geredet hat zu Babel, zum Land der Chaldäer durch Jeremia, den Propheten: 144
DUHM, Jeremia, KHC, S. 360. MCKANE, Jeremiah, ICC. 146 Zu den Differenzen zwischen G und H s. SHARP, A Study of the LXX und MT, S. 496ff. HARTBERGER, Psalm 137, S. 16-62, wie auch die Kommentare, besonders der oben genannte von MCKANE, Jeremiah, ICC. Auch in JerH 50-51 sind ähnliche Verschiebungen wie schon JerH 25 zu beobachten: sowohl die Attribuierungen und Charakterisierungen Babels sind hier zurückgenommen als auch die JHWHs, beispielhaft an Jer 51,33 zu sehen (JerG 27,33): statt „JHWH Zebaoth, der Gott Israels" heißt es nur Kupioq - „Herr", und statt „Tochter Babel" ist von den Häusern des Königs von Babel die Rede. 147 HERRMANN, Jeremia, EdF, S. 202. 148 SEYBOLD, Jeremia, S. 182f. 149 Der Text in Jer 50-51 ist stellenweise unsicher, es gibt viele Varianten in den Hss., Vorschläge der Massoreten, anders zu lesen und Änderungsvorschläge der BHS. Nur in Ausnahmefällen, nämlich vermutlicher Abschreibefehler oder sonstwie entstandener Unverständlichkeit des Textes, greife ich in den Text ein. Alles andere wird nach der Ketib-Fassung des MT übersetzt. Zu den Differenzen von Ketib und Qere s. S. 419f. Die Änderungsvorschläge in der Forschungsliteratur werden hier mit Rücksicht auf den Umfang dieser Studie nur selten benannt. Was die Festlegung auf Redeebenen angeht, ist die vorliegende Übersetzung ein Vorschlag. Vieles kann man anders sehen; diese Unklahrheit der Sprechebenen und damit die Beschränkung auf die Aussageinhalte und ihre Abfolge ist ein Charakteristikum des Textes. 145
376
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
2 Meldet in den Völkern und laßt hören und erhebt das Schlachtzeichen, laßt hören, verhehlt nicht, sprecht: .Eingenommen ist Babel, beschämt ist Bei, zertrümmert ist Merodach, beschämt sind ihre (f.sg.) Götzenbilder, zertrümmert sind ihre (f.sg.) Götzen 3 Denn aufgestiegen ist gegen sie (f.sg.) ein Volk von Norden her, es macht ihr (f.sg) Land zu Entsetzen; und nicht ist ein BewohnendeR in ihr, vom Menschen bis zum Vieh sind sie geflohen gelaufen.
.'
„4 In jenen Tagen und zu jener Zeit, Spruch JHWHs, kommen die Kinder Israel, sie und die Kinder Judas, zusammen." Laufend weinend gehen sie, und JHWH, ihren Gott, suchen sie. 5 Nach Zion verlangen sie, einen Weg haben sie vor sich: , Kommt!' Und sie werden sich JHWH anschließen, der ewige Bund soll nicht vergessen werden. „6 Umherirrende Schafe waren sie,' 51 mein Volk, ihre Hirten haben sie in den Bergen irregeführt, die Abtrünnigen, von Berg zu Hügel sind sie gegangen, sie hatten ihre Lagerstätte vergessen. 7 Alle, die sie trafen, fraßen sie, und ihre Feinde sagten: ,Wir verschulden uns nicht, weil sie sich versündigt haben an JHWH, der gerechten Aue und der Quelle ihrer Eltern: JHWH.' 8 Flieht aus Babel heraus und - auch dem Land der Chaldäer ziehen sie heraus und seid wie die Leitböcke vor den Schafen. 9 Denn siehe ich reize auf und führe hinauf gegen Babel eine Allianz großer Völker aus einem Land des Nordens rüsten gegen sie (f.sg.); von dort wird sie eingenommen; „seine Pfeile sind ähnlich denen eines Kriegerhelden: - Fehlgeburt nicht kehrt er mit leeren Händen um." 150
154
;
DUHM, Jeremía, KHC, S. 360: „Dreckdinger". Ich folge Qere v n statt Ketib ¡Til. 152 Hier ist es offen, ob es sich bei den Hirten, den Schafen oder beiden um Abtrünnige handelt. Qere vereindeutigt die Schuldfrage: „sie haben sie abtrünnig gemacht". 153 HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 391: „righteous home, hope of their fathers". Das Substantiv JHWH hält er für eine mögliche Verschreibung von 'in - „Wehe" bzw. „oh" und zieht es zu V.8. 154 Die genaue Semantik von ^'DtÜQ ist unklar. Von der einzigen Parallelstelle des H i f i l pt. in Hos 9,14 aus geurteilt, ist der Sinn „Fehlgeburt", was mit den Reaktionen der Menschen im Angesicht des angreifenden JHWH, Wehen zu erleiden (50,43; Jes 13,8; 21,3), konform geht. Von den mehrheitlich vorkommenden Belegen des Pi'el-Stammes legt sich auch eine Bedeutung „kindberaubt" nahe. Zu Textkritik und Übersetzungsdiskussionen s. MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1259.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50—51
377
„10 Und Chaldäa, sie wird zur Plünderung; alle, die sie ausplündernd sind, sollen satt werden, Spruch JHWHs, 11 Wenn du dich (f.sg.) freust, wenn du jubelst, wie sie (m.pl.) mein Erbe ausplündern, wenn du (f.sg.) aufspringst wie eine dreschende Kuh und wieherst wie die Rosse: 12 Sehr beschämt ist eure Mutter, verhöhnt ist, die euch geboren hat, siehe, das ist die Zukunft der Völker: Wüste, Trockenheit und Steppe." 13 Vom Zorn JHWHs wird sie unbewohnbar; sie wird Verwüstung in ihrer Gänze, jeder, der an Babel vorüberzieht, ist entsetzt; und er zischt Uber alle ihre Plagen. „14 Stellt euch in Schlachtordnung auf gegen Babel, ringsherum, Bogenschützen, schießt auf sie, habt kein Mitleid mit dem Pfeil, denn gegen JHWH hat sie gesündigt. 15 Erhebt Kriegsgeschrei gegen sie ringsum: Sie hat ihre Hand gegeben, gefallen sind ihre Türme, eingerissen sind ihre Mauern; fürwahr, die Rache JHWHs ist dies, rächt an ihr! Wie sie getan hat, tut ihr. 16 Mäht nieder den Säenden von Babel, und den Sichel Fassenden in der Zeit der Ernte. Weg vom Angesicht des verheerenden Schwertes wenden sie sich, ein Mann zu seinem Volk, und sie fliehen, ein Mann in sein Land." 17 Ein versprengtes Schaf ist Israel, Löwen haben [es] verjagt. Als erster fraß es der König von Assur, dieser nächste seine Knochen: Nebukadnezar, König von Babel. 18 Deshalb so spricht JHWH Zebaoth, der Gott Israels: „Siehe, ich suche heim den König von Babel und sein Land, wie ich heimgesucht habe den König von Assur. 19 Und ich werde Israel zurückbringen zu seiner Weide, und es wird weiden auf dem Carmel und in Baschan, und auf dem Gebirge Ephraim und Gilead wird es satt werden. 20 In jenen Tagen und zu jener Zeit, Spruch JHWHs, wird die Sünde Israels gesucht, und nichts ist da; und die Schuld Judas, sie wird nicht gefunden, denn ich werde dem vergeben, den ich übriglassen werde." „21 Gegen das Land ,Doppelwiderspenstigkeit'! Steige herauf auf es und zu den Bewohnenden von ,Heimsuchung'! Verheeren und hinter ihnen her der Vernichtung weihen,"
155 BELLIS, Structure, S. 25: „Not an arrow is withdrawn unsated". MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1251: „They will not miss the mark". 156 CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 820; BELLIS, Structure, S. 26, MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1260, HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 392, übersetzen das 'D adversativ („though"). 157 Ich folge hier Qere ¡TTTnzJR statt Ketib HTHtÖK, da es sich wahrscheinlich um einen Schreibfehler handelt (s. auch HOLLADAY, Jeremiah 2, Hemeneia, S. 393; CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 822, der allerdings „bulwarks" übersetzt). In der Übersetzung „Türme" folge ich BELLIS, Structure, S. 28 Anm. 36, die für dieses hapax legomenon ein Lehnwort aus dem akkadischen asitu annimmt.
378
B.1V.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Spruch JHWHs, „und tue gemäß allem, was ich dir (m.sg.) geboten habe." 22 Horch, Schlacht im Land und ein großes Zerbersten. 23 Achwie ist zerbrochen und zerborsten der Schmiedehammer Achwie ist Babel zu Entsetzen in den Völkern geworden!
der ganzen Erde!
„24 Ich habe dir (f.sg.) eine Falle aufgestellt, und du wurdest auch gefangen/eingenommen, Babel'59, und du hast es nicht bemerkt. Du wurdest gefunden, und auch ergriffen/eingenommen, denn mit JHWH hast du Krieg angefangen. 25 JHWH hat seine Vorratshäuser geöffnet, und er führt heraus die Werkzeuge seines Zorns; denn Arbeit für Adonai JHWH Zebaoth gibt es im Land Chaldäa. 26 „Kommt zu ihr (f.sg.) vom Ende aus, öffnet ihre (f.sg.) Scheunen, schüttet sie (f.sg.) auf wie Getreide und weiht sie (f.sg.) der Vernichtung; nicht bleibe von ihr ein Rest. 27 Verheert alle ihre (f.sg.^) Stiere, sie sollen herabsteigen zum Schlachten. Wehe ist über ihnen, fürwahr, ihr (m.pl.) Tag ist gekommen, die Zeit ihrer Heimsuchung." 28 „Horch, Fliehende und Flüchtlinge aus dem Land Babel, um zu melden in Zion die Rache JHWHs unseres Gottes, die Rache für seinen Tempel." 29 Laßt hören über Babel viele, alle Bogenschützen. Lagert euch gegen sie (f.sg.) ringsum, nicht gebe es für sie Rettung, vergeltet ihr gemäß ihrem (f.sg.) Tun, gemäß allem, was sie getan hat, tut ihr. Denn JHWH gegenüber war sie übermütig, gegenüber dem Heiligen Israels. „30 Deshalb fallen ihre (f.sg.) jungen Krieger auf ihren offenen Plätzen, und alle Männer ihrer (f.sg.) Schlacht werden an jenem Tag vertilgt," Spruch JHWHs.
158
HARTBERGER, Psalm 137, S. 34 „Babel" wird hier von HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 393, aus syntaktischen und metrischen Gründen emendiert. Er folgt darin DUHM, Giesebrecht, Comill und Volz (ebd.). 160 HARDMEIER, Texttheorie, S. 196. Hier liegt der vergleichweise seltene Fall von T t mit nachfolgender Präposition vor (so auch Jer 48,1; Ez 13,3.18). Singulär ist, daß in Jer 50,27 "in mit einem Pronomen steht, innerhalb eines Textes, und daß 'in nicht im Nominativ steht (HARDMEIER, Texttheorie, S. 164 Anm.14). 161 Hier folge ich Qere und Apparat BHS z.St., es scheint sich um einen Überlieferungsfehler zu handeln (s. auch HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 394; BELLIS, Structure, S. 56). 159
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
379
„31 Siehe, zu dir, Übermut! 162 " Spruch Adonai JHWHs Zebaoth, „fürwahr, dein (m.sg.) Tag ist gekommen, die Zeit, in der ich dich heimsuche." 32 Und es strauchelt Übermut und fällt, und es gibt niemanden, der ihm aufstehen hilft. Und ich lege Feuer an seine Städte, und es frißt alles um ihn herum. 33 So spricht JHWH Zebaoth: „Unterdrückt sind die Kinder Israels und die Kinder Judas, zusammen, und alle, die sie gefangen weggeführt haben, halten sie fest, und sie weigern sich, sie zu entlassen. 34 Ihr Löser ist fest! JHWH Zebaoth ist sein Name. Offensiv kämpft er ihren Kampf, damit er die Erde befriedet und die Einwohner und Einwohnerinnen Babels bekriegt." „35 Das Schwert über die Chaldäer!" Spruch JHWHs „und zu den Bewohnern, Bewohnerinnen Babels und zu ihren (f.sg.) Herrschern, Herrscherinnen und zu ihren (f.sg.) Weisen: 36 Das Schwert zu den Schwätzern - und sie stehen als Toren da, das Schwert zu ihren (f.sg.) Helden - und sie sind mutlos. 37 Das Schwert zu seinen (m.sg.) Pferden und zu seinem (m.sg.) Wagen und zu dem ganzen Völkergemisch, das in ihrer (f.sg) Mitte ist - und sie sollen zu Frauen werden, das Schwert zu ihren (f.sg) Vorratshäusern - und sie werden ausgeplündert. 38 Dürre zu ihren (f.sg) Wassern - und sie werden trocken, denn ein Land von Götzen ist es, und an den Schrecknissen werden sie verrückt. 164
39 Darum werden Wüstentiere mit Schakalen wohnen, und Sträußinnen werden in ihr wohnen. Und sie wird nicht mehr bewohnt werden auf Dauer, und nicht soll sie bewohnt werden auf Geschlecht und Geschlecht. 40 Wie Gottes Umsturz von Sodom und Gomorra und ihrer (f.sg.) Nachbarinnen," Spruch JHWHs, „wird dort niemand wohnen; und nicht wird sich als Fremdling niederlassen in ihr ein Menschenkind." 162 HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 394: „I declare myself against you, Sir Arrogance", CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 826, übersetzt jUT mit „the proud one", BELLIS, Structure, S. 57, mit „Ms. Insolence". 163 Ges17 schlägt statt der Ableitung von III - „verrückt werden" eine Änderung vor, die dann eine Ableitung von II - Jubeln" ergibt; dann heißt der Satz: „sie rühmen sich der Schrecknisse". HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 395: „and with terror they run wild"; CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 829 ähnlich ,„and they behave like madmen over terrors': i.e. dreadful gods, numina which frighten"; BELLIS, Structure, S. 79: „Indeed, it is a land of idols, that glories in its shocking gods".
S.o. A n m . zu Jes 13,21. 165
CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 829, meint zu der Aufzählung „as usual word-play sacrifices meaning to cleverness and obscures the semantic force of the phrase", und vermutet, daß nicht Tiere, sondern Dämonen gemeint seien.
380
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
41 „Siehe, ein Volk ist gekommen aus dem Norden, und ein großes Volk und viele Könige, sie machen sich auf von den Seiten der Erde. 42 Bogen und Wurfspieß greifen sie, grausam sind sie und erbarmen sich nicht; ihre Stimmen sind, wie das Meer rauscht, und auf Pferden reiten sie; gerüstet wie ein Mann zur Schlacht, gegen dich, Tochter Babel." 43 Gehört hat der König von Babel ihre (m.pl.) Kunde, seine Hände wurden schlaff. Gebärschmerz ergriff ihn, Zittern wie die Gebärende. 44 Siehe, wie ein Löwe steigt er herauf aus der Herrlichkeit des Jordan zur Weide am Wasser, „fürwahr, im Nu will ich sie von ihr (f.sg.) wegtreiben, und wer erwählt ist, will ich die Aufsicht über sie geben. Fürwahr, wer ist wie ich und wer könnte mich gerichtlich fordern, und wer ist der Hirte, der vor mir stehen könnte?" 45 Deshalb hört den Entschluß JHWHs, den er beschlossen hat über Babel und seinen Pläne, die er geplant hat über das Land der Chaldäer. Ob sie sie nicht wegzerren, die jüngsten des Kleinviehs, und ob sich nicht entsetzt die Weide über sie (m.pl.). 46 Vom Ruf: „Babel ist eingenommen," bebte die Erde, und es war Klagegeschrei in den Völkern zu hören. 51,1 So spricht JHWH: „Siehe, ich bin aufreizend gegen Babel und zu den Einwohnern des ,Herz meiner Gegner' einen Wind des Verderbens. 2 Und ich schicke zu Babel Fremde, und sie werden sie (f.sg.) worfeln und ihr (f.sg.) Land verwüsten; denn sie sind gegen sie von ringsherum am Tag des Bösen. -
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Hier folge ich Qere
weil es sich wahrscheinlich um einen Schreibfehler han-
delt. 167 Hier kann der f.sg. ein Neutrum bezeichnen, hieße dann: „davon". Da aber für keinen Fall ein möglicher Bezug gegeben ist, übersetze ich wörtlich. 168 HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 395, greift in den Text ein und übersetzt: „indeed I shall suddenly chase her sucklings / and the choicest of her rams I will single out." 169 HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 395: „surely the shepherd boys shall drag them off". 170 BUBER: „Kern des Aufruhrs"; HARTBERGER, Psalm 137, S. 63: „die inmitten meiner Widersacher Wohnenden". CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 837f streicht die Formulierung mit RUDOLPH aus metrischen Gründen und weil eine Atbasch-Chiffre für Babel in diesem Text nicht nötig sei (ebensowenig wie in 51,41, s. ebd., S. 846), es könnte sich um eine Spur von Beschwörungspraktiken gegen Babel handeln.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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3 Zu dem, der seinen Bogen spannt, spannt,171 und zu dem, der sich seinen Panzer anlegen läßt und mit ihren (f.sg.) Jugendlichen habt kein Mitleid - weiht ihr ganzes Heer der Vernichtung!" 4 Und es fallen Durchbohrte im Land Chaldäa, und Durchstochene in ihren (f.sg.) Straßen. 5 Fürwahr, nicht verwitwet sind Israel und Juda von seinem (m.sg.) Gott, von JHWH Zebaoth. Fürwahr, ihr (m.pl.) Land ist voll von Schuld gegen den Heiligen Israels! „6 Flieht aus Babels Mitte, und rettet jedermann sein Leben, damit ihr nicht vertilgt werdet durch ihre (f.sg) Sünde. Denn eine Zeit der Rache ist es für JHWH, Vergeltung ist es, die er an ihr übt." 7 Ein goldener Becher ist Babel in der Hand JHWHs, sie hat trunken gemacht die ganze Erde, von ihrem Wein tranken die Völker, deshalb wurden die Völker wahnsinnig. 8 Plötzlich ist Babel gefallen und zerbarst! „Jammert über sie, nehmt Balsam für ihren (f.sg.) Schmerz, vielleicht wird sie geheilt." 9 „Wir wollten Babel heilen, aber sie wurde nicht geheilt"; „Verlaßt sie, wir gehen, jedermann in sein Land, denn ihr Rechtsfall stößt an den Himmel und erhebt sich bis an die Wolken." 10 „JHWH hat unsere gerechte Sache herausgeführt! Kommt, laßt uns in Zion die Taten JHWHs, unseres Gottes erzählen." „11 Schärft die Pfeile, füllt die Köcher! JHWH hat aufgereizt den Geist der Könige von Medien, denn gegen Babel richtet sich sein Plan, sie zu verderben. Denn die Rache JHWHs ist es, die Rache für seinen Tempel. 12 Gegen die Mauern Babels erhebt das Schlachtzeichen! Verstärkt die Wachtposten; stellt (zusätzliche) Wachen auf, stellt Späher auf! Denn JHWH hat es sowohl geplant als auch ausgeführt, was er gesagt hat gegen die Einwohner und Bewohnerinnen Babels: 13 ,„Ich wohne auf vielen Wassern, vielen Vorräten": Es ist gekommen dein (f.sg.) Ende, die Elle deines Schnitts.'"
171
Hier liegt wohl eine Diplographie von " p T vor, das ohnehin schon mit einem Inf.abs. steht; sie wird in vielen Hss. korrigiert. HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 396, ändert: „Let not her bowman draw his bow"; CARROLL, Jeremaih, OTL, S. 834: „Let not the archer bend his bow". 172 HARTBERGER, Psalm 137, S. 21 u. 63. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 834, in anderem Verständnis der Konstruktion „and let him not stand up in his coat of mail"; BELLIS, Structure, S. 108 ändert mit LXX: „let him rise up his armor". 173 HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 395, stellt V.5a und b um, weil sonst „ihr Land" (51,5b) sich auf Israel beziehen müßte, aber erkennbar von Babel spricht. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 835, kommt aus demselben Grund zu einer Ergänzung „Land of the Chaldeans". M.E. ist der Bezug auf Babylon auch ohne die präzise Bezugsangabe verständlich. 174 Weil V.8a weder mit V.8b noch mit V.7b in Parallelismus steht, erwägt BELLIS, Structure, S. I l l Anm. 10, daß dieses Phänomen is „meant to reflect the breaking of the cup, Babylon".
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B.1V.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
14 Geschworen hat JHWH Zebaoth bei seinem Leben: „Wenn ich dich (f.sg.) auch angefüllt mit Menschen wie mit Borstenheuschrecken, so erheben sie über dir (f.sg.) doch den Keltertreterruf: 15 ,Der die Erde macht in seiner Kraft und das Festland gründet in seiner Weisheit, und in seiner Klugkeit hat er einen Himmel ausgespannt. 16 Wenn er donnert, ist Getöse von Wasser im Himmel, er läßt Wolken aufsteigen vom Ende der Erde. Blitze für den Regen hat er gemacht, und er läßt einen Wind ausgehen von seinen Vorratshäusern. 17 Dumm ist jeder Mensch ohne Verstand, beschämt ist jeder Goldschmied mit einem Gottesbild. Denn Lügtrug ist sein Götzenbild und kein Geist ist ihnen: 18 Hauch sind sie, eine Handwerkerarbeit von Spöttereien, in der Zeit ihrer Heimsuchung werden sie zugrundegehen. 19 Nicht wie diese ist der Anteil Jakobs. Denn der Former der Allheit ist er. Und ein Stab ist sein Erbe, JHWH Zebaoth ist sein Name.'" „20 Ein Hammer bist du mir, Werkzeug'75 für den Krieg. ich zerschlage mit dir Völker, und ich verderbe mit dir Königreiche. 21 Ich zerschlage mit dir Pferd und seinen Reiter, ich zerschlage mit dir Wagen und seinen Fahrer. 22 Ich zerschlage mit dir Mann und Frau, ich zerschlage mit dir Greis und Knabe, ich zerschlage mit dir Jüngling und Jungfrau. 23 Ich zerschlage mit dir Hirt und seine Herde, ich zerschlage mit dir Bauer und sein Gespann, ich zerschlage mit dir die Statthalter und die Stellvertreter 24 Und ich vergelte an Babel und an allen Einwohnern Chaldäas all ihr (m.pl.) Böses, das sie getan haben an Zion, vor euren Augen," Spruch JHWHs. „25 Siehe, gegen dich (m.sg.), Berg des Verderbens," Spruch JHWHs, „des Verderbens an der ganzen Erde; ich strecke meine Hand aus gegen dich und wälze dich von den Felsen herunter und mache dich zu einem verbrannten Berg, 26 so daß sie von dir keinen Stein für die Ecke nehmen oder ein Stein fürs Fundament; denn Verwüstungen für ewig sollst du sein," Spruch JHWHs.
I7S
Da mit dem Hammer von einem einzelnen Gerät die Rede ist, ändere ich die Punktation der Apposition in Singular mit BHS, s. auch CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 840; McKANE, Jeremiah, ICC, 1310. HARTBERGER, Psalm 137, S. 33, äußert den Verdacht, daß es sich nicht um einen Fehler handeln müsse, wenn man den Ausdruck als Vergleichspartikel auffaßt, eine konsonantische Parallele sei hier Ps 73,22.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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„27 Erhebt das Schlachtzeichen auf der Erde, stoßt in das Schofar in den Völkern: weiht gegen sie (f.sg.) Völker, ruft gegen sie (f.sg) die Königreiche Ararat, Minni und Aschkenas; sucht gegen sie (f.sg.) einen Tafelschreiber, führt herauf Pferde wie die Borstenheuschrecke 28 Weiht gegen sie (f.sg.) Völker, die Könige von Medien, ihre (f.sg.) Statthalter und alle ihre (f.sg.) Stellvertreter und das ganze Gebiet seiner Herrschaft." 29 Und es bebt die Erde und kreißt. Denn es sind gegen Babel aufgestanden die Vorhaben JHWHs: um das Land Babel zu Entsetzen zu machen ohne Bewohner. 30 Es haben die Helden Babels aufgehört zu kämpfen, sie sind in den Burgen sitzen geblieben; versiegt ist ihre Heldenhaftigkeit, sie sind zu Frauen geworden; angezündet sind ihre (f.sg.) Wohnungen, zerbrochen sind ihre (f.sg.) Riegel. 31 Ein Läufer läuft einem Läufer entgegen, und ein Melder einem Melder entgegen, um dem König von Babel zu melden, daß sie eingenommen ist, seine Stadt von (allen^Ecken, 32 die Furten eingenommen, und die Zitadellen im Feuer verbrannt sind, und die Männer der Schlacht wurden erschreckt. 33 Denn so spricht JHWH Zebaoth, der Gott Israels: 179
„Tochter Babel: wie eine Tenne zu der Zeit, wenn man sie feststampft: nur noch ein Weniges, dann kommt die Zeit der Ernte für sie." 34 „Er hat uns gefressen und aufgerieben, Nebukadnezar, König von Babel, er hat uns hingestellt - ein leeres Gefäß. Er hat uns verschlungen wie das Walmonster, seinen Bauch gefüllt von meiner Wonne,
176 HARTBERGER, Psalm 137, S. 66: „Urartu, Man und Aschguzu". Zur möglichen Identität dieses Volkes, BELLIS, Structure, S. 157. 177 "ISDCD kommt nur in Nah 3,17 und Jer 51,27 vor und bezeichnet nach Ges17 assyrische Würdenträger, s. dazu McKANE, Jeremiah, ICC, S. 1318. So übersetzt BELLIS, Structure, S. 143 „recruiter". 178 Der hebräische Begriff ist ein hapax legomenon. Ges17 schlägt fiir D2R* - „Zitadelle" vor. BELLIS, Structure, S. 144 „reed pools"; HARTBERGER, Psalm 137, S. 67: „Sümpfe". Sowohl bei den Sümpfen als auch den Zitadellen handelt es sich um militärische Verteidigungsanlagen, die bei ersteren für Babylon auch belegt sind, HARTBERGER, Psalm 137, S. 112, verweist hier auf Herodot (1,185), Abydenos und neubabylonische Königsinschriften. In Jes 14,23 heißt es mit demselben Lexem, Babylon werde zu Wassersümpfen. Wenn es sich mit den Sümpfen in Jes 14,23 wirklich um eine Anspielung auf eine babylonische militärisch-topographische Besonderheit handelt, dann kann 14,23 auch aussagen, daß sich nun das ursprünglich Schutzhafte gegen die Stadt richtet, die zur militärischen Stärkung instrumentalisierte Natur nimmt von Babel Besitz. Das nK kann hier als Hervorhebung des neuen Aufzählungsglieds verstanden werden (Ges17, s.v. HR). 17 " HARTBERGER, Psalm 137, S. 67: „Die Bewohnerschaft Babels". LXX hat statt „Tochter Babel" „Häuser des Königs".
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
seinen Bauch gefüllt von meiner Wonne, .180 er hat uns weggespült. 35 Meine Gewalttat und mein Fleisch komme über Babel!" spricht die Einwohnerin Zions, „und mein Blut auf die Einwohner/ Einwohnerinnen Chaldäas" spricht Jerusalem. 36 Deshalb so spricht JHWH, „Siehe, ich führe deinen (f.sg.) Streit und nehme Rache für dich. Ich versiege ihr (f.sg.) Meer und vertrockne ihre Quelle. 37 Und Babel wird zum Steinhaufen, eine Wohnung von Schakalen, zu Entsetzen und Spott, ohne Bewohner. 38 Zusammen wie die jungen Löwen brüllen sie, sie knurren wie Jungen von Löwinnen. 39 In ihrem (m.pl.) Glühen bereite ich ihr Gastmahl und berausche sie, damit sie sich freuen und einschlafen zu einem Schlaf für ewig und nicht mehr aufwachen," Spruch JHWH. „40 Ich führe sie hinab wie Lämmer zum Schlachten, wie Widder mit Böcken." 41 Achwie ist Scheschach gefangen/eingenommen und ergriffen/eingenommen die Glorie der ganzen Erde; Achwie wurde Babel zum Entsetzen in den Völkern. 180 Targum zieht " I n n "1UQ zusammen im Sinne von „er hat mich von meiner Lust (Gegenstand meiner Lust) hinweggestoßen". HARTBERGER, Psalm 137, S. 67: „Es hat uns gegessen, uns ausgeschlürft / Nebukadnezar, der König Babels, / hat uns (wieder) hingestellt als leeres Gefäß, / hat seinen Bauch gefüllt mit unseren (hebr.: meinen) Kostbarkeiten, / hat uns ausgespült." Umstellungen, Zusätze und Emendationen auch bei HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 399. 181 HARTBERGER, Psalm 137, S. 67: „Körper(schaden)"; BELLIS, Structure, S.165: „My torn flesh". 182 Viele Übersetzer und Übersetzerinnen fassen 51,35 modal auf: BUBER; HARTBERGER, Psalm 137, S. 67; HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 399, CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 845 (anders LUTHER; ZUNZ; BELLIS, Structure, S.165; McKANE, Jeremiah, ICC, S. 1322 übersetzt futurisch: „Zion möge sprechen"). Konjunktiv wird durch bestimmte Partikeln (die hier fehlen) oder Satzumstellungen (was hier vorliegt) angezeigt, weshalb eine modale Übersetzung von Jer 51,35 möglich ist. Betrachtet man aber die Parallelstellen, also eine wiedergegebene Rede, anschließende Imperfektform von "IQ« mit der Angabe der sprechenden Figur (mittels einer entsprechenden Quest-Konkordanzabfrage), dann beschränken sie sich zunächst allesamt auf junge Jesajastellen, von denen keine üblicherweise modal übersetzt wird, weil auch in allen Gott Sprecher ist (Jes 1,11.18; 33,10; 40,1.25; 41,21; 66,9). Dazu kommt, daß m.W. keine Stelle der Bibel einen dann wörtlich wiedergegebenen Fluch gebietet, was bei einer modalen Übersetzung der Fall wäre. Außerdem ist es so, daß - trotz der Formelhaftigkeit der Redeeinleitung - in Jer 51,37 JHWH auf die Rede Jerusalems antwortet. Würde die Rede Jerusalems nur eine aufgeforderte sein, würde JHWH realiter auf einen gewünschten Fluch antworten. Zudem sind m.E. die Aussagen in Jer 51,34f zu konkret für indirekte Rede (das ist zwar ein ,Geschmacksargument', kommt aber m.E. hinzu). 181
Viele Hss. bieten laut BHS statt ^ b v - „sie freuen sich" die Variante 13*7IT - „sie sinken ohnmächtig hin", so ändert auch HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 399; CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 845f.
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42 Es ist angestiegen über Babel das Meer, und mit dem Getöse seiner Wellen wurde sie bedeckt. 43 Ihre Städte wurden zu Entsetzen, zu einem Land der Trockenheit und Wüste, zu einem Land, in dem sich kein Mann niederläßt, und durch das kein Mensch hindurchzieht. 44 „Und ich werde heimsuchen Bei in Babel, und ich werde das, was er verschlungen hat, aus seinem Maul ziehen, und nicht mehr sollen die Völker zu ihm strömen; auch die Mauern von Babel sind gefallen. 45 Zieht aus ihrer Mitte heraus, mein Volk, rette jedermann sein Leben vor der Zornglut JHWHs. 46 Und damit nicht weich wird euer Herz, und ihr euch fürchtet vor der Nachricht, die im Land gehört wird; es kommt in dem Jahr diese Nachricht und danach in dem Jahr jene Nachricht, und Gewalttat im Land ist, Herrscher auf Herrscher. 47 Deshalb siehe, Tage kommen, da suche ich heim die Schnitzbilder Babels, 185
und ihr (f.sg.) ganzes Land wird beschämt und alle ihre (f.sg.) Durchbohrten werden in ihrer (f.sg.) Mitte fallen. 48 Da werden jubeln über Babel Himmel und Erde und alles, was in ihnen ist, denn von Norden her kommt es zu ihr: die Verwüstenden," Spruch JHWHs. 49 Auch Babel muß fallen - die Durchbohrten Israels, auch für Babel sind sie gefallen, die Durchbohrten der ganzen Erde. 50 Flüchtlinge vor dem Schwert: lauft, bleibt nicht stehen! Gedenkt JHWHs aus der Ferne, Jerusalem möge aufsteigen in eure Herzen. 51 „Wir schämen uns, denn wir hörten die Verhöhnung, Schmach bedeckt unser Angesicht, denn es kamen Fremde über die Heiligtümer des Hauses JHWHs." 52 „Deshalb, siehe, Tage kommen, Spruch JHWHs, da suche ich heim ihre (f.sg.) Schnitzbilder, und in ihrem (f.sg.) ganzen Land stöhnen Verwundete. 53 Und wenn Babel in den Himmel aufstiege, und wenn sie die Höhe ihrer Festung/Macht unzugänglich machte, kommen doch Verwüstende von mir zu ihr," Spruch JHWHs.
184 Tatsächlich schließt ein „deshalb" etwas rätselhaft auch die vorhergehende Aussage an, auch wenn ihr Sinn nicht eindeutig verständlich ist. BELLIS, Structure, S. 170 Anm. 19, schlägt daher vor, „nichtsdestoweniger" zu übersetzen. In Jer 51,52 interpretiert sie das als adversativen Redeauftakt ähnlich Gen 4,15; 30,15; Ri 8,7; 11,8; lSam 28,2; lKön 22,19 (ebd., S. 171 Anm. 23). 185 HARTBERGER, Psalm 137, S. 69: „wird zuschanden".
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B.1V.2. Der Untergang Babyions - Jeremía
54 Horch, Schreien aus Babel, und großes Krachen aus dem Land der Chaldäer. 55 Denn JHWH verwüstet Babel, er rottet aus ihr aus die laute Stimme, und es tosen ihre (m.pl.) Wellen wie viele Wasser, ihre (m.pl.) Stimme macht Lärm. 56 Denn es ist gekommen über sie, über Babel der Verwüstende. Es werden gefangen genommen ihre (f.sg.) Helden und zerbrochen ihre (m.pl.) Bogen, denn ein Gott der Taten ist JHWH, er vergilt die Vergeltung! „57 Und ich mache trunken ihre (f.sg.) Fürsten und ihre Weisen, ihre Statthalter und ihre Stellvertreter; und ihre Helden, sie werden einschlafen zum ewigen Schlaf, und nicht mehr aufwachen," Spruch des Königs, JHWH Zebaoth ist sein Name. 58 So spricht JHWH Zebaoth: „Die breiten Mauern Babels werden bloßgestellt entblößt, und ihre hohen Tore werden im Feuer verbrennen; Völker haben sich für nichts abgemüht, und die Stämme haben sich für das Feuer geschunden." 59 Das ist das Wort, das Jeremia der Prophet dem Seraja, Sohn von Neria, Sohn von Machseja befohlen hat, als er mit Zedekia, König von Juda, nach Babel ging im vierten Jahr seines Königtums. Und Seraja war Befehlshaber über die Nachtlager. 60 Und Jeremia schrieb all das Böse, das über Babel kommen sollte, in ein einziges Buch, alle diese Worte, die gegen Babel aufgeschrieben wurden. 61 Und es sprach Jeremia zu Seraja: „Wenn du nach Babel kommst, dann sieh es und lies alle diese Worte. 62 Und du sollst sprechen: ,JHWH, du hast gesprochen über diesen Ort, ihn niederzumähen, so daß kein Bewohner in ihm sein kann, vom Menschen bis zum Vieh, denn Verwüstungen in Ewigkeit soll sie sein.' 63 Und es wird sein: wenn du fertig bist, dieses Buch zu lesen, bindest du darauf einen Stein und wirfst ihn mitten in den Euphrat. 64 Und du sollst sprechen: ,So versinkt Babel und steht nicht mehr auf im Angesicht des Bösen, das ich, ich auf sie kommen lasse, und sie sollen sich schinden ."' Bis hier sind die Worte Jeremias.
Inhalt und Außau Die Überschrift (Jer 50,1) weist den Text als ~Q1 JHWHs durch den Propheten Jeremia aus, es wird Babel behandeln. Entsprechend der nur grob strukturierenden Funktion der Überschriften im Jeremiabuch liefert auch diese Überschrift keine zeitliche Verortung des Textes. Diese würde allerdings auch nicht mehr Orientierung schaffen können, denn nun folgt eine Vielzahl von Liedern, Prophezeiungen, Aufrufen und Beschreibungen, die allesamt von 186 Weil "Ein hier keinen Bezug hat und es sich dabei um dieselbe Form wie in V.58 handelt, kann hier eine Diplographie vorliegen.
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Krieg, Kriegsphasen und Kriegsbegründungen handeln und durch keine Form von Überleitungen oder Erklärungen miteinander verbunden sind.187 Kriegstumult und das deshalb gegenwärtige Chaos ist in Sprache gefaßt. Deshalb gibt es nahezu keine ordnende Kraft im Text: nur selten sind die Sprecher/ Sprecherinnen identifizierbar oder ein Sprecherwechsel angezeigt; die Zeitebenen wechseln ebenso wie die Themen, die Adressaten/ Adressatinnen und die Bildbereiche. Dabei erfolgen diese Wechsel nicht gleichzeitig oder rhythmisch. Im Chaos der einander ablösenden und unterbrechenden Stimmen stellt sich allmählich und in der Summe mehrfach und vielfältig unterstrichen folgendes heraus: Babylon ist zerstört durch Gottes Eingreifen, Israel ist zu JHWH zurückgekehrt.188 Das Meldensollen der Niederlage, die Beziehungsgeschichte zwischen Israel und JHWH, Fluchtaufrufe, Kampfaufstellungen in Erwartung des Startsignals, Beschreibung des heraufziehenden Heeres, Begründungen für diese Katastrophe, Dialoge und Lieder wechseln sich ab. Stichworte aus ähnlichen wie unähnlichen Passagen werden wieder aufgegriffen; weniges ist abgrenzbar. So ergibt der Text in seinem Gewebe beim Versuch, dieses zu unterteilen, stets wieder ein Knäuel statt einer Gliederung.18' Abgrenzbar sind die Lieder wie das Kelterlied (51,15-19) und das sog. Hammerlied (51,20-24). Relativ abgrenzbar sind noch das Schwertlied (50,35-38) und Bilder, die von Israel als Kleinviehherde (50,6f.l7-19) und Babel als Übermut (50,3 lf) gezeichnet werden, als geebneter Berg (51,25f) und als menschenfressender Drache (51,44). Dies hat in der exegetischen Literatur zu großen Unstimmigkeiten über den Aufbau und die Strukturierung des Textes gefuhrt.190 187 Zu einem Überblick über formkritisch identifizierbare Einheiten s. HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 408—411, der gleichwohl ingesamt eingesteht: „The authentic material offers a kaleidoscope of forms, and the sequence of forms offers no guide to advision into units" (ebd., S. 411), dann aber doch einen Text rekonstruiert, der einen kunstvollen Aufbau hat. Dabei operiert HOLLADAY allerdings mit „Echtheits"- und „Unechtheits"-Kriterien, die m.E. literarkritisch zu unsicher sind. Regelrecht widersprüchlich ist DUHM, Jeremia, KHC, der in der Einleitung zu Jer 50-51 deutlich macht, daß er den Text in seiner literarischen Qualität und Konstruktion nicht schätzt, insbesondere weil er so viel aus anderen Schriften aufnimmt und dann oft wiederholt (ebd., S. 360). Zu 50,33ff aber schreibt DUHM: „Der Verrf. macht es wie ein moderner Komponist, der seinen Beethoven im Kopf hat; auch die Anleihen regen diesen Vergleich an" (ebd., S. 365). 188 Nach CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 814 u. 819, u.a. sind dies die beiden dominanten Themen des Textes, die überdies dann eine Verbindung zwischen Jer 50-51 und Jes 40-55 darstellen. 189 S. schon BUDDE, Ueber die Capitel, S. 459. 190 CARROLL, Jeremia, OTL, S. 814f listet die verschiedenen Einteilungsvorschläge auf und hält fest, daß die Bandbreite der Abschnittzahl etwa zwischen 50 und 3 liegt. Zur ausführlichen Auffuhrung der verschiedenen Einteilungen s. BELLIS, Structure, S. 3-8. HARTBERGER, Psalm 137, hat sich mit Jer 51 ausfuhrlich befaßt, sie unterteilt das Kapitel in 12 Abschnitte und führt detailliert Stichwortbezüge zwischen den einzelnen Abschnitten auf
388
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Der m.E. bislang überzeugendste Versuch, Jer 50-51 zu strukturieren, bedurfte einer ganzen Monographie, der hochinteressanten Arbeit von Bellis."1 So bestehe Jer 50 aus drei Gedichten (50,2-20 Gottes Vergebung und Wiederherstellung Israels; 50,21-32 Rebellion und Bestrafung der Übermut-Frau Babel; 50,33-38 Israels Anklage gegen Babel) und einer Fortfuhrung in einer Zitatesammlung (50,39-46) aus Jer 13,19-22; Jer 6,22-24; 49,18-21.192 Diese drei Gedichte sind von unterschiedlichem Inhalt, unterschiedlicher Bildsprache (50,2-20 Hirt und Herde, 50,21-32 Frau Übermut, 50,33-38 Exodus und Gerichtsprozeß) und unterschiedlicher Struktur (50,2-20 mehrfache Konzentrik, 50,21-32 gleichförmige Strophen, 50,33-38 Dialoge). Außerdem ergänzen sich die drei Gedichte, indem das erste die Beziehung JHWH-Israel behandelt, das zweite JHWH-Babylon und das dritte den Konflikt zwischen Israel und Babylon. Angefugt an den letzten Text sind drei Schriftzitate aus Jes 13,19-22 (Jer 50,39-40); Jer 6,22-24 (Jer 50,41-43) und Jer 49,18-21 (Jer 50,44—46), die zum einen die Hintergründe des Hergangs und Ergebnisses der babylonischen Zerstörung erläutern helfen und im Fall des letzten Zitat aus eine Einschließung des ganzen Kapitels Jer 50,2-38, leisten, insofern Jer 50,2 auch Zitatteile von Jer 49,21 enthält. Das Kapitel 51 teilt sich ebenfalls in drei Abschnitte (51,1-14 JHWHs Rache für die Zerstörung seines Tempels; ein Zusatz in einem Zitat 51,15-19; 51,20-33 Babylon wird dem Erdboden gleichgemacht; 51,34—58 JHWH ist der König). Durchgehendes Thema ist neben der Untergangsdrohung gegen Babel die Zerstörung Jerusalems und des Tempels, Bildmotive sind besonders Kriegsbilder, Naturkatastrophen und Mythen. Auch hier liegen verschiedene Strukturen der einzelnen Gedichte vor, aber insgesamt ist die poetische Struktur in Jer 51 nicht so stark formal geprägt wie in Jer 50: in 51,1-14 drei zeitlich unterschiedene Perspektiven auf Babylons Untergang durch JHWHs Angriff, die Einfügung von 51,15-19 zieht eine zyklische Linie über Gottes Macht (51,1); in 51,20-33 die Reden JHWH zu und über Babylon in chronologische Abfolge; in 51,34-58 Gespräche zwischen JHWH und Jerusalem (V.34-43) und JHWH und den Exulierten (V.44-56). Gerade das letzte Gedicht (51,34-57) nimmt viele Bilder aus den vorangehenden Gedichten wieder auf,"3 51,58 bildet eine Zusammenfassung des Gesamtkomplexes."4
(ebd., S. 73-95). Tatsächlich ist jeder Abschnitt mit nahezu allen anderen durch Stichworte verbunden, was sehr gut verdeutlicht, warum der Text also kompakt in seiner Vielfältigkeit erscheint. Gerade aber die Abschnitteinteilungen erscheinen mir nicht zwingend, weshalb ich mich dieser These zur Struktur in Gänze nicht anschließe. "' BELLIS, Structure, s. auch BELLIS, Poetic Structure. 192
5 0 , 4 - 2 0 wird auch v o n CARROLL, Jeremiah, O T L , S. 8 2 3 und HUNZIKER-RODEWALD,
Hirt und Herde, S. 93-97, als rhetorischer Zusammenhang gesehen. Tatsächlich lassen sich viele Wiederholungen, Amplifikationen, Vorausweisungen etc. finden, die Erklärung aber, warum einige dieser Phänomene textstrukturierenden Charakter haben und andere nicht, bleiben die meisten Ansätze schuldig. 193 BELLIS, Structure, S. 205-207. " 4 BELLIS, Structure, S. 171 f u. 204f, stellt aus Gründen der Kohärenz 51,57 hinter 51,53.
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Erscheint dieses Konzept zunächst plausibel, fallt bei näherem Hinsehen auf, daß diese Strukturierung Bellis nur um den Preis einer (allzu) großen Reduktion gelingt. Verse und Doppelverse müssen auf genau eine Aussage festgelegt und Sprecher, Adressaten und Zeiten ausgeklammert werden zugunsten des propositionalen Satzgehalts. Auch müssen Andeutungen, Vorausdeutungen und Rückverweise wie auch kleinere Zitate ignoriert werden, um diese Strukturierung aufrecht zu erhalten. Zum Beispiel führt das dazu, daß „Frau Übermut" die beherrschende Gestalt von 50,21-32 ist, wo doch aber „Übermut" in 50,3 lf just in einer maskulinen Personifikation vorkommt. Da aber insgesamt in 50,21-32 die weibliche Anrede dominiere, könne man von „Frau Übermut" sprechen.19' Dieser gute und dann doch gescheiterte Versuch, ein Ordnungsprinzip für Jer 50-51 zu finden, zeigt m.E., daß genau die Unordnung, das Kriegschaos und die Verunsicherung der Leser/ Leserinnen durch den anfänglichen Aufbau und die nachmalige Zerstörung einer Redeform das Gestaltungsprinzip des Textes ist. Auch im Vergleich der beiden Kapitel findet sich keine Gliederung, die einen Verlauf oder Aufbau sichtbar werden läßt. So ist auch die Frage, ob es sich bei den beiden Kapiteln um einen oder zwei Texte handelt, zu beantworten, daß es ein Gesamttext ist: Der ganze Komplex hat eine Hauptüberschrift in 50,1 und eine Schlußsequenz in 51,59-64. Gleichzeitig markiert das ""Ifttf PC mn 1 in 51,1 keinen besonders tiefen Einschnitt, weil es sechs Mal vorkommt (50,18.33; 51,1.33.36.58), die Bildbereiche vom Krieg überlegener Gegner gegen eine wehrlose Stadt werden in 51,1 ff direkt aus 50 fortgeführt.196 Beide Kapitel sind stilistisch gleich. Viele Aussagen ziehen sich durch beide Texte, wie Fluchtaufrufe (50,8; 51,6.45f.50) und Fluchtbeschreibungen (50,3.16.28; 51,9),1,7 Rede von Vergeltung (50,29; 51,6.24.56), der Fall Babels, seiner/ihrer Einwohner und der Mauern (50,15.30.32; 51,4.8.44.47.49), das Volk aus dem Norden (50,3.9.41; 51,48), das Aufsteigen gegen Babel (50,3.9.21.44; 51,27.42.53), die Einnahme Babels (50,2.9.24; 51,31.41.56), die Kampfaufstellung (50,14-16; 51,11-12.27-28), der Plan Gottes in verschiedenen Begriffen (50,45; 51,11.12.29) ebenso wie viele Bilder und Motive: der Löwe als Bild für Assur, Babel, Babylonier und JHWH (50,17.44; 51,38) oder Entsetzen/Verwüstungen als künftiger Zustand Babels (50,13.23; 51,26.29.37.41.43). Die besondere Botschaft von Jer 51 ist allenfalls, daß es
BELLIS, Poetic Structure, S. 185 Anm 9 und BELLIS, Structure, S. 57 Anm 16. Pointiert DUHM, Jeremia, KHC, S. 366: „Bios um den Leser ein wenig verschnaufen zu lassen, hat man Cap. 51 vom vorhergehenden abgetrennt; sachlich ist kein Grund dafür vorhanden, denn das 'so spricht Jahwe' kommt öfter vor und leitet nicht einmal etwas Neues ein." 1,7 Das Gegenteil (es wird keine Flüchtlinge geben) findet sich ebenso in 50,29. Je nachdem, worauf sich 50,44 bezieht, ist hier auch das Influchtschlagen der Babylonier ausgesagt. 196
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
eben so weitergeht, der Untergang Babels ist lang, die vielen Wiederholungen steigern die Aussage und das Entsetzen. Dieser Befund wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß einige Bilder nur in einer der beiden Hälften vorkommen wie die Motive Trunkenheit, (Zorn)Becher und Kelter(treten) Naturkatastrophen als Untergangsumstand in Jer 51.198 So ist das Fehlen jeder Struktur und die Zerstörung jeder Kohärenzkonstruktion im Leseprozeß ein Strukturprinzip, es macht die einzelnen Verse zu einer Abfolge von „multiple echoes'"" desselben Themas: Babels Untergang.200 Somit schließe ich mich Reimers treffender Formulierung an: „Its coherence lies in its repetitive language, its unity in its dominant theme. [...] The inordinate length of the oracles may have purpose in itself of expressing hatred towards Baby1 „201 Ion.
Forschung zu Jeremia 50-51 Trotz der großen Forschungsfortschritte der Jeremiaforschung in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Forschungsgeschichte zu Jer 50-51 ebenso kurz202 wie wenig in Diskussionskontexte eingebettet. Während Jer 50" ! So folge ich also HARTBERGER, Psalm 137, S. 101-104, nicht, die zu dem Schluß kommt, daß die Differenzen zwischen beiden Kapiteln doch überwiegen: Gemeinsam sei beiden Texten vor allem das Thema Babel, aber auch einzelne Motive wie die Aufrufe zu Kampf und Flucht, die Klage über den Fall Babels, die Analogie von Hammer- und Schwertlied, der Vergeltungsgedanke sowie eine ganze Reihe von Stichwortverknüpfungen. Besonders die strukturelle Prägung unterscheide beide Texte, Kampfaufrufe und Unheilsankündigungen seien in Jer 50 eher in einen Kontext mit Israel eingebettet, was in Jer 51 doch universal und zugleich geschichtlich konkreter argumentiert werde. Zudem gibt es auch Stichwortunterschiede wie bbn, nntö, ~nÖ und 23! (S. 1 0 1 - 1 0 4 ) , zur möglichen unterschiedlichen Entstehung von Jer 50 und 51, die durch einen Redaktor zusammengefugt wurden, s. auch BELLIS, Structure, S. 216. REIMER, Oracles Against Babylon, S. 101. 200 Daß genau die Aneinanderreihung von Krieg und Vernichtung „ermüdend wirkt" (DUHM, Jeremia, KHC, S. 360), ist so schrecklich wie leider richtig und anscheinend überzeitlich dem Krieg eigen, man denke nur an das nächstliegende Beispiel von REMARQUES Roman „Im Westen nichts Neues" u.a. Warum Duhm (JEREMIA, KHC, S. 360) allerdings zugleich annimmt, den damaligen Verfassern und Rezipienten befriedige der Text „ihr [...] Bedürfnis nach erbaulich unterhaltender Lektüre" ist mir nicht verständlich. 201 REIMER, Oracles Against Babylon, S. 104. Daß allerdings der Text statt von einer Struktur nur vom Thema zusammengehalten werde, so weit mag ich nicht gehen: Das Verfassen eines so irritierenden Textes bedarf einer intensiven strukturierenden Arbeit. 202 M.W. sind mit NÄGELSBACH, Der Prophet Jeremias; REIMER, Oracles Against Babylon u. BELLIS, Strucure, überhaupt nur drei Monographien zu Jer 50-51 erschienen. Die Arbeit von BELLIS nimmt vornehmlich die Struktur des Textes in den Blick und ist deshalb oben bereits dargestellt worden. Die Dissertationen von HILL und HARTBERGER, in denen Jer 50-51 einen großen Raum einnehmen, sind oben im Gesamtüberblick vorgestellt worden (s.o. S. 5f, 8f). Die Arbeit von NÄGELSBACH, Der Prophet Jeremias, aus dem Jahr 1850 wird mit Rücksicht auf den Umfang der vorliegenden Arbeit und mit Verweis auf die Zusammenfassung bei REIMER, Oracles against Babylon, S. lf, hier nicht eigens vorgestellt.
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51 als Einzeltext relativ viel Bearbeitung erfährt (Reimer, Bellis, Hartberger), ist Jer 50-51 innerhalb der Jeremiaforschung kaum beachtet, was es z.T. mit den anderen Fremdvölkersprüchen Jer 46-49 teilt: Mowinckel hatte für die Fremdvölkersprüche noch nicht einmal eine eigene oder eine der anderen Quellen angesetzt.20' Der Kommentar von Carroll findet bei Jer 50-51 schnell zum Schluß.204 Die Arbeit von Huwyler zu den Fremdvölkersprüchen des Jeremiabuches läßt Jer 50-51 ganz aus,205 ebenso wie die Studie von Häusl zu Weiblichkeitsmetaphorik im Jeremiabuch.206 Der Grund mag darin liegen, daß dieser Text allseits als „spät" angesehen wird und zudem ausgesprochen sperrig ist.207 So wird in der Forschungsliteratur Jer 50-51 ohne besondere Begründung eine Sonderstellung eingeräumt. Reimers Dissertation erschien 1993.208 Sie enthält die Kapitel „poetry and structure"; „text and tradition"; „Forms and imagery and comparable oracles elsewhere in the Hebrew Bible"209 und setzt quantitativ poetologische und formgeschichtliche Schwerpunkte, indem er viel Raum der Metrik des Textes widmet und einen Vergleich mit dem LXX-Text anstellt. Sodann geht er den Formen und Bildern des Textes nach: den Befehlstexten, anderen Göttern, dem Feind aus dem Norden, Zerstörung und Entvölkerung, Wiederherstellung des Gottesvolkes, der Herdenmetaphorik, weiblichen Bildern, dem Jerusalemer Tempel, Stolz, dem Schwert- und dem Hammerlied und dem Zornbecher. Das letzte Kapitel bildet ein Vergleich von Jer 50-51 mit den anderen Jeremiatexten (Jer 51,59-64, das Buch Jeremia insgesamt, der Prophet Jeremia) und anderen Babylon-Texten (Sach 2,10-16; Jes 47; 13,1-14,23; 21; Psalm 137 und apokryphe Texte). Leider greift er dabei so gut wie gar nicht auf die bisherigen Arbeiten von Hartberger und Bellis zurück210 wie überhaupt auf neuere Literatur und fallt so hinter den Diskussionsstand im Allgemeinen wie in Einzelfragen zurück. Obwohl die Studie von Reimer für vorliegende Arbeit eine große Stütze hätte sein müssen, bleiben die Auffuhrungen allzu oft an der Oberfläche des allseits Erkennbaren.2"
MOWINCKEL, Komposition, S. 65f. CARROLL, Jeremiah, OTL, der in seinem 874 Seiten starken Kommentar für Jer 50-51 gerade mal 42 Seiten erübrigt. 205 HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 39f. Auch Thiel, Die deuteronomistische Redaktion, läßt Jer 46-51 ganz aus. 206 HÄUSL, Bilder der Not, S. 31 f. 207 Zu anderen Argumentationen in der Abgrenzung von Jer 50-51 zu den (anderen) Fremdvölkersprüchen s.u. 208 REIMER, Oracles Against Babylon. 209 REIMER, Oracles Against Babylon, S. iv u. 6. 2,0 Bis auf Details sind das S. 243 (HARTBERGER) und S. 19 (BELLIS). 211 Erheblich detaillierter ist - obwohl nur auf die Strukturen gerichtet - die Arbeit von BELLIS, erheblich informativer der Kommentar von MCKANE. 203
204
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Datierungen Daß Jer 50-51 nicht von Jeremia stamme, gilt seit Eichhorn (1816/19) als weitgehender Konsens.212 Konkreter wird dabei zumeist die Zeit vor 539 oder die Zeit der persischen Hegemonie als Abfassungszeit des Textes angesetzt.213 Bellis nimmt für die Mehrzahl der Verse eine Entstehungszeit nach dem Tod Nebukadnezars 562 an, weil in Jer 50-51 eine militärische Niederlage Babylons vorgestellt wird; daß Kyros II. nicht erwähnt wird und statt der Perser die Meder diejenigen sind, von denen eine Eroberung Babels erwartet wird (51,11.28), ebenso die Erwähnung von Ararat, Minni und Aschkenas (51,27), läßt sie schließen, daß das Abfassungsdatum vor dem Aufstieg der Perser lag. Da direkt nach dem Tod Nebukadnezars in sieben Jahren vier Könige auf dem Thron folgten, schließt sie auf politisch wirre Zeiten und hält diese Zeit deshalb für eine geeignete Abfassungszeit von Jer 50-51.214 Wie schon bei anderen Babeltexten ist es das Bild Babels in seinem typologischen Status sowie auch die Übereinstimmung des hier prophetisch Angedrohten mit den historischen Ereignissen, insbesondere die Eroberung durch Kyros II., das den Ausschlag für die Datierung gibt. Als Beispiel sei hier Carroll zitiert: „Certain aspects of the representation of Babylon in 50-51 point to the development of ,Babylon' as a symbol for the imperial powers ranged against Israel (and Yahweh), and the lack of realism in the descriptions of Babylon's defeat suggests a post 539 extension of the anti-Babylonian material in the direction of a final battle between Yahweh and the nations under the guise of,Babylon' (cf. 25,30-38; Ezek. 38-39; Rev. 17-18)." 2 ' 5
Und wie schon zuvor ist es der Rekurs auf andere Texte, der diese Perspektive mitbestimmt. Wie datiert der Text sich selbst?
212 Zumindest im heutigen Bild der Forschungsgeschichte, wie sie sich in den Anknüpfungen neuerer Arbeiten zeigt, herrscht dieses Bild vor, obwohl BUDDE, Ueber die Capitel, S. 428^130, in seinem Aufsatz aus dem Jahr 1876 durchaus einige Vertreter der These von der Echtheit dieses Textes anfuhrt. 2 " S. den Forschungsüberblick bei HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 400, und HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 11 f. HUWYLER selbst schließt eine Autorschaft Jeremias mit den Worten aus, eine Bedrohung Babylons durch Worte im Stile der Völkersprüche wäre „unsinnig, widersprüchlich und kontraproduktiv" (S. 231). HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, bildet demgegenüber eine bemerkenswerte Ausnahme, insofern er den größten Teil des Textes (82 Verse) für jeremianisch hält (ebd., S. 401^108). 214 BELLIS, Structure, S. 15-18; dies., Poetic Structure, S. 195 Anm. 16. HUNZIKERRODEWALD, Hirt und Herde, S. 93-97, hält wegen des dominanten Herdenthemas und in dieser Folge einer konzentrischen Struktur 50,4-20 für einen abgrenzbaren Text, der im Spiegel der historischen Ereignisse, die stattfanden und die der Text voraussetzt und erwartet, vor 539 und wohl auch vor 550 anzusetzen ist. 215 CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 68 u. 818f. McKANE, Jeremiah, ICC, S. 1250, führt an, daß das Entstehungsdatum des Textes dem Bild Babels als Paradigma für Weltmacht und Unterdrückungsmacht schlechthin nachrangig ist.
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Mehrere Verse geben Hinweise auf den historischen Zeitpunkt, an dem sich die Sprecher/ Sprecherinnen befinden. Diese aber widersprechen einander: 51,59-64 enthält die Anweisung an Seraja ben Neria, auf seinem Zug mit König Zedekia nach Babel beim Anblick der Stadt Babel diesen Text im Euphrat zu versenken. Dieser Zug findet laut 51,59 im vierten Regierungsjahr Zedekias statt, also etwa 594 v.Chr.,2'6 Jerusalem war schon einmal von Nebukadnezar erobert worden, Tempel und Stadt ausgeplündert und die Oberschicht samt dem König mit seiner Mutter verschleppt worden. Die endgültige Zerstörung Jerusalems und des Tempels sowie aller befestigten Städte des Landes 587 v.Chr. steht aber noch bevor.2'7 Innerhalb der Prophezeiungen gibt es keine expliziten Datierungen. Die Hinweise auf die eigene Verortung des Textes sind nicht eindeutig: In 50,28; 51,11.51 ist von Gottes Rache für seinen Tempel die Rede. Hierbei kann es sich sowohl um die Ausplünderung als auch um die Zerstörung handeln. Im Jeremiabuch, besonders in Jer 39,1-10, war bislang aber nicht von der Zerstörung des Tempels die Rede gewesen. Dies wird erst in Jer 52 nachgeholt.218 Nach 587 v.Chr. wurde sicher beides gehört, der Hinweis, daß sich die Rache auf den zerstörten Tempel bezieht, dies also nach 587 gedacht ist, fehlt. Die Verteilung des Begriffs - „Rache" zeigt auch keine Eindeutigkeit im Anlaß.2" So kann sich die „Rache für den Tempel" auch auf die angeordnete Plünderung 597 beziehen. Ähnlich uneindeutig im zeitlichen Bezug sind die Verse, die die Exulierten auffordern, aus Babel zu fliehen: 50,8.28; 51,6.50 und ohne Angabe der Fliehenden 51,9. In 51,50 heißt es, die Menschen sollten Jerusalem aufsteigen lassen in die Herzen. Dies kann sowohl ein Hinweis auf das Getrenntsein von Jerusalem im Exil sein oder ein Hinweis auf die bereits erfolgte Zerstörung Jerusalems. So ist nicht ganz deutlich, ob sich der Text auf die Ereignisse von 597 oder auch auf 587 rückbezieht. Die gegen Babel prophezeiten Ereignisse werden nach Ablauf der siebzigjährigen babylonischen Weltherrschaft eingetreten sein, aber ist in dem Text, der 594 in Kraft treten soll, die Zerstörung und der Verlust des ganzen Landes schon mitbedacht? 216
Diese Information über eine Reise Zedekias nach Babylon, begleitet von Seraja ben Neria wird diskutiert, aber selten in Zweifel gezogen, obwohl sie außerbiblisch nicht belegt ist, s. z.B. HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 4 3 2 ^ 3 4 , zur Forschungsdiskussion s. MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1 3 5 0 - 1 3 5 9 . 217
In dasselbe Jahr datiert nach dem masoretischen Text Jochpredigt, Jochbruch und Jocherschwernis (Jer 27-28)! Jeremia kann (und muß) entsprechend der Geschichtstheologie der siebzig Jahre sowohl an der baldigen Unterwerfung Judas als auch an der fernen Zerstörung Babels festhalten. 218 S. dazu FISCHER, Jeremia 52, S. 346-350. Tatsächlich ist GUILLAUME, Jerusalem 586 BC, recht zu geben, daß insgesamt mehr als zurückhaltend von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels berichtet wird (2Kön 25,8-17; Jer 39,8; 52,13-14). Allerdings ist ebenso bedenkenswert für die Theologie(n) Judas und Israels, daß diese Zerstörungen in Prophezeiungen (Jer 1; 2 - 6 u.ö.) und Klageliedern (Klgl) sehr breit vorkommen. 2
" REITERER, Art. D p 3 .
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Wenn der Text 50-51 insgesamt ins Jahr 594 und damit vor 587 gedacht ist, wird der jetzige Status quo (Verschleppung von Leuten und Geräten, Abstufung in das zweite Stadium der Vasallität)"" bereits als Gipfel des Vorstellbaren gedacht. Man kann weitergehend schließen, daß die Zerstörung der eigenen Stadt und des eigenen Tempels auch in der Folge als unsagbar ausgespart bleibt. Das theologische Problem der Frage nach Gottes Macht und Gottes Willen, das mit den Ereignissen von 587 aufgeworfen ist, wird dann so beantwortet, daß die Zerstörung des ganzen Landes nicht zu Gottes Plan gehörte, seine Wut auf Juda/Jerusalem sah die Auslöschung nicht vor. Wenn mit „Rache für den Tempel" nicht die Beraubung, sondern die Zerstörung vorgestellt ist, der Text also die Ereignisse von 587 rächt, dann ist die Versenkung der Buchrolle aus dem Jahr 594 den Ereignissen, auf die sie sich gründet, vorgängig. Die Bekräftigung und Besiegelung der Tatfolgen geht den eigentlichen Taten voraus, dann gehörte tatsächlich die Vernichtung der judäischen Staatlichkeit, Gesellschaftsordnung und Kultgemeinde zum Plan Gottes, der dafür den Aggressor als Gottesknecht einsetzte (25,9; 27,6; 43,10). Ein Theodizee-Problem täte sich auf: entweder ist Gott machtlos oder böse. Hier bleibt das Aussprechen der Katastrophe mit Wissen um ihr Geschehen ausgespart - sowohl in den Rollenreden der Sprecherinstanz als auch JHWHs. Dies betrifft in jedem Fall alle Redaktoren und Redaktorinnen nach 587 v.Chr. Die Traumatisierung transformiert geschichtlich lineare Kausalität in ihrem Versuch, das Unsagbare in Sprache zu fassen.221 Tatsächlich ist, wenn man der Mehrzahl der Exegeten und Exegetinnen folgt, der Text Jer 50-51 wohl später, womöglich erst in persischer Zeit oder noch später entstanden und an diese Stelle gesetzt. Daß trotz der vielen vergangenen Zeit die die Prophezeiung begründenden Ereignisse nicht benannt werden, zeigt, wie nachhaltig die Traumatisierungen waren. Die Offenheit des Datums ist auf diese Weise ein literarischer Kunstgriff, die beiden - ungenügenden - Rückschlüsse auf Gott, die mit dem einen oder dem anderen Datum verbunden sind, zur Wahl der Rezipierenden zu stellen. Über die gedachte Datierung der Babylon betreffenden Untergangsszenarien sagt das, daß die Besiegelung vergangen (Jer 51,59: 594 v.Chr.), ihr Eintreten aber noch zukünftig ist, wenn auch dank Jer 25,15-26 fast alles bereits eingetreten ist. Wir befinden uns also an dem Punkt, an dem alle Völker Babel unterworfen sind, Babel selbst aber noch nicht orientierungslos ist (Jer 25,1526a), dieser Schritt steht aber bevor (25,26b). Deshalb ist es auch möglich, daß Jeremia in der Vorstellung des Gesamtbuches mehr oder minder zeitgleich einen Brief an die Exulierten in Babel schreibt, daß sie sich dort sozusagen häuslich einrichten sollen (Jer 29): je nachdem, wann der Anfangspunkt 220
DONNER, Geschichte Israels, Bd. 2, S. 406. Diese Überschreitung des Zeithorizontes findet sich noch in dem Widerspruch, daß Mose aufschrieb: „Und Mose starb dort" (Dtn 34,5). 221
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
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der siebzig Jahre gesetzt wird (s.o.), dauert die tatsächliche Zerstörung Babels noch länger oder sehr lange.222 Das Ganze wird in der Zukunft erst passieren und hat doch schon begonnen: In 50,9.13.18 ist deutlich und in vielen anderen Versen implizit davon die Rede, daß sich Babel die Feindschaft Gottes zugezogen habe: von der Gottesknechtschaft des babylonischen Königs und der Inthronisation als Vertrautem Gottes (25; 27; 29) ist nun keine Rede mehr, im Schwertlied (50,35-38), dem Hammerlied (51,20-23) und dem Vers von Babel als Becher Gottes (51,7) wird dagegen betont, daß ein solcher Zustand der Vergangenheit angehört. Die Babylonier sollen nun trinken und trunken werden (51,39.57). Dieses Letzte, die Zerstörung Babels steht noch aus. Dabei wird das Unmittelbar-Bevorstehen der Vernichtung Babels auf vielfaltige Weise betont: viele Textpassagen handeln von den KampfVorbereitungen unmittelbar vor dem Angriffssignal (z.B. 50,14.21.29; 51,3.12.27f) bzw. davon, daß ein Feindvolk im Begriff ist, Babel zu erobern (50,3.9.41f; 51,2 u.ö.). Das Ganze ist so nah, daß zum Fliehen aufgerufen (50,8; 51,7.9.45.50) oder das Fliehen beschrieben wird (50,16.28). Am Ende des Textes passiert das alles gegenwärtig. Die Angreifer reiten gegen die Stadt, was dem König gemeldet wird (50,43), die Vorposten sind gefallen (51,32). Die Niederlage ist geschehen (51,54-56), die Stadt brennt (51,58). Das soll verkündet werden (51,10). Zugleich ist diese Niederlage schon Vergangenheit, es ist bereits zur Nachricht im internationalen Austausch geworden (50,2.28). Und doch ist das alles fern, es geschieht erst, „in den Tagen und zu der Zeit" (50,4.20). Alle Prädikatformen für Abgeschlossenes, Unabgeschlossenes, Gleichzeitiges und Vorzeitiges sind im Text auf Babels Untergangs verwendet.223 Die fehlende zeitliche Struktur im Kriegschaos des Textes bewirkt, daß der Untergang Babels allzeitig wird, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft besetzt.
2.3.1. Jeremia 50-51 im Kontext des Buches und der Fremdvölkersprüche Jeremia 46-51 Der Zusammenhang mit dem gesamten Buch wird oft nicht betont, stattdessen werden die Differenzen konstatiert. Beispielhaft ist hier bereits Duhm: „Aber es scheint mir überhaupt eine müssige Frage zu sein, wo Cap. 46-51 ursprünglich gestanden haben; das Verfahren der LXX zeigt, dass sie keine feste Stelle im Jeremiabuch hatten, sondern eher als Beilage betrachtet wurden, die man in der Synagoge verwenden konnte, wie man wollte. Man hat daher nicht den geringsten Grund, sie von ihrem jetzigen Platz am Ende des Buches Jeremia wegzunehmen, mit dem sie überhaupt in keiner organischen Verbindung stehen."224
222
Gegen MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1249. Zu den Zeitstufen s. auch HARTBERGER, Psalm 137, S. 62f. 224 DUHM, Jeremia, KHC, S. 203. 223
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Unabhängig von dem „Organischen" der Verbindung von Jer 50-51 bzw. 46-51 mit dem Rest des Buches gibt es doch strukturelle, theologische und begriffliche Bezüge, die die Texte des gesamten Buches teilen. Dies betrifft zunächst die Buchebene, die ja sehr wahrscheinlich erst in Zeiten der Redaktion so profiliert wurde: Jer 1,1 und 51,64 bilden Anfang und Ende der Worte Jeremias und umklammern damit das gesamte Buch. Dahinein stellt sich Jer 25,1-3, das mit einem Verweis auf die Gesamtdauer von Jeremias bisheriger Prophezeiung an Jer 1 anknüpft. Zugleich handelt Jer 25 nicht nur wie 50-51 vom Untergang Babels, sondern liefert auch einen Zeitplan für die Zerstörung aller (aktuellen) Reiche und Mächte, begonnen mit Juda, endend mit Babel. Die drei Texte Jer 1; 25; 50-51 bilden also den makrostrukturellen Rahmen des Gesamtbuches, der zugleich eine (welt)historische Zeitalterabfolge entwirft. Wie schon in Sachaija, Jesaja und Gen 1-12 nehmen die Babeltexte eine buchstrukturierend konstitutive Rolle ein. Jer 50-51 ist die letzte Episode im Vernichtungsplan Gottes, der in Jer 25 entworfen worden war und für Juda und Jerusalem seit Jer 1 angekündigt und umgesetzt wurde. Nach der Verkündigung der Fremdvölkersprüche 46-49 hat sich der weltweite Untergang fortgesetzt, 70 Jahre nach dem Jahr 605 (Jer 25) wird sich der in 50-51 prophezeite Untergang Babels vollziehen. Damit sind dann die Worte Jeremias erfüllt (51,59), der Boden für einen Neuanfang bereitet. Stellte das gesamte Jeremiabuch eine Nieder- und Untergangsgeschichte Judas dar, so fungieren die Fremdvölkersprüche und besonders der Text Jer 50-51 über die/den Agressorin Babel als Fortsetzung von Untergang und Krieg und damit auch als Plädoyer dafür, daß auch in anderen Ländern solches Leid erfahren wird, dafür, daß auch Sieger und Siegerinnen eines Tages fallen: die Geschichte geht weiter und mit ihr der Krieg. Daß dieser Ausblick nicht positiv ist, macht ihn doch zugleich realistisch. Und - die Zerstörung der halben Welt sowie die Zerstörung Babylons werden mit der Zerstörung der eigenen Heimat in Beziehung gesetzt. Es folgt mit Jer 52 ein zusammenfassender Bericht vom Krieg Babels gegen Juda, der Zerstörung Jerusalems und der Wegführung vieler Judäer und Judäerinnen, vom Schicksal der Könige bis zur Begnadigung Jojachins. Das Kap. 52 bildet also eine abschließende Zusammenfassung der historischen außenpolitischen Ereignisse, auf die sich die Prophetie Jeremias bezieht. Daß das Jeremiabuch nicht direkt mit dem Untergang Babels endet, sondern mit Jer 52, hat zumindest zwei Folgen: Zum einen bedeutet die textliche Doppelung mit 2Kön 24—25 „eine massive Übereinstimmung, die sozusagen doppeltes Zeugnis' ablegt".225 Zum anderen besteht damit das
225
FISCHER, Jeremia 52, S. 350.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50—51
397
„Ende des Buches [...] nicht im Untergang Babels [...], sondern im eigenen Zerstörtwerden. Das letzte Wort gilt nicht der Vernichtung der ,Feinde', vielmehr dem Zerfall von sehr vielem, was die bisherigen Identität des Adressaten ausmachte."226
Wegen der gemeinsamen Thematik von Krieg, Leid und Schuld gibt es viele Vokabeln, die sich in Jer 50-51 ebenso finden wie in dem Gesamtbuch, besonders in den Kriegstexten und Jer 4-6, als Beispiele seien hier HQÖ,227 das Gespött der Vorbeikommenden angesichts der Zerstörung (pliü),228 HU • m p S - „Zeit der Heimsuchung"22' und der Feind aus dem Norden250 angeführt. Darüberhinaus erscheinen Leitworte des ganzen Jeremiabuches wie "ipttf - „Lügtrug",231 m t f t f - „Rest",232 m i - „Bund"233 und die Vorstellung des Hirten und seiner Herde.234 Dazu teilt Jer 50-51 mit dem Gesamtbuch selbstredend das (weitere) deuteronomistische Vokabular, hier sei global auf die Konkordanz Stipps verwiesen.235 Auch werden ganze Passagen zitiert, 50,41-43 entspricht Jer 6,22-24, Jer 51,15-19 entspricht Jer 10,12-16. Der Abschnitt 50,39—46 besteht aus Zitaten aus drei verschiedenen Texten, sein Collagecharakter kann also mit Recht behauptet werden.236 Unabhängig also von der tatsächlich literaturhistorischen Entstehung sind Jer 1—49; 52 und 50-51 miteinander verzahnt. Die Fremdvölkersprüche (Jer 46-51) bilden den letzten großen Abschnitt im Jeremiabuch, bevor in Jer 52 noch einmal alle militärischen und historisch wichtigen Ereignisse chronikalisch zusammengefaßt werden.237 Die Reihe der Fremdvölker geht grob eine geographische Linie ab mit Süden, Westen, Osten und Nordosten, mit Ägypten (46,2-28), Philistäa (47,1-7), Moab (48), Amnion (49,1-6), Edom (49,7-22), Damaskus (49,23-27), Kedar (49,28-33), 226
227
FISCHER, J e r e m i a 5 2 , S . 3 5 8 .
Jer 2,15; 4,7; 5,30; 8,21; 18,16; 19,8; 25,9.11.18.38; 29,18; 42,18; 44,12.22; 46,19; 48,9; 49,13.17; 50,3.23; 51,29.37.41.43. 228 Jer 18,16; 19,8; 25,9.18; 29,18; 49,17; 50,13; 51,37. 22 ' Jer 8,12; 10,15; 46,21; 50,27; 51,18. 230 Jer 1,13.14.15; 3,12.18; 4,6; 6,1.22; 10,22; 13,20; 16,15; 23,8; 25,9.26; 31,8; 46,6. 10.20.24; 47,2; 50,3.9.41; 51,48. 231 Jer 3,10.23; 5,2.31; 6,13; 7,4.8.9; 8,8(bis).10; 9,2.4; 10,14; 13,25; 14,14(bis); 16,19; 20,6; 23,14.25.26.32(bis); 27,10.14.15.16; 28,15; 29,9.21.23.31; 37,14; 40,16; 43,2; 51,17. 232 Jer 6,9; 8,3; 11,23; 15,9; 23,3; 24,8; 31,7; 40,11.15; 41,10.16; 42,2.15.19; 43,5; 44,7.12.14.28; 47,4.5; 50,26. 233 Jer 3,16; 11,2.3.6.8.10; 14,21; 22,9; 31,31.32.33; 32,40; 33,20.21.25; 34,8.10.13.15.18; 50,5. 234 Z.B. Jer 23,1^1; 50,6.17. 255 STIPP, Konkordanz. 236 Der Abschnitt 50,39^40 entspricht im groben Jes 13,19-22; Jer 49,18. 50,41^43 nimmt Jer 6,22-24 auf; 50,44-46 nimmt Jer 49,19-21 auf. 25 ' Zu den Fremdvölkersprüchen des Jeremiabuches s. im Überblick HERRMANN, Jeremia, EdF, S. 163-165 und ausfuhrlich HUWYLER, Jeremia und die Völker.
398
B.1V.2. Der Untergang
Babylons -
Jeremía
Elam (49,34—39) und dann Babylon (50,1-51,58). Wie die Lastworte bei Jesaja (Jes 13-23)238 sind es zehn Prophezeiungen, wie dort ist Babel verdoppelt (Jes 13f; 21,1-10 u. Jer 50-51). Jer 46-51 enthalten in vielen Teilen Texte und Textpassagen, die z.T. auch in anderen Büchern vorkommen, z.B. entsprechen einander Obd 1-8 und Jer 49,7-16 (Edom);239 Jes 57,20b und Jer 49,23b; Am 1,4 und Jer 49,27 (Damaskus). Die Prophezeiung über Moab (Jer 48) hat Ähnlichkeiten mit einer Reihe anti-moabitischer Texte wie Num 21,27-29; Jes 24,17f; Jer 22,28 und Jes 1516, das seinerseits älteres Material benutzt.240 Der die Babeltexte zusammenführende und zusammenfassende Charakter von Jer 50-51 ist zumindest auch für Moab (Jer 48) und Edom (Jer 49) wahrscheinlich.241 Obwohl die Völkersprüche 46-49 nach Huwyler mit Ausnahme des ElamSpruchs (49,34—39) aus je einem authentischen jeremianischen Kern bestehen sowie aus Erweiterungen, die vor und die nach der Aufspaltung in den alexandrinischen und prämasoretischen Text erfolgten, teilen die Kapitel einige Charakteristika, wie einen gemeinsamen Stil, „der einerseits in der Vielfalt und im bunten Wechsel der verwendeten Formen und andererseits in den unterschiedlichen vom Sprecher eingenommenen Positionen und Perspektiven besteht".242 Dazu kommen viele Motive und ihre sprachliche Gestaltung. In den meisten Texten fehlen Begründungen für den Untergang dieser Völker und Regionen. Der angreifende Feind hat kaum Konturen - außer daß er aus dem Norden kommt. Oft wird sein Tun metaphorisch geschildert oder in den Reaktionen der Angegriffenen gespiegelt. „Über die Identität des Feindes besagen alle diese Bilder nichts; lediglich seine Gefährlichkeit, seine Gewalt und Durchschlagskraft werden plastisch herausgestellt."243 Hintergrund dieser Konturlosigkeit ist die Auffassung, daß es eigentlich JHWH ist, der dieser Feind ist, er bedient sich unbekannter übermächtiger Kriegsheere.244 Alle diese Charakteristika weist aber auch Jer 50-51 auf, mit einer Ausnahme: in Jer 5051 werden immer wieder Begründungsfetzen für Babels Untergang genannt (s.u.). Anders als Jer 46-49 enthalten Jer 50-51 nach einhelliger Forschungsmeinung keine jeremianischen Teile, dieser Text zieht aber die Linie der Fremdvölkersprüche weiter aus.
238
Hier sind die KÜO-Strukturierungen gezählt, sie stimmen nicht überein mit der Zahl der
von Prophezeiungen betroffenen Völker, s. dazu o. 239
HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 217-227.
240
S. dazu HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 174-193.
241
Aus den Ausfuhrungen HUWYLERS, Jeremia und die Völker, S. 233-246, kann man
dies auch für Damaskus (Jer 4 9 , 2 3 - 2 7 ) schließen, wenn auch HUWYLER selbst die zumindest teilweise .Echtheit' des Textes nachweisen will. 242
HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 269.
243
HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 279.
244
HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 267-285.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
399
Die Funktion der Fremdvölkersprüche steht grundsätzlich wie für jede einzelne Kompilation in den prophetischen Büchern immer wieder zur Diskussion. Die Ergebnisse sind meist nicht befriedigend.245 Aber gerade im Jeremiabuch bietet sich eine Lektüre von dem weltweiten Zeitplan der 70 Jahre Verwüstung Judas und der Zerstörung und Unterwerfung der Welt durch Nebukadnezar und seine Nachfolger an. So ist der Abschnitt Jer 46-49 eine weitere Stufe im Vernichtungszeitplan, der in Jer 25 entwickelt worden war. Entsprechend gibt es einige Bezugnahmen darauf wie die Täterschaft Nebukadnezars (46,2.13; 49,28.30 vgl. 25,9-11) und des Feinds aus dem Norden (s.o., 25,9). Wie in Jer 25 beginnt die Reihe mit Ägypten und endet mit Babylon, die Liste der genannten Völker stimmt in Teilen überein, z.T. auch in Formulierungen von Eigenschaften (Jer 25,23; 49,32).246 Die Trunkenheit der Welt wird für Moab erwähnt (48,26; 25,15.27), die Debatte um das Trinkenmüssen für Edom noch einmal aufgegriffen (49,12; 25,29).247 Die Städte und Regionen erfahren keine Freude mehr (25,10; 48,33), das Schwert ist tatsächlich gekommen (25,15.27; 46,10.14.16; 47,6; 48,2.10; 49,37 u. 50,16.35-37; 51,50), dieses Schwert ist trunken von Blut (46,10). Getöse CpKE)) erschallt über die Erde (Jer 25,31), es wird zum Namen des Pharao (46,17) und der fliehenden Moabiter (48,45), es zerstört Babel (51,55). Wie ein Gefäß werden die Länder und Völker zerbrochen (25,34; 48,34f) so wie Jerusalem/Juda und das Königshaus (Jer 19,11; 22,29); sie werden verwüstet (TTQÖ 25,34; 46,19; 48,9; 49.13.17 u. 50,3.23; 51,29.37.41.43). Ähnlich wie dann Jer 50-51 und zuvor Jer 2-6 und andere Texte wird die angegriffene und zerstörte Stadt/Region zuweilen weiblich personifiziert als Tochter, Jungfrau (46,11; 50,42) oder als Einwohnerin/Einwohnende (46,19). Der tödlich Verwundeten soll Balsam zur Heilung gebracht werden (Jer 8,22; 46,11; 51,8f), Männer erleiden Gebärschmerzen (Jer 30,5f; 48,40f; 49,22; 50,42f), Personifikationen kreißen (Jer 4,19.31; 13,21; 22,23; 49,24-26). Wie später Babel soll nun schon Edom wie Sodom und Gomorra untergehen und menschenleer werden (50,40; 49,18), in Damaskus und Babel werden alle Krieger innerhalb der Stadt getötet (49,26; 50,30). Ganze Passagen der Vernichtung sind gleich (49,18-21; 50,44-^16).M Huwyler zählt andere Motive 245
S. dazu den forschungsgeschichtlichen Überblick bei HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 8-31. 246 Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden von HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 354-365, redaktionskritisch ausgewertet. 247 Darüber hinaus wird diese Bildwelt weiter ausgeführt, Moab kommt als Getränk in den Blick, das verschüttet wird (48,1 l f ) und als Weinranke, die veröden muß (48,32), die Weinlese wird ausbleiben (48,33). Hier aber ist Moab als Wein vorgestellt, nicht als TrinkendeR (Jer 25) oder als Becher (Jer 51,7). Vom Bild her ähnelt Moab also eher Jerusalem/Juda als Babylon, es/sie ist eher Opfer denn Werkzeug. 248 S. die Auflistung aller sprachlichen Unterschiede bei HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 229, und Hinweise auf eine mögliche Priorität für den ursprünglichen Ort dieses Textes ebd., S. 229-232.
400
B.IV.2. Der Untergang
Babylons-Jeremía
auf, die Jer 46-49 und Jer 4-6 teilen. Dazu stellen sich aber nach meiner Auffassung ähnliche Motive in 50-51: Neben dem Feind aus dem Norden (s.o.) die dargestellte Schnelligkeit, mit der die Angreifenden sich bewegen, das sprachliche Tempo und kriegsbeschreibende Chaos im Aufbau sowie in etwa die Hälfte der von Huwyler aufgeführten Einzelwendungen.249 Die vielen textlichen, motivlichen und dann auch schicksalhaften Übereinstimmungen von 46-49 mit 50-51 bedeuten für Babel, daß es zu den Fremdvölkern gehört. Dies wird mit jedem weiteren Motiv unterstrichen. Zugleich gibt es wieder eine Reihe von Aspekten, die Babels Sonderstellung unter den Völkern hervorhebt. Huwylers Kennzeichnungen von Jer 4649 wurden bereits oben für Jer 50-51 z.T. ergänzt. Auch die Unterschiede zwischen Babel und den Völkern schätze ich zum Teil anders ein: Um die Völkersprüche 46-49 von den Babelsprüchen 50-51 abgrenzen zu können, fuhrt Huwyler Unterschiede beider Komplexe auf. Neben der forschungsgeschichtlich unterschiedlichen Situation, daß Jer 50-51 einhellig als nachexilisch eingestuft wird, über 46—49 aber kaum Konsens hergestellt werden kann, sind es die exorbitante Länge des Babeltextes mit seinen „häufigen Wiederholungen und die an Monotonie grenzende Redundanz", der kompendienhafte Charakter der Babelsprüche mit vielen Dubletten zu anderen Texten, die in 46-49 im Vergleich zu 50-51 fehlenden Begründungen für den Untergang und dem Statusunterschied Opfer und Aggressor, was die Rolle des Feindes in 50-51 neu besetzen muß."0 Wie schon erwähnt, halte ich anders als Huwyler den kompendienhaften Charakter auch für Texte aus 46—49 für möglich und sehe in dem Statusunterschied zwischen Babylon und den Völkern ein theologisches Programm des Zeitablaufs und nicht zwei gegenläufige Tendenzen zwischen jeremianischem Text und seinen Fortsetzungen. Dem sind darüber hinaus noch eine Reihe anderer Aspekte hinzuzufügen: Der Abschnitt steht am Schluß der Reihe - wie schon der König in Jer 25 - und es ist der mit Abstand längste Text, „the mother of oracles"25', wie Kessler treffend und doch unglücklich formuliert. Dieser Höhepunkt wird entsprechend vorbereitet, indem zu Beginn (46,2.13) und gegen Ende (49,28.30) auf die Eroberungszüge Nebukadnezars verwiesen wird. Die letzte Prophezeiung vor dem Beginn des Babelwortes wird dann noch einmal in den judäischen Zusammenhang gerückt, weil die Prophezeiung gegen Elam in die Herrschaftszeit Zedekias datiert wird (49,34). M.E. ist das die einzige derartige Datierung im Fremdvölkerzyklus 46-51 und lenkt nun die Perspektive wieder auf Juda und seinen letzten König, um von hier aus Babels Schicksal zu thematisieren.
249 250 251
HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 300-302, s. dort die Belege. HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 39f. KESSLER, Function, S. 67.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
401
Wie bereits erwähnt enden mit dieser letzten Tat die Worte Jeremias. Nur wenige Fremdvölkersprüche sind so direkt an den Propheten Jeremia gebunden: die den Zyklus eröffnende Überschrift (Jer 46,1), die zweite Einleitung eines Spruches über Ägypten (46,13), die Prophezeiung über die Philister (47,1) und das unserem Text direkt vorausgehende Orakel über Elam (49,34) sowie Jer 50,1. Der Abschnitt 51,59-64 enthält dann gleich vier mal den Namen „Jeremia". Während die Namensnennungen innerhalb der Fremdvölkersprüche (46,13; 47,1; 49,34) jeweils konkretisierend an ein bestimmtes Ereignis gebunden sind, sind die Überschriften in 46,1 und 50,1 allgemein gehalten und machen so eine Aufteilung Völker - Babel auf. Anders als in den anderen Fremdvölkersprüchen werden die Texte gegen Babel nicht nur verkündet, sondern explizit von Jeremia in ein Buch - in ein einziges, also Babelsprüchen vorbehaltenes Buch geschrieben. Somit erhält Babel als Fremdgröße neben Ninive bei Nahum und Edom bei Obadja ein eigenes Buch. Als einziges stammt dieses aber von einem sogenannten , großen' Propheten und als einziges hat dieses wieder Eingang in den großen Codex vom Untergang Judas, dem Jeremiabuch, gefunden. Einmalig folgt nach dem Ende der Worte die Versenkung der Prophezeiung. Die dem Aufschreiben folgenden Auftragsworte (51,61-64) fügen dem langen doppelten Offenbarungstext noch einen dritten hinzu. Mehr noch: die Verfluchung Babels wird tradiert, indem der Prophet seinen Beauftragten heißt, Fluchworte gegen Babel zu sagen, während er selbst von nun an schweigt. Im Vergleich zu den anderen Babeltexten sind die Worte gegen Babel also nicht nur eng, sondern darüber hinaus noch mehrfach an den Propheten gebunden - und dann von ihm gelöst. Inhaltlich sticht schon wie in anderen Babylon-Texten die Beziehungsgeschichte zwischen Babylon, Juda/Jerusalem und JHWH heraus und unterscheidet Babel so von den anderen Völkern. Auch kommen im Zusammenhang der Trunkenheit die anderen Völker als trunkene Opfer in den Blick (48,26; 49,12), und Babel als Werkzeug (51,7) und als trunken (51,39.57). Während für einige andere Völker am Ende die Wendung des Schicksals in Aussicht gestellt wird (46,26b; 48,47; 49,6; 49,39) wie auch ohnehin für Israel/Jakob (46,27f; 50,5 u.ö.), wird Babels Vernichtung durch den langen Text sowie durch die prophetisch-performative Handlung noch bekräftigt (51,5964). Und doch gehen „Babel" und die übrigen Fremdvölker ineinander über: plötzlich steht im Untergangstext über Babylon „siehe das ist die Zukunft der Völker: Wüste, Trockenheit und Steppe" (50,12b).252 Wer oder was ist „Babylon"? Bei einem anderen Verständnis von m n K im Sinn von „das Letzte/Geringste der Völker" wird ein Vergleich zwischen den Fremdvölkern
252 Raschi deutet diesen Satz Babylon-biographisch: der Satz bezeichne den Gegensatz des prächtigen Beginns Babylons, sein/ihr Ende werde aber Verwüstung sein.
402
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
und Babel gezogen.253 Giesebrecht sieht davon ausgehend eine Charakterisierung Babels formuliert, die den Gegensatz zum CUil JVitfKI - „das Erste/Großartigste der Völker" hervorhebt.2'4 So also ist in vielfacher Hinsicht Babel zu den Fremdvölkern gerechnet und zugleich von den Fremdvölkern abgehoben. Aufs Ganze gesehen hat Jer 50-51 eine dreifache makrostrukturelle Funktion: es bildet ein Kondensat der Fremdvölkersprüche, einen Zukunftsausblick aus dem Jeremiabuch heraus mithilfe einer Zusammenschau aller bisherigen Texte und, das wird unten noch darzulegen sein, es bildet eine Summe der alttestamentlichen Babeltexte.
2.3.2. Prophetie Prophetie und Sprecher,
Sprecherinnen
Nachdem in Jer 25 in den Präpositionen das Verhältnis Jeremias zu den Adressaten und Adressatinnen ausgedrückt war, indem Jeremia und das (Adressaten)Volk Juda gleichgesetzt wurden, ist in Jer 50 ein Abstand zwischen Prophet und Adressaten, Adressatinnen hergestellt: „Das Wort, das JHWH geredet hat zu (^K) Babel, zum Land der Chaldäer durch ( T 3 ) Jeremia, den Propheten" (Jer 50,1). Stattdessen sind Stadt/Reich Babel und das Land Chaldäa hier auf dieselbe Ebene gestellt. Aber fortan tritt der Prophet oder eine visionserfahrende Instanz nicht mehr in Erscheinung,255 obwohl eine Reihe von Botenformeln (50,18.33; 51,1. 33.36.58) und JHWH-Spruch-Formeln (50,4.10.20.21.30.31.35.40; 51,24.25. 26.39.48.52.53.57) im Text erscheinen. Stattdessen haben wir in den nächsten 109 Versen eine Abfolge von Stimmen und Texten vor uns. Mit einiger Unsicherheit lassen sich Aussagen JHWHs und einer kommentierenden Instanz ausmachen.256 Dazu kommen Sätze der Feinde Israels (50,7), der (Einwohnerin) Zion(s) und Jerusalems (51,34f), ein Lied von Erntenden (51,15-19) sowie Wortwechsel (51,8-10) und Aussagen (51,51) von Menschen, die sich dort aufhalten.257 Anders aber als in Jer 2-6 und anderen Tex-
253
Redak z. St. Zit. nach MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1264. 255 MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1251, sieht das als textliche Inkohärenz an und ändert den Text in V.2 in singular-Imperative, weil hier der Prophet Jeremia laut V.l von JHWH angeredet werde. 256 s. die Übersetzung 257 Besonders für Jer 51 und hier den Abschnitt 51,1-14 sieht BELLIS, Structure, S. U8f u.ö., es als Gestaltungsprinzip an, daß viele Sprecher, Sprecherinnen sich abwechseln und wiederum andere Stimmen zitieren. Weder die Stimmen selbst noch ihr Wechsel werden angezeigt, woraus sich schließen lasse, daß dieses Gedicht zum mündlichen Vortrag verfaßt sei. 254
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
403
ten, die Juda/Jerusalem Unglück ansagen, findet sich im Stimmengewirr nur eine Aussage des/der personifizierten Babel selbst (51,12a) - im Mund Gottes und masoretisch als Anrede statt Selbstaussage korrigiert. Es liegt keine Impersonifizierung mit Babel vor, wie es noch mit Jerusalem geschah (4,1921; 10,19-20)."" Statt des Propheten verkünden nun Boten (51,13) sowie Flüchtlinge (50,28) und Ungenannte (50,2-3) die Niederlage Babels, Rückkehrer erzählen in Zion von den Taten Gottes (51,10). Die Kraft des Wortes ist stärker als je. Denn nicht nur militärisch wird Babel untergehen: vom Zorn JHWHs wird Babel unbewohnbar (50,13), - so ist es auch übersetzbar - sie wird von einer Stimme eingenommen (50,46),"' mit dem Empfang der Nachrichten des Drohenden setzen beim König von Babel Wehen ein (50,43). Einen Propheten braucht es nicht mehr in diesen Zeiten, Jeremia wird dann auch längst verstummt sein (51,64). Daß viele Stimmen den einzelnen Propheten ersetzen, ist in Joel 3,1 ff vorgestellt, ein Text, der häufig als positive Zukunftsschau einer quasi demokratischen Prophetie gesehen wird, aber leider keine ist, weil es Schrecknisse sind wie die, die Babel treffen, die nun alle schauen. Joel 3,1-5 kann auch einer der Texte sein, die in der Johannesoffenbarung in die große Schau integriert wurden. „Und es wird sein danach: ich werde meinen Geist ausgießen auf alles Fleisch und eure Söhne und Töchter prophezeien, eure Alten werden Träume träumen, eure Jünglinge sehen Visionen. [...] Und ich werde Wunder vollbringen im Himmel und auf der Erde; Blut und Feuer und Rauchsäulen, und die Sonne wird in Finsternis verwandelt, und der Mond in Blut im Angesicht des kommenden Tags JHWHs, des großen und schrecklichen. Und es wird sein: jedeR, der den Namen JHWHs anruft, wird gerettet, denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem wird Rettung sein wie gesagt hat JHWH, und bei den den Entronnenen, die JHWH ruft." (Joel 3,1.3—5)260
Die Legitimität des Propheten oder die Wahrheit des Textes werden nicht besonders bekräftigt. Erst nach dem Ende aller Texte tritt der Prophet Jeremia wieder in Erscheinung. Buchstäblich bindet er seine Prophezeiung an eine performative Handlung, die er von einem Beauftragten ausführen läßt. Seraja ben Neria soll Babylons ansichtig diese Textsammlung verlesen, zu Gott beten und in dieser Anrede Gottes den Text der Rolle noch einmal paraphrasieren und ihn dann in den Euphrat werfen. Dies hat zwei Folgen: der Untergang Babels wird mit dem Satz „So versinkt Babel ..." (51,64) dem Stein parallelisiert und somit quasi besiegelt. Die andere Folge ist die Gleichsetzung mit Juda/Jerusalem durch die Vernichtung des Textes. Nur noch einmal hat es 258
S.o. S. 335f. Die Übersetzungsalternative ist: „Vom Ruf ,Babel ist eingenommen,' erschallt die Erde". 260 Joel 3 wird z.B. in Offb 6,12 verarbeitet. 259
404
B.IV.2. Der Untergang Babylons — Jeremía
nämlich eine prophetische Handlung durch einen Beauftragten Jeremias gegeben: Baruch ben Neria, der Bruder Serajas, stellte sich auf Geheiß Jeremias in den Tempel und verlas die Sammlung jeremianischer Texte gegen Israel, Juda und alle Völker. Dieser Text wurde dem König Jojakim von Juda ausgehändigt, der ihn direkt nach einer erneuten Verlesung verbrannte - und den Inhalt so besiegelte (Jer 36). Nun, nach dem langen Text über Babylons Untergang, wird mit der Handlung Serajas endlich Babel - und damit Babels Untergang - der Zerstörung Judas gleichgestellt. Damit enden die Worte Jeremias (51,64). Einmalig im AT erfolgt ein solcher Satz. Mit Babels Untergang ist das Lebenswerk des Propheten erfüllt. Also statt die eigene Legitimität bekräftigen zu müssen, wird die Existenz Jeremias an diese Prophezeiung gebunden und endet mit dem Ende dieser Prophezeiung. Die Prophezeiung Jeremias über Babel wird von ihm selbst in ein Buch geschrieben. Selbst schrieb Jeremia nur seinen Kaufbrief (32,10) und erhielt wie in Jer 36,4 in 30,2 den Auftrag, alle seine Worte in ein Buch zu schreiben. Der Auftrag in Jer 36,4 wird durch ein Diktat an den Schreiber Baruch realisiert, von einer Umsetzung von 30,2 wissen wir nichts. Stattdessen ist einerseits in 25,13 auf das „in diesem Buch Geschriebene" rekurriert, und andererseits schreibt Jeremia den Brief an die exulierte Gruppe in Babylonien (Jer 29,1) und die Prophezeiung gegen Babel (Jer 50-51) ohne (göttlichen) Auftrag. Der Untergang Babylons als Buch - Realisierung vernichteter
Schrift
„Und Jeremia schrieb all das Böse, das über Babel kommen sollte, in ein einziges Buch, alle diese Worte, die gegen Babel aufgeschrieben wurden." (Jer 51,60)
Was sagt dieser Vers über Babylon aus? Zunächst einmal erstreckt sich alles, was Jeremia hier zu Babel zu sagen hat, auf Babels Untergang bzw. auf das Böse, das Babel erwartet: de babylonia nihil nisi male. Dies geht konform mit allen hier untersuchten Babeltexten und unterscheidet sie von Texten über Nebukadnezar (und Jer 29,7). Dann stellt sich die Frage, welche Texte dies umfaßt. Handelt es sich bei „all das Böse ..., alle diese Worte" um einen Rückbezug auf die vorhergehenden Verse (50,2-51,58),261 oder meint es einen anderen Text, einen, der analog zu Jer 36 nicht identifizierbar überliefert wurde? Heißt „alle diese Worte, die gegen Babel aufgeschrieben wurden", daß es sich - ausgedrückt in der passivischen Formulierung nicht - nur um Worte Jeremias handelt, sondern um eine Art Kompendium? Ist dieses Kompendium dann identisch mit Jer 50-51, 261
So HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 433. DUHM, Jeremia, KHC, S. 360, bezweifelt dies, aber vor allem aus dem literaturgeschichtlichen Grund, daß 50,1-51,58 erheblich später datiere als 51,59ff.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
t
405
d.h. 51,60 sagt, daß andere Texte verarbeitet wurden? Dies könnten Jeremiatexte sein (Jer 25) oder auch noch andere Anti-Babel-Texte (Jes 13f; 21; 47; Gen 11 oder uns unbekannte). Oder alles dies ist eins: es handelt sich um einen Rückbezug auf Jer 50-51, darin sind „alle [...] Worte, die gegen Babel aufgeschrieben wurden" enthalten. Dies läßt sich am Text Jer 50-51 wahrscheinlich machen, beweist aber nicht, daß 51,60 dies meint. „In ein einziges Buch" - diese Formulierung macht einen Unterschied zu Jer 36, weil in der dann verbrannten Rolle Texte über Israel, Juda und die Völker enthalten waren (36,2), in dieser Babelrolle wird nur Babel Thema sein - wenn in Jer 50-51 auch Auswirkungen auf Juda/Jerusalem, Israel, die ganze Erde und alle Menschen zur Sprache kommen. Die nachherige Vernichtung des Textes stellt aber beide Texte, Jer 36 und 51,59-64, wieder gleich. Ein einziges Buch für den Untergang eines Volkes gibt es noch in den Büchern Nahum, Obadja, und den Klageliedern, es sind - der Tradition nach - die Klagelieder Jeremias über die Zerstörung Jerusalems. Alle diese Texte sind uns jedoch (als Einzeltexte) erhalten geblieben. Aber gesetzt den Fall, es handelt sich bei „allen diesen Worten" in dem einzigen Buch um Jer 50-51: Warum gibt es diesen Text, wenn er doch im Euphrat landen sollte? Ist Jer 50-51 eine Kopie des eigentlichen Textes, wie in Jer 36 für die Prophetie Jeremias ausgesagt? Daß Jer 50-51 auch vernichtet wird, parallelisiert den Untergang Babels mit dem Judas, was auch heißt: was für Juda/Jerusalem Wirklichkeit geworden war (Jer 36), soll auch für Babel Wirklichkeit werden. Die Ingangsetzung des babylonischen Untergangs mit dem Versenken der Schrift läutet die letzte Etappe der 70 Jahre ein. Die letzte mögliche Antwort aber ist: es gibt diesen Text, weil er nicht in den Euphrat geworfen wurde - schließlich ist „Babel" auch noch nicht untergangen - solange nicht, bis Daniel aus 70 Jahren 70 Jahrwochen machen mußte (Dan 9,24). So wird der Untergang „Babels" am Ende erst durch einen Engel, keinen Menschen, eingelöst, der mit einem noch größeren Stein, einem Mühlstein, den Untergang jetzt ansagt (Offb 18,21). Wann nach der Ansage des jetzt-Untergangs in der Johannesoffenbarung der tatsächliche Untergang erfolgt, steht auf einem anderen Blatt, siehe dort.
2.3.3. Wer oder was ist Babylon - Summierte Identitäten Bereits bei den Motiven der Trunkenheit und des Bechers wurde deutlich, daß Jer 50-51 eine Steigerung zu Jer 25 darstellt, eine Steigerung in der Intensität des Textes im Formalen wie im Inhaltlichen. Dies gilt auch für andere Textteile. Zusätzlich wird nicht nur Jer 25 gesteigert, sondern auch alle anderen Babylon-Texte erfahren in Jer 50-51 ihre konzentrierte Zusammenfassung.
406
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
2.3.3.1. Jeremia 50-51 als Summe der Babylon-Texte Stimmen der Forschung Für fast alle hier diskutierten Texte werden verschiedenartige redaktionsgeschichtliche oder andere Bezüge und Abhängigkeiten angenommen. Schon Duhm hielt fest: Der „Verf. [...] hat alles zusammengerafft, was er in älteren Schriften über Babel fand oder was sich, einem anderen Zusammenhang entnommen, irgendwie verwerten liess. Einen großen Teil seiner Entlehnungen können wir nachweisen." 262
Hier sollen einige Ergebnisse aufgelistet werden, um dann davon abgelöst auf inhaltlicher Ebene die summierten Identitäten Babels in 50-51 mit Seitenblicken auf die anderen Babeltexte zu erarbeiten. Innerhalb des Jeremiabuches wird vor allem der Bezug zwischen Jer 25,15-29 und 51,7 betont, sowie Motivbezüge innerhalb der Fremdvölkersprüche Jeremias (Jer 46-51). Entsprechungen zwischen Jesaja und Jeremia sind bereits in der älteren Exegese aufgefallen. Einen Einblick in die Diskussionen des 19. Jhs. gibt Budde, der die Thesen Jahns und die daran anschliessende Auseinandersetzung wiedergibt, Jer 50-51 sei von Jes 13; 14; 21,1-10; 40-66 abhängig.263 Er selbst weist en détail Beerbungen in Jer 50-51 auf.264 Unstrittig ist bei allen Exegeten und Exegetinnen, daß Jes 13,19-22 in Jer 50,39-40 verarbeitet wird. Aber auch andere Verse werden diskutiert. Schon Budde hatte festgestellt, daß die Anleihen von Jer 50-51 die Texte Jes 13 und 34 „beinahe in vollem Umfange umfassen". Dazu komme noch Jes 21 .265 Einzelne Motive, die besonders im Vordergrund literarkritischer Argumentation stehen, sind noch das Erheben des Banners in Jes 13,2; Jer 50,2.266 Duhm hält es fur möglich, daß das „ursprüngliche Gedicht", das hinter 50,23 steht, von demselben Verfasser wie Jes 13; 14,4b-21 stammt.262 Nach Erlandsson ist Jer 51,27-29 eine Kombination von Jes 13,2-4 und 13,17 mit einer Beschreibung der Eroberung Babylons. Und: „Jer. 51:30—32 gives a broad picture of the confusion mentioned in Is. 13:14."268 Bellis sieht gerade in Jer 51,30 und Jes 13,7f ähnliche Vorgänge beschrieben.269 Nach Zapff zerfallt Jes 13 literarkritisch in zwei Teile; Jer 50-51 nimmt auf beide Teile Bezug, weshalb Jer 50-51 jünger ist als Jes 13.270 Ähnlich wie Zapff baut 262
DUHM, Jeremia, KHC, S. 360. S.o. S. 13. 264 BUDDE, Ueber die Capitel, S. 4 4 0 - 4 4 8 u. 469. 265 BUDDE, Ueber die Capitel, S. 440-449. DUHM, Jesaja, HAT, S. 112: Jes 13 sei mit .anderen Stücken zu einer großen, dem Jeremia zugeschriebenen Weissagung verarbeitet". 266 S. zur Diskussion McKANE, Jeremiah, ICC, S.1252. 267 DUHM, Jeremia, KHC, S. 364. 268 ERLANDSSON, Bürden, S. 157. 269 BELLIS, Structure, S. 160. 270 ZAPFF, Prophetie, S. 176 Anm. 769. 263
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
407
Bosshard-Nepustil auf den Arbeiten von Steck auf und sieht insbesondere in Jes 13,1.17-22 Verse, die in Jer 50-51 verarbeitet wurden.271 Duhm hatte die These vertreten, daß 51,11 von Jes 13,17 her stamme.272 Es werden ganze Verslisten mit Übereinstimmungen abgedruckt, sie beziehen sich zumeist auf das gemeinsame Vorkommen von Lexemen.273 Erlandsson faßt zusammen: „Jer. 50-51 can be said to be the first up-dating of Is. 13:1-14,27 of which we have any knowledge. This ,up-dating' has given rise to a new text and the many clarifications which Jer. 50-51 contains have not been included in the up-dated text, Is. 13f."274
Während die Rede vom (Er)Löser JHWH aus Jer 50,34 häufig in DeuteroJesaja sei, hört sich nach Holladay die Rede von der Rache der ganzen Erde ein wenig nach Jes 14,7 an; gleichwohl sei der Vers vor allem wegen der eigenständigen Wortspiele jeremianisch.275 Erlandsson hat detailliert aufgeführt, wie Jer 51,41-53 Jes 14,4ff zitiert, jeweils mit der charakteristischen Verschiebung, daß etwas in Jes 14 dem König Angedrohtes, nun auf Babel selbst angewendet wird. Die Freude über den Fall des Tyrannen in Jes 14,7 ist in Jer 51,48 Freude über den Fall Babels, in Jes 14,10 steht auf den König bezogen, in Jer 51,49 In Jes 14,13 will der König in den Himmel steigen, in Jer 51,53 ist ein solches Unterfangen Babels zwecklos.276 Nach Bosshard-Nepustil greift Jer 50-51 an folgenden Stellen auf Jes 14 zurück: Jes 14,7/Jer 50,34; Jes 14,13f (12.15)/Jer 51,53.9;277 Jes 14,7.13f/Jer 51,48.278 Hill vergleicht Jes 14,4-23 mit den maskulinen Bildern in Jer 50-51: in Jes 14 sei der maskuline König Gegenstand eines eigenen Textes, in Jer 50-51 nur ein Thema unter mehreren; der König wird in 50,18 mit Strafe bedroht, aber nie so wie in Jes 14 lächerlich gemacht. Auch werde in Jer 50-51 nicht so wie in Jes 14 ausgeführt, daß der König wie Gott sein wolle; er ist in Jes 14 deutlich ein Feind Gottes, in Jer 50-51 höchstens implizit.279 Bellis wiederum sieht in der Passage um den zerberstenden Hammer (50,23-25) ein Jes 14 sehr ähnliches Lied.280 271 Zu den Details, sprich den jeweiligen Versen und Halbversen, die nach BOSSHARDNEPUSTIL voneinander abhängen, s. BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 90 u. 225 als Zusammenfassung. Zusätzlich sieht BOSSHARD-NEPUSTIL noch redaktionelle Bezüge zwischen Jes 13 und Jer 4 - 6 (ebd., S. 169 Anm. 4 u. ausführlich S. 171-177). 272 DUHM, Jeremia, KHC, S. 368. 273 S. schon BUDDE, Ueber die Capitel, S. 44 lf; dann ERLANDSSON, Bürden, S. 129-138;
KAISER, J e s a j a 1 3 - 3 9 , A T D , S . 12 A n m . 2 2 ; ZAPFF, P r o p h e t i e , S . 2 0 5 - 2 1 2 ;
BOSSHARD-
NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 225 Anm. 1, zu den Bezügen von Jes 13 zu anderen Texten des AT. 274 ERLANDSSON, Bürden, S. 156. Er fuhrt ebenfalls ältere Forschung an, u.a. Philip VOLZ, der die Meder in Jer 51,11 für eine Interpolation aus Jes 13,17 hält (ebd.). 275 HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 404. 276
ERLANDSSON, B ü r d e n , S. 1 5 7 .
277
S. auch DUHM, Jeremia, KHC, S. 374.
278
BOSSHARD-NEPUSTIL, R e z e p t i o n e n , S . 2 2 5 A n m . 3 u . ö .
2,9
HILL, Friend, S. 181-185. BELLIS, Poetic Structure, S. 187 u. dies., Structure, S. 63.
280
408
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Auch zwischen Jes 21 und Jer 50-51 werden literar- und redaktionskritische Abhängigkeiten gesehen:281 Macintosh hat dargelegt, wie Jes 21* Jer 5051 beeinflußt hat, z.B. in Stichworten wie TTtÜ (Jes 21,2; Jer 51,48.53.55f), ^ n n n'PS] (Jes 21,9; Jer 51,8), C ^ D S (Jes 21,9; Jer 50,2; 51,47.52), ]Tl (Jes 21,10; Jer 51,33) und motivlichen Übereinstimmungen, wie daß Babel eingenommen sei (Jes 21,9; Jer 50,2), der Wind aus der Wüste (Jer 51,1) entspreche dem Geist des Verderbens (Jer 51,1). Jer 50-51 habe dann die Überarbeitung von Jes 21* hin zu dem aktuellen Text beeinflußt.2'2 Nach Ansicht Gosses hat sich in Jer 50-51 eine Relektüre von Jes 21 niedergeschlagen, die sich an einigen begrifflichen Übereinstimmungen festmachen läßt: T72J in Jer 51,48.53.55.56 ist nach Ansicht Gosses aus Jes 21,2 aufgenommen, ebenso wie die Nennung der Meder (Jes 21,2) in Jer 51,11.28. Der Begriff kommt nur dieses eine Mal im Jesajabuch (Jes 21,10) und nur dieses eine Mal im Jeremiabuch (Jer 51,33) vor. Gosse nennt jeweils keine Begründungsargumente außer den begrifflichen Übereinstimmungen. Ferner sei Jes 21,1 aufgenommen in Jer 51,42.13.1, der Fall Babylons (Jes 21,9b) werde in Jer 51,8 erneut proklamiert. Da der Text Jer 51,8 aber nach 539 datiert (in die Zeit unter Darius I.), meine er das Fallen dort wohl nicht wörtlich, sondern symbolisch. Insgesamt werde die in Jes 21 verkündete Zerstörung Babylons und seiner Götterbilder (Jes 21,9; Jer 50,38; 51,47-52; 50,2) in Jer 50-51 ausgemalt.283 Bosshard-Nepustil sieht folgende gemeinsame redaktionelle Schichten: Jes 21,2 und Jer 50,21; 50,3.9; 51,27.42; Jes 21,2 und Jer 51,11.28; Jes 21,9 und Jer 51,8.47.52; 50,38; 50,2; 51,44; Jes 21,10 und Jer 51,33.284 Auch mit Deutero-Jesaja gibt es Übereinstimmungen: Die Vorstellung von Israel als Erbe JHWHs gilt als typische Vorstellung im Buch Jeremia (Jer 2,7; 10,16; 12,7-9; 16,18) und im Deuteronomium (4,20; 9,26.29; 32,9), die auch hier erwähnt wird (Jer 50,11; 51,19), interessanterweise kommt dies auch in Jes 47,6 vor.285 Ähnlich kommt die Formulierung "IQttf niKIlH HUT in Jer 50,34; 51,19.57 als auch in Jes 47,4 vor, sowie die Bezeichnung JHWHs als 281 Auch hier hatte BUDDE, Ueber die Capitel, S. 441, schon eine Liste mit Übereinstimmungen präsentiert, konstatierte dann aber, Jes 14 und 21,1-10 „bieten weniger Lehrreiches und kommen erst in zweiter Reihe in Betracht" (ebd., S. 445). 282 MACINTOSH, Isaiah xxi. S. zur Argumentation ausführlicher o. A.l, S. 15 u. 280f. 283
GOSSE, L e , M o i ' P r o p h e t i q u e , S. 7 4 - 7 6 . MACINTOSH, I s a i a h x x i , S. 1 1 4 , k o m m t , w a s
die Aufzählung der begrifflichen Gemeinsamkeiten angeht, zu denselben Ergebnissen, für sein Interesse steht selbstredend Jes 21 im Vordergrund, er meint, daß nur eine Vorstufe von Jes 21 in Jer 50-51 verarbeitet sei, Jer 50-51 wiederum habe dann den Endtext Jes 21 erneut beeinflußt (s. dazu oben). 284 BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 225 Anm. 3. Jer 50-51 weist noch Zitataufhahmen und insbesondere eine „grundsätzliche sachliche Übereinstimmung" (ebd., S. 225) zu anderen Texten der von BOSSHARD-NEPUSTIL rekonstruierten Babel-Redaktion auf, und zwar zu Jes 11 und 33 (ebd.). 285 Diesen Ausdruck empfindet HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 159, als „undeuterojesajanisch".
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
409
^ t « (50,34; Jes 47,4 und oft bei Deutero-Jesaja).28* Die Wiederherstellung Israels und die Zerstörung Babylons sind nach Carroll die dominierenden Themen sowohl in Jes 40-55 als auch in Jer 5 0-51.287 Westermann erwähnt, daß es „einige auffallende Parallelen"288 zwischen Deutero-Jesaja und Jer 50-51 gebe. Reimer meint, die Aufforderungen in Jer 50-51, vor allem weil sie oft im göttlichen Thronrat situiert seien, ähneln vor allem Passagen in DeuteroJesaja (z.B. Jes 57,14).289 Ein Argument für eine Abhängigkeit zwischen Jer 50-51 und Jes 47 ist^fcOOT 2jnp, das gilt als jesajanische Formulierung, die in Jer 50,29; 51,5 aufgenommen wird.290 Auch mit Gen 11 teilt Jer 50-51 gemeinsame Aussagen, hier sticht vor allem Jer 51,53 ins Auge, das sich wie eine Kurzfassung einer der Linien von Gen 11 liest: ,„Und wenn Babel in den Himmel aufsteigt, und wenn sie die Höhe ihrer Festung/Macht unzugänglich macht, kommen doch Verwüstende von mir zu ihr' Spruch JHWHs." 2 "
Der mögliche Zusammenhang wird von vielen Kommentatoren und Kommentatorinnen hervorgehoben.292 Gleichzeitig wird hier dasselbe Scheitern wie in Jes 14,12-15 konstatiert. Die Verbindung von Menschenzerstreuung und (sündhafter?) Erhebung Babels findet sich in 51,9: „Verlaßt sie, wir gehen, jedermann in sein Land, denn ihr Rechtsfall stößt an den Himmel und erhebt sich bis an die Wolken." Holladay sieht im Hammerlied (51,20-24) mit f*D] - „zerschmettern, zerstreuen" eine begriffliche Anspielung an Gen 11,4 und in 51,25 die Erinnerung an die Erzählung des Turmbaus, weil hier der Begriff HDIÖ - „verbrannt" wie auch Gen 11,3 vorkommt.293 In dem ungewöhnlichen Plural von mOCtö - „Entsetzlichkeiten/ Verwüstungen" (Jer 51,26), der auch in 25,12 schon als zukünftiges Schicksal Babels betont wurde, sieht Kessler eine Anspielung an Gen 11:
286
CARROLL, J e r e m i a h , O T L , S. 8 2 9 ; MCKANE, J e r e m i a h , I C C , S. 1285 u.ä.
287
CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 814 u. 819. 288 WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 9. 289 REIMER, Oracles Against Babylon, S. 162, zuvor bietet Reimer eine Liste aller Imperativ-Verse und ihrer Kontexte (ebd., S. 161f). 290
291
ERLANDSSON, B u r d e n , S. 156.
HARTBERGER, Psalm 137, S. 57 u. 130, nimmt dafür statt eines Bezugs zu Gen 11 eine Reaktion auf das Eigenbild Babylons an in Gestalt der Himmelskonkurrenz der babylonischen Gebäude (AOAT IV, 1, S. 97). 292 Zum Beispiel HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 430f. 293 HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 412 u. 425f.
410
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
„sinfmdt: intensive plural? Or, a stammering pronunciation of semöf! - as if she were relegated to forever ,babbling' her name (or ,names') in utter confusion as in the Tower of Babel story, Gen. ll,l-9" 2 ' 4 .
Psalm 137 wird vor allem in Jer 51,50 erinnert: „Laßt Jerusalem aufsteigen in eure Herzen".295 Wie in der Intertextualitätsdebatte insgesamt herrscht auch mit Blick auf Jer 50-51 keine Einigkeit darüber, was ein Zitat, eine Anspielung oder eine Aufnahme sei. Das ist zugestandenermaßen in einer solch knappen Liste auch sehr pointiert zusammengefaßt. Insgesamt aber fallt auf, daß viele Babylon-Texte durch den gesamten Text Jer 50-51 zitiert gesehen werden.296 Unabhängig von der Plausibilität der einzelnen Hypothesen zur Entstehung dieser Übereinstimmungen zeigt sich an den hier aufgeführten Beispielen aus der Forschung, indem z.B. Teilverse plötzlich eine viel größere Wichtigkeit bekommen, die sie bei einer textimmanenten Lektüre oftmals nicht haben, wie eine intertextuelle Lektüre/Interpretation den Text und sein Profil verändert. Was sagen diese Übereinstimmungen zwischen Jer 50-51 und den anderen Texten aus? Es stellt sich heraus, daß Jer 50-51 insgesamt die Aufnahme anderer Babeltexte wohl ebenso zum Gestaltungsprinzip hat wie die Aufnahme von Texten aus dem Jeremiabuch. Das Arbeiten an der Tradition der prophetischen Bilder ist ein Kennzeichen prophetischer Literatur. Der Babeltext als Kondensat aller Prophezeiungen, wie dies oben für die Johannesoffenbarung dargelegt wurde, liegt schon bei Jeremia vor. Johannes von Patmos fuhrt also eine bereits bestehende prophetische Tradition und Methode fort und überträgt sie auf seine Zeit. Das prophetische Zitatsystem wird zudem zur theologischen Aussage, insofern „Babylon" zu einem Sammelbecken vieler literarischer und theologischer Motive wird. Die Vision über Babylon enthält und erfordert die Summe der Theologie Jeremias, die Summe der jeremianischen Fremdvölkersprüche und die Summe der anderen Babeltexte. Der Text wird multidimensional.
294 KESSLER, Jeremiah 25,1-29, S. 57 Anm. 57. In seiner Arbeit zu Gen 11 hat UEHLINGER, Weltreich, S. 35-180, bes. S. 174-176, ausgeführt, zu welchen Details der Turmbaugeschichte rabbinische und frühjüdische Quellen Parallelen zu Jer 50-51 ziehen. Aus Respekt vor den langen Traditionen und Auslegungskontexten sei hier nur auf die Ausführungen Uehlingers und seiner Quellen verwiesen und nicht diese Auslegungen diskutiert, weil dies nur zu kurz erfolgen könnte. 295 HARTBERGER, Psalm 137, S. 129 u. 223. Nach OGDEN, Prophetic Oracles, sind es die Edom-Texte Jer 49,7-22 u. Obd, die eine prophetische Antwort auf die Klage von Ps 137 geben. 296 Ganz andere Texte wie z.B. Ez 35; Jer 49; Obd; Nah 3 oder Hab sind hier nicht aufgeführt. Zu Ez 35; Nah und Hab s. BUDDE, Ueber die Capitel, S. 436-439 u. 449.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
411
2.3.3.2. Bilder des Textes und ihre Formen Zahlreiche Bilder geben Details über Hergang und (Be)Deutung des babylonischen Untergangs. Sie lösen sich ab, sind verschränkt, unterstreichen und verstärken einander. Dabei finden sich Vergleiche („die Tochter Babel ist wie eine Tenne" 51,33) und Gleichsetzungen („ein versprengtes Schaf ist Israel" 50,17) sowie Personifikationen, Metaphern und Dialoge, die die Beziehung von Menschen, JHWH, Beobachterinstanzen oder Angreifenden zu Babel deutlich machen und in dieser Beziehung Aussagen zu Babel treffen (s.u.). All diese Stilmittel folgen in hohem Tempo aufeinander. Stichworte zu den Kontexten sind hier Werkzeuge, der Feind aus dem Norden, Hirt/Herde, Tiere, Jagd, Ernte, Weinkelter, Familie und Natur(katastrophen). Die Bilder sind unterschiedlich ausführlich, sie erfahren nachgerade gegensätzliche Ausarbeitungen in Amplifikationen auf der einen und Kondensierungen auf der anderen Seite. Das ist sowohl textimmanent als auch intertextuell so. Huwyler formuliert deshalb: „Die Babel-Texte neigen zu Kumulation und Attraktion anderer Texte"297. Beispiele sind hier das Hammerlied (51,20-24) das vom neuen Werkzeug JHWHs handelt und der Erwähnung Babylons als Hammer der ganzen Erde (50,23);29! dann wird in Jer 51,15-19 ein Kelterlied abgedruckt, daß (von JHWH) eines gesungen würde, war in Jer 25,30 gesagt. Kondensiert kommt die Episode Taumelbecher noch mehrmals gegen Babel gerichtet und als Bild für Babel in 51,7 vor. Babel hat alle Völker trunken gemacht (Jer 51,7). Bereits im vorhergehenden Kapitel war angesprochen worden, daß Jer 51,7 den Text Jer 25,15-29 fortschreibt und verändert. Aufgenommen sind die Elemente „Becher" (25,15 u.ö.), „Hand" (25,15 u.ö.), „trunken" (s. 25,27), „die Völker" (s. 25,18-25) und „wahnsinnig" (25,16). Eine Zusammenfassung ist „die ganze Erde" im Vergleich zur Aufzählung aller einzelnen Völker in 25,18-25. Entsprechend ist jetzt auch nicht mehr von Königen die Rede, sondern von den Völkern. Nun war in Jer 25 ein totaler Weltkrieg beschrieben worden. Die Zusammenfassung dieses Textes in einem Vers ist nun ihrerseits eingeordnet in einen langen und gräßlichen Krieg: der totale Weltkrieg von Jer 25 macht in Jer 50—51 nur einen Vers von 15 Worten aus. Es besteht kein Unterschied mehr zwischen einem König und seinem Volk, weil alle zum Opfer gefallen sind. Eine Änderung ist, daß nun Babel der Becher sei, von dem getrunken wird, „von ihrem Wein sind alle trunken". Dieses feminine Suffix bezieht sich grammatisch auf den Becher, der im Hebräischen feminines Genus hat, und aufgrund der Satzstellung Bezugswort ist. Da aber Babylon der Becher ist, 2,7
HUWYLER, Jeremia und die Völker, S. 238, gemeint sind die Übereinstimmungen von Jer 49,26; 50,30. 298 Beides sind allerdings verschiedene Ausdrücke.
412
B.IV.2. Der Untergang Babylons -
Jeremía
kommt es aufs Gleiche hinaus: es ist ihr Wein, und es ist Gottes Wein, da er ihn in der Hand hält. Somit betont Jer 51,7 gegenüber 25,15-29, daß Gott zu jedem Zeitpunkt alles buchstäblich in der Hand hält.299 Der Prophet als Zwischeninstanz ist hier aber nicht mehr benannt. So ist Babel und nicht der Prophet in diesem Vers das Werkzeug Gottes, ähnlich wie Assur als Zuchtrute (Jes 10,5) oder Axt (Jes 10,15) JHWHs.300 Und doch ist Babel in Jer 51,7 nicht unbedingt negativ, sondern eher positiv gesehen, was sich durch die Angabe, daß alles sei plötzlich zerstört (V.8), noch verstärkt.301 Dazu kommt die Betonung, daß Babel ein goldener Becher sei: Neben dem Eindruck von Pracht und Vermögen im doppelten Sinn des Wortes, der schon in der Auslegung zu Offb 18 hervorgehoben wurde,302 wird in Auslegungen zu Jer 51,7 oft betont, daß die Gülde des Bechers und die unmittelbare Nähe zu JHWH den numinosen Charakter dieser Aussage verstärkt.303 Sie deutet nach Meinung Seidls auf Babels „Sonderrang als legitimes Werkzeug der Weltherrschaft Jahwes" hin, wie auch in Jer 51,20—23 ersichtlich sei.304 Trinkschalen mit Wein in der Hand sind ein häufiges Darstellungsdetail assyrischer Götter und Könige.305 Daß aber dieses Bild nicht die majestätische Überlegenheit Babels, sondern JHWHs darstellt, wird hier wichtig. Und: War in Jer 25 der König von Babel noch der letzte, herausgehobene Trinker aus dem Becher, ist Babylon nun selbst zu diesem Becher geworden. Die Zeichenhandlung aus Jer 25 ist Teil von Babylons Identität geworden. Dieser Akzent entfernt Jer 51,7 von dem Gerichtsvorgang in Jer 25,15-29 und nähert Jer 51,7 dem kurzen Text in Hab 2,15 an. Dort heißt es : „Wehe dem, der seinen Nächsten trinken läßt und seine Zornglut beifugt und Zorn zum Trunkenmachen,
299 S. ähnlich HARTBERGER, Psalm 137, S. 108. Letztlich ist dies die negative Seite dessen, was in Ps 16 hoffnungsvoll gedeutet wird: „JHWH ist mein Anteilsteil und mein Becher, du bist es, der mein Los mir erhält" (Ps 16,5). 300 Weil dies m.E. die theologische Aussage dieses Verses ist, die sich in Übereinstimmung mit dem Text insgesamt befindet, halte ich die Argumentation, ¡TUT T 3 - „in der Hand JHWHs" aus dem Vers zu streichen, weil Thema der Niedergang Babels sei und nicht das Gericht Gottes (an den Völkern), für nicht plausibel (so HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia,
S . 3 9 6 , m i t D U H M , GIESEBRECHT, CORNILL, RUDOLPH). 30
' HARTBERGER, Psalm 137, S.109. S.o. S. 130f. 303 FUCHS, Symbol, S. 7 9 - 8 3 , führt einen für diesen Vers interessanten Text an (B V i, Z. 10-17, er handelt von einem riesigen übermenschlich großen und fast Ubergöttlich heiligen Becher, Symbol für die ganze Welt, den Baal in die Hand nimmt. Daß es eine motivliche Nähe zwischen diesen Texten und Jer 51,7 gibt, halte ich für denkbar, ohne daß diese Möglichkeit eine Konkurrenz wäre zur Erklärung von Jer 51,7 als Konzentrat von Jer 2 5 , 1 5 - 3 1 . 302
304
SEIDL, Becher, S. 135 Anm. 13. Zu einem ausführlichen Forschungsbericht zu Jer 51,7, besonders im Vergleich zu 2 5 , 1 1 - 2 6 s. MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1300f. 305 STRONACH, The Imagery of the Wine Bowl.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
413
um spannen zu können auf deren Geschlechtsteile. Du hast dich befriedigt mit Schande und nicht mit Ehre: trinke auch du, und zeige deine Vorhaut; es kommt zu dir der Becher aus der Rechten JHWHs und Schande über deine Ehre. Denn die Gewalttat am Libanon wird dich bedecken, und die Verwüstung der Tiere macht dich mutlos. Vom Blut der Menschen, der Gewalttat am Land, der Stadt und allen, die darin siedeln." (Hab 2,15-17)
Hab 2,15-17 verbindet die Texte über Becher und Trunkenheit im Zusammenhang mit Babel mit der Johannesoffenbarung, insofern hier jemand seinen eigenen Zornbecher hat. Außerdem hat hier das Trunkenmachen mit dem Ausnutzen von Entblößung und Intimität, wohl auch Sexualität zu tun, ähnlich Offb 17-19. Dieser gesamte Komplex wird dann auf Raum/Landschaft und kriegerisches Handeln bezogen, ähnlich Offb 17-19 und einigen anderen Texten dieser Studie.306 Habakuk 2 war schon bei Jes 21 ein kommunizierender Text gewesen. Zudem gibt es nur eine explizite Verortung des Textes Habakuk, und das ist die Erweckung der Chaldäer (Hab 1,6)."" In Offb 17 wird aus dieser Identität Babels ein Attribut Babels, indem die Frau, die der Engel und ihr Namensschild „Hure" nennen, den Becher in der Hand hält. Die Kondensierung von 25,15ff in 51,7 wird also in Offb 17 fort-geschrieben. Zu all den auch noch heute gebräuchlichen Bildern treten Katachresen, Bildsprünge hinzu, die in der alttestamentlichen Prophetie durchaus theologische Aussagen enthalten. Deshalb möchte ich den Stilkundebegriff „Katachrese" hier ersetzen durch den Begriff „Metametaphern". Juxtapositionen verschiedener Metaphernbereiche kommen in prophetischen Texten öfter vor: ein Bild wird entworfen und sofort von dem nächsten abgelöst. Manchmal ist diese Ablösung aber nicht wirklich kenntlich gemacht: zwei Bilder werden dann kombiniert, das eine Bild bildhaft illustriert, also eine Metapher wird metaphorisch weitergeführt. Zum Beispiel ist in Jer 2,20 von der Hurerei Israels die Rede, die sich im übrigen auf dem Wunsch nach Unabhängigkeit gründet. „Ich aber hatte dich (f.sg.) als Weinstock gepflanzt [...]", fahrt Jer 2,21 fort.308 306
Auch auf Jer 51,7 bestimmt die Perspektive durch Offb 17 das Verständnis: „Das Bild ist klar, der Wein ist die verfuhrende Macht, die die reiche, prächtige Königs- und Handelsstadt auf die Welt ausübte; Apk 17,4 wird das Bild mit dem von der Hure (Nah 3,4) kombiniert." (DUHM, Jeremia, KHC, S. 367) M.E. ist insbesondere das Verständnis von Jer 51,7 eben anders, s.o., zu pointieren und deshalb auch die Beziehung von Jer 51,7 und Offb 17,4. 307 Diese Zuschreibung ist texthistorisch wohl nachträglich, ursprüngliche Adressierungen des Textes liegen in Dunkeln, s. dazu SEYBOLD, Habakuk, ZBK, S. 70. 308 WENDEL, Jesaja und Jeremia, S. 11-41, kommt in ihrer vergleichenden Studie zu dem Ergebnis, daß Jer 2,21 sowie auch Jer 6,9 und 8,13 Gedankengut aus dem Weinberglied Jes 5,1-7 aufnehmen. Dies betrifft auch die beiden Stellen Jes 3,14 und Jer 12,10.
414
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Ein anderes Beispiel ist Jer 12,10, das eine Verknüpfung der Hirtenmetaphorik und der Weinbergmetaphorik leistet, wenn es heißt, viele Hirten hätten Gottes Weinberg verwüstet und seinen Acker zertreten. Dieses Phänomen kommt in Babeltexten auch vor, was ohnehin in Texten, die bereits von dem Bild einer Stadt als bedrängter Frau Gebrauch machen, einen Grundpfeiler (sie) hat. Juxtapositionen, die in ihrer Drastik besonders auffallen, sind z.B. 50,1 lf. 16.22f; 51,38-40. Die feminin angeredete Stadt, der unter anderem Übermut vorgeworfen wurde (50,29), wird wenig später in der männlichen Figur Sadon (jl~!T - „Übermut") personifiziert (50,3 Ii). Als Metametaphorik möchte ich drei Verse benennen: In 51,8 heißt es: „Plötzlich ist Babel gefallen und zerborsten! Jammert über sie, nehmt Balsam für ihre (f.sg.) Schmerzen, vielleicht wird sie geheilt."' Stadt/Reich bzw. der Gegenstand Babel ist gefallen und beschädigt, vielleicht helfen Schmerzmittel oder andere Heilstoffe. Hier verschränken sich also mehrere Bereiche, die darüber hinaus noch an anderer Stelle des Komplexes vorkommen: das Fallen wie Stadtmauern (51,44), Personen (50,30; 51,4.47.49) oder Personifikationen (]TIT 50,32), das Zerbersten wie ein Gerät (Hammer 50,23), die Unheilbarkeit einer verletzten oder kranken Person, im Jeremiabuch vor allem für Personifikationen als Tochter gebraucht (Tochter mein[es] Volk[es] Jer 8,22; Tochter Ägypten[s] Jer 46,11). Zu dieser Unklarheit kommt, daß der vorhergehende Vers 51,7 von dem Becher Babels gehandelt hatte, der wiederum feminines Genus hat, was die Bezüge verunklart (s.o.): ist der Becher (V.7), der geborsten ist (V.8a) also wie eine Frau, die verletzt wurde (V.8b)? Daß es für Johannes von Patmos dann nahelag, eine Frau zu konzipieren, mit dem Becher in der Hand (Offb 17,3-6), die dann verletzt und getötet wird (Offb 17,16) und viele Menschengruppen dann im Angesicht der brennenden Stadt weinen und klagen (Offb 18,10.15f.l8f), legt sich durch die Bilderüberblendungen in Texten wie Jer 51,7f nahe. Ähnlich kumulativ sind Sätze wie 51,14: „Wenn ich dich (f.sg.) auch angefüllt mit Menschen wie mit Borstenheuschrecken, so erheben sie über dir (f.sg.) doch den Keltertreterruf'" Hier ist die Vorstellung einer Heuschrekkenplage mit einer Weinkelter verknüpft, Befallenes und Erntetrog zugleich ist das/die feminin angeredete Babel, das einige Verse später noch einmal als Ernteplatz, als eine Tenne vorgestellt ist (51,53). Ein Kelterlied war schon in Jer 25,30 Ausdruck der Vernichtung für alle Völker.30' Auch die Einzelaussagen der Klage der Einwohnerin Zions (51,34f) springen in verschiedene Bilder:
309 So formuliert DUHM, Jeremia, KHC, S. 369 sehr treffend und doch mit gegenteiliger Schlußfolgerung, nämlich, daß der Teilvers 51,14a zu streichen sei: „p1?*!? hätte der Verf. besser weggelassen; er vermischt die zwei Bilder von den alles abfressenden Heuschrecken und von den Kelterern."
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremia
50-51
415
„Er hat uns gefressen und aufgerieben, Nebukadnezar, König von Babel, er hat uns hingestellt - ein leeres Gefäß. Er hat uns verschlungen wie das Walmonster, seinen Bauch gefüllt von meiner Wonne. Er hat uns weggespült. Meine Gewalttat und mein Fleisch komme über Babel!" spricht die Einwohnerin Zions.
Zum einen wurden sie gefressen, zum anderen wie ein Gefäß benutzt und weggeworfen/abgespült oder die Flüssigkeit „entsorgt".310 Dann ist wieder von ausgenutzter Lust und Verstoßung die Rede, dann von Gewalttat. Dem vielleicht tatsächlichen Verhältnis im Exil entspricht diese Vielzahl von Bildern wohl relativ genau, auch dieses ist gekennzeichnet von unterschiedlichsten Formen und Kontexten der Ausnutzung und Gewalt. Diese Metaphorisierung von Metaphern hat mehrere Folgen. Zum einen wird das Ausgesagte in seiner Drastik gesteigert - die Schwächung Babels, die bevorstehende Zerstörung und die Facetten der exilischen Not. Das ist auch ein Unterschied zur Katachrese, die als Stilblüte zuweilen die intendierte Wirkung gerade schwächt, statt sie zu steigern. Zum anderen wird, wie jeweils kurz angedeutet, eine Reihe von Stellen aufgerufen, in denen die Einzelmetaphern vorkommen. Ihr Aufeinandertreffen bedeutet eine Steigerung der Aussage nicht nur in der Summierung der Metaphern, sondern auch in der Kumulation dieser anderen Stellen in einer. Dies hat wiederum zur Folge, daß in diesem Text - und in den Metametaphern besonders - die Prophezeiungen der Vergangenheit in ein Konzentrat zusammengeführt werden, das zur Unterstreichung der Untergangsaussage sowie der Wahrheit des Eintreffenden dient - und deshalb so gar nichts von der Komik so vieler Katachresen hat. Genau diese Zitierungs- und Prophezeiungsmethode führt Johannes von Patmos weiter. Für „Babylon" bedeutet dies, daß diese Zusammensetzung verschiedener und gegensätzlicher Bereiche zu etwas Neuem Teile der Figur konstituiert. Vervielfachte Identitäten machen die Identität Babels aus. Durch den fehlenden Gedanken- und Argumentationsgang oder Handlungsablauf sind diese Bilder nicht hierarchisiert oder sonstwie geordnet. Die einzige Möglichkeit der Gewichtung ist die Menge der Wiederholung einzelner Aussagen oder Bilder. Die Vielzahl von Identitäten Babels wird schon darin deutlich, für welche Vielzahl von Kontexten das Wort „Babel" vorkommt. Mit dem Begriff „Babel" kann eine Stadt, eine Region als topographische Größe, das Reich als politische Größe (unter der Regentschaft des Königs) und „Babel" als Kultur und Religion gemeint sein. Diese Bedeutungen lassen sich nicht immer eindeutig unterscheiden, sie fließen ja auch faktisch ineinander. Alle diese Identitäten werden im Text weiterentwickelt. Die Bilder sind dafür umso vielfältiger. 310 Gerade die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Bildbereiche in diesem Vers macht es besonders schwer, eine Bedeutung für das Verb festzulegen.
416
B.IV.2. Der Untergang
Babylons-Jeremía
2.3.3.3. Stadt, Land, Frau - Geschlechter-durcheinander "' „Und da konnte der Teufel sehr wohl mit einem Feixen verschwinden, das sich wie ein Geheul anhörte: als alter Bewohner von Glockentürmen und daran gewohnt, auf einer Regentraufe hokkend, über die Weite der Dächer schauen, wußte er, daß die Städte leibhaftigere und dauerhaftere Seelen haben als alle Einwohner zu312 sammen. ((
Was „Babel" sei, wird in bezug auf die Räumlichkeit Region/Land/Stadt sowie in bezug auf sein/ihr gender im Text ausgelotet."3 Dabei kann „Babel" wegen des Genus von b z z einfach grammatisch feminin konstruiert, als Frau oder Stadt-Frau314 personifiziert oder als Stadt, Land, Regierungsbereich angeredet sein. Diese Sprachformen lassen sich nicht immer unterscheiden, weil fast alle feminin sind. Häufig stehen im Text Substantive mit Femininsuffix oder Verben mit femininen Personalpronomen als Objekt, die nicht eindeutig beziehbar sind, so daß ein grammatisch femininer Bezug über dem Text schwebt.3'5 Dazu kommt die metaphorische Ausgestaltung des zu Sagenden. Zur Größe „Babel" kommt noch „Chaldäa", was zehnmal erwähnt ist, bald das Land (50,1.8.25.45; 51,4.54), bald die Bewohner und Bewohnerinnen (50,35; 51,24.35) und bald eine feminine Größe (50,10) meint. „Chaldäa" steht dabei siebenmal mit „Babel" zusammen. Zwei Details weisen darauf hin, daß beide Ausdrücke zumindest zum Teil synonym sind: in 50,10 wird „Chaldäa" derart feminin personalisiert gebraucht, wie es eigentlich für „Babel" üblich ist; und in 50,1, und damit dem texteröffnenden Vers, sind „Babel" und „Land der Chaldäer" in ein Appositionsverhältnis gesetzt.3" Ein Teil
311 Die generelle kulturell-gesellschaftliche Konstruiertheit der Geschlechtsidentität unabhängig von jeglicher biologischen Zuschreibung hat in den letzten Jahren vor allem Judith Butler betont, s. z.B. BUTLER, Unbehagen der Geschlechter, S. 22 u. 34f. „gender-trouble" ist ein zentraler Begriff BUTLERS, mit dem sie die Verfaßtheit der Geschlechterkonstruktionen in der patriarchal-abendländischen Kultur beschreibt (ebd., S. 7). Dieser wird mit „Geschlechter-durcheinander" in einer seiner Bedeutungsebenen aufgenommen. Tatsächlich steht in Jer 50-51 neben (und in) „Babylon" auch „Geschlecht" zur Debatte und wird in ein Durcheinander, in Beunruhigung und Verstörung gewirbelt, so daß es letztlich dekonstruiert wird. Butlers Theorie stellt noch erheblich weitergehende Verständnismöglichkeiten für die Exegese dieses Textes wie auch anderer bereit. Um hier aber die thematische Klammer zusammenzuhalten, wird nur im Titel dieses Kapitels ein Verweis auf BUTLER umgesetzt. 312
CALVINO, D a s S c h l o ß , S. 2 2 f .
313
Auch hier werden nicht alle Stellen besprochen, an denen Babel feminin angeredet wird o.a., sondern nur Teile hervorgehoben. 314 Zum Unterschied der Personifikation einer Frau und einer Stadt-Frau s.o. 315
Z u z . B . d e n m ö g l i c h e n D e u t u n g e n v o n 5 0 , 2 6 s. MCKANE, J e r e m i a h , I C C , S. 1 2 7 9 .
316
Ges-K §131 k
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
417
Babels ist darüberhinaus „der König" „Nebukadnezar".317 In jedem Fall bezieht sich „Babel" schon auf dieser Ebene auf viele Signifikante. Es gibt die Phrase „Land Babel" (50,28; 51,29), „ihr (f.sg.) Land" (50,3; 51.2.47), „ihr (m.pl.) Land" (51,5). Dazu kommen die Formulierungen „seine Städte" ("[ITT 50,32), „seine Stadt" (König 51,31) und „ihre Städte" (Babels, f.sg., 51,43). Außerdem findet sich die Fügung „Land der Chaldäer" (50,1.8.45; 51,4.54). C"TÖD - „Chaldäa" ist eigentlich ein Pluralwort („Chaldäer/ Chaldäerinnen"), es kommt aber in Jer 50,10; 51,24.35 und dann nur noch in Ez 23,15 als femininer Singular vor, was den Verdacht stärkt, daß das gender „Babels" und „Chaldäas" und dessen, was damit zusammenhängt, gezielt variiert wird. Dazu kommen die Bezeichnungen „Land Doppelwiderspenstigkeit" (50,21) und „Land der Götzen" (50,38). Deutlich provokativ ist dann in 51,62 Babel, der Zielpunkt der Reise Serajas, nur als ClpQ - „Ort" bezeichnet, obwohl es/sie zu diesem Zeitpunkt die wohl größte und mächtigste Stadt der bekannten Welt war, zudem ist mit diesem Lexem die häufige Qualifizierung Jerusalems als „Ort" erinnert."8 Fünf Verse springen über den Text verstreut in weibliche Personifikationen: 50,12.42; 51,5.(13).33."9 In 50,42 ist die „Tochter Babel" Angegriffene von unbesiegbaren Kriegern aus dem Norden, wie eine Tenne wird sie festgestampft, und dann werden auf ihr die Ähren ausgeschlagen (51,33). „Eure Mutter" (50,12)320 - vom schwer verständlichen Kontext aus geurteilt ist hier wohl Chaldäa gemeint - wird beschämt und mit Wüsten in Verbindung gebracht. Hier kommt die Mutter eben nicht als Beschützerin ihrer Einwohner in den Blick, sondern als die, die ihre Kinder nicht beschützen kann, als selbst schutzlos und schutzbedürftig. Sie wird verhöhnt und beschämt. Der Tochter Babel steht tödliche Gewalt bevor. In 51,5 ist von der zu verhindernden Verwitwung Israels und Judas die Rede mit dem maskulienen Wort IQ4?« „Witwer"!321 Sie werden dann entsprechend mit mask-sg- (51,5aß) und maskpl-Suffixen (51,5b) weitergeführt.322 Auch hier sind also eindeutige genderZuschreibungen konsequent durchbrochen. 317
S. dazu genauer u.
318
CARROLL, J e r e m i a h , O T L , S . 8 5 5 .
3
" Zu 51,13 s.u. MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1263, findet das Mutterbild rätselhaft und erklärt es schließlich so: in 50,12b stünden „ apparently references to the original progenitress of Babylon, the womb from which the nation was born, but this is mysterious." 321 S. dazu KBL 3 , Bd. 1, S. 56. Damit „werden Israel und Juda Witwer von Jahwe, der dem nach als Weib zu denken wäre - ein geradezu grotesker Unsinn." (DUHM, Jeremia, KHC, S. 367) Nun, als Unsinn wird solch eine Vorstellung inzwischen nicht mehr aufgefaßt, da eine ganze Reihe anderer Stellen, an denen Gott weiblich vorgestellt ist, in die exegetische Diskussion geraten sind. Zugleich ist - s. die folgenden Ausführungen - m.E. Programm von Jer 50-51, "Geschlecht" zu dekonstruieren durch Konnotationen, Grammatik und Metaphorik. 322 Davon abgesehen scheint in diesem Bild kein weiblich sozialer Stand angesprochen zu sein, zumindest wird das Bild schief, wenn Carroll schreibt, der Vers meine: „Yahweh has not killed the husbands of Israel and Judah", und schließt wegen der Merkwürdigkeit auf eine Einfügung (CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 838). 320
418
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Das Vorkommen bestimmter Vokabeln führt diese Irritationen fort, weil sie sowohl für Städte/Regionen als auch für Menschen gebraucht werden. Diese Polysemien begegnen insbesondere für die Rede von einer Stadt/Reich und einem Menschen.523 So wird das Verb "D1? im Qal und Nif al für das Fangen und Gefangennehmen von Menschen sowie für das Einnehmen von Städten gebraucht. In den Babeltexten ist mit "D1? in Jer 50,2.9; 51,31.41 die Stadt gemeint, ihre Helden in 51,56, und eben uneindeutig, weil von einer weiblich personifizierten Babel gesprochen wird, ist der Beleg 50,24, wenn auch wegen der mehrheitlich anthropologisierenden Sprache eher die Bedeutung „gefangennehmen" gemeint ist. Im gleichen Vers (50,24) kommt auch ÖSn vor, das, hier ähnlich uneindeutig, sowohl für das Ergreifen von Menschen wie Gegenständen (Jer 50,16) als auch für das Einnehmen von Städten oder Reichen (50,46; 51,42; Furten 51,32) vorkommt. DD"! bezeichnet eigentlich das Schreckerstarren und das Still werden, kommt aber im Nif al auch für das Vertilgtwerden von Personen (50,30; 51,6) und das Verwüstetwerden von Gegenden (25,37) vor. So ist in 50,24 eher von einer Person die Rede und in 50,26f eher von einem Raum, während zugleich beide Bildbereiche durch die fem-sg-Anrede jeweils unterschwellig bleiben. Mit der Doppelheit der Zuschreibungen auf Mensch/Frau und Stadt werden dann auch Begriffe oder Bilder, die nicht mehrschichtig sind, zu so verstehbaren Aussagen. Dies ist z.B. möglich, wenn vom Entblößen der Mauern gesprochen wird (51,58), vom Zerbrechen ihrer Riegel (51,30) und vollends in Versen, die mit Bildern, die zu „Stadt" und „Frau" gehören, spielen, wie in 50,15, wo es nach 5 Versen durchgehender fem-sg-Anrede und -Aussage heißt: „Sie hat ihre Hand gegeben, gefallen sind ihre Türme, eingerissen sind ihre Mauern; fürwahr, die Rache JHWHs ist dies, rächt an ihr! Wie sie getan hat, tut ihr." Zusätzlich wird die Sprache uneindeutig, weil das Verb (sowie das Verb ptÖ) für Menschen „wohnen" und für Städte „bewohnt werden" bedeutet - mit identischen Formen.324 Daß beide Verwendungen aktivisch sind, kann m.E. aber auch heißen, was sie sagen: auch eine Stadt wohnt. Das Wohnen ist so als eine Kommunikation und damit als Beziehung zwischen Stadt und Mensch vorgestellt. Daß ein Motiv in Aussagen über Städte, in denen man nicht mehr wohnen kann/die nicht mehr wohnen, „Entsetzen und Spott" ist, läßt ahnen, daß Nicht-Wohnen Beziehungslosigkeit ausdrückt. Ebenso sind die Ausdrücke HQiÖ - „Entsetzen" und rtGOtö - „Verwüstung" sehr nah beieinander.325 323 Im folgenden sind nur die Belege bei Jer 50-51 und nur die Lexeme, die hier vorkommen, aufgeführt. 324 Das Wohnen von Menschen - interessanterweise häufig im Partizip („Bewohner") und in Aussagen vom Nicht-mehr-Wohnen kommt vor in Gen 11,2; Jes 13,20; Jer 25,2.5.9.29.30; 50,3.21.34.35.40; 51,1.12.24.29.35.37.43.62, in der Form ptö in Jes 13,20; Jer 25,24; 50,39, in bezug auf Tiere in Jer 50,39; Jes 13,21. Das Wohnen einer Stadt kommt nur in 50,13 vor. Dafür aber ist beim personifizierten Babel vom Sitzen die Rede (51,13) ebenso wie beim König (Jes 14,13) und der Königin (Jes 47,1.5.8.14). 325 Dazu mehr s.u.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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Details einer Stadt mit ihrem Umland werden erwähnt wie Mauern (50,15; 51,12.44.58), Säulen (50,15), Tore (51,58), offene Plätze (50,30), Burgen (51,30) und Zitadellen (51,32),326 Furten (51,32) und Wasser (51,13).327 Man kann „Babel" umzingeln (Jer 50,14.15.29.32; 51,2.31) oder aus ihr/ihm herausziehen oder fliehen (Jer 50,8; 51,6.9.45f.50; Jer 50,3.8.16.28.29). Diese Begriffe für eine Stadt/Reich-Größe sind denn aber in Kontexte eingebettet, in denen eine weibliche Figur angesprochen wird, es sich also um eine (zumindest theoretische) Dialogpartnerin handeln muß. Auch wird Babel ihr Handeln vorgeworfen und ihre Schuld betont, was ein gewisses Maß an Personifizierung voraussetzt. Daß „Babels" Identität als feminine Figur oder angegriffene Region noch nicht einmal die einzigen Alternativen sind, wird im Text auf mehreren Ebenen deutlich. Diskussionen um die Frage, wer oder was eine Stadt, ein Reich sei, welche Art Repräsentation „Babel" sei, sind an einigen Stellen in dem Text des Geschriebenen (Ketib) und des zu Lesenden (Qere) enthalten: Die auffalligste Stelle ist hier 51,34f. Es geht hier um die Frage, ob die j"P2i HUtD' - die „(Einwohnerin) Zion(s)" als Personifikation und also in fem-sg-Formen oder als Vertreterin, Fürsprecherin, mithin als Summe der Bewohner und also in Pluralformen spricht. Es bieten Ketib Pluralformen, Qere Singular. Das Changieren der Repräsentation Zions ist hier in die Klage (V.34) gelegt: die feminine Person spricht entweder von sich (Qere) oder von sich und den anderen Einwohnern/ Einwohnerinnen (Ketib).328 Nur eine Form von V.34 ist unstrittig, die Wonne, mit der Nebukadnezar seinen Bauch füllte, ist mit femsg-Suffix geschrieben, hier ist Zion eine weibliche Gestalt. In V.35 sprechen dann einheitlich zwei weibliche Figuren32' in der ersten Person Singular die „Einwohnerin Zions" und Jerusalems.330
326
Die Bedeutung „Zitadelle" ist unsicher, s. dazu die Übersetzung. Daß es sich bei den „Wassern von Babylon" um eine topographisch präzise Angabe zum Kanalsystem handele, wird in Auslegungen zu Ps 137,1; Jer 51,13 und Offb 17,1 immer wieder behauptet (so z.B. mit altorientalischen Belegen HARTBERGER, Psalm 137, S. 27 u. 11 lf zu Jer 51,13; CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 839: „reference to the Euphrates and the irrigation canals of Babylon, with a possible allusion to the mythological waters which undergird the earth"), ist aber in keinem Fall zwingend, auch nicht wenn die Aussage mit den archäologischen Auswertungen der Stadt übereinstimmt. Im Gegenteil, in Ps 137,1 geht sehr wahrscheinlich der Ausdruck auf Augenschein zurück, ein technischer Begriff für „Kanalsystem" ist es deshalb noch lange nicht, in Jer 51,1 und Offb 17,1 ist der Rückgriff auf Ps 137 oder die Sagenhaftigkeit Babels umso wahrscheinlicher. Stattdessen wird in Jer 51,1 und Offb 17,1 mit der Erwähnung der Wasser auf Ressourcen und Verkehrswege verwiesen, die zu den Machtattributen Babels zählen, Ps 137,1 kann mit dem Begriff erinnert werden. 328 Entsprechend divergieren die textkritischen Schlußfolgerungen, z.B. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 845f, ändert in Qere und übersetzt singularisch. 329 Dazu weiter s.u. 330 Zur Figur der "Vü PUB' s.u. 327
420
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Die Formen changieren für Babel im masoretischen Text in 51,12. Hier wird eine Rede gegen die Einwohner Babels angekündigt, dann aber ist von Babel im Singular gesprochen (51,13). Dies wiederum erfolgt in zwei Varianten. Während Ketib mit TI335Ö (l.c.sg) mit folgender Anrede an Babel einen Dialog wiedergibt ähnlich wie in Jes 47,7.8.10, es sich also um einen eigentlichen Monolog mit Zitat handelt, ändert Qere in rUDtÖ (2f.sg) und macht aus dem Gesamtvers eine Anrede an Babel. In 50,11 hat eine Entscheidung Konsequenzen für die Zuordnung des Verses zum vorhergehenden oder nachfolgenden Kontext und damit zum gender der Angeredeten: Ketib bindet durch die feminine Singularform in V. 11 den Vers an V.10, hier war vom fem-sg konstruierten Chaldäa die Rede. Qere stellt durch die maskuline Pluralform V.ll zu V.12, hier wird eine mask-plGruppe angeredet, die als Kinder einer Mutter angesprochen werden. Bei beiden Alternativen läßt sich allerdings wenig zusammenhängender Sinn konstruieren. In 50,29 ist der Bezug des Suffixes unklar: Heißt es, es gebe „in ihr" keine Rettung oder „für sie"? Je nachdem sind die Bewohner/ Bewohnerinnen gemeint oder die Stadt selbst. In 50,24 ist es dann die Sprachgestalt, die Rätsel aufgibt: handelt es sich bei der Form TlIÖp1 um eine Form l.p.sg. oder kann es sich um eine antiquierte Form der 2.f.sg. handeln?331 Daß es nicht nur um das gender und die repräsentative Bedeutung Babels geht, sondern grundsätzlich die Eigenart von Kollektiva, Einheit, Volk, Stadt, Reich verhandelt wird, zeigt sich an der bereits erwähnten Einbeziehung Chaldäas, aber auch an Israel/Jerusalem und den Israeliten. 51,34f wurde eben angesprochen, dazu kommen noch 50,8 und 50,6: In 50,8 wird das Volk Israel im Plural (Ketib) und im maskulinen Singular (Qere) zum Exodus aufgerufen. Ähnlich heißt es in 50,6a: „Verlorenes Kleinvieh ist es (Ketib)/sind sie (Qere), mein Volk". Was Babel und was eine Stadt in Beziehung zu ihren Bewohnern und Bewohnerinnen sei, wird auch auf andere Weise, nämlich dialogisch, diskutiert. Besonders eindrucksvoll ist hier der Dialog - so jedenfalls nach meinem Verständnis - von Menschen über Babel: Plötzlich ist Babel gefallen und zerbarst! „Jammert über sie, nehmt Balsam für ihren (f.sg.) Schmerz, vielleicht wird sie geheilt." „Wir wollten Babel heilen, aber sie wurde nicht geheilt"; „Verlaßt sie, wir gehen, jedermann in sein Land, denn ihr Rechtsfall stößt an den Himmel und erhebt sich bis an die Wolken." „JHWH hat unsere gerechte Sache herausgeführt! Kommt, laßt uns in Zion die Taten JHWHs, unseres Gottes erzählen." (Jer 51,8-10)
331
So versteht H O L L A D A Y , Jeremiah 2 , Hermeneia, S. 3 9 3 die Form mit Verweis auf Jer Zu Jer 2 , 2 0 und den sprachwissenschaftlichen Gründen für das Verständnis als eine oder andere Form s. H Ä U S L , Bilder der Not, S. 3 1 3 Anm. 9 5 . 2,19.20.33.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
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Aussagen, die auch in der Rückkehr der Israeliten und Israelitinnen zu Gott und damit nach Israel enden, sind noch 51,51 und 50,5. Daß die Menschen nicht nur aus Babel fliehen, sondern sich auch gegen sie/es wenden würden, droht JHWH in 51,14 an, wo es heißt, die Bewohner (und Verschleppten?) würden ein Kelterlied über Babel anstimmen. Der hohe rhetorische Aufwand erstaunt, zumal zusammen mit der hohen Zahl von Fluchtbeschreibungen (Jer 50,3.8.16.28.29) und Auszugsaufrufen (Jer 50,8; 51,6.9.45f.50). Dazu kommt der merkwürdige Abschnitt in Jer 51,44.45f, einer Erklärung JHWHs, er werde „sie von ihr wegtreiben" (51,44) und einem Auszugsaufruf, der mit dem Zusatz versehen wird, „damit nicht weich wird euer Herz, und ihr euch fürchtet vor der Nachricht, die im Land gehört wird"(51,46).332 So scheint der Abschied aus (dem untergehenden) Babel nicht leicht zu fallen, vor allem wenn aus Israel/Juda wenig gute Nachrichten kommen. Dies aber deutet an, daß neben der Zusage, daß Babel auch wirklich untergehen werde, auch die Aufforderung steht, sich von der Gemeinschaft und Solidarität in und mit Babel loszusagen. In dieser Hinsicht ist Jer 50-51 ein Propagandatext. Als Propagandatext zur Entsolidarisierung mit Babel und zur Solidarisierung mit Jerusalem/Zion wird wieder Jer 51,34f wichtig, ein kurzer Text, der außerdem erneut mehrere Personifikationen und Metaphern aufeinanderprallen läßt, die zudem in bezug auf Geschlechterrollen und gender-Identitäten aufgeladen sind. Viele Charakteristika von Jer 50-51 sind in dieser Passage enthalten. Hier führen die Größen (Einwohnerin) Zion(s), möglicherweise auch eine ungenannte Wir-Gruppe, Jerusalem und JHWH ein Gespräch über Nebukadnezar, Babel und die Einwohner/ Einwohnerinnen Chaldäas: „Er hat uns gefressen und aufgerieben, Nebukadnezar, König von Babel, er hat uns hingestellt - ein leeres Gefäß. Er hat uns verschlungen wie das Walmonster, seinen Bauch gefüllt von meiner Wonne, er hat uns weggespült. Meine Gewalttat und mein Fleisch komme über Babel!" spricht die Einwohnerin Zions, „und mein Blut auf die Einwohner und Einwohnerinnen Chaldäas" spricht Jerusalem. Deshalb so spricht JHWH, „Siehe, ich führe deinen (f.sg.) Streit und nehme Rache für dich. Ich versiege ihr (f.sg.) Meer und vertrockne ihre Quelle." (Jer 51,34-36)
In V.34 spricht (im Ketib-Text) eine nicht genannte Gruppe von dem, was Nebukadnezar, König von Babel, ihr angetan hat. Der Plural wird aber nicht durchgehalten, es heißt an einer Stelle singularisch feminin „meine Wonne". Da V.35a die fem-sg-Größe '¡VIS rDÖ"' - „(Einwohnerin) Zion(s)" spricht, ist es also möglich, daß V.34 und 35a von der (Einwohnerin) Zion(s) gesprochen 132
Interessanterweise fehlt gerade die Passage 51,44b-49a in LXX.
422
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
wird, und sie zu Beginn für die (anderen) Einwohner und Einwohnerinnen spricht (V.34) und im Singular als Repräsentation einen Fluch sagt (V.35). Die andere Möglichkeit ist, daß V.34 von einer Einwohner/-innen-Gruppe gesprochen wird und V.35a von der Einwohnerin (als Stellvertreterin oder Personifikation, jedenfalls im Singular), und die Einwohner/-innen-Gruppe - wegen der einen Singular-Formulierung - auch Züge einer femininen Personifikation internalisiert hat. Hier gehen also die Vorstellung einer Stadt als Summe ihrer Einwohner und als „Größe sui generis", die die Kommunikation mit der Gottheit bewerkstelligt, durcheinander. Das Stimmengewirr reicht hier bis zur UnUnterscheidbarkeit der Sprechenden und der Nichterkennbarkeit ihrer Identität. Das Konzept der Impersonierung333 legt sich nahe, hier aber fehlt die prophetische Instanz entsprechend der Textausrichtung,"4 stattdessen sind die Menschengruppe und/oder die (Einwohnerin) Zion(s) nun gegenseitig Impersonator. Genau diese Unentschiedenheit zwischen einer Repräsentation und einem Kollektiv ist auch in der Figur der *V2i rQtÖ"' - „(Einwohnerin) Zion(s)" geradezu verkörpert. Der Begriff kann je nach grammatischem Verständnis bzw. zugrundeliegender Vorstellung sowohl „Einwohnerin Zions" heißen als auch „die bewohnte Zion": sowie wegen der Bedeutungsbreite von auch „sitzende/thronende Zion'"". Es handelt sich um eine constructus-Verbindung, die als Genitiv verstanden werden kann („die Wohnende Zions")5" oder mit der Sonderbedeutung des Wohnens für Städte als nomen collectivum, ein Abstraktbegriff in Femininform, der ein Kollektiv bezeichnet, „namentlich als Zusammenfassung einer größeren Anzahl von Personen""7, somit wäre der Ausdruck mit „Bewohnerschaft Zions" zu übersetzen. Stärkeren Charakter als Personifikation hat die Übersetzung als „die bewohnte Zion" oder „die sitzende/thronende Zion". Die Verbindung Städtename/Reichsname mit rOüT kommt im AT einige Male vor: n2"2T Zion (Jes 12,6; 51,35; Sach 2,11), rüE"' HZ Mizrajim (Jer 46,19), m mST Dibon (Jer 48,18), nüST Aroer (Jer 48,19), nnö'' Schaphir (Mi 1,1 la), raCÜ1' Zaanan (Mi 1,1 lb), nntÖ" Marot (Mi 1,12), Lachisch (Mi 1,13), rUiT Marescha (Mi 1,15). Das Verständnis der Formulierung ist aber an den verschiedenen Stellen nicht einheitlich:
335 HOLLADAY, Jeremiah 1, Hermeneia, S. 341; ders., Jeremiah 2, Hermeneia, S. 603, und DOBBS-ALLSOPP, Weep, o Daughter of Zion, S. 83 u. 108f; FRYMER-KENSKY, In the Wake of the Goddesses, S. 172f, sieht mit ]V2S nUET im Gegensatz zu „Zion" „the inner spirit of the city" bezeichnet. Die „thronende Zion" ist dann eine religionsgeschichtliche Deutung im Sinne einer Stadtgöttin oder -patronin, s. DOBBS-ALLSOPP, Syntagma, S. 465. 336 So z.B. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 845; BELLIS, Structure, S. 165, versteht den Ausdruck so, meint aber dennoch, daß es sich hier um Jerusalem handele. 337 Ges-K §122s. S. zur | V 2 I neuere sprachwissenschaftliche Übersicht bei H Ä U S L , Bilder der Not, S. 63f.
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Während in Jes 12,6; Jer 46,19; 48,19 der Ausdruck durchaus ein Jer 51,34 vergleichbarer Titel für die Bewohnerschaft, die thronende Stadt oder eben Stellvertretungsausdruck für eine exemplarische Einwohnerin ist, ist die Qualifikation einer Stadt als Personifikation durch den (zusätzlichen) Titel !"Q „Tochter" vereindeutigt (Jer 46,19; 48,18)."8 Dagegen ist in Jer 21,13 wie auch in Jer 47,8; Zef 2,15 das Partizip fem-sg für die Stadt relativ eindeutig prädikativ aufzufassen, von einem Titel oder Namen kann hier also keine Rede sein. Ähnlich wird der Satz „Wehe, Zion, entkomme, die du bei der Tochter Babel wohnst" (Sach 2,11) in der Regel prädikativ aufgefaßt, obwohl auch die Personifikation „Tochter Babel" vorkommt. In Mi 1 wird mit der Weiblichkeit und eben Menschlichkeit dieser Größen sowie mit ihrer Personifikations-Bedeutung gespielt."' Und für Jes 47,1.5 wird das Wohnen/Sitzen der Stadt-Königin Babel im Text pointiert in bestimmtes Ergehen umgesetzt. Für eine exemplarische Frau spricht, daß in den Texten der Samuelbücher häufig Frauenfiguren mit und mithilfe der Stadt, aus der sie kommen, identifiziert werden wie die Frau von En-Dor (lSam 28,7), die weise Frau von Tekoa (2Sam 14,2) und die weise Frau von Abel-Beth-Maacha (2Sam 20,16). In jedem Fall ist das Verständnis des Ausdrucks als nomen collectivum, das eigentlich ein Neutrum vertritt, alles andere als abgesichert oder für jeden dieser Ausdrücke geltend. An dieser Stelle legt m.E. die Personenkonstellation eine weibliche Gestalt für r n ö 1 nahe, weil sie im Verbund mit dem/der weiblichen Jerusalem klagt, sich über den ausnutzenden, fressenden König beschwert und zur Rache an der anderen Stadt und den anderen Einwohnern aufruft. Es scheint mir hier auch der kommunikative bzw. der Beziehungs-Aspekt des Wohnens hervorgehoben zu sein - ob es sich nun um eine Einwohner-Sprecherin oder um eine Stadt-Personifikation handelt, sie hat eine Mittlerinnenfunktion zu JHWH.340 So steht nicht umsonst wohl der Ausdruck „wohnende/bewohnte Zion" oder „Einwohnerin/Bewohnerschaft Zions" zwischen der Wir-Gruppe und Jerusalem. Die Aussage der (Einwohnerin) Zion(s) wird durch eine Aussage Jerusalems ergänzt, gleichwohl redet JHWH auch nur eine Figur an, als er Rache verspricht (V.36). Unabhängig von der Bedeutung des Titels rottf' wird hier 138
Zur Bezeichnung einer Stadt als „Tochter" s.o. A 4 u. HÄUSL, Bilder der Not, S. 35-85. Obwohl KESSLER, Micha, HThK, S. 100-111, Mi 1,10-16 mit viel Sensibilität für die feminine Metaphorik auslegt, bleibt er in Übersetzung (ebd., S. 98) und Verständnis dieser Ausdrücke bei der Bedeutung „Bewohnerschaft", weil es sich um eine verblaßte Metapher handele, deren grammatische Femininkonstruktion ebenso wenig auffalle wie im deutschen Ausdruck „die Mannschaft" (ebd., S. 65). Dem ist entgegenzuhalten, daß in literarischen Texten durchaus verblaßte Metaphern wieder mit grellen Farben gezeichnet und so wieder auffällig werden können, was m.E. sowohl in Mi 1,10-16 als auch in Jer 51,34f der Fall ist. Kriterium ist mir in beiden Texten die Aufladung der Sprache mit Geschlechts-Aussagen und -Bildern. 339
340
BAIL, Schweigen, S. 192f, u.ö. HÄUSL, Bilder der Not, S. 78-85.
424
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
das Wohnen betont, so äußern sich die beiden Figuren chiastisch: die Wohnende Zion(s) verflucht Babel, Jerusalem verflucht die Wohnenden Chaldäas. Die Klagen der beiden Frauenfiguren sind sehr körperlich341 - obwohl es sich doch nicht um „reale" Frauen handelt, sie sozusagen kein Fleisch und Blut haben. So gehen im Gegensatz von Sprecherinnen, Aussageinhalten und -formen Stadt und Frau, Menschlichkeit und Gebäude ineinander über, sowohl inter- wie intrapersonell. Es sind zwei Frauenfiguren, die diesen Fluch sprechen, und es sind auch zwei zumindest grammatisch feminine Größen, die die Flüche treffen sollen. Daß es just Frauen und Frauenfiguren sind, die aktiv an der Ausgrenzung und Abstrafung anderer Frauen(figuren) beteiligt sind, ist ein Kennzeichen der patriarchalen Gesellschaft bis heute342 sowie dementsprechend dieser Texte über Babylon. Dies ist der Fall in Sach 5,5-11, wo die weiblich personifizierte Bosheit nach Babel transportiert wird. Sie wird von zwei Frauen mit Storchenflügeln getragen. In Jes 21,2.9 erhält Babel bzw. was dort untergehen soll, feminine Suffixe, ebenso wie die angreifenden Größen Elam und Medien. Entsolidarisierung wird also auch auf geschlechtlicher Ebene ausgetragen und für Babylon propagiert. Täter all dieser Verbrechen ist Nebukadnezar. Er hat unter anderem die Gruppe regelrecht gefressen (51,34). Davon war schon die Rede im Text: in 50,17 heißt es, er habe die Knochen des von Assur gefressenen Kleinviehs Israel abgenagt, in 51,44 wird JHWH sagen, er habe das, was Bei in Babel verschlungen habe, aus seinem Maul gezogen. Obwohl also Nebukadnezar als der Schuldige benannt wird, sind es die feminine Babel (V.35a) und die Einwohner/-innen Chaldäas, die nach dem Wunsch Jerusalems und Zions die Rache treffen soll. In V.37 ist es dann der Lebensraum Babel, der zerstört wird, Nebukadnezar bleibt sozusagen ungeschoren. Das Verhältnis von Nebukadnezar und Babel ist hier also ein Stellvertretungsverhältnis. An dieser Stelle ist es umgedreht zu dem, wie es in 50,43 dargestellt wird: dort wird die Tochter Babel angegriffen, der König aber bekommt Wehen vor Panik. Hier büßt Babel, der Lebensraum (51,36ff). Er wird unbewohnbar gemacht, indem das Wasser verschwindet (51,36b) und der Schutz durch Gebäude verloren geht (51,37). Dies wird im übrigen bewerkstelligt durch das Trunkenmachen aller „sie" (51,38f). Das heißt, die Zivilisation wird abgeschafft durch die Hypostasierung von Zivilisation in unmäßiger Trunkenheit (s.o. zu Jer 25). Die Aggressoren des (textlichen) Krieges sind männlich - Nebukadnezar und JHWH als grammatisch maskulin konstruierter Löser/Einlöser der Rache. Die Aggressionen der textlichen Agitation und Motivation gehen von den weiblichen Figuren Zion und Jerusalem aus, sie sind zusammen mit Babel und allen Einwohnern aber auch die Geschädigten. Während also die Identität und die Konstellation der beteiligten Figuren nachgerade Machtverhältnisse in 341
DARR, Isaiah's Vision, S. 145.
342
S. THÜRMER-ROHR, Vagabundinnen.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
425
patriarchaler und in hegemonieller Gesellschaft zur Sprache bringen, finden sich in den Bildern der Klage (51,34f) wieder ein Changieren der Betroffenen und Anspielungen auf andere Texte in wenigen Worten: Die Bilder in V.34 changieren zwischen singularen (Gefäß, meine Wonne) und summarischen Bildern (gefressen, aufgerieben, verschlungen, weggespült werden). Außerdem changieren die Bilder zwischen der Vorstellung von (Aus)Nutzung (leeres Gefäß, Wonne genutzt, wegspülen) und Vernichtung (gefressen [aufgerieben], verschlungen) und verschränken damit zwei metaphorische Bereiche bis zur Unverträglichkeit.343 Zum bereits in sich problematischen Vers kommen noch Bezüge zu anderen Stellen des Jeremiabuchs: Dem anthologischen Charakter von Jer 50-51 entsprechend, ist das Gefressenwerden in Jer 10,25 bereits beklagt. Hier heißt es, Jakob, also eine männliche Personifizierung, sei gefressen worden.344 Auch die Rede von den Gefäßen kommt im Jeremiabuch vor. Während in Jer 25,34 das allgemeine Zerschlagen bzw. Fallen wie Gefäße angedroht ist, in Jer 48,38b für Moab und in Jer 22,28 für Konja, den gefangenen und exilierten König. Dort wird neben dem Geworfenwerden insbesondere betont, daß diese Gefäße nicht gefallen, was wieder Jer 51,34 ähnelt, da hier davon gesprochen wird, daß das leere Gefäß einfach hingestellt, weggestellt wird. So finden sich beide Bereiche auch an anderen Stellen im Jeremiabuch. Beide Bereiche werden für verschiedene Größen genutzt (Königshaus, die Erde, Moab). Damit sind sowohl Fäden aus dem Jeremiabuch verbunden als auch Größen wie Moab und Jerusalem und damit Fremdvolk wie Israel in Babel zusammengefaßt. Zusätzlich ist in der nachfolgenden Drohung, Babel werde zum schakalbewohnten Steinhaufen werden (51,37), der Babylon-Text Jes 13,20-22; 14,22f aufgenommen, und in der Drohung der vertrockneten Quellen der Begriff des „Wüstenmeers" (Jes 21,1) in die Tat umgesetzt. So kommen in den Klagen Summen aus Bildern des Jeremiabuches vor, in der Antwort JHWHs Summen aus Bildern der Babylon-Texte. 343 Deshalb gehen die Versuche von Vereindeutigungen des Textes fehl: HARTBERGER, Psalm 137, S. 67 u. 122, versteht den ganzen Vers 34 in allen semantischen Bezügen als auf das Trinken eines Gefäßes rekurrierend. Sie übersetzt daher: „Es hat uns gegessen, uns ausgeschlürft, / Nebukadnezar, der König Babels, hat uns (wieder) hingestellt als leeres Gefäß, / er hat uns verschlungen wie das Krokodil, / hat seinen Bauch gefüllt mit unseren (hebr.: meinen) Kostbarkeiten, hat uns ausgespült." Der Anmerkungsapparat der BHS versucht, die Bilder auf den Bereich „essen" hin zu vereindeutigen und schlägt vor, statt 'iOÖH - „aufgerieben" "DOP! - „gewalttätig behandelt" oder "DHn - „gegart/fertig gegessen" oder "Q1H - „vertilgt" zu übersetzen. Ähnlich erregt wohl auch die Körperlichkeit der klagenden Stadtpersonifikationen Anstoß: '"IRE) - „mein Fleisch" soll geändert werden in ,-OtC - „mein Bruch/ Verwundung/Untergang" oder TINS? - „meine Verwüstung/Verderben/Katastrophe". 344 Ein ähnlicher Text, aber mit einem etwas friedvolleren Ausgang ist Ps 17,13-15: „Rette mich [...] vom Pöbel, deiner Geißel, Ewiger! Vom Pöbel dieser Niederwelt. Ihr Anteil sei in diesem Leben; Sie füllen ihren Bauch mit deinem Gute; Kinder haben sie in Fülle, Und hinterlassen Überfluß den Jungen" (zit. nach MENDELSSOHN).
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Diesem Komplex an Textverflechtungen und Aussagenüberlagerungen in bezug auf weibliche Stadt-Repräsentationen werden in Jer 50-51 weitere hinzugefugt. In 50,40 wird wie schon in Jes 13,19 ein Vergleich vom Untergang Sodoms und Gomorras zum Untergang Babels gezogen, diesmal aber mit einem weiteren femininen Aufzählungselement !T]3!tf - „ihre Nachbarinnen"345, das neben dem gender-Aspekt wieder die Frage aufwirft, ob das Kollektiv der Einwohner oder die Stadt als Wohnende hier im Vordergrund steht.346 Der Rekurs auf den Untergang Sodoms und Gomorras wird in Klgl 4,6 für die „Tochter meines Volkes",347 in Zef 2,9 für Moab und in Jer 49,18 für Edom gezogen.348 Ein Vergleich mit Sodom bedeutet, mit der ersten gewaltsam, durch JHWHs Eingreifen katastrophisch zerstörten Stadt der Bibel und somit der gedachten Weltgeschichte verglichen zu werden. So werden gleich mehrere Städte/Reiche mit Sodom verglichen und damit gleichgesetzt. Daß auch Jerusalem als Fremdvolk behandelt wird, ist Teil der Untergangsprophetie vieler Propheten/ Prophetinnen und Ergehen für ihr/sein Tun, so sein zu wollen wie andere Städte/Reiche. Für Babel bedeutet das, daß dem Babel-Topos noch ein weiterer Topos vom Untergang hinzugefügt wird, dem des ebenfalls und buchstäblich sagenumwobenen Sodom. Die Gleichsetzung mit Edom und Moab fügt den vielen Parallelen zwischen diesen Größe eine weitere hinzu.349 Diese Geschlechtszuschreibungen in Jer 50-51 erlangen weitere Bedeutung durch die vorhandenen maskulinen Bilder.550 Ähnlich wie schon in 51,35f herrscht zumindest ein additives Verhältnis zwischen dem grammatikalisch 345 In Dt 29,22 sind als weitere Untergangsobjekte Adma und Zeboim erwähnt, die hier gemeint sein können. 346 Andere Ebenen des Vergleichs sind das untergangswürdige Verhalten der Stadt Jerusalem (Ez 16,46-58) oder ihrer Einwohner, Einwohnerinnen (Jes l,9ff) oder Propheten (Jer 23,14) oder der Bewohner, Bewohnerinnen Israels (Am 4,11). 347 S. zu dieser Anrede HÄUSL, Bilder der Not, S. 35-82. 348 Diese Stellen zu systematisieren und sie damit in einen motivgeschichtlichen und literarischen Zusammenhang zu bringen, wird oft versucht. Für den Vers Jer 50,40 ist wichtig, daß Jes 13,19; Jer 50,40 und Jer 49,18 oft als literarisch voneinander abhängig angesehen werden. GOSSE, Isafe 13,1-14,23, rekonstruiert, daß Jer 50,40 von Jes 13,19 abhängig ist und Jer 49,18 auf Jer 50,40 zurückgreift. ZAPFF, Prophetie, S. 185, ist der Meinung, daß Jer 50,39f zugleich von Jes 13,19 und Jer 49,18 abhängt. 349
c
S. u. 350 Inwieweit es sich bei dem Hammer in 51,20 um ein männliches Gerät handelt, wird hier nicht geklärt, weil die Auffassungen vom gender hier zwischen dem antiken Israel und dem modernen Europa auseinandergehen können und nicht fraglos übertragen werden sollen. Es ist allerdings das Genus der angeredeten Figur maskulin, ob damit schon das genus des ]'2C gemeint ist und auf den/die Angeredete übertragen wird, oder ob es sich um eine männliche angeredete Figur handelt, ist nicht klar. Allerdings ist in diesem aktuellen Text die angeredete Figur nicht Babylon, s. dazu u.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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maskulinen und geschlechtlich männlichen Monstergott Bei (51,44), das seine Nahrung wieder buchstäblich entzogen bekommt, und der Stadt Babel, aus der die Menschen ausziehen sollen (51,45).351 Während aber „Weiblichkeit" in diesem patriarchalen Text im Angegriffenwerden durch Übertragung auf andere Bereiche ausgeweitet wird, schwindet „Männlichkeit" im Angegriffenwerden durch Kontakt mit anderen Motiven. In 50,29f kommt Babel als weiblich vorgestellt vor, ausgedrückt vor allem in den grammatischen Suffixen. Es steht auch der Satz „denn JHWH gegenüber war sie übermütig" (50,29b). Diese Attribuierung wird wenige Verse später (50,3 lf) in einer Personifikation ausgebaut."2 Diese aber ist entlang des grammatischen Geschlechts des Wortes ]1"TT - „Übermut" männlich. Babel wird hier also männlich personifiziert. Das Lexem kommt im Zusammenhang mit Babylon in dem Vorwurf Daniels an Nebukadnezars Sohn Belsazar (Dan 5,20 Verb aram.) und der Drohung, alle Übermütigen stürben in Babylon (Jes 13,11), wieder vor. In dem Ergehen der Figur taucht nun aber das Motiv vom Fallen und Nichtmehraufstehen-Können auf, das wiederum für Jerusalem explizit (Am 5,2), implizit (Jes 52,2) und für die Erde als ganze (Jes 24,20) vorkommt. Die männlich vorgestellte Figur wird weiblich konnotiert gedemütigt.'53 Auch die „realen" Männer verlieren ihr Geschlecht, die Kriegerhelden werden zu Frauen (51,30a), die Wohnungen der Stadt, in der sie sich verstekken, brennen, und ihre Riegel sind zerbrochen (51,30b).354 Der Ausdruck insinuiert die Möglichkeit, daß das eine - das gewaltsame Eindringen in die Häuser - das andere - das Eindringen in Körper - nach sich zieht, dort aber sitzen die Soldaten. Die Männer der Schlacht erschrecken (^PD 51,32), dieses Erschrecken fuhrt in 3 von 39 Fällen zum Einsetzen von Wehen und in anderen Fällen zu Zittern (Ex 15,15; Ez 7,27; 26,18) und dem Erschlaffen der Hände (2Sam 4,1; Esr 4,4). 351 Daß in der LXX an dieser Stelle Bei nicht steht, und also das feminine Babel das Monster ist, verweist auch auf die Geschlechterkonfiision im Text. Wenn nun das Verschlingen Nebukadnezars aus 51,34 dazugenommen wird, nimmt die geschlechtliche Zuordnungsirritation überhand, s. dazu ausführlich BELLIS, Structure, S. 167f Anm. 13. 352 DUHM, Jeremia, KHC, S. 365: „"Hl wird zu einer Art Eigennamen von Babel gemacht. Die Späteren lieben solche künstlichen Bezeichnungen für die Weltvölker", er verweist auf Jer 30,7, wo Ägypten „Rahab" genannt wird. 353 Überhaupt wird das Substantiv ]HT nicht auf Frauen oder weibliche Personifikationen angewandt: in Jer 49,16 findet sich das Wort in einer Passage, die ständig zwischen einer maskulinen und einer femininen Anrede an Edom wechselt, die Aussage „dein Herz ist übermütig" ist an ein mask. sg. gerichtet. Der in Teilen identische Vers Obd 3 ist durchgehend maskulin gehalten wie - außer V.2 - das gesamte Obadja-Buch. 351 Gerade 5l,30f versteht MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1320, ganz ohne die Deutung, daß hier Panik dargestellt werde, zugunsten einer Deutung, daß die Soldaten hier allein als Feiglinge dastehen, was sich in M C K A N E S Formulierung interessanterweise liest wie eine Sammlung von Vorurteilen gegenüber Frauen in ,Männerdomänen': „The resistance of Babylon's soldiers to this attack on the capital city (cf.vv.31f) is ineffective (V. 30). They have no stomach for the fight, give up easily and are dominated ba a 'Maginot Line' mentality, remaining inside their fortication."
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Wehen setzen tatsächlich beim König von Babel ein (50,43). In 50,41-43 wird Jer 6,22-24 zitiert, der Angriff auf die Tochter Babel mit einem übermächtigen Heer ist wie der Angriff auf die Tochter Zion angekündigt worden war (Jer 6,22-24). In Jer 6,22-24 wird die Tochter Zion angegriffen, Angstwehen setzen bei einer Wir-Gruppe ein. Hier aber wird die Tochter Babel angegriffen (50,42), und die Wehen setzen beim König ein (50,43). Während also bei Zion und der Gruppe erneut das Changieren zwischen Repräsentation und Repräsentierten ausgedrückt wird, changiert 50,42f zwischen Repräsentation und Repräsentant, und zwar über Geschlechtergrenzen hinweg.555 Der Krieg, der alles ins Gegenteil verkehrt (50,36-39) macht auch vor gender und sex nicht halt, und eben auch nicht vor der Männlichkeit des Königs. Wie hervorgehoben ist die Männlichkeit des Königs an den anderen Textstellen? Zunächst einmal kommen der König von Babel oder Nebukadnezar nicht besonders häufig vor. Der Ausdruck erscheint fünfmal im Vergleich zu 81 Nennungen im Rest des Buches. Der Name „Babel" selbst wird im Gesamtbuch 169mal und in Jer 50-51 55mal genannt. Allein diese Verteilung des Vorkommens verdeutlicht also die Akzentverschiebung, die sich inhaltlich darin ausdrückt, daß im Verlauf des Buches Nebukadnezar, König von Babel, als Hegemonialherr die politische Macht in der Hand hält und dann als Feldherr Juda und Jerusalem zu erobern sucht. In Jer 50-51 ist „Babel" selbst Schauplatz und Textgegenstand. Hier geht es um die Zerstörung von Stadt und Reich - vom Tod des Königs z.B. wird nichts gesagt. Der König ist also eines der Attribute der Größe „Babel", mehr nicht. An den Stellen, an denen er behandelt wird, kommt er eher passiv vor. Die Niederlage wird ihm gemeldet (51,31), er bekommt Wehen ob dieser Nachrichten (50,43), er wird ebenso heimgesucht O p 2 ) wie Babel als ganzes (50,18), der König von Assur (50,18) und der personifizierte Übermut (50,31). Seine Aktivität und Aggression bestand im Fressen wie ein Raubtier (50,17; 51,34), was aber der Vergangenheit angehört. Das Bild vom Fressen wird auch auf Bei ausgeweitet (51,44). So ist der König wie ein Walmonster (51,34), wie der Gott Bei (51,44), wie ein Löwe (51,17) - wie ein Löwe wiederum war schon der König von Assur gewesen (50,17), so ist auch JHWH (50,44), so sind auch die Menschen in Babel (51,38), aber sie werden zu Lämmern, die auf die Schlachtbank gefuhrt werden (51,40). Hier findet sich also eine ähnliche Ausschweifung wie in den Weiblichkeitsvorstellungen. Auch andere Bilder von Aggressionen kommen im Text vor und sind nicht dem König zugeschrieben. Zum Beispiel ist Babel als Hammer Gottes besungen, der alles in den Weg Kom-
355 Daß auch die ganze Erde - oder nach dem Verständnis MCKANES, Jeremiah, ICC, S. 1319, das ganze Land - kreißt, tut ein Übriges zu den Geschlechterkonstruktionen.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremia
50-51
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mende erschlug (51,20-24; 50,23).356 Gott selbst ist ein Kriegsheld (113:), dessen Pfeile Fehlgeburten verursachen oder unfruchtbar machen (50,9).357 So fallt auf, daß insbesondere der Untergang und besonders die Erkenntnis des sicher bevorstehenden, jetzt plötzlichen Todes zum Geschlechtswechsel fuhrt. So erscheint es eher zutreffend festzuhalten, daß Babel in all seiner/ihrer Geschlechtlichkeit, transgender und Mehrgeschlechtlichkeit untergeht. Im Angegriffenwerden verlieren Männer ihre Männlichkeit, die Metaphorik des Textes weitet feminine grammatische und gender-Zuschreibung auf zuvor nicht geschlechtliche Bereiche aus. Zusammenfassung Es liegt in Jer 50-51 also weder eine durchgehende Personifizierung in Gestalt einer Königin vor wie in Jes 47 oder in Gestalt eines Königs wie in Jes 14 noch eine durchgehende Zeichnung als militärisch angegriffene Stadt wie in Jes 13, sondern es sind eine Vielzahl von Bildern, Metaphern, Qualifizierungen und Titeln für „Babel" verwendet. So wird der alle Formen und Inhalte synthetisierende Charakter von Jer 50-51 im Vergleich zu den anderen Babeltexten deutlich. Ein Effekt ist, daß beide Ebenen Stadt/Reich/Raum sowie Frau/Herrscherin/gewalttätig zu Behandelnde latent mitschwingen; sie ermöglichen doppeltes Lesen wie auch die Übertragung geschlechtlicher Zuschreibungen auf Gebiete, die zunächst nicht gender-Bedeutung haben. Die Bilder, die von weiblichen Größen sprechen, erfahren oft einmütige Interpretation. Nach Meinung Hills ordnet sich die Metaphorik systematisch der Aussage unter: solange im bisherigen Jeremiabuch Babel als dominant dargestellt war, wurde Babel im Bild seines (männlichen) Königs gezeichnet. In Jer 50-51, wo die Niederlage und Zerstörung Babels geschildert wird, herrsche weibliche Metaphorik vor. In männliche Bilder werden hier noch die Illustration Babels als fremdes Anderes, Feindliches gekleidet: Babel als Löwe (50,17-20), Pharao (50,31-34), Drache (51,34), der Turm zu Babel (51,53) und eine Kriegskeule (51,20): „They fit the pattern according to which a dominant figure is represented by masculine imagery, while the subjugated figure is represented by feminine imagery.""8 Zum einen wird m.E. Babel im Jeremiabuch insgesamt nicht als dominant dargestellt, Babel ist auch nicht 356 HARTBERGER, Psalm 137, S. 33f, weist wohl zurecht daraufhin, daß es sich bei IZTOS um einen Schmiedehammer und bei fBD um einen eigentlichen Hammer handelt, der hier als Kriegswaffe benutzt wird, ohne üblicherweise dazu gemacht zu sein, deshalb die Apposition. In beiden Fällen wird aber m.E. Babel eben als Werkzeug vorgestellt und auch in beiden Fällen für militärisches Tun, was m.E. aus dem Gesamtbuch wie aus meinen bisherigen Ausführungen dazu hervorgeht. 357 358
Zu den semantischen Schwierigkeiten s.o. S. 376 Anm. 134. HILL, Friend, S. 169.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
metonymisch mit seinem König, es handelt sich um zwei verschiedene Größen. Auch Nebukadnezar ist nicht dominant, sondern ebenso machtvolle wie erzählkompositorisch entfernte, physisch allerdings nahe Hintergrundgestalt. Die Maskulinität durch Dominanz „Babels" ist also hinfallig. In Jer 5051 ist es m.E. wiederum gerade eine Hauptlinie des Textes, schier alles geschlechtlich aufzuladen."' Dies aber binäroppositionell und in moderne Klischees heterosexuell aufzuteilen, reduziert den komplexen Text über die Maßen. Anderes kommt hinzu: Gerade die Talionsaufforderung, ihr zu tun, wie sie getan hat (so z.B. 50,15), sollte vor der Systematisierung bewahren, die weibliche Figur ausschließlich als Angegriffene zu sehen. Auch wenn das Bild der tötenden, Blut trinkenden Babel erst in der Johannesoffenbarung vorkommt, zeigt doch das Daß dieses Bildes, daß es in der Logik des anderen enthalten ist; daß das Bild in der Johannesoffenbarung wiederum eine passive weibliche Figur zeigt, bleibt wiederum im anderen Bild: daß Weibliches häufig das militärisch Angegriffene darstellt. So läßt sich zusammenfassend zunächst und vor allem Konfusion feststellen. Sie ist textlich kriegsbedingt. Stadt, Region, Personifikation, die Gruppe der Bewohner, Bewohnerinnen und sogar der König überlagern einander in Bildern, Schicksal, Grammatik, einzelnen Worten, Rollen von Angeredeten und Sprechenden. Alles wird vernichtet, und in dieser Vernichtung besteht eine Identität Babels. Babel ist ein buchstäblicher Sammelbegriff. Nicht nur die einzelnen Elemente einer Stadt, eines Reiches fallen darunter - wieder buchstäblich - , sondern es werden auch Eigenschaften von Stadt zusammengeführt, die von anderen Städten ausgebildet worden waren wie Jerusalem und Sodom oder von (anderen) Regionen wie Assur und Chaldäa. Dies scheint es im übrigen auch so schwer zu machen, sich von ihm zu lösen, was ein Grund für die dargestellte Schrecklichkeit des Untergangs und die Zitierung von Einwohnern und Größen wie Zion und JHWH selbst ist: Entsolidarisierung ist eine der Linien im Textgewebe, auch sie wird über „Geschlecht" ausgetragen und in verschiedenen Personen- und Figurenkonstellationen zur Sprache gebracht. Diese sprachliche Form des Untergangs macht aber auch deutlich, daß anhand des Themas „Babel" und der Definitionsarbeit in Sprache gefaßt wird, was Geschlecht sei und was es ausmache, und vor allem wie wandelbar Geschlecht sei. Geschlecht wird hier dekonstruiert in seiner Hypostasierung. Und genau hier gehen die Thesen Hartbergers und Hills fehl: Mit all den geschlechtlichen Aufladungen des Kriegerischen und den grammatischen Irritierungen im hebräischen Text nimmt die Übersetzung Hartbergers die Personifikationen und Suffixe, die „Babel" betreffen, konsequent mit Neutrum überGegen REIMER, Oracles Against Babylon, S. 208, der meint: „The metaphors of ,mother', .daughter' and ,widow' are not part of a connected set of images such as the .shepherd and sheep'. M.E. geht der Text Jer 50-51 in seiner Komplexität über zählbare Vorkommen von Lexemen hinaus.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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setzt,360 Jer 50-51 eine wichtige Linie. Hill meint in seiner Zuordnung, in welchen Versen Babylon ein Land sei, daß Bilder von Ernte auf eine Region und nicht auf eine Stadt deuten, deshalb ordnet er Babylon als Land den Versen 50,8.16.25-29.33-34.35-38.44-46; 51,33 zu. Kriterium, daß eine Stadt gemeint sei, seien Ausdrücke wie „ringsum" bzw. der Belagerungszustand, deshalb sprechen die Verse 50,29.51,1-5.12 Babel als Stadt an, in 50,12 dann als Mutter.361 Tatsächlich wird eine so systematische Unterscheidung dem Text nicht gerecht. Das militärische Einbrechen von Grenzen wird eben nicht nur in den Aussagen und den durchbrochenen Sinnebenen, den Kohärenzen, ausgedrückt, sondern auch in den sich ständig wandelnden, nachgerade überall hin verfolgenden Zuschreibungen „Babels".
2.3.3.4. Babylon als Religion Eine weitere Zuschreibung Babels ist Babel als Ort einer (anderen) Religion. Tatsächlich ist der Fall der Stadt und ihrer Gottheiten gleichermaßen Gegenstand der ersten Untergangsausrufung (50,2). Dabei ist die Stadt in dieser Ausrufung (nur) eingenommen, ihre Gottheiten sind psychisch (¡013 - „beschämt") wie physisch (Tin - „zerbrochen") zerstört. Sechs Aufforderungen, es zu verkünden, stehen fünf Niedergangsaussagen gegenüber. Hier ist zunächst von den konkreten Größen Babel und Bel/Merodach die Rede, dann wird die Meldung auf (alle) Götzenbilder und Götzen ausgeweitet. Daß dies die ersten Sätze des ganzen Komplexes bildet, stellt das gesamte Folgende unter diese Auseinandersetzung mit fremden Gottheiten - in einer fremden (?) Stadt. Direkt danach wird von der Rückkehr der Israeliten zu ihrem Gott und nach Zion prophezeit (50,4f). Auch hier sind Gottheit und Ort verknüpft, es stehen sich JHWH und Bel/Merodach, namenlose Götzenbilder und Götzen gegenüber, also der Eine und eine Vielheit, sowie Zion und Babel. Dabei sind JHWH und Zion hier nicht als Triumphierende oder nur Siegreiche vorgestellt - der Untergang Babels geschieht durch Krieg des Volkes aus dem Norden (50,3) - , sondern als Gegenstand von Sehnsucht und Suche (50,4f), die Kinder Israels und Judas vereinen sich, sie sind Kinder und „mein Volk" (50,6), wie Schafe einer Herde (50,6), schon in diesen Begriffen wird Beziehung ausgedrückt. Dies aber geht Babel und seinen/ihren Göttern ab: Anhänger sind nicht im Blick (50,2), Stadt und Götter sind auch untereinander beziehungslos. Es gab nur Bewohner, Bewohnerinnen, und diese sind alle davongelaufen, Mensch wie Tier (50,3). So wird auch auf religiöser Ebene und von Anfang an betont, was bereits auf der Ebene der Geschlechter ein Thema war: die Entsolidarisierung von Babel und die Neustiftung der Beziehung Israeliten/ Israelitinnen - JHWH - Zion. 360
HARTBERGER, P s a l m 1 3 7 , S. 6 3 - 7 0 .
361
HILL, F r i e n d , S. 1 6 5 A n m . 7.
432
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Der im folgenden beschriebene oder ausgeführte Krieg JHWHs gegen Babel ist - selbstredend - von Feindschaft und Aggression geprägt, inwieweit er eine religiöse Komponente enthält, wird nicht explizit. Im Gegenteil, nachdem die babylonischen Götter tot sind, gleich zu Anfang, wird in den nun folgenden Kriegsschilderungen „Babel" der Jurisdiktion und der Gewalt JHWHs unterstellt. Es ist von Schuld und Sünde Babels und von Rache für den Tempel die Rede: es gibt nur einen Gott, JHWH. Trotzdem wird an die hölzerne Nutzlosigkeit von Götzen sowohl im Schwertlied (50,38) als auch im Kelterlied (51,17f) noch einmal erinnert, die psychische Gefahr, die von Götzen ausgeht, angedeutet (50,38), bis am Ende des Textes Bei doch noch einmal erscheint (51,44). Höchst lebendig, genauer wie ein monströses Raubtier,362 hat er verschlungen, von seinem Tod und seiner Zerstörung ist hier keine Rede mehr, und doch ähnelt 51,44f dem Beginn - nun sollen die Völker nicht mehr zu Bei strömen, das Gottesvolk („mein Volk") soll ausziehen - kurz, Entsolidarisierung. Wieder sind die Israeliten und andere Bewohner nebeneinandergestellt. Wieder wird im Untergang Babels die Beziehung zwischen JHWH und seinem Volk unterstrichen: 50,6 und 51,45 sind die beiden einzigen Stellen in Jer 50-51, an denen der Ausdruck 'DU - „mein Volk" vorkommt. Bei lebt, aber die Mauern Babels, wenigstens sie sind gefallen (51,44). Daß auch die Schnitzbilder heimgesucht werden (51,47), wird zur Sicherheit wiederholt (51,52).363 So drehen sich die Auseinandersetzungen im Kreis, statt so deutlich entschieden zu sein wie es 50,2 angesagt hatte. Der vielfältige Untergang scheint aus der Perspektive der Götterauseinandersetzung eine vielfaltige Untergangsrhetorik zu sein, eher von Wünschen und weniger von Fakten geprägt: Religion wird hier in ihrem übermäßig performativen Charakter offenbar. Anhand des Themas Babylon kommen neben den eben behandelten Aussagen auch unter der Hand Zuschreibungen Babels in den Blick, die einiges über judäische Religion aussagen: tatsächlich läßt die vor langer Zeit geäußerte Vermutung, "^"HC - „Merodach" sei deshalb so ungewöhnlich punktiert, weil es mit den Vokalen von HUT - „Adonai" versehen sei,364 diese bei362 CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 847f, verweist auf die mythologischen Bilder: daß die brutale Zerstörung Judas Babylon als Drachen dastehen lasse, dazu gehört auch die vielen Metaphern zu „Wasser" (51, 36.42.44). 363 51,52f wird häufig als Doublette zu 51,47f gestrichen, z.B. von HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 408. 364 (Hinweis bei HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 391 auf:) PERLES, Babylonisch-biblische Glossen, S. 129: „Die auffallende Vokalisierung ""[TIC für Marduk erklärt sich wahrscheinlich aus dem Bestreben, die Aussprache des heidnischen Götternamens zu verhindern [...]. Ueberraschend ist nur, dass wir hier in ""¡"HG dieselben Vokale von vor uns haben, die man auch den Buchstaben m i r lieh, um die Aussprache des Tetragrammaton zu verhüten." Dabei ist weniger die Wahrscheinlichkeit hoch, daß ausgerechnet die Vokalisation der beiden Schreibweisen aufeinander abgestimmt sei, sondern die Tatsache frappant, daß dies für Forscher und Forscherinnen denkbar ist.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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den Gottheiten stärker verschwimmen als es einem solchen Kriegstext lieb sein konnte. Daß der Gott Babels und der Gott Israels gleich lauten, kommt dann zu dem Umstand hinzu, daß Jerusalem (Jer 6,22-23) und Babylon (50,41^12) von demselben Feind angegriffen werden und dieselbe Reaktion der Ohnmacht zeigen (6,24; 50,43). Und wieder ist die Frage aufgeworfen: Wer ist Babylon? Diese Frage wird umso dringlicher, weil Babylon in 51,25 als nT!2ton ~lil - „Berg des Verderbens" bezeichnet wird.365 Genau dieser Name kommt nämlich noch einmal fur eine Lokalität vor, der Berg liegt rechterhand von den Höhen östlich von Jerusalem, die Salomo für Gottheiten Sidons, Moabs und Ammons gebaut und die Josia dann zerstört hatte (2Kön 23,13).366 Nun kommt zur Frage, wer oder was Babylon sei, noch hinzu: Wo liegt Babylon?
2.3.3.5. Namen Im Alten Orient haben Sprache im allgemeinen und Namen im besonderen eine weit tiefere Bedeutung als in der westlichen Kultur der Moderne. „In the culture of ancient Israel [...] while words indeed did constitute the medium of interpersonal communication and expression, the words were not perceived and thought of as exchangeable symbols or representations of their sensible referents, but rather as those referents themselves - the palpable objects, the ,real' and perceptible actions and events, the sensible relationships and interactions - in the concentrated form of words."367 365 HARTBERGER, Psalm 137, S. 37f, übersetzt mit Jer 4,6f „Berg des Verderbers" und unterstützt dieses Verständnis mit babylonischen Königsinschriften Nebukadnezars, der sich seiner Stadt als Berg des Lebens rühmt. Da die Bezeichnung nTKÖD i n im trntDO gerade motivlich so im Jeremiabuch geprägt ist, halte ich einen Bezug zu babylonischen Selbst-Attributen zwar für möglich, aber nicht zwingend. Das Verständnis „Verderber" statt „Verderben" würde den Ausdruck personalisieren. Ein solches Besitzverhältnis (Babel als Attribut des Königs) wäre an dieser Stelle singulär im Gesamttext ausgedrückt. BELLIS, Structure, S. 153f, sieht in diesem Berg die Zikkurat Esagila bezeichnet, da Babylon in einer Ebene liege und die Esagila die höchste Erhebung der Stadt und Gegend sei. Nach REIMER, Oracles Against Babylon, S. 220f, ist mit dem "Berg" eigentlich auf einen Tempel angespielt, was man eben an 2Kön 23,13 sehen könne. Die Einebnung des Berges bezeichnet somit die Zerstörung babylonischer Kultgebäude und die Abtragung ihrer Ziegel. McKANE, Jeremiah, ICC, S. 1314-1316, gibt noch eine Reihe anderer Erklärungsversuche wieder, z.B. daß der Berg eigentlich die babylonische Hybris symbolisiere wie in Jes 14,13 (VOLZ) oder die weltbeherrschende Stellung (STREANE). Nach DUHM, Jeremia, KHC, S. 370, hatte der Autor von Jer 51,25-26 weder Kenntnis von der Topographie des historischen Babylon noch von Gen 11,3, das eine Lokalisierung Babels in der Ebene voraussetzt. 366
Targum z.St. bietet „Berg der Salbung" (tVITT "YIQ), also wohl nachmalig „Ölberg", und kann damit den eigentlichen und in 2Kön 23,13 verballhornten Namen des Berges bewahrt haben oder aus Gründen der Salomo-Ächtung den desavouierenden Namen neu erfunden haben - was allerdings unwahrscheinlich ist. S. dazu HARTBERGER, Psalm 137, S. 39. 367 RABINOWITZ, A Witness Forever, S. 3.
434
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Entsprechend der hier vertretenen Hypothese, daß in Jer 50-51 die Identität Babels diskutiert wird, spielen Namen eine große Rolle, und zwar von einer Reihe von Größen. „Babel" wird im Text - anders als in den übrigen Babeltexten - besonders häufig genannt, statistisch mit 55 Nennungen in jedem zweiten Vers. In Jer 50-51 also nennt JHWH seine Gegnerin beim Namen - zusätzlich zu den Verdrehungen.368 „Babel" hat damit genau einen Beleg mehr als „JHWH" (54). Und doch: alle drei Belege des Wortes ¡130 - „Name" gelten dem Bekenntnis zu Gott: TO rntOS m r r (Jer 50,34; 51,19.57 und übrigens auch Jes 47,4). Im Text kommen 32 verschiedene Eigennamen vor. Bei der Verteilung fallen aber einige Charakteristika auf. Namen, die sich auf JHWH, sein Volk und Land Israel, einzelne geographische Angaben oder Personen beziehen, sind mit 16 verschiedenen569 genauso häufig wie Namen, die zum Bereich Babel und dem Bereich (anderer) Fremdvölker gehören zusammen. Dieser große Variantenreichtum von Eigennamen des Bereichs Israel verweist erneut darauf, daß mit der Identität Babels auch die eigene Identität erarbeitet wird. Die Fremdvölker teilen sich in zwei Gruppen: zweifelhafte Vorbilder Babels mit Assur (50,17), Sodom und Gomorra (50,40) und Reiche, die gegen Babel heraufziehen wie Medien (51,11 u.ö.), Ararat, Minni und Aschkenas (51,27). Die Namen für Babel wiederum sind der König Nebukadnezar (50,17; 51,34), die Gottheit Bel/Merodach (50,2; 51,44), sowie Babel370, Chaldäa371 und Euphrat (51,63). Zu letzteren tritt aber eine größere Gruppe von Schandnamen: Meratajim (50,21), Pekod (50,21), Scheschach (51,41) und Leb kamai (51,1). Die Benennung einer Person oder einer Sache ist Ausdruck des eigenen Machtbereichs. Deshalb wurde z.B. eine Stadt nach der Eroberung neu benannt (Num 32,41f; Ez 39,16 u.ö.) und eine Person nach ihrer Gefangennahme (Dan 1,7 u.ö. 2Kön 23,24; 24,17). Deshalb ändert Gott auch die Namen der Voreltern Israels, z.B. Abram (Gen 17,5), Sarai (Gen 17,15) und Jakob (Gen 32,29): sie haben sich Gott unterstellt. So ist „Babel" ständig zu sagen und ihm/ihr Schandnamen zu geben, ein Versuch auf sprachlicher Ebene, Babel zu besiegen. Genauer betrachtet aber stellen sich erneut Schwierigkeiten mit der Eindeutigkeit ein: Babel wird mit 368
c.
S.u. Israel (Jer 50,4.17.18.19.20.29.33; 51,5(bis).33.49), Juda (Jer 50,4.20.33; 51,5.59), Carmel (50,19), Basan (50,19), Ephraim (50,19), Gilead (50,19), Jerusalem (51,35 u.ö.), Zion (u.ö.), Jordan (50,44), Jakob (51,19), JHWH (u.ö.), Jeremia (50,1; 51,59.60.61.64), Serajaben Neria ben Machseja (51,59), Zedekia (51,59). Es sind vierzehn Größen, mit dem doppelten Patronym Serajas sechzehn Namen. 370 50,1.2.8.9.13.14.16.17.18.23.24.28.29.34.35.42.43.45.46;51,1.2.6.7.8.9.11.12(bis). 24. 29(bis).30.31.33.34.35.37.41.42.44(bis).47.48.49(bis).53.54.55.56.58.59.60(bis).61.64. 371 50,1.8.10.25.35.45; 51,4.24.35.54. 369
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
435
zwei Schandnamen belegt. Aber sie existieren wirklich. DTnO - Meratajim „doppelte Widerspenstigkeit" bezieht sich auf Marratu: „either in the Persian Gulf or a lagoon area near the mouth of the Tigris and Euphrates, or both"372, und "HpD - Pekod - hebräisch „Heimsuchung" ist der Name des aramäischen Stammes Puqudu,™ der auch in Ez 23,33 vorkommt."4 Schand- und Spottnamen kommen für Babel insgesamt häufig vor. CTl^ÖI ]2TD - „Doppelschlechtigkeit" ist der Name des babylonischen Königs, der in Ri 3,8 die Israeliten beherrschte. Dazu kommen spottende und schandhafte Titel, mit denen Babel belegt wird, „Übermut" (50,31) und „Berg des Verderbens" (51,25). Der König von Babylon wird in Jes 14,4 „Treiber" genannt und wohl Babel selbst in Jes 21,1 proleptisch wie auch wenig schmeichelhaft „Wüstenmeer". Was aber ist ein Schandname? Wie bei anderen Worten ist auch die Bedeutung von Namen vom Kontext abhängig. Und so machen die Scheiternsund Untergangstexte die einstigen Ruhmesnamen und -titel zum Hohn, der „Hammer der ganzen Erde" (50,23) zerbirst, die „Glorie der ganzen Erde" (51,41) ist ergriffen. Der auf der Erde zerschmetterte König, gefallen, verachtet und verspottet, wird noch angeredet als „Morgenstern, Sohn der Morgenröte" und als „Besieger der Völker" (Jes 14,12). Die Stadt wird nach und in der kompletten Eroberung und Tötung allen Lebens mit „Zierde der Königreiche, Ruhm für die Herrlichkeit der Chaldäer" (Jes 13,19) benannt. Proleptisch ist der Titel „Verwüstete" für die Tochter Babel (Ps 137,8). Namen und Titel werden in Jes 47 derart thematisiert, daß sie gegeben und genommen werden, in der Zitierung der bald einstigen Titel „Herrscherin über Königreiche" (Jes 47,5), „Zarte und Weiche" (Jes 47,1), „Wonnige, sicher Sitzende" (47,8) im Gegenüber zum Sklavinnenbild, das Babel bald abgeben werde, wird die gesamte Fallhöhe ausgebreitet. In Gen 11 wird dann der „richtige" Name Babels zum Schandnamen, insofern ihm eine beschämende Ätiologie gegeben wird. Der Name Babels aber wird noch zur Schande seines/ihres Königs: in Dan 4 blickt Nebukadnezar von seinem Palast aus über die Dächer der Stadt und sagt: „Ist es nicht: diese ist die große Babel, die ich erbaut habe zum Königshaus in meiner Stärke und meiner Kraft und für meine Ehre und meine Majestät!" (Dan 4,27). In diesem Moment wird ihm, wie zuvor prophezeit, sein Königreich genommen, er wird aus der Gemeinschaft der Menschen ausgestoßen und frißt Gras wie ein Tier. Dieser Wahnsinn Nebukadnezars wird
172
HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 418. KBL3, S. 903; ANDRÉ, Art. i p s , Sp. 720. 374 Allerdings weist MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1273f, zurecht darauf hin, daß antike Übersetzungen beide Begriffe nicht als Ortsnamen verstehen, und das durch die dann doppelte und deswegen grammatisch falsche Determination von CT~IQ f~lNn b s (50,21a) noch gestützt wird. Er selbst aber bleibt nach ausfuhrlicher Forschungsdiskussion doch beim Verständnis dieser Ausdrücke als Ortsnamen. 373
436
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
erst dann von JHWH beendet, wenn er statt der Größe seiner Stadt Babel und seiner selbst die Größe Gottes anerkennt. Das ecce Babel soll der Erkenntnis Gottes weichen (Dan 4,22f.31-34). Von Spottnamen zu unterscheiden sind Atbaschim (51,1.41): Atbaschim belassen den eigentlichen Namen, verdrehen ihn aber, sozusagen arbeitet ein Atbasch primär am Formalen des Namens, ein Spottname primär an seinem Inhalt. In Jer 50-51 liegt für Babel beides vor, es sind zwei Atbaschim: das - „Scheschach" aus Jer 25,26 wird in 51,41 wiederholt, und in 51,1 ist , Dp - 1 - „Herz meiner Gegner" ein Atbasch von - „Chaldäer". Auch diese Bezeichnung kann Bezug zu einem anderen Text haben, so erwägt Steiner, daß mit dem Atbasch in Jer 51,1 das Bild in Ps 45,6 "TIK 2^(2) „Herz der Feinde des Königs" aufgerufen wird.375 Noch anders sind Anagramme, Meyers und Meyers sehen in der Benennung der Frau in der Tonne rfUÖin - „die Unrechtmäßigkeit" (Sach 5,8) ein Anagramm von mttft* - Aschera, also dem Namen der Göttin."6 Alle diese Umbenennungen haben auch zur Folge, daß der Name eine Prophezeiung enthält, die auf die Namensträgerin zurückfällt: weil sie so heißt, wird sie das entsprechende Ergehen ereilen. Der performative Charakter der gesamten Prophezeiung wird durch die Schandnamen und Atbaschim noch unterstrichen. Außerdem fügen die sinnhaften Neubenennungen Babels, Chaldäas etc. zu dem bereits bestehenden System von Ähnlichkeiten und Konnotationen jeweils weitere Ebenen hinzu. So vervielfacht sich der Sinn des Textes. Auch stärken die geheimen Namen der Atbaschim Babels Konotation als Ort und Größe von Magie und mehr als nur militärischer Macht. So nimmt es nicht wunder, daß in der Apokalyptik „Babel" ein fester Bestandteil wird und einen mysteriösen Klang erhält. Daß „Babel" Widersprüche in sich vereinigt, wird auch im bezug auf die Drohungen deutlich, die es/sie an ihren/seinen Namen treffen soll: neben den Umbenennungen, Schandnamen und Namensverdrehungen steht die Drohung, daß der Name Babels ausgerottet werde. Die königliche Babel verliert ihre Titel (Jes 47,1.5), über den König Babel heißt es „nicht soll genannt werden in Ewigkeit der Same der Bösen" (Jes 14,20). Für Babel als ganzes ist die Drohung - einmal wieder - hyperbolisch: Der Vers Jes 14,22: „Und ich komme über sie (m.pl), Spruch JHWHs Zebaoth, und ich rotte aus von Babel Name und Übriggebliebenes, Sproß und Nachkomme, Spruch JHWH", betont die kaum zu überbietende oder rückgängig zu machende Vollständigkeit der Vernichtung. Mit der Drohung, daß ihr Name ausgerottet werde, erfährt Babel nicht nur eine der nachhaltigsten Anthropomorphisierungen, sondern auch eine Vermännlichung: der Fortbestand des Namens war im alten Israel der Fortbestand des pater familias. Dies allerdings zeigt wieder, daß „Babel" simple Geschlechtszuschreibungen übersteigt. 375
376
STEINER, TWO Sons ofNerijah, S. 8 1 ARNN. 2 8 . MEYERS, Meyers, Zechariah 1-8, AncB, S. 303.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50- 51
437
2.3.3.6. Die Untergänge - Vielfalt der Verwüstung und Monotonie des Verwüsteten Ein Zweck des ganzen Textes ist die Ausmalung des babylonischen Untergangs. Darin wird deutlich, welches Bild von Babel vorherrscht, aber auch, wie der Text eine Summe der jeremianischen Untergangsphantasien Judas und der (anderen) Fremdvölker in Babel konstruiert377 sowie eine Summe aller Babeltexte in diesem Babeltext. Bereits jetzt ist deutlich: der baldig geschehene Untergang ist eines der Hauptkennzeichen Babels. Wie schon in Jes 13; 21; Jer 25; Ps 137 und angedeutet in Jes 47 wird dieser Untergang durch Krieg vollzogen. Und wie schon in Jer 25; Jes 47,15 ist ein erster Schritt dazu die Trunkenheit der Bewohner und Führungspersonen: „Wenn sie glühen, werde ich ihr Gelage bereiten, und sie berauschen, damit sie sich freuen/frohlocken und (dann) einschlafen - einen Schlaf der Ewigkeit und nicht mehr aufwachen, Spruch JHWH. Ich führe sie hinab wie Lämmer zum Schlachten, wie Widder mit Bökken." (Jer 51,39f)
Es sind drei aufregende Gemütszustände bezeichnet: glühen,378 sich berauschen, fröhlich sein. Ihr Zusammenwirken mit Wein scheint auf die Dauer so anstrengend, daß die Beteiligten erschöpft einschlafen. Es wird ein Festmahl geben, in dessen Folge alle betrunken sind bis zur Betäubung - und in Todesschlaf fallen, weil sie wie die Lämmer zur Schlachtbank geführt wurden.379 Dann erfolgt in 51,57 noch einmal ein ähnlicher Satz: „Und ich mache trunken ihre Fürsten und ihre Berater, ihre Statthalter und ihre Stellvertreter; und ihre Helden schlafen ein zum ewigen Schlaf, und sie wachen nicht mehr auf, Spruch des Königs, JHWH Zebaoth ist sein Name." (Jer 51,57).
Hier stellt die Aufzählung babylonischer Honoratioren unter Ignorierung des Königshauses Babylons mit der Verkündigung von Gottes Königtum („Spruch des Königs JHWH Zebaoth ist sein Name") mehreres klar: Gott und niemand sonst ist Herrscher. Es besteht ein großer Abstand zwischen dem Herrn der Heerscharen, dem König, der zugleich der Verwüster ist, und 377 Die Zahl der geprägten Wendungen und deren Variationen z.B. der sog. Katastrophenformel im Jeremiabuch, ist so hoch, daß sogar die Konkordanz Stipps sich hier auf wenige Formulierungen begrenzen muß, s. STIPP, Konkordanz, S. 158f. 378 DOn ist Ausdruck für das Brennen von Feuer (Jes 44,15.16; 47,14) oder Sonnenhitze (Gen 18,1; Ex 16,21; lSam 11,9.11; 2Sam 4,5), es ist die Wärme für David (lKön l , l f ) und das tote Kind Elisas (2Kön 4,34), aber auch Wutbrand (Dtn 19,6), Aggression (Hos 7,7) und Wollust (Jes 57,5). 379 Das Verständnis vom ITB hat theologische Konsequenzen. HARTBERGER, Psalm 137, S. 48, versteht rvtö im zeitlichen Sinn von „anberaumen" im Sinn von Hos 6,11. Diese Bedeutung scheint mir bei keiner der beiden Stellen zwingend. Wenn Gott dieses Gastmahl und damit die Vernichtung lediglich anberaumt, legt er damit Ort und Zeit fest, er kündigt es an. Bleibt man bei der Grundbedeutung „aufstellen, legen, bereiten", dann ist Gott erheblich direkter beteiligt.
438
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Amtsträgern wie Fürsten, Beratern, Statthaltern und Stellvertretern. Auch hier fuhrt die Trunkenheit zu Passivität und Schlaf. Der Weltkrieg, wie er m.E. noch durch die Trunkenheit in Jer 25 ausgelöst wurde, ist vorbei. Die (letzten) Aggressoren werden nun getötet. Der Ausmalung des Untergangs soll im folgenden nachgegangen werden anhand der Punkte: der Angriff JHWHs in Gestalt seines Heeres, seiner selbst und in Gestalt von Naturkatastrophen; die metaphorische und buchstäbliche Vielfalt der Verwüstung; die Monotonie des Verwüsteten; die Rhetorik von Niederlage, Beschämung und Entblößung. Auch hier werden viele Bilder addiert und kombiniert. Der Angriff JHWHs in Gestalt seines Heeres, seiner selbst und in Gestalt von Naturkatastrophen Die Zerstörung Babels geschieht durch den Angriff eines übermächtigen Heeres. Es ist das Volk aus dem Norden (50,3.9.41). Zugleich sind es Fremde (51,2.51), viele Völker (50,28), große Völker (50,9) zusammen mit den Königen von Medien (51,11.28). Die Meder sind hier wie schon in anderen Texten (Jes 13,17; 21,2) der typische Feind Babels. Ihre Könige werden nun zum Sturm auf Babel animiert (51,11.28). Gerade ihre Mehrzahl ist auffallend. In 50,41 reitet das Volk aus dem Norden gegen die Tochter Babel, und einer der wenigen Unterschiede zur Doublette in 6,22-24 ist, daß es zusätzlich zum „großen Volk" auch „viele Könige" sind. Sie stehen im Gegensatz zum einzelnen König von Babel.580 Zusätzlich sollen Pferde, Tafel Schreiber, Völker und die Königreiche Ararat, Minni und Aschkenas zum Sturm gesammelt werden (51,27). Sie kommen von den Seiten der Erde (50,41), sind stark, grausam und einig (50,42). Sie erschießen die Verteidiger schneller als diese ihre Rüstungen anlegen können.381 Sie werden immer wieder in Schlachtordnung kommandiert, zu den Waffen gerufen, zum Töten aufgefordert (50,1416.21-23.29-30; 51,11-12.27-28), das Schlachtzeichen soll erhoben werden (50,2; 51,12.27; Jes 13,2). Der Angriff also ist bereits konkret, die Übermacht groß und doch erscheint es so, als bräuchte es viele Anläufe zum Angriff. Aus einer Beobachterperspektive spricht 50,41-43, aus der Perspektive des Befehlshabers JHWHs 51,1-4. Sie sind die Werkzeuge Gottes (50,25), Erntehelfer (50,26; 51,2), Teil von Gottes Plan (51,11), sie sind die neue Waffe in der Hand JHWHs (51,20-24). Dabei ist die Bezugslosigkeit des Hammerliedes (51,20-24) wohl nicht zufallig - durch das Präsens der Verbkonjugation und der Nennung von Babel als Opfer (51,24) kann dieser Hammer nicht Babylon sein, war es aber vormals (50,23):382 es hätte sich in den ersten Ver380 Interessanterweise ist genau dies eines der Details, die in LXX und Syriaca nach BHS anders sind, in 51,11 und 51,28 steht bei ihnen singularisch „der König von Medien". 381 So nach der Analyse des Verses von HARTBERGER, Psalm 137, S. 21. 382 Anders HARTBERGER, Psalm 137, S. 115f.
B.1V.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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sen auch auf Babel beziehen können und Jahrzehnte vorher auf Assur; die Werkzeuge Gottes sind austauschbar.383 Es sind Heere von Völkern, die buchstäblich wie metaphorisch instrumentalisiert werden. Gott und seine Werkzeuge aber wirken dasselbe: sie sind die Verwüstenden (51,48.53) wie JHWH der Verwüstende, der "Htö ist (51,55.56) - wie schon in Jes 13. Während aber in Jes 13 die Angreifenden übermächtig durch ihre Ungreifbarkeit, nachgerade übermenschliche Geisterhafitigkeit waren,384 sind die Angreifenden hier vor allem mächtig in ihrer heterogenen Vielzahl. Auch besteht ein Unterschied zwischen diesen Heeren, denen aus Jes 13 und dem babylonischen Heer aus Jer 5,15—17:385 in Jer 5,15-17 wird die kulturelle Differenz zwischen Angreifenden und Angegriffenen betont, es ist überhaupt von Kultur, Geschichte und Sprache die Rede (5,15). Auch ist das babylonische Heer, wenngleich todbringend (5,16), weder unmenschlich noch übermenschlich (Jes 13) noch überzählig übermächtig (Jer 50-51), sondern hauptsächlich unersättlich (5,17).386 Dazu kommt - JHWH ist Herr über die Schöpfung - die Naturalisierung der Krieger, die Vorstellung, diese Krieger seien wie Heuschreckenplagen (51,27) - so viele, so unbesiegbar und so sehr dem Willen Gottes unterstellt. Ihre Stimmen sind wie das Rauschen des Meeres (51,42), zugleich unendlich viele und doch eine (51,42). Dies erinnert an die Szenerie in Joel, wo die angreifenden Krieger Gottes verglichen werden mit Pferden (Joel 2,4f), und die Heuschrecken, die das Land verwüstet haben (Joel 1,4), als Gottes Kraft bezeichnet werden (Joel 2,25; l,6f);387 diese Plage aber richtete sich gegen Zion.388 Auch die babylonischen Krieger in Jer 5,15-17 werden naturalisiert 383
HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 405-407, begründet ausfuhrlich und plausibel, warum Babel hier nicht als Hammer angeredet ist; anders als in meinem Verständnis aber sieht er Israel als neue Waffe zum Kampf gerufen, seine Begründungen sind mit den Verweisen auf Jes 41,15; Jer 50,6.8; 31,21 f; 51,9f sowie mit dem Verständnis Israels als Feind aus dem Norden (ebd., S. 415) aber m.E. nicht treffend. In diesen Versen ist m.E. von anderen Sachverhalten als einem bewaffneten Kampf Judas gegen Babel die Rede. BELLIS, Structure, S.140, kann sowohl das Präsens (sie übersetzt sogar futurisch) als auch Babel als Angeredete belassen, indem sie konstruiert, dieser Ausspruch sei in der Vergangenheit von JHWH an Babel gerichtet worden und eben als vergangenheitliches Zitat von damals Aktuellem in diesem Text gedacht. Dafür trennt sie dann 51,24 vom Vorhergehenden ab (ebd., S. 141 und ausführlich S. 145-150). MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 131 lf, bleibt bei dem Verständnis, daß Babel der Hammer sei, daß dies (V.21-23) mehr der Vergangenheit angehöre und daß V. 24 einen Gegensatz dazu bilde, das einleitende 1 mithin als „aber/but" zu übersetzen sei. 584 e¡ 5 .„0 . 385
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S.o. 386 Dies ist überdies auch ein Unterschied zwischen der Beschreibung des assyrischen (Jes 5,26-29) und des babylonischen Heeres (Jer 5,15-17). 387 Oft werden Joel Kap. 1 und 2 als verschiedene Texte behandelt, in Joel 1 geht es um eine lokale Heuschreckenplage, in Joel 2 um eine universal-apokalyptische Katastrophe (s. WOLFF, Joel, BK, S. 6 u.ö. und BERGLER, Joel als Schriftinterpret, S. 151). 388 Es ist ein Beispiel für die oben angeführte Metametaphorik, wie in Nah 3,15-17 das Ninive vernichtende Feuer und die Ninive prägende Händlerzunft mit der Vernichtung und Vermehrung und dem Verschwinden von Borstenheuschrecken verglichen wird.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
oder präziser versachlicht: außer in Hi 12,19 kommt nämlich das Attribut - „dauerhaft" (5,15) nur noch für Häuser, Waffen und Naturerscheinungen vor. Gleichzeitig zur Instrumentalisierung von Menschen werden die Waffen personalisiert. Dieses Phänomen ist in Teilen durch die Eigenheiten der hebräischen wie auch vieler anderer Sprachen bedingt, aber diese Eigenheiten sind ja auch bemerkenswert. Die Besonderheit der Kriegswaffen JHWHs hatte sich schon beim Motiv der Trunkenheit herausgestellt. Die Pfeile Gottes machen unfruchtbar/Fehlgeburten (50,9).389 Mit den Pfeilen soll man, wenn es gegen Babylon geht, kein Mitleid haben (50,14).390 Das Schwert kommt (Jer 4,10; 5,12 u.ö.), macht kinderlos (Dt 32,25; lSam 15,33; Jer 18,21; Klgl 1,20), ihm werden die Frevler übergeben (Jer 25,31). Das Schwert frißt (2Sam 2,26; 18,8; Jes 1,20; Jer 12,12; 46,14; Hos 11,6 u.ö.), als Trost muß gelten, daß es bald diesen, bald jenen frißt (2Sam 11,25). Seine Schneide ist sein Mund (HS),3,1 aber auch das Feuer frißt Menschen (Jes 9,4; Jer 50,32). Das Fressen wiederum - das sei unterbrechend bemerkt - taucht an einigen Stellen immer wieder auf: Feinde fressen ihre unterlegenen Gegner (Jer 50,7.17; 51,34), Nebukadnezar frißt Israel (Jer 50,7.17; 51,34), es sind die Reste, die der König von Assur übriggelassen hatte. Nun fressen die Eroberer Babylon bis zur Sättigung (Jer 50,10). Danach fressen wohl Vögel die Leichname der Besiegten (Jer 25,33).3,2 Wenn dann im Untergang Babylons Israel wieder seine Hirten und seine rechte Weide findet, sollen auch sie wieder satt werden in Basan und Gilead (Jer 50,19). Die Personalisierung des Schwertes zieht sich durch alle biblischen Texte. In wenigen biblischen Texten ist das Schwert ein einfaches Gerät. Häufig agiert es scheinbar autonom: In 50,35 (und 25,29) wird das Schwert über die Chaldäer gerufen. Es richtet Schrecklichkeiten an. Hier wird von keiner Hand gesprochen, die das Schwert führt, sondern es tötet allein. Die Verheerung des Schwertes ist unausweichlich: das drückt 50,16 aus, indem das Schwert mit 389 Hier allerdings wird von einigen Exegeten und Exegetinnen wegen der syntaktischen Bezugslosigkeit emendierend oder ändernd in den Text eingegriffen (z.B. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 820 u. 822). Die Übersetzung von BELLIS, Structure, S. 25 („Not an arrow is withdrawn unsated"), wertet die parallele Syntax zu lKön 13,4 stärker als raeine, erklärt das Beschriebene aber als ähnlich brutal: „not a single arrow is withdrawn from the body of the dead enemy and returned to the quiver without having first drunk deeply from the blood of the enemy and killed him." 390 Es ist ein Hinweis darauf, daß jeder Pfeil tödlich trifft, wenn die Angreifer gleichermaßen kein Mitleid mit dem Pfeil (50,14) und dem getroffen Jugendlichen (51,3) haben sollen. 391 Zum Überblick über die Bibelstellen und Verwendungsweisen s. KAISER, Art. DTI,
b e s . S p . 1 7 3 f , u. HÄUSL, B i l d e r d e r N o t , S . 1 2 6 A n m . 6 7 . 392
Die Metapher vom Fressen scheint im Hebräischen nicht besonders gewagt zu sein, wenn man neben der Rede vom Fressen des Schwertes auch beachtet, daß z.B. das Verb v b I sowohl „verschlingen, schlucken" als auch „zugrunde richten" bedeutet.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
441
dem Ausdruck "'DD - „Angesicht" mit demselben Ausdruck versehen ist wie die Zivilisten in ihrer Fluchtbewegung HJS - „sich wenden". Ihr Versuch ist, sich davon wegzuwenden Qf2), wo man sich doch im Grunde der Wortbedeutung nur zuwenden kann.393 Die Autonomie, die Eigengesetzlichkeit des Schwertes stand in Jer 25 ebenfalls deutlich im Vordergrund,394 das Schwert wird zwischen die trunkenen Völker geschickt (Jer 25,16.27), es wird gerufen gegen alle Erdbewohner (Jer 25,29), und JHWH übergibt dem Schwert die Frevler, Frevlerinnen (Jer 25,31). Aber auch in Jes 13,15 fallen die Opfer durch das Schwert, nicht durch die Angreifer. So autonom war einst auch das Schwert des Königs von Babel gewesen (Ez 21,23-32). Die gebotene Zeichenhandlung für des Königs Entscheidung, gegen Jerusalem zu ziehen, endet mit den Worten: „Zu Verkehrung, Verkehrung, Verkehrung will ich sie machen - auch dies wird nicht bleiben: bis der kommt, der (im) Recht ist, dem will ich es geben" (Ez 21,32) Am Ende, ganz am Ende wird aber die Flucht vor dem Schwert zumindest ein geistiges Ziel haben: „Flüchtlinge vor dem Schwert: lauft, bleibt nicht stehen! Gedenkt JHWHs aus der Ferne, Jerusalem möge aufsteigen in eure Herzen." (Jer 51,50) Daß die Wirkung des Schwertes p"lil von der Wurzel T T ! ) schrecklich ist,395 wird in der Homonymie mit der Wurzel I - „ veröden, verwüstet werden" sinnfällig (Jer 50,21.38; 51,36; 25,9.11.18),396 so daß die Homonymie genau diejenigen Konnotationen weckt, die als Ergebnis des Krieges in Worte gefaßt sind: Dürre (50,38; 51,36 Tin), Verheerung (50,21), Trümmer (Jer 25,9.11.18) und die ganze Monotonie der Verwüstung (s.u.). Als sinnhafter Fehler3'7 oder als Behauptung einer Analogie398 sind im Schwertlied beide nebeneinander gestellt und verkehren die Zustände: das Schwert zu den Lebewesen und Zivilisationsprodukten (50,36-37) und Dürre zum Wasser (50,38). Die Werkzeuge Gottes sind dabei in ihren Graden an Autonomie verschieden. Wenn also zum Behufe einer blutigen Ernte JHWH die Werkzeuge seines 393 C"S - „Angesicht" bezeichnet in seiner Grundbedeutung die Vorderseite des Kopfes, das Gesicht oder „die dem Betrachter zugewandte Seite eines Gegenstandes, eines Gebietes, einer Menschenansammlung" (VAN DER WOUDE, Art. C]2, Sp. 442f) und wird von hier aus vielfach übertragen verwendet, s. dazu VAN DER WOUDE, Art. D'JS. Gleichwohl kommt CDS auch häufig in Redewendungen vor, in denen vom Abwenden des Gesichts die Rede ist, z.B. Mal 1,9; Hi4,15. 194 e „ S.o. 395 S. auch das Verb m n II - „verheeren" in Jer 50,21.27. 396 Nach KBL3, Bd. 1, S. 335 und KAISER, Art. m n , Sp. 160, sind die Wurzel m n I von der Wurzel II von der das Substantiv TTT - „Schwert" abgeleitet ist, zu trennen. 39 ' Die lectio facilior DT1 - „Schwert" bieten die Rezension des griechischen Textes nach Origenes und Lucian sowie Syriaca, s. BHS z.St. Zum neuesten und ausfuhrlichsten Forschungsbericht s. MCKANE, Jeremiah, ICC; S. 1287-1291, bes. 1290f. 398 BELLIS, Structure, S. 79 Anm. 9, verweist darauf, daß in einigen Aufzählungen des AT das letzte Element variiert wird (Gen 1; Koh 3,2-8; Jes 44,24-28).
442
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Zorns aus den Vorratshäusern fuhrt, sind es menschliche oder gegenständliche buchstäbliche Funktionsträger, instrumentalisierte Menschen oder personalisierte Waffen.3" Die Rolle JHWHs ist in diesen Angriffen mehrdimensional. Tatsächlich gibt es sowohl Aussagen, daß JHWH persönlich Babel zerstört als auch daß er den Plan und Befehl zur Zerstörung gibt.400 Andere Formulierungen stehen in der Mitte: JHWH ist Bogenschütze mit unfruchtbar/Fehlgeburten machenden Pfeilen (50,9b), er ist Kämpfer (50,34), er legt Feuer an die Städte von Übermut (50,32) und wälzt den Berg zur Verbrennung (51,25). Als Befehlshaber tritt JHWH, im Text elfmal JHWH Zebaoth - „Herr der Heerscharen" genannt, an wahrscheinlich all den Stellen auf, an denen konkrete Handlungsanweisungen an die Heeresteile aufgezählt sind. JHWH schickt die fremden Worfler (51,2), er ruft das Schwert (50,35ff); es ist sein Plan (50,45; 51.11.12.29), den er auch selbst ausfuhrt, das Herr aufzureizen und hinaufzufuhren (50,9; 51,1.11) und den babylonischen Führern ein Rauschmahl zu bereiten (51,39), sie betrunken zu machen für die folgende Abschlachtung (51,57). So ist JHWH selbst Täter und Initiator, sein Zorn bewirkt die Verwüstung (50,13; 51,45), er ist der Heimsuchende (50,31) und vergilt an Babel das Böse (51,24), übernimmt die Rache für Jerusalem (51,36). JHWH aber ist es auch, der die Naturkatastrophen, die Babel heimsuchen, bewirkt. Durch die Metaphorik gehört dazu schon das heranstürmende Heer. Entsprechend Babylons Macht, der Verschränkung von Universalität und Lokalität in Babylons Untergang und somit in Babylon selbst und entsprechend dem zusammenfassenden Charakter von Jer 50-51 tauchen hier gleich mehrere, sich auch widersprechende Naturkatastrophen auf, um Babylon zu zerstören: Flutwellen (Jer 51,42), Dürre (Jer 50,38; 51,36), Erdbeben (Jer 50,46; 51,29; Jes 13,13), Vulkanausbruch/Feuer vom Himmel (Jer 50,32; 51,25.32.58; 25,32; Jes 47,14), Wind (Jer 51,1; 25,32; Jes 21,1). Aber: sind es Wasserfluten oder Heere, die gegen Babel rollen? „Denn JHWH verwüstet Babel, er rottet aus ihr aus die laute Stimme, und es tosen ihre (m.pl.) Wellen wie viele Wasser, ihre (m.pl.) Stimme macht Lärm." (51,55)w'
399
Wenn Gott eine Macht wie Assur oder Babylon, die er zuvor als Werkzeug seines Willens gebraucht hatte, nun vernichtet, ist das analog dazu, wie wenn er seine Waffen zerstört: Ps 46,10; 76,4—8 sind in Anbetracht dieser Gleichmachung von Mensch und Maschine keine Verheißungstexte. Aus dieser Logik heraus führt allenfalls die Umfiinktionierung der Geräte (Schwerter zu Pflugscharen), nicht ihre Vernichtung: die Feindschaft nicht den Feind vernichten oder mit Jesaja: „Er wird den Tod verschlingen für immer" (Jes 25,8a). 400 CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 830. 401 Auch wird der „Wind des Verderbens" (51,1) aufgereizt wie sonst nur Feinde (50,9.41; 51,11).
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
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So haben die vernichtenden Seiten der Naturerscheinungen, JHWHs und des feindlichen Heeres aneinander Anteil. Sie zusammen bewirken die Zerstörung Babylons, nichts weniger als ein Bündnis von Natur, Zivilisation und Gottheit gegen Babel.402 Die buchstäbliche und metaphorische
Vielfalt der
Zerstörung
„Aus einem Loch in der schwarz verbrannten Erde reckt sich ein Schlangenkopf Augen die sich nie schließen schweifen über die Verwüstung Allmächtige Verwüstung, totale Ausrottung Feuer ist die heiligste aller Krankheiten Feuer ist der Mutterkuchen Feuer zerstört Leben Ausrottung das Heilmittel Feuer ist die mächtigste und reinste Seuche Vernichtung lässt das Feuer lodern Heilt diese kranke Welt Wenn du Ausrotten sagst Ist alles gesagt."403
Auf einander z.T. widersprechende Naturkatastrophen von Flut, Dürre, Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Feuer wurde bereits hingewiesen. Treffen diese Plagen Babel nacheinander - wie Ägypten - oder gleichzeitig? Das Chaos des Textes gibt darüber keinen Aufschluß. Auch auf die Summierung der irdischen Heeresabteilungen, die Meder mit mehreren Königen, das Volk aus dem Norden, viele Völker, Fremde, Ararat, Minni und Aschkenas, wurde bereits verwiesen, ebenso wie auf die Gestalten Gottes. Es gibt eine ganze Reihe von Begriffen, die das Heraufziehen des Heeres und seinen Angriff bezeichnen: da ist zum Beispiel "TU? I - „aufreizen" (50,9.41; 51,1.11; Jes 13,17; 14,9; Jer 25,32). Es ist ein eigentümlicher Ausdruck, weil nicht gesagt wird, in welcher Hinsicht diese Völker aufgereizt oder aufgeweckt werden. Im kriegerischen Kontext steht ebenso kommentarlos dieser Ausdruck, wie in anderen Kontexten der Erregung. Auffallig ist die Vermengung der Bereiche Krieg und Sexualität, die schon in der Gestalt der 402 Das ist gegen den Versuch LIWAKS, Großmächte, zu halten, der die Metaphern fur (angreifende und angegriffene) Großmächte nach den Bereichen ihrer Bildspender - dominant Tierwelt, Natur, Arbeit (ebd., S. 210) - aufteilt. Dieses theologische/literarische Konzept steigert die militärische Vernichtungsmetaphorik des Assyrerkönigs Sanherib, der Babylon 689 zerstörte: „I made its destruction more completely than that by a flood. That in days to come the site of that city, and (its) temples and gods, might not be remembered, I completely blotted it out with (floods of) water and made it like a meadow" (LUCKENBILL, ARAB II §341, zit. nach ERLANDSSON, Burden, S. 125f). 403 ROLLINS, Art to Choke Hearts, S. 14.
444
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
altorientalischen Göttin Ischtar zusammenfallen. Dieses hebräische Lexem birgt gerade in seinem objektlosen Gebrauch eine ganze Anthropologie und Kriegstheologie, weshalb um des ohnehin schon chaotischen Textes willen die Diskussion hier unterbleiben muß. Der Begriff kommt an einigen Stellen gegen Babel (Jes 13,17; Jer 50,9.41; 51,1.11) und den König von Babel vor (Jes 14,9) und bezeichnet stets ein Kriegsheer (Jes 13,17; Jer 50,9.41; 51,11), kommendes Unwetter (Jer 25,32; 51,1) oder die dem König wütend entgegen rasende Unterwelt (Jes 14,9). In anderen Texten sind Heere von Völkern aufgereizt gegen Jerusalem (Jer 6,22), Oholiba/Jerusalem (Ez 23,22)m, Joram (IChr 21,16), gegen einander und das Volk Gottes (Joel 4,9.12) und den König des Südens (Dan 11,25). "TIU hif. steht besonders oft mit Gott als Subjekt und in militärischen Zusammenhängen405 und ist deshalb geeignet, den Werzeugcharakter von Heeren und Völkern auszudrücken, weil es sowohl das Ausgeliefertsein dieser Gruppe der Aggression gegenüber wie auch trotz allem ihre Verantwortung für ihr eben aktives Tun, für ihr Nachgeben gegenüber dem Reiz, zur Sprache bringt. Die Verantwortlichkeit reklamiert Gott für sich. Zugleich oder besser später können diese Völker aber genau für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden. Andere Begriffe sind (es seien nur die Verben aufgezählt) 7\bv - „hinaufziehen/ hinaufführen" (Jer 50,3.9.21.44; 51,3.16.27.42.50.53; Jes 14,8.13.14; 21,2; Ps 137,6), J U ) - „rüsten" (Jer 50,9.14.42; Jes 21,5), ¡TH - „gegen etwas sein" (51,2), bbti - „plündern" (50,10), - einnehmen (50,2.9.24; 51,31.41.56), n~D - „niedermähen" (50,16; 51,62; Jes 14,8.22), i p s - „heimsuchen" (50,18.31.44; 51,27.44. 47.52; Jer 25,12; Jes 13,4.11), CHI! - „bannen" (50,21.26; 51,3; 25,9), Cp] „rächen" (Jer 50,15; 51,36), cfrtf - „vergelten" (50,29; 51,6.24.56; 25,14), CD"! n i f - vertilgt werden" (50,30; 51,6; 25,37), p p n - „plündern" (51,2), f S ] - „zerschlagen" (51,20.21.22.23; Ps 137,9), aber auch der im Jeremiabuch so wichtige wie schreckliche Begriff PilÖ - „verderben" (51,1.11.20.25) und der für Babeltexte so wichtige Terminus T7E5 - „verwüsten" (51,48.53.56; 25,36; Jes 21,2 s. auch Jes 13,6). Die Wurzel TIÖ gilt als charakteristischer Terminus der Gerichtsprophetie,406 der bei Jeremia vorwiegend mit Bezug auf die Zerstörung einfallender Feinde an einer Stadt gebracht wird,407 und kommt auffallend häufig im Jeremiabuch und hier insbesondere in Kap. 46-51 vor.408 Er war bereits im Jesajabuch ein wichtiger Begriff und hier auch besonders im Zusammenhang mit Babylon. In unserem Abschnitt häufen sich mit den Belegen Jer 51,48.53.55.56 die Nennungen am Schluß. Dem steht Jerusalem am Anfang 404
Es sind die Liebhaber Oholibas, die aus Babyloniern und Chaldäern bestehen. ERLANDSSON, Bürden, S. 153, s. auch SCHREINER, Art. ~1U\ Sp. 1185 u. 1187. 406 GOSSE, Isaie 13,1-14,23, S. 141 u. ZAPFF, Prophetie, S. 110. 407 FREEDMAN, Welch, Art. I I S , Sp. 1074. 408 Jer 47,4(bis); 48,1.3.8.15.18.20.32; 49,3.10.28. 405
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
445
des Buches gegenüber, die als TH2) - „Verwüstete" bezeichnet wird (4,30). Es ist die einst als handelnde Macht (Jer 6,26), die jetzt ihrem TTiÖ begegnet wird (Jer 51,56). So bemerkt auch Bosshard-Nepustil im Vergleich zwischen Jesaja und Jeremia: „Es ist sehr auffällig, daß in einem Jer-Buch mit Jer *50f breit bis Jer 49 von "IIS gegen das Gottesvolk und andere Völker die Rede ist, wobei der Urheber sicherlich mit Babel zu identifizieren ist, in Jer 51,48.53.55.56 1 1 3 dann aber gegen Babel selbst gerichtet ist - eine Konstellation, die Jes 33,1 entspricht (der unbenannte Feind von 33,1 ist wohl mit Assur als Vorabbildung von Babel gleichzusetzen [...])!""'
Zugleich ist es an den meisten Stellen, an denen ~R2j vorkommt, JHWH, der ein einfallendes Heer zum Angreifen bringt, in Jer 25,36; 47,4 und 51,55 ist JHWH selbst der Verwüstende.410 Dies liegt auch in Jes 13,6 vor. Anders als in den anderen Babeltexten wird in Jer 50-51 auch T72J gesteigert, in 51,53 steht der Plural CTHÖ. Darauf, daß der Untergang in chaotischen Bilderabfolgen und -kombinationen mit dem Fehlen jeder Ordnung im Text konstruiert ist, wurde oben bereits hingewiesen. Zusätzlich drücken grammatische Fehler und Inkongruenzen das Chaos des Untergangs aus (51,20.29 und die verkehrten Zeitkausalitäten in 50,33). Der Begriff für die Zerstörung Sodoms ¡"DETTC - „Umkehrung" (50,40) deutet die Richtung an: es wird alles verkehrt, auf den Kopf gestellt. Dies ist Thema des Schwertliedes in 50,36-38: Der Krieg in Gestalt des autonomen Schwertes verkehrt alles ins Gegenteil. Schwätzer, hier wohl ein pejorativer Ausdruck für Weise,4" werden zu Toren, Helden werden mutlos, Pferdegespanne (außerhalb der Stadt?) sowie alle Menschen in der Stadt werden unterschiedslos zu Frauen, Wasser werden Trockenheit. Verkehrungen dieser Art finden sich auch im übrigen Text, hauptsächlich in der zweiten Hälfte von Kapitel 51: Löwen werden zu Lämmern (51,38-40), Helden werden zu Frauen (51,30), der Berg Babel wird zur Ruine (51,25f), Babel wird zur Wohnung von Wüstentieren (51,37), zur Wüste und Einsamkeit (51,43). Der Ruhm der ganzen Erde wird zum Entsetzen unter den Völkern (51,41). Babel trifft gleichzeitig eine Flut (51,42) und eine Trockenheit (51,43), Entsetzen aller Völker (51,41) und Menschenleere (51,43); die Schreie der Angegriffenen sind weithin zu hören (51,54) - und werden verstummen (51,55). Trotz vieler Vorräte ist das Ende so plötzlich wie ein Schnitt (51,13),412 es kommt also ähnlich schnell und unerwartet wie in Jes 47. 409
410
BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 185 ANM. 1.
FREEDMAN, Welch, Art. 11Ö, Sp. 1077. Zur latenten gender-Thematik paßt, daß 1 1 3 „sonst das ,Verwüsten' oder ,Verheeren' [bezeichnet], es kann aber auch sexuelle Konnotationen haben, so in Bezug auf Ninive in Nah 3,7" (BAUMANN, Liebe, S. 200). S. gegen eine Stadt-Frau auch Jes 23,1.14; Je 4,30; 48,20; Sach 11,2. 4 " Ähnliche Aussagen fallen als Gottesbekenntnis besonders bei Deutero-Jesaja. Hier liegt eine ähnliche Aussage als Selbstvorstellung JHWHs in Jes 44,25 vor. 412 Zu dieser textlich schwer ausdeutbaren Stelle s. MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1306f.
446
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Gleichzeitig dazu sind Bilder verwendet, deren Schrecklichkeit in der Übertragung von Krieg auf nichtkriegerische Bilder besteht, das sind insbesondere Bilder aus Zivilisations- und Alltagskontexten. Hier fallen vor allem die Erntebilder auf. In 51,33 heißt es: „Tochter Babel: wie eine Tenne zu der Zeit, wenn man sie feststampft: nur noch ein Weniges, dann kommt die Zeit der Ernte für sie." (Jer 51,33) Das Lied in 50,24-27 geht drei Bereiche der Landwirtschaft ab, in 50,24 die Vogeljagd, in 50,25-26 Getreideernte und in 50,27 das Schlachten von Großvieh. Ernte und kriegerisches Töten werden hier gleichgesetzt, indem die Handlungen umso drastischer beschrieben werden. Die beiden letzten Bereiche werden auch im weiteren Text aufgegriffen. In 50,25 ist JHWH als Landbesitzer vorgestellt, der seine Werkzeuge aus der Scheune holt, den Platz vorbereitet und die Ernte beginnt. Der Säende wird niedergemäht (50,16), ebenso wie der ganze Ort (51,62), alle sollen satt werden (50,10). Ähnlich ist das Bild vom Schlachten, während es aber in 50,27 um Großvieh geht, wird das Bild mit Kleinvieh in 51,40 noch einmal aufgegriffen. In diesen Zusammenhang gehört auch der Wortlaut des Kelterlieds (51,1519), das mit der Vorstellung vom Keltern als Bild für Blutvergießen im Krieg verknüpft wird. In diesen Versen kann es sich um ein Kelterlied handeln, weil zuvor in V.14 gesagt wurde, über Babel werde der Freudenruf des Keltertreters angestimmt. Im Lied selbst geht es vordergründig nicht um Babylon, Krieg und Vernichtung, sondern es handelt sich um ein Loblied auf Gottes Macht als Schöpfer (V.15), und Herr über das Wetter (V.16), den Unterschied zwischen Gott und Mensch (V.17), die Nichtigkeit anderer Götter (V.18) sowie die Eigenart der Beziehung zwischen Israel und Gott als Erbteil. Aber nicht nur wegen des sich durchziehenden Motivs der Getreideernte und der Weinlese hat dieses Lied seinen Platz im Text.413 Es geht hier, wie schon in 50,4f u.ö. um das Bekenntnis zu JHWH und seiner Einzigkeit, um die Neukonstituierung der Beziehung des Volkes zu seinem Gott. Dieses Bekenntnis hat diesmal nicht seinen Anlaß in der Freude über die gelingende Ernte, sondern in einem anderen Erweis seiner göttlichen Einzigkeit, dem Untergang Babels. Menschliche Kulturleistungen erscheinen als Tand, Wissenschaft als Werk von Dümmlingen aus der Perspektive Gottes - das ist ein ungeheurer Affront gegen Babel,414 der ähnlich auch in Jes 47 ausgeführt wird. 4,3 HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 405, streicht 51,15-19 als Einfügung, weil es aus 10,12-16 übernommen sei; ebenso auch MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1309. BELLIS, Structure, S. 136-139, beläßt 51,15-19 zwar im Text, aber weist nachdrücklich daraufhin, daß dieser Abschnitt mitnichten zu Jer 50-51 und sein Kernthema, den Fall Babels, passe. 51,15-19 wurde von einem Redaktor in den Text eingefügt, um eine Linie von 51,1-14, der Mangel an Glauben an JHWH und seine Macht in der Adressatengruppe, fortzuführen: JHWH ist Schöpfer der Welt und damit eigentlicher Herrscher über die Natur, er bringt Vernichtung (51,1), aber auch Nahrung (51,15-19), so daß hier ein Kreis geschlossen wird. 414 Hier ist m.E. auch der Grund zu suchen, warum dieses Lied auch in Jer 10,12-16 zitiert wird. Dort ist das Lied in eine Rede gegen die Religion anderer Völker und die Machtlosigkeit anderer Götter eingebettet. Zum Vergleich der beiden Texte und dazu, welcher Vision die historische Priorität eingeräumt wird, s. HARTBERGER, Psalm 137, S. 29-33.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
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Zum Keltern als Bild für Blutvergießen sei aus der Perspektive des Trunkenheitsmotivs und der Aufnahme durch die Johannesoffenbarung ein kurzer Exkurs gegeben: Für die Kelteranlage gibt es im Hebräischen drei Begriffe 45 pp\ r^, miS). ' Wein keltern und Trauben treten kommt neben beiläufigen Nennungen416 zunächst in positivem Kontext und positiver Konnotierung vor, weil es eine Ernte ist (Dt 16,16), also eine Zeit, die Gottes Segen an die Menschen signalisiert (Spr 3,10) oder in als schön verheißenen Zeiten signalisieren wird (Joel 2,24). Deshalb ist der Keltervorgang begleitet von fröhlichem Gesang und Festivitäten mit anschließendem Dankfest für Gott (Ri 9,27), dies ist der Anlaß für das Laubhüttenfest (Dt 16,16). Von dieser Ernte gibt man daher Steuern an den Tempel (Num 18,27.30), sie ist ein Zivilisationssymbol (Joel 2,21-24; 2Kön 6,27), deren Produkte deshalb den freigelassenen Sklaven mitgegeben werden (Dt 15,14). Entsprechend bedeutet die ausbleibende Weinernte wie ein Ausbleiben des Festes den Entzug von Gottes Segen (Hag 2,16) oder seine Strafe (Hos 9,2). Die Mühen lohnen sich nicht in schlechten Zeiten (Hi 24,11; Hag 2,16) oder sind vergeblich (Mi 6,15). Gott zerstört die Ernte (Moab Jes 16,10; Jer 48,33) oder den Weinberg (Israel und Juda Jes 5,1-7). Das Keltertreten 0]~n) ist aber auch Bild für einen gewaltsamen Tod und Krieg.417 Hier wird nur von Gott gesagt, daß er die Kelter eines Volkes tritt, was in einem buchstäblichen und übertragenen Blutbad endet (die Völker Joel 4,13; Edom Jes 63,l-6;418 Tochter Juda Klgl 1,15; ohne Objekt Offb 14,20; 19,15). Über sie wird der Ruf des Keltertreters angestimmt ("!Tn Moab Jes 16,9; Babel Jer 25,30; 51,14), für Wein erschallt er nicht mehr, nur noch für Krieg (Moab Jes 16,10; Jer 48,33)."" So wurde ausgerechnet aus dem fröhli4,5
Zum folgenden s. OTTOSSON, Art. 3p" u. SCHWARTZ, Treading the Grapes of Wrath. Ernte am Sabbat (Neh 13,15); geographische Angabe (Sach 14,10); in einer Notzeit wird Getreide in der Kelter gedroschen, um es vor Übergriffen zu schützen (Ri 6,11). 417 Im Alten Ägypten gehört die Übertragung des Weinkelterns zum göttlichen Gericht an den Menschen. Der Gott Schesmu, Gott der Öl- und Weinpresse preßt die Leiber der Menschen aus (BONNET, Art. Schesmu), in Abbildungen wie dem Berlin Papyrus 3148 und dem Papyrus des Thutmose im K-Museum in Turin sind Schesmu und der Mondscheibengott Chonsu beim Pressen abgebildet, die Trauben sind Köpfe, die Tropfen sind Blut (SCHOTT, Das blutrünstige Keltergerät, S. 89 Tafel VI). 416
418 Nach STECK, Heimkehr, S. 51, handelt Jes 63 nicht vom JHWH-Tag an Edom, sondern von einem Völkergericht JHWHs in Edom und Bosra. 419 Während der Begriff für Weinlese ("1^3) noch ein ähnliches Spektrum zeigt wie die Kelterlexeme (Segensfülle Lev 26,5; Zerstörung der Ernte Jer 48,22; übertragen auf Krieg Ri 8,2; Jes 32,10 oder dessen Folgen Jes 24,13; ein Bild des Hungers und Mangels Mi 7,1), kommen die Termini für Nachlese (b^S I, mb'pU) bei zehn von zwölf Belegen übertragen vor (Ausnahmen sind die Vorschriften zum Nachleseverbot Lev 19,10; Dt 24,21). Neben der Funktion als Bild der Trostlosigkeit, oft in Folge von Krieg, und als Vergleich (Jes 3,12; 17,6; 24,13; Mi 7,1), dominiert hier der Gebrauch als Kriegsmetapher zwischen Menschengruppen (Ri 20,45; 8,2) oder für Gottes Ratschluß, die Menschen (durch Krieg) zu richten (Edom Jer 49,9=Obd 5; Israel Jer 6,9).
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
chen Gesang der glücklichen Ernte ein Schrei der Vernichtung.420 Der Krieg ist total: er besetzt sogar Bilder des Friedens und streckt sich in unerwartete Bereiche aus:421 „Such a reversal of the harvest is the death of a culture"422. Mal ist dabei Babel der Ernteplatz (51,33), mal das Geerntete (51,14). Eine Vielzahl von Untergangsbildern wird mit dem immer gleichen, ständig vorkommenden Namen „Babel" kombiniert. Die Monotonie des Verwüsteten Was JHWH, die Natur und die Krieger anrichten, ist Zerstörung. Waren schon vertilgen, niedermähen, zerschlagen, verderben und verwüsten gräßliche Synonyme, so sind es auch die Begriffe, die das Ergebnis bezeichnen. Ein häufiger Terminus ist hier die Wurzel EQ2), die als Verb 002) (Jer 50,13.45) und in den beiden Substantiven HECtö (50,13; 51,26.62; Jer 25,12) und HE® (50,3.23; 51,29.37.41.43; Jes 13,9)423 vorkommt. In der Konsonantenschrift des Hebräischen sind beide Begriffe klar unterschieden und doch so ähnlich wie möglich: - „Verwüstung", nQ2j - „Entsetzen". In dieselben Buchstaben ist gefaßt, wie vielfaltig die Auswirkungen desselben Zustands sind. Dabei ist eine klare Abgrenzung der Bedeutungen nicht möglich, „der Bedeutungsumfang reicht von ,Verödung' (objektiv) bis zu ,Erstarren, Entsetzen' (subjektiv). Im Hebrfäischen] liegen beide Aspekte ineinander".424
420
SCHWARTZ, Treading the Grapes of Wrath, S. 217f. In den Titeln von drei Psalmen (Ps 8; 81; 84) erscheint der Begriff PTA. Zum Verständnis gibt es mehrere Vorschläge, einer davon betont die konsonantische Übereinstimmung zu PI - „Kelter" mit der Übersetzung von P'P3 als „Kelterung". Die Vertreter und Vertreterinnen dieses Vorschlags - von den Traditionen des Midrasch Tehillim an - verstehen diese drei Psalmen als Lieder für die Weinkelterei. In ihrer Erläuterung verknüpfen die Rabbinen des Midrasch die Psalmen mit Joel 4,13 und Jes 63,1-6, so daß auch diese Psalmen vom Untergang der Völker und insonderheit Edoms handeln (Midrasch Tehillim zu Ps 8,1). Raschi wiederum wendet ein, daß Ps 8 davon nicht handelt (Raschi zu Ps 8,1). HIRSCH, Psalmen, S. 37f, greift die Midraschauslegung im 19. Jh. trotzdem auf und übersetzt Ps 8,1: „Dem Siegverleiher über die ,Kelterung'", versteht die Kelterung aber nicht als Tötung der Feinde Israels, sondern als eine Pädagogik, die durch Druck das Beste aus einem Menschen gleich einer Weintraube herauspreßt. „In der That entsprechen auch die Psalmen, welche die Überschrift tragen, vollkommen dieser Auffassung [...] Alle drei sprechen sie von dem im Menschen=Innern getragenen edeln Kern des Wahren und Guten, dessen endliche Gewinnung das letzte Ziel der göttlichen Waltungen bildet" (HIRSCH, Psalmen, S. 37f). 422 CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 830. 423 In Jer 25,9.11.18 kommt ganz entsprechend der weltgeschichtlichen Theologie die Drohung für Jerusalem vor, in 25,38 für eine ungenannte Gruppe. Andere Komposita der Wurzel kommen in Babeltexten nicht vor. 421
424
STOLZ, Art. c o m , Sp. 9 7 1 .
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
449
Tatsächlich bezeichnet diese Bandbreite also den Weg von einem Zustands- zu einem Kommunikationsbegriff.425 HEIÖ und ilCEiÖ können dabei sowohl für Städte und andere topographische und architektonische Größen als auch für Menschen gesagt werden, es handelt sich um psychisches und physisches Erstarren, was die Möglichkeit für ein Verständnis zwischen den Polen Stadt und Frau für diese Begriffe eröffnet:426 das Verb CCÖ steht im Nif al sowohl für Wege (Lev 26,22), Straßen (Jes 33,8), das Land (Ez 36,34f; Sach 7,14), Städte (Jes 54,3; Ez 36,35; Am 9,14) als auch für Priester (Jer 4,9), alle (Ez 4,17), die Westlichen (Hi 18,20) u.a.427 Verwüstet, verdorrt bleibt die vergewaltigte Tamar im Haus ihres Bruders Absalom (2Sam 13,20). Müllner übersetzt treffend: „Und Tamar wohnte. Sie verdorrte im Haus Absaloms, ihres Bruders."428 Die Verdorrte in Jes 54,1 aber wird viele Kinder haben, sie wird wieder einen lieben Mann haben (Jes 62,4). Zu Verwüstung (TTQGttf) werden Jerusalem (Jes 54,9), Rabbat (Jer 49,2), Hazor (Jer 49,33), Ägypten (Ez 29,12), das Gebirge Seir (Ez 35,4.15), Moab (Zef 2,9) u.a. Die Fürsten kleiden sich in HQOÖ (Ez 7,27), zur Verwüstung sollen auch die Götzen werden (Mi 1,7). Zu Entsetzen (¡1120) werden Israel (Dt 28,37) Ephraim (Hos 5,9), der Weinstock (Joel 1,7), Jerusalem und seine/ihre Bewohner (2Kön 22,19; Jer 9,8, s. auch Jer 29,18), die Flüchtlinge nach Ägypten (Jer 42,18; 44,12) u.a.: „Mit sammSh werden Territorien als Lebensraum für Mensch und Vieh deklassiert [...] und können darüberhinaus Menschengruppen dahingehend qualifiziert werden, daß sie Anlaß zu Schreckenreaktionen werden"42'.
Aber genau deshalb ist der Bezug auf Mensch oder Stadt bei personifizierten Städten nicht klar. Zu Klgl 1,16 erklärt Meyer: „Den in Klgl beweinten Zustand der Kinder Jerusalems wird man am ehesten wiedergeben wollen: sie sind ,verstört'. Das Nebeneinander von ,die Wege nach Zion trauern' und ,alle seine Tore sind somemim (= zerstört?, verwaist?, einsam?, v.4) zeigt, daß Aussagen zu psychischen und architektonischen bzw. topographischen Befunden sich desselben Vokabulars bedienen können."4'0
425
Maria Häusl äußerte mir gegenüber den Verdacht, daß PtQtÖ vom Nominaltyp (qatlForm eines Zustandsverbs) ein Abstraktum ist, zumal mit der konkreten/lokalen Ableitung analog maqtal mit HCÖS ein Konkretum der Wurzel vorliegt. Dies würde von dieser anderen Betrachtungsebene her zum Befund von Stolz passen. 426 S. dazu, zum folgenden und für viele Beispiele MEYER, Art. CCS. 427 Zu diesen und weiteren Belegen s. MEYER, Art. C02, Sp. 245. 428 MÜLLNER, Gewalt, S. 420; zu diesem Vers s. ebd., S. 323-327. Nach der Auslegung Müllners wird unter anderem durch diesen Ausdruck Tamar „in eine Vorstellung von Landschaft verwandelt" und damit als Person zum Verschwinden gebracht (ebd., S. 325). 429
MEYER, Art. DOB, S p . 2 4 8 f .
430
MEYER, Art. DDÖ, Sp. 243. Ähnliches gilt dann für Klgl 1,13 zumal mit Blick auf Jes
54,1.
450
B.1V.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Das/die personifizierte Oholiba/Jerusalem muß den „Becher des Entsetzens und der Verwüstung" trinken (Ez 23,33). In Jer 50-51 sind Verwüstung und Entsetzen teils eindeutig auf die Stadt (51,43), das Land (50,3; 51,29) oder den Berg Babel (51,26) bezogen, ein eindeutiger Bezug auf eine Frau „Babel" fehlt. Aber eine gender-Ebene ist durchaus denkbar: „Achwie ist zerbrochen und zerborsten der Schmiedehammer der ganzen Erde! Achwie ist Babel zu Entsetzen in den Völkern geworden!" (Jer 50,23) Ähnlich ist in 51,41 eine Lektüre als Personifikation deshalb möglich, weil auch die Verben und ÖDn sowohl auf Menschen als auch auf Städte/Regionen beziehbar sind und die Namen „Scheschach" und „Ruhm der ganzen Erde" einmal codiert und einmal bildhaft sind: „Achwie ist Scheschach gefangen/eingenommen und ergriffen/eingenommen die Glorie der ganzen Erde; Achwie wurde Babel zum Entsetzen in den Völkern." (Jer 51,41)
Gleichwohl ist trotz des häufigen Vorkommens dieser beiden Worte nicht ausgesagt, welcher Gestalt genau die Verwüstung ist oder was konkret das Entsetzen hervorruft. Stattdessen wird, wie schon die Angreifenden und der Untergang die Öde der Verwüstung noch pluralisch gesteigert und zeitlich verlängert: D^UJ mQQ2i - „Verwüstungen für ewig", was auch noch doppelt (51,26.62) und schon in Jer 25,12 vorkommt.431 Es entsetzen sich die Völker (50,23; 51,41). Verwüstung hat also sowohl Züge von Ausnahmezustand und Angst als auch von depressiver Öde, was in der Zuschreibung auf Menschenkörper von Männern (Jer 4,9; Hi 18,20), Frauen (2Sam 13,20; Jes 54,1) oder einer geschlechtlich nicht spezifizierten Vielzahl (Ez 4,17) eben auch die Verdorrung des Körpers ohne die Frucht von Nachkommen bedeuten kann.432 Die Ähnlichkeit von Verödung und Entsetzen korrespondiert damit, daß HiÖ1 - „wohnen" ein häufiger Begriff in Stadtzerstörungstexten wie Jer 50-51 ist, er kommt allerdings hauptsächlich im Partizip für Bewohner, Bewohnerinnen und für die Drohung des Nicht-Wohnens vor.433 Nun ist der deutsche Ausdruck
431
Das einzige andere Vorkommen ist Ez 35,9. Dies hat wirtschaftlich alleinstehende Frauen besonders hart getroffen, weil sie zu den schwächsten Gliedern gehörten. Verheiratete Frauen traf nicht immer wegen Kinderlosigkeit das Schicksal der Armut, dafür aber die Häme der anderen, wohl stärker als ihre Ehemänner, weil das Gebären und Aufziehen von Nachkommen primäre Frauenaufgabe war. 433 Das Verb kommt 19mal vor. Zusammen mit der Prophezeiung Gottes (51,12) und dem Fluch Jerusalems (51,35) kommen die Einwohner, Einwohnerinnen Babels als Angriffsziel siebenmal vor (50,21.34.35; 51,1.24), ebenso oft wie die Aussage, es werde kein Wohnen mehr in Babel geben (50,13.39.40; 51,29.37.43.62). Die anderen Belege handeln davon, daß alle Bewohner weggelaufen sind (50,3), von den neuen Bewohnern Schakal und Strauß (50,39), von der Einwohnerin Zions (51,35) und vom Sitzen in der Burg (51,30). Das Verb piö kommt nur zweimal vor und macht einen anderen Gegensatz auf, es bezieht sich auf das Nicht-Wohnen in Babel (50,39) und die zitierte Eigenaussage Babels, daß es/sie mit vielen Vorräten und vielen Ressourcen wohne (51,13). 432
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
451
„bewohnt werden" im Hebräischen aktiv: auch eine Stadt wohnt, wie eben gezeigt. Dabei ist über die aktive Verbform hinaus grundsätzlich festzuhalten, daß kein Zustandsverb ist. So wird verständlich, warum die mentale Schreckensbewegung, das Ent-setzen so häufig bei verlassenen eben verödeten Städten, wie auch hier bei Babel, vorkommt. In 50,39 wird gleichermaßen ausgesagt, daß niemand mehr in der Stadt wohnt/wohnen kann und daß Wüstentiere darin wohnen. So scheint wohl das Wohnen/ Bewohntwerden der Stadt an Menschen als Bewohner geknüpft. Für Babel konkret heißt das, die Widersprüchlichkeit Babels, die schon durch eine Entstehungsgeschichte, die das Scheitern einer Entstehung erzählt (Gen 11), in Worte gefaßt worden war, wird in dem Nicht-Wohnen und Wohnen nochmals unterstrichen. Das Nichtwohnen kommt dementsprechend für Babel besonders häufig vor (Gen 11,2; Jes 13,20; Jer 25,2.5.9.29.30; 50,3.21.34. 35.40; 51,1.12.24.29.35.37.43.62). Die Drohung des Nichtwohnens im Zusammenhang mit der Verknüpfbarkeit von „Stadt" und „Frau" zeigt für Babel: das Projekt, daß alle Menschheit in diesem weiten Tal in Sinear wohnt (Gen 11), ist endgültig gescheitert. Wegen des kommunikativen Charakters von HÖ'' - „wohnen" entspricht dem Nichtwohnen der Stadt auf der weiblich personifizierten Ebene der Größe „Babel" die Einsamkeit, wie sie vor allem in Jes 47 beschrieben, in Jer 50-51 aber auch angedeutet ist: die Stadt-Frau wird allein sein (Jes 47,15), kinderlose Witwe (Jes 47,8f); wenn das männlich personifizierte Babylon fallt, ist niemand zum Aufhelfen da (Jer 50,32). Aber diese beiden Lexeme sind nicht die einzigen, die den künftigen Zustand bezeichnen. Inhaltlich ist die Drohung, das Land zu verwüsten und zur Öde zu machen, nachgerade ein stereotyper Fluch des Alten Orients.434 In den Babeltexten gehört zur entsetzenswerten chaotischen Verwüstung schließlich auch die Austrocknung und somit buchstäbliche Verwüstung: „Ihre Städte wurden zu Entsetzen, zu einem Land der Trockenheit und Wüste, zu einem Land, in dem sich kein Mann niederläßt, und durch das kein Mensch hindurchzieht." (Jer 51,43) Außerdem wird Babel zum Steinhaufen (51,37), es/sie wird verödet ( m n 50,21.27), zur Steppe (51,37). Die Wasserquellen sollen austrocknen (Jer 50,38; 51,36), die Vernichtung kommt wie ein Sturmwind aus der Wüste (Jes 21,1), Babylon soll sich in den Staub setzen (Jes 47,1). Und das alles widerfahrt der Stadt, die so berühmt war für ihre Kanäle und den Euphrat (Ps 137,1; Jes 47,2; Jer 51,13.55). „Wüstenmeer" faßt die Widersprüchlichkeit des Ergehens in ein Wort (Jes 21,1).4" 434 WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 517, verweist hier auf den Assurnirari-Vertrag I und V in ANET 3, 532f. 435 Daß auch die Trockenheit einer Wüste nicht nur sächlich bezogen werden kann, zeigt Hos 2,5, hier erhält die Frau Hoseas die Strafdrohung, zur Wüste (~Q"1D) zu werden. Dieser Vers zusammen mit einer Reihe von anderen Kriterien veranlaßt WACKER, Figurationen, S. 62f und 258, zu der Annahme, es handele sich ursprünglich um eine Stadtschelte (gegen Samaria).
452
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Wie auch in Jes 13,20-22; 14,23 wird die menschenleere Zerstörung mit Chaos und Wüstentieren gefüllt (50,39; 51,37). Diese Formulierungen bezeichnen nicht (nur) das Ergebnis der Zerstörung, sondern - darüber hinaus den dauerhaften Zustand nach der Zerstörung: Babylon wird zum Heterotop. So begegnet Babel in Jer 50-51 zugleich die leere Öde und die Fülle des Chaos. Ein Wüstenmeer. Die Angegriffenen - Rhetorik der Niederlage, Beschämung und Entblößung „,Wir haben Witze gemacht, wir haben alle dazu gelacht', fuhr er fort, ,ich habe mir selbst ein paar vorzuwerfen. Glauben Sie mir, daß Witze allein genügen, einen alten Staat zugrunde zu richten. Alle Völker haben gespottet.
Neben der detaillierten Schilderung der gesammelten Bedrohungen, der Bandbreite der Verwüstungen und der Synonymität der Ausdrücke für die immergleiche zerstörte Öde werden genau dieser Zustand und genau diese Vorgänge, die erst noch eintreten sollen, herbeigeredet. Dazu gehören ebenso die Schilderung der Flüchtenden, also die Beschreibung ihres Fliehens und die Erzählungen der Fliehenden oder derer, die fliehen wollen, wie auch die Beschreibung all derer, die den Angreifern zum Opfer fallen. Die Niederlage ist total und damit den Feind (Babel) desavouierend. Sie wird vermeldet (50,2.15) ohne Bericht von entsprechenden Kämpfen. Offensichtlich ahnungslose Menschen werden bei der Ernte getötet (50,16), von der bloßen Nachricht des kommenden Heeres befallen den König Wehen (50,43). Mögliche Verteidiger sind hoffnungslos unterlegen im Kampf (50,30), schon der Ansatz einer Gegenwehr scheitert (51,3), Helden ziehen gar nicht erst in den Kampf (51,30), sie werden gefangen (51,56), Menschen sterben auf dem Feld (50,16) wie im Stadtkern (50,30; 51,4b.47), überall stöhnen Verwundete (51,52). Die Entvölkerung und Belegung mit neuen dämonischen Bewohnern wird im Schwertlied und seiner Fortsetzung (50,3540) besungen: in absteigender Reihenfolge des Status kommt das Schwert zu den Herrschern, den Weisen (und Schwätzern), den Helden, den Pferdegespannen, also Kriegseinheiten, und den Ausländern (V.35-37b), dann wird die Lebensgrundlage genommen mit den Vorratshäusern und dem Wasser, also die Vorratshaltung und die Ressourcen (V.37c-38a). Daß Babel ein Götzenland ist (V.38b), fungiert nicht nur als Begründung für die Zerstörung der Zivilisation, sondern auch für den Aufbau der neuen dämonischen Population: nun wohnen in der Stadt neue Bewohner, Wüstentiere, Schakale, Strauße (V.39a), aber kein Mensch mehr auf Dauer oder über Generationen (V.39b). 436
ROTH, Der stumme Prophet, S. 152.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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Das Hammerlied (51,20-24) geht ebenfalls alle Strukturen des Lebens in Babylon durch, zunächst die Kriegsleute (51,21), dann die Wehrhaften und Wehrlosen (51,22), Funktionsträger für die Ernährung und deren Verteilung (51,23), schließlich alle (51,24). Die Reihenfolge scheint sich hier an der Entfernung der Wahrscheinlichkeit zu orientieren, im Krieg getötet zu werden. Am Ende der langen Prophezeiung wird noch einmal für Bewohner und Stadt deutlich gemacht: Die Führungseliten sind betrunken oder schlafen (51,57), die Mauern der Stadt sind entblößt oder brennen (51,58). In Gen 11 und Sach 5,5-11 wird eine Desavouierung durch das Erzählen einer desavouierenden Gründungslegende bzw. Vision erreicht, in Jes 47 wird eine Beschämung durch Befehle, Statusverlust und sexuelle Gewalt an der (jungen) Königin angedroht und damit vollzogen: unabhängig von dem faktischen Ergehen Babylons erreicht Beschämung und Ansehensminderung ihr Ziel. Auf Desavouierung als eine Gemeinsamkeit kommt auch Baltzer anhand von Jer 46, lf zu sprechen:"7 ,,2'SV ist das ,Gebilde, Gottesbild (geringschätzig gebraucht)'. In dieser Bedeutung ist der Babel-Spruch Jer 50,2 eine enge Parallele: ,Babel ist genommen, Bei ist zuschanden, Merodach ist zerschmettert. Zuschanden sind ihre Gebilde (rfH^iJ), zerschmettert ihre Götzen...'. Dagegen ist im Babel-Spruch Jes 14,3 II verwendet im Sinne von ,Beschwerde, Mühsal' in einer Reihe mit ,Erregung, Aufregung' (131) und ,harter Knechtschaft' ( n s p ~ mDJH). Von ihnen wird Jahwe ,Ruhe verschaffen'. In Jes 46,1 steht Z'dV im Zusammenhang einer Reihe von ,Lasten'. Man fragt sich, wer hier ,trägt'."438
Neben desavouierenden Aussagen und pejorativen Begriffen ist Beschämung eine weitere Funktion von Jer 50-51. Sie wird auch explizit als Kriegsziel genannt (50,2; 51,47), nachdem Israel durch die Zerstörung seiner Heiligtümer beschämt worden war (51,51), die Scham soll auch das weibliche Babylon als Mutter treffen (Jer 50,12). Über Babylon wird gezischt (p"lÖ Jer 50,13; 51,37; 25,9.18). Vom Entsetzen aller Völker und jedes Vorbeikommenden war oben schon die Rede. Als explizite Formen der Beschämung gelten auch die Schandnamen und die Atbaschim.43' Im Bild der Frau wird analog zur zerstörten Stadt die Mutter erwähnt, die beschämt wird (Jer 50,12); Babel ist unheilbar krank (51,8.9), sie wird nun stumm gemacht (Jer 51,54f; Jes 47,5) und tot (Jer 51,13). Stadt, Land, Frau und Übermut fallen (Jer 50,15.30.32; 51,4.8.44.47.49; Jes 21,9). Neben dem Status- und Lebensverlust der Frau Babylon spielt Geschlecht auch in anderen Teilen eine Rolle: Daß Helden mutlos, Bevölkerungen, Krieger und der König zu Frauen werden, und der König eine Sturzgeburt erleidet, gehört hier zur Desavouierung des Feindes - was zugleich in so vielen anderen Texten Bedrohung der eigenen Existenz ist (das Motiv von Gebären und Not in Jes 37,3.19; Jer 4,31; 6,24; 22,23; Mi 4,9f). 437
Zum Zusammenhang von Jes 46,1 f und Jes 47 s.o. B.IV. 1.4.2.
138
BALTZER, Deutero-Jesaja, K A T , S. 330.
439
S.o. B.IV.2.3.3.5.
454
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Ohne die Thematik des transgender, dafür aber mit umso mehr sexistischer Häme formuliert Bertolt Brecht die Kritik an vermeintlich demokratischen Zivilisationen, indem ein Babelbild inszeniert und auch das Gebärmotiv zu Hilfe nimmt: „Die Niederkunft der Großen Babel Als ihre schwere Stunde gekommen war, zog sie sich zurück in das Innerste ihrer Zimmer und umgab sich mit Ärzten und Wahrsagern. Ein Gewisper entstand. In das Haus gingen gewichtige Männer mit ernsten Gesichtern und kamen heraus mit besorgten Gesichtern, die bleich waren. Und der Preis der weißen Schminke verdoppelte sich in den Schönheitsläden. Auf der Straße versammelte sich das Volk und stand vom Morgen bis zum Abend, mit leerem Magen. Das erste, was zu hören war, klang wie ein gewaltiger Furz im Dachgebälk, gefolgt von einem gewaltigen Schrei „FRIEDEN!", worauf sich der Gestank vergrößerte. Unmittelbar darauf spritzte Blut auf in einer schmalen, wäßrigen Fontäne. Und nun kamen weitere Geräusche in unaufhörlicher Folge, eines schrecklicher als das andere. Die große Babel kotzte und es klang wie FREIHEIT! und hustete und es klang wie GERECHTIGKEIT! und furzte von neuem und es klang wie WOHLSTAND! Und in einem blutigen Leintuch wurde ein quiekender Balg auf den Balkon getragen und dem Volk gezeigt unter Glockengeläute und es war der KRIEG. Und er hatte tausend Väter."440
Aber Sturzgeburten und Geschlechtswechsel sind nicht die einzigen sexistischen Beschämungsphantasien. Das Feststampfen des Tennenbodens als Bild für die Behandlung der Tochter Babel (51,33) deuten Vergewaltigung und Plünderung an.44' Und Entblößung ist für Babylon auf mehrfache Weise ein bedeutsames Stichwort und ein bedeutsamer Vorgang: heißt gleichermaßen „Entblößung" von Menschen wie Verschleppung von Einwohnern, Einwohnerinnen, insofern das Land seiner Bewohnern entblößt wird. ist außerdem ein Offenbarungsbegriff, in LXX übersetzt mit ötTtOKaAimta). Leider betrifft die Entblößung von Menschen allzu oft weiblich personifizierte Städte. Für Babylon kommen die Entblößung der Schenkel (Jes 47,2) und die Entblößung der Mauern (Jer 51,58) zusammen, die Bloßlegung von Jerusalems Mauern bis auf das Fundament soll an der Tochter Babel gerächt werden (Ps \2>l,li). m So werden Babylons Mauern 440
BRECHT, Die Niederkunft der großen Babel, in ders., Gedichte, S. 730.
441
CARROLL, J e r e m i a h , O T L , S. 8 4 1 .
442 BRENNER, Intercourse, S. 39, dort weitere rabbinische Belege, beobachtet das Phänomen auch für Jerusalem: Sie sieht in Jes 3,16—4,1 Überblendungen der Bereiche Stadt und Frau, Gott wird die Scham der Frauen entblößen ( m i r 'iins, 3,17) - und Zions Öffnungen (ITnnS, 3,26) werden trauern. Außerdem vermutet CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 841, für 51,33 Anspielungen an sexuelle Gewalt. Dem schließt sich HILL, Friend, S. 168, an. Zu weiteren Bildern von Vergewaltigung einer weiblichen Figur als rhetorisches Mittel in prophetischen Texten im Überblick s. GORDON, WASHINGTON, Rape; MAGDALENE, Treaty-Curses.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía
50-51
455
eingerissen (Jer 50,15), sie fallen (Jer 51,44), ihre Riegel, die die zu Frauen gewordenen Krieger schützen, brechen (Jer 51,30). Die weibliche Babylon wird umzingelt (Jer 50,14.15.29.32; 51,2.31 ).443 Entsprechend der Entblößung, die, um eine Entblößung zu sein, einer noch so kleinen Öffentlichkeit bedarf, werden das Sehen und die Sichtbarkeit Babels thematisiert. So fallt auf, daß die Frau Unrechtmäßigkeit in einer Tonne nach Babylonien geschafft wird, die „ihr Blick im ganzen Land" bedeutet (Sach 5,6). Die weibliche Babylon meint dagegen: „Niemand sieht mich" (Jes 47,10), eine Annahme, die bereits im Text Jes 47 selbst falsifiziert wurde unter anderem durch die Aufdeckung ihrer Scham. In Gen 11,4 sollen Turm und Stadt und der damit verbundene Name der Erbauer verhindern, daß sich die Menschen zerstreuen, was implizieren kann, daß der Turm weithin sichtbar, die Stadt buchstäblich allseits bekannt und der Name berühmt sind: Öffentlichkeit und Kunde bei allen. Obwohl in Jes 13 der Untergang der babylonischen Welt in völliger Dunkelheit und außerhalb aller Zeit stattfindet, wird doch die Berühmtheit hervorgehoben: Babylon, der Ruhm der ganzen Erde, wird sein wie der berühmte Untergang Sodoms und Gomorras (Jes 13,19). In Jes 14 jubeln alle Völker, die Erde und die hohen Bäume und haben den Niederfall des Königs ebenso wie seinen vorherigen Himmelssturm verfolgt: „Dich sehend schauen sie auf dich, auf dich achtgebend" (Jes 14,6). Den Untergang aus Jes 13 erlebend, erkennt der Seher in Jes 21,3: „Ich werde gekrümmt vom Hören und werde erschreckt vom Sehen"; auf Geheiß Adonais stellt er dann einen Wächter auf die Spähwarte, der Ausschau halten soll (Jes 21,6). Die Fliehenden sollen eben erzählen von dem, was sie gesehen haben (50,28; 51,10), sie sollen den Fall Babels nicht verkehren (Jer 50,2).441 Und in Jer 50-51 ist wichtig, daß Seraja die Worte der Prophezeiung (laut) verlesen soll, wenn er die Stadt sieht (51,61). Es wird JHWH all das Böse vergelten, das die Babylonier an Zion getan haben, „vor ihren Augen" (51,24). Entsprechend wird Babel versinken „und steht nicht mehr auf im Angesicht des Bösen, das ich, ich auf sie kommen lasse" (51,64). Die Länge des Textes macht alles nur noch schlimmer. Und doch ist die Beschämung und Desavouierung Babels nicht der einzige Effekt des Textes: durch die Vielzahl der Niederlagenbilder, Beschämungen und Angriffsversicherungen wird Babel auch aufgewertet. Die vielen Anläufe und Versuche, Babel zu mindern, zeigen erst, wie groß es/sie ist. 443 BAIL, Schweigen, S. 160ff, versucht in Psalm 55 den Text vor der Eroberung einer Stadt als Klage der Beterin über ihre Vergewaltigung zu lesen. So eng wie in dem Psalm sind hier die Überblendungen nicht - und doch ist diese Perspektive gerade durch die expliziten und latenten weiblichen Bilder und Personifikationen möglich. 444 So sind erheblich mehr Stellen in Babylon-Texten zu erklären als nur Jer 50,2, an denen es nicht angehen kann, daß „Verbergen'TNichtöffentlichkeit mit Babel zusammengeht, wie DUHM, Jeremia, KHC, S. 360, moniert.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Zusammenfassung - Babylons Untergang in Jeremia 50-51 Der Untergang Babels ist durch Hypostasierung geprägt, schier alles wird gesteigert. Die Angreifenden sind JHWH selbst, die Meder, der Feind aus dem Norden und viele Völker, dazu Naturkatastrophen, alle gehen ineinander über. Mit großem militärischen wie rhetorischen Aufwand wird Babel besiegt, dafür sind Menschen instrumentalisiert und Waffen personalisiert. Die Zerstörung Babels wird konkret und metaphorisch vielfach beschrieben. Neben allgemeinen und übergreifenden Aussagen und Ausrufen stehen Detailszenen, die Bilder dehnen den Krieg auch auf Situationen des Friedens aus, insbesondere Ernte und Kelterung. Das bewirkt die Verkehrung aller Zustände in ihr Gegenteil und die Ausbreitung des Chaos. Das sodann Zerstörte wird in vielen Synonymen benannt, Babel wird verwüstet, zur Wüste, zur Wohnung von Wüstentieren. Daß dies angekündigt wird, ist Teil der Kriegsrhetorik: die Desavouierung „Babels" durch die Propagierung der eindeutigen Niederlage, die Feigheit der Krieger, Schandnamen für Babel, Sturzgeburten und Geschlechtswechsel der Männer, Entblößung und Öffentlichkeit - und das alles über die ganze Länge des Textes. Dabei fallt auf, daß außerhalb von Jer 50-51 nur selten vom Verbrennen Babels die Rede ist - obwohl Stadtzerstörungen in aller Regel mit Feuer einhergehen. Nur in Jes 47,14 brennen Babylons Berater, wie Gott es für alle Starken angekündigt hatte. Außerdem fallt auf, daß nur in Jer 50-51 von Babylons Mauern (50,15; 51,12.44.58) die Rede ist. Es wurde deutlich, wie sehr im Untergang die Eigenschaften wie auch insgesamt das Bild Babels geprägt wird. Babel gewinnt Profil, Macht wie theologische Bedeutung im erstarrten Augen-blick der Zerstörung, der ob seiner Erstarrung, seinem Entsetzen ewig ist. Dieser Versuch, Babel auf allen Ebenen möglicher Bedeutung zumindest rhetorisch untergehen zu lassen, hat, wie auch in der Offenbarung des Johannes, den Effekt, daß Babel dadurch zunächst erheblich mächtiger erscheint. Die eigentliche, gleichwohl performativ hergestellte Bedeutung und Macht Babels wird durch diese Untergangsphantasie überhaupt erst deutlich.
2.3.4. Die Beziehungen Babylons 2.3.4.1. Babel und Juda/Jerusalem Der Untergang Babels und der Untergang Judas/Jerusalems werden in ähnlichen Bildern vorgestellt und beide werden vom „Feind aus dem Norden" angegriffen, die Fluchtbeschreibungen (50,2; 9,9) und -folgen (50,13; 19,8) äh-
B.1V.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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nein einander.445 Textpassagen und damit Details der Zerstörung wiederholen sich (6,22-24 u. 5 0 , 4 1 ^ 3 ; 10,12-16 u. 51,15-19). Als Angegriffene sind sich Jerusalem und Babylon gleich. Dabei kann eine Funktion der Gleichsetzung sein, daß das ,Strafgericht', das einst Jerusalem treffen sollte, nun Babel erreicht, so erklärt Bellis, daß in 50,32b Jer 21,14a zitiert sei.446 Auch das Verderben (Pnö), das einst in Gestalt des Königs von Babel (Jer 36,29) Jerusalem vernichtete (Jer 4,7), fegt nun als Wind JHWHs über Babel (Jer 51,1); ebenso der Verwüster TT5Ö (Jer 6,27; 51,56).447 Aber über die Parallelität des Untergangs hinaus fällt auf, daß von Israel/Juda/Jerusalem erstaunlich häufig in dem Text die Rede ist, der doch eigentlich von Babel handelt. Es kommen mehr Eigennamen Judas, judäischer Landschaften und Personen vor als babylonische.448 Die Aufrufe und Beschlüsse, sich von Babel innerlich wie äußerlich zu distanzieren, stehen Texten gegenüber, die die (neue) positive Beziehung der Menschen zu Zion/Jerusalem beschreiben, die Menschen suchen Zion - und schließen sich JHWH an (50,5), sie fliehen aus Babel, um die Rache für den Tempel in Zion zu melden (50,28), und die Taten JHWHs zu erzählen (51,10), Jerusalem soll aufsteigen in die Herzen (51,50). Nicht nur das - im Untergang Babels finden Israel und JHWH wieder zueinander. Während sich alle anderen zerstreuen, heißt es unvermittelt: „In jenen Tagen und zu jener Zeit, Spruch JHWHs, kommen die Kinder Israel, sie und die Kinder Judas, zusammen." Laufend weinend gehen sie, und JHWH, ihren Gott, suchen sie. Nach Zion verlangen sie, einen Weg haben sie vor sich. , Kommt!' Und sie werden sich JHWH anschließen, der ewige Bund soll nicht vergessen werden. „Unherirrende Schafe waren sie, mein Volk, ihre Hirten haben sie in den Bergen irregeführt, die Abtrünnigen, von Berg zu Hügel sind sie gegangen, sie hatten ihre Lagerstätte vergessen." (Jer 50,4-6)
Hier erfüllt sich, die in 3,18 angekündigte Heimkehr und die in 31,9 angekündigte neue Liebe zwischen JHWH und seinen Kindern sowie deren Reue. Die Rückkehr wie auch, daß die Zerstörung des Tempels vom Sprechenden nicht miterlebt, sondern als Nachricht erfahren wurde, deutet darauf, daß die 445 Zu den textlichen Bezügen zwischen Jer 50-51 und anderen Passagen des Buches s. ausfuhrlich HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia. 446 BELLIS, Poetic Structure, S. 188. Eine explizite Gleichsetzung mit Jerusalem wird für Ägypten (Jer 44,13) getroffen, dies., Structure, S. 72f. 447 CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 847, formuliert: „Poetic justice as well as rhetorical symmetry links the fates of Jerusalem and Babylon". 448 S.o. zu Namen S. 433ff; von den babylonischen Namen sind noch drei Schandnamen.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Judäer, Judäerinnen, von denen hier die Rede ist, ausschließlich - schon früh - Exilierte sind. Tatsächlich gibt es außer den Flüchen der Einwohnerin Zion(s) und Jerusalems keine Figur im Text, die die Tempelzerstörung in Jerusalem erlebte.449 Daß sie Gott suchen mögen, insbesondere indem sie umkehren, war ein im Jeremiabuch stets enttäuschter Wunsch. Nun aber wird es den ewigen Bund geben. Unsicher ist, ob der ewige Bund bereits besteht und also wiederbelebt wird, oder ob hier überhaupt erst ein ewiger Bund, der nicht vergessen werden soll, entworfen wird.450 Es ist der einzige Bund zwischen Gott und seinem Volk in einem Fremdvölkerkontext. Zugleich fällt auf, daß die Texte, die die Situation des Gottesvolkes beschreiben, ihr Suchen nach Gott und ihre Schuldvergebung (50,4-7.17-20.33-34; 51,5)451 ausschließlich aus dem Mund JHWH formuliert sind, was mit dem ähnlichen Text Jer 23,1—4 konform geht.452 Die Menschen dagegen wollen von den Taten Gottes erzählen (51,10). Wie schon in Jes 47 findet Israel in Gottes Angriff auf Babylon zurück zu seinem Gott. Dabei kommt ein historischer Einblick in die Zerstörung Jerusalems gerade nicht vor - die Zerstörung des Tempels wird nicht erwähnt,453 dafür wird das Sehnsüchtige und Liebende an Jerusalem und an JHWH herausgestellt, eine Enthistorisierung zugunsten eines Liebesverhältnisses. JHWHs Bekenntnis „mein Volk" (50,6) ist dabei dem Bekenntnis seines Vol449 Gegen BELLIS, Structure, S. 107, die annimmt, daß die Adressatenschaft des Gesamttextes judäisch ist, weil an keiner Stelle des Textes ausgedrückt wird, daß die Zerstörung Babels bedrohlich sein könnte, was für Exulierte der Fall wäre. Insgesamt ist es nur logisch, daß Teiltexte wie auch Gesamttext keine einheitlichen Adressaten haben, z.B. steht der Sprecher von 50,28 deutlich außerhalb des Landes Babylon. 450 So z.B. CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 820; Bellis, Structure, S. 23. Anders die Übersetzung von REIMER, Oracles Against Babylon, S. 29. Das Fehlen eines 1 vor dem Teilsatz deutet darauf, daß es sich um einen Relativsatz handelt, die Satzstellung mit vorangestellten rf~Q Cbvj deutet auf einen eigenständigen Satz (Maria Häusl mündlich). MCKANE, Jeremiah, ICC, S. 1255, weist daraufhin, daß Setzung des MT den Satz als eigenständigen Satz versteht und listet die Interpretationen durch die antiken Übersetzungen (LXX selbständiger Satz; Targum, Vulgata, Peshitta Relativsatz) auf. 451 Dabei widerspreche ich HUNZIKER-RODEWALD, Hirt und Herde, S. 97 Anm. 97, die feststellt, in 50,20 sei Gottes spontaner Willensentschluß zu vergeben ausgedrückt, der anders als in den dtr Texten Jer 36,3; lKön 8,33-36.46-53 keine Umkehrbedingungen stelle: tatsächlich sind die Kinder Israels bereits umgekehrt, sie suchen JHWH ihren Gott und verlangen nach Zion, sie haben sich endlich zusammengetan, aber noch einen langen Weg vor sich (50,4f), was für HUNZIKER-RODEWALD umso deutlicher hervortreten müßte, als sie 50,4-20 als eine Einheit liest (ebd., S. 93-95): die Rückkehr nach Israel/Juda muß keine ausschließlich geographisch-motorische sein - im Gegenteil, sie setzt einen Sinneswandel voraus. Und doch muß es sich im Zusammenhang dieser Umkehr nicht um Tränen der Reue handeln: in Redaks Verständnis von 50,4f sind es Tränen der Freude, wieder nach Hause zukehren. 452 HUNZIKER-RODEWALD, Hirt und Herde, S. 89-94, zeigt die Ähnlichkeiten in der Phraseologie von Jer 50,17-19.6f u. 23,1-4. 455 c ~ S.o.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50-51
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kes „unser Gott" (50,28) vorgängig. Das Schaf Israel wurde von zwei Löwen gefressen (50,17), wiederhergestellt wird es sich aber auf vier Weidegründen wieder laben.454 Das ist nicht das letzte Wort: in Jer 52 erfolgt noch einmal eine Revision der geschichtlichen Ereignisse, im Untergang Babels aber geht es nicht um die Aufzählung judäischer Geschichtsereignisse, sondern um den Kern der eigenen Identität in Beziehung zu JHWH.
2.3.4.2. JHWH und Babel Der Name „Babel" kommt in Jer 50—51 mit 55 Nennungen statistisch gesehen in jedem zweiten Vers vor und damit erheblich häufiger als in den anderen Babeltexten, in denen wenige Nennungen zu Anfang und Schluß standen. Das Wort TD - „Stadt" erscheint nur dreimal (50,32; 51,31.43). Dafür wird das Lexem in seinen verschiedenen Bedeutungen „Land/Erde" 38mal genannt. Von 51,51 und evtl. 51,46(bis) abgesehen, wo es um Juda und Israel geht, kennzeichnet das angegriffene Land Babel/Chaldäa (50,1.3.8. 18.21.22.25.38.45; 51,2.4.29.43.43.47.52.54), die Länder, aus dem jeweils die Angreifenden kommen (50,9.41; 51,28) und die Länder, in das jeweils die Angegriffenen fliehen (50,16; 51,9) oder aus dem sie fliehen (50,28). Daß das babylonische Herrschaftsgebiet f'"IN die ganze Erde meine oder die ganze Erde beeinträchtige, kommt aber ebenfalls zum Ausdruck. Dabei werden im groben zwei Aspekte betont, Babels Tun hat - ohne daß Babel identisch mit der ganzen Erde ist - als lokale Größe globale Auswirkungen: Babel hat die ganze Erde, alle Völker trunken gemacht (51,7), Verderben über die ganze Erde gebracht (51,25), steht im Zusammenhang mit den Durchbohrten der ganzen Erde (51,49), ist aber auch Ruhm der ganzen Erde (51,41). Nun wird JHWH alles wenden, die Erde befrieden und Babel bekriegen (50,34). JHWH - und das ist der zweite Aspekt - ist nämlich Schöpfer und damit eigentlicher Herrscher über die ganze Erde, er hat sie geschaffen (51,15) und er erhält sie (51,16). Babel war sein Hammer der Erde (50,23), nun aber bebt die Erde (50,46) und kreißt (51,29), Himmel und Erde werden jubeln (51,48). So erreicht das Tun Babels auch an zwei Stellen den Himmel (51,9.53), aber JHWH, der den Himmel gemacht hat (51,15) und den Himmelsozean (51,16), wird Babel verwüsten (51,53). Aspekte der mimetischen Konkurrenz sind noch die Vergleiche JHWHs und Nebukadnezars mit einem Löwen (50,17.44) sowie das beidseitige Verfügen Babels und JHWHs über Vorratshäuser (50,25; 51,13). Genauso fest wie die babylonischen Zwingherren die Kinder Judas und Israels halten, so fest ist JHWH, ihr Löser (50,33f). 454 HUNZIKER-RODEWALD, Hirt und Herde, S. 90. Der doppelten Wiedergutmachung für Israel in Jer 50-51 wird dann eine doppelte Strafe für Babel in Offb 18,6 entsprechen.
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B.IV.2. Der Untergang Babylons — Jeremía
Ähnliche Machtattribuierungen gibt es mit analogen femininen Attribuierungen wie sozialen Rollen entsprechend der topographischen Stellung nicht. Aber der Text arbeitet nicht nur - und noch nicht einmal hauptsächlich - mit vordergründigen Plakatierungen, sondern enthält insbesondere im Bereich Topographie/Geschlecht sehr viele irritierende Überschneidungen. Der Gottesname wird genau einmal weniger, also 54mal genannt als das Wort „Babel", das 55mal erscheint. Insgesamt werden sehr häufig Name und Eigenschaften JHWHs hervorgehoben. Babel - so scheint es - fordert zum Bekenntnis heraus. Immer wieder und in immer neuen Formulierungen kommen Namen Gottes zur Sprache, er ist JHWH Zebaoth (50,33.34; 51,14.19), JHWH, Zebaoth der Gott Israels (50,18; 51,33.58), Adonai JHWH Zebaoth (50,25.31), der König, JHWH Zebaoth (51,57), sein Gott, JHWH Zebaoth (51,5). Er ist JHWH, unser Gott (50,28; 51,10). Zusätzlich zur Feindschaft zwischen JHWH und Babel kommt das Dreiecksverhältnis JHWH-Babel-Israel. JHWH selbst stellt immer wieder den Bezug zwischen Zion, Babel und sich her, die Zerstörung Babels hat ihren Grund in seiner Beziehung zu seinem Volk (51,24; 50,28)."" Noch in der Konkurrenz zur Macht Babels ist JHWH auf Israel bezogen (50,29). In der Rückkehr nach Israel wird JHWH seinem Volk die Schuld vergeben haben (50,20). Seine Rollen werden im Kampf gegen Babel vielfaltig für sein Volk: er ist wie ein Hirte, Israel wie eine Herde (50,4—7.8.17-20), aber auch wie ein Herdenbesitzer, der Hirten anstellt (50,44b) und zugleich wie ein Löwe (50,44a). JHWH ist Zions Löser (50,33f) und Rächer (51,36).456 Die Trunkenheit der Babylonier setzt JHWH in der Antwort an die klagende Einwohnerin Zions und Jerusalem ein (51,39). So stimmen die Menschen ein Kelterlied an (51,14-19), ein Loblied auf die Macht JHWHs, das in diesem Kontext zum Todeslied für Babylon wird! Die neue Beziehung zwischen Gott und seinem Volk leitet das Ende Babels ein, mit einem Kelterlied, dann mit Trunkenheit und Tod. Ebenso wird Seraja, nachdem er „all das Böse, das über Babel kommen sollte" (51,60) vorgelesen hat (51,61), das Wort an JHWH richten, also zu ihm beten: „JHWH, du hast gesprochen über diesen Ort, ihn niederzumähen, so daß kein Bewohner in ihm sein kann, vom 4 " In 51,24 wird allerdings ein neues Beziehungsdreieck aufgemacht, insofern in 51,20-23 die neue Waffe mit „du" angeredet wird und dann unvermittelt die Rede in eine Anrede der Plural-Gruppe Israel/Juda wechselt. 456 LÉVINAS' Verständnis der Partikel als Satz mit einem Ich im Akkusativ „Hier hast du mich" und in Akkusation, der Antwort eines Angeklagten (LÉVINAS, Fragen und Antworten, S. 117 mit Übersetzeranmerkung) stellt an den Stellen, an denen 'J]H zwischen JHWH und Babel steht (51,25f Berg des Verderbens), eine weitere direkte Beziehung zwischen beiden her. Da aber außer 51,13 stets JHWH der Sprecher ist, steht JHWH dann in der Hand Babels! Diese Konstellation fügt den vielen anderen eine weitere hinzu. Allzu oft aber steht "Dil in diesem Text ohne identifizierbare Adressaten (50,18; 51,1.47.52; zu Jerusalem/Zion: 51,36): in Zeiten des Krieges läuft diese Beziehungsinterjektion ins Leere.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50—51
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Menschen bis zum Vieh, denn Verwüstungen in Ewigkeit soll sie sein" (Jer 51,62). Dann erst wirft er die Schrift mit einem gleichnishaften Satz ins Wasser. So bleibt der Eindruck bestehen, Seraja erinnere JHWH an sein Tun, seine direkte Anrede an JHWH würde die Handlung zu einer Zeichenhandlung machen.457 Dann ist es auch hier die Initiative der Menschen und Menschengruppenrepräsentationen, die Gott zum Handeln bewegt.458
2.3.4.3. Die Schuld Babels Die Schuldvorwürfe sind vielgestaltig, es handelt sich auch um verschiedene „Täter". Nebukadnezar wird vorgeworfen, die Einwohner. Einwohnerinnern Zions gefressen, ausgenutzt und verstoßen zu haben (51,34f). Der Menge der Feindvölker wird vorgeworfen, die schutzlose und verirrte Herde Israel gefressen zu haben (50,7), der König von Assur fraß sie als erster (50,17), Nebukadnezar nagte die Knochen ab (50,17). Dabei sind sich laut 50,7 diese Völker keines Unrechts bewußt, die Herde Israels habe schließlich JHWH, ihre gerechte Quelle verlassen und sich (damit) gegen ihn versündigt, sie waren sozusagen Freiwild. Die anderen Anschuldigungen sind entweder an die mask-pl-Gruppe der Bewohner oder an die fem-sg-Figur Babel gerichtet. Während die „Rache für den Tempel" ohne Adressaten im Raum steht (50,15.28; 51,6.1 1),459 wird den Leuten vorgeworfen, die Kinder Israel festzuhalten und sie nicht entlassen zu
457
S. ähnlich DUHM, Jeremía, KHC, S. 376. Tatsächlich scheint mir der Kontakt Seraja - JHWH prioritär zur Öffentlichkeit der Handlung zu sein, die MCKANE, Jeremiah, ICC, S.1249, für notwendig vorausgesetzt hält. Weil aber eine solche öffentliche Zusammenkunft zumal zum behufe einer Schmähung Babylons von babylonischen Autoritäten einer diplomatischen Abordnung sicher nicht erlaubt worden wäre, sei Jer 51,59-64 zusammen mit anderen Gründen, doch als Fiktion anzusehen, s. dazu auch seine Diskussion der Forschungsmeinungen, ebd., S. 1350-1359. DUHM, Jeremía, KHC, S. 376, hatte 51,61 gegenteilig verstanden als M C K A N E heute: der Vers handele davon, daß Seraja allein und ungestört sein solle, weil die Weissagung der Stadt und dem Land und nicht den Zuhörern gelte. So auch schon BUDDE, Ueber die Capitel, S. 538, der regelrecht biographisch-dialoghaft formuliert: „Widerwillig muß der Strom selbst, der die Stadt zur Blüthe gebracht und ernährt, die Weissagung aufnehmen, so daß sie nunmehr körperlich an dem Boden Chaldäa's haftet, und, wie die Schrift durch den Stein unwiederbringlich versenkt und in der Tiefe festgehalten wird, so soll auch Babel versenkt werden und nicht wieder heraufkommen." In diesem Zusammenhang zitiert er auch HITZIG: „Er soll der chald. Hauptstadt gleichsam ihr Urtheil vorlesen" (HITZIG, Commentar, S. 414, zit. nach BUDDE, Ueber die Capitel, S. 538 Anm. 1). 458
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CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 831, weist daraufhin, daß die Betonung des Tempels konform mit dem Rest des Jeremiabuches geht (3,17; 17,12; 31,40) wie auch der Tempel ein Hauptort von Jeremias Tätigkeiten war (7,2; 19,14; 22,1; 26,2; 35,2).
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B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
wollen (50,33), - womit übrigens die ganze Exodustradition aufgerufen ist460 allgemeiner heißt es, das Böse, das sie taten, werde ihnen vergolten (51,24), Vergeltung geübt (Sljö)461 sie sind voll von der Schuld an Israel (51,5).*" Ähnlich sind auch die Anschuldigungen gegen das/die weiblich angeredete Babel: Sünde (51,6) gegen JHWH (50,14), Verbrechen, die an den Himmel stoßen (51,9), Übermut gegen JHWH (50,29) und Vorwürfe, die in einer Talionsformel ausgedrückt sind: wie sie getan hat, soll auch ihr getan werden (50,15; 50,29; 51,6; 51,56). Im Rückschluß bedeutet das, Babel hatte all die Greuel, die ihr/ihm/ihnen widerfahren, den Israeliten angetan. Konkrete Angaben sind, daß Babel sich an der Plünderung von JHWHs Erbe gefreut habe (50,11) und mit JHWH Krieg angefangen habe (50,24). Daß Babel in Götzenland sei (50,38), ist Begründung für die Zerstörung durch JHWH und den Einzug der Wüstentiere (50,39). Ohne Täter ist Unterdrückung (pÖi?) benannt (Jer 50,33), die vorrangig die Unterdrückung Armer durch Reiche bezeichnet (z.B. Jer 7,6; 21,12),463 so daß hier durch die Wortsemantik eine konkrete Vorstellung gegeben ist, sie ähnelt dem Vorwurf der unbarmherzigen Knechtung in Jes 47,ö.464 In all dieser Menge und Vielfältigkeit der Verbrechen wird aber eines Babel nicht vorgeworfen: Hybris.465 Der Vorwurf des Übermuts (Wurzel TT), an alle Menschen (Jes 13,11), Belsazar (Dan 5,20) und Babel in weiblicher (50,29) und männlicher (Jer 50,3 lf) Personifikation gerichtet, bezeichnet wohl allgemein die Mißachtung JHWHs und Israels.466
460 pi. und n^CÜ pi. kommen z.B. in Ex 4,23; 7,14.27; 9,2 vor. Babel wird zum Pharao, s. HOLLADAY, Jeremiah 2, Hermeneia, S. 420. 461 HARTBERGER, Psalm 137, S. 107, sieht in dem C^E in 51,6 ein Sühneopfer angezeigt, das Babel mit dem Tod seiner/ihrer Krieger (51,4) zu bringen aufgezwungen wird. Diese Interpretation scheint mir etwas zu weit. 462 Andere Schuldhinweise sind indirekt: das „Herz meiner Gegner" (51,1), „Doppelwiderspenstigkeit" (50,21), je nach semantischer Deutung das Verrücktwerden an den Schrecknissen ihrer Götzen (50,38), der Untergang wie Sodom und Gomorra (50,40), all das könnte die Schuld weiter profilieren. 463 Neben der Bezeichnung der Ausbeutung eines zahlungsunfähigen Schuldners steht u.a. auch die politische oder soziale Unterdrückung. KBL3, s.v. ptöU I, ordnet hier Jer 50,33 ein. 464 BELLIS, Structure, S. 116 u. 119, sieht besonders in 51,1-14 das Schuldthema hervorgehoben: die schlechte Situation der Exulierten (51,5a), die Gewalttätigkeiten Babylons gegen die Völker und Juda (51,7.10) und die Tempelzerstörung (51,11), die in allen drei Teilen von Kapitel 51 benannt werde. M.E. aber wird aus obiger Aufzählung deutlich, daß die Schuld Babels in allen Abschnitten breit verhandelt wird. 465 Tatsächlich scheint mir Überhebung auch ein wenig geeigneter Terminus für alttestamentliche Texte zu sein. Aber auch hier wird in der Forschungsliteratur dieser Mangel durch Verweis auf andere Babeltexte behoben: „This hubristic attitude of Babylon's is not developed in 50-51, though it is repeatedly referred to, but in Isa. 14.12-20 it gives rise to the splendid satire on Helel ben Shachar [...]." (CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 830). 446 SCHARBERT, Art. TT, Sp. 552. S. dort auch zu den Wandlungen des Gebrauchs.
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Besonders interessant ist hier die Selbstaussage der Völker in 50,7. Hier liegt in unüblichem Sinn ein Disputationswort vor, in dem sich die Feinde für ihr Tun rechtfertigen und eine Schuld leugnen. Dafür fuhren sie als Argument an, was JHWH auch selbst gesagt hatte (Jer \2,li).ml Damit tut sich, neben den klassischen Bezugsstellen468 eine Parallele auf zu 2Kön 18,25, wo Rabschake, Heerführer des Königs von Assur, während seiner Belagerung Jerusalems von sich behauptet, im Auftrag JHWHs zu handeln.46' Hier aber wird nicht, wie in 2Kön 18,25 die politische Haltung Jeremias als Wehkraftzersetzung und Feindposition denunziert, sondern ein solches Zitat aufgenommen und diesen Feinden zur Schuld gerechnet. Zusätzlich steht diese Aussage in 50,7 gegen die Aussage in 51,5.470 So wird Jeremia am Ende seines Buches innenpolitisch ins Recht gesetzt. Tun und Ergehen entsprechen einander nicht nur explizit (50,29) und im Vokabular von Vergeltung (D^tÖ Jer 50,29; 51,6.24.56; Ps 137,8; auf alle Völker bezogen Jer 25,14), sondern auch in den Erläuterungen: Fremde (C~IT) waren über die Heiligtümer des Hauses JHWHs gekommen (51,51), nun kommen Fremde über Babel (51,2). Daß ein bestimmtes Handeln automatisch eine bestimmte Wirkung nach sich zieht, wird in 50,38 deutlich, in einer der Verstehensmöglichkeiten kann man übersetzen: „an den Schrecknissen werden sie verrückt".471 Heimgesucht werden von Babel nur der König (50,18), Übermut (50,31), ihre (f.sg.) Stiere (50,27) und die Gottheit Bei (51,44) sowie die Schnitzbilder (51,18.47.52). Schon in Jer 25,12 wird der König von Babel einst heimgesucht, in Jes 13,11 wird allerdings „das Böse" auf der Erdfeste heimgesucht. Diese Zahl der Schuldvorwürfe ist insbesondere im Vergleich zu den anderen Babeltexten sehr auffällig, die sich doch eher zurückhalten, Summarisches (Jes 13; Ps 137,8), Exemplarisches nennen (Jes 47,5), oder undeutlich bleiben (Gen 11; Jes 21). Viel Schuld in Menge und Vielfältigkeit lädt aber der König 467
Diese Konstellation aber verschiebt sich in der Übersetzung von ZUNZ: „Wir werden nicht büßen, dafür, daß sie gesündigt gegen den Ewigen, in der Wohnung der Gerechtigkeit, und gegen die Hoffnung ihrer Väter, den Ewigen." 468 HUNZIKER-RODEWALD, Hirt und Herde, S. 96 Anm. 297, nennt hier als Texte zum „schadenfreudigen Profit der Anliegerstaaten an Judas Untergang" Jer 48,27; Ez 25,12; 35,5f. 10—15; Joel 4,19; Obd 10-14; Zef 2,8; Ps 137,7 sowie 2Kön 24,2; Jer 13,19. m S. dazu HARDMEIER, Prophetie im Streit, der nachweist, daß diese Texte weniger Aussagen über die Belagerung im Jahr 701 treffen, sondern vielmehr im Streit um das klügste politische Verhalten im Angesicht der Bedrohung durch Nebukadnezar II. 588 v.Chr. die Position Jeremias und Ezechiels desavouiert, indem ihre Aussagen im Mund Rabschakes zitiert werden. 170 CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 838. 471 Die Wirkung, nämlich Wahnsinn (V?n III), zeigt auch der Wein aus dem Becher JHWH (25,16). Gibt es da einen Zusammenhang?
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von Babel auf sich (Jes 4,4b-6.8.16b-17.20). Wie schon in Gen 11 wird in Jer 51,53 das Bauen in die Höhe gewaltsam beendet, ist aber nicht als Verschuldung formuliert, wohl aber in 51,9: die Menschen verlassen Babylon - wie in Gen 11,8.9 - , „denn ihr Verbrechen stößt an den Himmel und erhebt sich bis an die Wolken" (51,9).
2.3.5. Jeremia 50-51 als Summe des Untergangs Babylons Die Bilder sind im Text nicht hierarchisiert, sondern kumuliert. So steigern sie ihre Intensität durch gegenseitige Ablösung. Amplifikation, Kondensierung und Metametaphern. Daß das Angegriffene stets in weiblichen Bildern ausgedrückt sei, hat sich als ebensolcher Fehlschluß herausgestellt wie, daß Frauen und weibliche Bilder stets die Angegriffenen sind. Die weibliche Jerusalem und die Vi Zion sind (zuvor geschändete und geschundene) Kriegstreiberinnen, die „Tochter Babel" hat Schreckliches angerichtet. Die Frage, wer oder was Babylon ist, erhält eine weitere Antwort, wenn man den Collagecharakter des Textes betrachtet. Welche sind die Konsequenzen für das Bild Babels? Der Text Jer 50-51 zeigt viele, z.T. wörtliche Übereinstimmungen mit 4,5-6,26, einer Untergangsprophezeiung gegen Jerusalem. 6,22-24 und 50,41—43 sind mit kleinen Unterschieden identisch: „The effect of the repetition is to take the readers of chaps. 50-51 MT back to chap.s 4-6. As they read and celebrate the demise of Babylon they are confronted with the same reality for Judah. Even in the jubilation of Babylon's imminent downfall, the spectre of Judah's own punishment and destruction is present "472
Die Wiederholung des Textes am Beginn und am Ende hat mehrere Folgen: Der Text des Jeremiabuches wird zirkulär. So werden Babylon und Jerusalem gleichgesetzt, das Leid der einen Stadt wird auch das Leid der anderen. Beide Texte zusammen haben die Potenz, sich gegenseitig aufzuheben. Babylon soll genau das Gleiche widerfahren wie Jerusalem. Und warum soll Babylon das Gleiche widerfahren wie Jerusalem? Für die einen Rezipierenden von Jer 5051 kann diese Talion beruhigend sein, fur die anderen kann die Talion zur Unterbrechung von Gewalt führen: Nie wieder Krieg. Nicht nur werden Babylon und Jerusalem gleichgesetzt, es ist auch derselbe Feind. Carroll stellt angesichts der Übereinstimmungen die Frage, wer oder was der „Feind aus dem Norden" sein könnte: „The same dominant motif of ,the foe from the north' figures in both cycles. But if in chs. 4 6 the foe from the north is Babylon, who then is that foe from the north in chs. 50-51 when Babylon itself is the target?"473
472 473
HILL, Friend, S. 180. CARROLL, Intertextuality, S. 72.
B.IV.2.3. Die Summe der Untergänge: Jeremía 50—51
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Aber neben Gleichsetzung zwischen Babel und Jerusalem finden sich auch Entgegensetzungen.4" Zusätzlich dazu finden sich Bezüge zwischen den Figuren „Babel" und „Jerusalem" in den weiblichen Personifikationen. Diese aber verlaufen in unterschiedlicher Ausarbeitung der Bilder und durch den Statusunterschied einer Frau, die der eigenen Gesellschaft entstammt, und einer fremden Frau, auf die das eigene Gesellschaftssystem projiziert wird, gänzlich unterschiedlich. Und doch war genau diese Kategorie „Frau" auch eine, mithilfe derer Johannes von Patmos Eigenschaften „Jerusalems" aus dem Alten Testament auf „Babylon" im Neuen Testament übertragen konnte. Die Gleichsetzungen Babels mit Ägypten, Moab und Edom, die Babel sowohl mit diesen Fremdvölkern gleichsetzen als auch es/sie davon absetzen, knüpfen ein Netz über Texte im Jeremiabuch und das ganze AT, ein Netz von Aussagen und Bildern, die sich zumeist gegenseitig bestätigen. Daß Babylon aber auch unterschieden von den Fremdvölkern ist, unterstreicht das Gewicht Babylons und den Ernst der Sache. Alle anderen Babeltexte werden aufgerufen und fortgeführt: ein weiterer Teil des entworfenen Geschichtsverlaufs von Jer 25 erfüllt sich; die Klage von Ps 137 wird erhört; die Ereignisse von Gen 11 geschehen noch einmal und der realisierte Widerspruch einer Existenz, die doch nicht möglich wurde, wird durch die Zerstörung der Stadt und die Zerstreuung der versammelten Menschen behoben. Ebenso wird bereits jetzt (gedachtes Jahr 594 v.Chr.) die Folge dessen, was später (gedachtes Jahr 518 v.Chr.) in Sach 5,5-11 geschaut wird - die Gebäude für Böses, die gesamte Widergöttlichkeit Babels - regelrecht bereinigt. Die Prophezeiungen von Jes 13 und 21 erfüllen sich, wie sie geschaut wurden. Alle diese Prophezeiungen und Texte werden durch ihre Anspielung unterstrichen und die ihren gemeinsame Anspielung gesteigert. Ihre Systematisierung kann nur im Chaos erfolgen. Insgesamt bewirkt der Zitatcharakter von Jer 50-51, daß so viele Formeln wie auch ganze Sätze schon in vorhergehenden und auch in anderen Texten stehen, eine Vertrautheit mit den Schrecknissen, die wiederum in ihrer chaotischen Aufeinanderfolge be- und entfremden. Bellis hat detailliert aufgeführt, daß die Zitierung von Jes 13,19-22; Jer 6,22-24 und 49,19-22 in Jer 50,3946 nicht nur als Schlußfolgerung für das ganze Kapitel dient, sondern auch und vor allem die Funktion hat, Fragen zum Hergang und zur Ausmalung des Ergebnisses zu beantworten:475 die Zitate dienen der Sinngebung und der Bebilderung. Und so liegt es fast auf der Hand, daß Texte wie Jer 50-51 oder Offb 17-19, die Zitierungen und Anspielungen als ein Strukturmerkmal aufweisen, Texte sind, in denen eine Biographie, eine Sinngebung von 4,4
HILL, Friend, S. 160, formuliert das Verhältnis von Babel und Juda als Gleichzeitigkeit von Opposition und Identität. 475 BELLIS, Poetic Structure, S. 192-199, ders., Structure, S. 94-106.
466
B.IV.2. Der Untergang Babylons - Jeremía
Entwicklungsverläufen, Charakteristiken und Kausalitäten, entworfen wird. Im Vergleich zu Jesajatexten ist die Rolle Babylons im Jeremiabuch aber differenziert - oder unentschieden - , was gerade wegen des synthetisierenden Anspruchs Jeremias klar ist. So fassen Jer 50-51 als Untergangsprophezeiung und Jer 29,7 als neue Heimat die Problematik einer jeden Diasporasituation zusammen. Was ist „Babylon"?
Teil C:
Die Biographie der „Hure Babylon" Bereits in den Einzeltextanalysen ist jeweils die Rede auf die Bezüge zwischen den Babel-Texten gekommen. Zusammenfassend wird dies nun weiter ausgewertet und damit begründet, daß und wie die Texte auf einander antworten (C.2), Babylon in der Gesamtheit der Texte gleichzeitig zu einer menschlich-übermenschlichen Gestalt wird und sich (im Menschlich-Übermenschlichen) auflöst (C.3), so daß insbesondere in der Rezeption der Texte diese Gestalt auch eine lebensähnliche Entwicklung durchmacht, eine Biographie entsteht (C.4). Zuvor soll ein Überblick über die Texte, ihre Gattungen und die Fragen von Sprechen und Wahrnehmung gegeben werden.
1. Überblicke über die Babylon-Texte In den exegetischen Teilen dieser Studie habe ich diejenigen Texte der Bibel untersucht, die ausfuhrlich „Babylon" thematisieren. Sie werden zumeist klassischerweise als „Babylon"-Texte angesehen: Gen 11, Jes 13; 14; 21; 47; Jer 25; 50; 51; Sach 5,5-11; Psalm 137 sowie Offb 17-19. Die Reihenfolge der folgenden Aufzählung entspricht der Reihenfolge, in der die Texte ausgelegt wurden.1 Die Texte seien hier kurz auf die Pointe in ihrem Babylon-Porträt hin zusammengefaßt: - Offb 17-19: Der angelus interpres zeigt dem Propheten die große Hure Babylon - ; alle Könige und alle Völker auf Erden haben mit ihr gehurt und sind trunken geworden geworden von ihrem Wein; sie sitzt auf einem Monster. Dieses wird sich mit den Königen gegen sie verschwören, sie entblößen, fressen und verbrennen (Kap. 17). Der Untergang der Stadt Babylon wird mehrmals inszeniert und von den Königen, Händlern und Schiffsleuten der Erde beweint (Kap. 18). Jubel im Himmel, Vorbereitung der Braut - Jerusalem (Kap. 19). Gen 11,1-9: Der Stadtbau aller Menschen in Sinear wird von Gott verbabelt. Das fuhrt zur Namensgebung Babels. Sach 5,5-11: Eine Frau, die die Unrechtmäßigkeit ist, wird in einem Scheffel von Frau-Storch-Mischwesen nach Sinear transportiert und dort installiert. 1
In dieser Reihenfolge ist in Teilen die Biographie-These bereits umgesetzt.
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C. Die Biographie der „ Hure Babylon "
Psalm 137: Ein Lied von der Unmöglichkeit, in der Fremde Lieder zu singen. Die Erinnerung an (die Zerstörung) Zion(s) wird zum Wunsch nach Vergeltung an der Tochter Babel. Jes 13: Bei einem Angriff Gottes und seines übermenschlichen Heeres werden alle Einwohner Babels sowie alle Sünder der Erde getötet und der Kosmos entscheidend verändert; in die Gebäude Babylons ziehen Wüstentiere ein. Jes 14: Der König von Babel fallt beim Versuch einer Himmelfahrt und Gottgleichheit umso tiefer, ohne Grab wird er in der (ihm feindlichen) Unterwelt zertreten. Jes 21: Kommentar zum Untergang von Jes 13, es an einem entfernten Ort wird die Reaktion des Propheten auf seine Vision vom Untergang Babylons geschildert, ein Bote mit der Untergangsmeldung trifft ein. Jes 47: Die königliche Tochter Babel wird entthront, gedemütigt und versklavt; alle ihre Sicherungsmaßnahmen versagen, weil Gott unberechenbar ist und über sie hereinbricht. Jer 25,1-14: Im Jahr des Regierungsantritts Nebukadnezars kündigt Gott an, Nebukadnezar, seinen Knecht, gegen Juda und alle umliegenden Länder zu schicken und sie zu verwüsten. Nach Ablauf von 70 Jahren wird Babylon selbst verwüstet. Jer 25,15-29/31: Gott heißt Jeremia, mit dem Zornbecher alle nachfolgend aufgezählten Völker zu tränken, sie werden wahnsinnig werden und durch das Schwert sterben - und der König von Scheschach (=Babel) trinkt als letzter. Jer 50-51: Eine sehr lange Prophezeiung zum Untergang Babels, enthält u.a. vielgestaltige Rachewünsche, Lieder von Krieg und Verwüstung, Heimkehr der Israelit und Israelitinnen. Es ist eine Summe aller bisherigen Babylonprophezeiungen. Wenn ein Zug der nach Babylon Gezogenen dort eintrifft, soll das Buch mit den Prophezeiungen gegen Babel zusammen mit einem Gebet und einem Fluch in den Euphrat geworfen werden.
In der Analyse der Texte trat je ein anderer Aspekt des Textes und damit je ein anderer Zugang zum Text stärker hervor als andere: das ist in Gen 11 Semiotik von Sprache, Architektur und Politik, in Sach 5,5-11 Eliminationsriten und Visionstheorie, in Psalm 137 Rezeptionsgeschichte und die Umsetzung von Schweigen und Singen, in Jes 13 die Textstruktur auf der Basis redaktionsgeschichtlicher Forschungslinien, in Jes 14 Mythos, in Jes 21 Grundfragen von Wahrnehmung, Text und Geschlecht, in Jer 25 Motivgeschichte und in Jes 47 die Wahrnehmung der Frau, geschlechtliche Stereotype und Frauenbilder, in Jer 50-51 der synthetisierende Charakter prophetischer Texte, in Offb 17-19 der Charakter der Apokalypse als christologischem Prophetiekonzen-
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trat, das einen Entwurf einer prophetischen Babylonbiographie zur Folge hat. Die Herausforderung, die „Babylon" in der Bibel für sein/ihr Verständnis darstellt, ist vielgestaltig.2 Die Hauptaussage der behandelten Texte, der Untergang Babylons, wird, wie schon Lohmann sah, in unterschiedlichen literarischen Gattungen variiert: „Während das eine Babelorakel (Jes. 21,1-10) das Schema einer Visionsschilderung verwertet, ein anderes (Kap. 13) die Anlage eines ernsten, Schrecken und Verwüstung breit ausmalenden Drohorakels aufweist, kleiden Jes. 14,4b—21 und Jes. 47 ihre Unheilsweissagungen in das Gewand eines prophetischen Spottliedes."3
Diese Variation zieht sich durch alle Texte: Ätiologie (Gen 11), Psalm (Ps 137), Vision (Jes 13/21; Sach 5), Leichenklagelied (i"irp) auf den König (Jes 14) und auf die Herrscherin (Jes 47), Gleichnis (^IÖO, Jes 14),4 Performation ähnlich einer Zeichenhandlung (Jer 25), die Summe vieler Prophezeiungen (Jer 50-51) und die christologische Summe der prophetischen Textgattungen (Offb 17-19). Wie die Lastworte bei Jesaja (Jes 13-23)5 sind die Fremdvölkersprüche Jer 46-51 zehn Prophezeiungen, hier wie dort ist Babel verdoppelt (Jes 13f; 21,110 und Jer 50; 51). Tatsächlich war in den Babylon-Texten Babel nicht nur Thema, sondern auch Problem: die Identität Babels, so auch die eigene Identität, Macht, Ausdehnung und interessanterweise Geschlecht wurden ständig behandelt. Im Offb 17-19 werden diese Problemkreise explizit verhandelt. Dabei war stets just die Häufigkeit des Wortes „Babel" kein Hinweis auf Babel als Hauptthema. Der Name „Babel" kommt in fast allen Texten lediglich in Randpositionen (am Anfang oder am Ende) vor. Nur in Jer 50-51 wird „Babel" sehr häufig genannt, hier in fast jedem zweiten Vers. Auffällig ist der zweimalige Rekurs auf das Buch, in das die Prophezeiungen geschrieben sind (Jer 25,13; 51,59-64).' Beim ersten Babylon-Text sowohl im Jesaja- als auch im Jeremiabuch (Jes 13; Jer 25) ist der Text datiert, beidesmal ist es die erste Datierung nach der Einleitung des Gesamtbuches; die Prophezeiungen erhalten so historiographischen Charakter. Zugleich sind 2 Offb 17-19 hat einen anderen Status als die alttestamentlichen Texte: Offb 17-19 vereinigt in einem Text, was die alttestamentlichen Texte in ihrem Zusammenspiel leisten. ' LOHMANN, Prophetien gegen Babel, S. 67. Dies ist nach LOHMANN dem jeweils unterschiedlichen Standort geschuldet, „den der Dichter in bezug auf die Zeit den von ihm verkündeten Ereignissen gegenüber einnimmt. So kann er das eine Mal, wo er den Untergang als schon geschehen voraussetzt, sein Spottlied in der Form eines Leichenliedes, einer Totenklage anstimmen, während es in dem anderen Falle, wo er das Verderben in die Zukunft verlegt, zum höhnischen Triumphgesang wird" (ebd.). 4 Dazu kommen als btöO noch Ez 17 und Hab 2 (s.o. S. 256-258). 5 Hier sind die NÖD-Strukturierungen gezählt, sie stimmen nicht überein mit der Zahl der von Prophezeiungen betroffenen Völker, s. dazu o. 6 Das Aufschreiben dessen, was inzwischen Inhalt des Buches ist, wird auch in der Offenbarung geboten, steht aber nicht im direkten Kontext zu „Babylon".
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
in Gen wie in den Büchern Jes, Jer und dann auch Offb die Babylon-Texte stets an hervorgehobenen und entscheidenden Stellen der Buchkomposition plaziert. Bereits mit der Komposition wurde der Status Babels als Fremdvolk zugleich betont und verneint.7 „Babylon" ist nicht nur eine Größe in den prophetischen Fremdvölkersprüchen, sondern findet Erwähnung und theologisch-literarische Bearbeitung in verschiedensten Textgattungen des AT und NT. Mit dem Psalm 137 kommt die „Antwort Israels" zur Sprache und entwirft ein ähnliches Bild Babylons wie die Propheten. Mit Gen 11 wird nun eine Erzählung über Babel in das theologische Geschichtskonzept der Ur- und Frühgeschichte gelegt, narrativmythisch wird Babylon mit dem Werden des Volks Israel verbunden. Auch in Jes 47 und Jer 50—51 geht die Rückkehr Israels zu seinem Gott und die Neugründung der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk mit dem Untergang Babylons einher. Wahrnehmungen „Darum schlage ich drein durch die Propheten und töte sie durch die Worte meines Mundes [...]" (Hos 5,6)
Die Sprech- und Erzählinstanzen, die Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit waren immer wieder auffallig. Bestand die Erzählperspektive in Gen 11 noch gattungsüblich im auktorialen Erzählstil der jahwistischen Historiographie, wechseln Sprecher häufig und ungenannt in Ps 137. Sach 5,5-11 stellt einen Bericht über das Versagen des Propheten und die prophetische Funktion des Deuteengels dar. Jes 21 schildert in einem unverständlichen Ich-Bericht das Erleben einer Vision vom Fall Babels, der in Jes 13 von Jesaja ben Amoz geschaut und geschildert wurde. Jes 14,4b-21 wird ein Spottlied des endzeitlichen Israel sein, während Jes 47 eine Rede JHWHs an die/das königliche Babel ist. Sowohl JHWHs Ermächtigung Nebukadnezars, Juda und die gesamte Region zu zerstören, als auch die Gabe des Zornbechers an alle Völker sind Berichte Jeremias über Wortereignisse JHWHs an ihn und die Durchführung der Anweisung (Jer 25). Das allumfassende Untergangslied auf Babel (Jer 5051) bildet das Ende von Jeremias Prophetie (51,64). Anders als die Prophezeiungen „Jesajas", die, wenn nicht überzeitlich, so doch vielzeitig sind, wenn sie bis in die Regierung Alexanders des Großen reichen, sind die Prophezeiungen Jeremias zeitlich und thematisch an Juda im Untergang durch Babel gebunden. In der Johannesoffenbarung sind nun verschiedene Formen aufgenommen: Insbesondere an Sacharja erinnern die Verhältnisse von Prophet, Engel und Vision, Deutung in Offb 17. Das ist noch einmal gesteigert, inso-
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S. dazu die Auslegungen.
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fern im folgenden (Offb 18-19) der Prophet den Untergang Babylons ausschließlich durch die Prophezeiungen des Engels und die Reaktionen im Himmel wahrnimmt. Die Mehrzahl von Vision, Reden, wiedergegebenen Reden und himmlischen Reaktionen stellt eng zusammen, was im Buch Jesaja mit - grob gesehen - Vision (Jes 13), wiedergegebener Reaktion (Jes 14,4b21), Erlebensbericht über die Vision (Jes 21) und göttlicher Begründung (Jes 47) noch über das Buch verteilt war. Sowohl in Ps 137 als auch in den prophetischen Texten steht immer wieder das Sprechen/Singen als solches sowie das Prophetsein des Propheten in Frage. Auffallig oft und massiv muß die Wahrheit des Verkündigten und die Legitimation des Propheten im Zusammenhang mit „Babylon" gerechtfertigt werden. Auch die Wahrnehmung Babels steht in Frage. Während in Ps 137 die Sängerperson ihre eigene Gesangsfähigkeit in Frage stellt, sieht sich Sachaija einem Legitimationszwang ausgesetzt, wohingegen die visionserlebende Person in Jes 21 an der Mitteilung des Gesehenen scheitert. In Jes 13 wechselt plötzlich die Textperspektive von der Stadtbelagerung hin zur Zerstörung der ganzen Schöpfung. Sogar die Turmbauerzählung problematisiert ihre Erzählung zwar nicht selbst, stellt aber insofern ein Problem dar, weil sie als Erzählung, als ätiologische Stimme zu spät kommt. Sowohl Babel als auch verschiedene Sprachen und Völker sowie ihre Verteilung über den Erdboden gibt es schon längst (Gen 10). Der Prophet kann auch in Offb 17 die Vision - trotz der didaktischen Vorbereitung durch den Engel - nicht richtig deuten. Alle künftige Wahrnehmung Babels ist dann streng durch die Engel gefiltert, bis der Prophet dann wieder „etwas wie" (19,1) eine Stimme wahrnimmt und damit Ezechiels Sprache und Wahrnehmung folgt. Zur Stellung des Propheten, seiner Legitimation und Autorität treten außerdem immer wieder die Performativität des Gesagten sowie insgesamt eine Hervorhebung des Sprechens: dazu gehört das Erheben des Schlachtzeichens als Beginn eines prophetischen Unheilstextes. Ein Schlachtzeichen in einem literarischen Text zu erheben, verdoppelt die Signale dafür, daß der Untergang Babylons nun beginnt (Jes 13,2; Jer 50,2; 51,12.27). Getöse und Geschrei begleiten den Angriff der Krieger (Jes 13,2.4; Jer 25,30; 50,22.42; 51,54). Zu Jes 13,4f schreibt denn auch Wildberger: „Das zweimalige "71p und die Alliteration von "OH und jlKiZj mit ihren dunklen Vokalen versinnbildlicht das dumpfe Tosen der Kriegsmaschinerie (vgl. auch dasselbe Vokabular in 17,12; 29,5-8).""
Dem folgen Aufrufe zur Wehklage, Schreien und Fluchtgetöse (Jes 13,6; Jer 25,36; Jer 50,28; 51,16). Stimmen, die das Volk rufen (Offb 18,4) nd jubeln (Offb 19,1.5.6) und Engel, die mit starker Stimme Babylons Untergang 8
WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 513.
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C. Die Biographie der „ Hure Babylon "
prophezeien (Offb 18,2). Am Ende ist keine Stimme mehr zu hören, wie es zuvor in Juda und Jerusalem war (Jer 25,10; Klgl 2,9f), so soll es auch in Babylon sein (Jes 47,5; Jer 51,55), auch die einheitliche Sprache aller Menschen wird vernichtet (Gen 11), das Lied des Volks verstummt im Ruf nach Vergeltung (Ps 137). Dies wird durch performative Akte der Prophetie in Gang gesetzt (Jer 25,15ff; 51,59-64; Offb 18,21-23), andere Texte zum Untergang Babylons sind Lieder des Zukünftig-Utopischen (Jes 14) oder ein Gesang von der Unmöglichkeit zu singen (Ps 137); Jes 21,2.6 thematisiert die Mitteilung des Wahrgenommenen als Zwang (Jes 21,2) oder als Auftrag (Jes 21,6). Carroll hebt hervor, daß das tatsächliche Ergehen und das tatsächliche Datum des Textes (Jer 50-51) nachrangig sind, denn „emotionally Babylon was destroyed in this manner".9 So steht mit Babylon und seinem/ihrem Untergang stets auch das Medium seiner Verkündung in Frage. Wahrnehmung konstitutiert Wirklichkeit.10 Wie wirklich aber wird der Untergang Babylons sein, wenn die Wahrnehmung des Propheten getrübt oder getrogen ist? Die einzelnen Texte lösen dieses Problem unterschiedlich. Eine übergreifende Lösung dieses Problems kann darin bestehen, daß vielgestaltige und vielförmige Wahrnehmungen desselben vielleicht doch Wahrheit verbürgen: ceterum censimus Babyloniam delendam esse.
2. Die Kommunikation der Texte In der Einleitung ist erarbeitet worden, daß Intertextualität drei einander überlagernde und letztlich nicht wirklich trennbare Facetten hat, als Eigenschaft der aufeinander bezogenen und sich beziehenden Texte, als Eigenschaft des Textthemas „Babylon" und als Eigenschaft der Rezipierenden, die durch ihre Mitarbeit am Textprozeß beständig Stimmigkeit erzeugen, auch dort, wo sie eigentlich im Text nicht in Worte gefaßt ist. In dem Versuch, hier nun doch nacheinander zu behandeln, was eigentlich ein einziger großer Komplex ist, soll es zunächst um die Eigenschaften der Texte gehen, die das Bild Babylons in der Bibel, die Biographie der „Hure Babylon" entworfen haben. Die Texte zu Babylon stehen in vieldimensionaler Beziehung zueinander. Behandelt werden im folgenden die verschiedenen Formen von Wiederholungen (1), Text-antworten (2) und Satellitentexte (3).
' CARROLL, Jeremiah, OTL, S. 854. ,0 S.o. A.3.
C.2. Die Kommunikation der Texte
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2.1. Wiederholungen Gerade durch die Vielzahl der Untergangstexte zu Babylon überlagern sich Aussagen. In vielen Formen werden Bilder und Aussagen wiederholt und in Beziehung gesetzt, so daß aus dem linearen Geflecht der Satzfolgen ein kompliziertes intertextuelles Bezugssystem wird. Wort- und
Aussagenwiederholungen
Eine Reihe einzelner Begriffe, Motive und Aussagen taucht immer wieder auf. Hier seien beispielhaft Details im Zusammenhang mit Krieg genannt, z.B. die Erhebung des Schlachtzeichens (Jer 50,2; 51,12.27; Jes 13,2), Zerstörung (nCQttf Jer 50,13; 51,26.62; Jer 25,12; ¡17225 Jer 50,3.23; 51,29.37.41.43; Jes 13,9) oder auch die Einnistung von Wüstentieren (Jes 13,21f; 14,23; Jer 50,38; 51,37). Der m i r CV wird in Jes 13,6.9 (und Jes 13,13; Jer 51,2) als eine Möglichkeit der Untergangsumstände genannt. Dazu kommen Bann (CHI, Jer 50,21.26; 51,3) über Babel und sein/ihr Heer, wie die Chaldäer früher Jerusalem/Juda gebannt hatten (Jer 25,9)" sowie Rache (Jes 47,3; Jer 50,15.28; 51,6.11.36).12 Für Babylon besonders wichtig wurde, abgesehen von dem Verb 0125 „verderben" (Jes 14,20; Jer 51,1.11.20.25), das insbesondere im Jeremiabuch terminus technicus für Gottes Vernichtungshandeln ist, das Wortfeld -mrntö/ , -TE; - „verwüsten" (Jes 13,6.6; 21,2; Jer 25,36; 51,48.53.55.56; Ps 137,8)." So bekommt in diesen Kriegstexten JHWHs Titel als Herr der Heerscharen eine deutlich militärische Note und den Charakter als Machtattribut (Jes 13,4.13; 14,22.23.24.27; 21,10; 47,4; Jer 25,8.27.28.29.32; 50,18.25. 31.33.34; 51,5.14.19.33.57.58). Dazu kommt das Aufreizen der Feinde (Jes 13,17; 50,9.41; 51,1.11), der Unterwelt (Jes 14,9) oder des Sturms (Jer 25,32). Viele dieser Details sind im Laufe der Exegesen bereits genannt worden. Die ermüdende Verbalisierung von Konkordanzergebnissen soll an dieser Stelle ausbleiben.14 Das mehrfache Vorkommen derselben Worte in den verschiedenen Texten, das Überlagern der Textaussagen stellen eine Parallelisierung der erzählten " S. zum Bann NLDITCH, War in the Hebrew Bible, S. 28-88. 12 Sowohl Bann als auch Rache sind Termini, die in Jes 34 erscheinen. Bann ( E i n ) in Jes 34,2.5 und Rache (Dpi) in Jes 34,8; zum Bann in Jes 34 s. LUST, Isaiah 34. Zu Jes 34 als Satellitentext s.u. C.2.3. 13 OGDEN, Prophetic Oracles, S. 92f, meint, das Vorkommen von 112) weise auf Edom, weil es in Obd, Jer 49,7-22 und Ps 137 auftaucht. In der Tat scheint mir auffällig, wie ähnlich sich die Prophezeiungen über Edom und Babel sind. Allerdings wird das in Ps 137 durch die synonyme Nennung auch nahegelegt. S. auch u. C.3.2. 14 Für Details sei hier auf die Einzelexegesen und für Untergangsvokabular und -Vorstellungen auf B.IV.2.3.3.6. verwiesen.
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
Ereignisse her. Sie bieten aber auch sozusagen begriffliche Haken für die Harmonisierung dieser dann als parallel präsentierten Texte und ermöglichen damit die Eintragung eines Textes in einen anderen. Die Wiederholung ganzer Aussagen verstärkt in der damit geleisteten Unterstreichung darüber hinaus den Wahrheitscharakter des Gesagten. Das Übersetzen hebräischer Begriffe und Vorstellungen in eine griechischsprachige Welt ist Johannes von Patmos nicht Problem, sondern Chance: einerseits nimmt er Begriffe aus der LXX, der Hebräischen Bibel, manchmal aus beiden, manchmal aus keinem auf und multipliziert so die erschließbaren Zitate und Aufnahmen, was sich noch dadutch steigert, daß er inhaltlich mehrere Figuren zu je einer zusammenschmilzt (s.u.). Durch mehrfaches Vorkommen desselben Wortes in verschiedenen alltestamentlichen Texten spielt er gleich an mehrere an. A
ussagenvariationen
Neben der Wiederholung von Begriffen, Motiven und Aussagen steht ihre Variierung.'5 So geht es z.B. häufig um die Änderung oder Ausrottung von Babels Namen (Jer 50,21.31; 51,1.41; 25,26; Jes 47,8; Jes 21,1; Gen 11,4.9; Dan 4,27; Ps 137,9)" oder die Enthüllung ihres wahren Namens (Offb 17,5). Der Untergang Babels ist ohnehin die Grundaussage, deren Variation in allen hier behandelten Texten Thema ist. Die Ausführenden sowie die Ausführung des Untergangs, die Angreifenden und ihr Angriff, werden ebenso vielgestaltig präsentiert wie die Gründe des Untergangs: Viele Details sind im Zusammenhang mit Jer 50-51 bereits dargestellt worden." Gemeinsamer Nenner vieler Einzelaussagen ist die Instrumentalisierung von Menschen zum Werkzeug Gottes (Jes 13,2-5; Jer 50,25; 51,2.11.20-24), deren Changieren zwischen Benutztwerden und Freiwilligkeit im Verb - „aufreizen" in den Begriff gesetzt ist, und die gleichzeitige Personalisierung von Waffen in Gestalt (!) der Pfeile und des Schwertes. Die Sieger fressen ihre Feinde, die Pfeile trinken das Blut, den Vögeln bereiten die Leichen einen Festschmaus. Auch dies ist in der Offenbarung gesteigert: die Werkzeuge Babylons, die Könige, wenden sich gegen sie (Offb 17,16) und werden sie (unter anderem) fressen. In Babel wird dann das Blut derer gefunden, die sie vertilgt hatte. Obwohl Babylon in einigen Texten der Feind aus dem Norden ist (dies ist aus Sach 2,10; 6,818 zu schließen und ist auch für Jer 4-6 wahrscheinlich") oder mit ihm zusammenarbeitet (Jer 25,9), erhält es in Jer 50,39.41; 51,48 selbst einen Feind aus dem Norden. 15
Streng genommen ist jede Wiederholung stets eine Variation, da man nicht zweimal in denselben Fluß steigen kann; mit Variation ist hier das landläufige Mehr an Aussageveränderung gemeint. 16 Zu anderen Beispielen s. auch hier die Auslegung von Jer 50-51. 17 S. dazu o. B.IV.2.3.3.6. 18 JEREMIAS, Nachtgesichte, S. 27ff. " ALBERTZ, J e r 2 - 6 .
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So wie die babylonischen Gesandten „aus einem fernen Land" an den Hof Hiskias kommen (Jes 39,3), werden Babylons Zerstörer „aus einen fernen Land kommen" (Jes 13,5). In Deutero-Jesaja ist dieses Motiv - Israel befindet sich im Exil - umgekehrt: meine Söhne und Töchter kommen aus der Ferne und vom Rand der Erde, heißt es in Jes 43,6.20 Die Variationen gleicher Aussagen in einzelnen Bildern wie in Grundaussagen facettieren das Bild des babylonischen Untergangs in die Abfolge und Gleichzeitigkeit vieler Details. Das insgesamt mehrfach Geschilderte erhält durch die Details aus mehreren Texten einen eben mehrfach verbürgten Wahrheitscharakter. Metaphern und Bedeutungsfelder Allein die Existenz von Metaphern verdoppelt die Bezugsmöglichkeit der Aussagen und Begriffe, weil viele Worte - wenn nicht jedes - insbesondere in so wenig kohärenten Texten wie Jer 50-51 oder Offb 17-19 wörtlich und metaphorisch gemeint, benutzt und verstanden werden können. Ausdrücke, die in sich polysem sind oder so gebraucht werden, kommen in diesen Texten zu den doppelten Bezugsmöglichkeiten intra- wie intertextuell noch hinzu. Ampliflkationen und Kondensation Amplifikationen und Kondensation, wie die Rede vom Becher und dem Zornwein oder dem Bild des Hammers,21 aber auch die Rede von der Beschämung der weiblichen und des männlichen königlichen Babylon, sind quantitativ arbeitende Wiederholungen, die wie Teile eines Puzzles eine Fügung ineinander herausfordern. Dieses System treibt Johannes in seinem Bestreben, alle Prophetie in eine Vision zu schauen, zur Perfektion. Semantisch-metaphorische Juxtapositionen Ein mehrfach beobachtetes Phänomen insbesondere prophetischer Texte ist das Zusammenstehen verschiedener Metaphern und Bilder, die in einen bestimmten metaphorischen Themenbereich gehören. Gerade die Aufnahme in der Johannesoffenbarung zeigt, daß einige von ihnen dann eben auch zusammengelesen werden. Im Zusammenhang mit Babylon stehen die eigentlich unterschiedlichen Motive von Trunkenheit und Taumeln (Jer 51,39.57; Jes 47,15), Bechertrinken (Jer 51,7; Jer 25,15-29) und Keltertreten (Jer 25,30; Jer 51,14) zusammen. Sie werden in Offb in eine noch engere Verbindung gebracht.
20
Dazu kommen die Heimkehrer und Heimkehrerinnen von ferne (Jes 49,12) und Gottes Ruf an einen Mann für seinen Plan aus einem fernen Land (Jes 46,11). 21 S. dazuo. S. 41 lf.
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Es werden Erntende vernichtet (Jer 50,16), Krieg ist Worfeln (Jer 51,2), der Ort wird niedergemäht (Jer 51,62), Babylon wird eingestampft wie ein Tennenplatz (Jer 51,33), zuvor hatte es Israel gedroschen (Jes 21,10),22 nun soll Babylon selbst mit der Handmühle arbeiten (Jes 47,2). Babylons Bewohner werden geschlachtet wie Stiere (Jer 50,27) und Lämmer (Jer 51,40); die Söhne des Königs werden hingeschlachtet (Jes 14,21); wie auf der Jagd ist Babel in die gestellte Falle gelaufen (Jer 50,24). Krieg ist wie Keltern, die siegenden Angreifer singen Kelterlieder (Jer 51,14). Diese Teilbilder stellen vor allem eine Form von logischem Konnex unter sich her und dienen damit der Plausibilisierung der einzelnen Bilder, der gedächtnishaftenden Illustrierung und der Ausweitung der Grundaussage: alles ist betroffen, in allen Details. Metametaphern Ein anderes, verschiedene Bildbereiche synthetisierendes Phänomen ist oben mit dem Begriff „Metametaphern" bezeichnet worden, daß also eine Metapher ihrerseits metaphorisch gewendet wird.23 Metametaphern vernetzen Metaphern verschiedener Provenienz, bringen also Unterschiedliches zusammen. Sie bewirken damit eine Hierarchisierung der Metaphern und Bilder zu einem System: dieses System der Bilder wird damit zugleich hermetisch und bleibt offen. Synthese von Einzelmetaphern zu einem Vorstellungsmodell Ein weiteres Phänomen ist schließlich die Synthese verschiedener Motive zu einem neuen, was für Babylon vor allem im „Tag JHWHs" als theologischem Rahmen des Untergangs gegeben ist. Er wird für Babylon in Jes 13 entfaltet und kommt als Phrase in V.6.9 sowie als Tag ISN ¡Tin DT - „Tag der ZornGlut seines Zorns" in Jes 13,13 bzw. als Hin DV in Jer 51,2 vor. Der Ausdruck m r r CT fallt in Jer 50-51 nicht, obwohl weithin textliche Interdependenzen angenommen werden: die Begleitumstände und Untergangsszenarien des m r r CT gehen in die Synthese aller Untergangsmodelle in Jer 50-51 ein. Zum Tag JHWHs gibt es verschiedene Erklärungs- und Entstehungsmodelle.24 Auch ist umstritten, welche Texte des AT vom Tag JHWHs handeln und welche nicht. Relativer Konsens herrscht bezüglich Am 5,18-20; Joel; Obd 15ff;
22
Ön/üTT - „dreschen" ist auch ein Terminus für die Tötung von Kriegsgefangenen, „indem man den mit eisernen Zacken versehenen Dreschschlitten über sie hinzog" (Ges 17 , s.v.
¡ÖH/tf-l). 23
S.o.S. 413-415. Umstritten ist die Entstehungszeit und der Entstehungskontext, der Sitz im Leben und der Charakter des Tags JHWHs. Zu einem neueren Forschungsüberblick s. ZAPFF, Prophetie, S. 66-105. 24
C.2. Die Kommunikation der Texte
All
Zef und Jes 13.25 Der miT CV richtet sich hauptsächlich gegen Israel (Am 5,18-20; Joel), in Obd gegen Edom und in Jes 13 gegen Babel. Die Texte zum m r r ET knüpfen ein Netz über das gesamte prophetische Korpus, zum Beispiel werden zwischen Jes 13 und Joel redaktionsgeschichtliche Abhängigkeiten erwogen.26 Wichtig sind für die Fragestellung dieser Arbeit die motivlichen Zugehörigkeiten und Ausgestaltungen. Nach Erlandsson gehört zum Tag JHWHs das Zorn-Motiv mit den Begriffen DJJT, und "["1 in, Ausdrücke vom (Ab)Schlachten mit ¡"DT, FQC2 und anderem sowie das Verwüstungsmotiv mit ¡lEHj/nDQÖ und "123 sowie die Klage, das Motiv von Unglück und Angst unter den Angegriffenen und kosmische Veränderungen als Begleiterscheinungen. Entscheidend ist ihm aber die Rede vom Stolz. Da dies auch in den ältesten Tag JHWHs-Texten Am 5,18-20 und Jes 2,6ff dominant ist, sieht er dies als Definiens des Tag JHWHs. Bei Jesaja und inbesonders Jes 10; 13 sei genau dieses Stolz-Motiv dann ausgeweitet: „He intervenes against the proud, whoever they may be."27 Die Gleichzeitigkeit der theologischen ,Gattungs'diskussion, einmal vom Vorkommen eines Begriffs wie miT DT auszugehen und einmal von den Begleiterscheinungen, die das Phänomen mit sich bringt bzw. von einzelnen Motiven, ermöglicht es, einen m m •V verhandelt zu sehen, wo tatsächlich nur einzelne Begriffe vorkommen. So rufen einzelne Begriffe sowohl das ganze Modell auf als auch Begriffe, die dazu gerechnet werden. Alle diese Formen sprachlicher Varianz und Konkretisation vernetzen, verschmelzen und systematisieren die Babylon-Texte - zumindest die prophetischen Untergangstexte - miteinander. Dies ist ein Kennzeichen der alttestamentlichen Prophetie, das bei Texten, die durch dasselbe Thema/dieselbe Figur „Babylon" zusammengehalten werden, besonders zum Tragen kommt. Das hat die Johannesoffenbarung auch angewendet. 25 Häufig geht man von dem Vorkommen der Formulierung m m CT aus. Sie erscheint im AT 16mal: Jes 13,6.9; Ez 13,5; Joel 1,15; 2,1.11; 3,4; 4,14; Am 5,18 (2x).20; Obd 15; Zeph l,7.14(2x); Mal 3,23. In der Diskussion steht dann, ob auch Texte in denen Formulierungen wie mrr rraa er (Ez 7,19; Zef 1,18), mrr nv (Zef 2,2.3; Klgl 2,22), mm m? er (Zef 1,8) oder m m CT (Jes 2,12; Ez 30,3; Sach 14,1) und andere Formulierungen dazuzurechnen sind oder nicht, weil kein konsensfähiges Unterscheidungskriterium existiert, es könnten terminologische oder inhaltliche Charakteristika herangezogen werden. 26 S. WOLFF, Joel, BK, S. 25f, 55f; BERGLER, Joel als Schriftinterpret, S. 132-153. Hier aber werden besonders die Unterschiede wichtig, nach WOLFF bestehen sie darin, daß Joel die Drohung gegen Babel nun gegen Jerusalem spricht und daß die Nähe des Tags JHWHs sich in der Heuschreckenplage und Dürre manifestiert (WOLFF, Joel, BK, S. 55f). 27 ERLANDSSON, Bürden, S. 148. WOLFF, Joel, BK, S. 39, betont stattdessen, daß die Vorstellung vom Tag JHWHs Überlieferungen vom heiligen Krieg und Theophanie-Vorstellungen enthält, der Zorn Gottes ist essentiell. Die verschiedenen Adressaten und Adressatinnen sieht er diachron begründet: im Zusammenhang mit der Katastrophe von 587 v.Chr. war Jerusalem angeredet, danach die Völker. Die Anfänge der Apokalyptik verbinden beide Gruppen (Sach 14;Ez38f; Joel).
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
2.2. Text-antworten Die Verbindungen zwischen den verschiedenen Babel-Texten des AT bestehen nicht nur in der Verschmelzung und Verschränkung von Metaphern, Begriffen und Aussagen, sondern auch in der Anlage und Struktur der Texte als ganze. Buchabfolgen
Innerhalb der Bücher Jesaja und Jeremia sind die Babylon-Texte als Abfolgen lesbar. Während die Jesajatexte durch Stichworte an den Enden zusammengeknüpft, als zeitliche Abfolge von hinten nach vorn lesbar sind (Jes 47—13) und in den Themen Stadt (Jes 13; 21) und Personifikation (Jes 14; 47) alternieren, sind die Jeremiatexte 25; 50-51 als zeitliche, theologische und ereignishafte Abfolge dessen, was entworfen (Jer 25) und letztlich erfüllt wird (Jer 50-51), konstruiert. Hier steigert die Johannesoffenbarung durch ihre Komplexität und Mehrzahl der Linien die Kompositionsmöglichkeiten: je nach Ordnung hat der Text einen anderen Aufbau, der behelfsmäßig mit „spiralförmige Klimax" bezeichnet wurde. Dies ist an den Babylon-Texten in der Offenbarung 14,8; 16,19 und 17,1-19,10 ablesbar. Supplemente, Fragen, Klagen und Antworten
Die oben ausgelegten Texte sind in sich schlüssig und immanent verständlich und stehen zugleich in enger Verbindung zu ihrem Textkontext. Trotzdem biblisch scheint das kein Widerspruch zu sein - sind diese Texte auf unterschiedliche Art auf ein Zusammenwirken mit anderen Texten angelegt: deutlich ist Jes 21 ein Supplement, in meiner Auslegung zu Jes 13. Ps 137 verlangt durch den abrupten Schluß nach einer Antwort oder Reaktion, die m.E. in Gottes Handeln und den Visionen der Propheten erfolgt. Der Prophezeiung in Jer 50-51 ist durch ihre besondere Extensität und Intensität, durch die Inkraftsetzung in der performativen Handlung am Schluß sowie durch das gleichzeitige Ende Babels und des Propheten (51,64) eine Antwort auf etwas, und zwar mindestens auf die Geschehnisse, von denen das Gesamtbuch Jeremia handelt, die wiederum in Jer 25 in einer geschichtstheologischen Nußschale zusammengefaßt werden. Während Gen 11 und Sach 5 mindestens aus der Perspektive einer Geburtsgeschichte einander Komplemente sind, ist der Antwortcharakter beider Texte einzeln ebenso klar: während Gen 11 die Globalisierung und Widersprüchlichkeit, die Babel wohl eignet (s. dazu u.), ebenso wie die Untergangsgeweihtheit historisch erklärt, indem all diese Eigenschaften Babels bereits in ihre Entstehungsgeschichte gelegt werden, erklärt Sach 5,5-11 mit religiös-kathartischen Bildern und Kausalitäten, warum Babel untergehen muß und so verachtenswert sei. Beide Texte geben also eine
C.2. Die Kommunikation der Texte
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Antwort und setzen damit eine Frage voraus. Durch die Amplifikationen und Kondensierungen von einzelnen Vorstellungen werden ebenfalls offengebliebene Fragen eines Textverlaufs beantwortet, durch das „Taumeln" in Jes 47,15 wird der Inhalt von Jer 25 in diesen Text eingetragen, und liefert damit eine Erklärung dafür, wie der Untergang Babylons überhaupt beginnen kann. Diese intertextuelle Vielstimmigkeit wird in der Johannesoffenbarung in eine intratextuelle Viielstimmigkeit kondensiert. Untergangs- und Machtvariation Allen Bibeltexten gemeinsam ist die Aussage, daß Babylon untergeht.28 Wenn man die Texte auf ihre Grundaussagen hin atomistisch vergleicht, dann erscheint dieser Untergang in verschiedenen Mustern, die zusammengenommen keine denkbare Möglichkeit auslassen: der Tag JHWHs als Weltuntergang (Jes 13/21), eine Tun-Ergehen-Folge (Jes 14), sexuelle Gewalt gegen eine Frau und Chaos im Sicherheitssystem (Jes 47), Trunkenheit (Jer 25), Vergeltung (Ps 137), Zerstreuung (Gen 11), Vergiftung durch ein Miasma (Sach 5,5-11). Jer 50-51 stellt hier gerade in den Untergangsvorstellungen eine Steigerung zu den anderen Texten in Quantität und Qualität dar. Dabei differenzieren sich in den Einzeltexten weitere Details, z.B. braucht es in Jes 13 einen Weltuntergang, bis Babylon auch untergeht; Gen 11 erzählt sogar die Geschichte vom Untergang im Aufbau; wann allerdings in Sach 5,5-11 tatsächlich die miasmatische Bosheit aus der Tonne ihre unheilbringende Wirkung tut, ist offen. Offb 17-19 hat kein einförmiges Untergangsmodell, sondern entsprechend seiner Ausrichtung mehrere: Babylon wird wie in Jes 47 als Frau gedemütigt, nämlich gehaßt, ausgeplündert und entblößt (Offb 17,16), sie wird gefressen (Offb 17,16; Jer 50,10; 51,34-35), wie sie, Babel, alles gefressen hatte (Jer 50,7.19, s. Offb 18,6), und verbrannt (Offb 17,16; 18,9-19,3; Jes 47,14; Jer 50,32; 51,25.32.58).Wie in Jes 13,20-22; 14,23; Jer 50,39; 51,37 hausen schreckliche Tiere darin, hier wird der Wunsch aus Jes 13 aufgenommen, daß wenn die Stadt schon nicht zerstört ist, sie wenigstens Hort allen Übels sein soll. Wie die Frauen in Sach 5 ist Babylon in Offb 18,4 ansteckend. Sie wird durch das Trinken aus dem Becher sterben (Offb 18,6; Jer 25); der Irrtum, dem sie schon in Jes 47 aufsaß, wird sich in Offb 18,8
28 LOHMANN, Prophetien gegen Babel, S. 22, vertrat in dieser Hinsicht die These, daß mit Ausnahme von Jes 46,1-2 in allen Prophezeiungen gegen Babylon Gott selbst den Untergang herbeiführt, indem er sich menschlicher Werkzeuge bedient. M.E. bildet aber Jes 14,4b—21 eine weitere Ausnahme, weil hier der König sich selbst zu Fall bringt. Der diesen Vorgang als Gottes Tat lobende Vers Jes 14,5 ist ein Zitat im Munde Israels und somit eine (theologische) Deutung der Ereignisse. Gleichwohl hat LOHMANN die allen Texten gemeinsame Thematik benannt: das endgültige Ende Babylons, das auch sehr nah ist und ganz sicher eintreten wird, aber gegenwärtig noch nicht sichtbar ist, weil Babylon noch mächtig ist (LOHMANN, Prophetien gegen Babel, S. 41).
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
nicht (mehr nur) durch Witwenschaft und Kinderlosigkeit, sondern durch die doppelte Menge an Leiden für eine Stadt und für eine Frau äußern (Tod, Leid, Hunger und Feuer). Außerdem wird sie insofern buchstäblich einem Irrtum aufsitzen, als das Tier, auf dem sie sitzt (Offb 17,3), sich mit den Königen zusammen gegen sie wendet (Offb 17,16), sie hat keine Berater mehr (s. Jes 47,13-15). Serajas Zeichenhandlung (Jer 51,59-64) wird durch einen Engel wiederholt (Offb 18,21-23). Babylons Untergang funktioniert dementsprechend ebenfalls allumfassend unterschiedlich: Fall durch sich selbst (Jes 14), Krieg (Jes 13/21), Kontamination (Sach 5), Fluch (Ps 137), Synthese (Jer 50-51; Offb 17-19), Einbruch des Chaos/Versagen der Führungskräfte (Jes 47), ähnliches ist auch in Jer 25 durch die Trunkenheit als Ausgangspunkt zu vermuten, was dann im Weltkrieg endet. In Gen 11 ist überhaupt nicht davon die Rede, wie die Deskommunikation bewirkt wird, und die Einzelheiten um die Aufgabe des Unternehmens vor sich gehen. Daß plötzlich oder allmählich Chaos zwischen den Menschen ausbricht, steht zu vermuten. Das liegt jeweils daran, daß „Babel" in den verschiedenen Texten je ein anderes menschlich-politisches Herrschafts-/Machtsyview ist oder repräsentiert: Kommunismus (Gen 11), religiös fundamentalisiertes Miasmazentrum (Sach 5), Exilsort/Zwingherren (Ps 137), Tyrannis (Jes 14), Wissenschaft (Jes 47), Stadt (Jes 13), außenpolitischer Alliierter/außenpolitischer Feind (Jes 21), Militärmacht (Jer 25), Königreich, Stadt, Land, Monster/Religion, Oligarchie u.a. (Jer 50-51; Offb 17-19). In dieser Summe heißt das, daß jedes Herrschaftssystem „Babylon" sein kann. Das intertextuelle Untergangslied Babylons wird nun in vielen verschiedenen Texgattungen einerseits und Kanonteilen andererseits gesungen (s.o.), findet sich also an vielen Orten. Aus dieser Perspektive sind alle diese Texte Teile eines großen Ganzen. Babylon wird aber auch zu einem System, d.h. zu etwas Grundsätzlichem.2' Trunkenheit als kausaler Schlüssel des babylonischen
Untergangs
Neben den Dialog der Texte und ihre Kumulation tritt ihre kausale Verkettung. Diese erfolgt bei Babylon durch die Weiterentwicklung einzelner Motive, die so zum theologischen Konzept werden: Das betrifft insbesondere „Becher" und „Trunkenheit", wie bereits mehrfach hervorgehoben. In Jer 25 tränkt der Prophet alle Völker mit dem Taumelbecher Gottes, was ausfuhrlich geschildert wird. Dies entwickelt dann Jer 50-51 weiter: „Ein goldener Becher ist Babel in der Hand JHWHs, deshalb sind die Völker wahnsinnig" (Jer 51,7). Diesen Becher hält schließlich die „Hure Babylon" der Johannesoffen29 Die sogenannten kleinen Texte zu Babylon, kurze Texte wie Mi 4,9f, Sach 2,11 oder Dan 4,27 verändern dieses Bild nicht, sondern facettieren es noch mehr.
C.2. Die Kommunikation der Texte
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barung in der Hand, er ist voll mit Greueln und dem Unreinen ihrer Hurerei (Offb 17,3); sie ist trunken von dem „Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu" (Offb 17,6). Der Becher mit Taumelwein ist zuletzt zu ihrem konstituierenden Attribut geworden. Dieser Aspekt verbindet mittels der Kommunikation der Motive die Texte miteinander. Die Weiterentwicklung bindet diese Motive an Babylon - sie werden in diesem Fall zum Attribut - und plausibilisiert die Entwicklungen bis zum Ende Babels/dem Tod der „Hure Babylon". Die Kontextgebundenheit eines jeden Textes in einem biblischen Buch ordnet diese Texte eben nicht nur in den Ko-text ein, sondern auch in thematische Kontexte, das sind in diesem Fall die Babylon-Texte. Die Texte über Babylon hängen zusammen, illustrieren, interpretieren und bewahrheiten sich gegenseitig. Dadurch, daß „Babel" und sein/ihr Untergang näher oder ferner in so vielen Teilen des AT vorkommt, entsteht der Eindruck, daß Tora, Schriften und Propheten mit ihren verschiedenen und z.T. widersprechenden Stimmen in der Gesamtschau ein Bild ergeben. Daß Babylon im AT so oft der Untergang angedroht und zu-geschrieben wird, mag einer der Gründe dafür sein, warum Babylon in der Johannesoffenbarung so oft untergeht. Johannes von Patmos reagiert auf diese Realität, auf die reale Macht dieser Bilder, indem er das einzige tut, was hier hilft: er greift ein, indem er das Geflecht an Beziehungen und Ähnlichkeiten verdichtet zu einer Biographie der „Hure Babylon", sie ordnet zur einzigen, wahren Erzählung und diese zu Ende führt, und zwar zu allen möglichen Enden.
2.3. Satellitentexte Neben einzelnen Motiven, die in ihrer spezifischen Form der Wiederholung Babylons Bild weiter facettieren, sowie der strukturellen Bezogenheit der Babylon-Texte unter- und aufeinander fallt schließlich auch das Phänomen von „Satellitentexten" auf. Damit bezeichne ich einzelne Texte, die nicht von Babylon handeln, wohl aber Korrespondenzen gleich zu mehreren BabelTexten aufweisen; Motive und Theologumena kommen hierbei besonders dicht vor. Solch ein Text ist Hab 2, der in V.l-3 die Vorstellung vom Wächter auf dem Turm derart mit Jes 21,1-12 teilt, daß man Hab 2,1-3 als Erläuterung zu Jes 21 lesen könnte. Sodann folgt in Hab 2,4ff korrespondierend und z.T. alternativ zu Jes 14 eine Prophezeiung über den sicheren Fall des Tyrannen, der hungrig ist wie das Totenreich und sich alle Völker unterwirft. Nichtsdestoweniger werden sie das nachfolgende Lied über ihn singen, das ein prophetisches Wehelied ist, eingeleitet mit TT, eine Partikel und eine Redehaltung, die
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C. Die Biographie der „Hure Babylon "
aus Trauer- und Klageliedern entnommen und prophetisch umgeformt wurde.30 Diese Liedstruktur entspricht dem Lied der Völker und der Schöpfung (Jes 14,4b-21), das seine Strophen ähnlich spottend gewendet mit der Klagepartikel einleitet. Im Lied selbst ähnelt die Grundaussage vom Zusammenhang von Tun und Ergehen erneut dem Handeln des babylonischen Königs/ Babylons3' aus Jes 14, wie auch sogar die unbelebte Welt als Sänger des Liedes (Hab 2,11; Jes 14,7f). Dazu kommen einzelne Aussagen wie das Abmühen der Völker um das, was dem Feuer anheimfallen wird (Hab 2,13; Jer 51,58). Die zweitletzte Strophe des Liedes bildet dann ein Wehewort gegen den, der andere seinen Zornbecher trinken läßt, um sie danach zu entblößen. Die genaue Verwendung dieses Motivs bildet komplexe Bezüge zum Bereich Zornbecher, Macht und Entblößung in den Babylon-Texten des Jeremiabuches (Jer 25; 51,7) wie auch zu Offb 17-19.32 Ein anderer Satellitentext, der konzentriert viele Motive zusammenfuhrt, die sich auch in Babel-Texten finden, ist Jes 34. Hier kommen nahezu alle Formeln der Stadtuntergangs- und Kriegstexte des AT in hoher Dichte vor.33 Edom wird in Jes 34 mit einer Untergangsprophezeiung bedacht, die ähnlich wie viele Babylon-Texte sowohl dem Adressaten als auch allen Völkern den Untergang androht.34 Lust ist der Auffassung, daß ein Edomorakel (Jes 34,56) von derselben Redaktionsschicht wie Jes 1* und 13* ergänzt wurde durch ein Orakel gegen Fremdvölker insgesamt (34,2-3.4.7) und ein Orakel gegen Juda (34,8-15), alle unter der Überschrift einer Aufforderung, aufmerksam zuzuhören. Nach Lust war es das Ziel der Gesamtkomposition von Jes 34, diesen Text mit Jes 13 und mit Jes 21 zu verbinden. Babel, Edom und Zion seien Symbole für die verdorbene Menschheit, in allen drei Texten gebe es u.a. den darauf deutenden Bezug zu Sodom und seinen/ihren Untergang.35
30
S. dazu HARDMEIER, Texttheorie. Zum Repräsentationscharakter der Figur s.o. B.IV. 1.2.4.2 u. B.IV. 1.5.2.. 32 S.o. S. 413. 33 Zum Charakter von Jes 34, bes. V.l 1-16 schreibt DONNER, Forscht in den Schriften, S. 293: „In Jes 34,11-15 wird nichts zitiert, auch nicht im Sinne des Musivstils; vielmehr sind die Aussagen von ebensolcher Originalität wie 34,1-10. Der Verfasser war kein schriftgelehrter Prophet. Wohl aber war der Interpret von V.l6 ein Schriftgelehrter: er fordert die nachgeborenen Leser auf, in der ,Schrift Jahwes' nachzusehen und das, was sie da finden, für Jes 34,11-15 mitzubedenken. Es handelt sich um nichts Geringeres als um eine Frühstufe des späteren klassischen Grundsatzes: Sacra Scriptura est sui ipsius interpres." Er stellt damit m.E. die Eigenart prophetischer Literatur deutlich heraus, die so ein Unternehmen wie die hier vorliegende Biographie überhaupt möglich macht. 34 Genau dies wird in der Forschung oft als Problem angesehen. BEUKEN löst es, indem er das Schicksal Edoms und der Völker unterschieden sieht: Edom wird gerichtet, während allen Völkern eine Frist zur Umkehr bleibe (BEUKEN, Isaiah 34, S. 93f). Andere trennen den Abschnitt über die Völker (34,2^1) vom Abschnitt über Edom (34,5-15), z.B. STECK, Heimkehr, S. 53; LUTZ, Jahwe, S. 90; ZAPFF, Prophetie, S. 243-248. 35 LUST, Isaiah 34, S. 284f. 31
C.2. Die Kommunikation
der Texte
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Redaktionsgeschichtliche Arbeiten betonen in erster Linie die textgeschichtlichen Bezüge von Jes 13 und Jes 34 und damit die funktionelle Parallelität der beiden Fremdvölker Babylon und Edom. Nach Donner sollen redaktionelle Überarbeitungen von Jes 34 den Text „auf dem Weg über Jes 13,21f mit dem Propheten Jesaja"3' verbinden. Die Struktur der Aufzählung in 34,11-15 stellt überdies einen Bezug zur Tora und damit zur „Autorität des Propheten Mose"37 her. Vermeylen sieht in Jes 13 und 34 einen identischen Aufbau.38 Nach Steck ist die kompositorische Funktion von Jes 13 und 34 im Protojesajabuch, die Texte gegen die Fremdvölker zu umschließen; nicht zufällig sind damit ausgerechnet Babel und Edom positioneil hervorgehoben.39 Dabei werden die Zerstörungsausmaße im Vergleich zu Jes 13 jeweils gesteigert, Edom soll es noch schlimmer ergehen als Babel.40 Zu diesem Zeitpunkt sind „Babel und Edom zu Standardgrößen der jahwe- und israelfeindlichen Mächte avanciert [...], so daß sie wie kein anderes Volk geeignet waren, die Gerichtsverfallenheit der jahwefeindlichen Welt zu veranschaulichen." 41
In der Behausung von noch bewohnbaren Häusern besteht eine der Gemeinsamkeiten von Jes 13 und 34, die sie noch mit Zef 2,14, einem Text gegen Ninive, teilen.42 Daß in 34,14 - „Lilith", der weibliche Dämon, der Säuglinge bei und nach ihrer Geburt erwürgt,43 vorkommt, ermöglicht in der Rezeption eine weitere Verbindung zwischen dem weiblich dämonisch personifizierten Babylon und dem weiblich dämonisch bewohnten Edom. Diese Satellitentexte fuhren Babylon-Texte und die in ihnen enthaltenen Bilder und Aussagen in einem anderen Kontext in ein Konzentrat zusammen. Diese Konstellation bewirkt einerseits vor allem eine Ausweitung „Babylons". Andererseits werden Satellitentexte zu einem Beispiel, wie man über 36
DONNER, Forscht in den Schriften, S. 296. DONNER, Forscht in den Schriften, S. 296. 38 VERMEYLEN, Isai'e I, S. 440, s. dort die genaue Gegenüberstellung. Ihm ist GOSSE, Isafe 13,1-14,23, S. 159f, gefolgt. 39 STECK, Heimkehr, S. 56, s. auch LUST, Isaiah 34, S. 284. ZAPFF, Prophetie, S. 2 4 9 - 2 5 7 , hat STECKS Modell für Jes 13 differenziert: in seiner Rekonstruktion nimmt Jes 34G(rundschicht) (= 34,1.5-15) nur auf Jes 13G (=13,17-22) Bezug, und zwar mit dem Sodombezug (Jes 34,9.10a auf 13,19), der Unbesiedeltheit (Jes 34,10b auf 13,21.22a) und den Tieren in den Ruinen (Jes 34,11.13b.l4 auf Jes 13,21.22a). 40 ZAPFF, Prophetie, S. 2 4 9 - 2 5 7 . 41 ZAPFF, Prophetie, S. 254. S. auch u. C.3.2. zur Stellung Edoms. 42 Weil die Kombination der Tiere in Jes 13,21 keine frappanten Übereinstimmungen zu anderen Texten mit diesem Motiv aufweist, schließt ZAPFF, Prophetie, S. 195, hier redaktionsgeschichtliche Abhängigkeiten aus. Jes 34,13f habe stattdessen Jes 13,21 f (und Zef 2,14) beerbt, diese Aufnahme soll demonstrieren, daß es Edom wie Babylon ergehen werde (ZAPFF, Prophetie, S. 195f, s. zum Vergleich der drei Texte noch ERLANDSSON, Bürden, S. 144, DONNER, Forscht in den Schriften, S. 292). 37
43
S. dazu HUTTER, Art. Lilith.
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
die Verknüpftheit der Babylon-Texte selbst bereits zusammenhängende Elemente weiter zusammenfügen, konzentrieren kann. Eine solche, exegetisch kreative Methode hat auch Johannes von Patmos in seiner christologisch-prophetischen Zusammenschau angewendet, indem er einerseits diese Texteigenschaften nutzte und mit einer Formulierung gleich einen alttestamentlichen Textknoten traf und indem er selbst seinen Text zu einem Satellitentext machte. Mit den eben summarisch angesprochenen, vielfältigen Wiederholungen, Text-antworten und Sateillitentexten sowie den ausfuhrlichen Textexegesen (B.) ist deutlich geworden, daß die Korrespondenzen zwischen den Texten nicht nur rezeptioneil hergestellt werden und sich nicht nur dem gemeinsamen Thema „Babylon" verdanken, sondern eben vielfach sich manifestierende Eigenschaften der Texte sind. Dabei sind solche Korrespondenzen Grundeigenschaften von Texten als Texte" und Grundeigenschaften biblischer Texte als Traditionsliteratur. Außerdem stammen sie von den stilistischen Eigenschaften der Gattungen und der doch relativ selben literaturgeschichtlichen Epoche, und rühren wohl auch mindestens in Teilen von redaktionsgeschichtlichen Gemeinsamkeiten.45 Mit dieser Vielzahl an Charakteristika greift aber die Frage, ob die Texte bewußt so konzipiert sind oder nicht, bei weitem zu kurz. Diese Kommunikation bewirkt, daß die Texte sich gegenseitig bewahrheiten, unterstreichen, detaillieren, wiederholen und damit aufeinander verweisen und aufeinander antworten. So schließt sich das Netz der Babylon-Texte zu einem hermetischen System. Sie werden zu verschiedenen Stimmen und Strophen eines Liedes, zu Kapiteln einer Biographie. Zugleich wird dieses Netz der Texte genau durch dasselbe Verweissystem ausgeweitet auf andere Texte, Größen und Phänomene, so daß die Babylon-Texte mit anderen Texten zur Unkenntlichkeit verschwimmen. Diese Gleichzeitigkeit widersprüchlicher Wirkungen erklärt, wie die „Hure Babylon" in der Offenbarung des Johannes zugleich eine Zusammenschau der alttestamentlichen Babylon-Texte wie auch eine Synthese aller negativ angesehenen Stadt-Frau-, Stadt- und Frau-Texte im AT sein kann und außerdem noch etwas anderes meinen kann, sei es Rom, Heidentum, Kapitalismus oder Frauenmacht.
44 45
„No text is an Hand", s.o.S. 21 Anm. 67. S. dazu o. A.3-A.5.
C.3. Porträts als Biographie
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3. Porträts als Biographie Wer oder was ist Babylon? Welche Themen besetzt es/sie (3.1.)? Wie wirkt sich die Intertextualität der Motive und Texte auf „Babylon" aus (3.2.)? Was für eine Theologie steht hinter den Texten, in denen Babylon Thema ist (3.3.)? Wie sieht die Biographie Babylons aus?
3.1. Babylon im Untergang „... so daß alle, die an Babel vorüberziehen, sich entsetzen werden und spotten über alle ihre Plagen" (Jer 50,13) „Denn es gibt in Wahrheit kein sicheres Mittel, sie zu behalten, außer ihrer Vernichtung. Und wer Herr über eine Stadt wird, die gewohnt war frei zu sein, und sie nicht zerstört, mag sich darauf gefaßt machen, von ihr vernichtet zu werden"46. „Die Wüste wächst: weh dem, der Wüsten birgt! Stein knirscht an Stein, die Wüste schlingt und würgt. Der ungeheure Tod blickt glühend braun und kaut - , sein Leben ist sein Kaun ... Vergiß nicht, Mensch, den Wollust ausgeloht: du - bist der Stein, die Wüste, bist der Tod ,.."4'
Über die Gemeinsamkeiten der Texte und ihrer Formen hinaus wird die Biographie Babylons auch durch das gemeinsame Thema zusammengehalten. Babylon wird stets im Zusammenhang mit seinem/ihrem Untergang behandelt. Gerade in den Entwürfen, in der Detaillierung und Illustrierung von Babels Untergang werden Babel Eigenschaften zu-geschrieben, die im Untergehen aufblitzen. Darüber hinaus, daß „Babylon" zunächst die Bezeichnung einer geographisch-politischen Entität ist, steht Babylon zumeist gleichzeitig für ein menschlich-politisches Herrschafts-/Machtsy.rte/w, und zwar jeweils ein anderes.48 Ausgerechnet Sach 5 argumentiert nicht politisch, sondern religiös, was deshalb erstaunlich ist, da es im Gesamtzusammenhang von Protosacharja so betont um die politische Neuordnung geht. Die Diffusität Babylons und sei-
46
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MACHIAVELLI, II Principe, Kap. 5, S. 39.
NIETZSCHE, Die Wüste wächst: weh dem, der Wüsten birgt .... In: ders., DionysosDithyramben, S. 205. 48 S. dazu O.S. 480.
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C. Die Biographie der „Hure
Babylon"
ner/ihrer Macht ist eines seiner/ihrer Charakteristika. Die Verschiedenartigkeit der Versuche, diese (literarisch) zu begrenzen oder zu beenden sind dafür ein Anzeichen. Zur Qualität kommt das Ausmaß: Babylon hat nicht feststellbare Grenzen, nicht umsonst ist nur an wenigen Stellen von Babylons Stadtmauern die Rede (Jer 50,15; 51,30.44), dafür aber oft von Meer, Himmel und Wüste, wieder besonders in Offb 17-19, wo die „Hure Babylon" in der Wüste über alle Wasser herrscht und auf sieben Bergen liegt. Selten werden dabei die geographischen und einflußspezifischen Räume, die „Babylon" abdeckt, fest umrissen. In vielen Texten steht die babylonische - „Land, Erde" zur Debatte. Oft bezeichnet eben nicht nur das Land Babylonien, sondern die ganze Erde, indem eine Verschränkung von Lokalund Universalereignis vorgenommen wird, was der babylonischen Auffassung, Nabel und Zentrum der Welt zu sein,4' folgt. So sind die Ausmaße Babylons uneingrenzbar (z.B. in Gen 11; Jes 13; 14; Offb 17-19). Ausnahmen sind Jes 21 wegen des Supplementcharakters zu Jes 13 und Ps 137, weil hier gerade der Standort verhandelt wird und, daß er nicht gleichgültig ist und der Text eben die je persönliche Perspektive der Sprechenden, nicht aber eine globale Sicht zur Sprache bringt. „Babylon" ist stets mehr als Babylon und meistens Verkörperung von Globalisierung in jedem Verständnis des Schlagwortes und des Phänomens.50 In allen Texten gibt es verschiedene Konzepte für die Beantwortung der Frage, wann der Untergang beginnt: Nach Gen 11 ist der Untergang Babels bereits seiner/ihrer Entstehung inhärent, d.h. der Zeitpunkt des beginnenden Untergangs liegt weit in der Vergangenheit. In Jer 25 wird ein Zeitplan für die nächsten 70 Jahre entworfen, nach denen Babylon fallt - nur der Beginn der Frist ist unklar. Die Vision in Jes 21 ist gegenwärtig so wie auch das Hören und Melden der Angriffssignale zum Sturm auf die Stadt in Jes 13; Jer 50-51. Der Tag ist nahe (Jes 13,6.22), er kommt (Jes 13,9),51 er ist schon gekommen (Jer 50,27.31), er kommt plötzlich (Jes 47,9). Es ist der Tag JHWHs (Jes 13,6.9), ihr Tag (Jer 50,27, das meint die Stiere und ihre Heimsuchung/Schlachtung), dein Tag (Jer 50,31 die Heimsuchung „Übermuts"), der Tag der Zorn-Glut seines Zorns (Jes 13,13), der Tag des Bösen (Jer 51,2). Gerade in Jes 13 wird es refrainartig wiederholt, daß die Frage des Untergangs eine Terminfrage ist: der Tag kommt, und dann beginnt der unumkehrbare Untergang. Zeit ist hier die kurze Frist bis zur Vernichtung, der Einbruch der Ewigkeit in die menschliche Zeit ist genau terminiert. Der Tag der Vernichtung wird dann sogar die Zeit selbst aussetzen, denn die Anzeichen für S. dazu GEORGE, ,Bond of the Lands'; MAUL, Hauptstadt. Nachexilisch wird dieser Auffassung Jerusalem als neues Zentrum der Erde entgegengehalten (s. dazu KESSLER, Miriam). 51 Dem Wort „kommen" selbst ist von seiner Semantik Präsentisches und Futurisches inhärent. 49
so
C.3. Porträts als Biographie
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den Punkt und den Ablauf von Zeit sind nicht mehr vorhanden (Jes 13,10). So wird der Untergang ewig sein, weil er außerhalb meßbarer oder wahrnehmbarer Zeit stattfindet." Diese verschiedenen Konzepte vom Beginn des Untergangs eröffnen die Möglichkeit, daß er buchstäblich jederzeit beginnen kann und möglicherweise auch niemals. In Offb 17-19 ist Babylons Untergang immer noch Prophezeiung - oder ist der aufsteigende Rauch (Offb 19,3) Zeichen für sein Eintreten? Babylons Untergang erfährt Begleiterscheinungen in der Natur. Himmel, Unterwelt, aber auch die Einwohner, Einwohnerinnen Babels wüten im Zorn (Jes 13,13; 14,9; Jer 50,43). Babels Untergang begleiten und bewirken Flutwellen (Jer 51,42), Dürre (Jer 50,38; 51,36), Erdbeben (Jer 50,46; 51,29; Jes 13,13), Vulkanausbruch/Feuer vom Himmel (Jer 50,32; 51,25.32.58; 25,32; Jes 47,14), Wind (Jer 51,1; 25,32; Jes 21,1) Die Enden der Erde (Jer 50,26) und des Himmels (Jes 13,5) ziehen zusammen gegen Babel und demonstrieren damit, daß es keine babylonische Herrschaft über den Kosmos gibt oder geben soll. Wie auch Prophezeiungen über kriegerische Zerstörungen anderer Städte und Regionen hat Babylons Untergangs Begleiterscheinungen in anormalen kosmischen Veränderungen und Naturkatastrophen. Kosmische Veränderungen sind besonders ein Phänomen des Tags JHWHs. Für Babylon ist Erdbeben aber nicht nur Begleiterscheinung, um die Katastrophe zu verschlimmern, sondern Teil der babylonischen Zerstörung. Sie umfaßt das gesamte Hegemonialgebiet, und so auch Himmel und Erde: es gibt keine Gestirne mehr (Jes 13,9), der Himmel wütet, die Erde bebt (Jes 13,13) oder kreißt (Jer 51,29), nach dem Ende jubeln sie mit der ganzen Schöpfung (Jer 51,48). So wird Babylons Macht seit Gen 11 Grenzen gesetzt. Wenn Gott den Himmel verdunkelt (Jes 13,10), entzieht er ihnen die Berechnungsgrundlage für ihre astronomisch-astrologische Wissenschaft. So betont er, daß er über der Wissenschaft steht. Damit - so kann man folgern bestätigt Gott, daß diese Berechnungen stimmen. Er muß sein Mehr an Macht (und Gewalt) dem Verstand der Menschen entgegensetzen - wie schon in Gen 11. Nicht nur fehlt den Babyloniern, Babylonierinnen damit eine wichtige Be52 Der Tag des Herrn ähnelt dem, was man in der modernen Astrophysik die Überschreitung des Ereignishorizontes nennt: jenseits dieses Ereignishorizontes gelten die Regeln von Kausalität, Raum und Zeit nicht mehr. Eine Andeutung darauf ergibt sich bereits in Jes 13,2: die Krieger kommen vom Ende des Himmels. Damit stehen sie am äußersten Rand der antiken Kosmologie. Im Chaos der ausgesetzten Zeit (Jes 13,10-13) wird tatsächlich Kausalität ausgesetzt: der Tag JHWHs beginnt an einem Tag, der nicht beginnt (Jes 13,10), der Satz J e der, der umkommt, fällt durch das Schwert" (Jes 13,15b) heißt genau genommen, die Menschen sterben erst und werden dann getötet. Die Häuser werden geplündert (Jes 13,16), aber es geht nicht um Wertsachen (13,17). Aber die Beispiele außerhalb des Abschnitts Jes 13,9— 13 und die Nennung von Gottes Zorn außerhalb dieses Abschnitts deuten mir darauf, daß auch in einer „normalen" (Kriegs)welt ein gerüttelt Maß an Chaos enthalten ist.
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
rechnungsgrundlage, sondern auch eine essentielle Berechnungsdimension: die Zeit. Mit dem Verdunkeln der Gestirne und dem Erschüttern von Himmel und Erde werden auch die Grundfesten der Wissenschaft erschüttert. Der Wissenschaft und Astronomie hält Gott das Chaos, Unberechenbare entgegen (Jes 47). Außerdem wird durch den Namen miOÜ niPP - „JHWH der Heerscharen" angedeutet, daß doch JHWH - und eben nicht Babylon - Herr über die Gestirne ist." Babylons Macht in astronomischen Berechnungen (Jes 13), Medizin (Jer 51,8f), Magie, allgemeiner Analyse und Wissenschaftstransfer (Jes 47,10-15) wird nicht übertrumpft, sondern ihr wird mit der Entziehung der Berechnungsgrundlage, der Gestirne, durch ihren Schöpfer sozusagen der Boden entzogen.54 Mit Gen 11,4; Jes 14,13 und Jer 51,53 wird außerdem die (versuchte) Himmelfahrt zu einem Charakteristikum Babels. So steht Babylon auch für (negativ bewertete) Wissenschaft." Der drohende Untergang wird in seinem Schrecken rhetorisch erhöht, indem die aktuelle Pracht Babels geschildert wird. Sie kommt ausschließlich als Kontrast zum nachfolgenden Untergang in den Blick (z.B. der goldene Kelch Jer 51,7, große Schätze Jer 51,13; Offb 18,9-19; Alltagsleben Offb 18,2123). Dazu ist Babylon königlich: sie/es ist „Herrscherin über Königreiche" (Jes 47,5; Offb 17,18), macht Königreiche beben (Jes 14,16), ist „Zierde der Königreiche" (Jes 13,18), eine Königsstadt (Dan 4,27). In Jes 47,15 wird der Handel Babylons erwähnt. An anderen Stellen wird Babylon mit Handel identifiziert (Ez 17,4).56 Diese kleinen Erwähnungen mögen Anlaß gewesen ein, in der Rezeptionsgeschichte die Texte über Tyrus (Ez 27) zu Texten über Babylon werden zu lassen - und aus Babylon auch ein Handelszentrum zu machen (Offb 18). Auch beherrscht Babel einige geographische Entitäten - Wasser (Jer 51,13.55; Ps 137,1; Jes 47,2; Jes 21,1; Offb 17,1 u.ö.), die Wüste (Jes 21,1; Offb 17,3) - und ist in einem Tal gelegen (Gen 11,1) oder auf sieben Bergen (Offb 17,9). Es herrscht über viele Völker (Jer 51,58), so daß hier eine Reihe der Attribute der Johannesoffenbarung schon vorkommen. Daß mit Babylons Untergang das Ende der Zivilisation und eben auch einer Zivilbevölkerung gekommen ist, zeigt - abgesehen von Stellen, an denen die Zusammensetzung des Verteidigungsheeres genannt wird (Jer 50,30; 51,3f) 53
WESTERMANN, Jesaja 40-66, ATD, S. 155. Interessanterweise finden sich in den Texten trotz allem magische Elemente der Zahlen und Buchstaben, der Atbasch in Jer 25,26b; 51,41 ist noch das auffalligste, ähnlich den siebzig Jahren des Exils in Babylon. Bemerkenswerterweise enthält aber die Prophezeiung in Jes 47 40 nur hier im Buch vorkommende Worte (s.o. S. 295 u. FRANKE, Satiric Lament, S. 411) und Jer 50-51 70 (BUDDE, Ueber die Capitel, S. 432). 55 Positiv gewertet sind dann die „Weisen aus dem Morgenland" (Mt 2). 56 HERMISSON, Deuterojesaja, BK, S. 190, sieht einen Zusammenhang von Jes 47, Ez 17,4 u. Offb 18,11-17. 54
C.3. Porträts als Biographie
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z.B. Jes 13,15, eine Notiz, die die Wahllosigkeit und zugleich die Vollständigkeit des Tötens illustriert. Während die Gründer und Gründerinnen Babels in Gen 11 die Gesamtheit aller Menschen umfassen, sind in Jes 13 diejenigen, die im babylonischen Untergang vernichtet werden, an Attributen festgemacht: letztlich sind alle Menschen Einwohner, Einwohnerinnen Babels obwohl Babylon umzingelbar ist. Die Einwohner, Einwohnerinnen sind in einigen Texten aufgerufen, sich von Babel zu distanzieren, aus Babel zu fliehen (Jer 50,3.8.16.28.29; 25,35; Jes 13,14; Offb 18,4f). Ihre Flucht wird beschrieben (Jes 13,14; Jer 50,3.16.28; 51,9), gefordert (Jer 50,8; 51,6.45f.50), argumentativ untermauert (Jer 51,45f), unter den Menschen diskutiert (Jer 51,8) oder berichtet (Gen 11,8). In anderen Texten ist sie zu spät (Jes 13,7f; 47,15; Jer 25,15f.32-38) Dazu kommen die distanzierende Öffentlichkeit der Beschämung sowie die Entsolidarisierung besonders von Frauen von Babylon (Jer 51,34f; Sach 5,511). Es ist nach den Texten des AT wie auch der Offenbarung unbedingt nötig, sich von Babylon zu distanzieren - was im Unikehrschluß heißt, daß Babylon eine gewisse Anziehungskraft ausübt, mithin nicht bloß topographischer Ort ist. Die politische Größe Babylon muß fallen, wenn alle Führungskräfte versagen (Jer 51,57; Jes 47,13-15) oder alle Einwohner geschwächt werden (Gen 11; Jes 13,7f). Die Götter Babylons werden besiegt, ihre Statuen zertrümmert (Jer 50,2; 51,17.18.44.47.52; Jes 21,9). Das verrät eine gewisse Wechselwirkung zwischen „Babylon" und „Babyloniern, Babylonierinnen". Babel ist wie andere Völker und steht über ihnen oder ganz außerhalb; Babylon ist Jerusalem und soll vor allem so werden; Babylon sind wir alle. So verdeutlichen es die Texte in Einzelstellen wie in ihrer Gesamtstruktur. Der König von Babel wird genauso wie seine Stadt eines Tages fallen und zertrümmert werden (Jes 14) - und wenn es vom Beben seiner Wehen geschieht (Jer 50,43). Sowohl Babylon als auch sein/ihr König werden immer wieder gleichgesetzt und abgesetzt von anderen Völkern, z.B. in Jes 13-14 und Jer 50-51 in ihrer Stellung im Abschnitt; der König innerhalb von Jes 14 und Jer 25. Dabei hat sich herausgestellt, daß die Größe „Babel" über ihre Könige herrscht und nicht andersherum. Dies ist aus Jes 14 wie Jer 50,43 ablesbar: der König ist Attribut der „Stadt". Er ist ihr verpflichtet, nicht sie ihm - so kann Babylon über Königschaft als solche herrschen (Offb 17,18). Aussagen über Babylon als Ort und theologischer Topos sowie Summe und Gegenpart ihrer Einwohner und Führungskräfte, Machtattribut und Beherrschung des Königs, eine Größe wie jede andere und etwas Einzigartiges (Jes 13; 21; Jer 25; Gen 11) stehen neben Aussagen über Babylons Personifikation in einem König (Jes 14), einer Königin (Jes 47) und einer Frau (Sach 5). Das ist in Jer 50-51; Offb 17-19 und Psalm 137 anders. „Stadt" und „Frau" stehen hier nebeneinander und kommen zudem in der Stadt-Frau ge-
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C. Die Biographie der „ Hure Babyion "
meinsam als eine dritte Größe vor, in Jer 50-51 selbstredend erheblich häufiger und differenzierter als in Ps 137. Es wird Babylon als Tochter vorgestellt (Jes 47,1.5; Jer 50,42; 51,33; Ps 137,8), als Mutter (Jer 50,12; Offb 17,5) oder als Witwe (Offb 18,7; Jes 47,8f). Der Status Babylons als Mutter kommt nur in der Verneinung zur Sprache: ihre Kinder werden ihr genommen (Jes 47,8f) oder ihre Säuglinge an Felsen zerschmettert (Ps 137,8f). Hier tauchen auch diejenigen Lexeme auf, die in den Verwendungsbereichen Verletzung eines Menschen und Zerstörung einer Stadt zugleich vorkommen. Ein HurereiVorwurf wird Babylon in keinem alttestamentlichen Text gemacht. Insgesamt ist die weibliche Personiiikation Babylons im AT quantitativ nicht besonders dominant, wenn auch rezeptionsästhetisch entscheidend. Am Themenkomplex Babylon und Geschlecht werden Sichtbarkeit und Öffentlichkeit festgemacht57 und variiert, der Stadt werden die Mauern (Jer 51,58) und der Frau die Schenkel entblößt (Jes 47,2; ähnlich Offb 17,16). Krieger und alle Einwohner werden zu Frauen (Jer 51,30) und kreißen in Wehen (Jes 13,7f/Jes 21,3; Jer 50,43) im Angesicht von Gottes kriegerischem Vernichten. Anthropomorphe Übertragungen werden zudem erreicht durch die Erwähnung von Babels Wonne (Jes 47,1; Offb 18,14), die Nebukadnezar Jerusalem nahm (Jer 51,34), sowie die Freude in den Häusern (Jes 13,22). Dazu kommen als Drohung Krankheit (Jer 51,8.9) und Armut/Zwangsarbeit (Jes 47,2). Mit der Drohung, die Kinder zu verlieren, wird Babylon die Altersversorgung genommen. Krankheit und Armut treffen Babylon in der Drohung tatsächlich nicht so massiv wie z.B. Jerusalem (Klgl).58 Babel soll stumm werden (Jer 51,54f; Jes 47,5), fallen (Jer 50,32.15; 51,4.8.47.49.62; 25,34; Jes 47,11; 21,9; 14,12) und sterben (Jer 51,13). Mit männlichem, weiblichem Geschlecht und transgender in Fragen von Genus, gender und sex wird Babylon in einigen Texten und massiv in Jer 50-51; Offb 17-19 in Beziehung gesetzt. Anhand des babylonischen Untergangs wurde regelrecht literarisch umgesetzt, was alles Geschlecht ist und hat, wie deutlich Geschlecht eine Konstruktion ist und wie Geschlecht durch seine Hypostasierung dekonstruiert wird. Was tragen alle diese Korrespondenzen für Babylon aus? In den Texten, durch sie und in ihrem Zusammenspiel verändert sich „Babylon", es erhält eine Realität.
" S.o. S. 303, 312fu. 454f. 58 Überdies kann man vermuten, daß die Bilder in Deutero-Jesaja der herzustellenden Symmetrie zum darniederliegenden Jerusalem geschuldet sind. So scheint ein langsamer Bedeutungsverlust oder eine Schwächung keine erstrebenswerte Demütigung Babylons zu sein zugunsten einer schrecklichen, plötzlichen und totalen Vernichtung. Ironischerweise ist genau das eingetreten: Babylons Bedeutung in Wirtschaft, Handel und Politik und danach auch in religiöser Hinsicht und im öffentlichen Bewußtsein verblaßten langsam. Ein Ende mit Schrecken hat Babylon nicht erlebt - bis zu der Revitalisierung durch die Apokalyptiker.
C.3. Porträts als
Biographie
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In den Personifikations- und Geschlechtszuschreibungen liegt nun ein Schlüssel für ihre Biographie einerseits und ihre Jahrtausende überdauernde Faszination andererseits: Die Personifizierung Babels reduziert das politische System auf Menschenmaß. „BABYLON" wird nun sterblich und besiegbar, deutlich in Jes 47 vorgeführt. Da Babylon aber nicht nur ein Mensch ist, geht die Gestalt im Personifizierungsprozeß nicht auf, entzieht sich der deflatorischen Festlegung. Im Spiel der Intertextualitäten erfolgen nun steigernde Prozesse: es gibt weitere Texte, die Babylon personifiziert darstellen; die Vorstellung des/der besiegbaren, sterblichen, kurz menschlich-allzumenschlichen Babel hat sicher Trostcharakter in Exil, Unterdrückung und Rückkehrwunsch. Weil Babels Personifizierung in den einzelnen Texten in ihrem Zusammenspiel (s.o. C.2) und ihrer Rezeption (s.u. C.4) illustriert, wiederholt, detailliert und je noch übertroffen wird, hat die intendierte Aussagesteigerung den Nebeneffekt, aus der Personifikation eine Person zu machen. Aus der plausibilisierenden Darstellungsvariante wird ein Diskurs, aus der Vorstellung eine Identität. Andere Texte, in denen Babylon wiederum „nur" eine Stadt, ein politisches und militärisches System ist wie Gen 11; Jes 13 und zu einem Teil auch Jer 25,59 werden mit der biographischen Vorstellung aber verbunden durch vielfaltige Prozesse der Textkommunikation (C.2), des gemeinsamen Themas (C.3) und der Leseplausibilisierung (C.4). Babylon wird so menschlich-übermenschlich. Darüber hinaus ist durch die Anthropomorphismen grundsätzlich wie durch Wechselwirkung in der Identität als Stadt und Frau sowie in ihrer Beziehung zu König und Einwohner Babel in ein Personengeflecht eingebunden, was es zu nichts anderem als zu einer Person macht. Dadurch aber, daß Babel zugleich etwas Abstraktes ist und eine Vielzahl einander ausschließender Themen besetzt, Globalisierung verkörpert, alles beherrscht und alle beheimatet, wird „Babylon" zugleich von einer realen Figur zur Chimäre, sie/es löst sich auf in der Vielzahl der Zuschreibungen. Allzu oft steht in den Texten auf die mögliche Frage, wer oder was Babylon sei, ein „wir" der Lesenden im Raum. Diese widersprechenden Zuschreibungen allerdings trüben oder schwächen diese beiden Identitäten Babylons nicht, sondern steigern beide. Das für die Babylon-Texte ohnehin schon komplexe Geflecht, das zur Person Babel mit einer eigenen Biographie einerseits und zur Auflösung Babels in allgemein-menschlichen Eigenschaften andererseits führt, weitet sich in den Verflechtungen mit anderen, relativ ähnlichen Figuren (3.2.) und Babylons Rolle in der alttestamentlichen Theologie (3.3.) aus.
" Zur Mystifizierung „Babels" durch die Sonderstellung und die Codierung s.o. zu Jer 25.
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C. Die Biographie der „Hure
Babylon"
3.2. Die Verflechtungen der Figuren Neben Texten, die ein amplifiziertes und kondensiertes Geilecht bilden, gibt es auch Figuren, die ebenfalls in verschiedenen Texten korrespondierend vorkommen und durch verschiedene Verknüpfungen zu Babylon in Beziehung gesetzt werden. Dies wird zumeist durch das parallele Erscheinen von Bildern, Argumentationen und Vorgängen erreicht. Hinzu kommen Zitate des einen Textes im anderen, wie bei Zef 2,15a: diese Zitate setzen eben nicht nur die Texte miteinander in Beziehung, sondern auch die darin angesprochenen Figuren, zumal wenn es Frauenfiguren sind, deren Wahrnehmung mindestens in der neuzeitlich bürgerlichen Welt auf Bilder und Typologien festgelegt wird. Innerhalb wie außerhalb der Babylon-Texte tun sich Bezüge zu Texten über andere Figuren auf, die zu Verflechtungen der Figuren fuhren. So spannt sich das Netz „Babylons" über Babylon-Texte im eigentlichen Sinn hinaus über noch viel mehr Texte und Figuren aus. Auf Isebel ist des öfteren hingewiesen worden. Tyrus steht im AT zu Babylon in kaum einer Beziehung, wird aber wohl über die Vorstellung des Reichtums durch Handel (Jes 23; Ez 1718), die auch Babylon auszeichnet (Jes 47,15), in der Johannesoffenbarung in das Bild der „Hure Babylon" integriert, so daß Babylon von Tyrus, Ninive und Jerusalem überhaupt erst den Vorwurf der Hurerei erbt. Mit dem Untergang Sodoms werden schließlich gleich mehrere Städte verglichen (Dt 29,22; Jes 1,9; Am 4,11; Jer 49,18; 50,40, s. auchMt 1,15; 11,23). Diejenige Gestalt, die sich besonders nachdrücklich als Komplementärfigur nahelegt, ist Jerusalem. Dabei stellte sich in den Analysen der alttestamentlichen Texte heraus, daß die Kippfigur Hure und Braut, wie sie in der Johannesoffenbarung konstruiert ist, im Alten Testament nicht vorliegt. Ein vergleichender Gegensatz von „Babylon" und „Jerusalem" wird in einigen alttestamentlichen Texten überhaupt erst hergestellt, und zwar mit einiger Mühe, den verschieden profilierten Stadt-Frau-Figuren eine parallele Rolle und hierarchische Position zuzuweisen: Die beiden Stadt-Frau-Figuren Jerusalem und Babylon sind wegen ihres differenzierten Profils nicht diametral gegenübergestellt. Sie nehmen unterschiedliche Rollen im Denksystem ein: Die Tochter Jerusalem ist in die patriarchale Gesellschafts- und Hausordnung integriert. Wenn sie sich falsch verhält, stört sie diese Ordnung und wird dafür hart bestraft. In diesen Zusammenhang gehört der Hurerei-Vorwurf mit allen Abschreckungsszenarien, das ist hier sexuelle Gewalt als Drohung gegen die Stadt-Frau (Ez 16; 23; Jer 4; 13). Die weibliche Babel kann in gewisser Weise die Ordnung gar nicht stören, weil sie für eine andere Ordnung steht.60 Sie be60 Die eigene Ordnung für Babylon zu behaupten, ist gerade eine der Leistungen von Jes 47, s. dazuo. B.IV. 1.4.3.
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findet sich - zunächst - außerhalb des Systems. Trotzdem oder gerade deshalb scheint sie derart bedrohlich zu sein, daß sie zerstört werden muß. Interessanterweise droht der nicht erreichbaren Frau auch nicht so massiv die Vergewaltigungsandrohung. Babylon wird auch nicht so breit feminin dargestellt. Insbesondere der Hegemoniebereich und damit die Verschränkung von Lokalität und Universalität sowie Astrologie als breit ausgestaltete Motive sind bei Jerusalem nicht gegeben. Und doch ergeben sich über größere Textpartien wie auch bei einzelnen Motiven Korrespondenzen zwischen Jerusalem und Babylon in der Perspektive prophetischer Texte. Die Gegeneinanderstellung von personifiziertem Babylon und personifiziertem Jerusalem in Deutero-Jesaja ist deutlich. Joel 2,1-11 wendet den Untergangstext Babylons (Jes 13) auf das eigene Volk an.61 Dies ist ein weiteres Beispiel für die Übertragbarkeit von Drohungen; diese Übertragungen gleichen das eigene Volk und das Feindvolk einander an. Ähnlich findet Jes 13 in Sach 14,1-10 Niederschlag, auch dies ist ein Text über Jerusalem.62 Auch Zef 1,18 und 2,2 weisen Bezüge zu Jes 13 auf, die durch die Textgattung Tag JHWHs bedingt sind; während in Jes 13 Babylon angeredet ist, ist es in Zef 1,1-2,3 Jerusalem.63 Das geteilte Schicksal wird angedeutet in den Talionsforderungen (Ps 137,9) und in einer Entsprechung von Jes 13,16.18 und Jer 9,20. Während Jes 13,16.18 über Babylon berichtet, daß Säuglinge zerschmettert, Häuser geplündert, Frauen vergewaltigt und von Jugendlichen bis hin zu Föten alle getötet werden, werden in Jer 9,19f die Frauen und Töchter aufgefordert, sich gegenseitig dies Klagelied zu lehren: „Der Tod ist zu unsern Fenstern hereingestiegen und in unsere Häuser gekommen. Er würgt die Kinder auf der Straße und die jungen Leute auf den Plätzen." Beide tragen den Spott der Vorbeikommenden (Jer 19,8 Jerusalem, Jer 50,13 Babylon), beide können in ihren Verletzungen nicht geheilt werden (Jer 8,22; Jer 14,17 Jerusalem, Jer 5l,8f Babylon). So wird Jerusalem zu Babylon und Babylon zu Jerusalem. Neben diesen strukturellen und motivlichen Entsprechungen sind aber auch fortführende bzw. korrespondierende Bilder in die Prophezeiungen eingearbeitet, die ein Verständnis der Figuren ermöglichen, sie lebten und besäßen eine Biographie sowie in diesem Fall eine (Konkurrenz)Beziehung. Babylon ist der goldene Becher in der Hand JHWHs (Jer 51,7) - und Jerusalem hat daraus getrunken: „Werde wach, werde wach, steh auf, Jerusalem, die du aus der Hand JHWHs getrunken hast den Becher seines Zorns! Den Kelch, den Taumelbecher hast du ausgetrunken, geleert!" (Jes 51,17) 61
S. dazu WOLFF, Joel, BK, S. 55f u. BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen, S. 277-296 u.ö. BOSSHARD-NEPUSTIL setzt dabei die Redaktionsphasen von Joel parallel zu denen von Jes 13. 62 S. dazu WITT, The Houses Plundered. 63 S. dazu WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 510.
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In Micha 4,13 heißt es: „Darum mache dich auf und drisch, du Tochter Zion! Denn ich will dir eiserne Hörner und eherne Klauen machen, und du sollst viele Völker zermalmen und ihren Gewinn JHWH weihen und ihr Vermögen dem Herrn der ganzen Welt." Faktisch ist es leider anders gekommen, Israel war das gedroschene Volk (Jes 21,10). Nun aber wird das Babylon ereilen: „Denn so spricht JHWH Zebaoth, der Gott Israels: ,Tochter Babel:64 wie eine Tenne zu der Zeit, wenn man sie feststampft': nur noch ein Weniges, dann kommt die Zeit der Ernte für sie" (Jer 51,33). Ähnlich wie bei den ,realen' Frauen ist für die Beziehung JerusalemBabylon eine Entsolidarisierung zu sehen. Sach 2,11 ruft durch die Exodusaufforderung dazu auf, daß die Gleichsetzung von Jerusalem und Babylon, die durch den Abfall von Gott durch Selbstvertrauen und Anderenaußer-Gott-vertrauen (politische Bündnisse, Verehrung anderer Götter und Göttinnen), (wieder) aufgehoben werden soll: „Wehe Zion, entkomme, die du wohnst bei der Tochter Babel." Während Gott die Bereitschaft zur erneuten Erwählung Judas, Israels und Jerusalems (vgl. Sach 2,2) bereits bekundet hat (Sach 1,16f), wird nun Jerusalem aufgefordert, die Wohnung im Exil aufzugeben (Sach 2,11) und selbst wieder Wohnort für viele Menschen und Tiere (Sach 2,8) und Gott selbst (Sach 2,14) zu werden. Die Entscheidung der Menschen und Jerusalems vorwegnehmend, hat sich Gott bereits (nach Jerusalem) aufgemacht (Sach 2,17). Die Trennung Zions von seiner/ihrer Wohnung bei der Tochter Babel wird mit hohem Aufwand beworben und in Offb 17-21 wieder aufgenommen. An anderer Stelle sind beide Orte in Sachaijas Nachtgesichten syntaktisch parallelisiert (Sach 2,6; 5,9), was auf die topographisch-theologische Entgegensetzung Zions und Babels hinweist. Durch die Zerstörung ist Jerusalems theologische Bedeutung weiter gewachsen. Durch die Zerstörung Jerusalems und die eigene Zerstörungsdrohung ist Babylons theologische Bedeutung in der Hebräischen Bibel entstanden. Gegen Edom, das laut den Erzählungen der Genesis ein Israel genealogisch verwandtes Volk ist (Gen 25,19-34; 26,34-28,9; 31,1-33,16), liegen in der prophetischen Literatur eine Vielzahl an Untergangstexten vor (Jes 34,5-15; Jer 49,7-21; Ez 25,12-14; Arnos 1,11-12; Obd). Nicht nur das, Edom und Babylon werden in einigen Texten gleichgesetzt (Ps 137,7) oder parallelisiert (Jes 13 u. 34; Jes 21,1-12). Die Frau in der Tonne (Sach 5,5-11), die Unrechtmäßigkeit, steht durch ihre Benennung in einer Ähnlichkeitsbeziehung zu Athalya (2Chr 24,7) und zu Edom (Mal 1,2-5), das feminin angeredete Edom wird „Land der Un64 HARTBERGER, Psalm 137, S. 67: „Die Bewohnerschaft Babels". LXX hat statt „Tochter Babel" „Häuser des Königs".
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rechtmäßigkeit" (HUtÖl b i m Mal 1,4) genannt und den Schakale zur Wüste werden.'5 „So gesehen stellt sich ,Frau Edom' als das Gebiet das, in dem ,Frau Bosheit' sich niedergelassen hat."66 Jer 49,7-22 ist eine Weissagung gegen Edom, die eine ganze Reihe von Motiven enthält, die sich auch gegen Babylon finden." Im Unterschied zu Babylon ist aber Edom maskulin vorgestellt (z.B. V.10). Jer 49,7-22; Obd und Jer 50,51 teilen einige Bilder. Zum Beispiel werden die Vergeblichkeit, noch so hoch zu bauen (Jer 49,16; Obd 3; Jer 51,53; Jes 14,11-15) und auch der Übermut QHT Jer 49,16; Obd 3; Jer 50,3Ii) hervorgehoben. Zwischen Obd und Jer 50-51 werden sogar textliche Abhängigkeiten angenommen.68 Das Exil und der nachfolgende Exodus aus dem einen wie dem anderen Ort verbindet Ägypten mit Babylon. So soll Babylon die Plagen Ägyptens treffen (s. Jer 50,13). Ps 137 folgt auf die Geschichtspsalmen 135 und 136, die von der Herausfuhrung aus der Unterdrückung in Ägypten handeln. Jes 14,3, wo von dem harten Dienst der Israeliten, Israelitinnen gesprochen wird, gebraucht die selben Formulierungen wie Ex 1,14, wie insgesamt in Jes 14,1-4a viel Exodusterminologie enthalten sind: der eine Exodus wird wie der andere bzw. wenn man die neueren redaktions- und literaturgeschichtlichen Ergebnisse der Pentateuchforschung einbezieht: der eine Exodus soll so gewesen sein wie der andere hoffentlich wird. Einen Zusammenhang zwischen Assur und Babylon stellen die Texte Jesajas und Jeremias her. In Jes 13 werden eine ganze Reihe einzelner Bilder und Zuschreibungen, die zuvor in Jes 1-12 Assur prägten, nun auf Babylon projiziert. Das geht so weit, daß Erlandsson die These vertritt, Jes 13f* handele eigentlich von Assur.6' Der König Babels in Jes 14 ist wie ein assyrischer Herrscher in anderen Jesajatexten oder gar in deren Selbstbildern dargestellt.™ Gegen Ende des Komplexes folgt eine Prophezeiung gegen Assur als ein Appendix zur Untergangsdrohung gegen Babel und seinen/ihren König: Ohne Abgrenzung folgt die künftige Zerstörung Assurs auf die aktuelle Zerstörung Babels - und verkehrt damit die historische Abfolge der militärischen Domi65 Zu dem Motiv ,zur Wüste werden' als Untergangsdrohung für Städte und Regionen s.o. S. 448-452. 66 WACKER, Maleachi, S. 377. Tatsächlich gehen aber auch in diesem kleinen Text Dämonisierung und Entsolidarisierung zusammen: die Schakale sind grammatisch feminin! „Dies ist umso bemerkenswerter, als in Klgl 4,3 von Schakalen (so EÜ), die ihre Jungen säugen, die Rede ist, diese ,Schakale' jedoch im masc. Plural tannin bzw. tannim auftreten." WACKER, Maleachi, S. 377. 67 S.o. S. 358, 388, 398 u. 426. 68 S. dazu HARTBERGER, Psalm 137. 69 S.o. S. 226. 70 S.o. S. 264.
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C. Die Biographie der „Hure Babylon "
nanz im Alten Orient. In Jes 21,1-10 steht ein gänzlich anderes Verhältnis zwischen Assur und Babel im Vordergrund - zumindest im Verständnis einiger Forscher und Forscherinnen. Sie lesen in Jes 21,1-10 eine Schilderung aus dem 8. Jh., die Assurs Sieg gegen aufständische Regionen enthält, in dessen Zug Babylon fällt.7' Jeremia folgt dem Bild, das die historische Beerbung der Weltmacht bot und zeigt beide Größen als Löwen, die Israel einst fraßen, nacheinander (Jer 50,17) und entsprechend - nacheinander - heimgesucht wurden bzw. werden (Jer 50,18). Bleibt Jeremia anders als Jesaja bei der grob historisch-epochalen Abfolge der beiden Mächte, so differenziert er ähnlich wie Jesaja die literarisch-theologische Funktion beider, indem Assur in Jesaja zwar personal disputiert, so doch Werkzeug bleibt (Jes 10; 20), und in Jeremia ingesamt zum blassen Vorläufer wird: Assur kommt im gesamten Jeremiabuch als Ort vor (Jes 2,18.36) und in Jer 50,17.18 als Vorläufer Babels. Zu Babylon allerdings hält JHWH nachgerade eine personales Verhältnis in Gestalt der Königin Babel (Jes 47) und in Gestalt Nebukadnezars (Jer 25; 27; 29), wenngleich Nebukadnezar wie gezeigt auch nicht mit „Babylon" identisch ist. Sowohl bei Jesaja als auch bei Jeremia ist Babels Stellung in den Völkern besonders herausragend, und wird viel stärker noch als Assur zu einer Größe im literarischtheologischen System. In beiden Büchern übernimmt Babylon quasi synkretistisch Züge anderer Größen, hier Assurs. Assurs Hauptstadt Ninive ähnelt Babylon in mehreren Texten und in mehreren Aspekten: Ninive wird zur Verwüstung, zur Wüste (Zef 2,13) wie Babylon, es ziehen ebenfalls wilde Tiere darin ein (Zef 2,14): „diese ist die erhabene72 Stadt, die in Sicherheit wohnt, in ihren Gedanken Redende: Ich und nichts mehr" (Zef 2,15a). So gleichen sich nun beide Städte vollends, als sei es beidesmal ein und dieselbe (Jes 47,8). Wer an ihr vorbeikommt, pfeift und klatscht in die Hände (Zef 2,15b; Nah 3,19) - wie schon bei Jerusalem (Jer 25,9.18 u.ö.) und dann auch bei Babylon (Jer 50,13; 51,37). Sowohl Ninive (Nah 3,4) als auch Babylon (Jes 47,12) wird als Frau personifiziert Zauberei (^üD) vorgeworfen, die eine „Herrin über Zaubereien" (CDüD n b s n Nah 3,4), die andere „Herrscherin über Königreiche" ( T r o j a n r r r m Jes 47,5) genannt. Beide werden entblößt (Nah 3,5; Jes 47,3) und durch die Offenlegung ihrer Scham be-schämt (ebd.), bei beiden ist gerade die Öffentlichkeit dieser Handlung hervorgehoben (Nah 3,7; Jes 47,3).73 Ihre Kinder sollen zerschmettert werden (Nah 3,10; Ps 137,9); Ninive wird trunken (Nah 3,11) wie Babylons Führungskräfte (Jes 47,15; Jer 25,26b; Jer 51,57) und Einwohner-
S.o. S. 279-281. Als T*7JJ "HIN; - „erhabene Triumphierende" werden die Angreifer gegen Babel bezeichnet (Jes 13,3). 73 Zur Öffentlichkeit von Beschämung und Entblößung s.o. S. 303, 312f u. 454f. 71
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schafl (Jer 51,39). Ihr Volk wird zu Frauen (Nah 3,13) wie Babylons Krieger (Jer 51,30; s. auch 51,32.56). Das Feuer frißt (Nah 3,15) und brennt (Jer 50,32; 51,25; Jes 47,14) wie das Schwert handelt (Nah 3,15; Jer 50,16.35-37; 51,50; Jes 13,15) und die Borstenheuschrecke (Nah 3,15; Jer 51,27).74 Ninive hat immens viele Krämer Nah 3,16), und Babylon treibt Handel (TIS Jes 47,15). Hurerei aber wird nur Ninive (Nah 3,4f), nicht aber Babylon vorgeworfen, was Ninive dann aber mit einer anderen Figur - Königin Isebel verbindet:75 „Es gibt eine Gestalt, die mit diesen beiden Texten (Nah 3,4f und Jes 47) die Erwähnung einer königlichen Gestalt und den Vorwurf der Zauberei sowie bei Nah 3,4f den der ,Hurerei' gemeinsam hat. Dies ist^sebel im ersten Vers der Schilderung von Jorams Ermordung durch Jehu in 2Kön 9,22-26."
Als irdische Macht, die von Gott gelenkt Babylon besiegen kann, werden die Meder immer wieder genannt, hinter denen sich mindestens in einigen Texten die Perser unter Kyros II. verbergen. Daß begrifflich nicht zwischen Medern und Persern unterschieden wird, liegt an den Thronfolgebeerbungen dieser Reiche selbst,77 aber auch an genau denjenigen Prozessen, die Gegenstand dieser Studie sind: die Texte sollen übereinstimmen, allenfalls noch unterstrichen, aber an dieser Stelle wohl nicht korrigiert werden. Die Meder werden in die Metaphorisierung Babylons mithineingezogen. Auch sie sind jetzt sowohl eine historische als auch eine theologische Gruppe, Physik und Metaphysik. So teilen heimische wie fremde Städte die Formeln, mit denen der Untergang ausgemalt wird, ebenso wie die Frauengestalten der Personifikationen und Babylon die Wahrnehmungsraster (für Frauen) teilen. Es knüpft sich ein allmähliches Netz von Korrespondenzen, das es besonders leicht macht, von der einen Stadt/Frau auf eine andere zu schließen.78 Es stellt also eine Fortführung der alttestamentlichen Texte dar, wenn Babylon in der Johannesoffenbarung Züge anderer Städte zugeschrieben, in der „Hure Babylon" mehrere Städte ineindergefügt werden. Dadurch, daß Johannes „Babylon" nun deutlich weiblich füllt, was im AT noch nicht auf personal Weibliches festgelegt war, zieht 74 Interessanterweise ist das Vorkommen von p'T beiden Texten ähnlich: nicht nur kommt p'T als Metapher für die Vielzahl der Vernichter und die Totalität der Vernichtung vor (Nah 3,15; Jer 51,27), auch werden in beiden Texten im direkten Kontext die Bewohner bzw. die Händler, die dann die versinkende Stadt verlassen bzw. sich gegen sie wenden, mit Heuschrecken verglichen (Jer 51,14; Nah 3,16). 75 Zur Hurerei Isebels als Beschimpfung gegen das gängige Bild als Attribut Isebels s. SALS, Das literarisierte Königspaar Ahab und Isebel, S. 137-142. 76 BAUMANN, Liebe, S. 190 Anm. 570. 77 WILDBERGER, Jesaja, BK, S. 507. 78 Bezüge zu Schilderungen „realer" Frauen liegen besonders für Isebel vor, die dann ja auch in der Johannesoffenbarung vorkommt. Ein eigener Vergleich sei hier aber unterlassen.
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
er Aspekte in diese Weiblichkeit hinein: Macht, Religion, Geld etc. werden gegendert. Und zumindest wir lesen das alles entlang einer binäroppositionellen Strukturierung der Welt. Auch dies liegt im AT nicht vor. Die „Hure Babylon" wird nun nicht unbedingt nur aufgrund der BabelTexte zur Hure: theologisch wird das alttestamentliche Bild der Texte binäroppositionell neu aufgeteilt. Was vorher als sehr drastisches Bild zur Illustrierung Jerusalems diente, kann nun an Jerusalem nicht mehr kritisiert werden. Es ist doch in Wahrheit ein babylonischer Geist. So werden die Attribute böser Weiblichkeit, die sich in den prophetischen Texten für politische Größen und Kulturen finden, auf Babel übertragen. Summe der Prophetie bedeutet hier also: Babel und Jerusalem und Tyrus und Ninive. Wer oder was ist Babylon angesichts der Ähnlichkeiten und Komplementaritäten zu Jerusalem, Assur, Edom, Rom? Auch hier wird durch die Figurenkonstellation aus Personifikationen eine Personenkonstellation - und diese Städte gehen ineinander über. Dürrenmatt berichtet von dem Entwurf eines Dramas, das ihm ebenso wie der Turmbau entglitt, es gibt nur Fragmente des Textes, sozusagen Ruinen. Darin erreicht Nebukadnezar als einziger von allen Menschen den Gipfel des Turms, „der König von Babylon, der die Erde unterjocht und die Völker gezwungen hat, den immensen Turm zu bauen, weil er, aus einem ungeheuren Selbsthaß heraus, den Himmel erobern und Gott töten will, den Schöpfer dieser unsinnigen Welt".79 Allerdings trifft er nicht auf Gott, sondern auf einen alten Mann mit einem Besen, „gekleidet wie Nebukadnezar". Auch er habe einmal den Turm gebaut „in Urzeiten habe auch er die Erde unterjocht und die Völker gezwungen, das Unmögliche zu unternehmen, einen Turm zu bauen, hoch, unermeßlich, den Himmel zu erobern. Wie Nebukadnezar habe auch er ins Grenzenlose gebaut, nun habe ihn der König von Babylon erlöst, nun sei es an diesem, den Weltendachboden zu kehren."80
Zunächst weigert sich dieser, aber endlich ergreift er „den Besen, beginnt zögernd mit seiner stumpfsinnigen Arbeit, entfernt sich allmählich, die Bühne mit seinem Besen kehrend, irgendwohin ins Nirgendwo des Nichts, wird zum Schatten, wird zum eintönigen Grau der Ewigkeit verschluckt, bis ihn einmal ein dritter Turmbauer erlösen wird und diesen ein vierter und so fort in der unermeßlichen Zukunft. Nur noch das Schwert steckt mitten auf der Bühne, vibriert leicht, ein sinnloser Gegenstand."81
79 80 81
DÜRRENMATT, Querfahrt, in: ders., Turmbau, S. 50. DÜRRENMATT, Querfahrt, in: ders., Turmbau, S. 51. DÜRRENMATT, Querfahrt, in: ders., Turmbau, S. 51 f.
C.3. Porträts als Biographie
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3.3. Babylon als Werkzeug und Gegner/in Gottes Gott ist Namensgeber für Babel (Gen 11,9) und hat bereits so eine direkte Beziehung zu ihm/ihr, zusätzlich ist durch Gen 11,9 in ihrem Namen sein Machthandeln festgeschrieben. Die Facetten dieser Beziehung sind wiederum mehrdimensional: Gott ist Krieger und Babylon zerstörter Ort (Jes 13), beide haben eine personale Beziehung (Jes 47) oder stehen in mimetischer Konkurrenz zueinander (Gen 11), schließlich fungiert Babylon als - nach dem Gebrauch zu vernichtendes - Werkzeug Gottes (Jer 25; 50-51). Zugleich ist Gott Anwalt Zions und der Unterdrückten Jer 51,34.36; 50,28. Immer wieder kommt in Babylon-Texten die Erwählung Israels zur Sprache. Gottes besondere Beziehung zu Israel ist der Grund für sein Einschreiten. Babel beherrscht Himmel und Erde, Gott aber beherrscht (zusätzlich) die Zwischenräume (Sach 5) und die Außenräume (Jes 13) und betont dabei stets, daß die Höhe Babels noch so hoch sein kann, sie erreicht ihn doch niemals (Gen 11; Jer 51). Als Schuld oder als irgendein anderer Grund für Gottes Zerstörung wird bei Babylon wie bei allen Fremdvölkern erstaunlich wenig benannt. So gibt es Texte, in denen die Ermittlung der Vorwürfe sehr schwierig ist, z.B. in Gen 11. Hier muß die Sünde aus dem Text herausgelesen werden, sie ist als konkrete Benennung nicht im Text enthalten. Dann sind da Texte wie Jes 13, in denen es schwierig ist, festzustellen, daß es wirklich um Babylon geht, bzw. ob „Babylon" hier alle Menschen umfaßt. Steht hier Babylon für alle (bösen) Menschen oder sind alle Menschen in Babylon böse? Die Schuld Babylons wird also nicht sehr breit thematisiert, sie ist wohl allgemein bekannt. So soll die irdische Macht, die Juda und Jerusalem mit Krieg, Tod und Gefangenschaft überzog, nun selbst genau das erleiden. Die Gewalt, die Babylon ausübte, fallt auf Babylon zurück. Die Erbarmungslosigkeit gegen Alte und Schwache (Jes 47,6) gleicht dann der Erbarmungslosigkeit der Meder gegen die Babylonier und Babylonierinnen - sogar Säuglinge und Ungeborene (Jes 13,18). Hierzu steht Gottes Erbarmen gegen Israel im Kontrast (Jes 14,1). Die Gründe für die göttliche Zerstörung Babylons sind erneut vielfältiger Natur: Vernichtung des Werkzeugs (Jer 25; 50-51), Talion: „wie sie getan hat, tut ihr wieder" (Jer 50,29; 51,6; Ps 137), Unbarmherzigkeit (Jes 47,6; Ps 137), Exil und Zerstörung des Tempels (Jer 50—51), Tyrannei, physische Aggression und Unterdrückung (Jes 14), Gottesgegnerschaft (Jer 50,24), mangelnde Vorsichtsmaßnahmen, das nicht berechnete Restrisiko (Jes 47; Jer 50), allgemeine Sündhaftigkeit (Jes 13,11; Offb 18,4), Verschuldung am Heiligen Israels (Jer 51,5), mimetische Konkurrenz (Gen 11; Offb 17-19). In der Offenbarung werden aus relativ konkreten Verschuldungen summarische: „Hurerei", „Zauberei" (Offb 18,23), Mord (18,24). Während die Gewalt Gottes gegen Babylon an zwei Stellen ausgesetzt wird, ein Zögern zur Gewaltunterbrechung fuhrt (Ps 137; Jes 47 sowie im Jesajabuch durch die ~n2J-Attribuie-
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
rang als regelrechte Selbstsabotage), ist das bei Babylons Gewalt gegen die Menschheit nicht der Fall, mag sie/es als Werkzeug handeln oder nicht. Die Gewalt der herrschenden Verhältnisse scheint als Faktizität hingenommen, die eigene Gewalt, um Gewaltverhältnisse zu beenden, wird problematisiert. Babylon eignet eine doppelte Identität in seiner/ihrer Beziehung zu Gott. Während in der Johannesoffenbarung beide einander imitierende Gegenspieler sind, mit einer dualistischen Aufteilung der Wertungen, aber mit ähnlichen Attributen, ist das Verhältnis Gott - Babylon im AT erheblich differenzierter. Neben Vorstellungen, die Johannes weiterfuhrt, Babylon und Gott föchten eine mimetische Konkurrenz aus, steht auch anderes: Babylon und sein/ihr König sind Werkzeuge in der Hand Gottes, darin aber nicht willen- und bewußtlos, sondern teilautonom, ablesbar an dem personalen Verhältnis zwischen JHWH und Nebukadnezar im Jeremiabuch (s.o.) und dem letztlich personalen Verhältnis zwischen JHWH und der Königin Babel in Jes 47. Während Nebukadnezars Verhalten einfach JHWHs Plan ist, der eben auch Babylons Untergang vorsieht, hat Babylon in Jes 47 den Bogen ihrer aufgetragenen und zugestandenen Herrschaft überspannt. Dies formuliert Sacharja auf alle Unterdrückervölker bezogen: „Und ich zürne großen Zorn auf die sorglosen Völker, denen ich ein wenig zürnte, und die beim Bösen halfen" (Sach 1,15). Daß Babylon für andere Völker, in diesem Fall für Unterdrücker schlechthin steht, zeigt sich auch an dem Wechsel vom Singular zum Plural in der Beschreibung des Königs Babylon (Jes 14,4b-5). Der Status Babylons und anderer Mächte als Werkzeuge Gottes geht konform mit dem sprachlichen Angleichungsprozeß von instrumentalisierten Menschen und personalisierten Waffen. Dabei ist die Gleichzeitigkeit von Babylon als Werkzeug Gottes und Babylon als Gegner/in Gottes zunächst ein schwer auszuhaltender Widerspruch. Dies ist z.B. für Bosshard-Nepustil ein Grund, den Widerspruch als Abfolge von Theologien und Redaktionsstadien anzusehen, sie „können kaum einfach als Nebeneinander in einem literarisch einheitlichen (Diskussions)Konzept erklärt werden"82. Aber genau das ist der Fall, nicht nur als Phänomen des Endtextes, sondern auch theologisch: das Werkzeug ist und ist nicht Teil Gottes. Nur so kann sich Gott auch von diesen Figuren und Texten distanzieren und ein Gott bleiben. Und nur so kann er glaub-hafit in die Weltgeschichte eingreifen. Mit dieser Gleichzeitigkeit hält das AT die Ambivalenz des Bösen zusammen - wie auch die Ambivalenz Gottes. An diesen Texten ist ablesbar, daß Gott mächtiger als die irdischen Supermächte ist, sie als sein Werkzeug in seinem planvollen Handeln benutzt, und daß zugleich diese Mächte Gottes Gegner sind, die ihm und seinem Handeln als Antagonismen gegenüberstehen. Die mimetische Konkurrenz von Gott und Bösem und Gottes Funktionalisierung des Bösen gehören im AT zu82
BOSSHARD-NEPUSTIL, R e z e p t i o n e n , S. 11.
C.4. Entwicklungen als Biographie
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sammen. Daß diese im NT - der Johannesoffenbarung - vereinfacht wird auf den Antagonismus unter Verzicht auf den Werkzeugcharakter, hat nicht nur Vorteile. Damit Gott mit den und gegen die stärksten Bataillone ist, wendet er sich gewaltsam gegen die Menschen, indem er in seiner militärischen Gewalt die siegreichen Angreifer quantitativ summiert und die Verhältnisse wie die Soldaten ins Übernatürliche steigert: die Kämpfer kommen vom Ende des Himmels (Jes 13,5), die Erde selbst und alle Gestirne sind (auf der einen oder anderen Seite) an der Schlacht beteiligt. Hierzu gehört ebenfalls, daß Gott (seine) Waffen zerbricht (Ps 46,10). Und sogar im Zusammenhang mit Texten über den Untergang Babels werden Alternativen aufgezeigt, indem JHWH seine zerstörerische Identität zerstört (Jes 13,6; 21,2; 33,1), oder indem er selbst im Zögern der Gewaltanwendung das Bekenntnis seines Volkes hört (Jes 47,6), oder indem der Widerspruch zwischen Jer 50-51 und dem tatsächlichen historischen Ergehen Babels beim Wort genommen wird: die Prophezeiung in den Euphrat zu werfen reicht aus, um den Rache- und Zerstörungswunsch zu befriedigen. Alles dies sind Prozesse der Ausweitung Babylons in allen Menschen, im Grundsätzlichen eines theologischen Denksystems und zugleich Prozesse der Biographisierung einer Person Babylon, mit der JHWH disputiert, die er für ihr Vergehen straft etc.
4. Entwicklungen als Biographie „Und Jeremia schrieb all das Böse, das über Babylon kommen sollte, in ein einziges Buch, alle diese Worte, die gegen Babylon aufgeschrieben wurden." (Jer 51,60)
Rezipierende nehmen die eben aufgezeigten Charakteristika der Texte auf und folgen den in ihnen angelegten Darstellungsformen (C.2). Sie nehmen die Größe „Babylon" wahr sowie die Gleichzeitigkeit ihrer Personalisierung und Auflösung (C.3). Als lectores in fabula füllen sie/wir Lücken, glätten Widersprüche und harmonisieren das Bild. Wenn ein Text ein Kommunikationsprozeß ist - was er ist - , erhält er in seinem Rezeptionsvorgang stets eine Antwort: die Konstruktion Babels. Dazu lesen sie/wir mit der Kenntnis des einen Textes einen je anderen. Keine erzählte Welt kann eine creatio ex nihilo sein.83 Die sprachlichen und bildhaften Eindrücke verschwimmen in ihrer Ästhetik und werden ausgeweitet.84 Zuweilen als ästhetische Reduktion, zuweilen als Weiterführung der Texte erhält Babylon nicht nur ein Leben und eine Biogra-
83
84
O
A S.o. A. S.o. A.3.-A.5.
502
C. Die Biographie der „Hure Babylon"
phie, sondern auch einen unseren Erwartungen entsprechenden Lebenslauf. Dieser muß, wie oben dargelegt (C.2.3.), die Tendenz zur babylonischen Uferlosigkeit haben. Beschränkt auf die hier untersuchten Babel-Texte des AT85 und auseinandergerissen in die Identitätsebenen Frau, Stadt und Prinzip sieht eine sehr grobe Zusammenfassung der Babylonbiographie wie folgt aus, sie verläuft in zwei entgegengesetzten parallelen Linien als Untergang Babels und als Entstehung; die Darstellung erfolgt hier nunmehr stichwortartig. Das Leben der
Frau
Sie kommt von nirgendwo her (Sach 5,5), durchquerte kein Land, nur einen Zwischenraum (Sach 5,9) und ist in Wahrheit die vergötterte Unrechtmäßigkeit, die in der Gegend Sinear festgemacht worden war. Dahin ist sie eingesargt und gedemütigt gelangt (Sach 5,8), sie ist dadurch eigentlich ein Wiedergänger. Sie hat keine Attribute und so letztlich auch keinen Charakter (Sach 5,7). Ihren Namen bekam sie als Mißgeburt. Einst war sie Verkörperung der utopischen Wünsche der gesamten Menschheit (Gen 11), deren Umsetzung aber nicht recht gelang. Das Tun des damals alles vereitelnden Gottes, brachte ihr ihren Namen ein (Gen 11,9). Von Jugend auf trieb sie Handel (Jes 47,15) und bildete sich mantischanalytisch aus (Jes 47,12). Nun hat sie ein Haus (Sach 5,11). Sie sitzt an vielen Wassern (Jer 51,13), verfugt also über genügend Ressourcen, und hat viele Vorräte (Jer 51,13) in Wonne (Jes 47,8), mit prächtiger Kleidung und Schleier (Jes 47,2). Sie ist Herrscherin über Königreiche (Jes 47,1.5), auch Zierde der Königreiche, Ruhm für die Herrlichkeit der Chaldäer (Jes 13,17). Ihr König ist Gottes Vertrauter (Jer 25,9). Einige nennen sie „Zarte und Weiche" (Jes 47,1), „Glorie der ganzen Erde" (Jer 51,41), Jeremia der Prophet aber nur verdrehtes „Scheschach" (Jer 25,26b). Sie unterwirft und tötet Völker und zerstört Regionen (Jer 25,10f), beutet ihre Kultur (Ps 137,3) und ihre Arbeitskraft bis zu deren Tod erbarmungslos aus (Jes 47,6); Zion wohnt bei ihr (Sach 2,11). Letztlich fühlt sich Babel aber unschuldig (Jer 50,7), obwohl sie eine blutrünstige Herrschaft ausübt (Jer 50,17). Sie und ihr König waren von Gott für drei Generationen und den Preis der nachherigen eigenen Zerstörung bevollmächtigt worden (Jer 25,12). Der König trank als letzter aus dem Kelch, der einen Weltkrieg über die Erde brachte (Jer 25,26). Aber sie sichert sich gegen mögliche sozialen Abstieg ab und versichert sich gegen jedes Unglück: Sie bleibt allein, unsichtbar und sicher, sie hat Be85
Ein Einbeziehen der Johannesoffenbarung geriete hier zur Inhaltsangabe und wird deshalb fortgelassen. Tatsächlich ist das Material, aus dem Johannes schöpfen konnte, hier zusammengestellt.
C..4. Entwicklungen als Biographie
503
rater, Wissenschaftler und Ärzte, alles unter Kontrolle (Jes 47,10-15). Sie baut auf ihre Fähigkeiten (Jes 47,9f), hat jedes Risiko minimiert (Jes 47,7.13). Sie glaubt und hofft, dieser Zustand bleibe ewig (Jes 47,7; Jer 50,33), und hat dabei den Lauf des Lebens einerseits und Gottes Kraft andererseits unterschätzt (Jes 47,7f). Denn ein Restrisiko besteht immer und kann denn auch Realität werden (Jes 47,11; Jer 51,53). Sie ist damit in die Falle gelaufen (Jer 50,24): obwohl sie Gottes goldener Becher ist, läßt er sie fallen (Jer 51,7f) Denn das Volk Israel behält das zerstörte Jerusalem im Gedächtnis (Ps 137,5f) und ruft Gott zur Erinnerung (Ps 137,7). Babel wünschen sie Verwüstung, Vergeltung und die Zerschmetterung ihrer Säuglinge wie sie es selbst erlebten (Ps 137,8f). Auch Zion klagt bei Gott über ihre Grausamkeit (Jer 51,34f). Gott verspricht Zion Rache (Jer 51,37.24), Rache für den Tempel (Jer 50,28; 51,11). So bricht Gott aus der Wüste (Jes 21,1) in die Welt Babels ein, plötzlich, ungeahnt und übermächtig (Jes 47,11; Jes 13,7f), wie ein Schnitt (Jer 51,13). Persönlich steht er mit einer außerirdischen Armee vor ihren Toren (Jes 13,5), seinen Geweihten, Helden und Triumphierenden (Jes 13,3), den Medern (Jes 13,17; Jer 51,11.28) und dem Volk aus dem Norden (Jer 50,2.42), Königreichen und Völkern in Allianz (Jes 13,4; Jer 50,9; 51,27), den Werkzeugen seines Zorns (Jes 13,5; Jer 50,25). Ganze Königreiche wenden sich gegen die Tochter Babel (Jer 50,42). Gott zeigt die vernichtende Seite seiner Selbst (Jes 13,6; 21,2). Ihre Berater und ihre Sicherheitssysteme versagen (Jes 47,15). Der König, alle Einwohner, sogar ferne Zeugen (Jes 21,3f) brechen in Sturzwehen zusammen (Jer 50,43; Jer 13,8). Berater, Führungskräfte und Einwohner taumeln wie in Trunkenheit (Jes 47,15; Jer 51,57.39). Es brennt (Jer 50,32), Naturkatastrophen kommen hinzu (Jer 51,1). Was sie in Zwangsarbeit aufbauen ließ, ist zu Nichts zerronnen (Jer 51,58). Die Erde bebt (Jes 13,10; Jer 51 ,29) der Himmel wankt, man kann keine Sonne und keinen Mond mehr sehen, ewige Dunkelheit herrscht (Jes 13,10; 47,5). Sie reißt die ganze Menschheit mit in ihren Untergang (Jes 13,9.1013), es ist alles wie der Untergang Sodoms und Gomorras (Jes 13,19; 50,40). Ihre Krieger wollen nicht ausrücken (Jer 51,30), werden gefangen (Jer 51,56), schon während des Ankleidens getötet (Jer 51,3), fallen auf der Straße, auf dem Feld, überall, alle, Frauen, Kinder, Föten (Jes 13,15f.l8). Die umliegende Bevölkerung (Jer 50,16) ist genauso betroffen wie die Zivilbevölkerung der Stadt (Jer 51,4.47). Die Götterfiguren werden zerschmettert (Jes 21,9; Jer 50,2; 51,47). Sie wird krank und kann von den Menschen doch nicht geheilt werden (Jer 51,8bf). Alle Menschen laufen von ihr fort (Jer 50,3.28) und sollen es auch (Jer 51,45 u.ö.). Die Verschleppten laufen nach Hause (Jes 13,14; Jer 50,16). Das Volk Israel bekennt sich zu seinem Gott (Jes 47,6) und findet zu ihm zurück (Jer 50,4) und kehrt endlich heim (Jer 50,5.18-20)
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C. Die Biographie der „Hure
Babylon"
Ihr wird getan, wie sie tat (Jer 50,29), wie das Volk Israel es erfleht hatte (Ps 137,8). Sie wird umzingelt (Jer 50,14.29), sie muß sich ergeben (Jer 50,15) und wird ausgeraubt (Jer 50,10). Sie muß Sklavenarbeit verrichten (Jes 47,1), in Beschämung (Jes 47,4; Jer 50,12) und Verhöhnung (Jer 50,12) vor den Augen ihrer Kinder (Jer 50,12). Ihre Säuglinge werden ebenso am Fels zerschlagen wie sie es einst tat (Ps 137,9). Sie verliert ihre Kinder, wird zur Witwe (Jes 47,9). Sie sitzt im Staub und in Stummheit (Jes 47,1.5) und geht in der Dunkelheit (Jes 47,5). Absolute Einsamkeit, noch nicht einmal Kontakt mit Hirten oder Wüstenbewohnern (Jes 13,20). Wer sie doch sieht, ist entsetzt (Jer 50,13.23). Die Nachricht von ihrem Fall breitet sich über die ganze Erde aus (Jer 50,2; Jes 21,1-9; Jer 50,46; 51,31), einige singen ein Kelterlied über Gottes Schöpferkraft (Jer 51,15-19). Himmel und Erde jubeln (Jer 51,48). Nur Schakale und Strauße finden bei ihr eine neue Heimat (Jer 50,39; 51,37), in den leeren Palästen gibt es nun eine neue Gesellschaft mit Gesang und Tanz (Jes 13,20-22). Sie ist für die Höhlenvögel wie ein Wassersumpf (Jes 14,23). Am Ende wird sie zerstampft (Jer 51,33), weggebürstet (Jes 14,23), zu Stein (Jer 51,37). Sie ertrinkt und ihr Land wird zur Wüste (Jer 51,42f). Die Vernichtung Gottes zieht weiter (Jes 21,1 lf). Der Name Babels und alle ihre Nachkommen werden getilgt (Jes 14,22). In der endzeitlichen Friedensruhe wird über Babylon das Lied von ihrem König gesungen, der in aggressiver Grausamkeit herrschte, eine Himmelfahrt versuchte und als Stengelchen in der Verachtung der Hölle endete (Jes 14,4b21). Die Entwicklung der Stadt
Bereits ihre Entstehung ist fast mythisch. Diese Stadt sollte die Menschen einen. Die Einigkeit aller Menschen aber war bedrohlich, sie wurde zerstört, die Menschen zerstreut, das Bauprojekt als Ruine zurückgelassen (Gen 11,1-9). Dann aber gibt es die Stadt doch, sie ist Residenz Nimrods (Gen 10,10), hat ein festgegründetes Haus, in dem die Unrechtmäßigkeit verehrt wird (Sach 5,11). Sie liegt an einem Fluß (Ps 137,1; Jer 51,13), hat viele Tore (Jes 13,2), es ist eine Handelsstadt (Jes 47,15), sie hat wimmelnd viele Einwohner und Einwohnerinnen (Jer 51,14). Ihre Gesandten treffen mit Hiskia zusammen und lassen sich die Schätze seines Reichs zeigen (Jes 39). Der große König Nebukadnezar schließlich ist so herausragend wie nur wenige Menschen, er wird - obwohl König Babylons - Knecht Gottes, erhielt die Vollmacht über die ganze Schöpfung. Er soll Juda und Jerusalem zerstören und mit seinen Nachkommen über Generationen herrschen - aber, obwohl über die eigenen Lebzeiten Nebukadnezars (letztlich ähnlich wie bei Hiskia) weit hinausgehend, nur über einige Generationen. Der König von Babel trinkt als letzter vom tödliche Kriegslust entfesselnden
C.4. Entwicklungen als
Biographie
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Zornwein (Jer 25,26). Die Macht der Stadt erstreckt sich bis in entfernteste Winkel, was Babel betrifft, betrifft die ganze Erde. Die Wissenschaftler und Astronomen der Stadt haben jedes Risiko eines Machtverlustes im Griff (Jes 47). Der Stadt/dem Reich Babel wird es aber verweigert, einfacher Teil der bewohnten Welt zu sein, sie/es ist nicht Element der Aufzählung, sondern abgetrennt und nur in verkehrter Buchstabenordnung sichtbar (Jer 25,26b). Die Herrschaft aber gerät zur Unterdrückung (Sach 1,15), und die siebzig Jahre der Herrschaft sind abgelaufen: Das Volk und Zion klagen (Ps 137; Jer 51,34f), Gott verspricht Vergeltung (Jer 51,37). Persönlich steht Gott mit einer außerirdischen Armee vor den Toren (Jes 13,5), seine Geweihten, Helden und Triumphierenden (Jes 13,3), den Medern (Jes 13,17; Jer 51,11.28) und dem Volk aus dem Norden (Jer 50,2.42), Königreichen und Völkern in Allianz (Jes 13,4; Jer 50,9; 51,27), den Werkzeugen seines Zorns (Jes 13,5; Jer 50,25). Gott zeigt die vernichtende Seite seiner Selbst (Jes 13,6; 21,2). Die Sicherheitssysteme und Führungskräfte versagen (Jes 47,15). Der König, alle Einwohner, sogar ferne Zeugen (Jes 21,3f) brechen in Sturzwehen zusammen (Jer 50,43; Jer 13,8). Berater, Führungskräfte und Einwohner taumeln wie in Trunkenheit (Jes 47,15; Jer 51,57.39). Es brennt (Jer 50,32), Naturkatastrophen kommen hinzu (Jer 51,1). Krieger wollen nicht ausrücken (Jer 51,30), werden gefangen (Jer 51,56), schon im Ankleiden getötet (Jer 51,3), fallen auf der Straße, auf dem Feld, überall, alle, Frauen, Kinder, Föten (Jes 13,15f.l8). Die umliegende Bevölkerung (Jer 50,16) ist genauso betroffen wie die Zivilbevölkerung der Stadt (Jer 51,4.47). Die Götterfiguren werden zerschmettert (Jes 21,9; Jer 50,2; 51,47). Bestehender Schaden kann nicht mehr ausgeglichen werden (Jer 51,8bf). Alle Menschen laufen weg (Jer 50,3.28) und sollen es auch (Jer 51,45 u.ö.). Die Verschleppten laufen nach Hause (Jes 13,14; Jer 50,16). Das Volk Israel bekennt sich zu seinem Gott (Jes 47,6) und findet zu ihm zurück (Jer 50,4) und kehrt endlich heim (Jer 50,5.18-20). Die Erde bebt (Jes 13,10; Jer 51,29) der Himmel wankt, man kann keine Sonne und keinen Mond mehr sehen, ewige Dunkelheit (Jes 13,10; 47,5). Die ganze Menschheit ist betroffen (Jes 13,9.10-13). Die einst ruhmreiche Stadt geht unter wie Sodom und Gomorra (Jes 13,19; 50,40). Die Tore verbrennen, die Mauern sind bloßgelegt (Jer 51,58) und eingerissen (Jer 50,15; 51,44), die Türme gefallen (Jer 50,15), die Furten und Zitadellen eingenommen (Jer 51,32). Die Stadt wird zum Schlachtfeld (Jer 50,30; 51,4 u.ö.), sie wird eingenommen (Jer 50,2; Jes 21,9), geplündert (Jer 50,10) und verbrannt (Jer 50,32), sogar die Bewohner werden zerschlagen (Jer 51,20-24). Die Stadt wird zerstört bis zur Unbewohnbarkeit (Jer 50,13), ein Steinhaufen (Jer 51,37), alles wird dem Erdboden einer Ebene gleich gemacht (Jer 51,25.33.62). Kein Mensch wird sich mehr in ihre Nähe wagen (Jes 13,20), an der Stadt ziehen Menschen nur noch vorbei, nicht mehr hinein (Jer 50,13). Nun ziehen in die
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C. Die Biographie der „Hure Babylon"
Paläste Wüstentiere ein, sie tanzen und singen. So bleibt Babylon Stadt und ist doch ohne Einwohner keine. Wie ein Wüstenmeer (Jes 21,1). Babels Namen wird ausgerottet. Nur der König wird Gegenstand einer Herrschersatire sein (Jes 14,4b-21). Nachdem er und seine Söhne getötet sind, wird es keine Städte mehr geben (Jes 14,21). Das Prinzip
Babylon
Babel ist der gescheiterte Versuch, eine Utopie zu realisieren: alle Menschen an einem Ort mit einer Sprache und einer Orientierung (Gen 11). Babylon ist Heimat der installierten Unrechtmäßigkeit (Sach 5,11). Babel ist Ort des ganzen Menschenherzens (Jes 13,7), alles Bösen und aller Frevler, Übermütigen und Gewalttätigen (Jes 13,11). Der babylonische Weltuntergang aber geht weiter (Jes 21,1 lf). Babel ist Regierungsort des Königs, der Unrechthandelnden und Herrscher (Jes 14,5) - des Königs, der sein wollte wie Gott und doch Luzifer wurde (Jes 14,4b-21). Babel ist bald vergessen, es/sie ist Assur (Jes 14,24f) und die ganze Erde (Jes 14,26f). Babel ist Wüste und Meer (Jes 21,1) und doch gefallene Zivilisation (Jes 21,9), dies findet in Edom eine Fortsetzung (Jes 21,11-12). Babel ist Königin der Königtümer und wird doch versklavt (Jes 47), Babel ist das Gegenteil Jerusalems. Babel ist Königsstadt und Machterweis Nebukadnezars und er wird doch zum Tier (Dan 4). Babel ist ein Verkehrtort als Herrschaftsbereich seines (fast) allmächtigen Königs (Jer 25). Babel ist alle Gegnerschaft, sie wird vernichtet (Jer 50-51). Viele Charakteristika der Texte, des Themas und der Rezeption fanden bereits in Jer 50-51 eine konzentrierte Umsetzung, so daß dieser Text, wie oben dargelegt,86 für das AT, quasi der Johannesoffenbarung vorgreifend, eine Summe der alttestamentlichen Babylonprophezeiungen entwirft. Mir scheint, daß das Gestaltungsprinzip von Jer 50—51 tatsächlich in der Offenbarung eine Aufnahme fand. Noch mehr: Den Text Jer 50-51 neu zu lesen sowie das Prinzip seiner Gestaltung aufzugreifen, aufzufüllen und noch zu steigern, indem die Gestaltung der Babylon-Texte und ihrer Theologie, Satellitentexte und ähnliche Figuren, die Identität Babels als Stadt und Frau und „wir" in einem einzigen Text zusammengefügt werden, war ein Vorgehen, Babel zu einer metaphorischen - weil nach Johannes' von Patmos Verständis wirklichen - Großmacht aller Prophetie aufsteigen zu lassen. Die Erwartungen antiker (wie moderner) Rezipierende wurde damit konsequent bei der Textgestaltung berücksichtigt. Daß der Text vom Untergang Babels in Jer 50-51, in die Zeit vor der Katastrophe 587 v.Chr. gelegt, in der Zeit nach einer zweiten Katastrophe 70 86
S.o. B.IV.2.3.
C.4. Entwicklungen als Biographie
507
n.Chr. wieder aufgegriffen und gesteigert wird, stellt Babel über die Zeiten und über jegliche Geschichte. Das reale Babylon sank in die Bedeutungslosigkeit: „Hier war kein Vulkanausbruch über eine Stadt gekommen. Die Erde war über die Stadt gewachsen."87 Der Mythos hatte sich davon schon längst gelöst. Was bleibt von Babylon?
Während die Moderne oft meint, Wünsche und Flüche von Recht- und Machtlosen seien wirkungslos und ohnmächtig, ist ihr das Beispiel Babylon entgegenzuhalten: von Babylon ist nur noch der schlechte Ruf und die Untergangsdrohung geblieben. Die Flüche und die Poesie der Machtlosen haben das Weltreich Babylon überdauert. Nach vielen Seiten kommt diese Untersuchung zu einem Ende, ohne daß zu Babylon in der Bibel freilich alles gesagt wäre. Nachdem aus Babylon „Babylon" geworden war, wurde daraus die „Hure" „Babylon", inzwischen ist sie die Hure Babylon geworden.
87
DÖBLIN, Babylonische Wanderung, S. 78.
Teil D:
Literaturverzeichnis und Register 1. Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen für Zeitschriften, Serien, Lexika und Quellenwerke folgen dem Abkürzungsverzeichnis zur Theologischen Realenzyklopädie. Hg. von S . SCHWERTNER. 2 . , Überarb. u. erw. Aufl. Berlin - New York 1994. Benutzte Abkürzungen, die nicht oder anders bei SCHWERTNER verzeichnet sind: Bauer-Leander = BAUER, H., P. LEANDER: Historische Grammatik der Hebräischen Sprache des Alten Testaments. Erster Band [1922], Hildesheim 1962. BI = Biblical Interpretation BIS = Biblical Interpretation Series CDOG = Colloquium der Deutschen Orient-Gesellschaft DDD = Dictionary of Deities and Demons in the Bible. Hg. von K. VAN DER TOORN u.a. 2., Überarb. Aufl. Leiden 1999. DNP = Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. von H. CANCIK und H. SCHNEIDER. 15 Bde. Stuttgart - Weimar 1996-2002. EM = Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Hg. von K. RANKE und R.W. BREDNICH. 10 Bde. Berlin - New York 1977ff. EncRel = The Encyclopedia of Religion. Hg. von M. ELIADE. New York - London 1987. Ges' 7 = GESENIUS, W.: Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. 17. Aufl. Berlin - Göttingen - Heidelberg 1962. Ges 18 = GESENIUS, W.: Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. Hg. von R. MEYER und H. DONNER. 18. Aufl. Berlin u.a. 1987fF. Ges-K = Wilhelm Gesenius' Hebräische Grammatik. Völlig umgearb. von E. KAUTZSCH. [28., vielfach verb. u. verm. Aufl. 1909] Hildesheim - Zürich - New York 1995. Kleiner Pauly = Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. Bearb. und hg. von K. ZIEGLER. 5 Bde. Stuttgart 1 9 6 4 - 1 9 7 5 .
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D. Literaturverzeichnis
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und Register
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Stellenregister (Auswahl) (Kursivgesetzte Seitenzahlen bezeichnen Angaben in Fußnoten. Die Register ergänzen das Inhaltsverzeichnis)
Altes Testament 11.3 11.4
Genesis 1 2,5.15 2.9 2.10 2,10f 2,23 3 3,6 3.20 3,22 4f 4,11 4,17 4,27 6-9 6,2 6,11-13 6.13 6.14 9,17 9.20-27 9.21-31 9.21 10
10,8-10 10,10 10,22 10,25 10,32 11,1-9
259 132 108 160 108 177 177,183 70, 107 86 147, 162 153 138 159, 162 38 93 147 241 240 152 146 366f 302, 111,368f 147, 154, 160 157f 155, 157f, 196, 210,330 155 150 161
10, 13, 44, 47, 104, 139, 209, 212, 226, 240, 250, 267, 315, 330, 336, 405, 409, 435, 451, 453, 463f, 465,467-501
11,6
11.9 11.10
12,1-3 12,1 12,2
19 19,31-38 28,10-22 35.16 37,24
122, 409, 433 147, 250,409, 455, 488 147 360 154, 161 155 146 154 252f 111 154 284 185
Exodus i;5 1,14 2,3 3,14 7,19 25-31 22.17 28 28,9-12.17-21 34.5 35—40 39,30
157 222,284 152 317f 273 165 316 83 100 97 165 83
Levitikus 14 16 16,4 18 19,9 19,27 20 28,39
186f 186f 101
302 37 37 302 103
544
Stellenregister
Numeri 2 5 11-12 11,26ff 15,39 25,1-8 27 36
103 365, 373 97 283 70 31 38 38
139 127 255 110 222
38 40 37
2Chronik 3,8 22,3 24,7 35,25 36,15-21 36,21
Josua 13,11
134 316,320 37 107 463 354 433
1 Chronik 7,24 26,25f 29,2
Deuteronomium 6,4f 10,17 12,9 14 21,3
9,7 9,22 9,30 9,37 18,25 22-23 23,13
38
103 183 183,495 39 316 307
Richter 1 3,8 19
Esra
38 435 PS
6,14 Nehemia
¡Samuel 4,19f 28,7
1,3-4
284 423
31,1.7 42,15
70 307 423 38 423 87 368
167 165 103 316 89
2Könige 6,23
368
70 40
Psalmen
1 Könige 6 6-9 6,20 8,46-53 21,24-26
198,211
Hiob
2Samuel 11,2 13,20 14,2 20,14 20,16 20,19 25,36.37
165
11,6 16 16,5 22,30 23,5 45,6 46,10 55 55,10 68,15 74 75,9 76,4-8 79 87
364 412 358 301 358, 364f 436 442 98, 455 158 242 19 357f, 364 442 19 30
Register 87,4f 90,10 95,7 116,13 125,3 126 136 137
137,1 137,7 137,8f 138
20 307, 338 308 357f, 364f 268 200, 21 lf 199 5, 13,23,28, 30,47, 141,303,329, 335, 373, 374, 437, 465, 467-507 28, 93, 161,410, 419,451 6, 28,454 316, 435, 463,490 199,211
Proverbien 1-9 9 16,18 18,10 31,10-31 31,4-7 31,22
31, 177 369 228,256, 268 158 185 367, 370 102
Kohelet 7,25f
545 2,2-4 2,13 3,16-4,1 3,16-24 3,26 4 5,12.14 5,25 5,26-29 5,26 6,9f 6,11 8,23-9,6 10,5-15 10,5ff 10.5 10.6 10,8-11 10,13-14 10,15 11 12,1-6 12,1 12,4-6 12,6 13-23 13-14
182 13
Hoheslied 4,1.3; 6,7 5,1 7,5 8,8-10 8,10
302 370 38 38 162
Jesaja 1-12 1,1 l,2ff 1,4 1,7-9 1,21-31 1,21 2 2,1-4 2,Iff 2,1
273 272 293 259 241,253 30 141 146,219, 250 232,275 278 217, 272
13,1 13,2-22 13,2-4 13,2 13,6
13,7f 13,8 13,9 13,10 13,11
322 268 36; 308, 454 99, 301 293 146,464 259 273 439 216,219, 247 214, 336 214 273 250, 272 226,262 412 152 311,323 311,323 268,269,412 265, 323 217,254, 329 322 322 322 272, 273,282, 288, 469 7, 13,290,405,467501 9f, 47, 113, 141, 160, 161,209,212, 284, 285, 287, 291, 292, 296, 299, 305, 307, 308, 312, 322, 323, 327-330, 339, 366, 398,406, 429, 437,439,455, 463, 465 296 5 406,471 16,406,438,471 288, 289, 301,310, 374, 445, 471, 476, 486 374,406 376 359,448,476, 486 291,487 462,463
546 13,13 13,15 13,17-22 13,17 13,18 13,19-22 13,19 13,20-22 13,22 14
14,1-2 14,3 14,4b—21 14,4 14,6 14,7 14,9 14,10 14,11 14,12-15 14,12 14,13-14 14,19 14,20 14,22f 14,22 14,23 15,1.3 15,2 15,4 17,12-1 19,12.17 19,16-25 19,23-25 20-23 20 21
21,1-10
21,1
Stellenregister 442,476, 486 441 280 289, 406, 407, 438, 443f 316 406, 465 289,426,435, 455 305, 322,425, 452, 482 288,486 9f, 13, 47, 204, 209, 290, 291,296, 308, 310, 322, 327-330, 339,429, 455 322 284, 322 4f, 7,406, 407 435 455 407, 482 16,443f 407 301 409 435 311,407, 433, 488 185 436 211,322,425 286, 436 160, 383, 452 301 30 30 20 273 275 272 275 218,272,275,288 9f, 13,47,210, 291, 296, 299, 322, 323, 327-330, 339, 366, 405, 437, 463, 465, 467-507 5, 7, 141,218, 234, 274, 398,406, 408, 413 15, 94, 274, 296,
21,2 21,3 21,4 21,6 21,9 21,10 21,1 lf 21,13fr 21,13-17 21,13 22,1-14 22,1-8 22,1 22,25 23 23,9 23,12 23,13-15 23,13 23,15-18 24-27 24 24,10-12 25,2 25,8 25,12 26,5 28 28,27-28 29,4 32,9ff 33,1 34 34,5-7 34,5 34,14 35 36-39 37,22ff 37,24-25 37,34 39 40-66 40-55 40-46 40,1 40,2
408,425,435, 443, 451 15,210,301,374, 408,424,438, 472 374, 376,455 322, 374 455, 472 296, 408,424, 453 408, 494 218 218 275 287 7 275 287 232 88, 141,218, 309 273 30 20 215 30, 32 20 218 16 16 442 300f 300f 368f 286 293 301,308 15, 242f,253, 283 13,236, 406,482f 282 371 483 322 273 226,262,273 311,323 268 20, 330 406 409 295 320 374
547
Register 40,3-4 40,5 40,12-14 41,25 42,10-14 42,14 43,28 44,25 46-48 46 46,1—4 46,1-2 46,2 46,3f 46,4 46,12f 46,13 47
47.1 47.2 47,3^1 47.4 47.5 47.6 47,7-9 47.8 47.9 47.10 47,10-15 47.14 47.15 48-55 48 48,1 48,17 48,20 49 49,12 49.16
322 321 309 152 20 284 307 445, 285,295 294 321 5, 13,285, 309,453, 479 301 314 293 295 293, 306 4f, 9f, 11, 13, 23,28, 30,47, 141, 161, 211,235,237, 250, 273, 327-330, 339, 359,405,408f, 429, 437,445,446, 451, 453,458,467-507 209f, 423, 435,436, 451 451,454 17 408f 153,423,435, 436, 453,463, 472 374, 408,462 90-92 107, 139,435,451, 490 486 455 488 442,456 374,437,451,479 295 294, 295f 295 308 71,294,295,301, 314 30,40, 87, 101 293 293
49,17-21 49,21 50 50,1 51.17-23 51,17 52,11 53,6 54 54,1-10 54,11 57,8 57,14 60-62 60,21 61,1 62,6 63,1-6 63,1-3 63,6 66,13 66.18-24
319 311 294, 140,319 321, 357, 365, 370, 371 374,493 71 220 294, 319 37 303 409 275, 289 265 289 290 ¡40, 447, 448 282 371 322 322
Jeremia
1,2 1,1-3 1,10 1,18 2-6
8f, 331,352, 353, 396 345 331,343,350, 353 333f, 336, 352 334-336 335f, 337, 340,
352, 2 2,13 2,20 2,21 3 3,3 3,9 4-6 4,6ff 4.6 4.7 4,19-21 4,30f 4,30 5,15-17
399,428 30 94 AU, 420 413 30 83 31 397, 399f, 464 339, 492 16, 433 457 403 210,301,308 37, 445 19, 337,439f
548 5,17 6,22-24 6,26 8,18-9,8 9,25 9,19-20 10,12-16 10,19f 10,25 12,7 12,10 13 13,18-22 13,20 13,22 16,7 16,8f 20,1-6 21,1-10 21,5 21,13 22,28 23,1-4 25
25,1-26 25,1-3 25,9 25,10 25,Uf 25,12-14 25,12 25,13 25,14 25,15-29/31 25,16.27 25,18 25,23 25,26 25,27 25,29 25,30 25,31 25,32
Stellenregister 37 316,388, 397, 432f, 438,457, 464, 465 445 334 37 213,493 397,446, 457 334,403 425 307,463 414 492 323, 388 238, 302 358, 364 352f 336 339 338 423 189,425 458 13,47, 114, 320, 327, 337, 340, 342, 395, 396, 399, 400, 402,437f, 465, 467-507 318, 321 396 340f, 394,441 472 307, 322, 441 307 448,463 404 463 37, 260, 394, 406, 411-413 441 37,441 37 155, 260,287, 321, 322, 394,436, 488 321 440f, 443 411,471 441 442,444
25,33 25,34 25,35 25,36 25,37 27-32 27f 27,5 27,6 27,7 27,12-15 28 29 29,7 29,10 29,13f 30,2 31,5 32,1 32,39 32,42-44 36 36,4 36,29 36,32 38,6 39,1-10 42,1-6 42,9-17 43,10 44,1 44,13 46-51 46-49 46,1 46,2 46,10 47,4 47,8 48 48,8 48,18 48,38 49 49,7-22 49,12 49,18-21 49,18
440 425 210 445,471 418 19 337f; 339, 34If, 395 342 307, 340, 394 307,338 338 350 338, 339, 395 338, 343,404, 466 307,351 338 404 336 350 336 336 343, 350, 354, 404, 405 404 339, 457 350 185 393 334 316 340, 394 354 457 372,406,444 351,352,388, 396, 469 345, 350 350 371 445 423 398 30 300f 424 398 495 358 388,465 426
549
Register 49,20 49,32 50-51
50,2 50,8 50,9 50,15 50,17 50,22 50,23 50,26 50,27 50,28 50,31 50,34 50,36-38 50,41-43 50,42 50,43 50,45 51 51,1.11 51,1 51,2 51,6 51,7
51,8f 51,12 51,13 51,16 51,20-24 51,27 51,29 51,30 51,33 51,34f 51,39 51,41 51,42f 51,41 51,45 51,48.53.55.56 51,53
273 37 8f,9f, 11, 13,28, 47, 78, 141, 144, 160, 212,236,281,299, 327, 335f, 343, 351, 352, 360, 363, 467-507 16, 471 16,71 260 486 220 471 211,265 211 486 316,471 486 136 133 316 28, 209f,471 284, 330, 374 273 5f, 161,282 260 359, 360 476,486 71 108, 111,339, 357, 371,374, 480f, 482, 493 487 158, 471 93 471 211 471 374 486 28, 209f 211 321, 369, 371,374 155, 359, 488 15 47 71 210 161,488,494
51,54 51,55 51,57 51,58 51,59-64 51,61 52 52,12 52,27
471 472 369,371,374 161,482 343, 350,351,353, 469, 472 343 8f,323, 331,343, 352, 396, 397, 459 350 331
Klagelieder 1-5 1,2 1,8-10 1.9 1,16 2,1.10 2,9f 2.10 4,3 4,21
19, 30 97 320 97 449 320 472 300f 40 111,357, 369, 370, 373
Ezechiel 1,24 3 3,17 5,5-9 7 8,3-17 16 16,10.13 16,28-34 16,30 16,31-34 16,33f 16,34 16,44 16,46-58 17 18,5f 21,23-32 22,10 23 23,14-21
242 336 290 181 327 193 30, 110, 117, 123, 141,492 101 32 31 31 131 31,90 36, 88 426 256f 182 441 302 30,31, 110, 117, 123, 141,492 19
550 23.15 23,20 23,31-35 23,33 23,37 23,40-44 23,48 26-28
26,1-26 26,7 27 28,1-10 31,1-18 31,18 32,17-32 36,17 40-48
Stellenregister 245 31 357f, 354, 369, 370 111 119 32 36 100, 131, 141 323 127 30 323 323 268, 301 323 36 97, 165, 103
19 127 127 157 323,435 316 86, 212, 435, 480 281,368 326 251,462 19,44 405 284
Hosea 1^1 1 2,5 2,2 lf
6
251,427 358
Micha 1,10-16 4,9f 4,13 7,19
423 20,480 494 187, 194
Nahum 3 3,4 3,15-17
30, 88, 323, 496f 32, 316, 320, 413 439
1,6 2 2,1 2,4b-20 2,15f
413 327,373,481f 290 257,290 108,111,357,358, 412
Zephanja 1,1-2,3 2,13-15 2,14 2,15 3,11
493 496f 483 312,423 246
Haggai 117 30 451 30
Joel 1,4 l,6f 1,15 2,1-11 2,4f 2.25 3,1-5 4,13
1-21
3 16
Habakuk
Daniel 2-4 2,37 2,47 3,4.7.29.31 4 4,19-27 4,27 5 5,10-12 5,20 7 9.24 10.16
Obadja
439 439 242 493 439 439 403 447,448
2,6-9
165
Sachar ja 1,1.7 1,8 1,9; 4,5 1,11 1,15 2,1-4 2,5-9 2,6 2,8f 2,10-14
167 16 177 164 307 170,192 97, 175 167, 174, 175, 177, 494 93 170
Register 2.1 Of 2,11 2,17 3,9; 4,10 4,10 5,1-4 5.2 5,5-11 5,6 5.8 5.9
164 192,209f, 423,480, 494 167 179f 167 178 174 47, 209,424, 453, 465,467-507 455 436 494
551 6,1 9,11 9,15 12,2 12,11-14 14,1-5 14,1-10
170 185 371 364 39 236 493
Maleachi 1,2-5 1,4 2,10-16
495 37 40
Neues Testament 2Korinther
Matthäus 12,25 15,19 26,39.42.44
128 88 355
Markus 7,14-21 7,21
128
146 88 88, 107, 110 88
138
4,3-7
88
2,4
106
¡Timotheus 2,13-14
177
¡Petrus 88 128
1 Korinther 1,25 16,22
5,23
2Thessalonicher
Römer 1,29 13
87 88
IThessalonicher
Apostelgeschichte 2 15,20 15,29 21,25
4,26 5,19 Epheser
128
Johannes 19,10f
103 ¡03 88
Galater 110 88
Lukas 11,17
1 l,13f 11,1-15 12,21
136 92
2,13f 5,13
128 84
Offenbarung 1,1 1,12
54 101
552 l,l7f 1,19 2,9 2,20-23 2,20 3,9 3,17 3,18 5,9f 9,21 12f 12,8ff 12,14f 13 13,1 13,3.13f 13,14-17 13,17 13,18 14,8 14,20 15,6 16,6 16,19
Stellenregister 63 63 76, 106, 120 89 52 76, 106, 141 91 139 139 88 44 95, 267 94 127, 133 93 70 89 139 79 68,71,75,81,88, 119, 125,133, 135 109,447 101 139 68,315
17-19
17-18 17 17,1.3 17,1 17,3-6 17,3 17,4 17,5 17,6 17,16 18 18,2 18,4 18,6 18,7 18,10.15f.l8f 18,10.20 18,21 18,21-23 19,1.5.5 19,15 21-22
23, 28, 30, 32, 47, 172, 189,208, 413, 465,467-507 10, 250 412 287 419 374,414 209,481 413 315 481 414 210 471 471 17, 459 325 414 315 405 472 471 447 B.l. passim
Apokryphen und Pseudepigraphen grBar 4f
Sib 87
syrBar 67,7
84
lHen 24f
95
V V,61 V, 89-92 V,169 V,173 V,177 V, 185f
32,84 91 91 91 91 91 91
TestJud 11,1; 17,1
123
JosAs 12,5 16,16
91 116
ZusDan 13
70
Register
Altorientalische Texte Mesopotamien B V i, Z. 10-17
412
Bo 7615
187
KUB IX, 32 KUB XVII, 10
187 187
Serie Tintir 1,3
360
Ugarit KTU 1.4 VI 35,53 369 KTU 1.15 IV 15,28 369
Antike griechische Literatur Hesiod
484f
Theogonie 570-616 585 590-599
189f 189 189
Erga 57-106 94f
189f 189
Sophokles Antigone 773-780
184
184
Herodot Historien I, 178ff I, 185 I, 191
104 383 281,282
Xenophon Cyropaedia 7,5
281, 282
Aristoteles
146
Antikes Judentum und rabbinische Schriften Qumran CD 1,6
84
Josephus Antiquitates X, 131fr
84
Mischna und Talmud
bRHSh 26b bGit 57b bBB 12a bBB 60a bSan 21b bSan 39b bSan 98a
224 203 21 200 145 74 308
Midrasch
mTaan 1,1
208
BerR LXV,21
208
bShab 56b bMeg 6a bMeg 6b bMeg 10b bMeg 18b
145 360 145 74 224
ShemREx 15,1
74
MTeh XVIII, 1 CXXXVII, 1
202 203, 208
554 CXXXVII,3 CXXXVII.6 Ps 8,1
Stellenregister 203 200 448
ShirR 1,6 QohR 1,2
84, 145 335
Tan B m m §16
84
Frühchristliche Literatur und Kirchenväter Did 10,6
Johannes Chrysostomos 92
Origenes Contra Celsum IV, 65
In epistolam ad Romanos 109 Prudentius
267
Contra Symmachum
Hieronymus
Augustinus
In Hieremiam XXVII, 2f
De civitate Dei XI, 15
360
25
266
Personenregister (Kursiv gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf Angaben in Fußnoten) Ackroyd, P. 357 Adams, D. 159 Adorno, Th.W. 204 Albani, M. 360 Albertz, R. 165, 303, 474 Albrecht, K. 87 Albrecht, R. 92 Altaner, B. 24, 84 André, G. 435 Annen, F. 70 Assmann, J. 12, 24, 318, 340 Bail, U. 21, 33, 37, 70, 98, 159, 306, 423, 455 Bal, M. 68 Baltzer, K. 13, 21, 22, 292f, 298, 299, 301, 302, 303 , 304, 309, 310, 317, 320, 323, 453 Balz, H. 106 Barr, J. 23 Barstad, H.M. 292, 314 Barth, H.271, 273 Barthélémy, D. 179, 222, 304 Bauckham, R. 57, 59, 69, 71, 72, 77, 98, 101, 109, 122, 130 Bauer, L. 168 Baumann, A. 244 Baumann, G. 14, 30, 32, 33, 40, 297, 302, 303, 369, 445, 497 Baumgart, N.C. 146, 147 Beai, T.K. 21 Becker, J.311,371 Becker, U. 17, 213 Becking, B. 33, 35 Begg, CH.T. 9, 215, 216, 218, 328, 329 Bellis, A. Ogden 371, 377, 378, 379, 381, 383, 384, 385, 387, 388f, 390, 391, 392 402, 406, 407, 422, 427, 433, 439, 440, 441, 446, 457, 458, 462,465 Bender, C. 343 Benet, J. 25, 160, 162,163 Berges, U. 16, 20, 149, 153, 154, 155, 157, 160, 161, 162, 213, 215, 218f, 220, 232, 235, 240, 241, 247, 253, 282, 285, 288, 311, 321
Bergler, S. 227, 439, 477 Bergman, J. 165 Bergmeier, R. 85 Bertram, G. 242 Betz, H.D. 85 Beuken, W.A.M. 243, 482 Beyse, K.-M. 244, 256, 258 Bhabha, H.K. 26 Biddle, M.E. 294 Bird, Ph.A. 32 Böcher, O. 62, 63, 99, 100, 103, 104, 109, 139 Boehmer, R.M. 186 Bonnet, H. 447 Bornkamm, G. 59, 60, 95 Borst, A. 160 Bosshard-Nepustil, E. 6-8, 12, 213, 238, 257, 278, 285, 328, 407f, 445, 493, 500 Bousset, W. 55, 56, 59, 60, 70, 73, 76, 77, 97, 102, 107, 112, 116, 138 Braak, I. 41, 80 Braulik, G. 255 Braun-Holzinger, E.A. 342 Brecht, B. 454 Brenner, A. 33, 123, 211,250, 454 Briggs, Ch.A. 365 Briggs, E.G. 365 Bright, J. 345, 346, 349, 350, 365 Brockmann, D. 35, 116 Broer, I. 128 Bronfen, E. 26, 33, 35, 42 Brongers, H.A. 364, 365, 373 Brucker, R. 56 Brueggemann, W. 10, 12, 42, 316, 339 Budde, C. 13, 387, 392, 406, 407, 408, 410, 461, 488 Bühner, J.-A. 35 Bultmann, R. 53, 78 Butler, J. 416 Butterworth, M. 165, 176, 192 Butting, K. 36 Calvino, I. 416 Cardenal, E. 200,203, 205,206
556 Carr, D. 155 Carroll, R.P. 20, 165, 331, 341, 342, 346, 348, 351, 352, 356, 363, 365, 377, 379, 380, 381, 382, 384, 387, 388, 391, 392, 409, 417, 419, 422, 432, 440, 442, 448, 454, 457, 458, 461, 462, 463,464,472 Cassuto, U. 146 Cazelles, H. 203, 372 Charles, R.H. 56, 59, 71, 73, 76, 77, 82, 102, 103,104, 107, 109,112, 114, 129 Clements, R.E. 214, 224, 225, 231, 235, 238, 249, 255, 256, 263, 273f, 280, 282, 289,291, 322 Clines, D.J.A. 23, 165, Collins, A. Yarbro 51, 59, 60, 67, 71, 72, 77, 80, 97, 102, 114, 117, 122, 134, 138,140 Conrad, E.W. 213, 216, 253, 21A, 296 Conzelmann, H. 55 Cross, F.M. 30, Crüsemann, F. 153, 155, 185, Dahood, M. 365 Dallmeyer, H.-J. 44 Daly, M. 162 Darr, K. Pfisterer 33, 40, 213, 214, 216, 275, 284, 293, 294, 296, 301, 318, 424 Davies, G.I. 322 Day, L. 23, 34, 44 Day, P.L. 33, 34, 319 de Beauvoir, S. 92,115 de Moor, J.C. 297,298, 300, 304 de Souza Nogueira, P.A. 84 Derrida, J. 4, 54 Dietrich, W. 44 Dobbs-Allsopp, F.W. 422 Döblin, A. 507 Dommershausen, W. Ill, 367, 370 Donner, H. 21, 394, 482,483 Döpp, S. 25 Duhm, B. 200, 231, 232, 237, 238, 239, 255, 259, 260, 262, 263, 266, 279, 283, 287, 290, 294, 298, 301, 303, 304, 305, 346, 352, 352, 353, 356, 360, 372, 376, 378, 387, 389, 390, 395, 404, 406, 407, 412, 413, 414, 417, 427, 433, 455, 461 Dürrenmatt, F. 25, 498 Dyer, Ch.H. 59, 78, 81, 95, 129
Register Ebach, J. 39, 55, 57, 58, 62, 74, 122, 136, 150,151, 153, 154, 163, 255, 360 Eco, U. 22f, 159,160 Ehrlich, A.B. 219, 237, 240, 242, 253, 354 Eisele, P. 4 Elliger, K. 179, 183,186 Elliott, S.M. 138 Ellul, J. 76, 77, 80, 98, 104, 115, 128, 129,133, 136, 137 Emmendörffer, M. 200 Engelken, K. 29, 110, 313 Erlandsson, S. 13f, 20, 32, 219, 220, 221, 222, 224, 226f, 232, 233, 234, 236, 237, 250, 251, 252, 261, 262, 264, 269, 270, 273, 278, 279, 291, 406f, 409, 443, 444, All, 483,495 Eron, L.J. 234, 253 Exum, J.Ch. 35 Faber, R. 57, 77 Fauth, W. 184, 190, 191 Fekkes, J. 57 Feld, G. 44, 102 Fewell, D. Nolan 23 Fischer, G. 393, 396, 397 Fischer, I. 20, 241 Fischer, R. 4 Fitzer, G. 88, 89 Fitzgerald, A. 30, 32 Fitzmyer, J.A. 136 Fleischer, G. 366 Floyd, M.H. 171f, 178, 181, 186 Fohrer, G. 67 Fohrmann, J. 24 Fokkelman, J.P. 151, 152, 153, 154, 155, 157 Frahm, E. 158, 342 Franke, Ch.A. 241, 265, 294, 295, 300, 303, 304, 307, 309, 311, 317, 323, 327, 488 Frankena, R. 240 Franzmann, M. 300, 304, 311, 318, 323 Freedman, D.N. 444, 445 Friesen, St. 79 Frymer-Kensky, T. 422 Fuchs, G. 365, 412 Füssel, K. 42, 63, 77, 98, 111, 122, 140 Galambush, J. 31, 33, 25, 41 Galling, K. 24, 84 Genette, G. 21
Personenregister George, A.R. 160, 342, 486 Georgi, D. 95, 104 Gese, H. 167, 170, 177, 196 Gesenius, W. 14, 86, 87, 167f, 221 Gitay, Y. 159 Glasner, A. 30 Gordon, P. 37, 454 Görg, M. 155 Gosling, F.A. 303 Gosse, B. 14, 218, 219, 225, 227, 233, 235, 239, 259, 262, 264, 275, 278, 282, 289, 290, 408, 444, 483 Grivetti, L.E. 367 Groß, W. 333 Guillaume, Ph. 393 Guilleaume, A. 197 Gunkel, H. 154 Günter, A. 20, 41, 47 Haas, V. 24, 84, 186, 187, 190 Hadot, P. 318 Haller, A. 186 Haller, M. 172, 173, 188 Hamborg, G.R. 250 Hanhart, R. 166, 167, 168, 169, 178, 192 Hardmeier, Ch. 38, 213, 272, 378, 482 Hartberger, B. 5f, 12, 14, 197, 198, 200, 201, 203, 204, 205f, 209, 211, 360, 375, 378, 380, 381, 383, 384, 385, 387, 390, 391, 409, 410, 412, 419, 425, 429, 431, 433, 437, 438, 446, 462, 494, Hartman, L. 82, 269 Häusl, M. 29, 33, 40, 391, 420, 422, 426, 440, 449, 458 Hayes, J.H. 13 Heine, H. 200 Heller, J. 152 Hellholm, D. 53 Hemer, C.J. 63 Hemingway, E. 21 Hentschke, R. 366 Henze, D. 44 Herbert, Z. 39 Hermisson, H.-J. 17, 255, 271, 292, 297, 298, 300, 302, 304, 305, 308, 312, 315, 317, 319, 320, 329, 408, 488
229, 265, 426,
179, 463, 199, 210, 382, 395, 430, 495 423,
294, 307, 321,
Herrmann, S. 332, 333, 334, 335, 375, 397 Herzl, Th. 164, 166 Hill, J. 8f, 12, 14, 334, 338, 342, 348, 351, 352, 361, 390, 407, 429, 431, 454, 464,465 Hirsch, S.R. 197, 448 Hoffiier, H.A. 91, 92 Holladay, W.L. 258, 259, 262, 265, 267, 268, 346, 352, 376, 377, 379, 380, 381, 384, 387, 392, 407, 409, 412, 420, 422, 432, 439, 446, 457, 462 Holtz, T. 54 Holwerda, D. 78 Hornby, N. 21 Hunziker-Rodewald, R. 388, 392, 459, 463 Hutter, M. 483 Huwyler, B. 345, 348, 352, 354, 372, 392, 397, 398f, 400,411 Jacobson, D. 42 Jahnow, H. 72, 122, 256, 265, 269 Janowski, B. 187, 259 Janssen, Caroline 24 Janssen, Claudia 44 Jaroä, K. 178 Jenkins, A.K. 218, 275 Jenni, E. 180, 187, 258, 298 Jepsen, A.. 170 Jeremias, Ch. 165, 168,170, 195 Johnson, M. 159 Jost, R. 32, 33 Jüngling, H.-W. 213, 216, 217 Kahl, B. 153, 162 Kaiser, B.B. 335 Kaiser, O. 218, 219, 220, 225, 235, 238, 239, 240, 245, 248, 253, 263, 271,277, 407, 440, 441 Kant, I. 755,318 Kapelrud, A.S. 100 Karrer, Ch. 192 Karrer, M. 54 Käsemann, E. 53 Kato, K. 182 Katzenelson, J. 200f Kedar-Kopfstein, B. 109, 371 Keel, O. 38, 179, 370 Kellermann, D. 246 Kellermann, U. 197, 206, 208, 210
557 352,
349, 430,
266, 378, 404, 435,
458,
391,
237, 259,
558 Kessler, M. 351, 352, 353, 355, 357, 358, 362, 370, 372, 374, 400,409, 410, 423 Kessler, R. 12, 165, 486 Kiesow, A. 39, 40, 91, 311, 313, 370 Kilian, R. 213, 271, 272 Kirchhoff, R. 88, 89, 105, 109, 128, 130, 140 Knauf, E.A. 242 Knierim, R. 180 Koch, K. 30, 53, 54, 55, 56, 139, 172, 180, 193 Köhlmoos, M. 22 Koldewey, R. 4 Koole, J.L. 305 Köpf, U. 30 Körtner, U.H. 22 Kovacs, B.W. 333 Kraft, H. 56, 70, 72, 73, 76, 77, 78, 80, 81, 82, 83, 85, 87, 91, 92, 95, 97, 98, 103, 104, 114, 116, 119, 124, 130, 132, 134, 135, 136, 138, 139 Kratz, R.G. 11, 12 Kraus, H.-J. 197, 199, 200, 206, 209, 210 Kraybill, J.N. 77, 100, 130 Krellmann, H. 24 Kristeva, J. 20-22 Kübel, P. 190 Küchler, M. 70,100,123 Kuenen, A. Kühlewein, J. 200 Kuhn, P. 30 Kümmel, H.M. 187, 188 Kümmel, W.G. 59 Lampe, P. 63, 92, 127, 134 Lang, B. 33, 44, 314 Lattke, M. 56 Lenk, E. 43 Leontsini, St. 88, 89, 94, 105, 109, 110, 131, 138 Lerner, G. 24 Lescow, Th. 165 Leutzsch, M. 88, 138 Lévinas, E. 460 Lichtenberg, G.Ch. 24 Lindemann, A. 55 Lindemann, G. 161 Link, Ch. 259 Link, L. 266 Lissarrague, Fr. 184 Liwak, R. 39
Register Ljung, I. 29 Löcker-Euler, E. 190 Lohmann, P. 4f, 12, 263, 323f, 469, 479 Lohmeyer, E. 70, 71, 72, 73, 76, 78, 81, 82, 84, 97, 98, 102, 107, 109, 114, 117, 135 Lohse, E. 70, 73, 76, 77, 83, 84, 135 Loretz, O. 210, 211 Lust, J. 473,482, 483 Lutz, H.-M. 482 Maaßen, M. 44 Machiavelli, N. 485 Machinist, P. 264 Macintosh, A.A. 15, 277, 278, 279, 280f, 281, 285, 286, 287, 291,292, 408 Magdalene, F.R. 454 Maier, Ch. 31, 33, 34, 35, 36, 41, 42, 335, 369 Makac, K. 316 Malamat, A. 87 Marinkovic, P. 165 Marti, K. 262, 277 Martin-Achard, R. 9f, 12, 18, 297, 314 Mathews, C.R. 213 Maul, St.M. 160, 342, 486 May, H.G. 170 Mayer, G. 357, 358 McKane, W. 231, 346, 349, 350, 353, 354, 361, 363, 365, 373, 375, 376, 377, 382, 383, 384, 391, 392, 393, 395, 402, 406, 409, 412, 416, 427, 428, 433, 435, 439, 441, 445, 446, 458, 461, McKeown, J. 159 Melugin, R.F. 213 Meyer, I. 334, 335, 449 Meyer, R. 103 Meyers, C.L. 174, 176, 178, 180, 181, 182, 183, 192, 436 Meyers, E.M. 174, 176, 178, 180, 181, 182, 183, 192, 436 Michel, D. 200 Miles, J. 44 Millard, A.R. 309 Millard, M. 199 Miscall, P. 21, 322 Mitscherlich, A. 28 Moi, T. 20 Momigliano, A. 87, Mowinckel, S. 391
Personenregister Moyise, St. 57 Müller, H.-P. 221, 231, 366 Müllner, I. 37, 306, 313, 449 Münk, E. 200 Nägelsbach, C.W.E. 14, 390 Nauerth, Th. 146 Nesselrath, H.-G. 3, 84, 114 Neulinger, K. 5 Neumann, P.K.D. 354 Newsom, C.A. 33, 42 Niditch, S. 473 Niehr, H. 106, 242 Nielsen, K. 42, 213, 215, 258, 266, 271, 295 Niemann, H.M. 367 Nietzsche, Fr. 485 Noegel, S.B. 360, 362, North, R. 304 Nutt, A. 36 O'Brien, J. 40 O'Connell, R.H. 13, 213, 215, 258, 266, 278, 295 Oeming, M. 367, 369 Oesch, J. 57, 58 Ogden, G.S. 208, 410 Ohler, A. 265 Oldfather, W.A. 189,190,191 Ollenburger, B.C. 165,166,172, 194 Orthmann, W. 186 Otto, E. 87, 340 Ottosson, M. 169, 447 Panofsky, D. 189 Panofsky, E. 189 Patterson, R.D. 352 Paulsen, H. 136 Pedde, F. 186 Penglase, Ch. 190 Perdue, L.G. 333 Perles, F. 432 Petersen, D.L. 177, 194, 195 Pheterson, G. 105, 118 Pippin, T. 51, 56, 70, 82, 106, 128 Pola, Th. 21, 279 Polk, T. 256f, 334, 335 Preuß, H.D. 89, 187, 244, 254, 258, 265, 309 Price, S.R.F. 63 Przybilski, M. 24 Rabe, N. 206,210, 211 Rabinowitz, I. 433
559
von Rad, G. 12, 146, 255 Radi, W. 93, 94 Rapp, U. 57, 58, 97 Redditi, P.L. 165,166, 172, 177 Reeder, E.D. 184 Reidinger, E. 42 Reimer, D.J. 390f, 409, 430, 433, 458 Reiterer, F. 393 Remarque, E.M. 390 Rendtorff, R. 213, 214, 305, 322 Renger, J. 11 Reulecke, A.-K. 44, 46 Reventlow, H. Graf 178, 179, 186, 192 Ricoeur, P. 8, 24 Rieger, P. 145 Rignell, L.G. 179 Ringgren, H. 152, 157, 161, 181, 182, 312, 340, 341, 364 Rissi, M. 70, 71, 76, 78, 87, 94, 103, 107, 114, 128, 129, 134, 135 Ritt, H. 83, 129, 325 Roberts, J.H. 70 Röckelein, H. 36 Rofé, A. 332 Rollinger, R. 3, 24 Rollins, H. 164, 443 Roloff, J. 70, 72, 73, 74, 76, 77, 80, 83, 84, 98, 102, 112, 114, 116, 127, 129, 138 Rosen, J. 21 Rosenmüller, E.F.K. 282 Rössing, B.R. 51, 56, 57, 75, 94, 96, 108, 111, 135 Roth, J. 275, 452 Rudolph, W. 380, 412 Rüterswörden, U. 340, 341 Ruiz, J.-P. 57, 67, 69, 70, 71, 72, 73, 77, 78, 80, 81, 82, 87, 90, 94, 98, 99, 101, 107, Hl, 112, 113, 114, 117, 125, 126, 127, 132, 135, 136 Ruppert, L. 317 Sack, R.H. 158 Salje, B. 186 Sals, U. 24, 89, 497 Savran, G. 203, 204f, 206, 207, 209, 211 Scharbert, J. 251, 329, 462 Schenker, A. 341, 342, 344 Schmid, H.H. 169, 193 Schmidt, Ch. 153, 161 Schmidt, H. 198
560 Schmidt, Th.E. 97,114, 116 Schmidtgen, B. 33,191,193,294 Schmitt, J.J. 30, Schmoldt, H. 307 Schneider, G. 92 Schneider, W. 4, 35, 86,116 Schnocks, J. 153 Schott, S. 447 Schottroff, L. 36 Schreiner, J. 444 Schroer, S. 33, 36, 38, 39 Schulte, H. 32 Schunck, K.-D. 372 Schiingel-Straumann, H. 33, 86, 87, 95, Schüssler-Fiorenza, E. 39, 53, 56, 58, 59, 60, 76, 77, 133, 134f, 136 Schwartz, J. 447, 448 Scott, B.B. 115 Seebass, H. 38, 254 Seidl, Th. 346, 348, 356, 358, 364, 366, 373,412 Seifert, B. 32, 33, 41, 42, Seifert, E. 31, 34, 36, 313 Seitz, Ch. 213, 334 Selvidge, M.J. 51,81, 118 Setel, T. D. 33 Seybold, K. 167, 173, 176, 179, 186, 198, 199, 202, 375, 413 Sharp, C.J. 375 Shea, W.H. 73 Sherwood, Y. 33 Simian-Yofre, H. 152, 340, 341 Smith, M. 54 Söllner, P. 57 Spaller, Ch. 21, 22 Spieckermann, H. 87, 197, 199, 200, 205, 206,207,210, 212 Stamm, J.J. 335 Standhartinger, A. 70, 91, 99, 101, 119, 116,136,140 Steck, O.H. 32, 33, 34, 87, 213, 227, 228, 235, 336,407, 447, 482,483 Stein, G. 26 Steinberg, N. 155 Steiner, R.C. 343, 360, 436 Steins, G. 242 Stendebach, F.J. 180 Stephan, I. 34, 116 Stienstra, N. 32, 33 Stipp, H.-J. 397, 437
Register Stolz, F. 185, 231, 254, 255, 260, 448 Strand, K.A. 73,134 Straub, J. 44 STROBEL, A . 59,
84
Strommenger, E. 186 Stronach, D. 412 Sweeney, M.A. 213, 214 Täte, M.E. 213, 365 Taubes, J. 53, 61, 82,115 Taylor, J.G. 301 Theobald, M. 33,137 Theweleit, K. 52, 93, 104, 114, 127, 137,142 Thiel, W. 185, 186, 333, 349, 391 Thompson, L. 63 Thürmer-Rohr, Ch. 424 Tollington, J.E. 193 Törnqvist, R. 33 Trible, Ph. 143 Tromp, N.J. 301 Türck, H. 190 Uehlinger, Ch. 13, 25, 32, 33, 146-148, 150, 151, 152, 153, 154, 157, 158, 159, 161, 162, 173, 178, 179, 180, 181, 183, 191, 224, 258,410 Uhlig, S. 77, 84 Utzschneider, H. 22 van der Woude, A.S. 152, 441 van Dijk-Hemmes, F. 33, 123, van Leeuwen, C. 182 Vanoni, G. 245 Vermeylen, J. 218, 227, 235, 262, 263, 269, 270, 280, 286, 287, 329, 483 Vetter, D. 180 Vincent, J.-M. 168, 176 Vismann, C. 148 Voltaire 228 Vorster, W.S. 56 Wacker, M.-Th. 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 39, 40, 87, 120, 122, 451, 495 Walcot, P. 190 Walker Bynum, C. 41 Washington, H.C. 37, 454 Watson, W.G.E. 265, 300 Watts, J.W. 344 Watts, J.D.W. 213, 221, 222, 224, 225, 231, 233, 234, 237, 238, 240, 243, 244, 245, 249, 256, 263, 264, 270, 275, 277, 279f, 282, 288, 289, 315, 317
Personenregister Weems, R.J. 33, 35 Wehnert, J. 107, 112 Weider, A. 32 Weigel, S. 33, 34, 35, 43, 46, 80, 86, 114, 115, 116 Weiler, I. 316 Weinfeld, M. Weippert, H. 333 Weippert, M. 242 Weissinger, M. 85,106 Welch, M. 444, 445 Welten, P. lOf, 12, 19, 24, 235, 237, 310, Wendel, U. 413 Wengst, K. 73, 77, 93, 98, 114, 116, 121, 122 West, M.L. 191 Westermann, C. 13, 292, 293, 294, 295, 296, 297, 303, 304, 306, 307, 308, 309,317,320,341,m,488 Whitt, W. 32, 33 Wildberger, H. 37, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 229, 232, 234-236, 237, 238, 239, 240, 242, 244, 245, 250, 252, 254, 255, 256, 259, 262, 263, 264, 265, 268, 270, 276, 277, 278, 280, 285, 287, 364, 370, 451, 471, 493, 497
561
Wilhelm, G. 184,187 Willey, P. Tull 21, 213, 293, 320 Williamson, H.G.M. 213, 216, 227, 270, 272, 323 Willi-Plein, I. 110 Winter, Fr. 57 Wischnowski, M. 32 Witt, D.A. 236, 493 Wolff, CH. 57 Wolff, H.W. 21, 242, 243, 439, 477, 493 Wright, D.P. 186, 187 Yates, Fr. 207 Yee, G.A. 256, 265, 268,269 Zager, W. 53 Zahrnt, H. 44 Zapff, B.M. 218, 219, 220, 222, 227, 229, 231, 233, 235, 237, 238, 240, 244, 245, 249, 250, 252, 262, 263, 264, 271, 275, 322, 406f, 426, 444, 476, 482, 483 Zeitlin, Fr. 184, 189 Zenger, E. 164, 165,166, 199, 205, 236 Zevit, Z. 340 Zimmer, S. 5 Zmijewski, J. 89
Sachregister (Kursiv gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf Angaben in den Fußnoten.) Ägypter/Ägypten 12, 74, 84, 134, 147, 190, 199, 217, 222, 227, 273-275, 284, 292, 323, 338f, 344, 346, 350, 354, 361, 371, 372, 397, 399, 401, 414, 427,443,449, 457, 465,495 Allegorie 25, 30, 42, 80, 163, 206f, 257, 356 Apokalypse lf, 10, 20, 44f, 47, 53f, 55, 56, 57, 60, 62, 63, 64, 80, 84, 104, 109, 136, 138, 141, 196, 218, 227, 232, 237, 239, 257, 273,436, 468f Aposteldekret 88,112, 119 Aschera 436 Assyrer/Assyrien/Assur Ii, 17, 20, 148, 208, 215, 216, 217, 219, 225, 226, 234, 236, 238, 239, 243, 250, 253, 260, 262, 264f, 268f, 271-275, 279, 286, 287, 29lf, 301, 31 lf, 323, 340, 377, 389, 412, 424, 428, 430, 434, 439f, 442, 443 , 445, 461, 463 , 495f, 498, 506 Astronomie 317, 328,487f, 504f Athalya 182, 183, 494 Audition 51, 56, 67, 80, 85, 277 Aufreizen TU 260, 443f, 473f Ausrotten 241, 261f, 436, 443, 474 Becher 19, 51, 64f, 68-70, 79, 86, 108111, 113, 117, 120, 260, 337, 344, 346, 348, 349, 350, 353-358, 359, 361, 363-366, 367, 372, 373f, 381, 390, 391, 395, 411-113, 414, 450, 463,470,475, 479,480f, 493 Beschämung 35, 106, 117, 148, 155, 195, 304, 314, 324, 372, 376, 377, 382, 385,417,431, 435,438,452-155, 504 Bild 1-6, 8-12, 14, 16-20, 22, 25-27, 2931, 33-36, 40-43, 45^17, 52, 60, 63, 69, 75-81, 87, 89, 90, 93, 94, 95, 97, 99, 103, 106, 111, 113, 115, 118-121, 129, 132, 133, 137, 141-144, 145, 150, 152, 153, 158, 160, 162f, 170, 172-180, 183, 195, 201, 204-206, 209-212, 213, 214, 219, 222, 224,
226, 235f, 244f, 260f, 265, 266, 274, 277f, 284, 285f, 288, 292, 294-297, 299, 300, 304, 306, 307, 310, 312, 314f, 317, 319, 322, 325-328, 333335, 339, 352, 358, 365f, 373, 382, 385, 387-390, 392, 398, 407, 411415, 418, 425f, 428-431, 436-438, 443, 445^148, 453-454, 456, 464f, 472f, 275f, 481, 483 Blut 1, 51, 64, 66, 77, 84, 86, 89, 97, 103, 105, 108-112, 115, 119f, 132, 134, 137-140, 162, 164, 186, 187, 224, 235, 370f, 384, 399, 403, 413, 421, 424,430,446f, 454, 474, 481 Botenformel 217, 348, 354, 402 Braut 1, 30f, 40, 52, 59, 61, 64, 66, 74f, 83, 86f, 92, 93, 94-97, 99-101, 103106, 108, 112, 114-117, 119, 126, 129f, 132, 135, 137, 139-142, 319, 345,492f Chaldäa/Chaldäer 147, 215, 221, 230, 234, 238, 297, 299, 311, 320, 337, 345, 358, 363, 375-382, 384, 386, 402,416f, 420f, 424, 436 Christus 52, 59, 64, 75, 82f, 92, 103, 105, 120, 124, 127-130, 134, 137, 139f, 142, 206 Daniel 19, 62, 70, 232, 342, 363, 405,427 Darius I. 166, 227, 235, 262, 281 Desavouierung 38, 117, 151, 175, 188, 191f, 294, 310, 318, 452f, 433, 455f, 463 Domitian 77 Dürre s. Wüste Dunkelheit 115, 220, 228f, 289, 291, 297, 306, 455 Edom 5f, 14, 28, 37, 109, 197, 203, 207f, 228, 236, 251, 274, 29lf, 346, 369, 372, 373, 397, 398, 399, 401, 436, 447, 448,465, 483f, 494f, 498 Ehe 14, 30-33, 35f, 40, 41, 183, 300, 302, 320 Einsamkeit 91, 194, 293, 312, 504
Sachregister Einwohner/-innen 37, 84, 96, 113, 158, 195, 211, 217, 238, 248, 254, 270, 282, 290, 311, 319, 322, 329, 345, 366, 379, 380, 381, 382, 384, 414f, 417,419—425, 426, 450,489f, 506 - KCCTOIKOIJVTIEQ 124-126 Elam 7, 234f, 276, 279-281, 282, 289, 329, 346, 349, 360, 398, 400 Entblößen 11,17,453-456,490,496 - epr||i6co s. Verwüstung - n^J 54, 302f, 331,454 Entsetzen (naö)15, 37, 47,448f Entsolidarisierung 143, 192, 421, 424, 430,431,432, 489, 494 Erkenntnis 2f, 23, 30, 149, 150-152, 242, 253, 282,284, 317,429,436, 455 Ernte 107, 109, 337, 377, 383, 411, 414, 431, 441 f, 446-448,456, 494 Eva 86, 103, 107, 108, 183, 189, 190 Ewigkeit 30, 63, 66, 72, 74, 160, 199, 200, 207, 224, 229, 261, 274, 292, 297, 308, 309, 314, 321, 345, 346, 376, 382, 384, 386,450, 458, 486f Exodus 9, 57, 61 f, 71, 74, 94, 103, 114, 134, 141, 147, 167, 178, 273, 294, 301,338, 495 Fallen 1, 9, 10, 30, 38, 64-68, 97, 110, 168, 223, 232, 247, 253, 262, 266, 273, 277, 279, 282, 288f, 407, 408, 414, 425,427,431,489, 505 Feind aus dem Norden 8, 11, 336f, 340, 348f, 456,464f, 474 Feuer 51, 65, 90, 92, 94, 96, 107, 113, 129, 135, 139, 161, 198, 228, 298, 309, 321, 379, 383, 386, 437, 439, 440,442, 456 Fiktion/Fiktivität 24-27, 156, 330 Flucht/Flüchtlinge 247f, 276, 294, 376, 377, 378, 381, 385, 389, 393, 395, 403, 421,441,452,455,459,489 Flut 15, 93, 96, 125, 146f, 149, 161, 240, 442f, 445 Fressen 89, 107f, 113, 117, 129, 337, 371, 383,415, 424f, 428, 440,461, 474 gender 2, 3 9 ^ 1 , 42, 162, 178f, 182f, 335f, 416f, 420f, 426, 428f, 445, 450, 490,498 Geschlecht 1, 9, 17, 24, 26-29, 32, 33, 39-41, 45, 47, 51, 87, 88, 115f, 118, 121, 149, 150, 162f, 177, 182, 184,
563
185, 195, 249, 289, 290, 300, 303f, 316, 320, 323f, 326, 370, 413, 416431,436, 453f, 456,469, 490, 491 Gericht 6f, 9, 11, 16, 31, 59-61, 64, 68, 70, 71, 73 , 74, 80, 84f, 91, 122, 124, 133f, 137, 139, 205, 219, 238, 239, 240, 250, 253, 274, 287, 296, 305, 308, 320, 325, 329, 361, 366, 380, 412,444, 447, 457 Gleichnis 25,134, 270 254, 256-258,259 Gomorra s. Sodom Hammer 211, 265, 378, 382, 407, 409, 411, 426,428f, 438f, 450, 453, 475 Heimsuchung i p S 352, 377, 378, 382, 435 Herde s. Hirt Hirt/Herde 221, 229, 238, 264, 347, 376, 380,382,414, 440, 460f Hochmut 31, 91, 101, 119, 246, 250, 251, 256,267-269, 276,299, 308, 318, 323 Hurerei 1, 30f, 32, 33f, 36, 51, 64—66, 68, 76, 83, 86-88, 89, 90, 94, 106, 108111, 117-121, 123-126, 128, 130, 132, 143, 245, 303, 315, 369, 372, 413,490,492,497 Identität 20, 63, 69, 71f, 77, 78, 81, 82, 90, 92, 97, 109, 129, 138, 149, 152156, 160, 173, 176, 177, 179, 184, 191, 198, 202, 205, 212, 241-244, 245, 258, 259, 266, 268, 278f, 285, 286, 289f, 293f, 297, 299, 306, 308, 310, 313, 318, 322, 328f, 334, 374, 398, 412f, 415, 419, 422, 430, 434, 459,469, 500, 506 Intertextualität 2-5, 14f, 17f, 20-23, 26f, 45f, 57, 79, 97, 99, 192, 193, 227, 266, 278, 281, 315, 327-330, 374, 410f, 473,479,480 Isebel (AT) 37f, 89, 107, 120, 134, 141, 143, 320, 497 Isebel (NT) 51f, 89, 142 Israel 1, lOf, 13, 18f, 30-32, 36f, 40, 44, 57, 74, 83, 87, 94, 99, 102, 103, 109, 116, 124, 134, 136, 143, 146f, 155, 157, 164—170, 174, 176, 178, 181, 183, 185f, 189, 192-195, 198f, 201203, 207, 210-212, 215, 217f, 220, 222, 225f, 229, 235f, 250, 254-256, 259f, 263, 264-266, 268, 270-272,
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Register
273, 274f, 277, 284, 286, 293, 295297, 299-301, 303, 305f, 308, 310f, 314-316, 321f, 324f, 328-330, 339, 340, 341, 343, 377, 379, 381, 387, 388, 408f, 421, 431^133, 434, 457459,456-461,470,494,499 Jerusalem 1, 7-9, 11, 16f, 19, 30-34, 3638, 41, 42, 52, 56, 59, 61, 64, 74f, 78f, 83, 85-88, 92-95, 97, 99-101, 103106, 111-117, 119f, 124f, 129-131, 134f, 137, 139-142, 144, 145, 165167, 168, 169f, 173f, 193, 195, 197199, 203f, 205, 206-211, 214f, 216, 217, 218, 227, 232, 233-236, 238, 242, 245, 253, 273, 280, 284, 285, 292-295, 300-303, 310f, 316, 319, 321, 323, 330, 335, 338, 346, 348, 354, 358f, 37lf, 374, 384, 385, 393f, 404f, 419f, 423-425, 430, 433, 454, 456-459, 464f, 492^194, 498 Jesus 65, 102, l l l f , 127, 355 Juda 7, 9, 11, 15, 18, 31, 37, 147, 164, 195, 214f, 217, 225, 238, 253, 263, 272, 303, 313, 330, 335, 338, 345, 346, 350, 354, 359, 363, 376, 378, 379, 381, 394, 402^*05,456-459 Jugend 28, 298, 309, 314, 502 Katachrese 413-415 Kelter(treten) 85, 109, 140, 347, 373, 382, 414,446f, 448, 456,460f Kinderlosigkeit 298, 312f, 315, 324, 450, 479f König 6-10, 19, 37, 39, 51, 64f, 68, 69, 71f, 84, 86, 88, 90-92, 95f, 100-102, 106- 108, 115, 120-130, 132, 134136, 139-142, 145, 157f, 160, 166, 170, 184f, 188, 204, 210, 213, 215, 217-219, 221-226, 230, 234, 236, 238, 241, 242, 246, 250, 252, 254f, 257-271, 273f, 280f, 284, 288f, 292, 301, 307, 310, 311, 320f, 322-328, 330, 339, 340, 342f, 358, 366, 374, 407, 428-430, 437, 438, 453f488, 489, 495f, 498, 500 Königin lOf, 17, 23, 28, 33, 65, 86, 89, 90-92, 107, 120, 122, 127, 136, 141, 210, 213, 292-296, 311, 320, 324326, 328, 330, 429, 500 Kommunismus 142, 158, 163 Krankheit 110, 189,215,319,414,453
Kyros II. l f , 10, 15, 227, 235, 247, 280, 281, 282, 286, 292, 293, 296, 392,497 Licht 66, 73, 103, 115, 124,126, 129, 220 Löwe 39, 87, 264, 277, 290, 347, 371, 377, 380, 384, 389, 428 Marduk 432 Mauern 37f, 83, 87, 95, 114, 116, 137, 161, 164, 198, 247, 293, 334f, 377, 381, 385, 386, 418, 419, 454f, 456, 486, 505 Meder/Medien 7, 24, 221, 229, 234f, 237, 241, 243, 246, 248f, 260, 276, 279281, 282, 283, 288f, 329, 346, 349, 381,383,392, 438,497 Messias 308 Metapher/Metaphorik 2, 8-12, 14, 25, 2 8 36, 38-45, 52, 76, 78, 80, 81, 95, 113, 118, 140, 150, 153, 161, 162, 208, 214, 222, 223, 236, 241, 258f, 261, 265, 271, 287, 29lf, 294, 300-302, 303, 311, 319f, 325, 326, 369-371, 413^115, 421, 423, 429f, 443, 456, 475^178 Mimesis 34, 142, 158, 296 Moab 216, 217, 301, 346, 398, 399, 425f, 465 Mose 152,201,273, 301, 339, 394 Mutter 9, 28, 30, 33, 36, 40f, 51, 53, 64, 86-90, 109, 113, 114, 116, 131, 133, 191, 296, 303, 314, 316, 319, 326, 377,417,420, 490 Mythos 11, 24-27, 44, 47, 56, 58, 87, 116, 147f, 156, 158, 160, 163, 189-191, 196,257,265f, 291, 330 Nabonid 7, 10, 262 Namen 2f, 6, 9, 17, 28, 37, 38-40, 64, 69, 70f, 77, 79, 81-85, 86, 90, 96, 99, 103, 104, 105, 107, 116, 120, 125, 142, 149-156, 158, 162, 168, 191, 194, 207, 208, 211, 338, 347, 359-363, 379, 382, 386, 410, 422, 4 3 3 ^ 3 7 , 453, 455, 457, 459f, 474 Nebukadnezar 9-11, 19, 86, 157f, 212, 235, 251, 262, 263, 265, 316, 339343, 345, 350, 355, 358, 377, 383, 424,428,430, 43 5f, 500 Nero 77 Nimrod 157f Ninive 11, 30, 32, 88, 102, 141, 245, 284, 303, 312, 316, 320, 439,496f, 498
Sachregister Offenbarung 3, 51, 57f, 62, 94, 143, 216, 259,276, 277, 282,284,286, 289, 454 - ánoicaXvnzcD 54f, 454 - r f r l s. Entblößen Pandora 184, 189-191 Paulus 54f, 61, 82, 92,103,136 Performativität 42f, 248, 256, 307, 313, 432,436,456, 47 lf Perser/Persien 7, lOf, 155, 164, 166, 167, 170, 195, 235, 243, 270, 280, 281, 289,292,299, 349, 392,497 Personifikation 1, 4, 14, 18f, 28f, 32, 36, 42, 46, 56, 76, 80, 87, 115, 120, 125, 163, 170, 196, 241, 243, 249, 251, 262, 266, 273, 284, 293f, 302, 310f, 316, 323, 327, 330, 335f, 37lf, 374, 389, 403, 416-424, 427, 429, 449f, 454,490, 491, 497f Pfeile 370, 376, 377, 381, 440 Plan f l r 216, 274, 296, 321, 351, 374, 380,381,396, 399, 500f Plötzlichkeit 233, 252, 261, 269,282, 298, 309, 323, 381, 412,429, 445, 490 Pracht 11, 91, 99, 102, 106, 116, 119f, 126, 129, 140, 161, 237f, 252, 318, 412,488 Prophet/Prophetie 3-8, lOf, 14, 20-22, 24, 26, 29f, 33, 39f, 43-47, 51f, 55-64, 66-75, 79f, 84f, 91, 96f, 109, 113, 115, 199f, 127, 134, 137, 139, 141144, 164-166, 168, 171f, 174-178, 180, 183f, 188, 191-196, 198, 199, 21 lf, 214-219, 226, 228, 231-234, 237, 242, 244, 249f, 253, 255f, 258f, 264, 271-273, 275, 277-280, 282290, 292f, 295f, 298f, 302, 306f, 317, 322-324, 327f, 330, 331, 333-336, 345, 353-358, 375, 386, 401, 402405,410,470-472 - KÉJO 217f, 23lf, 296, 327f Rache 205f, 208, 306, 377, 378, 381, 384, 393f, 407, 424 Realität 24-26, 33-36, 41-43, 114f, 117, 118, 122, 147, 152, 154, 156, 160, 167, 175, 183, 188, 195, 207, 215, 244, 257, 288, 293, 299, 303, 310, 312,319, 526,490 Religion 6, 25, 34, 44, 54, 76, 78f, 87, 94, 99, 104, 127, 141, 143, 164, 173, 179, 172, 184, 187, 189-191, 239, 242,
565
266, 283, 286, 294, 307f, 309, 317, 320,329, 431-433 Rezeptionsgeschichte s. Wirkungsgeschichte Rom 25, 77-79, 84, 91, 102, 113, 114, 130, 143f, 145, 208, 484, 498 Rufen/Schreien 73, 122, 204, 208, 215, 262, 290f, 311, 359, 386, 445, 471f Sanherib 15, 262, 273,280, 443 Satan 74, 76, 79, 82, 85, 103, 105, 112, 119-121, 127f, 141f, 266 Schaddai -ItÖ 210f, 241-243, 310, 328 Schreien s. Rufen Schrift 404-405 Schuld/Sünde 1, 16, 30f, 35, 40, 65, 70, 71, 73, 82, 84, 88f, 95, 101, 104f, 106, 107, 108, 110, 115, 119, 123, 125, 130, 133, 137-139, 141f, 146, 148, 153, 161, 162, 169, 178, 179-181, 182, 183, 186-188, 190, 204, 205f, 217, 220, 224, 240f, 249, 250-253, 263, 268, 306, 310, 315f, 318, 325, 329, 345, 376, 377, 381, 424, 461464, 499 Schweigen 47, 203, 212, 277, 291, 302, 306, 310, 330 Schwert 221, 223, 224, 228, 229, 249, 269, 321, 337, 346, 347, 372f, 377, 379, 385, 440^142,452f Septuaginta 11, 16, 54f, 58, 86, 101, 111, 179, 199, 206, 211, 220, 221, 222, 242, 245, 250, 251, 256, 291, 298, 304, 315, 343f, 345, 348,474 sex 40f, 42, 162, 178, 182, 490 Siebzig Jahre 11, 170, 183, 307f, 322, 338, 345, 350f, 374, 405, 486 Sitzen 64, 93, 108, 125, 135, 172, 181, 186, 189, 203, 211, 298, 293, 301, 306, 31 lf, 383,422f Sodom/Gomorra 11, 30, 161, 221, 229, 230, 236, 238, 239, 241, 252f, 265, 289, 379, 426, 445,482,492 Spott 4, 82, 148, 225, 226, 235, 254, 256, 258, 264, 296, 309, 323, 324, 384, 434—436 Sprache 26, 30, 36f, 39, 42f, 47, 58, 65, 83, 96, 124, 139, 147, 148, 149f, 153, 156f, 159, 160f, 163, 173, 180, 184, 193, 196, 282, 303, 337, 360, 433, 439
566
Register
Stadt-Frau 1, 29, 31-35, 39, 41-43, 52, 54, 74f, 80, 91, 94, 101, 108f, 113, 117, 122, 128, 130f, 135, 141f, 241, 293, 294, 302, 303, 311, 314, 326, 489f, 492f Strafe //, 31, 35f, 51, 65f, 82, 84, 88, 90f, 100, 107, 123, 131, 132, 135f, 138f, 153, 184, 190, 220, 238, 240, 262, 299, 302, 310, 312, 323, 324f, 326 Stimme 44, 46, 65f, 71, 73, 74f, 85, 90, 92, 134—136, 144, 203, 205f, 21 lf, 219, 23lf, 233, 242, 306, 308, 321, 335f, 345, 347, 380, 386, 403, 422, 439,47lf, 484 Sünde s. Schuld Tag J H W H s 220, 225, 230, 236, 241, 242, 251, 254, 271, 274, 282, 288, 291, 476f, 486 Tiere 20, 44, 59f, 62, 64f, 69, 77, 79, 82, 89, 95, 108, 110, 113f, 123, 125-127, 133, 140, 160, 186, 191, 221, 229, 241, 248f, 254, 270, 288, 305, 341f, 379,413,428, 432,435f,451f Tochter 9, 11, 16, 28f, 31, 33f, 36, 38, 40, 87, 99, 145, 170, 197, 205, 207f, 210, 213, 284, 297, 300, 301, 302, 311, 313f, 320,380, 383, 414, 423, 428,492 Topographie 1, 12, 29, 30, 61, 75, 81, 86, 87, 92-97, 98, 117, 122, 131, 147, 156, 159, 163, 165, 167-169, 207, 209,270,272, 287, 294, 315, 460 Traum 153, 164, 166, 204,212 Trunkenheit 19, 37, 64f, 68-71, 77, 79, 86, 88, 108, 109, llOf, 112, 113, 120, 123-126, 132, 147, 302, 321, 322, 381, 386, 41 lf—413, 437f, 475, 480f, 493 Tyrus 30, 32, 88, 100, 141, 217, 245, 274, 309, 312, 323, 346, 488,492, 498 Untergang 3, lOf, 13, 38, 43, 47, 64, 67f, 71, 73, 74f, 78, 83, 84, 91, 96f, 112, 114f, 128, 133, 141-144, 145, 148, 161, 194, 195, 196, 210-212, 213, 215, 217f, 225f, 226, 230, 233, 236, 237-241, 248, 250-252, 262, 269, 270, 274, 276, 281-283, 285-286, 288, 292, 295f, 305, 320, 322-324 328-330, 363-374, 437^156, 469, 471, 474f, 479-481, 485^*90 Verkehrung 3, 31, 82, I I I , 112, 115,
127f, 133, 138, 186, 188, 193, 216, 238, 289, 328, 362f, 441, 445, 456 Verkehrte Welt 31, 76, 82, 93, 99, 106, 121,127, 128f, 133, 138, 141-143 Verwüstung 36, 214, 220, 230, 240, 248, 276,282,289, 322, 473 - feprinöcü 96f - llü) 15, 2lOf, 241-243, 283, 301, 374, 390,408,439, 444f, 473 - riQDiÜ 448f Vision 7, 15, 26, 44, 47, 51, 56, 58, 5961, 62, 63f, 67-71, 74f, 79f, 81, 85, 110, 113, 127, 134, 165-168, 170, 171-176, 178, 179, 180, 181, 183f, 190, 192, 193, 195, 202, 203, 211, 215, 225f, 232f, 278, 282-284, 287, 289,290,298, 356, 402 Vögel 65, 89, 108, 113, 129, 186, 191, 192, 201,224 Völker 1, 7, 13, 14, 19, 20, 29f, 33f, 3640, 51, 61, 63, 65f, 68, 70f, 73f, 77, 86, 88f, 94, 103, 106, 109, 110, 113, 115, 119, 121, 123-126, 129f, 132f, 137, 139f, 147-149, 156f, 160f, 163, 165, 169, 181f, 188, 195, 198, 201, 208, 211, 214, 217, 218f, 221, 223, 224, 225, 232, 233, 236, 237, 244f, 249, 253, 254, 255, 258-260, 264268, 269, 272f, 284, 292-294, 296f, 306f, 313, 315, 316, 320, 321, 322, 323f, 328, 341, 345, 346, 347, 354f, 356, 359-363, 365f 371f, 372-374, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 385, 386, 400-402, 411, 438,456, 459, 463,489, 500 Wahrnehmung 3f, 12, 16-18, 20-27, 29, 33-36, 41f, 45, 47, 67, 68, 72-74, 89f, 92, 105,117, 118, 119, 120, 141f, 148, 150, 161, 171-178, 180, 184f, 231, 244, 274, 276, 278, 283-286, 299, 314,323,326, 328, 470, 472 Wasser 64-66, 68f, 74, 93-96, 110, 112f, 115, 124, 140, 145, 161, 187, 198, 209, 224, 242, 275, 309, 327, 379, 380, 381, 382, 386, 419,442, 451, 452 Wehen 39, 63, 220, 276, 281f, 284f, 289, 427f Weiblichkeit 1, 9, 14, 26, 29, 32, 34-36, 38-40, 41, 43, 46, 79, 82, 87, 93, 100, 108, 116, 119f, 122, 128, 131, 141-
Sachregister 143, 145, 150, 162, 170, 177, 180, 189, 190, 191f, 194—196, 271, 289, 294, 299, 302, 306, 310, 313f, 316, 326f, 426f Wein 1, 64f, 68, 70, 83, 86, 108-112, 117, 119, 123-126, 132, 140, 185, 346, 364, 366-374, 381,411,413,437, 447f Weltherrschaft) 1, 11, 28, 29, 38, 44,11f, 142, 148, 155, 158, 216, 218, 233, 237, 248, 253, 266, 267, 321, 323, 325, 340-343, 348, 361f, 363-374, 399 - p « 150f, 159f, 169, 209, 239f, 251, 318, 362f, 459,486 Werkzeug 6f, 10, 84, 87, 104, 111, 150, 211, 339, 340, 378, 382, 412, 438f, 44 lf, 474, 499-501 Wirkungs-/Rezeptionsgeschichte 1-3, 10, 19, 34, 41, 47, 62, 105, 110, 119, 160, 168, 189, 216, 239, 285, 287, 310, 316, 326, 358 Wissenschaft 18, 163, 309f, 314, 317f, 446,487f Witwe 29f, 65, 90-92, 137, 222, 298, 301, 312, 313, 315, 319f, 324, 325, 381, 417 Wohnen 103, 124f, 217-, 229, 255, 345, 346, 347, 379,418,422-424,450-453 - KaxoiKOÜvcet; s. Einwohner/-innen - 30" 36f - racü- 419,421^24
567
Wonne 107, 384, 415, 419, 421, 425 Wüste/Dürre 10, 15, 30, 59, 61, 64, 93f, 96f, 103, 106, 113, 186f, 188, 194, 209, 217, 223, 275-277, 287f, 29lf, 295, 325, 214, 216, 222, 230, 241, 260, 263, 274, 288, 29lf, 335, 346, 377, 379, 385, 445,45lf Zeit 4, 7, 8, 10, 12, 17, 30, 34, 39, 43, 47, 51, 53, 55, 57, 62f, 72, 94, 100, 106, 108, 127, 129, 132, 141, 147, 151, 164, 166-170, 202, 209f, 340, 341, 349-351,486-488 Zion 11, 16, 30, 34, 36, 40f, 84, 87, 93, 99, 101, 169, 170, 197-200, 203, 206212, 216, 217f, 225, 236, 241, 247, 271, 284, 293, 294f, 300f, 306, 310, 313, 319, 327, 376, 378, 381, 382, 384,419-424, 431,456-461 Zivilisation 1, 93, 96, 104, 124, 137, 141, 149, 153, 159, 162f, 194f, 249, 270, 367, 373,424, 488f Zorn 1,19, 61, 63, 65, 68, 83, 86, 108f, l l l f , 117, 119, 124, 126, 140, 187, 219f, 222, 230, 240f, 246f, 250, 260, 269, 273, 306, 347, 359, 364-366, 377, 378, 386, 412f
Forschungen zum Alten Testament H e r a u s g e g e b e n v o n B e r n d J a n o w s k i , M a r k S. S m i t h und H e r m a n n Spieckermann Alphabetische Übersicht
Barthel, Jörg: Prophetenwort und Geschichte. 1997. Band 19. — siehe Hermisson, Hans-Jürgen. Baumann, Gerlinde: Die Weisheitsgestalt in Proverbien 1 - 9 . 1996. Band 16. Bodendorfer, Gerhard u n d Matthias Miliard (Hrsg.): Bibel und Midrasch. Unter Mitarbeit von B. Kagerer. 1998. Band 22. Chapman, Stephen B.: T h e Law and the Prophets. 2000. Band 21. Diße, Andreas: siehe Groß, Walter. Ego, Beate: siehe Janowski, Bernd. Emmendörffer, Michael: Der ferne Gott. 1997. Band 21. Groß, Walter: Die Satzteilfolge im Verbalsatz alttestamentlicher Prosa. Unter Mitarbeit von A. Diße und A. Michel. 1996. Band 17. Hanhart, Robert: Studien zur Septuaginta und z u m hellenistischen Judentum. 1999. Band 24. Hausmann, Jutta: Studien zum Menschenbild der älteren Weisheit (Spr lOff). 1995. Band 7. Hermisson, Hans-Jürgen: Studien zu Prophetie u n d Weisheit. Hrsg. v o n j . Barthel, H . Jauss u n d K. Koenen 1998. Band 23. Huwyler, Beat: Jeremia und die Völker. 1997. Band 20. Janowski, Bernd und Ego, Beate (Hrsg.): Das biblische Weltbild u n d seine altorientalischen Kontexte. 2001. Band 32. Janowski, Bernd und Stuhlmacher, Peter (Hrsg.): Der Leidende Gottesknecht. 1996. Band 14. Jauss, Hannelore: siehe Hermisson, Hans-Jürgen. Jeremias, Jörg: Hosea und Arnos. 1996. Band 13. Kagerer, Bernhard: siehe Bodendorfer, Gerhard. Kiuchi, Nobuyoshi: A Study of Hata' and Hatta't in Leviticus 4-5. 2003. Band II/2. Knierim, Rolf P.: Text and Concept in Leviticus 1:1—9. 1992. Band 2. Köhlmoos, Melanie: Das Auge Gottes. 1999. Band 25. Koenen, Klaus: siehe Hermisson, Hans-Jürgen. Kratz, Reinhard Gregor: Kyros im Deuterojesaja-Buch. 1991. Band 1. Lange, Armin: Vom prophetischen Wort zur prophetischen Tradition. 2002. Band 34. Liess, Kathrin: Der Weg des Lebens. 2004. Band 11/5. MacDonald, Nathan: Deuteronomy and the Meaning of „Monotheism". 2003. Band II/l. Michel, Andreas: Gott und Gewalt gegen Kinder im Alten Testament. 2003. Band 37. — siehe Groß, Walter. Miliard, Matthias: Die Komposition des Psalters. 1994. Band 9. — siehe Bodendorfer, Gerhard. Miller, Patrick D.: T h e Way of the Lord. 2004. Band 39. Müller, Reinhard: Königtum und Gottesherrschaft. 2004. Band II/3. Niemann, Hermann Michael: Herrschaft, Königtum u n d Staat. 1993. Band 6. Otto, Eckart: Das Deuteronomium im Pentateuch u n d Hexateuch. 2001. Band 30.
Forschungen zum Alten Testament Perlitt, Lothar: Deuteronomium-Studien. 1994. Band 8. Podella, Thomas: Das Lichtkleid J H W H s . 1996. Band 15. Pola, Thomas: Das Priestertum bei Sacharja. 2003. Band 35. Rösel, Martin: Adonaj - Warum Gott 'Herr' genannt wird. 2000. Band 29. Ruwe, Andreas: „Heiligkeitsgesetz" und „Priesterschrift". 1999. Band 26. Sals, Ulrike: Die Biographie der „Hure Babylon". 2004. Band II/6. Schaper, Joachim: Priester und Leviten im achämenidischen Juda. 2000. Band 31. Schenker, Adrian (Hrsg.): Studien zu Opfer und Kult im Alten Testament. 1992. Band 3. Schmidt, Brian B.: Israel's Beneficent Dead. 1994. Band 11. Schöpßin, Karin: Theologie als Biographie im Ezechielbuch. 2002. Band 36. Spieckermann, Hermann: Gottes Liebe zu Israel. Band 33. Steck, Odil Hannes: Gottesknecht und Zion. 1992. Band 4. Stuhlmacher, Peter: siehe Janowski, Bernd. Weber, Cornelia: Altes Testament und völkische Frage. 2000. Band 28. Weippert, Manfred: Jahwe und die anderen Götter. 1997. Band 18. Weyde, Karl William: The Appointed Festivals of Y H W H . 2004. Band 11/4. Willi, Thomas: Juda — Jehud — Israel. 1995. Band 12. Williamson, Hugh: Studies in Persian Period History and Historiography. 2004. Band 38. Young, Ian: Diversity in Pre-Exilic Hebrew. 1993. Band 5. Zwickel, Wolfgang: Der Tempelkult in Kanaan und Israel. 1994. Band 10.
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