Die Bedeutung der anwaltlichen Grundpflichten für Syndikusrechtsanwälte in Aktiengesellschaften und in konzernangehörigen Unternehmen [1 ed.] 9783428582471, 9783428182473

Die Untersuchung befasst sich mit den sich aus der Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte ergebenden Fragen hi

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German Pages 236 [237] Year 2021

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Die Bedeutung der anwaltlichen Grundpflichten für Syndikusrechtsanwälte in Aktiengesellschaften und in konzernangehörigen Unternehmen [1 ed.]
 9783428582471, 9783428182473

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 527

Die Bedeutung der anwaltlichen Grundpflichten für Syndikusrechtsanwälte in Aktiengesellschaften und in konzernangehörigen Unternehmen Von

Florian Lange

Duncker & Humblot · Berlin

FLORIAN LANGE

Die Bedeutung der anwaltlichen Grundpflichten für Syndikusrechtsanwälte in Aktiengesellschaften und in konzernangehörigen Unternehmen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 527

Die Bedeutung der anwaltlichen Grundpflichten für Syndikusrechtsanwälte in Aktiengesellschaften und in konzernangehörigen Unternehmen

Von

Florian Lange

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Disseration angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18247-3 (Print) ISBN 978-3-428-58247-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristenfakultät der Universität Leipzig im Wintersemester 2020/2021 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum konnten im Wesentlichen bis November 2020 berücksichtigt werden. Die Arbeit wurde durch die Juristenfakultät der Universität Leipzig und die Dr.-Feldbausch-Stiftung Landau/Pfalz im Dezember 2020 mit dem Dr.-FeldbauschPreis ausgezeichnet. Herzlich danke ich meinem Doktorvater und akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Ekkehard Becker-Eberhard, für die umfassende fachliche Betreuung, für die stetige und keinesfalls selbstverständliche Bereitschaft, den Entstehungsprozess der Arbeit durch Diskussionen und hilfreiche Anregungen zu fördern sowie für die Zeit als studentische Hilfskraft und wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl, die für mich fachlich und persönlich sehr bereichernd war. Herrn Prof. Dr. Christian Berger, LL.M., danke ich für die Möglichkeit, die Arbeit während der Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl zu vollenden sowie für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Ein besonderer Dank gilt Frau Rechtsanwältin Doreen Geidel, Herrn Syndikusrechtsanwalt Andreas Päts, Herrn Rechtsanwalt Dr. Markus Philipp, Herrn Rechtsanwalt Richard Seltmann und Frau Felicia Lange, die mir in vielen Diskussionsrunden mit fachlichem Rat zur Seite standen, mich bei der Durchsicht des Manuskripts oder auf vielerlei andere Art unterstützt haben. Dafür bin ich sehr dankbar! Der größte Dank gilt meinen Eltern und meiner Ehefrau Jana. Meinen Eltern dafür, dass sie mich stets mit großem Engagement gefördert und mir die größtmögliche Freiheit zur persönlichen und beruflichen Entfaltung gegeben haben. Meiner Ehefrau Jana für ihre bedingungslose Liebe. Leipzig, im Dezember 2020

Florian Lange

Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einleitung und Grundlagen

17

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 § 2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kapitel 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt

21

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . 21 § 2 Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Kapitel 3 Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft – berufsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Grundlagen

46

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt im Spannungsfeld zwischen Berufs- und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 § 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Arbeitnehmer der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 52 § 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft . . . . . . . 55 § 4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Kapitel 4 Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

94

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 § 2 Die Pflicht zur Verschwiegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 § 3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

8

Inhaltsübersicht Kapitel 5 Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts in der Aktiengesellschaft

149

§ 1 Organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 § 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft . . . . . . . 161 § 3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Kapitel 6 Konzernrechtliche Besonderheiten

191

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 § 2 Interessenkonflikte im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 § 3 Verschwiegenheitspflichten im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 § 4 Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts im Konzern . . . . . . . . . . . . 212 § 5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Kapitel 7 Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

215

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung und Grundlagen

17

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 § 2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Kapitel 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt

21

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . 21 A. Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt im Sinne der BRAO . . . . . . . . . . . . . 22 B. Die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Gesetzliche Stellung und deren Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Ursprung der Regelung des § 46 BRAO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Beibehaltung der Regelung durch die BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Die anwaltliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Bestätigung der gesetzlichen Stellung durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . 30 1. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Rechtsprechung europäischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Rechtssache AM&S . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Rechtssache Akzo Nobel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4. Sozialgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Kritik aus Literatur und Anwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Kritik an der gesetzlichen Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Kritik an der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Auffassungen der anwaltlichen Berufsverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 C. Die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts nach neuer Rechtslage

40

§ 2 Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

10

Inhaltsverzeichnis Kapitel 3 Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft – berufsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Grundlagen

46

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt im Spannungsfeld zwischen Berufs- und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 A. Syndikusrechtsanwalt und anwaltliches Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Syndikusrechtsanwalt und Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Der Begriff „Corporate Governance“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Einzelne Regelungen zur Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen der Leitung und Überwachung von Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 § 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Arbeitnehmer der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 52 § 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft . . . . . . . 55 A. Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zum Vorstand der Aktiengesellschaft 55 I. Die Rolle des Vorstands in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Die Arbeitgeberfunktion des Vorstands der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . 56 II. Rechtsberatung gegenüber dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Erstreckung des Beratungsmandats mit der Gesellschaft auf den Vorstand 57 a) Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Die „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 c) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 d) Lösung der Fallgruppen nach altem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 e) Lösung der Fallgruppen nach neuem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Rechtslage bei Kanzleianwälten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Übertragung der Grundsätze auf den Syndikusrechtsanwalt . . . . . . . 69 (1) Umfang des Beratungsmandats zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (2) Abgrenzung Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers von Rechtsangelegenheiten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (a) Das Beratungsinteresse der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . 73 (b) Folgen der Abgrenzung anhand des Beratungsinteresses der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (c) Berufsrechtliche Erwägungen – Die Bedeutung des § 46 Absatz 2 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (d) Zivilrechtliche Abgrenzungskriterien – Die Bedeutung der Verschuldenszurechnung gemäß § 278 S. 1 BGB . . . . . . . . . . 79

Inhaltsverzeichnis

11

(3) Keine Einbeziehung des Vorstands in den Beratungsvertrag zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 81 (4) Ergebnis: Beratungsmandat ist beschränkt auf Beratung im Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (5) Übertragung der Grundsätze auf die Beispielsfälle 1 und 2 . . . . 83 (6) Besonderheiten in Straf- und Bußgeldverfahren . . . . . . . . . . . . . 84 2. Mandatsbeziehungen des Syndikusrechtsanwalts zum Vorstand . . . . . . . . . 85 3. Beratung des Vorstands aufgrund arbeitsrechtlicher Weisung . . . . . . . . . . . 88 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5. Verfassungsrechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 B. Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zum Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft

92

§ 4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Kapitel 4 Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

94

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 A. Anwendbarkeit des § 43a Abs. 4 BRAO auf den Syndikusrechtsanwalt . . . . . . . . 98 B. Die Rechtslage bei Kanzleianwälten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Beispielsfall 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II. Interessenkonflikte des Kanzleianwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Die Theorien zur Interessenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Latente Interessenkonflikte und deren Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Echte Interessenkonflikte und deren Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 C. Widerstreitende Interessen innerhalb der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 D. Anwendung des § 43a Abs. 4 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . 107 I. Der Tatbestand des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen . . . . . 108 1. Interessenkonflikt und Sachverhaltsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Berufliche Vorbefasstheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Anwaltliche oder sonstige Vorbefassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Rechtslage bei notwendiger anwaltlicher Vorbefassung . . . . . . . . . . 112 (1) Beispielsfall Nr. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (2) Beispielsfall Nr. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (a) Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers? . . . . . . 113 (b) Ergebnis: keine anwaltliche Vorbefassung . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Rechtslage bei sonstiger Vorbefassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Ergebnis: keine berufliche Vorbefassung des Syndikusrechtsanwalts . . . 117

12

Inhaltsverzeichnis 3. Vertretung widerstreitender Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Beratung und Vertretung einer anderen Partei in derselben Rechtssache 119 aa) Der Parteibegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (1) Bestehende Definition des Parteibegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Prozessrechtliches Verständnis des Parteibegriffs im Beispielsfall Nr. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Der Begriff der Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (1) Meinungsstreit zur Reichweite des Vertretungsbegriffs . . . . . . . 122 (2) Anwendung auf die Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (a) Beispielsfall Nr. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (b) Beispielsfall Nr. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Ergebnis: Keine Verwirklichung des Tatbestands des § 43a Abs. 4 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Verwendung von Insiderwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 E. Beeinträchtigung der fachlichen Unabhängigkeit durch Interessenkonflikte . . . . . 127 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 G. Anwendung des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte . . . . . . . . . 131

§ 2 Die Pflicht zur Verschwiegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 A. Grundsätzliche Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht für Syndikusrechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B. Rechtslage bei externen Kanzleianwälten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 C. Verschwiegenheitspflichten des Syndikusrechtsanwalts innerhalb der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Die Aktiengesellschaft als Geheimnisträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Die Verschwiegenheitspflicht gegenüber Organen der Aktiengesellschaft . . . 136 III. Umgang mit Informationen innerhalb der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . 138 1. Weitergabe von Informationen an den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Reichweite des Prüfungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Zulässigkeit der Informationsbeschaffung durch Befragung von Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat durch Mitarbeiter 143 d) Folgen für die Verschwiegenheitspflicht des Syndikusrechtsanwalts gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Weitergabe von Informationen an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 § 3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Inhaltsverzeichnis

13

Kapitel 5 Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts in der Aktiengesellschaft

149

§ 1 Organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A. Allgemeine berufsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B. Anforderungen an die Organisation der Rechtsabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Der Syndikusrechtsanwalt als Risikomanager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. „Anwaltskanzlei im Unternehmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 C. Umgang mit möglichen Interessenkonflikten und der Verschwiegenheitspflicht unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine gute Corporate Governance 153 I. Chinese Walls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Die Rechtsabteilung als Bürogemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 § 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft . . . . . . . 161 A. Rechtliche Relevanz des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 B. Praktische Relevanz des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 C. Stand der Forschung zur Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines Gesellschaftsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 D. Rechtsprechung zur Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines Gesellschaftsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Rechtsprechung bis zum 31.12.2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Rechtsprechung ab dem 01.01.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 13.02.2017 . . . . 168 2. Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2017 . . . . 169 3. Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 10.11.2017 . . . . 170 4. Weitere Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 F. Der Syndikusrechtsanwalt als Organmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I. Berufsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Maßstab des § 7 Ziff. 8 BRAO bzw. § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO . . . . . . . . . 172 a) Organtätigkeit als Tätigkeit im Sinne des § 7 Ziff. 8 BRAO . . . . . . . . . . 173 b) Vereinbarkeit mit der Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege 175 aa) Die Zweitberufsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts und deren Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Anwendung des § 7 Ziff. 8 BRAO bzw. des § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 cc) Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Meinungsstand zur Doppeltätigkeit als (Syndikus-)Rechtsanwalt und Organmitglied einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 177

14

Inhaltsverzeichnis (2) Gefährdung der Unabhängigkeit aufgrund struktureller Besonderheiten der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts . . . . . . . . . . . 178 (3) Vorrang von Berufsausübungsregelungen vor Berufswahlschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (4) Zulässigkeit von Berufswahlschranken: Interessenkonflikte als Gefahr für die anwaltliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (5) Gefährdung der fachlichen Unabhängigkeit gemäß § 46 Abs. 3, Abs. 4 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (6) Ergebnis: Gefährdung der fachlichen Unabhängigkeit durch Organtätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Besonderheiten der §§ 46 ff. BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Besonderheiten einer Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. Ergebnis: Doppeltätigkeit berufsrechtlich unzulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 G. Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

§ 3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Kapitel 6 Konzernrechtliche Besonderheiten

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§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 § 2 Interessenkonflikte im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 A. Widerstreitende Interessen im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 B. Der Tatbestand des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen für Syndikusrechtsanwälte im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Interessenkonflikt und Sachverhaltsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Berufliche Vorbefasstheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Vertretung widerstreitender Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Mutter- und Tochtergesellschaften als Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2. Vertretung mehrerer Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 IV. Ergebnis: Tätigkeitsverbot im Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 C. Umgehungsmöglichkeit durch arbeitsrechtliche Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 § 3 Verschwiegenheitspflichten im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A. Mutter- und Tochtergesellschaften als Geheimnisträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 B. Verschwiegenheitspflicht gegenüber Arbeitgeberunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 210 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 § 4 Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts im Konzern . . . . . . . . . . . . 212

Inhaltsverzeichnis

15

§ 5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Kapitel 7 Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Kapitel 1

Einleitung und Grundlagen § 1 Einleitung Mit Wirkung zum 01.01.2016 wurde das Recht der Syndikusrechtsanwälte1 durch das „Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung“ vom 21.12.2015 neu und überwiegend erstmalig in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) geregelt.2 Der Gesetzgeber reagierte damit auf drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 03.04.20143, mit denen das Bundessozialgericht den betroffenen Syndikusrechtsanwälten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten einer Versicherung in den Rechtsanwaltsversorgungswerken versagt hatte.4 Mit diesen Entscheidungen spitzte sich der bereits zuvor über Jahrzehnte zwischen Rechtsprechung, Literatur und anwaltlichen Berufsverbänden geführte Streit um die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts weiter zu.5 In der Zeit nach Verkündung der Urteile befassten sich zahlreiche Autoren mit der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts und den damit verbundenen Folgeproblemen.6 Die Diskussion wurde mit viel Emotionalität und mit Formulierungen wie „Versorgungswerk-Aus für Syndikus: BSG erliegt Unabhängigkeitsmythos“7, „Der Syndikusanwalt ist eine Errungenschaft – kämpfen wir dafür“8 oder „Kassel locuta, causa finita!? – Das BSG urteilt über Syndikusanwälte“9 geführt. 1

Zur Herkunft des Wortes „Syndikus“ Offermann-Burckart, AnwBl. 2012, 778 (778). BGBl. 2015 Teil I Nr. 55 vom 30.12.2015, 2517 ff.; siehe BT-Drucks. 18/5201, S. 1 ff. 3 Dies war ausdrücklich Anlass der Gesetzesregelung BT-Drucks. 18/5201, S. 1. 4 BSGE 115, 267 ff.; Parallelentscheidungen BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 5 RE 3/14 R und BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 5 RE 9/14 R, zit. nach juris. 5 Grundlegende Darstellung der Rechtsentwicklung des Syndikusrechtsanwalts und des Streits um die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts: Hellwig, AnwBl. 2015, 2. Siehe zum Meinungsstreit Kapitel 2 § 1 B. 6 Ewer, AnwBl. 2014, 683 f.; Hamm/Maxin, AnwBl. 2015, 376 ff.; Heise, AnwBl. 2014, 936; Hellwig, AnwBl. 2015, 2 ff.; Imping/Prossliner, AnwBl. 2015, 209 ff.; Kilian, AnwBl. 2014, 468 ff.; Kleine-Cosack, AnwBl. 2015, 115 ff.; Merkt, NJW 2014, 2310 ff.; Merkt, AnwBl. 2014, 278 ff.; Offermann-Burckart, NJW 2014, 2683 ff.; Thietz-Bartram, AnwBl. 2014, 791 ff. 7 Kleine-Cosack, AnwBl. 2014, 891. 8 Ewer, AnwBl. 2014, 683. 9 Offermann-Burckart, NJW 2014, 2683. 2

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Kap. 1: Einleitung und Grundlagen

Die Diskussion um die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts wurde überwiegend mit Blick auf die berufs- und sozialrechtliche Stellung geführt. Frühzeitig wurde allerdings auch gefordert, die Diskussion um den Syndikusrechtsanwalt aus der rein berufsrechtlichen bzw. sozialrechtlichen Betrachtung herauszuführen, um sich stärker der Frage zuzuwenden, wie der Syndikusrechtsanwalt in das System der Sicherung einer guten Corporate Governance im Unternehmen eingebunden werden kann.10 Hierzu will diese Arbeit einen Beitrag leisten und die Bedeutung der anwaltlichen Grundpflichten gemäß § 43a BRAO für Syndikusrechtsanwälte in Aktiengesellschaften und konzernangehörigen Unternehmen näher untersuchen. Die Einordnung des Syndikusrechtsanwalts in das System des anwaltlichen Berufsrechts steht noch am Anfang. Zudem ergeben sich innerhalb der Aktiengesellschaft aufgrund der besonderen Leitungsstruktur und der Einbindung verschiedener Organe und Interessenträger in die interne anwaltliche Beratung berufsrechtliche Probleme, die bisher noch nicht oder nicht erschöpfend behandelt wurden und deren Beantwortung Voraussetzung für die Einbindung des Syndikusrechtsanwalts in die Sicherung einer guten Corporate Governance11 ist. Diese Probleme ergeben sich aus dem Spannungsfeld, in dem sich der Syndikusrechtsanwalt als Arbeitnehmer und Rechtsanwalt einer Aktiengesellschaft bewegt. All dies gibt Anlass für diese Arbeit. Der Fokus der Untersuchung richtet sich allerdings nicht auf sämtliche in § 43a BRAO geregelten anwaltlichen Grundpflichten, sondern auf die drei wichtigsten Grundpflichten, nämlich die Pflicht zur Wahrung der anwaltlichen fachlichen Unabhängigkeit, §§ 43a Abs. 1, 46 Abs. 3, Abs. 4 BRAO, die Pflicht zur Verschwiegenheit, § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, § 43a Abs. 4 BRAO i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 BORA. Diesen drei Pflichten kommt im anwaltlichen Berufsrecht eine besonders herausgehobene Stellung als Kardinalpflichten zu, ohne die die anwaltliche Tätigkeit schlicht nicht vorstellbar ist.12 Soweit im Rahmen dieser Abhandlung von dem „Syndikusrechtsanwalt“ die Rede ist, ist der „Nur-Syndikusrechtsanwalt“ gemeint, der auf Grundlage des § 46 BRAO als solcher zugelassen ist und sich gemäß § 46a Abs. 4 Ziff. 3 BRAO als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)/Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)13 bezeichnen darf. In Fällen, in denen sich Besonderheiten für den Syndikusrechtsanwalt mit Doppelzulassung als Syndikusrechtsanwalt und freier Rechtsanwalt (Kanzleianwalt) ergeben, wird an entsprechender Stelle darauf hingewiesen. Zudem beschäftigt sich diese Arbeit nur mit dem Syndikusrechtsanwalt, der seinen Arbeit10

Merkt, NJW 2014, 2310 (2314 f.); siehe zu dieser Thematik auch Merkt, AnwBl. 2015, 552 ff. 11 Diese Einbindung fordert Merkt, NJW 2014, 2310 (2315). 12 Deckenbrock, S. 49 Rn. 46. 13 Zur Vereinfachung wird im Folgenden ausschließlich der Begriff „Syndikusrechtsanwalt“ verwendet.

§ 2 Gang der Untersuchung

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geber in dessen Rechtsangelegenheiten berät („Unternehmens-Syndikusrechtsanwalt“14) bzw. der als Konzernsyndikusrechtsanwalt einer zentralen Konzernrechtsabteilung die konzernangehörigen Gesellschaften berät. Der Verbands-Syndikusrechtsanwalt bleibt außer Betracht. Aus Gründen der Vereinfachung wird dabei stets die heute gebräuchliche Bezeichnung „Syndikusrechtsanwalt“ anstelle der vormals üblichen Kurzform „Syndikusanwalt“ verwendet, sofern das nicht aufgrund eines Bezugs zu rechtshistorischen Quellen notwendig ist. Auf Syndikusrechtsanwälte, die sich nach der vor dem 01.01.2016 geltenden Rechtslage als Syndikusanwalt bezeichnen durften,15 und die keine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beantragt haben, wird nicht näher eingegangen.16 Diese sind keine Syndikusrechtsanwälte im Sinne des § 46 BRAO und dürfen nach Schaffung der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ auch nicht mehr als „Syndikusanwalt“ im Rechtsverkehr auftreten.17

§ 2 Gang der Untersuchung Zu Beginn der Untersuchung wird der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung näher betrachtet (Kapitel 2). Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung des Syndikusrechtsanwalts hin zu einem fachlich unabhängigen Rechtsanwalt. Anschließend wird eine nähere Einordnung des Syndikusrechtsanwalts als Arbeitnehmer einer Aktiengesellschaft und Mitwirkender an einer guten Corporate Governance vorgenommen (Kapitel 3). Dabei werden insbesondere die Beziehungen des Syndikusrechtsanwalts zur Aktiengesellschaft und ihren Organen sowie die Reichweite und die Grenzen der Beratungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts untersucht. Problematisch ist dabei die Einordnung der in einer Aktiengesellschaft auftretenden Rechtsangelegenheiten als 14

Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (103). Vgl. hierzu Remmertz, BRAK-Mitt. 2016, 47. 16 Siehe zu den berufsrechtlichen Fragen der Syndikusanwälte alter Prägung ausführlich Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, Anhang zu § 46 BRAO Rn. 1 ff. 17 Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, Anhang zu § 46 BRAO Rn. 23; Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (270); Wolf, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 254 (259 f.); Huff, ZAP Fach 23, 1045 (1053); a. A. BUJ (Hrsg.), Leitfaden Berufsrecht, S. 8, die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ soll nach dieser Auffassung weiterhin zulässig sein, wenn ein Unternehmensjurist nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen ist; a. A. auch Remmertz, BRAK-Mitt. 2016, 47 (48), der aber danach differenzieren will, ob die Tätigkeit eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes ist; abweichende Praxis durch den Vorstand der RAK Köln, vgl. dazu Henssler/Deckenbrock, NJW 2016, 1345 (1349). Nach Auffassung der RAK Stuttgart darf ein Unternehmensjurist mit einer Zulassung als Rechtsanwalt im Unternehmen auch nicht mehr als Rechtsanwalt auftreten, vgl. RAK Stuttgart FAQ, zum Syndikusrechtsanwalt vom 30.11.2016, abrufbar unter rak-stuttgart.de/fileadmin/user_upload/2016_11_30_FAQ-Liste_Syndikus.pdf, Abruf am 21.11.2020. 15

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Kap. 1: Einleitung und Grundlagen

„Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO in Abgrenzung zu den Rechtsangelegenheiten Dritter. In Kapitel 4 werden sodann die praktische Bedeutung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen, § 43a Abs. 4 BRAO, sowie der Pflicht zur Verschwiegenheit, § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO, für den Syndikusrechtsanwalt einer Aktiengesellschaft untersucht. Hierfür besteht Anlass, da verschiedentlich die These vertreten wird, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für den Syndikusrechtsanwalt mit nur einem Arbeitgeber praktisch bedeutungslos sei.18 Die für die Einhaltung der berufsrechtlichen Pflichten notwendige organisatorische Ausgestaltung der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts ist Gegenstand der Untersuchungen in Kapitel 5. Nach der Darstellung allgemeiner Grundlagen der organisatorischen Gestaltung einer aus mehreren Syndikusrechtsanwälten bestehenden Rechtsabteilung als „Anwaltskanzlei im Unternehmen“ wird der Umgang mit Interessenkonflikten und der Verschwiegenheitspflicht innerhalb der Rechtsabteilung bzw. innerhalb des Unternehmens insgesamt untersucht. Anschließend wird der derzeit umstrittenen Frage nachgegangen, ob eine Rechtsabteilung mit mehreren Syndikusrechtsanwälten als Sozietät im Sinne des anwaltlichen Berufsrechts anzusehen ist. Das Kapitel schließt mit einer Prüfung der berufsrechtlichen Zulässigkeit einer Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines der Organe der Aktiengesellschaft. In Kapitel 6 werden schließlich die berufsrechtlichen Besonderheiten des Syndikusrechtsanwalts in konzernangehörigen Unternehmen näher betrachtet. Auch in dieser Sonderkonstellation, vgl. § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO, spielt das anwaltliche Berufsrecht eine erhebliche Rolle. In diesem Kapitel werden die Bedeutung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen und der Verschwiegenheitspflicht für den Konzernsyndikusrechtsanwalt sowie die praktischen Anforderungen an eine berufsrechtsmäßige Organisation der Konzernrechtsabteilung einer eingehenden Prüfung unterzogen. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der zentralen Thesen (Kapitel 7).

18

Näher hierzu Kapitel 4 § 1.

Kapitel 2

Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt § 1 Der Syndikusrechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege Seit der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte sind diese als Rechtsanwälte im Sinne der BRAO anerkannt.1 Verschiedene Stimmen bezeichnen den Syndikusrechtsanwalt aufgrund der Sonderregelungen und begrenzten Vertretungsbefugnisse (§ 46 Abs. 5 S. 1 BRAO, § 46c Abs. 2 BRAO) allerdings noch immer als Rechtsanwalt „sui generis“.2 Aufgrund dieser Sonderregelungen wird daher zunächst die noch immer verhältnismäßig neue Stellung des Syndikusrechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege betrachtet, um anschließend in den nachfolgenden Kapiteln das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts als Arbeitnehmer einer Aktiengesellschaft zu dieser sowie die Bedeutung der anwaltlichen Grundpflichten für Syndikusrechtsanwälte zu untersuchen. Hierfür ist die Erörterung der berufsrechtlichen Stellung des Syndikusrechtsanwalts unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung des Syndikusrechtsanwaltsrechts eine notwendige Vorfrage. Denn trotz der unbestrittenen Notwendigkeit einer wirtschaftsrechtlichen Betrachtung des Syndikusrechtsanwalts,3 bildet das öffentlich-rechtliche Berufsrecht die Grundlage der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im Unternehmen.

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BT-Drucks. 18/5201, S. 1, 13 ff. Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme 17/2015 vom Mai 2015, S. 3, abrufbar unter www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2015/ mai/stellungnahme-der-brak-2015-17.pdf, Abruf am 21.11.2020; Offermann-Burckart, in: Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen (Hrsg.), Das neue Syndikusrecht, § 2 Rn. 137; Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220); Offermann-Burckart, NJW 2016, 113 (117); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (131). Dieser Auffassung folgend BeckOK BRAO/ Günther, § 46 Rn. 23; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 98. 3 Kritisch zu einer rein berufsrechtsbezogenen Betrachtung des Syndikusrechtsanwalts Merkt, NJW 2014, 2310 (2315), dessen Kritik an einer berufsrechtsbezogenen Betrachtung des Syndikusrechtsanwalts sich aber auf die Diskussionen in Literatur und Anwaltschaft bezog, die sich in erster Linie um die sozialrechtliche Stellung der Syndizi, deren Mitgliedschaft in den Versorgungswerken und deren Rechtsanwaltsstatus drehte. 2

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Kap. 2: Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt

A. Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt im Sinne der BRAO Seit dem 01.01.2016 dürfen Rechtsanwälte ihren Beruf als Angestellte einer nicht-anwaltlichen Gesellschaft ausüben, sofern sie dabei für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind, § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO. Der Gesetzgeber hat hierfür einen neuen Typus des Rechtsanwalts geschaffen, den des Syndikusrechtsanwalts.4 Der Syndikusrechtsanwalt ist nun unabhängiges Organe der Rechtspflege.5 Voraussetzung für die Tätigkeit ist, dass der Syndikusrechtsanwalt fachlich unabhängig tätig ist und eigenverantwortlich Rechtsfragen prüft, Rechtsrat erteilt, Rechtsverhältnisse gestaltet und Verhandlungen selbstständig führt sowie dazu befugt ist, nach außen verantwortlich aufzutreten, § 46 Abs. 3 Ziff. 1 – 4 BRAO. Eine fachlich unabhängige Tätigkeit setzt ihrerseits das Bestehen einer fachlichen Weisungsfreiheit gegenüber dem Arbeitgeber voraus, § 46 Abs. 4 S. 1 BRAO. Bei der Beratung und Vertretung ist der Syndikusrechtsanwalt darauf beschränkt, Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers zu bearbeiten, § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO. Zusätzlich darf er aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 – 3 BRAO auch die dort aufgeführten Rechtangelegenheiten bearbeiten, welche als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers fingiert werden. Nach dem Gesetz ist der Syndikusrechtsanwalt ein angestellter Rechtsanwalt einer anderen als in § 46 Abs. 1 BRAO genannten, das heißt also: nicht anwaltlichen, Person oder Gesellschaft und muss als solcher fachlich unabhängig und eigenverantwortlich für die Gesellschaft als Rechtsanwalt tätig werden, § 46 Abs. 2, Abs. 3 BRAO. Für den Syndikusrechtsanwalt gelten dieselben berufsrechtlichen Regelungen, die für einen Kanzleirechtsanwalt gelten, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, § 46c Abs. 1 BRAO. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere die Pflicht zur Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit, § 43a Abs. 1 BRAO, die Pflicht zur Verschwiegenheit, § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, § 43a Abs. 4 BRAO. Abweichende Regelungen finden sich insbesondere in § 46c Abs. 1 bis 5 BRAO. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die in § 46c Abs. 2 BRAO geregelten Vertretungsverbote. Danach darf der Syndikusrechtsanwalt seinen Arbeitgeber in Verfahren mit Anwaltszwang, § 46c Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 BRAO, sowie in Straf- oder Bußgeldverfahren, die sich gegen den Arbeitgeber oder einen Mitarbeiter richten und die einen unternehmensbezogenen Tatvorwurf zum Gegenstand haben, nicht vertreten, § 46c Abs. 2 S. 2 BRAO.

4 Zu den verschiedenen möglichen Konstellationen der Berufsausübung OffermannBurckart, AnwBl. 2015, 633. 5 So ausdrücklich BT-Drucks. 18/5201, S. 18.

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege

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B. Die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts In den vergangenen Jahrzehnten war es gerade die Unabhängigkeit des Syndikus(rechts)anwalts, die zwischen Rechtsprechung, Literatur und anwaltlichen Berufsverbänden umstritten war und kontrovers diskutiert wurde.6 Hierbei war bis zur Neuregelung des Syndikusrechtsanwalts in §§ 46 ff. BRAO insbesondere umstritten, ob der Syndikusanwalt überhaupt eine anwaltliche Tätigkeit ausübt und ob er die für die Ausübung einer anwaltlichen Tätigkeit notwendige Unabhängigkeit besitzt. Der Streit um die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts und die anwaltliche Prägung seiner Tätigkeit ergab sich aus der historisch nur schwach ausgeprägten gesetzlichen Stellung des Syndikusanwalts. I. Gesetzliche Stellung und deren Ursprung In der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung der BRAO war der Syndikusanwalt in § 46 BRAO a. F. geregelt, ohne dort ausdrücklich benannt zu werden.7 Gemäß § 46 Abs. 1 BRAO a. F. durfte ein Rechtsanwalt, der einem Auftraggeber seine Arbeitszeit und -kraft aufgrund eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses zur Verfügung stellte, für diesen nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. Diese Regelung wurde damit begründet, dass die Tätigkeit des Syndikusanwalts nicht dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts entspreche, da ihm die anwaltliche Unabhängigkeit fehle.8 Eine darüberhinausgehende Regelung des Syndikusanwalts enthielt die BRAO nicht.9 1. Ursprung der Regelung des § 46 BRAO a. F. Die RAO von 1878 kannte den Syndikusanwalt nicht als eigenen Typus des Rechtsanwalts. Dieser entwickelte sich erst nach dem ersten Weltkrieg, indem Unternehmen sich zunehmend von fest angestellten Rechtsanwälten beraten und vertreten ließen.10 Die berufsrechtliche Rechtsprechung der Zeit der Weimarer Republik vertrat überwiegend die Auffassung, dass die Tätigkeit des Syndikusanwalts eine anwaltliche, mit der Würde des Rechtsanwalts vereinbare Tätigkeit sei, wenn dem betreffenden Rechtsanwalt die Ausübung seines Anwaltsberufs neben der Stellung als

6

Siehe zu den Einzelheiten sogleich unter I. – III. Zusammenfassung des Streits und der Entwicklung des Syndikusrechtsanwaltsrechts seit 1934 bei Hellwig, AnwBl. 2015, 2. 7 Auch die RAO von 1878 und die BRAO von 1959 bezeichneten den „Syndikusanwalt“ nicht explizit als solchen. Siehe dazu Prütting, AnwBl. 2013, 78 (79). 8 BT-Drucks. 3/120, S. 77. 9 Ausführlich dazu Prütting, AnwBl. 2013, 78 (79). 10 Brandi, in: Gedenkschrift für Cüppers, S. 13 (45).

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Kap. 2: Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt

Angestellter in nicht unerheblichem Maße tatsächlich und rechtlich möglich ist.11 Zusätzlich forderte der 1. Senat des Ehrengerichtshofs, dass der Bewerber auch den Willen haben müsse, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben.12 Soweit ersichtlich vertrat der Ehrengerichtshof vor 1934 nur in einem Fall ausdrücklich die Auffassung, dass der angestellte Rechtsanwalt für seinen Dienstherrn immer als Angestellter und nicht als Rechtsanwalt tätig werden darf, da der Rechtsanwalt in diesem Fall nicht unabhängig, sondern fremden Interessen unterworfen sei.13 In den anderen durch den Ehrengerichtshof entschiedenen Fällen wurde den Anwälten die Rechtsanwaltszulassung in der Regel erteilt. Darüber hinaus durften sie ihren Arbeitgeber auch außergerichtlich und gerichtlich in ihrer Eigenschaft als Kanzleirechtsanwalt und gegen gesonderte Zahlung der gesetzlichen Gebühren vertreten.14 Ausnahmen von dieser großzügigen Rechtsprechung sind den Entscheidungen des Ehrengerichtshofs lediglich in Bezug auf Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes zu entnehmen.15 Erst durch die Reform der Rechtsanwaltsordnung vom 20.12.193416 wurde § 31 Abs. 2 RAO eingeführt, der es Rechtsanwälten, die zu ihrem „Auftraggeber in einem 11 EGHE 28, 19 (20); EGHE 28, 12 (13 f.); EGHE 27, 15 (16); EGHE 27, 14 (15); EGHE 25, 146 (147 f., insb. 148); EGHE 23, 5; EGHE 21, 20 (24); EGHE 21, 15 (15, 17); EGHE 21, 5 (6); EGHE 20, 45 (46 f.); EGHE 20, 44 (44 f.); EGHE 20, 39 (40 f.); EGHE 20, 28 (29); EGHE 20, 22 (25); EGHE 20, 6 (9, 10); EGHE 19, 13 (14 f.); ähnlich EGHE 22, 16 (Leitsatz 2); EGHE 20, 37 (38). Ausführlich zur Rechtsprechung Brandi, in: Gedenkschrift für Cüppers, S. 13 (47 ff.); siehe auch Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (2 f.); Roxin, NJW 1992, 1129 (1130). In der Literatur wurde jedoch früh die These von der fehlenden Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts vertreten. Siehe dazu die Darstellung bei Skouris, BB 1975, 1230 (1231). 12 EGHE 28, 12 (13); EGHE 21, 15 (17); EGHE 20, 15 (20); nur andeutungsweise: EGHE 25, 146 (147); EGHE 23, 5; großzügiger aber noch EGHE 19, 13 (15). Der 2. Senat des Ehrengerichtshofs war hingegen der Auffassung, dass der Wille, den Beruf des Rechtsanwalts tatsächlich auszuüben, nicht maßgeblich sei, EGHE 21, 25 (30 f.); EGHE 21, 20 (24); EGHE 20, 37 (38). Näher zu dieser unterschiedlichen Rechtsprechung des 1. und 2. Senats des Ehrengerichtshofs Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (2 f.). 13 EGHE 20, 15 (19); nur ähnlich EGHE 20, 29 (Leitsatz). 14 EGHE 22, 25 (28); EGHE 21, 25 (29); EGHE 21, 15 (17); EGHE 21, 8 (10); siehe dazu auch Michel/Arentz, AnwBl. 2015, 471; Prütting entnimmt der Rechtsprechung des Ehrengerichtshofs hingegen das Verbot, Prozesse für den Arbeitgeber zu führen. Prütting, AnwBl. 2013, 78 (80, Fn. 12). Diese Lesart lässt sich den Entscheidungen in dieser Deutlichkeit jedoch nicht entnehmen. Siehe im Einzelnen EGHE 28, 12 ff.; EGHE 24, 8 ff.; EGHE 22, 25 (27 f.); EGHE 21, 8 (10); EGHE 20, 36 f.; EGHE 19, 13 ff.; EGHE 18, 7 ff.; weiterhin EGHE 25, 146 ff., in diesem Fall wollte der Rechtsanwalt ohnehin nur beratend tätig sein. Auch nach Hein, S. 5, 170, jeweils m. w. N., war dem Syndikusrechtsanwalt die forensische Vertretung seines Arbeitgebers zunächst gestattet. Anders aber EGHE 20, 15 (19), danach könne ein Angestellter für seinen Arbeitgeber nicht als Rechtsanwalt handeln. 15 EGHE 24, 12 (14 ff.); siehe hierzu auch Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (Fn. 9); zur Streitfrage, ob der Syndikusanwalt als Rechtsanwalt oder als Angestellter handelte Michel/Arentz, AnwBl. 2015, 471 und Roxin, NJW 1992, 1129 (1130), jeweils unter Verweis auf EGHE 20, 15 (19) und EGHE 21, 20 (24). 16 RGBl. 1934 Teil I Nr. 136 vom 22.12.1934, 1258 (1259).

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ständigen Dienst- oder ähnlichen ständigen Geschäftsverhältnis“ standen, untersagte, für diese in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig zu werden. Diese Vorschrift wurde mit dem Konkurrenzschutz und der Notwendigkeit der wirtschaftlichen Stärkung der Kanzleianwälte begründet,17 die diejenigen Wirtschaftsunternehmen als Mandanten (zurück)gewinnen wollten, die sich bisher durch einen internen Syndikusanwalt hatten vertreten lassen.18 Zudem wurde die fehlende Unabhängigkeit des Syndikusanwalts aufgrund der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers zur Begründung des Vertretungsverbots herangezogen.19 Diese Annahme bezog sich auf die angeblichen Erfahrungen, dass dem Syndikusanwalt die nötige Unabhängigkeit und Objektivität fehle,20 die freilich nie Gegenstand einer flächendeckenden Untersuchung war. Die Rechtsprechung des Ehrengerichtshofs hatte sich diese Argumentation in den Entscheidungen, die im Laufe des Jahres 1934 ergangen sind, ebenfalls zu eigen gemacht, ohne die abrupte Kehrtwende näher zu begründen.21 Ein Motiv für den Erlass eines solchen Vertretungsverbots war darin zu sehen, dass die Regelung eine weitere Diskriminierung von Rechtsanwälten jüdischen Glaubens ermöglichte. Viele jüdische Rechtsanwälte hatten schon aufgrund des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 07.04.193322 ihre Anwaltszulassung verloren.23 Den verbliebenen Rechtsanwälten wurden keine öffentlichen Mandate, Armenrechtsbeiordnungen usw. mehr erteilt, um ihnen die wirtschaftliche Existenzgrundlage zu entziehen.24 Sozietäten von jüdischen und nichtjüdischen Anwälten mussten sich auflösen.25 Die von diesen Maßnahmen betrof-

17 Raeke, JW 1934, 3233 (3234 f.); siehe auch Zusammenfassung der Begründung bei Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (3); Michel/Arentz, AnwBl. 2015, 471 (471 f.). 18 Raeke, JW 1934, 3233 (3234 f.); siehe hierzu Skouris, BB 1975, 1230 (1231). Pfeiffer ist jedoch der Auffassung, dass das wirtschaftliche Interesse der Kanzleianwälte überbewertet wurde, Pfeiffer, in: Festschrift für Oppenhoff, S. 249 (251, Fn. 10). 19 Amtliche Begründung zu den Änderungen der RAO, Deutsche Justiz 1935, 4 (6 f.). 20 Siehe dazu Pfeiffer, in: Festschrift für Oppenhoff, S. 249 (251). 21 Ausdrücklich EGHE 28, 127, 128 (129); entsprechend auch EGHE 28, 125 (126); noch in EGHE 28, 19, (20) wurde eindeutig die bisherige Rechtsprechung aufrechterhalten. 22 RGBl. 1933 Teil I Nr. 36 vom 10.04.1933, 188. 23 Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (3 f.); Rücker, AnwBl. 2007, 801 (802); ähnlich Hein, S. 8, die darauf hinweist, dass aus wirtschaftlichen Gründen der Ausschluss jüdischer Rechtsanwälte aus der Anwaltschaft gefordert wurde; a. A. Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 17, der darauf verweist, dass das Vertretungsverbot nicht primär gegen jüdische Rechtsanwälte gerichtet gewesen sei; Singer, BRAK-Mitt. 2014, 282 (284), der keine Anhaltspunkte für einen antisemitischen Hintergrund sieht. 24 Ladwig-Winters, in: DAV (Hrsg.), Anwälte und ihre Geschichte, 285 (298); Rücker, AnwBl. 2007, 801 (802 f.). 25 Göppinger, S. 92; Levi/Gan, in: DAV (Hrsg.), Anwälte und ihre Geschichte, 305 (311); in Berlin wurden entsprechende Maßnahmen durch die Rechtsanwaltskammer angeordnet, Göppinger, S. 92.

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fenen Anwälte versuchten daher, für Unternehmen anwaltlich tätig zu werden.26 Mit der Änderung der RAO vom 20.12.1934 wurde ihnen diese Möglichkeit der Berufsausübung verweigert. Blieben auch nicht-jüdische Anwälte von dieser Regelung nicht verschont, traf es doch die jüdischen Anwälte wirtschaftlich härter, da sie aufgrund der anderen gegen sie getroffenen Maßnahmen nicht als Kanzleianwälte tätig sein konnten.27 2. Beibehaltung der Regelung durch die BRAO Die BRAO vom 01.10.195928 behielt die Regelung und Rechtsauffassung zum Syndikusanwalt bei, ohne sich mit den Hintergründen der Entstehungsgeschichte zu befassen. § 46 BRAO traf in der Fassung vom 01.10.1959 eine Regelung für „Rechtsanwälte in ständigen Dienstverhältnissen“. Dieser durfte nach der Vorschrift für seinen Auftraggeber vor Gerichten und Schiedsgerichten nicht als Rechtsanwalt auftreten. Begründet wurde diese Regelung damit, dass die Tätigkeit des Syndikusanwalts keine anwaltliche sei und nicht dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts entspreche.29 Dem Syndikusanwalt fehle die anwaltliche Unabhängigkeit.30 Selbst wenn man die Regelung vor dem Hintergrund betrachtet, dass schon die Anstellung eines Rechtsanwalts bei einem anderen Rechtsanwalt in dieser Zeit untypisch war und der Gesetzgeber möglicherweise das arbeitsrechtliche Prinzip der Über- und Unterordnung vor Augen hatte,31 bleiben die Ausführungen des Gesetzgebers im Regierungsentwurf zur BRAO sehr vage und werden nicht näher begründet.32 Auf die Rechtsprechung des Ehrengerichtshofs ging der Regierungsentwurf zur BRAO ebenfalls nicht ein.33 Der Fokus des Gesetzgebers lag allein auf der Grenzziehung zwischen der anwaltlichen Tätigkeit und dem Dienstverhältnis des Syndikusanwalts.34 Diese Grenzziehung erfolgte in der Weise, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der BRAO erstmals auf die Doppelstellung des Syndikusanwalts als Kanzleianwalt und Dienstverpflichteter des Arbeitgebers abstellte.35 Diese Doppelstellung bildete die Grundlage für die spätere Doppelberufstheorie des Bundes-

26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (4). Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (4). BGBl. 1959 Teil I Nr. 35 v. 06.08.1959, 565 (580 f.). BT-Drucks. 3/120, S. 77. BT-Drucks. 3/120, S. 77. Diesen Aspekt betonend Kilian, AnwBl. 2014, 468 (469). Krit. dazu Skouris, BB 1975, 1230 (1232). Krit. dazu Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (6). BT-Drucks. 3/120, S. 77. BT-Drucks. 3/120, S. 77.

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gerichtshofs.36 Der Gesetzgeber hat diese Auffassung bei der Reform der BRAO im Jahr 1994 beibehalten. Änderungsvorschläge der Anwaltschaft fanden kein Gehör.37 3. Die anwaltliche Unabhängigkeit Bei der Diskussion um die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts war insbesondere problematisch, dass keine gesetzliche Definition des Begriffs der anwaltlichen Unabhängigkeit existierte, sodass die Auseinandersetzung um die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts zugleich eine Auseinandersetzung um die generelle Bedeutung des Begriffs der anwaltlichen Unabhängigkeit war. Das Berufsrecht spricht an mehreren Stellen von der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts, regelt allerdings nicht, was „Unabhängigkeit“ im Sinne der jeweiligen Vorschriften (vgl. § 1 BRAO, § 3 Abs. 1 BRAO i. V. m. § 1 Abs. 3 BORA, § 7 Ziff. 8 BRAO, § 43a Abs. 1 BRAO) bedeutet. Aus der systematischen Stellung der Vorschriften lässt sich zunächst nur die zentrale Bedeutung der Unabhängigkeit als zentraler Begriff des anwaltlichen Berufsrechts ableiten.38 Da der Begriff der anwaltlichen Unabhängigkeit als solcher aber nur schwer greifbar ist,39 existieren zahlreiche Definitionen und Beschreibungen dieses Begriffs.40 Relative Einigkeit besteht jedoch hinsichtlich der Kernelemente der anwaltlichen Unabhängigkeit, auf die es sich zum Zweck der Betrachtung der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusanwalts zu beschränken gilt. Insoweit ergibt sich aus dem Schrifttum und der Rechtsprechung eine Konkretisierung der inhaltlichen Bedeutung der Unabhängigkeit: Historisch bezweckte die Regelung der anwaltlichen Unabhängigkeit eine Unabhängigkeit der Rechtsanwälte vom Staat. Die Rechtsanwaltsordnung von 1878 bezeichnete den Rechtsanwalt noch nicht als unabhängig,41 setzte ausweislich der allgemeinen Motive jedoch voraus, dass der Beruf des Rechtsanwalts kein Staatsamt ist.42 Die Anwaltschaft sollte stattdessen frei von staatlicher Einflussnahme sein

36 BGHZ 141, 69 (71); BGHZ 33, 276 (279); BGH, Beschluss vom 14.07.2003 – NotZ 1/03 (KG), NJW 2003, 2750 (2751). Siehe hierzu auch Henssler/Prütting/Prütting, BRAO, § 46 Rn. 8. 37 BT-Drucks. 12/7656, S. 49; krit. dazu Prütting, AnwBl. 2001, 313. 38 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 22 bezeichnet die Unabhängigkeit als „Kernelement“ des anwaltlichen Berufsbilds; Thietz-Bartram, AnwBl. 2014, 791 (794) bezeichnet sie als „Grundpfeiler“ des anwaltlichen Berufsrechts. 39 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 38. 40 Siehe Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 Rn. 13 ff., 19; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 1 BRAO Rn. 47 ff.; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 1 BORA Rn. 58; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 38 ff.; Isele, BRAO, § 1 S. 5. 41 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 5. 42 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages, 3. Legislaturperiode, II. Session 1978, Dritter Band, Aktenstück Nr. 5, S. 66 (68).

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(Grundsatz der freien Advokatur).43 Die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts bezog sich damit ursprünglich nur auf eine Unabhängigkeit vom Staat, die noch heute Kern des Unabhängigkeitsbegriffs ist.44 Nur so können eine sachgerechte Beratung der Mandanten und eine Vertretung der Interessen der Rechtssuchenden gewährleistet werden.45 Daneben gewinnt die persönliche Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in heutiger Zeit zunehmend an Bedeutung und ist neben der staatlichen Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als zweiter Bestandteil des Unabhängigkeitsbegriffs anerkannt.46 Gemeint ist sowohl die Freiheit vom Mandanten,47 die insbesondere in Anstellungsverhältnissen zugleich eine fachliche Unabhängigkeit,48 also die Freiheit von Weisungen und Beeinflussungen durch Mandanten oder Dritte,49 beinhaltet. Unter die persönliche Unabhängigkeit fällt schließlich auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit,50 also die sich trotz der wirtschaftlichen Bedeutung eines Mandats zu erhaltende persönliche Unabhängigkeit des Rechtsanwalts von seinem Auftragge43 Siehe zum historischen Hintergrund dieses Grundsatzes Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 6 ff. 44 BVerfGE 34, 293 (302); BeckOK BORA/Römermann, § 1 Rn. 6; BeckOK BRAO/Römermann, § 1 Rn. 3; Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 Rn. 15; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 1 BRAO Rn. 49; Hartung/Scharmer/Scharmer, BORA/FAO, § 1 BORA Rn. 12, 58; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 45; Kleine-Cosack, BRAO, § 1 Rn. 11; Mahler/Honekamp, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 98 (99); Ewer, AnwBl. 2009, 657 (658); Offermann-Burckart, AnwBl. 2012, 778 (780); Prütting, AnwBl. 2013, 78 (82); Redeker, NJW 2004, 889 (891 f.); Brandi, in: Gedenkschrift für Cüppers, S. 13 (34 ff.) unterscheidet zusätzlich die Unabhängigkeit des einzelnen Rechtsanwalts vom Staat und die Unabhängigkeit der Anwaltschaft vom Staat. 45 Hamm/Maxin, AnwBl. 2015, 376 (377). 46 Noch ausdrücklich Henssler/Prütting/Koch, BRAO, 3. Auflage 2010, § 1 Rn. 48. Nach dem Bearbeiterwechsel in der 4. Auflage wird die Bezeichnung nicht mehr verwendet. Weiterhin Mahler/Honekamp, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 98 (100). Einen anderen Ansatz verfolgt Wolf, der die persönliche Unabhängigkeit als Teil der staatlichen Unabhängigkeit einordnet und die Unabhängigkeit vom Mandanten gesondert betrachtet, Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 1 BRAO Rn. 55 ff., Rn 71. Weiterhin betont Römermann den Wert der persönlichen Unabhängigkeit als „innere Unabhängigkeit“, Römermann, NJW 2019, 2986 (2990). A. A. Müller, S. 76, dieser stellt einen Bedeutungsverlust der persönlichen Unabhängigkeit fest. Krit. zu einer Ausweitung der Unabhängigkeit über die Staatsunabhängigkeit hinaus ferner Kleine-Cosack, BRAO, § 1 Rn. 15. 47 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 47; Brandi, in: Gedenkschrift für Cüppers, S. 13 (44 ff.); Lewens, S. 34; Redeker, NJW 1987, 2610 (2613). 48 Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 55. 49 BeckOK BORA/Römermann, § 1 Rn. 10 f., 12; BeckOK BRAO/Römermann, § 1 Rn. 7 f., 9; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 48, 68; Mahler/Honekamp, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 98 (100); Gaier, BRAK-Mitt. 2006, 2 (6); vgl. auch Offermann-Burckart, AnwBl. 2012, 778 (781). Schautes spricht in diesem Zusammenhang von einer „Unabhängigkeit nach allen Seiten“, Schautes, S. 110. 50 Ewer, AnwBl. 2009, 657 (658); Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 51; OffermannBurckart, AnwBl. 2012, 778 (781); Prütting, AnwBl. 2013, 78 (82).

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ber.51 Die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Rechtsanwalts von Dritten wird zudem von einigen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Berufsordnung für Rechtsanwälte vorausgesetzt, vgl. §§ 43a Abs. 1, 59e Abs. 1 S. 1 BRAO, § 27 S. 1 BORA. Neben den beiden Kernbestandteilen des Unabhängigkeitsbegriffs werden der anwaltlichen Unabhängigkeit in der Literatur weitere Bestandteile bzw. Ausprägungen zugeschrieben. Darunter fallen die politisch-weltanschauliche Unabhängigkeit52 und die gesellschaftliche Unabhängigkeit53. Zusätzlich wurde vereinzelt die Unabhängigkeit vom Anwaltsstand thematisiert.54 Diese Ausprägungen des Unabhängigkeitsbegriffs erlangen jedoch neben den beiden zentralen Bestandteilen der Unabhängigkeit nur eine geringe eigenständige Bedeutung. Insgesamt lässt sich eine Zweiteilung des Begriffs der anwaltlichen Unabhängigkeit feststellen, die bis in die heutige Zeit durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wird. Das Bundesverfassungsvericht versteht unter der anwaltlichen Unabhängigkeit zuvörderst eine Staatsunabhängigkeit,55 gerade in jüngerer Zeit aber auch eine persönliche Unabhängigkeit.56 Das Bundesverfassungsgericht verlangt für letztere eine so genannte kritische Distanz des Rechtsanwalts zum Anliegen des Mandanten.57 In der Literatur wurde daraus geschlussfolgert, dass die anwaltliche Unabhängigkeit stets eine Frage der Eigenverantwortlichkeit des Rechtsanwalts sei.58 Ob ein Rechtsanwalt unabhängig ist, hängt deshalb in hohem Maße davon ab, ob es ihm tatsächlich und rechtlich möglich ist, seine Pflichten zu beachten und seine Unabhängigkeit zu bewahren.59 Diese kritische Distanz zum Anliegen des Mandanten wurde dem Syndikusrechtsanwalt durch den Gesetzgeber jedoch abgesprochen. Der Gesetzgeber unterstellte, dass der Syndikusrechtsanwalt aufgrund seiner Abhängigkeit gegenüber 51

Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 51. Offermann-Burckart, AnwBl. 2012, 778 (780). 53 Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 Rn. 16; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 1 BRAO Rn. 75. 54 Brandi, in: Gedenkschrift für Cüppers, S. 13 (34, 58 ff.). 55 BVerfGE 110, 226 (251 f.), in dieser Entscheidung wurde auch die persönliche Unabhängigkeit betont; BVerfGE 93, 213 (236); BVerfGE 87, 287 (321); BVerfGE 76, 171 (192); BVerfGE 63, 266 (282 ff.); BVerfGE 50, 16 (29); BVerfGE 34, 293 (302); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Juni 2009 – 1 BvR 893/09, BRAK-Mitt. 2009, 235 (237 Rn. 23, 24). Abweichend nur BVerfGE 38, 105 (119), das Bundesverfassungsgericht bezeichnet den Rechtsanwaltsberuf dort als „staatlich gebundenen Vertrauensberuf“. Siehe dazu Darstellung bei Bissel, S. 32 f.; dazu auch Schautes, S. 34 ff. 56 BVerfGE 141, 82 (113 Rn. 83); BVerfGE 135, 90 (113 Rn. 62); BVerfGE 108, 150 (158 f.). 57 BVerfGE 117, 163 (183 f.); BVerfGE 110, 226 (258); BVerfGE 108, 150 (158 f.). Ebenso Schautes, S. 122. 58 Redeker, NJW 2004, 889 (892). 59 Bissel, S. 40. 52

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seinem Dienstherrn nicht dem allgemeinen Berufsbild eines Rechtsanwalts entspreche.60 Das implizierte die Behauptung, dem Syndikusrechtsanwalt fehle die kritische Distanz zum Anliegen des Mandanten. II. Bestätigung der gesetzlichen Stellung durch die Rechtsprechung Die nationale und europäische Rechtsprechung griff das vom Gesetzgeber geschaffene Bild des Syndikusanwalts auf und entwickelte aus der Doppelstellung die Doppelberufstheorie.61 1. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof vertrat die Doppelberufstheorie unter Verweis auf die Gesetzesbegründung bereits in einem frühen Beschluss vom 07.11.1960.62 Er entschied, dass zur Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit eine Grenze zwischen der anwaltlichen Tätigkeit und der abhängigen Beschäftigung des Syndikusanwalts zu ziehen sei und der Syndikusanwalt daher eine Doppelstellung inne habe.63 Der Syndikusanwalt entspreche bei seiner Tätigkeit als Angestellter eines Unternehmens nicht dem anwaltlichen Berufsbild des unabhängigen, objektiven Rechtsberaters, da dieser Tätigkeit die „typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung“ des Rechtsanwalts fehlen würden.64 Der Bundesgerichtshof hielt diese Auffassung über mehrere Jahrzehnte aufrecht und bestätigte immer wieder die Doppelstellung des Syndikusanwalts als Arbeitnehmer, der die anwaltliche Unabhängigkeit nicht besitze, und als freier, unabhängiger Rechtsanwalt außerhalb der Tätigkeit im Unternehmen.65 Zwar näherte der Bundesgerichtshof sich in den 2000er Jahren in mehreren Entscheidungen schrittweise der Auffassung an, dass auch ein Syndikusanwalt für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig werden kann und seine Tätigkeit mit dem anwaltlichen Berufsbild vereinbar ist.66 Auch wurden nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus 60

BT-Drucks. 3/120, S. 77. BGHZ 141, 69 (71); BGHZ 33, 276 (279); BGH, Beschluss vom 14.07.2003 – NotZ 1/03 (KG), NJW 2003, 2750 (2751). Siehe hierzu auch Henssler/Prütting/Prütting, BRAO, § 46 Rn. 8. 62 BGHZ 33, 276. 63 BGHZ 33, 276 (279). 64 BGHZ 33, 276 (279 f.) unter Verweis auf BT-Drucks. 3/120, S. 77. 65 BGHZ 141, 69 (71); BGH, Beschluss vom 14.07.2003 – NotZ 1/03 (KG), NJW 2003, 2750 (2751); BGH, Beschluss vom 14.07.2003 – NotZ 2/03 (KG), NJW 2003, 2752 (2753). 66 Siehe dazu BGHZ 166, 299 (303 Rn. 17); BGH, Beschluss vom 13.01.2003 – AnwZ (B) 52/02, NJW 2003, 883 (884); in einem obiter dictum BGH, Beschluss vom 26.11.2007 – AnwZ (B) 111/06, NJW 2008, 1318 (1319 Rn. 11 f.) und BGH, Beschluss vom 15.05.2006 – AnwZ (B) 41/05, NJW 2006, 2488 (2490 Rn. 14); siehe zu den Entscheidungen im Einzelnen auch Prütting, AnwBl. 2013, 78 (80 f.). Anders zuvor noch BGH, Beschluss vom 07.02.2011 – AnwZ 61

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dem Jahr 2003 durch den Syndikusanwalt eigenverantwortlich und fachlich weisungsfrei bearbeitete Fälle im Rahmen der Verleihung des Fachanwaltstitels berücksichtigt.67 Die Doppelberufstheorie wurde jedoch nicht ausdrücklich aufgegeben.68 2. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat die Doppelberufstheorie mit der Zweitberufsentscheidung vom 04.11.1992 verfassungsrechtlich legitimiert. Der Entscheidung lagen unter anderem zwei Anträge auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft von Angestellten, die rechtsberatend für Vereins- bzw. Verbandsmitglieder ihres Arbeitgebers tätig waren, zugrunde.69 Das Bundesverfassungsgericht gab den beiden gegen die Versagung der Zulassung nach § 7 Ziff. 8 BRAO gerichteten Verfassungsbeschwerden statt, da die Tätigkeit eines Syndikusanwalts gemäß § 46 BRAO a. F. nicht generell unvereinbar mit dem Beruf des Rechtsanwalts sei70 und es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, den Zugang zum Anwaltsberuf zu versagen, wenn sich die Rechtsberatung des Syndikusanwalts auf Vereins- und Verbandsmitglieder des Arbeitgebers erstreckt.71 Das Bundesverfassungsgericht wies im Rahmen dieser Entscheidung zugleich auf die Bedeutung der Trennung der Aufgabenbereiche des Syndikusanwalts in eine Rechtsanwaltstätigkeit und eine Angestelltentätigkeit hin.72 Vor diesem Hintergrund wurde die Entscheidung in der Literatur so verstanden, dass das Bundesverfassungsgericht die Doppelberufstheorie verfassungsrechtlich legitimiert habe und davon ausgegangen sei, dass die Tätigkeit des Syndikusanwalts für seinen nichtanwaltlichen Arbeitgeber keine anwaltliche sei.73 3. Rechtsprechung europäischer Gerichte Auch in der Rechtsprechung europäischer Gerichte war die Rechtsstellung des Syndikusanwalts mehrfach Gegenstand von Entscheidungen.

(B) 20/10, AnwBl. 2011, 494 (495 Rn. 6); BGH, Beschluss vom 04.11.2009 – AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 (379 Rn. 17, Rn. 11 – 19); BGH, Beschluss vom 18.06.2001 – AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; BGH, Beschluss vom 13.03.2000 – AnwZ (B) 25/99, NJW 2000, 1645. 67 BGH, Beschluss vom 13.01.2003 – AnwZ (B) 52/02, NJW 2003, 883 (884). 68 Prütting, AnwBl. 2013, 78 (80 f.). 69 BVerfGE 87, 287 (302) (Beschwerdeführer zu 3)) und BVerfGE 87, 287 (303) (Beschwerdeführerin zu 4)). 70 BVerfGE 87, 287 (327). 71 BVerfGE 87, 287 (328). 72 BVerfGE 87, 287 (327). 73 Heise, AnwBl. 2014, 936.

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Kap. 2: Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt

a) Rechtssache AM&S In der Sache AM&S befasste sich der Europäische Gerichtshof erstmals mit der Unabhängigkeit des Syndikusanwalts. Streitgegenständlich war die Frage, ob der Schriftwechsel zwischen einem Syndikusanwalt und dem ihn beschäftigenden Unternehmen im Rahmen eines Kartellverfahrens offengelegt werden muss oder dem Vertraulichkeitsschutz („legal privilege“) unterliegt. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass der Schriftwechsel zwischen Anwalt und Mandant nur geschützt ist, wenn der Anwalt unabhängig ist.74 Unabhängig sei aber nur der Rechtsanwalt, der nicht durch einen Dienstvertrag an den jeweiligen Mandanten gebunden ist.75 b) Rechtssache Akzo Nobel In der als Rechtssache Akzo Nobel u. a. ./. Europäische Kommission bekannt gewordenen Entscheidung bestätigte der Europäische Gerichtshof die in der Sache AM&S aufgestellten Grundsätze. Streitgegenständlich war wiederum die Frage des Vertraulichkeitsschutzes des Schriftwechsels zwischen einem Syndikusrechtsanwalt und dem Unternehmen. Nachdem bereits das Gericht der Europäischen Union die Klage der beteiligten Unternehmen abgewiesen und es den betroffenen Syndikusanwälten verwehrt hatte, sich im Kartellverfahren auf das Anwaltsprivileg zu berufen,76 bestätigte der Europäische Gerichtshof diese Entscheidung und setzte sich ausführlich mit der Unabhängigkeit des Syndikusanwalts auseinander. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs könne sich ein Syndikusanwalt nicht auf den aus dem Anwaltsgeheimnis herrührenden Vertraulichkeitsschutz berufen, da ihm die anwaltliche Unabhängigkeit fehle.77 Der Europäische Gerichtshof bestätigte die in der Sache AM&S ergangene Entscheidung und urteilte erneut, dass die anwaltliche Unabhängigkeit negativ zu definieren sei: aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs ist daher nur der Rechtsanwalt unabhängig, der zu dem jeweiligen Mandanten nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht.78 Die Ungleichbehandlung des Syndikusanwalts im Verhältnis zu einem Kanzleianwalt ist aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, da im Zeitpunkt der Entscheidung in den nationalen Rechtsordnungen keine Tendenz zur Stärkung der Rechtsstellung des Syndikusanwalts erkennbar gewesen sei.79 Der Syndikusanwalt sei daher nicht als unabhängiger Dritter, sondern als Beschäftigter des Unternehmens anzusehen, der in den Ländern der EU in der Regel nicht befugt sei, den Arbeitgeber gerichtlich zu vertreten.80 74

EuGH, Urteil vom 18.05.1982 – Rs 155/79, NJW 1983, 503 (504, 505). EuGH, Urteil vom 18.05.1982 – Rs 155/79, NJW 1983, 503 (504, 505). 76 EuG, Urteil vom 17.09.2007 – Rs T-125/03 und T-253/03, EuR 2008, 514. 77 EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-550/07 P, EuZW 2010, 778 (781 Rn. 41, 42). 78 EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-550/07 P, EuZW 2010, 778 (781 Rn. 43). 79 EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-550/07 P, EuZW 2010, 778 (783 Rn. 73 ff., insb. Rn. 76). 80 EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-550/07 P, EuZW 2010, 778 (784 Rn. 94, 95). 75

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege

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Daher war eine Änderung der AM&S-Rechtsprechung aus Sicht des Gerichts nicht angezeigt. Insgesamt beruhte diese Rechtsprechung auf der verhältnismäßig schwachen gesetzlichen Stellung des Syndikusanwalts. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Syndikusanwalt unabhängig ist, hat sich der Europäische Gerichtshof offensichtlich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der verschiedenen europäischen Berufsrechtsordnungen zurückgezogen.81 Das Gericht verneinte die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts nur, weil im Zeitpunkt der Entscheidung keine EU-einheitliche Regelung der Rechtsstellung des Syndikusanwalts ersichtlich war, die dem Syndikusanwalt eine stärkere, unabhängige Stellung eingeräumt hätte. Diese Entscheidung wurde durch ein weiteres Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 06.09.2012 bestätigt. In der Rechtssache „PUKE“ versagte das Gericht zwei polnischen Rechtsberatern die Postulationsfähigkeit vor dem Europäischen Gerichtshof, obwohl diese als Rechtsberater ihren Arbeitgeber nach dem polnischen Recht vor Gerichten vertreten dürfen. Die Rechtsberater seien trotz der nationalstaatlichen Befugnis zur Prozessführung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Angestellte ihres Arbeitgebers keine unabhängigen Rechtsanwälte.82 4. Sozialgerichte Eine gewisse Eskalation der Auseinandersetzung um die Rechtsstellung des Syndikusanwalts wurde durch drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 herbeigeführt.83 In diesen Urteilen, die zugleich der Anlass für die zum 01.01.2016 erfolgte Reform des Syndikusrechtsanwaltsrechts waren, schloss sich das Bundessozialgericht der Doppelberufstheorie und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an. Das Bundessozialgericht versagte einem Syndikusanwalt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 SGB VI, da schon aufgrund der äußeren Form der Beschäftigung des Syndikusanwalts keine anwaltliche Berufsausübung möglich sei.84 Der Syndikusanwalt sei kein Rechtsanwalt, sondern habe eine Doppelstellung inne. Die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation sei mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar.85 Im Ergebnis der Entscheidung stand fest, dass ein Syndikusanwalt sich für die Tätigkeit im Unternehmen nicht mehr gemäß § 6 Abs. 1

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So auch Merkt, AnwBl. 2015, 552 (557). EuGH, Urteil vom 06.09.2012 – C-422/11 P, C-423/11 P, AnwBl. 2012, 1003 (Rn. 5, Rn. 24 f.). 83 BSGE 115, 267; Parallelentscheidungen BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 5 RE 3/14 R und BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 5 RE 9/14 R. 84 BSGE 115, 267 (274 Rn. 31). 85 BSGE 115, 267 (277 Rn. 39); siehe auch S. 276 Rn. 36. 82

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S. 1 Ziff. 1 SGB VI zugunsten der anwaltlichen Versorgungswerke von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen konnte. III. Kritik aus Literatur und Anwaltschaft Diese Rechtsprechung aber auch die gesetzlichen Grundlagen des Syndikusanwalts hatten aus der Literatur vielfältige Kritik, von einigen Seiten aber auch Zustimmung erfahren. Diese Diskussion an dieser Stelle zu wiederholen bzw. vollständig wiederzugeben würde zu weit führen. Daher werden im Folgenden lediglich die zentralen Argumente der Kritiker der Doppelberufstheorie wiedergegeben, um das Kernproblem, die Frage nach der Unabhängigkeit des Syndikusanwalts, zu verdeutlichen.86 1. Kritik an der gesetzlichen Stellung Zunächst wurde dem Gesetzgeber vorgeworfen, sich bei der Schaffung der Doppelberufstheorie nicht ausreichend mit dem nationalsozialistischen Hintergrund der Vorschrift des § 31 Abs. 2 RAO befasst zu haben.87 Weiterhin wurde das durch den Gesetzgeber beschriebene Berufsbild der Rechtsanwaltschaft kritisiert: entgegen der Auffassung des Gesetzgebers habe bei Inkrafttreten der BRAO im Jahr 1959 kein allgemein verbreitetes Berufsbild des unabhängigen Rechtsanwalts bestanden, das den Syndikusanwalt von der anwaltlichen Berufsausübung ausschließe.88 Der Gesetzgeber habe der Fassung des § 46 BRAO a. F. die Behauptung zu Grunde gelegt, dass der Syndikusanwalt kein unabhängiges Organ der Rechtspflege sei, ohne die Vereinbarkeit der Vorschrift mit Art. 12 GG und Art. 3 GG zu überprüfen.89 Tatsächlich sei auch ein Kanzleirechtsanwalt nicht völlig unabhängig: Auch ein Kanzleianwalt könne nur für einen einzigen Mandanten tätig,90 bzw. anderweitig,

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Grundlegend zur Kritik an der Doppelberufstheorie aber auch zu Argumenten für die Doppelberufstheorie Lewens, S. 57 ff. 87 Skouris, BB 1975, 1230 (1231); später auch Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (5); krit. ferner Alfes, S. 119 (Fn. 123). 88 Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (6). Andere Stimmen hielten den Syndikusanwalt in Übereinstimmung mit der Auffassung des Gesetzgebers hingegen für nicht unabhängig: Feuerich/ Weyland/Träger, BRAO, 9. Auflage 2016, § 46 Rn. 3; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 23; Isele, BRAO, § 46, S. 853 f.; Pfeiffer, in: Festschrift für Oppenhoff, S. 249 (251, 259 f.). 89 Skouris, BB 1975, 1230 (1232); zustimmend Bissel, S. 135 f.; siehe zu verfassungsrechtlichen Bedenken ferner Gaier/Wolf/Göcken/Huff, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, § 46 BRAO Rn. 19; Hartung/Hartung, BORA/FAO, 5. Auflage 2012, § 46 BRAO Rn. 41 ff.; Kleine-Cosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 46 Rn. 6 ff. 90 Skouris, BB 1975, 1230 (1233); weiterhin auch Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (10); Kremer/ Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (251); Offermann-Burckart, AnwBl. 2012, 778 (781).

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zum Beispiel wirtschaftlich, abhängig sein.91 Bei Kanzleianwälten ergebe sich die Abhängigkeit schon aus der Rechtsnatur des Mandatsvertrags.92 Dagegen wurde eingewandt, dass sich die Abhängigkeit aus der arbeitsvertraglichen Bindung des Syndikusanwalts ergebe.93 Der Mandatsvertrag sei einfacher zu kündigen und begründe deshalb ein schwächeres Abhängigkeitsverhältnis.94 Die Befürworter der Unabhängigkeit des Syndikusanwalts verwiesen weiterhin darauf, dass die Unternehmen selbst an einer unabhängigen internen anwaltlichen Beratung interessiert seien und daher die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts schon aus Eigeninteresse nicht einschränken würden.95 Schließlich diene die Beratung des Unternehmens durch den Syndikusanwalt der Minimierung des Haftungsrisikos des Unternehmens.96 Viel bedeutsamer sei im Unternehmen aus diesem Grund die sachliche und fachliche Unabhängigkeit,97 der anderweitige Weisungen jedoch nicht entgegen stünden.98 Eine Abhängigkeit ergebe sich schließlich auch nicht ohne Weiteres aus dem Bestehen eines Arbeitsvertrags, sondern könne wenn dann nur durch arbeitsvertragliche Bindungen entstehen, die im Einzelfall festzustellen seien.99 Ebenso begründe eine arbeitsrechtliche Weisungsabhängigkeit keine berufsrechtliche Abhängigkeit, da berufsrechtswidrige Weisungen gemäß § 134 BGB nichtig seien100 und unter Umständen auch nach § 138 BGB nichtig sein können.101 91 Alfes, S. 124; Hein, S. 52, 100; Lewens, S. 38 f., der den Begriff der „finanziellen Unabhängigkeit“ wählt; Hamm/Maxin, AnwBl. 2015, 376 (378), Hassemer, wistra 1986, 1 (8); Junker/Biederbick, AG 2012, 898 (902); Munte, AnwBl. 1998, 500 (506); Prütting, AnwBl. 2013, 78 (82); Redeker, NJW 2004, 889 (892). 92 So schon Skouris, BB 1975, 1230 (1233); siehe auch Biermann, AnwBl. 1990, 420 (422); Merkt, AnwBl. 2014, 278 (279); Prütting, AnwBl. 2001, 313 (317); Prütting, AnwBl. 2013, 78 (83). 93 Ganter, in: Festschrift für Geiß, S. 257 (267 f.); Pfeiffer, in: Festschrift für Oppenhoff, S. 249 (272). 94 Pfeiffer, in: Festschrift für Oppenhoff, S. 249 (272); ebenso Ganter, in: Festschrift für Geiß, S. 257 (268); in diesem Sinne auch Kury, BRAK-Mitt. 2013, 2 (3). 95 Hassemer, wistra 1986, 1 (9); in diesem Sinne auch Hein, S. 174; Hommerich/Prütting, S. 77; Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247); Merkt, Syndikusanwalt, S. 87 Rn. 219; Merkt, AnwBl. 2014, 278 (281 f.), Merkt, NJW 2014, 2310 (2312) und Merkt, AnwBl. 2015, 552 (553). 96 Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (246). 97 Hamm/Maxin, AnwBl. 2015, 376 (378); Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). 98 Nach Hartung schlossen sich Unabhängigkeit und Weisungsgebundenheit nicht aus, Hartung/Hartung, BORA/FAO, 5. Auflage 2012, § 46 BRAO Rn. 9. Auch Biermann hält beispielsweise organisatorische Weisungen für unproblematisch, Biermann, AnwBl. 1990, 420 (422). 99 Bissel, S. 69. 100 Bissel, S. 113; dogmatische Herleitung Bissel, S. 98 ff.; so auch Merkt, AnwBl. 2014, 278 (280); Prütting, AnwBl. 2001, 313 (317); Prütting, AnwBl. 2013, 78 (83); dies ist nach a. A.

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Außerdem wurde die Tätigkeit des Syndikusanwalts von der überwiegenden Auffassung in der Literatur regelmäßig als anwaltliche Tätigkeit eingeordnet.102 Daraus wurde zugleich geschlossen, dass sich die Bejahung der anwaltlichen Tätigkeit und das Bestehen der anwaltlichen Unabhängigkeit gegenseitig bedingen: Ordne man die Tätigkeit des Syndikusanwalts als anwaltliche Tätigkeit ein, sei der Tätigkeit außerdem die Weisungsfreiheit gegenüber den Mitgliedern der Geschäftsleitung und damit auch die anwaltliche Unabhängigkeit immanent.103 2. Kritik an der Rechtsprechung Die Kritikpunkte an der Rechtsprechung zur Doppelberufstheorie bauten auf der Kritik an der gesetzlichen Stellung des Syndikusanwalts auf, deren Argumente auch auf die Entscheidungen der Gerichte übertragen wurden. a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Dem Bundesgerichtshof, der in ständiger Rechtsprechung auf die Doppelstellung des Syndikusanwalts hingewiesen hatte, wurde vorgeworfen, aufgrund der Auffassung, der Syndikusanwalt entspreche nicht dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts, die Begriffe der Inkonformität und der Inkompatibilität eines Zweitberufs mit der Tätigkeit des Rechtsanwalts zu vermischen.104 Tatsächlich stehe nur ein inkompatibler Zweitberuf der Zulassung entgegen; eine andere Auslegung sei mit der Regelung des Art. 12 GG unvereinbar.105 Soweit die Rechtsprechung auf die fehlende Unabhängigkeit des Syndikusanwalts im Verhältnis zu Kanzleianwälten abstellte, wurden hiergegen die bereits oben geschilderten Argumente der Abhängigkeit von Kanzleianwälten gegenüber Groß-

eine Selbstverständlichkeit, die nicht gegen eine Abhängigkeit des Syndikusanwalts spricht, Kury, BRAK-Mitt. 2013, 2 (3). A. A. auch Ganter, in: Festschrift für Geiß, S. 257 (268). 101 Näher Bissel, S. 114 ff.; siehe auch Prütting, AnwBl. 2001, 313 (317). 102 Beusch/Decker, in: Festschrift für Stiefel, S. 17 (29 f.); Biermann, AnwBl. 1990, 420 (422, 423) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Ehrengerichtshofs in den 1920er Jahren; nach eingehender Untersuchung auch Alfes, S. 135 f., er fordert aber eine Einzelfallbetrachtung; weiterhin Gaier/Wolf/Göcken/Huff, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, § 46 BRAO Rn. 13 ff.; Hartung/Hartung, BORA/FAO, 5. Auflage 2012, § 46 BRAO Rn. 12; Hassemer, wistra 1986, 1 (14); Prütting, AnwBl. 2001, 313 (315); Redeker, NJW 2004, 889 (891); Roxin, NJW 1992, 1129 (1134 ff.); a. A. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage, § 46 Rn. 21, 23; Feuerich/Weyland/Träger, BRAO, 9. Auflage 2016, § 46 Rn. 3; Isele, BRAO, § 46, S. 854; Ganter, in: Festschrift für Geiß, S. 257 (267). 103 Schwung, AnwBl 2007, 14 (15). 104 Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (10 f.). 105 Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (10 f.); ähnlich Kilian, AnwBl. 2014, 468 (469), der der Rechtsprechung vorwarf, am Berufsbild der Anwaltschaft des Jahres 1959 festzuhalten.

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mandanten eingewandt.106 Weiterhin wurde der Rechtsprechung vorgeworfen, an einen Syndikusanwalt einen anderen Maßstab anzulegen, als an einen angestellten Kanzleianwalt: obwohl auch ein angestellter Kanzleianwalt weisungsgebunden tätig sei und seine Arbeit zugewiesen bekomme, würde nur bei einem Syndikusanwalt auf die Organisationsstruktur abgestellt.107 Das Merkmal der arbeitsrechtlichen Abhängigkeit sei daher kein taugliches Kriterium zur Bestimmung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts.108 b) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs riefen insbesondere nach dem Urteil in der Sache Akzo Nobel vom 14.09.2010 zahlreiche Reaktionen hervor. Dem Gericht wurde vorgehalten, die Rolle des Syndikusanwalts im Unternehmen zu verkennen, indem es keine Begründung für die Behauptung vortrage, der Syndikusanwalt würden keinen unabhängigen Rechtsrat erteilen.109 Kritisiert wurde auch die Definition der Unabhängigkeit durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem (Syndikus)Anwalt und dem Mandanten.110 Diese erstmals in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache AM&S vorgenommene Gleichstellung der Begriffe der Abhängigkeit und der dienstvertraglichen Bindung wurde als unhaltbar kritisiert, da der Europäische Gerichtshof diesen Rechtssatz weder näher erläutere noch dogmatisch herleite.111 Unter Berücksichtigung der „dienenden Funktion“112 der Unabhängigkeit – die Unabhängigkeit diene der Sicherung der vor Gericht erforderlichen Unparteilichkeit und der Wahrung einer geordneten Rechtspflege113 –, wirke sich das Bestehen eines Dienstvertrags nicht auf 106 Redeker, NJW 2004, 889 (892); dem folgend Mahler/Honekamp, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 98 (101); Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (251). 107 Hartung, AnwBl. 2017, 160, (161); kritisch zur Ungleichbehandlung des Syndikusrechtsanwalts im Verhältnis zu einem angestellten Kanzleianwalt auch Gaier/Wolf/Göcken/ Huff, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, § 46 BRAO Rn. 16; Huff; AnwBl. 2011, 473 (474); Offermann-Burckart, AnwBl. 2012, 778 (781); Redeker, NJW 2004, 889 (890); Skouris, BB 1975, 1230 (1233 f.); a. A. Kury, BRAK-Mitt. 2013, 2 (3). 108 Lewens, S. 44 f. 109 Berrisch, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-550/07 P, EuZW 2010, 786; dem Europäischen Gerichtshof unter Verweis auf die soziale Abhängigkeit des Syndikusanwalts zustimmend Singer, BRAK-Mitt. 2014, 282 (288); kritisch zu der insgesamt negativen Betrachtungsweise des Urteils Hellwig, AnwBl. 2015, 2 (12); Merkt, AnwBl. 2014, 278 (285); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (556 f.). Kritisch zur Beschränkung der Diskussion auf das Problem der fachlichen Unabhängigkeit Hustus, NStZ 2016, 65 (67 f.). 110 Hamacher, AnwBl. 2011, 42 (44). 111 Hassemer, wistra 1986, 1 (15) zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache AM&S. 112 Hamacher, AnwBl. 2011, 42 (45). 113 Hamacher, AnwBl. 2011, 42 (45).

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den Kern der Unabhängigkeit aus,114 der sich, wie bereits gezeigt wurde, aus der Staatsaunabhängigkeit und der persönlichen Unabhängigkeit des Rechtsanwalts zusammensetzt. Im Zusammenhang mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wurde erneut kritisiert, dass auch Kanzleianwälte von einem Großmandanten abhängig sein könnten und ihnen deshalb in konsequenter Anwendung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ebenfalls die Unabhängigkeit abgesprochen werden müsste.115 Zudem stünden auch angestellte Kanzleianwälte in einem Abhängigkeitsverhältnis.116 Allerdings hat der Europäische Gerichtshof bislang nur Einzelfallentscheidungen getroffen.117 Nur in den konkreten Fällen sah das Gericht die Unabhängigkeit der betroffenen Syndikusanwälte als nicht hinreichend gesichert an. In der Literatur wird die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs daher so interpretiert, dass der Europäische Gerichtshof es für möglich hält, dass die Unabhängigkeit eines Syndikusrechtsanwalts in einem anderen Fall aufgrund einer geänderten Rechtslage oder entsprechender Vertragsgestaltung gewährleistet ist.118 In einem solchen Fall wäre eine Änderung der Rechtsprechung zumindest denkbar. Ob es zeitnah zu einer solchen Änderung der Rechtsprechung kommt ist allerdings fraglich, da dafür eine Änderung der Rechtsentwicklung in den Mitgliedsstaaten hin zu einer echten Gleichstellung des Syndikusrechtsanwalts erforderlich wäre.119 c) Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Auch die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 wurden in der Literatur scharf angegriffen.120 Neben sozial- und versorgungsrechtlichen Fragestellungen121 wurden besonders berufsrechtliche Probleme diskutiert. Das Gericht habe keine an § 6 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1, Abs. 5 S. 1 SGB VI orientierte Einzelfall-

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Hamacher, AnwBl. 2011, 42 (45); so auch Mann/Leisinger, AnwBl. 2010, 776 (778). Engelhoven/Todt, EWiR 2010, 835 (836); siehe auch Mann, DB 2011, 978 (983). 116 Mann, DB 2011, 978 (981, 983). 117 So die zutreffende Feststellung von Merkt, AnwBl. 2014, 278 (285). Merkt verweist zudem darauf, dass sich die Entscheidungen nur auf kartellrechtliche Verfahren beziehen und dass sich aus der Entscheidung keine zwingenden Schlüsse auf eine Entscheidung in einem Zivilprozess ziehen lassen, Merkt, AnwBl. 2015, 552 (556). 118 Merkt, AnwBl. 2014, 278 (285); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (557). 119 Moosmayer, NJW 2010, 3548 (3550); zweifelnd auch Freundorfer, AnwBl. Online 2019, 335 (336). 120 Teilweise bezieht sich die nachfolgend wiedergegebene Kritik auf das durch das Bundessozialgericht in BSGE 115, 267 bestätigte Berufungsurteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.05.2013 – L 18 R 170/12, zit. nach juris. Die Argumente sind daher auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts übertragbar. 121 Siehe dazu Kilger, AnwBl. 2014, 685; Kleine-Cosack, AnwBl. 2015, 115. 115

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prüfung der Befreiungsgründe vorgenommen,122 sondern einen generalisierenden Prüfungsansatz zur Bestimmung der anwaltlichen Tätigkeit eines Syndikusanwalts gewählt und dabei außer Acht gelassen, dass nur das Berufsrecht regele, wann ein Volljurist als Rechtsanwalt arbeitet.123 Das Berufsrecht stelle aber allein auf die Person des Bewerbers zur Rechtsanwaltschaft und nicht auf die konkrete Tätigkeit ab.124 Soweit die sozialrechtliche Rechtsprechung die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts generell als mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbare Tätigkeit einordne, widerspreche dies der Zweitberufsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts.125 Das Bundessozialgericht habe seinen Entscheidungen überdies ein veraltetes und falsches Berufsbild zugrunde gelegt,126 weswegen die Entscheidungen mit Art. 12 GG unvereinbar seien.127 Abermals wurde zudem der Vorwurf laut, dass die Rechtsprechung die Abhängigkeiten des angestellten Kanzleianwalts außer Acht lasse und dem Syndikusanwalt die Unabhängigkeit abspreche, obwohl auch ein angestellter Kanzleianwalt in einem Abhängigkeitsverhältnis stünde.128 Zudem habe das Bundessozialgericht die gewachsenen abweichenden Literaturansichten zur Unabhängigkeit des Syndikusanwalts und zur Ausübung einer anwaltlichen Tätigkeit sowie die einschlägige abweichende Rechtsprechung vollständig ignoriert.129 Allerdings haben andere Stimmen darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf der Linie der berufsrechtlichen Rechtsprechung des Anwaltssenats am Bundesgerichtshof bewegte.130 122 Offermann-Burckart, NJW 2014, 2683; ähnlich Prütting, AnwBl. 2014, 788 (789). Bereits zuvor hatte Horn in Bezug auf das Berufungsurteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.05.2013 – L 18 R 170/12, zit. nach juris, in dieser Sache sowie das Urteil des LSG NordrheinWestfalen vom 07.05.2013 – L 18 R 1038/11, zit. nach juris, kritisiert, dass die mit der Anwendung der Doppelberufstheorie einhergehende generalisierende Betrachtungsweise der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts einer sozialrechtlich gebotenen Einzelfallbetrachtung widerspreche, Horn, J., AnwBl. 2014, 147 (148). 123 So bereits Horn zum durch das Bundessozialgericht bestätigten Berufungsurteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.05.2013 – L 18 R 170/12, zit. nach juris, Horn, J., AnwBl. 2014, 147 (147 f.); ähnlich Prütting, AnwBl. 2014, 788 (789). 124 So Horn zum durch das Bundessozialgericht bestätigten Berufungsurteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.05.2013 – L 18 R 170/12, zit. nach juris, Horn, J., AnwBl. 2014, 147. 125 So Horn zum durch das Bundessozialgericht bestätigten Berufungsurteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.05.2013 – L 18 R 170/12, zit. nach juris, Horn, J., AnwBl. 2014, 147 (148); ähnlich, allerdings bezogen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Huff, AnwBl. 2011, 473 (474). 126 Gaier/Wolf/Göcken/Huff, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, § 46 BRAO Rn. 33; Thietz-Bartram, AnwBl. 2014, 791 (795). 127 Gaier/Wolf/Göcken/Huff, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, § 46 BRAO Rn. 33. 128 Offermann-Burckart, NJW 2014, 2683 (2685). 129 Prütting, AnwBl. 2014, 788 (789). 130 Singer, BRAK-Mitt. 2014, 282 (283); ähnlich Offermann-Burckart, NJW 2014, 2683.

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Kap. 2: Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt

3. Auffassungen der anwaltlichen Berufsverbände Die anwaltlichen Berufsverbände haben sich der dargestellten Kritik zum Teil angeschlossen, zum Teil allerdings auch die gesetzliche Stellung verteidigt. Der Deutsche Anwaltverein bezog regelmäßig Stellung gegen die in der Bundesrechtsanwaltsordnung geregelte und von der Rechtsprechung weiterentwickelte Doppelberufstheorie.131 Auch der Bundesverband der Unternehmensjuristen kritisierte die gesetzliche Stellung des Syndikusrechtsanwalts und forderte eine Gleichstellung des Syndikusrechtsanwalts mit dem Kanzleirechtsanwalt.132 Die Bundesrechtsanwaltskammer sowie einzelne Vertreter der regionalen Rechtsanwaltskammern sprachen sich hingegen wiederholt gegen die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts aus und verteidigten das gerichtliche Vertretungsverbot in § 46 BRAO a. F.133

C. Die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts nach neuer Rechtslage Mit dem am 01.01.2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte hat der Gesetzgeber den Syndikusrechtsanwalt auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt und zugleich dem jahrzehntelangen Streit um die Rechtsstellung des Syndikusrechtsanwalts den Boden entzogen. Die bisher vorgebrachten Bedenken gegen die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts sind damit „gegenstandslos“134. Dabei nahm der Gesetzgeber bewusst eine Neuregelung des 131 Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme 42/2012 vom 04.05.2012, S. 4 f., abrufbar unter anwaltverein.de/de/newsroom/id-2012 – 42, Abruf am 21.11.2020; Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme 11/2015 vom März 2015, S. 3, S. 6, abrufbar unter anwaltverein.de/de/ newsroom/sn-11 – 15-berufsrecht, Abruf am 21.11.2020. 132 Stellungnahme des BUJ vom 09.05.2012 zur Stellungnahme 42/2012 des Deutschen Anwaltvereins, Unternehmensjurist 03/2012, S. 78; Stellungnahme des BUJ vom 04.04.2014 zu den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014, Unternehmensjurist 02/2014, S. 19; Stellungnahme des BUJ vom Mai 2015 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, abrufbar unter www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsver fahren/Stellungnahmen/2015/Downloads/05012015_Stellungnahme_BUJ_RefE_Neuordnung_ Syndikusanwaelterecht.html?nn=6712350, Abruf am 21.11.2020. 133 Bundesrechtsanwaltskammer, Presseerklärung Nr. 3/2015 vom 27.02.2015, abrufbar unter www.brak.de/fuer-journalisten/pressemitteilungen-archiv/2015/presseerklaerung-03-201 5/, Abruf am 21.11.2020; Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme 09/2015 vom März 2015, S. 3 ff., abrufbar unter www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnah men-deutschland/2015/maerz/stellungnahme-der-brak-2015-9.pdf, Abruf am 21.11.2020; Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme 17/2015 vom Mai 2015, S. 4 ff., abrufbar unter www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2015/mai/stel lungnahme-der-brak-2015-17.pdf, Abruf am 21.11.2020; Haselbach, KAMMERaktuell 02/ 2014, 3. Anders positionierten sich einzelne Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer nach den Urteilen des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2014, Filges, BRAK-Mitt. 2014, 225; Krenzler, BRAK-Mitt. 2014, 128 (130 f.). 134 Michel/Arentz, AnwBl. 2015, 471 (475).

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege

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Syndikusrechtsanwalts im Berufsrecht vor, der nun auch erstmals als Syndikusrechtsanwalt bezeichnet wurde, verfolgte jedoch zugleich das Ziel, die Altersversorgung der Syndikusrechtsanwälte rechtssicher zu regeln.135 Der Gesetzgeber hat den Streit um die anwaltliche Prägung der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts entschieden und die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als anwaltliche Tätigkeit anerkannt, wenn die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 BRAO erfüllt sind, der Syndikusrechtsanwalt also mit der Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts (Ziff. 1) sowie dem Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten und der Erteilung von Rechtsrat (Ziff. 2) beauftragt ist, die Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen ausgerichtet ist (Ziff. 3) und der Syndikusrechtsanwalt befugt ist, für den Arbeitgeber nach außen verantwortlich aufzutreten (Ziff. 4).136 Damit hat der Gesetzgeber sich maßgeblich an der zuvor von der Deutschen Rentenversicherung vertretenen Vier-KriterienTheorie orientiert.137 Zugleich hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Doppelberufstheorie aufgegeben.138 Mit der Neuregelung trägt der Gesetzgeber dem sich wandelnden Berufsbild des Rechtsanwalts Rechnung und gibt die sich auf das Berufsbild des Jahres 1959 beziehenden Vorstellungen von der Tätigkeit des Rechtsanwalts auf.139 Der Syndikusrechtsanwalt kann daher als Nur-Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden. Der Begriff des Syndikusrechtsanwalts erfordert nun nicht mehr die Ausübung zweier Berufe.140 Das heißt jedoch nicht, dass eine Doppelzulassung ausgeschlossen wäre. Selbstverständlich kann der Syndikusrechtsanwalt sich neben seiner Tätigkeit auch (weiterhin) als Kanzleirechtsanwalt zulassen, soweit die Zulassungsvoraussetzungen im Einzelfall vorliegen. In § 46 Abs. 2 BRAO hat der Gesetzgeber nun geregelt, dass der Syndikusrechtsanwalt dann anwaltlich tätig wird, wenn er fachlich unabhängig ist. Dahinter steht der Gedanke, dass die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Rechtsanwalt mit der eines Arbeitnehmers in Einklang zu bringen ist. Arbeitsrechtlich wird die Weisungsbefugnis des Dienstherrn nicht beschnitten, soweit die Weisungen organisatorischer Natur sind.141 Interne Richtlinien, Compliance-Vorgaben oder EthikRichtlinien stehen der fachlichen Unabhängigkeit daher nicht entgegen.142 Im Übrigen wird den berufsrechtlichen Regelungen jedoch der Vorrang eingeräumt, sodass 135

BT-Drucks. 18/5201, S. 1. Dazu auch BT-Drucks. 18/5201, S. 26. 137 BT-Drucks. 18/5201, S. 13, 26. Dazu Junker/Scharnke, BB 2016, 195 (198); Gaier/Wolf/ Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 4, Rn. 55. 138 BT-Drucks. 18/5201, 18, 27. 139 In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich auf das sich wandelnde Berufsbild hingewiesen BT-Drucks. 18/5201, S. 13 ff. 140 BT-Drucks. 18/5201, S. 18. 141 BT-Drucks. 18/5201, S. 28. 142 Schuster, AnwBl. 2015, 646; so auch Weyland/Träger, BRAO, § 46 Rn. 19. 136

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Kap. 2: Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt

die Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers hinter den Berufspflichten des Syndikusrechtsanwalts zurückstehen müssen.143 Begründet wird die Vereinbarkeit der arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis mit der anwaltlichen Unabhängigkeit mit einem Vergleich zum Mandatsvertrag des Kanzleirechtsanwalts. Auch dieser sei im Rahmen des Mandatsvertrags an Weisungen gebunden.144 Daher ist der Syndikusrechtsanwalt aus Sicht des Gesetzgebers als unabhängiger Berater und Vertreter des Arbeitgebers im Sinne des § 3 Abs. 1 BRAO einzuordnen, wenn er im Sinne der Regelungen des § 46 Abs. 3 und Abs. 4 BRAO tätig wird.145 Einige Stimmen in der Literatur sind zwar der Auffassung, dass der Syndikusrechtsanwalt nicht der berufene Berater und Vertreter seines Arbeitgebers im Sinne des § 3 Abs. 1 BRAO sein könne,146 sondern aufgrund der Beschränkung der Tätigkeit auf die Angelegenheiten des Arbeitgebers ein „Anwalt sui generis“147 sei. Vereinzelt wird der Syndikusrechtsanwalt sogar noch immer als „Rechtsanwalt ,zweiter Klasse‘“148 bezeichnet. Diese Auffassung ist mit dem Gesetzeszweck des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und der Gleichstellung gemäß § 46c Abs. 1 BRAO jedoch unvereinbar. Zutreffend ist lediglich, dass der Syndikusrechtsanwalt nicht der berufene Berater und Vertreter seines Arbeitgebers in allen Rechtsangelegenheiten ist.149 In den ihm übertragenen Rechtsangelegenheiten ist er jedoch der berufene Berater und Vertreter seines Arbeitgebers. In § 46 Abs. 4 BRAO wird weiterhin klargestellt, dass derjenige, der fachlichen Weisungen des Arbeitgebers unterliegt, nicht fachlich unabhängig ist und daher kein Syndikusrechtsanwalt sein kann. Bloße fachliche Abstimmungen mit anderen Rechtsanwälten stehen der fachlichen Unabhängigkeit jedoch nicht entgegen.150 Da die fachliche Unabhängigkeit vertraglich zu gewährleisten ist, ist der Syndikusrechtsanwalt berechtigt, fachliche Weisungen seines Arbeitgebers aus fachlichen 143

BT-Drucks. 18/5201, S. 26, 28. BT-Drucks. 18/5201, S. 29. 145 BT-Drucks. 18/5201, S. 28. Dies kann auch nach der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte nicht anders sein, da die anwaltliche Tätigkeit von der Vertretung des Mandanten/Dienstherrn in Rechtsangelegenheiten geprägt ist, vgl. AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.2016 – 1 AGH 27/16, BeckRS 2016, 119496 Rn. 25. 146 Offermann-Burckart, in: Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen (Hrsg.), Das neue Syndikusrecht, § 2 Rn. 137; Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220); Offermann-Burckart, NJW 2016, 113 (117); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (131). 147 Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme 17/2015 vom Mai 2015, S. 3, abrufbar unter www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2015/ mai/stellungnahme-der-brak-2015-17.pdf, Abruf am 21.11.2020; Offermann-Burckart, in: Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen (Hrsg.), Das neue Syndikusrecht, § 2 Rn. 137; Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220); Offermann-Burckart, NJW 2016, 113 (117); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (131). Dieser Auffassung folgend BeckOK BRAO/ Günther, § 46 Rn. 23; Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 98. 148 Kleine-Cosack, BRAO, Vor §§ 46 – 46c Rn. 4. 149 So mit dieser Betonung Krenzler/Offermann-Burckart, RDG, § 3 Rn. 46; OffermannBurckart, AnwBl. 2015, 633 (638). 150 BT-Drucks. 18/5201, S. 29. 144

§ 1 Der Syndikusrechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege

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oder berufsrechtlichen Gründen abzulehnen, ohne dass daran arbeitsrechtliche Konsequenzen geknüpft werden können.151 Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung im Wesentlichen den oben zusammenfassend wiedergegebenen Literaturstimmen den Vorrang eingeräumt, die schon seit längerem darauf hingewiesen hatten, dass es für die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts zuerst auf eine fachliche Unabhängigkeit ankomme und organisatorische Weisungen dem nicht entgegenstehen. Damit entsprechen die Anforderungen an die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts den tatsächlichen Gegebenheiten des Kanzleirechtsanwalts, der im Rahmen seiner Mandatsverhältnisse ebenfalls nicht völlig weisungsfrei arbeitet und daher in erster Linie fachlich weisungsfrei tätig wird. Setzt sich der Arbeitgeber über den Rechtsrat des Syndikusrechtsanwalts hinweg, führt das, genau wie bei Kanzleianwälten auch, nicht dazu, dass dadurch die fachliche Unabhängigkeit beeinträchtigt würde.152 Diese Regelung ist insgesamt zu begrüßen.153 Einerseits bestand kein Anlass mehr, dem Syndikusrechtsanwalt die anwaltliche Unabhängigkeit abzusprechen. Insoweit waren und sind die in der Literatur erarbeiteten Begründungen für eine Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts überzeugend und wurden dementsprechend von dem Gesetzgeber übernommen. Auch der Bundesgerichtshof hatte sich in den 2000er Jahren schrittweise an die in der Literatur vertretenen Ansichten angenähert und im Rahmen seiner Fachanwaltsentscheidung hinsichtlich der Anerkennung von Tätigkeiten des Syndikusanwalts alter Prägung bei der Verleihung des Fachanwaltstitels gemäß § 5 FAO auf die fachliche Unabhängigkeit abgestellt.154 Damit wurde zunehmend deutlich, dass es für die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts genügt, wenn dieser fachlich unabhängig und eigenverantwortlich tätig ist. Eine aufgrund des Arbeitsverhältnisses bestehende strukturelle Abhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts steht der anwaltlichen Tätigkeit nicht entgegen.155 Andererseits orientiert sich der Gesetzgeber mit der Betonung der fachlichen Unabhängigkeit wieder enger an der eigentlichen Bedeutung der in §§ 1 und 3 Abs. 1 BRAO geregelten anwaltlichen Unabhängigkeit. Mit der Festschreibung der fachlichen Unabhängigkeit in § 46 BRAO hat der Gesetzgeber die anwaltliche

151

BT-Drucks. 18/5201, S. 29; krit. dazu Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (13 f.). Er weist darauf hin, dass die bloße Zusicherung nicht ausreicht, sondern die fachliche Unabhängigkeit auch gelebt werden müsse. 152 Junker/Scharnke, BB 2016, 195 (199). 153 Insgesamt kritisch zur Neuregelung jedoch Römermann/Günther, NZA 2016, 71, die insbesondere die tatsächliche Möglichkeit zur Zurückweisung eines Auftrags aus fachlichen Gründen ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen anzweifeln, Römermann/Günther, NZA 2016, 71 (74). Weiterhin Römermann, NJW 2019, 2986 (2989), der die fachliche Unabhängigkeit als „Unabhängigkeit zweiten Grades“ kritisiert und eine Verwässerung der Unabhängigkeit befürchtet. 154 Kapitel 2 § 1 B. II. 1. 155 Müller, S. 102.

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Kap. 2: Der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt

Unabhängigkeit präzisiert.156 Es war schon bei der Untersuchung des Begriffs der anwaltlichen Unabhängigkeit festgestellt worden, dass die anwaltliche Unabhängigkeit vor allem eine Staatsunabhängigkeit und daneben eine persönliche Unabhängigkeit des Rechtsanwalts vom Mandanten in Form der fachlichen Unabhängigkeit bedeutet. Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte geht daher eine begrüßenswerte Orientierung auf den Kernbereich und den Zweck der anwaltlichen Unabhängigkeit einher.157 Dieser besteht, das muss an dieser Stelle noch einmal wiederholt werden, darin, eine anwaltliche Arbeit zu garantieren, die frei von staatlichen Einflüssen sowie sachwidrigen Einflüssen Dritter ist. In dem Rahmen, in dem das Gesetz in § 46 BRAO dem Syndikusrechtsanwalt eine fachliche Unabhängigkeit abverlangt, ist und bleibt der Kernbereich der anwaltlichen Unabhängigkeit unangetastet und hinreichend gewahrt. Diese Pflicht als Teil der anwaltlichen Grundpflichten gemäß § 43a Abs. 1 BRAO einzuhalten, ist auch für den Syndikusrechtsanwalt als Angestellten einer Aktiengesellschaft notwendig.

§ 2 Zusammenfassende Stellungnahme Nachdem die Rechtsstellung des Syndikusrechtsanwalts über Jahrzehnte Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen war, hat der Gesetzgeber das Recht der Syndikusrechtsanwälte zum 01.01.2016 auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt. Damit geht eine Rückbesinnung auf den Kernbereich der anwaltlichen Unabhängigkeit einher. Für eine unabhängige Berufsausübung im Sinne der BRAO genügt eine persönliche Unabhängigkeit in Form der fachlichen Unabhängigkeit sowie eine eigenverantwortliche Bearbeitung der dem Rechtsanwalt vorgelegten Rechtsfragen. Zudem wird der Syndikusrechtsanwalt als vollwertiges Mitglied der Rechtsanwaltschaft anerkannt. Gerade vor dem Hintergrund der Rechtsprechung europäischer Gerichte, die ohne eine gesetzliche Stärkung der Unternehmensjuristen in den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht bereit sind, diesen in europarechtlichen Verfahren Anwaltsprivilegien zu gewähren, ist die normierte Anerkennung des Syndikusrechtsanwalts zu begrüßen. Im Hinblick auf die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts in der Aktiengesellschaft bestehen jedoch bisher ungeklärte Rechtsfragen, die unmittelbar mit der 156

Mahler/Honekamp, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 98 (113). Ähnlich Quaas, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 208 (212). Dieser spricht von einer Konkretisierung des in den §§ 1 – 3 BRAO festgeschriebenen Berufsbilds. Zugleich kommt er nach einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu dem Ergebnis, dass der Grundsatz der freien Advokatur durch das Erfordernis der fachlichen Unabhängigkeit hinreichend gewahrt bleibe, Quaas, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 208 (216). 157 A. A. Römermann, NJW 2019, 2986 (2990), der den Begriff der „fachlichen Unabhängigkeit“ für eine bloße Floskel hält.

§ 2 Zusammenfassende Stellungnahme

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Notwendigkeit der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts und der Wahrung der anwaltlichen Grundpflichten gemäß § 43a BRAO zusammenhängen. Das ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass der Syndikusrechtsanwalt sich in der Aktiengesellschaft im Spannungsfeld der aktienrechtlichen Corporate Governance bewegt. Die in diesem Zusammenhang bestehenden berufsrechtlichen Fragen ergeben sich erst aus der neuen anwaltlichen Stellung des Syndikusrechtsanwalts im Unternehmen.

Kapitel 3

Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft – berufsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Grundlagen § 1 Der Syndikusrechtsanwalt im Spannungsfeld zwischen Berufs- und Gesellschaftsrecht Sofern der Syndikusrechtsanwalt für eine Aktiengesellschaft tätig wird, bewegt er sich im Spannungsfeld der aktienrechtlichen Corporate Governance und wird damit an einer Schnittstelle zwischen anwaltlichem Berufsrecht und Gesellschaftsrecht tätig. Obwohl spätestens seit den rentenversicherungsrechtlichen Entscheidungen des Bundessozialgerichts gefordert wird, dass die Diskussion um den Syndikusrechtsanwalt aus der rein berufs- bzw. rentenversicherungsrechtlichen Ebene herausgeführt werden müsse, um die Funktion des Syndikusrechtsanwalts im Corporate Governance-System zu untersuchen,1 wurden die berufsrechtlichen Auswirkungen auf die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts in einer Aktiengesellschaft bislang kaum vertiefter untersucht. Die besondere Herausforderung bei der Betrachtung der Rechtsstellung des Syndikusrechtsanwalts besteht darin, die beiden Rechtskreise, in denen sich der Syndikusrechtsanwalt bewegt, nämlich den berufsrechtlichen Rechtskreis und den gesellschaftsrechtlichen Rechtskreis, miteinander in Einklang zu bringen. Hierzu sollen nach einer Einführung in die Grundlagen des aktienrechtlichen Leitungs- und Überwachungssystems die Rechtsbeziehungen des Syndikusrechtsanwalts zur Aktiengesellschaft und zu den Organen der Aktiengesellschaft untersucht werden. Insbesondere soll untersucht werden, in welchem Umfang sich die Rechtsberatungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts gemäß § 46 Abs. 5 BRAO auf die Organe der Aktiengesellschaft erstreckt. Dabei wird auch bereits auf die anwaltlichen Grundpflichten der Wahrung der (fachlichen) Unabhängigkeit gemäß § 43a Abs. 1 BRAO sowie das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO einzugehen sein.

1

Merkt, NJW 2014, 2310 (2314 f.).

§ 1 Im Spannungsfeld zwischen Berufs- und Gesellschaftsrecht

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A. Syndikusrechtsanwalt und anwaltliches Berufsrecht Der Syndikusrechtsanwalt ist in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt dazu verpflichtet, die berufsrechtlichen Vorgaben der BRAO und der BORA einzuhalten. Die größte Bedeutung haben dabei die Pflicht zur Wahrung der (fachlichen) Unabhängigkeit, die Pflicht zur Wahrung der Verschwiegenheit und die Pflicht zur Beachtung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen. Verstöße gegen diese Berufspflichten können zur Versagung bzw. zum Widerruf der Zulassung nach § 7 Ziff. 9 BRAO bzw. § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO oder zu anwaltsgerichtlichen Maßnahmen nach §§ 113 ff. BRAO bis hin zur Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft nach § 114 Abs. 1 Ziff. 5 BRAO führen.2 Im Übrigen gelten für den Syndikusrechtsanwalt vollumfänglich dieselben Regelungen, die auch für einen Kanzleirechtsanwalt gelten, § 46c Abs. 1 BRAO, sofern in den §§ 46 – 46c BRAO nichts Abweichendes bestimmt ist. So ist auch der Syndikusrechtsanwalt zur gewissenhaften Berufsausübung angehalten (§ 43 S. 1 BRAO) und unterliegt der Kanzleipflicht (§ 27 Abs. 1 BRAO, beachte aber § 46c Abs. 4 S. 1 BRAO), der Werbebeschränkung (§ 43b BRAO), der Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (§ 31a Abs. 6 BRAO) und dem Sachlichkeitsgebot (§ 43a Abs. 3 S. 1 BRAO). Die wohl wichtigsten Unterschiede zu einem Kanzleirechtsanwalt bestehen in dem Verbot, seinen Arbeitgeber vor Gerichten mit Anwaltszwang zu vertreten (§ 46c Abs. 2 BRAO) und der Befreiung des Syndikusrechtsanwalts von der Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung (§ 46c Abs. 3 BRAO).

B. Syndikusrechtsanwalt und Corporate Governance Zugleich ist der für eine Aktiengesellschaft tätige Syndikusrechtsanwalt dergestalt in das aktienrechtliche Corporate Governance-System eingebunden, dass er als Berater der Aktiengesellschaft Beziehungen zu den Organen der Aktiengesellschaft unterhält und für diese beratend tätig wird.

2 Sozialrechtlich entfällt zudem gemäß § 6 Abs. 5 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts verletzt wird, da sich das Arbeitsverhältnis in diesem Fall in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis umwandelt, Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 72; vgl. auch Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46a BRAO Rn. 56 und Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46b BRAO Rn. 2 ff.

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

I. Der Begriff „Corporate Governance“ Der Begriff „Corporate Governance“ bezeichnet „den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens“.3 Allerdings gibt es nicht den einen Ordnungsrahmen. Die unter dem Begriff Corporate Governance zusammengefassten Ordnungs- und Kontrollmechanismen gehen vielmehr von verschiedenen Ansätzen aus, die den Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung des Unternehmens näher präzisieren und sich dabei an den jeweiligen Interessen bestimmter Interessengruppen, beispielsweise der Organe einer Aktiengesellschaft, der Shareholder oder der Stakeholder, orientieren.4 Berücksichtigt man diese Präzisierungen, geht es bei der Corporate Governance um eine an rechtlichen und ethischen Vorgaben orientierte Unternehmenskultur, eine „best practice“ der Leitung und Kontrolle des Unternehmens und einen sachgerechten Ausgleich der verschiedenen Interessen, die zwischen den Organen, Aktionären und Stakeholdern der Aktiengesellschaft bestehen.5 Ziel dieser Unternehmenskultur ist die Sicherstellung einer guten Corporate Governance, also einer guten Unternehmensführung.6 Für die Rechtsstellung des Syndikusrechtsanwalts im System der aktienrechtlichen Corporate Governance sind die unterschiedlichen Betrachtungsansätze im Detail allerdings nicht weiter relevant, da mit den verschiedenen Betrachtungsansätzen unterschiedliche Bezugsgruppen in die Corporate Governance einbezogen werden,7 die sich auf diese Untersuchung im Detail aber nicht auswirken. Die für diese Arbeit einzig relevante Präzisierung des Begriffs Corporate Governance ist die Unterscheidung zwischen der externen und internen Corporate Governance.8 Während die externe Corporate Governance sich mit dem Verhältnis der Organe der Aktiengesellschaft zu externen Interessengruppen (zum Beispiel Share- und Stakeholdern)9 sowie dem Verhältnis des Unternehmens zum Kapitalmarkt10 beschäftigt, sind für die interne Corporate Governance die Beziehung der

3 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 3 (4). Diese Definition findet sich nun auch in der Präambel des neugefassten Deutschen Corporate Governance Kodex, abrufbar unter https://www.dcgk.de/de/kodex.html, Abruf am 21.11.2020. 4 Ausführlich zu den Grundfragen der Corporate Governance v. Werder, in: Hommelhoff/ Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 3 ff. 5 Schwung, AnwBl. 2007, 14. 6 Merkt, NJW 2014, 2310 (2313). 7 Vgl. v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 3 (7 ff.). 8 Ausführlich zur internen und externen Corporate Governance Hopt, in: Hommelhoff/ Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 39 (44 ff.). 9 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 3 (4). 10 Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 76.

§ 1 Im Spannungsfeld zwischen Berufs- und Gesellschaftsrecht

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Unternehmensorgane zueinander11 sowie die unternehmensinterne Willensbildung, die Organisationsverfassung der Gesellschaft und die Rechte und Pflichten der Mitglieder der Geschäftsleistung12 von Interesse. Der Syndikusrechtsanwalt der Aktiengesellschaft, der als interner Rechtsberater mit entsprechenden Rechtsfragen befasst ist und sich dabei innerhalb der Leitungs- und Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft bewegt, kommt in erster Linie mit der internen Corporate Governance in Kontakt. Soweit im Rahmen dieser Abhandlung von „Corporate Governance“ die Rede ist, bezieht sich der Begriff daher auf dieses interne Corporate Governance-System. Der Begriff der internen Corporate Governance kann nochmals in ein betriebswirtschaftliches und ein rechtliches Element aufgeteilt werden.13 Für die berufsrechtliche Stellung des Syndikusrechtsanwalts im aktienrechtlichen System der Corporate Governance sind beide Elemente von Bedeutung, da der Syndikusrechtsanwalt an der Schnittstelle zwischen einem guten Management im betriebswirtschaftlichen Sinn und einem guten Management im Sinne des rechtmäßigen unternehmerischen Verhaltens tätig und für die Einhaltung der gesetzlichen und unternehmensinternen Regelungen (Compliance)14 entscheidend mitverantwortlich ist. II. Einzelne Regelungen zur Corporate Governance Einzelne Regelungen zur Leitung und Überwachung börsennotierter Aktiengesellschaften sind im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) niedergeschrieben.15 Dabei handelt es sich um rechtlich unverbindliche Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“, § 161 AktG. Der DCGK enthält Empfehlungen zur Verantwortlichkeit des Vorstands, der Effektivität der Überwachung durch den Aufsichtsrat, der Wahrung der Aktionärsrechte, der Durchführung eines sachgerechten Interessensausgleichs innerhalb der Aktiengesellschaft und zahlreiche weitere Maßnahmen.16 Zur Corporate Governance zählt ferner die Compliance als Teil eines funktionierenden Corporate GovernanceSystems, Abschnitt A. I. Grundsatz 5 DCGK. Die Compliance hat zum Ziel, über die Pflicht des Vorstands zur Rechtstreue hinaus auch die Rechtstreue im gesamten Unternehmen sicherzustellen.17 Der Vorstand muss die Einhaltung geltender externer 11

v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 3 (4). 12 Zu diesen Bestandteilen der internen Corporate Governance Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 76. 13 Merkt, NJW 2014, 2310 (2313); vgl. Merkt, AnwBl. 2014, 278 (283). 14 Vgl. Schwung, AnwBl. 2007, 14 (14). 15 Abrufbar unter www.dcgk.de/de/kodex.html, Abruf am 21.11.2020. 16 Zu erfolgten aber auch aktuellen Änderungen Seibert, in: Frodermann/Jannott (Hrsg.), Handbuch des Aktienrechts, Kapitel 1 Rn. 25 ff. 17 Siehe nur Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 91 Rn. 47.

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

und interner Vorschriften im Rahmen der Compliance überwachen und hat insoweit eine Kontrollpflicht.18 Diese einzelnen Regelungen sind auch für die Beratung der Gesellschaft durch den Syndikusrechtsanwalt von Bedeutung. Auch wenn es sich bei dem DCGK nicht um ein formelles Gesetz handelt, muss die börsennotierte Aktiengesellschaft sich jährlich über die Einhaltung oder die begründete nicht erfolgte Einhaltung der Regelungen des DCGK erklären, § 161 Abs. 1 S. 1 AktG, sodass die Beratung einer börsennotierten Aktiengesellschaft eine Beratung über die Regelungen des DCGK, und sei es über die Abweichung von den Regelungen des DCGK, enthalten muss. Nicht umsonst wird der Syndikusrechtsanwalt daher als „,rechtliches Gewissen‘ des Unternehmens“19 bezeichnet. Auch für Syndikusrechtsanwälte in nicht börsennotierten Gesellschaften sind die Vorgaben des DCGK jedoch relevant, da durch den DCGK allgemeine Grundsätze einer guten Unternehmensführung geregelt werden, deren Anwendung auch nicht börsennotierten Gesellschaften empfohlen wird.20 Außerdem kann es auch ohne ausdrückliche Regelung im Deutschen Corporate Governance Codex als Selbstverständlichkeit angesehen werden, dass die Beachtung des Berufsrechts durch den Syndikusrechtsanwalt und die Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit Teil einer guten Corporate Governance sind.21 III. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen der Leitung und Überwachung von Aktiengesellschaften Das Leitungs- und Überwachungssystem ist innerhalb der in Deutschland noch immer vorherrschenden dualistischen Leitungsstruktur der Aktiengesellschaft so ausgestaltet, dass der Vorstand zur weisungsfreien, nur am Unternehmensinteresse ausgerichteten, Leitung der Gesellschaft berufen ist, § 76 Abs. 1 AktG, dabei jedoch vom Aufsichtsrat überwacht wird, § 111 Abs. 1 AktG.22 Die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat dient dabei auch der Vermeidung opportunistischer

18

Siehe nur Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 91 Rn. 47. Hommerich, AnwBl. 2009, 406 (407); sinngemäß zuvor bereits Neumann, AnwBl. 1991, 630 (631); nachfolgend Merkt, Syndikusanwalt, S. 87 Rn. 219; Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (246); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (553). 20 v. Werder, in: Kremer/Bachmann/Lutter/v. Werder (Hrsg. und Bearb.), Deutscher Corporate Governance Kodex, Kapitel 1. (Präambel) XIV. 3. Rn. 167. Ähnlich nun auch Präambel DCGK. 21 Dazu auch Merkt, NJW 2014, 2310 (2313 f.). Siehe ferner zu einzelnen praktischen Tätigkeitsfeldern des Syndikusrechtsanwalts im Rahmen der Sicherung einer guten Corporate Governance Schwung, AnwBl. 2007, 14 (16). 22 Frodermann/von Eiff, in: Frodermann/Jannott (Hrsg.), Handbuch des Aktienrechts, Kapitel 7 Rn. 2, 4; dies. grundlegend zur Leitungsstruktur in der Aktiengesellschaft Kapitel 7 Rn. 1 ff. 19

§ 1 Im Spannungsfeld zwischen Berufs- und Gesellschaftsrecht

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Verhaltensweisen im Sinne der Prinzipal-Agent-Theorie23 (näher zur PrinzipalAgent-Theorie sogleich). Dem Aufsichtsrat stehen sowohl Instrumente zur präventiven als auch zur nachträglichen Kontrolle des Vorstandshandelns zur Verfügung.24 Dem Aufsichtsrat steht dem Vorstand gegenüber zwar kein Weisungsrecht zu,25 allerdings sollen Vorstand und Aufsichtsrat im Unternehmensinteresse eng zusammenarbeiten, Abschnitt D. II. 1. Grundsatz 13 DCGK.26 Zudem ist der Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 1 AktG für die Bestellung der Vorstandsmitglieder zuständig. Für diese Betrachtung von geringerer Relevanz ist die Hauptversammlung, die unter anderem über die Bestellung der nicht nach mitbestimmungsrechtlichen Regelungen zu bestellenden Mitglieder des Aufsichtsrats entscheidet, § 118 Abs. 1 Ziff. 1 AktG, und die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats entlastet, § 118 Abs. 1 Ziff. 3 AktG. Die Organe der Aktiengesellschaft bilden ihrerseits verschiedene Interessengruppen. Innerhalb des Leitungs- und Überwachungssystems der Aktiengesellschaft können Spannungen auftreten, die sich auch auf den Syndikusrechtsanwalt auswirken. Diese ergeben sich aus der oben skizzierten „Funktionentrennung“27 der Organe der Aktiengesellschaft als Besonderheit der dualistischen Verfassung der Aktiengesellschaft. Berät der Syndikusrechtsanwalt beispielsweise den Vorstand in Fragen der Gesellschaft, hat dieser zugleich ein Interesse an einer haftungsentlastenden Beratung, während die Gesellschaft ihrerseits an einer rechtssicheren und wirtschaftlich sinnvollen Lösung interessiert ist. Der Syndikusrechtsanwalt befindet sich bei seiner Beratung in diesen Fällen an einer für die Prinzipal-Agent-Theorie charakteristischen Problemstelle, nämlich der Vermeidung opportunistischen Verhaltens des Vorstands der Aktiengesellschaft. Die Prinzipal-Agent-Theorie geht davon aus, dass der Agent sich gegenüber dem Prinzipal unter Ausnutzung der Unwissenheit der anderen Seite opportunistisch verhält und hat aus diesem Grund u. a. zum Ziel, dieses opportunistische Verhalten zurückzudrängen.28 Dahinter steht der Gedanke, dass der Agent nicht immer im Interesse des Prinzipals handelt, sodass

23 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 38 f. Rn. 82, 84 m. w. N. Die PrinzipalAgent-Theorie fragt, bezogen auf Interessenkonflikte, danach, wie innerhalb der Gesellschaft mit Interessengegensätzen umzugehen ist, Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 36 Rn. 79. 24 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 12. 25 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 12. 26 Hierzu noch unter Geltung der alten Fassung des DCGK Frodermann/von Eiff, in: Frodermann/Jannott (Hrsg.), Handbuch des Aktienrechts, Kapitel 7 Rn. 4. 27 Hommelhoff, ZHR 1979, 288 (307). Dieser auch zu den Auswirkungen der Funktionentrennung und dem Umgang mit Organstreitigkeiten, Hommelhoff, ZHR 1979, 288 (307 ff.). 28 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 38 f. Rn. 82, 84; siehe zum Problem des opportunistischen Verhaltens ferner Kumpan, S. 65 f. Zur Auswirkung der Prinzipal-AgentTheorie auf gesellschaftsinterne Interessenkonflikte Kumpan, S. 64 f.

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

er überwacht werden muss.29 Übertragen auf das Recht der Aktiengesellschaften besteht ganz konkret die Gefahr, dass Entscheidungen des Vorstands (als dem Agenten30) nicht mit dem Interesse der Aktionäre als Teilhaber der Gesellschaft (der Prinzipale31) übereinstimmen,32 welches der Syndikusrechtsanwalt als Rechtsanwalt der Aktiengesellschaft jedoch eigentlich vertreten soll. In diesem Spannungsfeld muss der Syndikusrechtsanwalt seine arbeits- und berufsrechtliche Pflicht zur Beratung der Aktiengesellschaft erfüllen, vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO. Andererseits ist es vorstellbar, dass der Aufsichtsrat zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen aktive oder ehemalige Mitglieder des Vorstands auf die Beratungsunterlagen der Rechtsabteilung zurückgreifen möchte. Denkbar sind ferner interne Auseinandersetzungen über die Angemessenheit der Vorstandsvergütung, § 87 Abs. 1 AktG, den Umfang und die Durchsetzung von Überwachungsbefugnissen des Aufsichtsrats oder auch arbeitsrechtliche Mitbestimmungsrechte.33 In welchem Rahmen in solchen Fällen eine Beratung der Organe durch den Syndikusrechtsanwalt zulässig ist, wie weit sich seine Beratungs- und Vertretungsbefugnis erstreckt und zu wessen Gunsten bzw. auch zu wessen Lasten die berufsrechtlichen Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht und zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen Geltung entfalten, hängt von dem berufsrechtlich determinierten Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zur Aktiengesellschaft ab, das durch die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts geprägt ist. In den soeben beispielhaft genannten Konfliktfällen ist die Zulässigkeit der Beratung der Gesellschaft durch den Syndikusrechtsanwalt abhängig von den berufsrechtlichen Befugnissen und Regelungen.

§ 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Arbeitnehmer der Aktiengesellschaft Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu der ihn beschäftigenden Aktiengesellschaft ist zugleich ein arbeitsrechtliches und ein berufsrechtliches. Der Syndikusrechtsanwalt wird, was § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO ausdrücklich gestattet, als Rechtsanwalt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für einen nicht-anwaltlichen Arbeitgeber tätig.34 Zum anderen steht der Syndikusrechtsanwalt aber auch in einem 29

Kumpan, S. 63 f. m. w. N. Vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 38 Rn. 82, 84. 31 Vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 38 Rn. 82. 32 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 404 Rn. 5. 33 Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). 34 Der Arbeitgeberbegriff wird von § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO negativ definiert, Gaier/Wolf/ Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 52. 30

§ 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Arbeitnehmer der Aktiengesellschaft

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anwaltlichen Mandatsverhältnis zur Gesellschaft.35 Vergleicht man die Beratung durch den Syndikusrechtsanwalt mit der Beratung durch einen externen Kanzleianwalt ergibt sich dasselbe Bild. Auch der externe Kanzleianwalt wird als Rechtsanwalt für die Aktiengesellschaft tätig, weiß aber auf den ersten Blick nicht immer sofort, welche Interessen bzw. welche Interessengruppe innerhalb der Aktiengesellschaft vertreten werden soll.36 Das bedeutet zugleich, dass der Syndikusrechtsanwalt, genauso wie der externe Kanzleianwalt, zur umfassenden und erschöpfenden Beratung37 und im Rahmen des Berufsrechts zur Vertretung der Interessen des Mandanten, d. h. der Aktiengesellschaft, in deren Rechtsangelegenheiten verpflichtet ist. Damit ist der Syndikusrechtsanwalt entgegen anderslautender Stimmen in der Literatur38 selbstverständlich der unabhängige Berater und Vertreter seines Arbeitgebers in dessen Rechtsangelegenheiten, § 3 Abs. 1 BRAO, soweit sie dem Syndikusrechtsanwalt übertragen sind, § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO. Die fehlende Befugnis zur Prozessvertretung gemäß § 46c Abs. 2 BRAO steht dem nicht entgegen. Auch der Bundesgerichtshof sieht den Syndikusrechtsanwalt als Organ der Rechtspflege und damit als berufenen Berater und Vertreter seines Arbeitgebers an.39 Die instanzgerichtliche Rechtsprechung hatte sich in einigen vorangegangenen Entscheidungen überwiegend ebenfalls in diesem Sinne positioniert.40 Ausdrücklich heißt es in einem Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 28.10.2016, dass die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts „von der Unabhängigkeit der anwaltlichen Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägt“41 ist. Die Begrenzung der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO führt nicht dazu, dass der Syndikusrechtsanwalt nicht als unabhängiger 35

Nach ganz herrschender Auffassung ist die Aktiengesellschaft die Mandantin des Syndikusrechtsanwalts Mann, S. 270; Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (273); Junker/Biederbick, AG 2012, 898 (903); Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (249); Posegga, AnwBl. 2016, 723; grundsätzlich für den nichtanwaltlichen Arbeitgeber Weyland/Träger, BRAO, § 46 Rn. 6. 36 de Raet, AG 2016, 225. 37 BGH, Urteil vom 13.03.1997 – IX ZR 81/96, NJW 1997, 2168 (2169); dazu auch MüKoBGB/Heermann, Band 6, § 675 Rn. 29. Zum Umfang der rechtlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts unter Berücksichtigung des Zulassungsrechts auch Gaier/Wolf/Göcken/ Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 56 ff. 38 Offermann-Burckart, in: Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen (Hrsg.), Das neue Syndikusrecht, § 2 Rn. 137; Offermann-Burckart, NJW 2016, 113 (117); Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220). 39 BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3109 Rn. 87). 40 AGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.08.2017 – 1 AGH 17/16, Rn. 40, zit. nach juris, Entscheidungsgründe nicht abgedruckt in: BRAK-Mitt. 2017, 301; AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.2016 – 1 AGH 27/16, BeckRS 2016, 119496, Rn. 25; a. A. AnwGH BadenWürttemberg, Urteil vom 03.11.2017 – AGH 21/17 II, NJW 2018, 560 (563 Rn. 57). 41 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.2016 – 1 AGH 27/16, BeckRS 2016, 119496, Rn. 25.

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

Berater und Vertreter seines Arbeitgebers anzusehen ist – er ist lediglich nicht der berufene Berater und Vertreter des Arbeitgebers in allen Rechtsangelegenheiten.42 Die wichtigste Voraussetzung für das Bestehen eines Mandatsverhältnisses zwischen Syndikusrechtsanwalt und Aktiengesellschaft ist jedoch die Prägung der ausgeübten Tätigkeit durch die Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 46 Abs. 3 BRAO. Das bedeutet, dass der Syndikusrechtsanwalt in der Gesellschaft überwiegend anwaltlich tätig werden muss. Andernfalls kann schon keine Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt erteilt werden. Bis zu welchem Grenzwert das Arbeitsverhältnis noch durch anwaltliche Tätigkeiten geprägt ist, war jedoch lange Zeit umstritten. In der Literatur wurde teilweise die Auffassung vertreten, dass die anwaltlichen Aufgaben deutlich mehr als 50 Prozent der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts ausmachen müssen.43 Andere Stimmen vertraten die Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis bereits dann durch anwaltliche Tätigkeiten geprägt ist, wenn diese jedenfalls mehr als 50 Prozent der Aufgaben ausmachen.44 Der Deutsche Anwaltverein forderte in seiner Stellungnahme zur Evaluierung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte gar eine gesetzliche Regelung dahingehend, dass eine anwaltliche Tätigkeit von 50 Prozent für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausreichend ist.45 Die Rechtsprechung hielt hingegen erst einen Anteil der anwaltlichen Tätigkeit von mehr als 60 Prozent der Gesamttätigkeit für prägend, wobei die Frage des für die Zulassung mindestens erforderlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit zunächst offen blieb und verschiedene Gerichte ganz unterschiedliche Prozentsätze ansetzten.46 Der Bundesgerichtshof hat nun mit Urteil vom 42 So mit dieser Betonung Krenzler/Offermann-Burckart, RDG, § 3 Rn. 46; OffermannBurckart, AnwBl. 2015, 633 (638). 43 Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (218); Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 633 (636); Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (12). Einen anderen Ansatz verfolgt Wolf aber in Gaier/Wolf/ Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 66 ff. Er spricht sich gegen eine prozentuale Festlegung und für die Heranziehung verschiedener arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Kriterien zur Beurteilung der Prägung der Tätigkeit aus; im Ergebnis tendiert er gleichwohl dazu, die maximal zulässigen nichtanwaltlichen Tätigkeiten auf 20 – 25 Prozent zu begrenzen, Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 69. 44 BeckOK BRAO/Günther, § 46 Rn. 17; Weyland/Träger, BRAO, § 46 Rn. 18; Kilian/ Koch, Anwaltliches Berufsrecht, S. 56 Rn. 102; Huff, ZAP Fach 23, 1045 (1052); nach Auffassung von Schuster, AnwBl. 2016, 121 (122) ist sogar ein geringfügiges Unterschreiten der 50 Prozent-Grenze möglich; zustimmend BeckOK BRAO/Günther, § 46 Rn. 17. 45 Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 23/2019, Juni 2019, S. 6 f., abrufbar unter https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-23 – 19-evaluierung-des-syndikusgesetzes-78047; Abruf am 21.11.2020. 46 BGH, Beschluss vom 27.02.2019 – AnwZ (Brfg) 36/17, Rn. 7 f., zit. nach juris, Umfang von 67 Prozent ist prägend; BGH, Beschluss vom 14.01.2019 – AnwZ (Brfg) 29/17, NJW-RR 2019, 440 (440 Rn. 7), Umfang von 70 – 80 Prozent ist prägend; BGH, Urteil vom 14.01.2019 – AnwZ (Brfg) 25/18, NJW 2019, 927 (930 Rn. 27), Tätigkeit von 60 Prozent, zeitweise 70 Prozent ist prägend; AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.05.2018 – 1 AGH 81/16, BeckRS 2018, 9491, Rn. 42, organisatorische Aufgaben von 15 Prozent sind unschädlich; administrative Tätigkeiten von 10 Prozent sind unschädlich, AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2017 – 1 AGH 32/16, BB 2017, 914, bestätigt durch BGH, Beschluss vom

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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30.09.2019 entschieden, dass die anwaltliche Tätigkeit mindestens 65 Prozent der Gesamttätigkeit ausmachen muss.47 Dieser Wert liege „am unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses Erforderlichen“.48 Das Arbeitsverhältnis ist also erst dann durch anwaltliche Tätigkeiten geprägt, wenn diese mehr als 65 Prozent der Gesamttätigkeit ausmachen. Dieser Auffassung ist vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 3 BRAO zuzustimmen. Dort heißt es: „dass der ganz eindeutige Schwerpunkt“49 der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im anwaltlichen Bereich liegen muss.50

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft Aufgrund der geschilderten Besonderheiten des Corporate Governance-Systems steht der Syndikusrechtsanwalt daneben in einer Beziehung zu den Organen der Aktiengesellschaft, insbesondere zum Vorstand und zum Aufsichtsrat, die es im Folgenden näher zu untersuchen gilt.

A. Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zum Vorstand der Aktiengesellschaft Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zum Vorstand der Aktiengesellschaft ist ebenfalls sowohl durch arbeitsrechtliche als auch durch berufsrechtliche Regelungen geprägt.

18.04.2018 – AnwZ (Brfg) 20/17, BeckRS 2018, 9761, Rn. 9; AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.02.2017 – 1 AGH 20/16, Rn. 38, zit. nach juris, Umfang von 70 Prozent ist prägend. Ein Anteil der anwaltlichen Tätigkeit von ca. 50 Prozent sollte jedoch nicht ausreichen: AGH Berlin, Urteil vom 15.08.2018 – II AGH 3/17, BRAK-Mitt. 2019, 56, Ls. 2; ähnlich AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.06.2018 – 1 AGH 33/17, BRAK-Mitt. 20118, 310 (311), vgl. auch Leitsatz 2 der Entscheidung; AGH Bayern, Urteil vom 09.04.2018 – BayAGH III-4 – 8/17, BeckRS 2018, 11238, Rn. 42. 47 BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Brfg) 63/17, NJW 2019, 3649 (3650 Rn. 18); ähnlich zuvor: BGH, Urteil vom 14.01.2019 – AnwZ (Brfg) 25/18, NJW 2019, 927 (930 Rn. 27), danach genüge eine anwaltliche Tätigkeit von 60 Prozent, zeitweise 70 Prozent. 48 BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Brfg) 63/17, NJW 2019, 3649 (3650 Rn. 18). 49 BT-Drucks. 18/5201, S. 29. 50 So auch Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (218); Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 633 (636); Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (12).

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

I. Die Rolle des Vorstands in der Aktiengesellschaft 1. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen Gemäß § 76 Abs. 1 AktG i. V. m. Abschnitt A. I. Grundsatz 1 DCGK hat der Vorstand die Aktiengesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Die Leitung hat der Vorstand zwingend selbst zu übernehmen.51 Der Vorstand verantwortet die strategische Unternehmenspolitik, Abschnitt A. I. Grundsatz 2 DCGK, und sorgt für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien, Abschnitt A. I. Grundsatz 5 DCGK. Dazu hat der Vorstand ein Risikomanagementsystem, Abschnitt A. I. Grundsatz 4 DCGK, und Maßnahmen zur organisatorischen Durchsetzung der Unternehmenspolitik einzuführen.52 Die Leitung umfasst darüber hinaus auch Entscheidungen über die zu übernehmenden geschäftlichen und finanziellen Risken.53 2. Die Arbeitgeberfunktion des Vorstands der Aktiengesellschaft Gegenüber den Arbeitnehmern der Gesellschaft übernimmt der Vorstand zudem die Funktionen des Arbeitgebers,54 da die Vorstandsmitglieder zu den willensbildenden Organen der Gesellschaft gehören und daher selbst keine Arbeitnehmer sind.55 Der Vorstand ist dazu befugt, das arbeitsrechtliche Direktionsrecht gemäß § 106 GewO auszuüben.56 Zwischen Syndikusrechtsanwalt und Vorstand der Aktiengesellschaft besteht daher zunächst ein durch arbeitsrechtliche Regelungen geprägtes Verhältnis. Gegenüber dem Syndikusrechtsanwalt sind die Weisungsbefugnisse allerdings aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 4 BRAO eingeschränkt. § 46 Abs. 4 BRAO konkretisiert das in § 46 Abs. 3 BRAO enthaltene Merkmal der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts. Gemäß § 46 Abs. 4 BRAO übt, positiv formuliert, derjenige eine fachlich unabhängige Tätigkeit aus, der sich nicht an Weisungen zu halten hat, „die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen“. Die fachliche Unabhängigkeit ist arbeitsvertraglich abzusichern, § 46 Abs. 4 S. 2 BRAO. Dementsprechend sind die Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers bezüglich der fachlichen 51 MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 76 Rn. 14; dort auch zur strittigen Frage, ob die Leitung delegierbar ist. 52 MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 76 Rn. 16. 53 MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 76 Rn. 16. 54 BGHZ 36, 142 (143); BGHZ 12, 1 (8). Die Literatur ist dem gefolgt GroßkommAktG/ Kort, Band 4/1, § 76 Rn. 234; ders., § 84 Rn. 275; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 84 Rn. 14; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/1, § 76 Rn. 82; MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 84 Rn. 60; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 Rn. 26; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), HdB. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 8; Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 27 Rn. 13. 55 BGHZ 10, 187 (191). 56 BGHZ 36, 142 (143); Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 98; vgl. auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/1, § 93 Rn. 48.

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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Berufsausübung begrenzt. Damit ist eine richtliniengebundene Fallbearbeitung ausgeschlossen, während hingegen bindende Verhaltens- oder Complianceregelungen für den Syndikusrechtsanwalt unschädlich sind.57 II. Rechtsberatung gegenüber dem Vorstand In Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion sind der Vorstand und die Vorstandsmitglieder auch erster Ansprechpartner des Syndikusrechtsanwalts, wenn es um die Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Pflicht zur rechtlichen Beratung der Gesellschaft geht. Der Vorstand ist als Leitungsorgan gemäß §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 S. 1 AktG für das operative Geschäft der Gesellschaft verantwortlich. Dementsprechend erfolgt die Beratung der Gesellschaft regelmäßig gegenüber dem Vorstand als dem organschaftlichen Vertreter der Aktiengesellschaft, sofern die Gesellschaft nicht ausnahmsweise durch den Aufsichtsrat vertreten wird, vgl. § 112 S. 1 AktG. Ungeklärt ist bisher allerdings noch die Reichweite des Mandats zwischen Syndikusrechtsanwalt und Aktiengesellschaft im Hinblick auf die Organmitglieder und insbesondere die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft. Fraglich ist, inwieweit aufgrund des Mandatsverhältnisses zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft die rechtliche Beratung des Vorstands und der Vorstandsmitglieder zulässig ist. Die Beantwortung dieser Frage ist eine notwendige Vorfrage zur Beurteilung der Reichweite des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen und der Verschwiegenheitspflichten für den in einer Aktiengesellschaft tätigen Syndikusrechtsanwalt im nachfolgenden Kapitel. Ist die Beratung des Vorstands nämlich bereits vom Mandatsverhältnis zwischen Syndikusrechtsanwalt und Aktiengesellschaft umfasst, wird sich insoweit kein Problem im Hinblick auf die Einhaltung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen und der Verschwiegenheitspflichten ergeben. 1. Erstreckung des Beratungsmandats mit der Gesellschaft auf den Vorstand a) Einführung in die Problematik Grundsätzlich ist der Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46 Abs. 1 BRAO der Anwalt der Aktiengesellschaft und berät in dieser Funktion zugleich deren Organe, sofern dies geboten ist. Es ist jedoch zu beachten, dass die anwaltliche Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts auf die Beratung und Vertretung des Arbeitgebers in dessen Rechtsangelegenheiten beschränkt ist, § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO.58 Der Syndikus-

57 BT-Drucks. 18/5201, S. 29; siehe auch Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46 BRAO Rn. 28. 58 Siehe auch BT-Drucks. 18/5201, S. 22.

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

rechtsanwalt darf demnach nicht tätig werden, wenn es sich bei der Beratungsangelegenheit nicht um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers handelt. Bisher ungeklärt ist jedoch die Frage, wie weit die Rechtsberatungs- und Vertretungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts gegenüber dem Vorstand reicht, wann es sich bei der Beratung des Vorstands also noch um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers handelt, und in welchen Fällen die Beratung sich nicht mehr auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers erstreckt. Die möglichst präzise Abgrenzung dieser Fälle ist vor dem Hintergrund möglicher Interessenkonflikte zwingend notwendig. Derartige Grenzfälle zwischen Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers in Abgrenzung zu Rechtsangelegenheiten Dritter werden in der Literatur bisher lediglich im Hinblick auf die Beratung verbundener Unternehmen gemäß § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO und die dort bestehenden Probleme bezüglich der Vermeidung von Interessenkonflikten und der Wahrung der Verschwiegenheitspflicht diskutiert.59 Die im Rahmen dieser Diskussion erarbeiteten Ergebnisse sollen nachfolgend auf die Untersuchung der Reichweite der Rechtsberatungs- und Vertretungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts gegenüber dem Vorstand einer Aktiengesellschaft als solchem übertragen werden. Nach § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO sind Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers des Syndikusrechtsanwalts auch Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen. Dennoch besteht auch bei der Beratung verbundener Unternehmen durch den Syndikusrechtsanwalt die grundsätzliche Gefahr, dass Interessenkonflikte auftreten, die einer Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts entgegenstehen, beispielsweise dann, wenn sich die Interessen des Arbeitgebers und des verbundenen Unternehmens nicht decken.60 Zudem ist bei der Beratung verbundener Unternehmen unklar, welchen Personen bzw. Gesellschaften gegenüber Verschwiegenheitspflichten bestehen.61 Diese Problemfälle werden mit Hilfe gesellschaftsrechtlicher Erwägungen gelöst: Die Reichweite der berufsrechtlichen Grundpflichten des Syndikusrechtsanwalts wird anhand der gesellschaftsrechtlichen Interessenlagen bestimmt.62 Je nach Unternehmens- bzw. Konzernstruktur seien die unterschiedlichen gesellschaftsrecht59

Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (273 ff.); siehe auch Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 ff. 60 Vgl. Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (274); ob im Konzernverbund tatsächlich Interessenkonflikte entstehen können ist jedoch noch völlig ungeklärt, siehe zu diesen Problemen im Einzelnen Kapitel 6. 61 Die diesbezügliche Rechtslage ist aufgrund systematischer Unklarheiten innerhalb der Regelung des § 46 BRAO unklar. Siehe im Einzelnen Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (275); siehe dazu auch Kapitel 6. 62 Siehe Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (277).

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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lichen und wirtschaftlichen Interessenlagen zu untersuchen.63 Dabei wird die Abgrenzung zwischen Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers und Rechtsangelegenheiten Dritter, in diesem besonderen Einzelfall bezogen auf die bestehenden Verschwiegenheitspflichten, in einem mehrstufigen Verfahren durchgeführt: Bei der gleichzeitigen Beratung der Mutter- und der Tochtergesellschaft sind zunächst die jeweiligen Interessenlagen zu untersuchen.64 Sodann ist, bezogen auf die Wahrung der Pflicht zur Verschwiegenheit, in einem zweiten Schritt zu untersuchen, wer Herr des zu wahrenden Geheimnisses ist.65 Das ist dann problematisch, wenn keine internen Verschwiegenheitsvereinbarungen bestehen.66 Kommt es zu Interessenkonflikten oder Unklarheiten hinsichtlich der bestehenden Verschwiegenheitspflichten, ist der Syndikusrechtsanwalt zuallererst den Interessen seines Arbeitgebers verpflichtet und muss diesem gegenüber keine Verschwiegenheitspflicht wahren.67 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Bezug auf Verschwiegenheitspflichten eines Kanzleirechtsanwalts gegenüber den Organmitgliedern der Aktiengesellschaft: Der Bundesgerichtshof hat insoweit entschieden, dass die Interessen der Aktiengesellschaft stets vorrangig seien und den Organmitgliedern gegenüber grundsätzlich keine Pflicht zur Verschwiegenheit bestehe.68 Dies gelte erst recht, wenn die Beratung sich nicht in eine persönliche Beratung der Organmitglieder und eine Beratung der Gesellschaft aufteilen lasse.69 Diese sich auf die Verschwiegenheitspflicht beziehende Diskussion kann auf die Untersuchung des Umfangs des zwischen Gesellschaft und Syndikusrechtsanwalt bestehenden Beratungsmandats und dessen Reichweite übertragen werden. Innerhalb einer Gesellschaft stehen viele Interessen in Konkurrenz zueinander. Mögliche gesellschaftsrechtliche Interessenkonflikte sind der Aktiengesellschaft aufgrund der bereits dargestellten Besonderheiten des aktienrechtlichen Leitungs- und Überwachungssystems immanent. Aufgrund dieser gesellschaftsrechtlichen Interessenkonflikte gerät auch der Syndikusrechtsanwalt bei seiner Beratung der Gesellschaft und ihrer Organe in die Gefahr, widerstreitende Interessen zu vertreten. Der Umfang der Beratungs- und Vertretungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts ist daher mit 63

Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (277 f.). Im konkreten Fall werden auf Grundlage der festgestellten Interessen die jeweiligen Verschwiegenheitspflichten bestimmt. 64 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (277 f.). 65 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (280). 66 Dazu Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (280). 67 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (278). Bereits Schwung forderte, dass der Syndikusrechtsanwalt sich seiner „Rolle als Anwalt der Gesellschaft besinnen“ müsse, Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). Näher zur Verschwiegenheit Kapitel 4 § 2. 68 BGHZ 109, 260 (271). 69 BGHZ 109, 260 (271).

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

einem Blick auf mögliche Interessenkonflikte zu bestimmen. Dabei kommt es, wie soeben gezeigt, auf die gesellschaftsrechtlichen Interessenlagen an. Bei einem gleichzeitigen Tätigwerden für die Gesellschaft und die Mitglieder des Vorstands oder bei gleichzeitigem Tätigwerden für die Organe der Gesellschaft ist bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers“ besondere Sorgfalt geboten. b) Die „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO Eine Beratung des Vorstands der Aktiengesellschaft durch den Syndikusrechtsanwalt in seiner anwaltlichen Funktion ist folglich von vornherein nur zulässig, sofern es sich bei dem Beratungsgegenstand unter Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Interessenlage um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO handelt. Wann es sich bei einer bestimmten Rechtsangelegenheit um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers handelt, wird in der Bundesrechtsanwaltsordnung jedoch nicht näher definiert. Auch die Gesetzesmaterialien verweisen lediglich darauf, dass der Begriff der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers durch § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO konkretisiert wird.70 Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber mit § 46 Abs. 5 BRAO nur klarstellend regeln wollte, dass der Syndikusrechtsanwalt Rechtsangelegenheiten in verbundenen Unternehmen sowie die weiteren in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO aufgeführten Rechtsangelegenheiten wahrnehmen darf.71 Bei § 46 Abs. 5 BRAO handelt es sich daher nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung nur um eine klarstellende Regelung, die die Rechtsdienstleistungskompetenz des Syndikusrechtsanwalts nicht begründet, sondern voraussetzt,72 da die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber dem Arbeitgeber nie eine unerlaubte Tätigkeit im Sinne des § 3 RDG darstelle.73 Zudem wäre zum Beispiel die anwaltliche Tätigkeit im Konzernverbund bereits nach § 2 Abs. 3 Ziff. 6 RDG zulässig.74

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BT-Drucks. 18/5201, S. 30. BT-Drucks. 18/5201, S. 30. 72 Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (246); Henssler/Deckenbrock, NJW 2016, 1345 (1348); ähnlich Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (107 f.); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (319 f.). 73 Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (246); Henssler/Deckenbrock, NJW 2016, 1345 (1348); Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220); in diesem Sinne auch Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (107); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320). 74 Hierzu Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320). 71

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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Aufgrund der Bezugnahme der Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO auf das Rechtsdienstleistungsgesetz kann zur Definition der „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ auf die Definition der Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG zurückgegriffen werden, da § 46 Abs. 5 BRAO unter den Begriff der „Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers“ auch „Rechtsdienstleistungen“ im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes fasst, § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1, 2 BRAO.75 In § 2 Abs. 1 RDG heißt es: „Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.“ Rechtsdienstleistungen im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes dürfen jedoch dann nicht erbracht werden, wenn eine Unvereinbarkeit der Rechtsdienstleistung mit einer anderen Leistungspflicht besteht, § 4 RDG. Das ist der Fall, wenn sich zwei Leistungspflichten auf denselben Sachverhalt beziehen, wenn also ein Interessenkonflikt vorliegt.76 Erforderlich ist dabei das Bestehen eines konkreten Interessenkonflikts.77 Bezogen auf den Syndikusrechtsanwalt besteht die Gefahr von Interessenkollisionen im Sinne des § 4 RDG, sofern weitere Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 5 RDG als Nebenleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erbracht werden.78 Das Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt dem Dienstleister daher nur die Erbringung solcher Rechtsdienstleistungen, die nicht zu einem Interessenkonflikt führen. Anders ausgedrückt handelt es sich nur dann um erlaubte Rechtsdienstleistungen im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes, wenn bei der Wahrnehmung der Angelegenheiten keine widerstreitenden Interessen vertreten werden. Übertragen auf den Begriff der „Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers“ gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO bedeutet das folgendes: Es handelt sich bei einer Rechtsangelegenheit dann nicht um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers, wenn bei der Bearbeitung der Angelegenheit nicht die Interessen des Arbeitgebers verfolgt werden sollen. Dies gilt erst recht, wenn die zu bearbeitende Rechtsangelegenheit mit dem Interesse des Arbeitgebers im Widerstreit steht. Es ist daher in jedem Einzelfall die Interessenlage des Arbeitgebers zu bestimmen und eine Abgrenzung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers von den Rechtsangelegenheiten Dritter vorzunehmen. Aus diesen Grundsätzen heraus lässt sich der Begriff der „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ in Anlehnung an § 2 Abs. 1 RDG wie folgt definieren: Um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt es sich bei Tätigkeiten in konkreten, fremden Angelegenheiten im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern und sofern bei der Bearbeitung der 75

Auch Offermann-Burckart hat bereits vorgeschlagen, auf die Definition des § 2 Abs. 1 RDG zurückzugreifen, Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320). 76 Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock, RDG, § 4 Rn. 16. 77 Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock, RDG, § 4 Rn. 28. 78 Krenzler/Remmertz, RDG, § 4 Rn. 49 ff.

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Rechtsangelegenheit die Interessen des Arbeitgebers und keine anderen (widerstreitenden) Interessen vertreten werden. Mit der Berücksichtigung von Interessenkonflikten bei der Bestimmung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers kommt der Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO eine eigenständige Bedeutung zu, auch wenn es sich bei § 46 Abs. 5 BRAO unter Berücksichtigung der Regelungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes um eine klarstellende Regelung handelt. Bei den in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO aufgeführten Rechtsdienstleistungen handelt es sich nämlich nicht um solche Rechtsdienstleistungen, die stets zugunsten des Arbeitgebers erbracht werden können. Auch die Wahrnehmung der in § 46 Abs. 5 BRAO aufgeführten Rechtsangelegenheiten ist nur zulässig, wenn dabei die anwaltlichen Grundpflichten gewahrt und insbesondere keine widerstreitenden Interessen vertreten werden. Zudem dient die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO der Vermeidung der Gefährdung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts aufgrund des Einwirkens fremder (Kapital-)Interessen.79 Eine solche Gefährdung besteht nach Auffassung des Gesetzgebers und des Bundesgerichtshofs lediglich in den in § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 – 3 BRAO genannten Fällen nicht, da dort aufgrund des unterstellten Interessengleichlaufs keine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit durch fremde wirtschaftliche Interessen drohe.80 Das zeigt, dass denkbare Interessenkonflikte nach dem Zweck der Gesetzesbegründung bei der Bestimmung der Rechtsangelegenheiten grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Syndikusrechtsanwalt nur in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers tätig werden darf. Um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt es sich nicht, wenn Rechtsangelegenheiten Dritter bearbeitet werden sollen.81 In Fällen, in denen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Rechtsangelegenheiten Dritter und den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers bestehen, handelt es sich nicht um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, wenn die Tätigkeit nicht überwiegend im Interesse des Arbeitgebers ausgeübt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Syndikusrechtsanwalt widerstreitende Interessen vertreten müsste. Dieses Verständnis des Begriffs „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ steht dem Normzweck des § 46 Abs. 5 BRAO nicht entgegen. Die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO wurde durch den Gesetzgeber zwar allein mit der Absicherung der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts durch Aufrechterhaltung und Durchsetzung des Fremdkapitalverbots begründet.82 Die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts wäre aber auch beeinträchtigt, wenn er trotz bestehender Interessenkollisionen tätig werden dürfte. Der Begriff der „Rechtsangelegenheiten 79

BT-Drucks. 18/5201, S. 30. BT-Drucks. 18/5201, S. 31; BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3106 Rn. 62). 81 BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3104 f. Rn. 50). 82 BT-Drucks. 18/5201, S. 30. 80

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des Arbeitgebers“ ist daher so auszulegen, dass davon nur Rechtsangelegenheiten umfasst sind, die im Interesse des Arbeitgebers wahrgenommen werden sollen. c) Fallgruppen Wann konkret eine Angelegenheit als Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers einzuordnen ist und wie die Bestimmung der gesellschaftsrechtlichen Interessenlage zu erfolgen hat, soll anhand der folgenden Fallgruppen diskutiert werden. Diese Fallgruppen werden anschließend zuerst unter Berücksichtigung der bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage untersucht. Sodann werden die sich aus den Fällen ergebenden Probleme unter Berücksichtigung der derzeit gültigen Rechtslage untersucht, wobei hier zuerst auf die für Kanzleirechtsanwälte geltende Rechtslage eingegangen wird, um danach die für Syndikusrechtsanwälte geltende Rechtslage unter Berücksichtigung des Umfangs des zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft bestehenden Mandatsverhältnisses darzustellen. Fall 1: Der Vorstand der Aktiengesellschaft A tritt an den Syndikusrechtsanwalt der Gesellschaft heran und bittet ihn, in Vorbereitung eines Geschäftsabschlusses für die Gesellschaft einen Vertragsentwurf zu prüfen und eine Einschätzung zu den rechtlichen Risiken des Geschäfts abzugeben. Darf der Syndikusrechtsanwalt tätig werden? Fall 2:83 Der Vorstandsvorsitzende V der Aktiengesellschaft A ließ mehrfach Ad-hoc Mitteilungen über Großaufträge des Kunden K über den Kauf der neuesten Entwicklung der A veröffentlichen. Tatsächlich war das Produkt noch nicht fertig entwickelt und der Großauftrag durch K daher zunächst nur in Aussicht gestellt worden. Auf der Hauptversammlung wurde die Meldung richtiggestellt, in einer späteren Adhoc Mitteilung jedoch wiederholt. Der V tritt an den Syndikusrechtsanwalt der A heran und möchte wissen, welche Haftungsrisiken auf ihn zukommen, sollte aufgrund der Meldungen eine Überbewertung der Aktien der A eintreten. Darf der Syndikusrechtsanwalt tätig werden? Fall 3: Das Vorstandsmitglied R der Aktiengesellschaft A tritt an den Syndikusrechtsanwalt heran und bittet ihn, Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes einzulegen, da andernfalls ein Fahrverbot droht. Die Verkehrsordnungswidrigkeit wurde von R mit seinem privaten Pkw bei einer privat veranlassten Fahrt begangen. Darf der Syndikusrechtsanwalt tätig werden, wenn er zugleich eine Zulassung als Kanzleirechtsanwalt hat? 83

Fall angelehnt an BGHZ 160, 149 (149 f.).

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

d) Lösung der Fallgruppen nach altem Recht Zu der bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage wurde vertreten, dass die gesetzlichen Vertreter und Organe des Arbeitgebers mit diesem auch berufsrechtlich im Sinne des Wortlauts des § 46 Abs. 1 BRAO a. F. gleichgestellt sind,84 sodass eine Beratung des Syndikusanwalts sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den Organen und Organmitgliedern zulässig war. Diesem Verständnis lag die Doppelberufstheorie zu Grunde. Unter Geltung der Doppelberufstheorie war die Lösung der drei vorgenannten Fallgruppen im Wesentlichen unproblematisch. Bis zum 31.12.2015 war der Syndikusanwalt zugelassener Rechtsanwalt und stand, in doppelter Funktion, zugleich in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft.85 Innerhalb seiner Tätigkeit für die Gesellschaft war er insbesondere nach Ansicht des Gesetzgebers und der Rechtsprechung nicht anwaltlich tätig und durfte für den Arbeitgeber nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt auftreten. Zudem enthielt das Gesetz noch nicht die Einschränkung, dass der Syndikusanwalt nur in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers tätig werden darf, sodass sich die Frage nach den einzelnen Mandatsbeziehungen oder der berufsrechtlichen Zulässigkeit der Beratung der Gesellschaft und ihrer Organe nicht stellte. In den Fällen 1 und 2 bestanden keinerlei berufsrechtliche Probleme. Sowohl die Beratung der Gesellschaft zu einem bestimmten Geschäftsabschluss (Fall 1) als auch die Beratung des Vorstands im Hinblick auf eine mögliche Haftung (Fall 2) wäre zulässig gewesen, da der Syndikusanwalt bei Anwendung der Doppelberufstheorie im Unternehmen nicht anwaltlich tätig war und daher nicht Gefahr lief, durch die Beratung des Vorstands und der Gesellschaft berufsrechtliche Pflichten zu verletzen, sofern die Beratung des Vorstands sich auf Angelegenheiten bezog, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vorstands für die Aktiengesellschaft stand. Der Grund dafür war, dass innerhalb der Tätigkeit als angestellter Syndikusanwalt die Anwendbarkeit des § 43a Abs. 4 BRAO verneint wurde.86 Interessenkonflikte wurden nur in den Fällen angenommen, in denen der Syndikusanwalt als Kanzleianwalt in einer Sache tätig werden wollte, in der er bereits im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als Syndikusanwalt tätig war, was aber in der Regel bereits nach § 46 Abs. 2 Ziff. 1 BRAO a. F. zu einem Tätigkeitsverbot führte.87 Zudem existierte keine den Syndikusanwalt auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkende Regelung. Dem Syndikusanwalt war es nach § 46 BRAO a. F. lediglich 84

Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 35. Siehe zur Doppelberufstheorie im Einzelnen Kapitel 2. 86 Kleine-Cosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 43a Rn. 153. 87 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 44. Dieser auch näher zu weiteren denkbaren Interessenkonflikten des Syndikusanwalts nach alter Rechtslage. Weiterhin Kleine-Cosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 43a Rn. 153; Bartosch-Koch, AnwBl. 2010, 237 (239), die sich im Wesentlichen auf Interessenkonflikte bei einem Tätigwerden des Syndikusrechtsanwalts als Kanzleirechtsanwalt neben seiner Angestelltentätigkeit bezieht. 85

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verwehrt, Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers als Rechtsanwalt vor Gericht zu vertreten, § 46 Abs. 1 BRAO a. F., sowie Rechtsangelegenheiten zu bearbeiten, mit denen er bereits anderweitig vorbefasst war, § 46 Abs. 2 BRAO a. F. Vor dem Hintergrund der Gleichstellung der gesetzlichen Vertreter mit der Gesellschaft bei der Definition des Begriffs des Auftraggebers in § 46 Abs. 1 BRAO a. F.88 war das konsequent. Zwar wurde teilweise vertreten, dass der Syndikusanwalt auch unter Geltung der Doppelberufstheorie im Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft an das anwaltliche Berufsrecht gebunden war,89 soweit ersichtlich wurden daraus aber keine Beschränkungen der unternehmensintern wahrgenommenen Aufgaben abgeleitet. Da der Syndikusanwalt im Unternehmen nicht anwaltlich tätig war, kam der Tätigkeit andererseits auch gar nicht der Charakter einer anwaltlichen Beratung zu. Im Fall 3 wäre eine private Vertretung des Vorstandsmitglieds durch den Syndikusrechtsanwalt jedenfalls in seiner Funktion als Kanzleirechtsanwalt zulässig gewesen. Die Vertretung des Vorstandsmitglieds im Bußgeldverfahren steht in keinem Zusammenhang mit dem Beratungsmandat gegenüber der Gesellschaft. Gemäß der bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage war eine forensische Vertretung der Organe des Arbeitgebers durch den Syndikusanwalt in seiner Eigenschaft als Kanzleirechtsanwalt in Bußgeldsachen zulässig, soweit es sich um rein private Angelegenheiten handelte.90 Das Vertretungsverbot des § 46 Abs. 1 BRAO a. F. galt nur für Tätigkeiten mit Bezug zum Arbeitsverhältnis bzw. zum Auftraggeber.91 Andere Mitarbeiter durfte der Syndikusanwalt als Kanzleianwalt in Unternehmensangelegenheiten in Straf- und Bußgeldsachen ebenfalls vertreten, sofern die Vertretung nicht aufgrund der Regelung des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO unzulässig war,92 bzw. sofern kein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 BRAO a. F. vorlag.93

88

Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 35. Redeker, NJW 2004, 889 (890); Roxin, NJW 1992, 1129 (1131). 90 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 30; Kleine-Cosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 46 Rn. 23; Feuerich/Weyland/Träger, BRAO, 9. Auflage 2016, § 46 Rn. 18. In diesem Sinne auch Hein, S. 52, 167, 173. Noch weitergehender Lewens, S. 108. Nach dessen Auffassung war die Doppelberufstheorie abzulehnen und § 46 Abs. 1 BRAO bei einem „echten“ Syndikusrechtsanwalt nicht anwendbar, sodass der Syndikusrechtsanwalt innerhalb und außerhalb des Dienstverhältnisses als Strafverteidiger in Betracht kam. A. A. im Hinblick auf gesetzliche Vertreter des Arbeitgebers Gaier/Wolf/Göcken/Huff, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, § 46 BRAO Rn. 24; Hartung/Hartung, BORA/FAO, 5. Auflage 2012, § 46 BRAO Rn. 37. 91 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 34. 92 Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 202 (206 f.). 93 Vgl. zur alten Rechtslage insgesamt Lewens, S. 106 ff. 89

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

e) Lösung der Fallgruppen nach neuem Recht Diese Ausführungen gelten nach der Neufassung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte nicht mehr. Der entscheidende Unterschied besteht in der Anerkennung des Syndikusrechtsanwalts als Rechtsanwalt, sodass die Beratungstätigkeit unter Beachtung der berufsrechtlichen Vorschriften über das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO und die Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO zu erfolgen hat. aa) Rechtslage bei Kanzleianwälten Die berufsrechtlichen Pflichten des Rechtsanwalts bei der Beratung von Aktiengesellschaften wurden bisher überwiegend für Kanzleianwälte erörtert.94 Da Syndikusrechtsanwälte Kanzleianwälten gemäß § 46c Abs. 1 BRAO nunmehr grundsätzlich gleichgestellt sind, wird im Folgenden die für einen Kanzleianwalt geltende Rechtslage dargestellt, um diese anschließend auf den Syndikusrechtsanwalt zu übertragen. Berät ein externer Rechtsanwalt eine Aktiengesellschaft, besteht ein nicht unerhebliches Problem darin, dass bei der Beratung Interessenkonflikte auftreten können.95 Üblicherweise wird der Rechtsanwalt von der Aktiengesellschaft, vertreten durch den Vorstand, mandatiert und muss bei seiner Beratung darauf achten, dass innerhalb der Gesellschaft verschiedene Interessengruppen agieren, deren Interessen bei der Beratung des Rechtsanwalts eine Rolle spielen können, da die Aktiengesellschaft in verschiedenen Situationen von verschiedenen Organen repräsentiert wird.96 Daneben kann der Rechtsanwalt aber auch nur von den Organmitgliedern mandatiert werden und steht dann in einem ausschließlichen Mandatsverhältnis zu diesen und darf für die Gesellschaft selbst nicht mehr im widerstreitenden Interesse tätig werden.97 Diese abstrakte Betrachtungsweise zeigt, dass bei der Beratung der Aktiengesellschaft durch einen Kanzleianwalt streng zwischen den Rechtsbeziehungen des Rechtsanwalts zur Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, und zur Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, sowie ggf. zu den einzelnen Organmitgliedern zu unterscheiden ist. Es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen der Beratung der Aktiengesellschaft, vertreten durch eines ihrer Organe, im Gesellschaftsinteresse oder der Aktiengesellschaft, vertreten durch eines ihrer Organe, im jeweiligen Organinteresse.98 Diese Unterscheidung ist eine Folge der dualistischen Struktur der Aktiengesellschaft und wirkt sich nicht nur auf die anwaltliche Tätigkeit, sondern insbesondere auch auf prozessuale Fragen aus. So ist eine Klage gegen die Ge94 95 96 97 98

Mit diesen beschäftigt sich der Beitrag von de Raet, AG 2016, 225. Heussen/Hamm/Leistikow, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, Teil B. § 44 Rn. 11. de Raet, AG 2016, 225, mit Fallbeispielen. Vgl. de Raet, AG 2016, 225, mit Fallbeispielen. Grunewald, in: Festschrift für Prütting, S. 941 (946).

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sellschaft, vertreten durch das unzuständige Organ, als unzulässig abzuweisen, wenn die Prozessführung nicht durch das zuständige Organ genehmigt wird.99 Dieses Beispiel aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass der Rechtsordnung eine Unterscheidung der einzelnen Interessengruppen als potenziell unterschiedliche Mandanten bzw. Prozessbeteiligte nicht fremd ist. Nicht anders stellt sich die Rechtslage aber dar, wenn eine Gesellschaft, wie die Aktiengesellschaft, durch verschiedene Organe vertreten werden kann, die ihrerseits unterschiedliche Interessen verfolgen. Bei der anwaltlichen Vertretung ist die Unterscheidung im Wesentlichen zur Vermeidung von Interessenkonflikten notwendig. Interessenkonflikte drohen u. a. dann, wenn der Rechtsanwalt gleichzeitig oder sukzessive die Aktiengesellschaft im Gesellschaftsinteresse und die Gesellschaft im Interesse eines ihrer Organe bzw. eines der Organmitglieder beraten soll. Auch wenn Mandant des Rechtsanwalts immer die Gesellschaft selbst ist, können zwischen den Vertretungsorganen der Gesellschaft unterschiedliche Interessenlagen oder persönliche Interessen der Organmitglieder bestehen, die sich auf die anwaltliche Tätigkeit auswirken. Problematisch ist beispielsweise die Beratung eines Vorstandsvorsitzenden bei der Vorbereitung eines Aufhebungsvertrags mit der Gesellschaft, wenn der Rechtsanwalt zuvor bereits die Gesellschaft vertreten hat.100 Soll dieser Vertrag eine Ausgleichsklausel beinhalten, besteht die Gefahr, dass der Rechtsanwalt in derselben Rechtssache gegen seinen ehemaligen Mandanten, die Aktiengesellschaft, tätig wird, wenn die Klausel sich auf Ansprüche erstreckt, zu denen der Rechtsanwalt der Gesellschaft selbst bereits Rechtsrat erteilt hat (zum Beispiel Schadensersatzforderungen gegen den Vorstandsvorsitzenden).101 Außerdem können sich Probleme ergeben, wenn Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft und eines ihrer Organmitglieder persönlich abgewehrt werden sollen und dabei sowohl das Organmitglied als auch die Gesellschaft durch denselben Rechtsanwalt vertreten werden.102 Dabei ist an Fälle zu denken, in denen die Aktiengesellschaft und der Vorstandsvorsitzende wegen Verletzung von Garantien aus einem Kaufvertrag über den Verkauf einer Unternehmenssparte auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden und denselben Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen.103 In diesem Fall besteht die Gefahr von Interessenkonflikten aufgrund der Verpflichtung des Aufsichtsrats, für die Gesellschaft Regressansprüche gegen die Mitglieder des Vorstands zu verfolgen. Zwar verfolgen die Aktiengesellschaft und ihr Vorstandsvorsitzender in dem Beispielsfall zunächst gleichlaufende Interessen, sodass ein Interessenkonflikt nur latent vorhanden und eine Vertretung beider Par99

BGH, Urteil vom 16.02.2009 – II ZR 282/07, NJW-RR 2009, 690 (691). de Raet, AG 2016, 225 (227, Fall 4). 101 de Raet, AG 2016, 225 (227). 102 Vgl. de Raet, AG 2016, 225 (Fall 3; 230). 103 de Raet, AG 2016, 225 (Fall 3). 100

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

teien grundsätzlich zulässig ist,104 solange das Mandat auf die Abwehr des Anspruchs im gemeinsamen Interesse der Gesamtschuldner gerichtet ist.105 Allein die möglichen Auseinandersetzungen über die interne Haftungsverteilung lösen keinen Interessenkonflikt aus,106 auch wenn davon auszugehen ist, dass die Aktiengesellschaft ein grundsätzliches Interesse an einem Regress hat. Der Aufsichtsrat ist nach der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber zur Geltendmachung von Regressansprüchen gegenüber den Vorstandsmitgliedern verpflichtet.107 Dazu muss der Aufsichtsrat auch vorsorgliche Maßnahmen treffen, um solche Regressansprüche abzusichern.108 Werden durch den Aufsichtsrat Maßnahmen zur Durchsetzung von Regressansprüchen eingeleitet, laufen die Interessen der Gesellschaft und des daneben in Anspruch genommenen Organmitglieds nicht mehr gleich, sodass aus dem latenten Interessenkonflikt ein echter Interessenkonflikt erwächst und der Rechtsanwalt verpflichtet ist, beide Mandate niederzulegen. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 3 Abs. 4 BORA, gilt aber auch für § 43a Abs. 4 BRAO.109 Ein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO ist aufgrund der bereits für beide Parteien übernommenen Vertretung nicht mehr ausreichend. Daneben ist zwischen der Beratung der Gesellschaft und der Beratung der Aktionäre zu unterscheiden, da auch in dieser Beziehung Interessenkonflikte drohen können.110 In diesem Verhältnis treten Interessenkonflikte allerdings ohnehin viel deutlicher zu Tage, sodass auf diese Konstellation nicht näher eingegangen wird. Es dürfte auf der Hand liegen, dass ein Rechtsanwalt nicht gleichzeitig die Aktiengesellschaft und einen oder mehrere Aktionäre in derselben Angelegenheit, wie zum Beispiel zum Bestehen und dem Umfang von Auskunftsansprüchen bzw. eventuellen Verweigerungsrechten des Vorstands gemäß § 131 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG, beraten darf.111 Die vorstehenden Fallkonstellationen verdeutlichen die Risiken, denen der Rechtsanwalt bei der Beratung von Aktiengesellschaften ausgesetzt ist. Aus diesem Grund werden die Beratungsfelder (Beratung der Gesellschaft, Beratung der Organe 104 Henssler, AnwBl. 2013, 668 (673), zugleich grundlegend zu Interessenkonflikten bei der Vertretung mehrere Gesamtschuldner; dem folgend de Raet, AG 2016, 225 (230). 105 BGH, Urteil vom 10.01.2019 – IX ZR 89/18, NJW 2019, 1147 (Ls. 2, 1149 f. Rn. 21). 106 Henssler, AnwBl. 2013, 668 (673); siehe dazu auch BGH, Urteil vom 10.01.2019 – IX ZR 89/18, NJW 2019, 1147 (1149 f. Rn. 21, 1150 f. Rn. 30). 107 BGHZ 135, 244 (252, 255 f.); zur Anwendung im konkreten Fall de Raet, AG 2016, 225 (230). 108 BGHZ 180, 9 (21 f. Rn. 23); zur Anwendung im konkreten Fall de Raet, AG 2016, 225 (230). 109 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 209. 110 Heussen/Hamm/Leistikow, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, Teil B. § 44 Rn. 11. 111 Zu Interessenkollisionen in diesem Fall und in weiteren Konstellationen zwischen Aktiengesellschaft und Aktionären, allerdings bezogen auf den Syndikusrechtsanwalt, Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). Praktisch dürfte diese Konstellation jedoch kaum von Bedeutung sein.

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oder einzelner Organmitglieder) streng getrennt. Abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls hat der Rechtsanwalt präzise zu ermitteln, mit wem das Mandatsverhältnis zustande kommen soll, um Interessenkollisionen zu verhindern. Das gilt insbesondere dann, wenn die Kommunikation zwischen Rechtsanwalt, der Gesellschaft und den Organmitgliedern über die Rechtsabteilung oder ein anderes zentrales Büro verläuft, da der Rechtsanwalt in diesen Fällen nicht immer sofort weiß, wen bzw. welche Interessen er vertreten soll.112 bb) Übertragung der Grundsätze auf den Syndikusrechtsanwalt Diese bei der Beratung durch einen externen Kanzleianwalt bestehenden Probleme bestehen aufgrund der Gleichstellung gemäß § 46c Abs. 1 BRAO dem Grunde nach auch bei der Beratung durch einen Syndikusrechtsanwalt. Der Syndikusrechtsanwalt ist dem Kanzleianwalt berufsrechtlich im Wesentlichen gleichgestellt und daher bei der Beratung der Gesellschaft denselben Problemen und berufsrechtlichen Gefahren ausgesetzt, denen auch ein Kanzleianwalt ausgesetzt ist, mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Syndikusrechtsanwalt in einem ausschließlichen Arbeits- und Mandatsverhältnis zur Aktiengesellschaft steht. Auch der Syndikusrechtsanwalt kann in einen Konflikt der verschiedenen Interessengruppen der Gesellschaft geraten und von verschiedenen Organen bzw. handelnden Akteuren mit der Interessenwahrnehmung oder auch nur der Beantwortung einer Rechtsfrage beauftragt werden. Das bedeutet, dass bei der berufsrechtlichen Betrachtung der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts ebenfalls zwischen den einzelnen Beziehungen zur Gesellschaft, vertreten durch die jeweils zuständigen Organe, und ggf. zu einzelnen Organmitgliedern zu differenzieren ist.113 Diese Unterscheidung wird über die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO und die darin erhaltene Begrenzung der Rechtsdienstleistungsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts auf Rechtsangelegenheiten der Aktiengesellschaft erreicht. Es existieren aufgrund der gesetzlichen Anerkennung der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im Unternehmen als anwaltliche Tätigkeit keine (berufs-)rechtlichen Gründe, die eine von den Kanzleianwälten abweichende Einordnung der Beziehung des Syndikusrechtsanwalts zur Gesellschaft und den Organen und Organmitgliedern der Gesellschaft rechtfertigen. Soweit zu der alten Rechtslage vertreten wurde, dass der Arbeitgeber und dessen Organe bzw. die gesetzlichen Vertreter aus berufsrechtlicher Sicht gleichgestellt sind,114 sodass eine 112

de Raet, AG 2016, 225. So auch de Raet, AG 2016, 225 (229), der auf die verschiedenen Interessensgruppen in dem besonderen Einzelfall der streitigen Trennung der Gesellschaft von ihrem Vorstandsvorsitzenden hinweist. Dem folgend Müller, S. 285. Müller verallgemeinert die Ansicht von de Raet und ist in Übereinstimmung mit der hier vertretenen Auffassung der Ansicht, dass grundsätzlich zwischen der Beratung der Gesellschaft und der Beratung eines Organmitglieds der Geschäftsführung zu unterscheiden ist. 114 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 35. 113

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

Beratung beider Parteien unproblematisch möglich ist, kann an dieser Auffassung aufgrund der Gleichstellung des Syndikusrechtsanwalts mit dem Kanzleirechtsanwalt nicht mehr festgehalten werden. (1) Umfang des Beratungsmandats zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft Für die Lösung der Beispielsfälle ist zunächst der Umfang des zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft bestehenden Beratungsmandats zu untersuchen. Wie oben bereits dargestellt wurde, begründet der Arbeitsvertrag zwischen Syndikusrechtsanwalt und Aktiengesellschaft zugleich ein anwaltliches Mandatsverhältnis. Dieses besteht nach Sinn und Zweck der Regelung des § 46 BRAO ausschließlich zum Arbeitgeber.115 Die Beratung der Organmitglieder in persönlichen Angelegenheiten ist nicht Gegenstand der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts,116 da sich gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt. Die Beratung anderer Personen ist unzulässig.117 Andererseits ist der Vorstand das operative Leitungsorgan der Gesellschaft und handelt für die Aktiengesellschaft. Erst durch das Tätigwerden der Organe der Aktiengesellschaft wird der Gesellschaft die Handlungsfähigkeit vermittelt.118 Gegenüber dem Syndikusrechtsanwalt übt der Vorstand zugleich die Arbeitgeberfunktion aus und steht dem Arbeitgeber daher insoweit gleich. Zudem ist es aus Sicht der Praxis die zentrale Aufgabe des Syndikusrechtsanwalts, die Mitglieder des Vorstands der Aktiengesellschaft in ihrer aktienrechtlichen Funktion als Vorstandsmitglieder rechtlich zu beraten.119 Insofern muss die Beratung des Vorstands der Aktiengesellschaft im Interesse der Gesellschaft gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO im Grundsatz möglich sein. Insoweit stellt sich die Frage, wann eine Beratung des Vorstands als Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft zulässig ist und wann eine Beratung des Vorstands, zum Beispiel im Hinblick auf subjektive Organrechte, als Beratung Dritter einzuordnen ist. Denn in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO ist geregelt, dass der Syndikusrechtsanwalt für Dritte nur in den dort genannten Grenzen tätig werden darf. Bei den in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO genannten Beratungstätigkeiten wird fingiert, dass es sich

115 Die Gesetzesbegründung spricht vom Arbeitgeber als Mandanten des Syndikusrechtsanwalts, BT-Drucks. 18/5201, S. 29. 116 So zur alten Rechtslage Junker/Biederbick, AG 2012, 898 (903 f.); Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). 117 Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46 BRAO Rn. 38. 118 BVerfGE 20, 323 (336); siehe zusammenfassend MüKoAktG/Heider, Band 1, § 1 Rn. 42. 119 Otto/Henning/Henning, Der Rechtsabteilungs-Report 2013/14, S. 32; siehe dazu auch Müller, S. 286.

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt.120 Will der Syndikusrechtsanwalt darüber hinaus Dritten Rechtsrat erteilen, muss er sich grundsätzlich als Kanzleianwalt zulassen.121 Eine Erstreckung auf andere als in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO genannte Dritte lässt sich weder aus den Gesetzesmaterialien noch den Regelungen des Rechts der Syndikusrechtsanwälte entnehmen.122 Daher scheidet auch eine analoge Anwendung des § 46 Abs. 5 BRAO aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt: Der Gesetzgeber hat in § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 – 3 BRAO ausdrücklich und abschließend besondere Fälle der Beratung Dritter geregelt.123 Auch die Organe der Aktiengesellschaft sind mangels Erwähnung in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO Dritte im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO, soweit sie nicht als Vertreter der Gesellschaft, sondern hinsichtlich subjektiver Organrechte oder in persönlichen Angelegenheiten beraten werden sollen. Dies hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf Kanzleirechtsanwälte bereits in einem Urteil vom 30.11.1989 entschieden. Dort hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass Organmitglieder einer juristischen Person grundsätzlich außerhalb des Mandatsverhältnisses stehende Dritte sind.124 Der Syndikusrechtsanwalt kann daher die Organe der Aktiengesellschaft bzw. deren Mitglieder zwar in ihrer Eigenschaft als Organe der Gesellschaft im Gesellschaftsinteresse und im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beratungstätigkeit für die Gesellschaft, zum Beispiel nach § 76 Abs. 1 AktG oder § 112 AktG, nicht aber bezüglich der Durchsetzung subjektiver Organrechte oder im persönlichen Interesse beraten.125 Diese Auslegung des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO kommt der Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe und des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs zur Reichweite der Regelung am nächsten. Unter Geltung der neuen Rechtslage zeichnet sich eine Rechtsprechung ab, die die „Angelegenheiten des Arbeitgebers“ im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO eng auslegt.126 Die Organe der Aktiengesellschaft sind daher nicht anders zu behandeln als Kunden des Arbeitge120

(275). 121

(118). 122

Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S 266 Vgl. BeckOGK/Teichmann, § 675 BGB Rn. 123; Offermann-Burckart, NJW 2016, 113

BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3106 Rn. 60). BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3106 Rn. 60); siehe auch AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.06.2018 – 1 AGH 48/17, Rn. 27 ff., zit. nach juris; jeweils unter Verweis auf BT-Drucks. 18/5201, S. 30. 124 BGHZ 109, 260 (271). 125 So noch zum alten Recht Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). Dem auch unter Geltung der neuen Rechtslage folgend Müller, S. 286, mit der Begründung, dass der Syndikusrechtsanwalt dem Gesellschaftsinteresse und nicht den Individualinteressen der Mitglieder der Organe verpflichtet ist. 126 BGH, Beschluss vom 22.10.2018 – AnwZ (Brfg) 44/18, BRAK-Mitt. 2019, 46 (47 Rn. 9); BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3106 Rn. 56); siehe auch AGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.08.2017 – 1 AGH 17/16, Rn. 49, zit. nach juris. Kritisch zu der engen Auslegung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 22.10.2018 Huff, BRAK-Mitt. 2020, 123 (124 f.). 123

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

bers, die ebenfalls als von § 46 Abs. 5 BRAO nicht umfasste Dritte angesehen werden.127 Diese Abgrenzung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers von den subjektiven Interessen der Organe und Organmitglieder der Gesellschaft bereitet aber erhebliche Probleme, wenn es um die Beratung der Organe in internen Kompetenzstreitigkeiten geht. Das Problem besteht darin, dass in diesen Fällen zwar immer auch die Gesellschaft vertreten, diese aber in unterschiedlichen Konstellationen von unterschiedlichen Organen repräsentiert wird, vgl. zum Beispiel §§ 76 Abs. 1, 112 AktG. Will beispielsweise der Vorstand einer Aktiengesellschaft überprüfen lassen, ob eine Überwachungsmaßnahme des Aufsichtsrats gegen das Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG verstößt, kann es sich um eine Rechtsangelegenheit der Aktiengesellschaft handeln, wenn man den Schwerpunkt der Beratung nicht auf der Durchsetzung eigener Rechte der Vorstandsmitglieder, sondern auf der Beratung des Vorstands im Interesse der Aktiengesellschaft an einem rechtmäßigen Verhalten ihrer Organe im Sinne einer guten Corporate Governance sieht. In einer solchen Konstellation sind nicht die von der Literatur aus dem Kreis der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers ausgenommenen individuellen Interessen der Organmitglieder,128 sondern die Interessen des Organs als Handlungssubjekt der Aktiengesellschaft betroffen. Die Beratung der Organe der Aktiengesellschaft im Bereich der gesellschaftsrechtlichen Befugnisse zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgaben für die Aktiengesellschaft können aber grundsätzlich als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO eingeordnet werden. In diesen Fällen kollidieren die Interessen der Gesellschaft nicht mit denen des Organs,129 sondern das Organ macht Organinteressen als Gesellschaftsinteressen geltend. Andererseits machen die Organe in diesen Fällen aber eben auch ihre eigenen organschaftlichen Interessen geltend. Das führt zu der problematischen Situation, dass der Syndikusrechtsanwalt, würde man diese Angelegenheiten als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers einordnen, nur im Interesse eines der Gesellschaftsorgane tätig werden könnte, um nicht Gefahr zu laufen, widerstreitende Interessen vertreten zu müssen. Ob für den Syndikusrechtsanwalt daraus ein Tätigkeitsverbot nach § 43a Abs. 4 BRAO folgt, ist im nachfolgenden Kapitel zu erörtern. Es wird aber bereits deutlich, dass die Abgrenzung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers von anderen Rechtsangelegenheiten in vielen Fällen sehr problematisch ist, sofern widerstreitende Interessen bestehen. 127

Dazu AGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.08.2017 – 1 AGH 17/16, Orientierungssatz und Rn. 49 ff., zit. nach juris. Die Entscheidung wurde durch den Bundesgerichtshof bestätigt, BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 58/17, Rn. 11, zit. nach juris; krit. hierzu Huff, BRAK-Mitt. 2020, 123 (124). Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung inzwischen mehrfach bestätigt, siehe BGH, Urteil vom 22.06.2020 – AnwZ (Brfg) 23/19, NJW 2020, 2966 (2967 f. Rn. 21 ff.); BGH, Beschluss vom 28.05.2020 – AnwZ (Brfg) 11/20, BeckRS 2020, 14467 Rn. 7; BGH, Urteil vom 09.03.2020 – AnwZ (Brfg) 1/18, BeckRS 2020 7874 Rn. 17. 128 Siehe Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15); Müller, S. 286. 129 In Kollisionsfällen soll den Gesellschaftsinteressen nach der Rechtsprechung des BGH der Vorrang eingeräumt werden, BGHZ 109, 260 (271).

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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Widerstreitende Interessen sind daher schon bei der Bestimmung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers zu berücksichtigen. (2) Abgrenzung Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers von Rechtsangelegenheiten Dritter In den Fällen 1 und 2 kann die Frage, ob es sich um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO handelt, nicht ohne Weiteres eindeutig beantwortet werden. In Fall 1 tritt der Vorstand der Aktiengesellschaft A an den Syndikus heran, und bittet um Prüfung eines Vertragsentwurfs für die Gesellschaft. In Fall 2 bittet der Vorstandsvorsitzende hingegen um die Beratung durch den Syndikusrechtsanwalt im Hinblick auf die persönlichen Haftungsrisiken.130 Nur wenn es sich bei der zu übernehmenden Beratungstätigkeit in beiden Fällen um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers handelt, kann auch dem Vorstand bzw. den Vorstandsmitgliedern Rechtsrat erteilt werden. Eine Abgrenzung kann aufgrund der herausgearbeiteten Definition131 des Begriffs der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers anhand des Beratungsinteresses der Gesellschaft unter Berücksichtigung berufsrechtlicher, zivilrechtlicher und arbeitsrechtlicher Kriterien sowie unter Zuhilfenahme gesellschaftsrechtlicher Erwägungen erfolgen. (a) Das Beratungsinteresse der Aktiengesellschaft Der Syndikusrechtsanwalt ist gemäß §§ 3 Abs. 1 BRAO, 1 Abs. 3 BORA zur Wahrnehmung der Interessen des Mandanten verpflichtet. Daneben ergibt sich die Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Mandanten für den Syndikusrechtsanwalt auch aus arbeitsrechtlichen Rechtsgrundsätzen. Der Syndikusrechtsanwalt unterliegt der Gesellschaft gegenüber der allgemein anerkannten Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gemäß § 241 Abs. 2 BGB.132 Daraus folgt eine allgemeine arbeitsrechtliche Pflicht, im Rahmen der Tätigkeit, unter gewissen Umständen sogar außerdienstlich, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.133 Insbesondere hat der Arbeitnehmer alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber abträglich ist,134 was nichts anderes bedeutet, als dass der 130

Siehe zu den Fällen oben Kapitel 3 § 3 A. II. 1. c). Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO sind Tätigkeiten in konkreten, fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern und sofern bei der Bearbeitung der Rechtsangelegenheit keine widerstreitenden Interessen vertreten werden, vgl. Kapitel 3 § 3 A. II. 1. b). 132 St. Rspr. und h. M., vgl. nur beispielsweise BGHSt 5, 187 (190); BAG, Urteil vom 06.09.2012 – 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441 (442 Rn. 16); MüKoBGB/Spinner, Band 5, § 611a Rn. 993 ff. 133 Zur außerdienstlichen Loyalitätspflicht im Einzelnen Ascheid/Preis/Schmidt/Vossen, KSchG, § 1 Rn. 327a ff.; siehe auch LAG Nürnberg, Urteil vom 11.08.2017 – 6 Sa 76/17, BeckRS 2017, 125518, Rn. 61. 134 BAG, Urteil vom 16.08.1990 – 2 AZR 113/90, NJW 1991, 518 (519). 131

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

Arbeitnehmer dazu verpflichtet ist, Schaden vom Arbeitgeber abzuwenden.135 Diese Pflicht trifft ohne Weiteres auch den Syndikusrechtsanwalt.136 Das wahrzunehmende Beratungsinteresse der Aktiengesellschaft bestimmt sich wiederum nach dem Gesellschaftsinteresse. Zweck der Rechtsberatung der Gesellschaft durch den Syndikusrechtsanwalt ist die Sicherstellung rechtmäßigen Verhaltens in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft. Der Syndikusrechtsanwalt wird daher auch als „,rechtliches Gewissen‘ des Unternehmens“137 bezeichnet. Die Rechtsberatung soll Schäden von der Gesellschaft abwenden und dementsprechend auch Haftungsrisiken vermeiden oder wenigstens verringern. Zweck der Beratung ist es jedoch in der Regel nicht, die den Vorstand persönlich treffenden Haftungsrisiken zu vermeiden bzw. zu verringern. Allerdings ist bei der Beratung ein Gleichlauf der wechselseitigen Interessen denkbar. Auch die Organe der Aktiengesellschaft sind auf das Unternehmensinteresse verpflichtet. Für den Vorstand ergibt sich die Verpflichtung unmittelbar aus § 76 Abs. 1 AktG sowie Abschnitt E. Grundsatz 19 DCGK. Für den Aufsichtsrat ergibt sich die Verpflichtung insbesondere aus Abschnitt E. Grundsatz 19 DCGK. Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum ist die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse überdies hinsichtlich beider Organe als etablierter Leitungsgrundsatz anerkannt.138 Im Gesellschaftsrecht ist allerdings umstritten, wie sich das Unternehmensinteresse aus Sicht des Vorstands definieren lässt und wie ein gerechter Ausgleich zwischen den vielfältigen zu berücksichtigenden Interessen gelingen kann.139 Eine Lösung des Streits scheint auch nach einer über dreißig Jahre währenden Diskussion nicht in Sicht zu sein,140 allerdings ergibt sich eine gewisse Konkretisierung aus der Präambel des DCGK.141 Dort werden die verschiedenen Belange, die 135

MüHdBArbR/Reichold, Band 1, § 53 Rn. 16; siehe auch MüHdBArbR/Reichold, Band 1, § 55 Rn. 8 ff.; weiterhin Schuster/Darsow, NZA 2005, 273 (275). 136 So schon zum alten Recht Fleischer, NZG 2010, 121 (123); dem folgend Kumpan, S. 172; weiterhin Wagner, BB 2012, 651 (654); ebenso Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). Unter Geltung der neuen Rechtslage gilt nach der hier vertretenen Auffassung nichts Anderes. 137 Hommerich, AnwBl. 2009, 406 (407); sinngemäß zuvor bereits Neumann, AnwBl. 1991, 630 (631); nachfolgend Merkt, Syndikusanwalt, S. 87 Rn. 219; Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (246); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (553). 138 Für den Vorstand MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 76 Rn. 67 ff. Für den Aufsichtsrat MüKoAktG/Habersack, Band 2, Vorb. vor § 95 Rn. 13. 139 Grundlegend zu den unterschiedlichen Definitionsansätzen des Begriffs „Unternehmensinteresse“ Kumpan, S. 17 ff. Zu den Problemen bei der sinnvollen Eingrenzung bzw. Präzisierung des Unternehmensinteresses und der Debatte zum Begriff des Unternehmensinteresses aus Sicht des Vorstands ferner MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 76 Rn. 67 ff.; Spindler/ Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 24 ff. 140 MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 76 Rn. 70. 141 Kumpan, S. 21 zu Ziff. 4.1.1 DCGK a. F. In der Präambel des DCGK wird die vormals in Ziff. 4.1.1 DCGK a. F. enthaltene Formulierung übernommen und das Unternehmensinteresse wie folgt definiert: „Der Kodex verdeutlicht die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat,

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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unter den Begriff des Unternehmensinteresses gefasst werden können, gleichwertig nebeneinander gestellt.142 Letztlich kommt es für die hier vorliegende Untersuchung aber auch nicht auf die Auflösung der rein gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung an. Denn unabhängig von den unterschiedlichen Definitionsansätzen ergibt sich aus den Regelungen des Aktiengesetzes, dem Deutschen Corporate Governance Codex und den Auffassungen im Schrifttum zweifelsfrei, dass die Organe der Aktiengesellschaft sich dem Unternehmensinteresse unterordnen müssen. Dass ein solches besteht, ist auch von der Rechtsprechung anerkannt.143 (b) Folgen der Abgrenzung anhand des Beratungsinteresses der Gesellschaft Für die Abgrenzung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers von den Rechtsangelegenheiten Dritter bedeutet das Folgendes: Sowohl der Syndikusrechtsanwalt als auch die beratenen Organe und deren Mitglieder sind in erster Linie dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Berät der Syndikusrechtsanwalt die Organmitglieder im Interesse der Haftungsvermeidung der Gesellschaft, ist damit in der Regel zugleich eine Beratung über die Haftungsrisiken der Organmitglieder verbunden, da die Haftungsregelungen des Aktiengesetzes letztlich lediglich Regressansprüche der Gesellschaft für eingetretene Schäden beinhalten. Der Vorstand bzw. die Vorstandsmitglieder profitieren dabei als Reflex von der Beratung der Gesellschaft durch den Syndikusrechtsanwalt.144 Folgender, etwas zugespitzter, Beispielsfall145 soll die Konstellation verdeutlichen: Die Aktiengesellschaft A ist ein Automobilhersteller und vertreibt die von ihr produzierten Fahrzeuge im Direktvertrieb. Der Vorstand V beschließt, auf dem Motorsteuergerät der von A produzierten Fahrzeuge eine Software zu hinterlegen, die dafür sorgt, dass der Motor beim Starten in einem bestimmten Modus zur Abgasrückführung läuft. In diesem Modus werden bestimmte Stickoxidgrenzwerte eingehalten. Die Software erkennt aber, ob das Fahrzeug sich innerhalb der für die Typengenehmigung und der dafür erforderlichen Schadstoffprüfung relevanten Fahrkurven nach der NEFZ befindet, um die gesetzlich geltenden Schadstoffgrenzwerte einzuhalten. Außerhalb der Fahrkurven nach der NEFZ schaltet die Software in einen anderen Fahrmodus, in welchem die Schadstoffgrenzwerte nicht im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, der Belegschaft und der sonstigen mit dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinteresse).“ 142 Siehe dazu MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 76 Rn. 71. 143 BVerfGE 50, 290 (374); BGHZ 83, 144 (149); BGHZ 64, 325 (331); BGHZ 62, 193 (197, 199); vgl. Darstellung bei Kumpan, S. 18 Fn. 50. 144 Wagner, BB 2012, 651 (655). 145 Fallabwandlung nach LG Braunschweig, Urteil vom 31.08.2017 – 3 O 21/17 (055), BeckRS 2017, 122797.

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

eingehalten werden. Der Vorstandsvorsitzende bittet den Syndikusrechtsanwalt um eine rechtliche Einschätzung zu den Haftungsrisiken für die Gesellschaft und die Vorstandsmitglieder. In diesem Fall ist von einem Interessengleichlauf auszugehen. Die beratene Aktiengesellschaft hat trotz der bestehenden Regressmöglichkeiten selbst ein Interesse an einem rechtmäßigen Verhalten ihrer Organe,146 bevor eine pflichtwidrige Handlung vorgenommen wird. Zudem ist es Ziel der Beratung durch den Syndikusrechtsanwalt, ein rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft und ihrer Organe sicherzustellen.147 Auch wenn die Beratung in dem Beispielsfall sich zugleich auf die Haftungsrisiken der Vorstandsmitglieder erstrecken soll, würde es sich daher um Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO handeln, da das Interesse der Gesellschaft an rechtmäßigen Geschäftslösungen überwiegt. Die zugleich erfolgende Rechtsberatung der Organmitglieder ist nur eine Nebenfolge der Beratung durch den Syndikusrechtsanwalt. Insoweit gelten die zu § 2 Abs. 1 RDG anerkannten Grundsätze entsprechend: Das Rechtsdienstleistungsgesetz greift mangels Fremdheit einer Rechtsangelegenheit nicht in Fällen, in denen eine Tätigkeit im Interesse des Beratenen ausgeübt wird, auch wenn zugleich Interessen eines Dritten verfolgt werden.148 Das gilt jedenfalls solange bis das Interesse des Dritten vorrangig wird.149 Steht allerdings bei einer Anfrage an den Syndikusrechtsanwalt die eigene Haftung des Organs bzw. der Organmitglieder im Vordergrund, erfolgt die Beratung nicht mehr im Gesellschaftsinteresse. Daher liegt in einem solchen Fall keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers vor, da der Syndikusrechtsanwalt als berufener Berater und Vertreter der Aktiengesellschaft nicht zugleich die Angelegenheiten der Organe der Gesellschaft wahrnehmen kann.150 Stattdessen muss der Syndikusrechtsanwalt stets im Interesse der Gesellschaft tätig werden.151 Zuzugeben ist, dass im Einzelfall nicht immer festzustellen sein wird, in welchem Interesse die Beratung erfolgt.152 Nur selten wird der Syndikusrechtsanwalt mit einer ausschließlichen Beratung hinsichtlich der persönlichen Haftung der Organmitglieder beauftragt oder um eine Vertretung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten gegen die Gesellschaft153 gebeten werden. Andererseits kommt die Beratung der Aktiengesellschaft durch den Syndikusrechtsanwalt den Vorstandsmitgliedern auch

146

Wagner, BB 2012, 651 (655). Merkt, AnwBl. 2014, 278 (282). 148 Henssler, in: Festschrift für Prütting, S. 949 (957). 149 Henssler, in: Festschrift für Prütting, S. 949 (957). 150 So bereits zum alten Recht Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). 151 So bereits zum alten Recht Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). 152 So schon Wagner, BB 2012, 651 (655). 153 Die arbeitsrechtliche Vertretung wäre klar unzulässig, Dietzel/Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (155). 147

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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persönlich zugute.154 Folglich profitieren die Vorstandsmitglieder von der Beratung der Gesellschaft durch den Syndikusrechtsanwalt.155 Daher ist in Zweifelsfällen zunächst davon auszugehen, dass der Syndikusrechtsanwalt in aller Regel die Interessen der Gesellschaft wahrnimmt.156 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beratung von Aktiengesellschaften durch einen Kanzleirechtsanwalt. Lasse sich die Beratungstätigkeit nicht in Rechtsfragen aufteilen, die nur die Gesellschaft und die Organe der Gesellschaft betreffen, handele es sich um eine Beratung der Gesellschaft.157 Dies hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann zur Folge, dass der Rechtsanwalt den Organmitgliedern keine Verschwiegenheit über ihm bekannt gewordene Tatsachen gegenüber der Gesellschaft schuldet.158 In allen anderen Fällen ist aus Gründen der Praktikabilität zu prüfen, in welchem Bereich der Schwerpunkt der Beratung des Syndikusrechtsanwalts liegt.159 Überwiegt bei der Beratung das Gesellschaftsinteresse, erfolgt die Beratung innerhalb des aufgrund des Arbeitsverhältnisses bestehenden Mandats. Überwiegt das persönliche Interesse der Organmitglieder oder besteht bei der Beratung die Gefahr, dass Interessenkonflikte entstehen, ist die Beratung weder arbeitsrechtlich geschuldet noch berufsrechtlich als Bearbeitung einer Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers anzusehen. In diesem Fall stehen Vorstand und Gesellschaft nicht mehr im selben Lager, sodass bei entsprechender Anwendung des der Definition des Dritten in § 123 Abs. 2 S. 1 BGB zugrundeliegenden Gedankens der Vorstand als Dritter im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO anzusehen ist. Bei der Definition des Dritten im Sinne des § 123 Abs. 2 S. 1 BGB wird unter anderem darauf abgestellt, ob der Dritte und der Erklärungsempfänger in demselben Lager stehen.160 Wendet man dieses Verständnis, dass Dritter nicht der sein kann, der in demselben Lager wie die zu beurteilende Person steht, entsprechend auf die hier zu diskutierende Rechtsfrage an, stehen Gesellschaft und Vorstand bzw. Vorstandsmitglied jedenfalls dann nicht in demselben Lager, wenn sie unterschiedliche Interessen verfolgen. In diesen Fällen ist der Vorstand bzw. ist das betreffende Vorstandsmitglied Dritter im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO.

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So schon zum alten Recht Wagner, BB 2012, 651 (655). Wagner, BB 2012, 651 (655). 156 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (278). 157 BGHZ 109, 260 (271). 158 BGHZ 109, 260 (271). 159 Nur ähnlich Wagner, BB 2012, 651 (655), der die Abgrenzung nicht ausdrücklich anhand des jeweiligen Beratungsschwerpunkts vornimmt. Nach seiner Ansicht ist die Grenze zu einer unzulässigen Beratung der Vorstandsmitglieder dann überschritten, wenn die Interessen der Gesellschaft und die des Vorstandsmitglieds nicht mehr gleichlaufen, denn in diesem Fall erfolge die Beratung nur noch im Interesse des Vorstandsmitglieds. 160 Siehe nur MüKoBGB/Armbrüster, Band 1, § 123 Rn. 73. 155

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

Der Ansatz der Abgrenzung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers von Rechtsangelegenheiten Dritter anhand des Unternehmensinteresses und unter Berücksichtigung des Interessengleichlaufs zwischen Gesellschaft und Vorstand entspricht überdies dem gesetzgeberischen Willen. Die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO soll eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts aufgrund des Einwirkens fremder (Kapital-)Interessen vermeiden.161 Eine solche Gefährdung besteht lediglich in den in § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 – 3 BRAO genannten Fällen nicht, da dort aufgrund des unterstellten Interessengleichlaufs keine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit durch fremde Interessen droht162 sowie in den Fällen, in denen aufgrund des gleichlaufenden Interesses innerhalb des Unternehmens nach § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO von einer Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers auszugehen ist. Sind die Interessen im Unternehmen gleichlaufend, droht keine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts, auch wenn die Vorstandsmitglieder gleichzeitig persönliche Interessen verfolgen. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO nur eine Fiktion der dort aufgeführten Rechtsangelegenheiten als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beinhaltet,163 weil in diesen Fällen ein Gleichlauf der Interessen unterstellt wird. Laufen die Interessen im Einzelfall nicht gleich, führt dies mangels einer entsprechenden Regelung jedoch nicht dazu, dass der Syndikusrechtsanwalt diese Rechtsangelegenheiten nicht mehr bearbeiten darf. Stattdessen sind diese Fälle über § 43a Abs. 4 BRAO zu lösen.164 (c) Berufsrechtliche Erwägungen – Die Bedeutung des § 46 Absatz 2 BRAO Dieses Ergebnis lässt sich zusätzlich mit der Regelung des § 46 Abs. 2 BRAO begründen. Dort wird unter dem Tatbestandsmerkmal der „Prägung der anwaltlichen Tätigkeit“ ebenfalls eine wertungsmäßige Betrachtung der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts vorgenommen, um das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen zu überprüfen. Nur wenn das Arbeitsverhältnis geprägt ist durch die Ausübung anwaltlicher Tätigkeiten, kann dem Bewerber die Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt erteilt werden. Hierzu ist es erforderlich, dass der Syndikusrechtsanwalt überwiegend, d. h. mit mindestens 65 Prozent165, für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig wird. Der Gesetzgeber hat damit bewusst hingenommen, dass der Syndikusrechtsanwalt nicht ausschließlich rechtsberatend tätig wird, fordert allerdings eine überwiegend anwaltliche Tätigkeit. Diese gesetzgeberische Wertung lässt sich auf den Umfang des Beratungsmandats des Syndikusrechtsanwalts übertragen. Nur 161

BT-Drucks. 18/5201, S. 30. BT-Drucks. 18/5201, S. 31; BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3106 Rn. 62). 163 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (275). 164 Siehe dazu Kapitel 6. 165 BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Brfg) 63/17, NJW 2019, 3649 (3650 Rn. 18); vgl. Kapitel 3 § 2. 162

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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wenn der Syndikusrechtsanwalt schwerpunktmäßig die Gesellschaft berät, wird er innerhalb seiner Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt für die Gesellschaft tätig. Andernfalls ist die Beratung arbeitsvertraglich nicht geschuldet und daher nicht als Bearbeitung von Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, d. h. einer Beratung der Gesellschaft im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, anzusehen. (d) Zivilrechtliche Abgrenzungskriterien – Die Bedeutung der Verschuldenszurechnung gemäß § 278 S. 1 BGB Für eine solche wertungsmäßige Betrachtung spricht zudem eine weitere zivilrechtliche Überlegung. Unter dem Begriff der Zurechnung wird in der Rechtsprechung und der gesellschaftsrechtlichen Literatur diskutiert, ob Organmitgliedern, die sich durch einen externen Rechtsanwalt rechtlich beraten lassen, dessen Verschulden gemäß § 278 S. 1 BGB zugerechnet werden kann.166 Im Jahr 2011 hatte der Bundesgerichtshof sich zu dieser Frage in einem Rechtsstreit zu positionieren, in dem der Vorstand nicht im eigenen Interesse, sondern im Namen der Gesellschaft Rechtsrat bei einem externen Berater eingeholt hatte. Der Vorstand der Aktiengesellschaft ließ sich von einer Anwaltskanzlei im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien beraten, ein schriftliches Gutachten wurde jedoch nicht erstellt, stattdessen vertrauten die Vorstandsmitglieder auf dessen mündliche Auskunft.167 Der Rechtsrat erwies sich jedoch als fehlerhaft. Einer der Partner dieser Anwaltskanzlei war zugleich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Aktiengesellschaft, der in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats in dieser Angelegenheit ebenfalls beratend tätig geworden war.168 Im nachfolgenden Schadensersatzprozess gegen zwei Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 3 Ziff. 4 AktG verteidigten diese sich mit dem Einwand, außergerichtlich Rechtsrat eingeholt zu haben.169 Zudem sah der Vorstand sich durch die, letztlich unzutreffende, Beratung durch den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden entlastet.170 Der Bundesgerichtshof bejahte im Ergebnis zwar eine Haftung der Vorstandsmitglieder aus eigenem Verschulden,171 entschied aber zugleich, dass der Vorstand sich das Verschulden des externen Rechtsberaters nicht zurechnen lassen musste, da er sich der Hilfe des Dritten nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit, sondern im Pflichtenkreis der Gesellschaft bediente.172

166

Grundlegend hierzu Müller, S. 59 ff. BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1272 Rn. 10). 168 BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1272, 1273 Rn. 20). 169 BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1272 f. Rn. 16). 170 BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1273 Rn. 20). 171 BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1272 f. Rn. 16). 172 BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1273 Rn. 17). Die Entscheidung ist in der Literatur im Hinblick auf die formale Begründung teilweise kritisiert worden, siehe hierzu die Darstellung des Meinungsstands Müller, S. 60. 167

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

Diese Rechtsprechung hat Müller in einer eingehenden Untersuchung auf den Syndikusrechtsanwalt übertragen. Nach Müller soll eine Zurechnung des Verschuldens der Rechtsabteilung auch bei der internen Beratung des Vorstands durch den Syndikusrechtsanwalt ausscheiden,173 um eine Entlastung des Vorstands durch die Beratung zu ermöglichen.174 Grundsätzlich sei im Gesellschaftsrecht zwar eine Wissens- und Verhaltenszurechnung vorgesehen.175 Allerdings ließen sich weder die Verhaltens- noch die Wissenszurechnung auf den Fall übertragen, dass die interne Rechtsabteilung Kenntnis von Rechtspflichten hat, diese den Unternehmensverantwortlichen, in der Aktiengesellschaft also dem Vorstand, aber nicht oder nur ungenügend mitteilt.176 Einerseits könne die fehlerhafte Rechtsberatung der Rechtsabteilung keine Haftung der beratenen Person begründen, andererseits habe die Rechtsabteilung keine Stellung inne, die eine Wissenszurechnung rechtfertige.177 Zudem wäre im Fall der Zurechnung die Erteilung eines haftungsentlastenden Rechtsrats durch den Syndikusrechtsanwalt quasi ausgeschlossen.178 Im Ergebnis soll das Verschulden des Syndikusrechtsanwalts daher nicht dem Vorstand zugerechnet werden, wohingegen der Gesellschaft das Verschuldens des Syndikusrechtsanwalts nach den allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen des § 278 S. 1 BGB zugerechnet werden kann.179 Aus diesem Gesichtspunkt heraus lässt sich ableiten, dass der Syndikusrechtsanwalt nur dann Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers bearbeitet, wenn er dabei aus dem Lager der Arbeitgebers heraus tätig wird. Der Syndikusrechtsanwalt und der Vorstand stehen aber in unterschiedlichen Lagern, wenn das Gesellschaftsinteresse und das Interesse der Vorstandsmitglieder nicht gleichlaufen. Daraus wird deutlich, dass der Syndikusrechtsanwalt im Verhältnis zu den Organen der Aktiengesellschaft in einem rechtlich distanzierten Verhältnis steht. Der Syndikusrechtsanwalt steht im Lager der Gesellschaft und berät die Organe und Organmitglieder, wie bereits ausgeführt wurde, nur im stets übergeordneten Gesellschaftsinteresse.180 Eine Beratung der Organmitglieder im persönlichen Haftungsinteresse ist in der Regel nicht Gegenstand des arbeitsvertraglich begründeten Mandatsverhältnisses zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund umfasst der Arbeitsvertrag des Syndikusrechtsanwalts weder die Pflicht noch das Recht, den Vorstand bzw. die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft 173

Müller, S. 61 ff. Ebenso Junker/Biederbick, AG 2012, 898 (904). Müller, S. 70. 175 Vgl. Müller, S. 65 ff.; grundlegend zur Wissenszurechnung im Gesellschaftsrecht am Beispiel der Vorstandsmitglieder KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/1, § 76 Rn. 83 ff., zur Verhaltenszurechnung Rn. 93 ff. 176 Müller, S. 64, 68 f. 177 Müller, S. 68 f.; siehe zur Verhaltenszurechnung auch Müller, S. 66 f.; siehe zur Wissenszurechnung auch Müller, S. 68. 178 Müller, S. 66. 179 Näher dazu Junker/Biederbick, AG 2012, 898 (905 f.). Die Verschuldenszurechnung der Organe und Erfüllungsgehilfen ist völlig unumstritten, MüKoAktG/Heider, Band 1, § 1 Rn. 44. 180 Vgl. dazu auch Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). 174

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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rechtlich zu beraten, sofern nicht der Schwerpunkt der Beratung in der Beratung der Gesellschaft selbst liegt. (3) Keine Einbeziehung des Vorstands in den Beratungsvertrag zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Schließlich werden der Vorstand der Aktiengesellschaft bzw. die Vorstandsmitglieder nicht nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den zwischen der Aktiengesellschaft und dem Syndikusrechtsanwalt bestehenden Beratungsvertrag einbezogen. Gegen eine Einbeziehung spricht, dass der Anwaltsvertrag in der Regel keine Schutzwirkung zugunsten des gesetzlichen Vertreters des Mandanten entfaltet und dementsprechend keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, wenn mit der anwaltlichen Beratung eine Entscheidung des Mandanten und keine Entscheidung des Vertreters vorbereitet werden soll.181 Der Beratungsvertrag mit einem Rechtsanwalt kann nur dann drittschützende Wirkung entfalten, wenn der Vertragspartner ein besonderes Interesse an der Einbeziehung des Dritten in das Vertragsverhältnis hat.182 Im Fall der Beratung der Aktiengesellschaft ist es zwar denkbar, dass mit der Beratung der Gesellschaft im Einzelfall auch eine Beratung des Vorstands einhergeht, die nicht der Gesellschaft, sondern der Haftungsvermeidung des Vorstands dient. Aus diesem Grund wird in der Literatur vertreten, dass dem Vertrag des Syndikusrechtsanwalts mit einer Aktiengesellschaft drittschützende Wirkung zukomme, da der Syndikusrechtsanwalt wisse, dass die Organmitglieder der Gesellschaft auf seinen Rechtsrat angewiesen sind.183 Dagegen spricht jedoch, dass der Bundesgerichtshof der Beratungstätigkeit von Rechtsanwälten bislang nur drittschützende Wirkung beigemessen hat, wenn zu dem Dritten ein besonderes Näheverhältnis dergestalt besteht, dass die Leistung des Rechtsanwalts Rechtsgüter des Dritten beeinträchtigen kann.184 An einem solchen Näheverhältnis fehlt es jedoch regelmäßig bei Beratungsleistungen. Eine drittschützende Wirkung des Beratungsvertrags wird zwar bejaht, wenn die Leistung des Rechtsanwalts auch dazu bestimmt ist, dass der Dritte eigene Pflichten so erfüllen kann, dass er eine persönliche Haftung vermeiden kann.185 Das gilt aber gerade nicht,

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BGHZ 211, 251 (259 Rn. 24; 261 Rn. 27 ff.). BGH, Urteil vom 01.10.1987 – IX ZR 117/86, NJW 1988, 200 (201); siehe dazu im Einzelnen Müller, S. 287 f. Bei der Beratung der gesetzlichen Vertreter des Mandanten soll das nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber gerade nicht gelten, vgl. BGHZ 211, 151 (259 Rn. 24). 183 Müller, S. 288 f. 184 BGHZ 211, 251 (256 Rn. 20). Zur drittschützenden Wirkung einer Beratung durch einen Steuerberater, die als Entscheidungsgrundlage über eine Vermögensdisposition eines Dritten diente vgl. BGHZ 193, 297 (303 f. Rn. 18, 305 f. Rn. 24). 185 BGHZ 211, 251 (258 Rn. 22). 182

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

wenn die Beratung eine Entscheidung des Mandanten vorbereiten und nicht den Vertreter vor Haftung schützen soll.186 Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt: „Ein zwischen Mandant und Anwalt geschlossener Beratungsvertrag hat im allgemeinen keine Schutzwirkungen zu Gunsten des Vertreters des Mandanten für Vermögenseinbußen des Vertreters, soweit Gegenstand des Anwaltsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten ist und für den Vertreter die Gefahr besteht, auf der Grundlage der anwaltlichen Beratung seinerseits seine gegenüber dem Mandanten bestehenden Pflichten zu verletzen. Die Leistungen des Anwalts weisen in einem solchen Fall weder ein besonderes Näheverhältnis zu den Pflichten des Vertreters auf, noch hat der Mandant – ohne besondere Anhaltspunkte – ein eigenes Interesse an der Einbeziehung seines Vertreters in den Schutzbereich dieses Anwaltsvertrags. Der Schutz des Vertreters vor vermögensrechtlichen Nachteilen, die sich aus dem – begründeten oder unbegründeten – Verdacht einer Pflichtverletzung gegenüber dem Mandanten ergeben können, obliegt vielmehr regelmäßig dem Vertreter selbst.“187

Das bedeutet, dass der Vertreter einer Gesellschaft durch den Beratungsvertrag zwischen dem Rechtsanwalt und der Gesellschaft nicht per se geschützt wird, wenn dem Vertreter aufgrund der auf der Beratung beruhenden Entscheidung Vermögensnachteile aus einer eigenen Pflichtverletzung drohen.188 Aus der Gefahr der Binnenhaftung folge kein besonderes Näheverhältnis.189 Für den Syndikusrechtsanwalt einer Aktiengesellschaft hat das zur Folge, dass das Mandatsverhältnis zur Gesellschaft grundsätzlich keine Schutzwirkung zugunsten des Vorstandsmitglieds entfaltet, sofern schwerpunktmäßig Interessen der Gesellschaft verfolgt werden. In diesen Fällen dient die Beratung in erster Linie der Gesellschaft. Soll hingegen ausschließlich der Vorstand beraten werden, ist das kein Bestandteil der geschuldeten Beratungstätigkeit des Syndikusrechtsanwalts. Nur in eng umgrenzten Fällen, in denen die Gesellschaft selbst an einer haftungsentlastenden Beratung ihrer Organe interessiert ist, kann im Einzelfall eine drittschützende Wirkung des Mandatsverhältnisses zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft bejaht werden. Denkbar ist das zum Beispiel bei für die Gesellschaft wirtschaftlich sehr bedeutenden Geschäften, denen ein nicht unerhebliches rechtliches Risiko innewohnt. Es ist aber in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen, sodass nicht grundsätzlich von einer Einbeziehung des Vorstands einer Aktiengesellschaft in das Beratungsmandat zwischen Aktiengesellschaft und Syndikusrechtsanwalt ausgegangen werden kann. Zudem hat der Bundesgerichtshof zur Tätigkeit eines Kanzleirechtsanwalts für eine Aktiengesellschaft in einem Urteil vom 30.11.1989 entschieden, dass es sich bei den Organmitgliedern einer Aktiengesellschaft um außerhalb des Mandatsverhält186 187 188 189

BGHZ 211, 251 (259 Rn. 25 f.). BGHZ 211, 251 (259 Rn. 24). Vgl. BGHZ 211, 251 (Leitsatz). BGHZ 211, 251 (261 Rn. 28).

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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nisses stehende Dritte handelt, denen gegenüber das Mandatsverhältnis keine Schutzwirkung entfaltet, sofern die Interessen der Organmitglieder mit denen der Gesellschaft kollidieren.190 Sobald die haftungsentlastende Beratung also allein oder überwiegend im Interesse der Organmitglieder selbst erfolgen soll, ist die drittschützende Wirkung des Beratungsmandats zu verneinen, wenn die Interessen des Organs mit denen der Gesellschaft kollidieren. An dieser Stelle ist nochmals zu betonen, dass die Beurteilung einer drittschützenden Wirkung des Vertragsverhältnisses zwischen Syndikusrechtsanwalt und Gesellschaft zur Abgrenzung der Rechtsangelegenheiten der Gesellschaft von Rechtsangelegenheiten Dritter im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO untersucht wird. Rechtsangelegenheiten Dritter darf der Syndikusrechtsanwalt nur in den Grenzen des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO bearbeiten. Dritte im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO sind nach der hier vertretenen Auffassung jedoch auch die Organmitglieder der Gesellschaft. Die zur Vermeidung von Interessenkonflikten strikt vorzunehmende Trennung der Beratung der Gesellschaft von der Beratung ihrer Organmitglieder darf nicht durch eine Erstreckung des Mandatsverhältnisses auf Dritte unter Zuhilfenahme der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wieder aufgeweicht werden. (4) Ergebnis: Beratungsmandat ist beschränkt auf Beratung im Gesellschaftsinteresse Nach alledem steht fest, dass das Beratungsmandat des Syndikusrechtsanwalts sich ausschließlich auf die Beratung der Gesellschaft im Gesellschaftsinteresse erstreckt. Der Vorstand bzw. die Mitglieder des Vorstands der Aktiengesellschaft dürfen grundsätzlich nicht beraten werden. Ausnahmen gelten nur, wenn die Beratung des Vorstands dem Gesellschaftsinteresse dient, da eine interessengerechte Beratung des Mandanten unter Umständen auch eine Beratung der Organe des Mandanten umfassen kann. Sofern eine Beratung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand als ihrem organschaftlichen Vertreter erfolgt, ist diese Beratung selbstredend zulässig. (5) Übertragung der Grundsätze auf die Beispielsfälle 1 und 2 Für die Beispielsfälle 1 und 2 bedeutet dieses Ergebnis Folgendes: In dem Fall 1, in dem der Vorstand der Aktiengesellschaft den Syndikusrechtsanwalt um die Prüfung eines Vertragsentwurfs für die Gesellschaft bittet,191 ist die Beratung des Syndikusrechtsanwalts von dem Beratungsmandat zwischen ihm und der Aktiengesellschaft A gedeckt. Die Prüfung der rechtlichen Risiken des Geschäfts erfolgt im Interesse der Gesellschaft. Zwar lassen sich aus der Risikoeinschätzung möglicherweise auch Aussagen zu eventuellen Haftungsrisiken des Vorstands her190 BGHZ 109, 260 (271); siehe auch BGHZ 211, 251 (263 Rn. 33), der Bundesgerichtshof verneint in dieser Entscheidung ein Näheverhältnis bei latenten Interessenkonflikten. 191 Siehe Kapitel 3 § 3 A. II. 1. c).

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

leiten. Der Schwerpunkt der Beratung liegt jedoch im Gesellschaftsinteresse. Die Beratung ist daher gemäß § 46 Abs. 5 BRAO zulässig. Im Fall 2, in dem der Vorstandsvorsitzende den Syndikusrechtsanwalt um eine persönliche Beratung im Hinblick auf die ihn treffenden Haftungsrisiken bittet,192 erfolgt die Beratung hingegen schwerpunktmäßig im Interesse des Vorstands, der eine Einschätzung zum persönlichen Haftungsrisiko erbittet. Auch in diesem Fall besteht zwar ein gewisses Interesse der Gesellschaft daran, ein rechtmäßiges Handeln der Organe sicherzustellen, um die Inanspruchnahme durch Dritte zu vermeiden. Der Schwerpunkt der Beratung liegt jedoch eindeutig auf der Beratung des Vorstands, sodass die Beratung nicht überwiegend im Interesse der Gesellschaft erfolgt. Dementsprechend handelt es sich nicht um eine Rechtsangelegenheit der Gesellschaft und die Beratung des Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft im Hinblick auf die ihn treffenden Haftungsrisiken ist berufsrechtlich unzulässig. (6) Besonderheiten in Straf- und Bußgeldverfahren In Straf- und Bußgeldsachen gilt das Vertretungsverbot hinsichtlich der Organe der Aktiengesellschaft und ihrer Mitglieder hingegen nur, wenn das Verfahren einen Unternehmensbezug aufweist.193 Andernfalls gilt das Vertretungsverbot des § 46c Abs. 2 S. 2 BRAO nicht, sofern der Syndikusrechtsanwalt die Vertretung im Rahmen einer Zweitzulassung als Kanzleianwalt übernimmt.194 In dem Beispielsfall 3, in dem das Vorstandsmitglied den Syndikusrechtsanwalt darum bittet, Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen eines bei einer privat veranlassten Fahrt begangenen Geschwindigkeitsverstoßes einzulegen,195 handelt es sich offensichtlich nicht um eine Angelegenheit des Arbeitgebers, sodass die Vertretung des Vorstandsmitglieds nach § 46 Abs. 5 BRAO unzulässig wäre. Zudem steht der Vertretung des R durch den Syndikusrechtsanwalt das Vertretungsverbot des § 46c Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BRAO entgegen. Ist der Syndikusrechtsanwalt zugleich als Kanzleianwalt zugelassen, kann die Vertretung in dieser Funktion aufgrund des Umkehrschlusses aus § 46c Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BRAO unproblematisch übernommen

192

Siehe Kapitel 3 § 3 A. II. 1. c). Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 40; Hartung/ Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46c BRAO Rn. 24; Weyland/Träger, BRAO, § 46c Rn. 9. Es besteht aber die Möglichkeit sich durch einen Justiziar mit Zulassung als Kanzleianwalt vertreten zu lassen, Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (247); Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (223); Henssler/Deckenbrock, NJW 2016, 1345 (1349). 194 Vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 44; Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46c BRAO Rn. 24; Weyland/Träger, BRAO, § 46c Rn. 9. Das entspricht so auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, BT-Drucks. 18/ 5201, S. 38. 195 Siehe Kapitel 3 § 3 A. II. 1. c). 193

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werden.196 Kritiker sehen hierin zwar die Gefahr, dass der Syndikusrechtsanwalt sein eigener „Stempelanwalt“ wird.197 Unter Berücksichtigung der Systematik und des Wortlauts des § 46c Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BRAO ist die Vertretungsbefugnis des als Kanzleirechtsanwalt zugelassenen Syndikusrechtsanwalts jedoch zu bejahen. In diesem Fall entsteht allerdings ein gesetzlicher Gebührenanspruch. Die Rechtslage ähnelt insoweit der bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage.198 2. Mandatsbeziehungen des Syndikusrechtsanwalts zum Vorstand Da sich das Beratungsmandat des Syndikusrechtsanwalts dann nicht auf den Vorstand bzw. die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft erstreckt, wenn diese eigene Interessen verfolgen, wäre eine Beratung des Vorstands und der Vorstandsmitglieder durch den Syndikusrechtsanwalt, analog zur Rechtslage bei Kanzleirechtsanwälten, nur auf Grundlage einer gesonderten Mandatsvereinbarung möglich. In § 46 Abs. 5 BRAO sind die Vertretungsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts jedoch klar geregelt. Nur die dort aufgeführten Rechtsangelegenheiten sind solche, die der Syndikusrechtsanwalt bearbeiten darf. Es wäre daher berufsrechtlich unzulässig, den Vorstand aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung als Syndikusrechtsanwalt zu beraten. Die Gegenansicht, dass ein Syndikusrechtsanwalt, der einem Mitarbeiter des Unternehmens einen Rechtsrat erteilt, nur gegen arbeitsvertragliche Pflichten, nicht aber gegen das anwaltliche Berufsrecht verstoße,199 überzeugt hingegen nicht, jedenfalls nicht im Hinblick auf den Vorstand der Gesellschaft. Diese Auffassung gründet auf der Annahme, dass zu den Mitarbeitern kein Mandatsverhältnis zustande kommt.200 Diese Feststellung ist zwar zutreffend, allerdings ist dem Syndikusrechtsanwalt aufgrund des abschließenden Charakters der Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO201 jede andere als in § 46 Abs. 5 BRAO genannte Tätigkeit untersagt, sodass ein berufsrechtlicher Verstoß vorliegt, wenn entgegen § 46 196 Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 54; Henssler/ Deckenbrock, DB 2016, 215 (223); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (135). Siehe zur Vertretungsbefugnis in vergleichbaren Fällen grundlegend Weyland/Träger, BRAO, § 46c Rn. 9. 197 Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (15); zustimmend Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 55; in diesem Sinne auch Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme 17/2015 vom Mai 2015, S. 4 ff., abrufbar unter www.brak.de/zur-rechtspolitik/stel lungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2015/mai/stellungnahme-der-brak-2015-17.pdf, Abruf am 21.11.2020. 198 Hierzu bereits Kapitel 3 § 3 A. II. 1. d). 199 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (314). 200 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (314). 201 BT-Drucks. 18/5201, S. 30; BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3106 Rn. 60); siehe auch AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.06.2018 – 1 AGH 48/17, Rn. 27 ff., zit. nach juris.

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

Abs. 5 BRAO weitere Rechtsangelegenheiten in der Funktion als Syndikusrechtsanwalt wahrgenommen werden. Insoweit ist bei der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts größte Vorsicht geboten. Ein Mandatsverhältnis kann ggf. auch konkludent zustande kommen.202 In der Regel entsteht bei der Beratung durch einen Kanzleianwalt mit Entgegennahme der Informationen des Mandanten ein Gebührenanspruch.203 Daher kommt spätestens in diesem Moment ein Mandatsverhältnis zustande. Die Grundsätze zum Zustandekommen von Mandatsverhältnissen gelten aufgrund der Regelung des § 46c Abs. 1 BRAO dem Grunde nach auch für den Syndikusrechtsanwalt. Ihm ist eine weitere Tätigkeit lediglich untersagt, vgl. § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO. Ein entsprechendes Mandatsverhältnis zwischen Vorstand und Syndikusrechtsanwalt wäre aber gemäß § 134 BGB nichtig, da es sich bei der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO dem Sinn und Zweck nach auch um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB handelt.204 Anders als in § 46 Abs. 2 Ziff. 1 BRAO a. F. ist das Verbot der Vertretung anderer Rechtsangelegenheiten aber nicht ausdrücklich in § 46 Abs. 5 BRAO normiert.205 Es war daher nach Inkrafttreten der §§ 46 ff. BRAO zunächst streitig, ob es sich bei § 46 Abs. 5 BRAO um eine Regelung zur Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts206 oder um eine Zulassungsvoraussetzung207 handelt. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen entschieden, dass es sich bei der Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO nicht nur um eine Regelung zur Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis, sondern um eine Tatbestandsvoraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt handele.208 Diesem Verständnis der Regelung ist grundsätzlich beizupflichten. Aus der Formulierung des Bundesgerichtshofs, dass es sich nicht „lediglich um eine Beschränkung der

202

Heussen/Hamm/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, Teil C, § 51 Rn. 6. Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, § 34 Rn. 22. 204 Ähnlich Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 98, der jedoch auf das Verbotsgesetz des § 3 RDG abstellt. 205 Unter Geltung der alten Rechtslage war anerkannt, dass es sich bei dem Tätigkeitsverbot des § 46 Abs. 2 Ziff. 1 BRAO a. F. um ein Verbotsgesetz handelt, BGHZ 141, 69 (79); näher dazu MüKoBGB/Armbrüster, Band 1, § 134 Rn. 115. 206 So Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, 6. Auflage 2016, § 46 BRAO Rn. 44; Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (101 f.); anders aber Kleine-Cosack, BRAO, § 46 Rn. 32. Die Auffassung von Hartung wird von Dietzel in der Neuauflage des Kommentars weiterhin vertreten, Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46 Rn. 44. 207 So BeckOK BRAO/Günther, § 46a Rn. 3; Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (218); Offermann-Burckart, NJW 2016, 113 (114); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (126). 208 BGH, Beschluss vom 30.09.2019 – AnwZ (Brfg) 38/19, BeckRS 2019, 24575 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 22.10.2018 – AnwZ (Brfg) 44/18, BRAK-Mitt. 2019, 46 (47 Rn. 9); BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 58/17, Rn. 11, zit. nach juris; BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3103 Rn. 37 ff.). Zustimmend Gaier/Wolf/ Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 54; Weyland/Träger, BRAO § 46 Rn. 23. 203

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Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts“209 handele, ist jedoch zu schließen, dass der Bundesgerichtshof der Regelung auch einen Verbotscharakter beimisst. Das ergibt sich aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 02.07.2018. Dort ist nach den Ausführungen zur zulassungsrechtlichen Bedeutung des § 46 Abs. 5 BRAO auch von einer „Einschränkung der Rechtsangelegenheiten, in denen der Syndikusrechtsanwalt tätig werden darf“210 die Rede. Jedenfalls kann die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO nicht nur als Erlaubnisnorm verstanden werden, beschränkt sie doch zugleich die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur anwaltlichen Tätigkeit auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers und die mit diesen gleichgestellten Rechtsangelegenheiten gemäß § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO. § 46 Abs. 5 BRAO beinhaltet daher auch das Verbot, andere als die dort aufgeführten Rechtsangelegenheiten zu bearbeiten, sodass die Vorschrift sowohl eine Zulassungsvoraussetzung als auch eine Regelung mit Verbotscharakter im Sinne des § 134 BGB ist. Ein Mandatsverhältnis zwischen Vorstand und Syndikusrechtsanwalt wäre daher wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz des § 46 Abs. 5 BRAO gemäß § 134 BGB ex tunc nichtig. Gleichwohl wäre ein grundsätzlich sanktionsfähiger, vgl. §§ 113 ff. BRAO, Berufsrechtsverstoß gegeben. Zudem muss eine entsprechende Anfrage des Vorstands oder eines Vorstandsmitglieds aus strafrechtlichen Gründen zur Vermeidung einer Strafbarkeit wegen Parteiverrats gemäß § 356 Abs. 1 StGB sofort abgelehnt werden. Für eine Strafbarkeit gemäß § 356 Abs. 1 StGB genügt ein „Anvertrautsein“ einer Angelegenheit, § 356 Abs. 1 StGB.211 Nur wenn ein Auftrag sofort zurückgewiesen wird, kann ein strafbares Verhalten sicher vermieden werden, da dem Rechtsanwalt dann keine Angelegenheit anvertraut wurde.212 Zwar gilt § 44 BRAO, der den Rechtsanwalt zur unverzüglichen Ablehnung eines Mandats verpflichtet, für den Syndikusrechtsanwalt nicht, § 46c Abs. 3 BRAO.213 Gleichwohl ergeben sich aus der Gesamtkonzeption der BRAO keine Anhaltspunkte dafür, dass das Zustandekommen eines Mandatsverhältnisses zwischen Syndikusrechtsanwalt und einem Dritten von vornherein ausgeschlossen ist. Dagegen spricht schon die Regelung des § 46c Abs. 1 BRAO. Nach der hier vertretenen Auffassung ist es dem Syndikusrechtsanwalt lediglich untersagt, für Dritte anwaltlich tätig zu werden. In Einzelfällen kann eine Vertretung des Vorstands durch den Syndikusrechtsanwalt in seiner Funktion als Kanzleianwalt zulässig sein, sofern er zwei Zulassungen besitzt. Das ergibt sich aus dem Umkehrschluss der Regelung des § 46c

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BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3103 Rn. 37). BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3108 Rn. 83). 211 Zum Merkmal des Anvertrauens MüKoStGB/Dahs, § 356 Rn. 26, 31 ff. 212 Schramm, S. 37; hierzu auch MüKoStGB/Dahs, § 356 Rn. 32 m. w. N. Zum Merkmal des Anvertrautseins bezogen auf den Syndikusrechtsanwalt auch Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (307). 213 Vgl. hierzu Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c Rn. 2. 210

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

Abs. 2 BRAO und wird auch von Seiten des Gesetzgebers als zulässig erachtet.214 Dennoch ist bei der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts Vorsicht geboten. Im Rahmen einer Tätigkeit als Kanzleianwalt können Mandate nur übernommen werden, wenn die Gefahr von Interessenkollisionen ausgeschlossen ist. Beispielsweise kann der Syndikusrechtsanwalt die Verteidigung eines Mitarbeiters in Straf- und Bußgeldverfahren übernehmen, wenn der Tatvorwurf keinen Bezug zum Unternehmen hat.215 3. Beratung des Vorstands aufgrund arbeitsrechtlicher Weisung Eine Beratung der Mitglieder des Vorstands durch den Syndikusrechtsanwalt kann schließlich auch nicht aufgrund einer arbeitsrechtlichen Weisung erfolgen. Würde dem Syndikusrechtsanwalt die arbeitsrechtliche Weisung erteilt, die Mitglieder des Vorstands trotz des aus § 46 Abs. 5 BRAO abgeleiteten Tätigkeitsverbots rechtlich zu beraten, wäre der Syndikusrechtsanwalt aufgrund der arbeitsrechtlichen Weisung gemäß § 106 S. 1 GewO zwar dazu verpflichtet, auch die Organmitglieder der Gesellschaft zu beraten und ggf. zu vertreten. Allerdings würde eine derartige Weisung gegen das anwaltliche Berufsrecht, insbesondere gegen die Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO, verstoßen, sodass die Weisung unbillig und für den Arbeitnehmer unverbindlich wäre und nicht befolgt werden muss.216 Wird die Weisung durch den Vorstand als Vertreter der Gesellschaft ausgesprochen, dürfte die Weisung sogar missbräuchlich und deswegen gemäß § 242 BGB unwirksam sein.217 Zudem beeinträchtigen berufsrechtswidrige Weisungen die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts und sind aus diesem Grund ebenfalls unbeachtlich.218 Eine solche Weisung wäre überdies wegen eines Verstoßes gegen § 134 BGB und § 138 BGB unbeachtlich.219 214 BT-Drucks. 18/5201, S. 37; siehe dazu auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 46c Rn. 18. 215 BT-Drucks. 18/5201, S. 38; siehe dazu auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 46c Rn. 18. 216 So die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, BAG, Urteil vom 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 (1459 Rn. 63 ff.); grundsätzlich zustimmend Hromadka, NJW 2018, 7 (10 f.), der allerdings eine differenzierte Auslegung des § 106 S. 1 GewO nach missbräuchlichen Weisungen, grob unbilligen Weisungen und einfach unbilligen Weisungen fordert. Siehe dazu auch Hromadka, NZA 2017, 601 (606). Abweichend noch BAGE 141, 34 (39 f. Rn. 24), nach dieser Rechtsprechung war der Arbeitnehmer bis zur Rechtskraft eines die Unverbindlichkeit der Weisung feststellenden Urteils vorläufig an diese gebunden. 217 Zur Unwirksamkeit missbräuchlicher Weisungen Hromadka, NJW 2018, 7 (10). 218 Zur Unbeachtlichkeit einer Weisung, die die fachliche Unabhängigkeit beeinträchtigt Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 12d unter Verweis auf BT-Drucks. 18/5201, S. 29 f. 219 Grundlegend hierzu, allerdings zur Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Syndikusanwalts nach altem Recht Bissel, S. 100 ff.; weiterhin Prütting, AnwBl. 2013, 78 (83); siehe ferner Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247) m. w. N.

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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4. Zusammenfassung Der Syndikusrechtsanwalt ist der Rechtsberater und Interessenvertreter der ihn beschäftigenden Aktiengesellschaft und darf ausschließlich Rechtsangelegenheit seines Arbeitgebers bearbeiten. Eine Beratung des Vorstands und seiner Mitglieder ist innerhalb des zwischen Syndikusrechtsanwalt und Aktiengesellschaft bestehenden Beratungsvertrags nur zulässig, sofern die Beratung schwerpunktmäßig im Interesse der Gesellschaft erfolgt. Die Interessen der Vorstandsmitglieder müssen in diesen Fällen gleichwohl hinter den Interessen der Gesellschaft zurückstehen. Eine Beratung des Vorstands oder der Vorstandsmitglieder im eigenen Interesse ist aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO unzulässig. Der Syndikusrechtsanwalt unterliegt insoweit einer von vornherein beschränkten Rechtsberatungsbefugnis.220 Vorsicht geboten ist in Grenzfällen, in denen eine Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Organinteresse nicht zweifelsfrei möglich ist. In diesen Fällen muss der Syndikusrechtsanwalt sich stets auf seine Rolle als Rechtsanwalt der Gesellschaft besinnen und seine Tätigkeit gegebenenfalls auf eine Beratung der Gesellschaft im Gesellschaftsinteresse beschränken. 5. Verfassungsrechtliche Würdigung Verfassungsrechtlich ist die in § 46 Abs. 5 BRAO enthaltene Beschränkung der Beratungs- und Vertretungsbefugnisse auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers allerdings problematisch. Bei der Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO handelt es sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar in erster Linie um eine Zulassungsvoraussetzung, aufgrund des beschränkenden Charakters der Vorschrift nach der hier vertretenen Auffasung aber auch um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Dem Syndikusrechtsanwalt ist es verboten, andere als die in § 46 Abs. 5 BRAO aufgeführten Rechtsangelegenheiten wahrzunehmen. Unter Geltung der Doppelberufstheorie wurde das Vertretungsverbot gemäß § 46 Abs. 1 BRAO a. F. mit der fehlenden Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts gerechtfertigt.221 Die Neuregelung kann nunmehr weder auf die Doppelberufstheorie noch auf die fehlende Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts gestützt werden.222 Stattdessen begründet der Gesetzgeber die Regelung mit der Aufrechterhaltung und Durchsetzung des Fremdkapitalverbots zur Sicherung der fachlichen Unabhängig220

Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 99. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 8; Feuerich/Weyland/ Träger, BRAO, 9. Auflage 2016, § 46 Rn. 11 ff.; a. A. Gaier/Wolf/Göcken/Huff, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, § 46 BRAO Rn. 19; zu verfassungsrechtlichen Bedenken KleineCosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 46 Rn. 6 ff. 222 Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46 BRAO Rn. 44. 221

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

keit des Syndikusrechtsanwalts.223 Vermieden werden soll eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts durch das Einwirken fremder wirtschaftlicher Interessen.224 Damit wird der Grundgedanke des in § 59e BRAO für Sozietäten geregelten Fremdkapitalverbots in das Syndikusrechtsanwaltsrecht übertragen. § 59e BRAO will die Unabhängigkeit von Rechtsanwälten in Rechtsanwaltsgesellschaften durch die Beschränkung des Gesellschafterkreises, § 59e Abs. 1 BRAO, und das Verbot mittelbarer Beteiligungen Dritter an einer Rechtsanwaltsgesellschaft, § 59e Abs. 3 BRAO, schützen.225 Eine Rechtsanwaltsgesellschaft soll nicht der Kapitalanlage dienen.226 Aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Fremdkapitalverbot227 wird das Vertretungsverbot des § 46 Abs. 5 BRAO mit dem Hinweis auf das Fehlen eines Gemeinwohlgrundes teilweise ebenfalls für verfassungs- und europarechtswidrig gehalten.228 Aus Sicht des Bundesgerichtshofs verstößt die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO jedoch nicht gegen Art. 12 GG.229 Zwar liege mit der Beschränkung der Tätigkeitsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Syndikusrechtsanwalts vor, dieser sei jedoch hinreichend gerechtfertigt.230 Die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO genüge den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, da der Gesetzgeber mit der Beschränkung der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts einen hinreichend legitimen Gemeinwohlzweck verfolge.231 § 46 Abs. 5 BRAO solle ein Kernelement der anwaltlichen Berufsausübung, nämlich die fachliche Unabhängigkeit, absichern, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu gewährleisten.232 Damit verfolge der Gesetzgeber legitimerweise das Gemeinwohlziel einer funktionierenden Rechts-

223

BT-Drucks. 18/5201, S. 30. BT-Drucks. 18/5201, S. 30. 225 BT-Drucks. 13/9820, S. 11, 14; hierzu grundlegend Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59e Rn. 1, 17, 34. Die Mehrheits- und Stimmrechtsregelung in § 59e Abs. 2 S. 1 BRAO ist hingegen jedenfalls im Hinblick auf eine als GmbH organisierte Sozietät verfassungswidrig, BVerfGE 135, 90 ff.; vgl. hierzu Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59e Rn. 22. 226 BT-Drucks. 13/9820, S. 14; hierzu Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59e Rn. 1, 17. 227 Kleine-Cosack, BRAO, § 59e Rn. 1, 16 ff. 228 Kleine-Cosack, BRAO, § 46 Rn. 51 ff., Rn. 58; Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (102, 109) mit der weiteren Begründung, dass die Tätigkeitsverbote durch eine Doppelzulassung leicht umgangen werden können; hierzu auch Kleine-Cosack, BRAO, § 46a Rn. 32. Zurückhaltender Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46 BRAO Rn. 45. 229 BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3108 ff. Rn. 74 ff., insb. Rn. 87 – 89). 230 BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3108 Rn. 81). 231 BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3109 Rn. 86); a. A. Kleine-Cosack, BRAO, § 46 Rn. 58. 232 BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3109 Rn. 86 ff.). 224

§ 3 Das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zu den Organen der Gesellschaft

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pflege.233 Die Beschränkung der Tätigkeitsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts sei geeignet, erforderlich und angemessen, da insbesondere ein milderes Mittel zur Vermeidung des Einwirkens fremder Kapitalinteressen nicht erkennbar sei.234 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Dem Gesetzgeber ging es bei der Schaffung des § 46 Abs. 5 BRAO nicht lediglich um eine Absicherung des Fremdkapitalverbots, sondern um die Vermeidung von einer Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch fremde Kapitalinteressen.235 Auch wenn mit der Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO in die Berufsausübungsfreiheit der Syndikusrechtsanwälte eingegriffen wird,236 ist dieser Eingriff gerechtfertigt, da der Gesetzgeber, wie soeben gezeigt wurde, mit der Regelung die anwaltliche Unabhängigkeit der Syndikusrechtsanwälte schützen will. Dieser Zweck ist ein hinreichend legitimer Gemeinwohlzweck, sodass der Eingriff gerechtfertigt ist.237 Zudem gilt es die, gesetzeshistorisch gesehen junge, Anerkennung der anwaltlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts, als statusnotwendige Grundvoraussetzung der anwaltlichen Berufsausübung, zu wahren. Weiterhin dient die Regelung nach der hier vertretenen Auffassung zugleich der Vermeidung von Interessenkonflikten, sodass auch aus diesem Grund ein hinreichender Gemeinwohlbelang vorliegen dürfte. Auch wenn diese Wirkung von Seiten des Gesetzgebers nicht ausdrücklich beabsichtigt war, ist eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung der Regelung möglich.238 Soweit der Gesetzgeber im Eckpunktepapier für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften angedeutet hat, das Fremdkapitalverbot für nicht mehr aktive Berufsträger sowie Unternehmen aus dem Bereich legal tech aufzulockern,239 spielt das für die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO keine Rolle, da das Fremdkapitalverbot im Übrigen aufrecht erhalten bleiben soll. Die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO verstößt schließlich auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach zutreffender Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs ist der Syndikusrechtsanwalts aufgrund seines Anstellungsverhältnisses bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber höheren Gefahren für die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit ausgesetzt,

233

BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3109 Rn. 87). BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3109 Rn. 89). 235 BT-Drucks. 18/5201, S. 28. 236 So auch Kleine-Cosack, BRAO, § 46 Rn. 56 237 A. A. Kleine-Cosack, BRAO, § 46 Rn. 57 ff. 238 Die verfassungskonforme Auslegung einer einfachgesetzlichen Regelung ist durch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, BVerfGE 83, 201 (214 f.). 239 Siehe hierzu Eckpunktepapier des BMJV für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, Ziff. 6, Ziff. 7, abrufbar unter www.bmjv.de/Sha redDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Berufsrecht_anwaltl_Berufsaus%C3%BCbungsgesell schaften.html, Abruf am 21.11.2020. 234

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Kap. 3: Der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft

sodass eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Kanzleirechtsanwalt gerechtfertigt ist.240 Abzuwarten bleibt, ob das Bundesverfassungsgericht sich dieser Auffassung anschließen wird. Derzeit ist bei dem Bundesverfassungsgericht unter dem Az. 1 BvR 695/20241 eine Verfassungsbeschwerde anhängig. Diese richtet sich gegen eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.02.2020, mit der einem Bewerber die Zulassung zur Syndikusrechtsanwaltschaft verwehrt wurde, der Leiter einer Schadensmanagement-Abteilung einer Gesellschaft ist, die im Auftrag von Versicherern, die ihrerseits zugleich Gesellschafter der Arbeitgebergesellschaft sind, diverse Rechtsangelegenheiten der Versicherer bearbeitet, selbst aber nicht Partei der Versicherungsverträge ist.242 Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Zulassung zu versagen sei, weil es sich bei den zu bearbeitenden Rechtsangelegenheiten bei der aus Sicht des Gerichts gebotenen engen Auslegung nicht um solche des Arbeitgebers handele.243

B. Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zum Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft Die vorstehenden Ergebnisse lassen sich auch auf das Verhältnis des Syndikusrechtsanwalts zum Aufsichtsrat der Gesellschaft übertragen. Das zwischen Syndikusrechtsanwalt und Aktiengesellschaft bestehende anwaltliche Mandatsverhältnis erstreckt sich allein auf die Beratung der Gesellschaft in ihren Rechtsangelegenheiten, § 46 Abs. 5 BRAO. Die Aktiengesellschaft wird aber, insbesondere gegenüber dem Vorstand, durch den Aufsichtsrat vertreten, § 112 AktG, sodass in diesen Fällen, analog der für die Vorstandsmitglieder geschilderten Rechtslage244, grundsätzlich auch eine Beratung des Aufsichtsrats im Interesse der Gesellschaft möglich sein muss. Eine Grenze findet die Beratung des Aufsichtsrats durch den Syndikusrechtsanwalt der Gesellschaft, wenn die Mitglieder des Aufsichtsrats als Dritte im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO einzuordnen sind. Wann es sich im Hinblick auf den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft um Dritte im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO handelt, ist anhand des Beratungsinteresses der Gesellschaft unter Berücksichtigung berufsrechtlicher, arbeitsrechtlicher und zivilrechtlicher Kriterien sowie unter Zuhilfenahme gesellschaftsrechtlicher Erwä240 BGH, Urteil vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 (3109 Rn. 92 f.). A. A. Kleine-Cosack, BRAO, § 46 Rn. 62 f. 241 Siehe dazu Dahns, NJW-Spezial 2020, 318 (319); Huff, BRAK-Mitt. 2020, 123 (126). 242 BGH, Urteil vom 03.02.2020 – AnwZ (Brfg) 71/18, NJW-RR 2020, 443 (443 f. Rn. 11 f.). 243 BGH, Urteil vom 03.02.2020 – AnwZ (Brfg) 71/18, NJW-RR 2020, 443 (444 Rn. 12 f.). Krit. hierzu Huff, BRAK-Mitt. 2020, 123 (126). 244 Kapitel 3 § 3 A. II. 1. e) bb) (1).

§ 4 Zusammenfassung

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gungen zu bestimmen. Maßgeblich kommt es dabei darauf an, wo der Schwerpunkt des Beratungsinteresses liegt. Hierzu gelten die in Kapitel 3 § 3 A. II. 1. e) bb) (2) für den Vorstand geschilderten Grundsätze entsprechend. Liegt der Schwerpunkt der Beratung auf dem Interesse der Gesellschaft ist eine Mitberatung des Aufsichtsrats zulässig. Eine darüber hinausgehende Beratung der Aufsichtsratsmitglieder in persönlichen Angelegenheiten ist unzulässig.245 Diese persönlichen Angelegenheiten erstrecken sich aber auch auf die subjektiven Organrechte oder die die Aufsichtsratsmitglieder treffenden Haftungsrisiken, wobei in diesen Fällen regelmäßig Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten werden.246 Ein gesondertes Mandatsverhältnis kann zum Aufsichtsrat oder den Mitgliedern des Aufsichtsrats aus berufsrechtlichen Gründen nicht entstehen.

§ 4 Zusammenfassung Der Syndikusrechtsanwalt der Aktiengesellschaft bewegt sich im Spannungsfeld der aktienrechtlichen Corporate Governance. Eine besondere Herausforderung besteht darin, den berufsrechtlichen Rechtskreis und den gesellschaftsrechtlichen Rechtskreis in Einklang zu bringen. Dazu ist es erforderlich, dass der Syndikusrechtsanwalt sich stets auf seine Rolle als Rechtsanwalt der Gesellschaft besinnt. Sämtliche anwaltlichen Tätigkeiten dürfen nur im stets übergeordneten Interesse der Gesellschaft ausgeübt werden. Dazu ist eine Zusammenarbeit mit den Organen der Gesellschaft unerlässlich. Dennoch ist zwischen den Rechtsbeziehungen des Syndikusrechtsanwalts zur Gesellschaft und den Rechtsbeziehungen zu den Organen der Gesellschaft zu unterscheiden, da der Syndikusrechtsanwalt nur Rechtsangelegenheiten der Gesellschaft bearbeiten darf. Sollen die Organe der Gesellschaft beraten werden, ist das nur im Interesse der Gesellschaft zulässig. Eine Beratung der Organe oder einzelner Organmitglieder im eigenen Interesse ist stets unzulässig. Zusätzlich muss der Syndikusrechtsanwalt darauf achten, keine widerstreitenden Interessen zu vertreten. Die damit verbundenen Probleme werden im folgenden Kapitel erörtert.

245 246

So schon zum alten Recht Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). Vgl. zum Vorstand Kapitel 3 § 3 A. II. 1. e) bb) (2) (b).

Kapitel 4

Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts Von den berufsrechtlichen Pflichten des Syndikusrechtsanwalts sind das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO und die Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO besonders bedeutsam.

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen Im vorangegangenen Kapitel wurde dargestellt, dass der Syndikusrechtsanwalt in einem Spannungsfeld zwischen Berufsrecht und den gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Beziehungen zur Gesellschaft und den Gesellschaftsorganen steht. Der Syndikusrechtsanwalt ist als Wächter des Rechts1 im Unternehmen gehalten, sich stets auf seine Rolle als Rechtsanwalt der Gesellschaft zu besinnen. Die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO beschränkt daher die Vertretungsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Damit sollen und können Interessenkollisionen des Syndikusrechtsanwalts bereits zu einem großen Teil vermieden werden. Fraglich ist jedoch, ob und in welchem Umfang das in § 43a Abs. 4 BRAO geregelte Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für den Syndikusrechtsanwalt einer einzelnen (Aktien-)Gesellschaft mit nur einem Arbeitgeber im Übrigen von Belang ist. Schon unter Geltung der alten Rechtslage wurde zwar vertreten, dass die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts eine tatbestandsrelevante Tätigkeit im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO sein kann.2 Ein Interessenkonflikt sollte jedoch nur dann entstehen, wenn der Syndikusrechtsanwalt in derselben Angelegenheit als Syndikusrechtsanwalt und sodann als Kanzleianwalt tätig geworden ist.3 Das bedeutet, dass die Gefahr möglicher Interessenkollisionen nur bei einer weiteren externen Tätigkeit bestand. Da der Syndikusrechtsanwalt seit dem 01.01.2016 nun auch innerhalb des Unternehmens anwaltlich tätig wird, unterfällt auch die interne Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts grundsätzlich dem Regime des § 43a Abs. 4 BRAO. 1 2 3

Vgl. Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). Kleine-Cosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 43a Rn. 153. Kleine-Cosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 43a Rn. 153.

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

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Gleichwohl wird im Schrifttum bislang überwiegend die Auffassung vertreten, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für den Syndikusrechtsanwalt weitestgehend bedeutungslos ist, obwohl § 43a Abs. 4 BRAO gemäß § 46c Abs. 1 BRAO grundsätzlich auch für den Syndikusrechtsanwalt gilt. Begründet wird das damit, dass insbesondere der Nur-Syndikusrechtsanwalt lediglich einen einzigen Mandanten hat, sodass es sich bei der Beratung anderer Personen als dem Arbeitgeber nicht um Parteien im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO handele.4 Allenfalls wird dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bei einem Arbeitgeberwechsel,5 bei der Tätigkeit für mehrere Arbeitgeberunternehmen,6 bei Syndikusrechtsanwälten mit Doppelzulassung,7 bei Verbandssyndikusrechtsanwälten,8 bei der Erbringung von erlaubten Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 3 BRAO,9 bei der Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit gemäß §§ 4, 5 RDG10 oder bei der Vertretung mehrerer konzernangehöriger Unternehmen11 Bedeutung beigemessen. 4 So schon zur alten Rechtslage Kleine-Cosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 43a Rn. 153. Nach Kleine-Cosack ist allerdings eine Einzelfallprüfung erforderlich. Zur neuen Rechtslage Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 179; Junker/Zwach, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 64 (74); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (314); Dietzel/Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (155); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (133); ähnlich Quaas, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 208 (220), dieser aber bezogen auf den Anwendungsbereich des § 7 Ziff. 8 BRAO. 5 Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 180; Junker/Zwach, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 64 (74); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (315 ff.); Dietzel/Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (156); Huff, AnwBl. 2018, 155 (156); Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 633 (640); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (133). 6 Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 180; Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (318); Dietzel/Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (156); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (133). 7 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (319); Dietzel/Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (156). Nach Bartosch-Koch war das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für den Rechtsanwalt als Kanzleianwalt schon unter Geltung der alten Rechtslage relevant, wenn dieser zuvor in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt widerstreitende Interessen vertreten hatte, Bartosch-Koch, AnwBl. 2010, 237 (239). 8 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (323 f.). 9 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (325); Huff, AnwBl. 2018, 155 (156). 10 Krenzler/Remmertz, RDG, § 4 Rn. 49, 51 f. 11 Noch zur alten Rechtslage Bartosch-Koch, AnwBl. 2010, 237 (241). Zur neuen Rechtslage Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 18; Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46 BRAO Rn. 40, § 46c BRAO Rn. 8; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 180; Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (319 ff.); Dietzel/Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (156); Huff, AnwBl. 2018, 155; Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106); Wolf, BRAKMitt. 2016, 9 (15). Näher zu Interessenkonflikten in diesem Fall Kapitel 6.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Gerade in den Fällen des Arbeitgeberwechsels bzw. der Tätigkeit für mehrere Arbeitgeber soll das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen insbesondere, aber nicht nur, Wirkung entfalten, wenn es sich um Konkurrenzunternehmen handelt.12 Voraussetzung ist in der Regel eine persönliche Vorbefasstheit des Syndikusrechtsanwalts, da mehrere Syndikusanwälte desselben Arbeitgebers nach überwiegender Auffassung in der Literatur nicht unter die Regelung des § 3 Abs. 2 BORA fallen.13 Dem tritt bislang lediglich Mayer entgegen, der das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bei Syndikusrechtsanwälten nicht nur dann für relevant hält, wenn der Syndikusrechtsanwalt mehrere Tätigkeiten ausübt, den Arbeitgeber wechselt oder im Konzernverbund tätig ist,14 sondern dem Verbot auch Bedeutung beimisst, wenn ein Syndikusrechtsanwalt ausschließlich für einen Arbeitgeber tätig ist.15 Da der Syndikusrechtsanwalt Dritten keinen Rechtsrat erteilen dürfe, sei das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zwar im Außenverhältnis kaum von Bedeutung.16 Mayer weist jedoch auf die Konflikte bei der Bearbeitung interner Rechtsfragen hin,17 auch wenn der Syndikusrechtsanwalt nur einen Mandanten hat, dessen Interessen er verpflichtet ist.18 Der Bundesverband der Unternehmensjuristen ist, entsprechend der überwiegenden Literaturmeinung, ebenfalls der Auffassung, dass sich das Problem der Vertretung widerstreitender Interessen für einen Syndikusrechtsanwalt mit nur einem Arbeitgeber nicht stellt und nur im Konzernverbund, für einen Syndikusrechtsanwalt mit mehreren Arbeitgebern oder bei Unternehmenswechslern relevant wird.19 Auch in der Rechtsprechung wird bisweilen die Auffassung vertreten, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bei der Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, einschließlich der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO, aufgrund der gleichlaufenden Interessen nicht zu besorgen sei.20 Zudem hat der Bundesgerichtshof in zwei jüngeren Urteilen vom 15.10.2018 entschieden, dass ein Syndikusrechtsanwalt, der für 12

Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (133). Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (107); dem folgend Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 46c Rn. 20; Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (223); weiterhin Huff, AnwBl. 2018, 155 (155 f.); a. A. Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 633 (640); differenzierter aber Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (316 ff.). Siehe ausführlich zur Problematik Kapitel 5 § 1 C. II. 14 Hierzu Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 12 ff., Rn. 18. 15 Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 16. 16 Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 17. 17 Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 19 ff. 18 Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 23 f. 19 BUJ (Hrsg.), Leitfaden Berufsrecht, S. 16 f. 20 Bayerischer AGH, Urteil vom 10.07.2017 – BayAGH III 4 – 6/16, BRAK-Mitt. 2017, 301 (303). 13

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

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seinen Arbeitgeber sowohl anwaltlich als auch nichtanwaltlich tätig wird, von vornherein keine widerstreitenden Interessen vertritt.21 Auf Seiten der Rechtsanwaltskammern hat sich insbesondere der Gesamtvorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin auf seiner Klausurtagung vom 22. – 23. September 2017 mit der Problematik der Interessenkonflikte bei Syndikusrechtsanwälten beschäftigt und hält Interessenkonflikte in der Person des Syndikusrechtsanwalts, bei verschiedenen Syndikusrechtsanwälten eines Konzerns und bei einem Syndikusrechtsanwalt mit Doppelzulassung für möglich und problematisch, auch wenn einem Interessenkonflikt im Konzernverbund regelmäßig das übergeordnete Konzerninteresse entgegenstehe.22 Anders als die bislang wohl überwiegende Auffassung meint, ist die Rechtslage für den Syndikusrechtsanwalt in Aktiengesellschaften allerdings keinesfalls so eindeutig, dass berufsrechtlich relevante Interessenkonflikte von vornherein ausgeschlossen werden können.23 Das soll folgende Konstellation verdeutlichen: Ein Syndikusrechtsanwalt ist ausschließlich bei einer Aktiengesellschaft beschäftigt. Die Gesellschaft wird durch den Vorstand vertreten, § 78 Abs. 1 S. 1 AktG. Der Syndikusrechtsanwalt berät die Gesellschaft und deren Vorstand laufend bei Fragen des operativen Geschäfts. Im Rahmen eines dieser beratenen Geschäfte haben die Vorstandsmitglieder ihre Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG verletzt und sollen nunmehr gemäß § 93 Abs. 2 S. 1 AktG auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. In diesen Fällen wird die Gesellschaft durch ihren Aufsichtsrat vertreten, § 112 S. 1 AktG. Der Aufsichtsrat tritt im Namen der Aktiengesellschaft an den Syndikusrechtsanwalt heran und bittet diesen darum, die Erfolgsaussichten von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand zu prüfen und eine außergerichtliche Durchsetzung der Ansprüche einzuleiten. In dieser Konstellation stellt sich die Frage, ob der Syndikusrechtsanwalt für die Gesellschaft tätig werden darf, nachdem er zuvor den den Vorstand in seiner Funktion als Syndikusrechtsanwalt der Gesellschaft in derselben Angelegenheit zur Rechtmäßigkeit des Geschäftsabschlusses beraten hat, oder ob der Tätigkeit aufgrund der Besonderheiten der Struktur der Aktiengesellschaft das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen entgegensteht.24 Diese Fragestellung soll im Folgenden untersucht werden. Kernpunkt der Untersuchung ist die Frage, in welchem Umfang dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für den Syn21

BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 (3706 Rn. 49); BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 (3714 Rn. 24); vgl. hierzu auch Weyland/Träger, BRAO, § 45 Rn. 32. 22 Protokoll der Klausurtagung des Gesamtvorstands der RAK Berlin vom 22./23.09.2017, TOP 4, S. 13 ff., abrufbar unter www.rak-berlin.de/download/rak_berlin_pdfs_vorstandsproto kolle/2017_09_22und23_Prot_ TO_KlausurTagg.pdf, Abruf am 21.11.2020. 23 Ähnlich Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 16 ff. 24 Vgl. zu dieser Konstellation auch Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 21.

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dikusrechtsanwalt mit nur einem Beschäftigungsverhältnis in einer nicht konzernangehörigen Aktiengesellschaft Bedeutung zukommt.

A. Anwendbarkeit des § 43a Abs. 4 BRAO auf den Syndikusrechtsanwalt Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte wurde in der Literatur von Hermesmeier diskutiert, ob es sich bei § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO um eine spezialgesetzliche Regelung im Sinne des § 46c Abs. 1 BRAO handelt, die die Regelung des § 43a BRAO verdrängt.25 Diese Ausführungen beziehen sich zunächst auf das Verhältnis des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO zur Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO, lassen sich aber auf das ebenfalls in § 43a BRAO geregelte Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen übertragen. Im Ergebnis hat sich bislang jedoch auch in der Literatur niemand dahingehend positioniert, dass es sich bei § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO um eine spezialgesetzliche Regelung zu § 43a BRAO handelt. Auch Hermesmeier tendiert im Ergebnis trotz der angestellten Überlegungen dazu, dass es sich bei § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO nicht um eine spezialgesetzliche Regelung zu § 43a BRAO handelt und § 43a BRAO daher auch für den Syndikusrechtsanwalt gilt.26 Diese Auffassung ist zutreffend. § 43a BRAO findet nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen neben § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO auch auf den Syndikusrechtsanwalt Anwendung.27 Zudem zählt der Gesetzgeber insbesondere die Pflicht zur Wahrung der Unabhängigkeit und Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 1 und Abs. 2 BRAO zu den berufsrechtlichen Vorschriften, die gemäß § 46c Abs. 1 BRAO auch auf den Syndikusrechtsanwalt Anwendung finden sollen.28 Daneben treffen den Syndikusrechtsanwalt auch die weiteren, u. a. in § 43a BRAO geregelten anwaltli25 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (275). An dieser Stelle spricht Hermesmeier zwar von § 46 Abs. 2 S. 2 BRAO als spezialgesetzlicher Regelung zu § 46a Abs. 2 BRAO, gemeint ist offensichtlich aber § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO als spezialgesetzliche Regelung zu § 43a Abs. 2 BRAO. 26 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (280). Auch nach Dietzel/Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (155) gelten die allgemeinen Grundpflichten des § 43a BRAO ohne Einschränkung für den Syndikusrechtsanwalt. Zustimmend Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 14. 27 Nach Dietzel/Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (155) ist § 43a Abs. 4 BRAO auf den Syndikusrechtsanwalt anwendbar, da der Gesetzgeber keine andere Regelung getroffen hat. Zur Geltung des § 43a Abs. 4 BRAO für den Syndikusrechtsanwalt nur feststellend und ohne nähere Begründung Junker/Zwach, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 64 (74); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (307 ff.); Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220, 223); Huff, AnwBl. 2018, 155; Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (107). 28 BT-Drucks. 18/5201, S. 37.

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chen Grundpflichten,29 sodass dem Sinn und Zweck der Regelung des § 46c Abs. 1 BRAO nach davon auszugehen ist, dass die Regelung über das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen auch auf den Syndikusrechtsanwalt anwendbar sein soll.30 Die Vorschrift des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO erweitert lediglich die durch § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO zunächst auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkten Vertretungsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts, ohne die Verschwiegenheitspflicht oder das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen aufzuheben. Das gilt trotz der getroffenen Feststellung, dass mit der Beschränkung der Vertretungsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts auch Interessenkonflikte vermieden werden sollen.31

B. Die Rechtslage bei Kanzleianwälten Wie bereits dargelegt wurde, wird bei der berufsrechtlichen Einordnung der Rechtsbeziehungen des Kanzleianwalts zu der Gesellschaft und ihren Organen streng zwischen den einzelnen Rechtsbeziehungen unterschieden. Grund dafür ist insbesondere die Vermeidung drohender Interessenkonflikte. Derartige Interessenkonflikte sollen an einem weiteren Beispielsfall erläutert werden, mit dem die Anfangs skizzierte Konstellation der Vorstandshaftung wieder aufgegriffen werden soll: I. Beispielsfall 4 Fall 4:32 Die Aktiengesellschaft A hat eine Unternehmenssparte an den Investor I verkauft. Der Vorstandsvorsitzende V hatte im Rahmen dieser Transaktion ein sogenanntes Bring-down Certificate33 unterzeichnet. I macht gegen A und V Schadensersatzansprüche wegen Verletzung dieser Garantien geltend. Der externe Rechtsanwalt R wird mit der gerichtlichen Vertretung von A und V beauftragt. Nachdem R das Mandat übernommen und gegenüber dem Gericht seine Verteidigung angezeigt 29

Auf die Bindung an die anwaltlichen Grundpflichten im Allgemeinen wird in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich hingewiesen, BT-Drucks. 18/5201, S. 37. 30 So auch Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46c BRAO Rn. 8. Siehe zur Anwendbarkeit der in § 43a BRAO geregelten anwaltlichen Grundpflichten ferner Gaier/Wolf/ Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 4 ff.; Weyland/Träger, BRAO, § 46c Rn. 3. 31 Hierzu bereits Kapitel 3 § 3 A. II. 1. b). 32 Fall angelehnt an de Raet, AG 2016, 225 (225, Fall 3; 231). 33 Ein Bring-down Certificate ist eine Bestätigung der Fortgeltung der abgegebenen Erklärungen zu Garantien etc. auf den Vollzugstag der Transaktion, Definition nach Glossar der CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB; abrufbar unter https://cms.law/de/deu/online-services/cms-wissen/glossar, Abruf am 21.11.2020.

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sowie eine Klageerwiderung eingereicht hat, berät der Aufsichtsrat der A darüber, ob gegebenenfalls Regressansprüche der A gegen V bestehen. Der Aufsichtsrat kommt zu dem Ergebnis, dass dem V im Interesse der Gesellschaft der Streit zu verkünden ist, um eventuelle Regressansprüche abzusichern und beauftragt ihren Prozessbevollmächtigten R mit der Vorbereitung einer Streitverkündungsschrift. II. Interessenkonflikte des Kanzleianwalts Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Falls ist zunächst zu prüfen, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Interessenkonflikt vorliegt. 1. Die Theorien zur Interessenbestimmung Die Einordnung ist abhängig von der noch immer umstrittenen Frage, ob ein Interessenkonflikt anhand subjektiver oder objektiver Kriterien zu bestimmen ist. Im Kern geht es bei dem Streit um die Frage, aus wessen Sicht die Interessen im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO zu bestimmen sind. Nach der subjektiven Theorie kommt es bei der Bestimmung der Interessen im Sinne des § 43a BRAO allein auf die subjektive Sicht des Mandanten an.34 Begründet wird diese Auffassung damit, dass der Rechtsanwalt aufgrund seiner Weisungsgebundenheit gemäß §§ 675 Abs. 1, 665 BGB an die subjektiven Interessen des Mandanten gebunden ist und es daher im Einzelfall sogar mit § 43a Abs. 4 BRAO vereinbar sein kann, ein für den Mandanten nachteiliges Ergebnis zu verfolgen.35 Darüber hinaus sei eine Vertretung zweier Parteien durch denselben Rechtsanwalt selbst dann zulässig, wenn die Parteien teilweise unterschiedliche Interessen verfolgen, soweit die Vertretung sich auf die gemeinsamen Interessen beschränkt.36 Das war seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2003 auch aus Sicht der Gerichte die ganz herrschende Auffassung.37 Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahr 201238 wurde zunächst auch in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wieder die objektive Theorie ver34 BVerfGE 108, 150 (162); BGH, Beschluss vom 04.02.2010 – IX ZR 190/07, Rn. 4, zit. nach juris; Deckenbrock, S. 99 f. Rn. 147; Schramm, S. 49, 88; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 172 ff. m. w. N.; Henssler, AnwBl. 2018, 342 (346); Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265 (3267); differenzierend Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 6, Rn. 31, nach dessen Auffassung ist das subjektive Interesse des Mandanten objektiv zu würdigen; ähnlich Offermann-Burckart, AnwBl. 2005, 312 (314). 35 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 172 m. w. N. 36 BGH, Beschluss vom 04.02.2010 – IX ZR 190/07, Rn. 4, zit. nach juris. 37 BGH, Beschluss vom 04.02.2010 – IX ZR 190/07, Rn. 4, zit. nach juris; siehe BVerfGE 108, 150 (162). 38 BGH, Urteil vom 23.04.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung im Jahr 2013 nochmals bestätigt, BGH, Beschluss vom

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treten. Die Vertreter der objektiven Theorie sind der Auffassung, dass nur eine objektive Bestimmung der Interessen geeignet ist, mögliche Interessenkonflikte zu bestimmen.39 Das zentrale Argument des Bundesgerichtshofs für die Anwendung der objektiven Theorie war, dass der Rechtsanwalt im Interesse der Rechtspflege ein unabhängiger Berater und als solcher nur dem Interesse des Mandanten verpflichtet sei.40 Über diese besonderen Eigenschaften soll der Mandant nicht disponieren dürfen.41 Dennoch bestehe nur dann ein Interessenkonflikt, wenn der Konflikt nicht nur latent vorhanden ist, sondern tatsächlich besteht.42 Mit diesem Korrektiv wird letztlich in den meisten Fällen dasselbe Ergebnis erzielt, das unter Anwendung der subjektiven Theorie erzielt werden würde.43 In einer jüngeren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof sich zwar zu Interessenkonflikten bei gleichzeitiger Vertretung mehrerer Gläubiger gegenüber einem später in Insolvenz gefallenen Schuldner geäußert.44 Dieser Entscheidung wird ein Bekenntnis des Bundesgerichtshofs zur subjektiven Theorie entnommen.45 Weiterhin hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einem Beschluss in einem Verfahren wegen Parteiverrats entschieden, dass es für die Interessenbestimmung in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten auf die subjektiven Interessen der Partei ankomme.46 Auch in dieser Entscheidung setzte der Bundesgerichtshof sich mit der Entscheidung des Anwaltssenats vom 23.04.2012 allerdings nicht auseinander und begründet die abweichende Rechtsprechung nicht.47 Eine klare und ausdrückliche Korrektur der Entscheidung aus dem Jahr 2012 hat der Bundesgerichtshof bislang nicht vorgenommen.

16.01.2013 – IV ZB 32/12, NJW 2013, 1247; krit. zu beiden Entscheidungen Henssler, AnwBl. 2013, 668 (670 ff.). 39 Sahan, AnwBl. 2008, 698 (700); das Einverständnis des Mandanten ist nach dieser Ansicht unerheblich, BGHSt 5, 284 (289) BGHSt 4, 80 (82 f.); RGSt 72, 133 (139 f.); RGSt 71, 253 (253 f.); RG, 18.12.1828 – 1 D 761/28, JW 1929, 3168 (3169 f.); EGHE, 29, 85 (87 f.); EGHE 27, 79 (79 f.); EGHE 26, 229 (232 f.). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen ist jedoch uneinheitlich. So hat der 4. Senat des Bundesgerichtshofs in Strafsachen unter Berufung auf eine Entscheidung des Reichsgerichts die Auffassung vertreten, dass das subjektive Interesse maßgeblich ist, BGHSt 5, 301 (307) unter Verweis auf RG, 18.02.1929 – 2 D 4/29, JW 1929, 1885 (1885 f.). 40 BGH, Urteil vom 23.04.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 (3040 Rn. 10). Die besonderen Interessen der Rechtspflege betont auch Grunewald, ZEV 2006, 386 (388). 41 BGH, Urteil vom 23.04.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 (3040 Rn. 10). 42 BGH, Urteil vom 23.04.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 (3041 Rn. 14). 43 de Raet, AG 2016, 225 (229). 44 BGH, Urteil vom 07.09.2017 – IX ZR 71/16, NJW-RR 2017, 1459 (1461 f. Rn. 17 und 18). 45 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 172d; Henssler, AnwBl. 2018, 342 (347). 46 BGH, Beschluss vom 21.11.2018 – 4 StR 15/18, NJW 2019, 316 (317 Rn. 15). 47 Vgl. Deckenbrock, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 21.11.2018 – 4 StR 15/18, NJW 2019, 318.

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Eine vermittelnde Lösung stellt zwar zur Bestimmung der Interessen auf den Willen des Mandanten ab, bejaht aber zugleich die Notwendigkeit, den Mandanten durch eine objektive Würdigung der Interessen zu schützen.48 Für die Lösung von Fall 4 kann ein Streitentscheid jedoch dahinstehen, da nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung eine Einwilligung des Mandanten in die Vertretung widerstreitender Interessen außerhalb von Sozietäten, vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 BORA, keinesfalls zulässig ist.49 Nach der Entscheidung des Aufsichtsrats, Regressansprüche gegen den Vorstandsvorsitzenden zu verfolgen und diesem den Streit zu verkünden, trat ein echter Interessenkonflikt auf. Die Vertretung von A und V durch durch Rechtsanwalt R wäre auch dann nicht zulässig, wenn A und V in die Vertretung widerstreitender Interessen einwilligen, da eine Einwilligung in die Vertretung widerstreitender Interessen, wie soeben gezeigt wurde, keinesfalls möglich ist. Daher ist die Frage, ob es sich um einen subjektiven oder einen objektiven Interessenkonflikt handelt, nicht von Belang. 2. Latente Interessenkonflikte und deren Rechtswirkungen Zu Beginn der Vertretung mag ein Interessenkonflikt nur latent vorhanden gewesen sein, da zunächst nur die Abwehr des Schadensersatzanspruchs und nicht die Sicherung der Regressansprüche Gegenstand der Tätigkeit des R war. Wird in einem solchen Fall die Beratung im Rahmen einer Mandatsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt, Gesellschaft und Vorstandsmitglied auf die Abwehr der Schadensersatzansprüche beschränkt, wäre eine Vertretung nach beiden Theorien zulässig, wenn das Mandat auf die Verteidigung gegen die Ansprüche des I beschränkt ist und, insbesondere aus Sicht der objektiven Theorie, zum Beispiel durch eine Mandats48

Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (310); Offermann-Burckart, AnwBl. 2011, 809 (816); ihr folgend Hirtz, NJW 2019, 2265 (2265 f.). 49 BVerfGE 108, 150 (161 f.); BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14, NJW 2016, 2561 (2562 Rn. 12); BGH, Beschluss vom 16.01.2013 – IV ZB 32/12, NJW 2013, 1247 (1247 Rn. 11); BGH, Urteil vom 23.04.2012 @ AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 (3040 Rn. 10); OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.04.2001 – 2 U 1/00, NJW 2001, 3197 (3198); Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 67; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 202; Deckenbrock, S. 165 Rn. 282; de Raet, AG 2016, 225 (234); kritisch BeckOK BRAO/Römermann/Praß, § 43a Rn. 207 ff., diese halten aus verfassungsrechtlichen Gründen unter Verweis auf BVerfGE 108, 150 eine Lockerung des strengen Vertretungsverbots bei einer umfassenden Aufklärung und einer entsprechenden Einwilligung für geboten; ähnlich Grunewald, AnwBl. 2005, 437 (439), die unter Verweis auf BVerfGE 108, 150 eine Einwilligung bis zur Grenze der Vertretung unterschiedlicher juristischer oder tatsächlicher Standpunkte für beachtlich hält; OffermannBurckart, AnwBl. 2011, 809 (825 f.) hält ein Einverständnis der Mandanten ebenfalls unter gewissen Umständen für beachtlich. Eine Einwilligung in die Vertretung widerstreitender Interessen ist auch strafrechtlich unbeachtlich, Deckenbrock, S. 109 f. Rn. 165 f.; offener hingegen Schramm, S. 55, die eine den Interessengegensatz nicht aufhebende Einwilligung nicht grundsätzlich für unbeachtlich hält. Gleichwohl spricht sie sich de lege ferenda gegen eine berufs- und strafrechtlich relevante Einwilligung des Mandanten in die Vertretung widerstreitender Interessen aus, Schramm, S. 231, 233.

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vereinbarung50 sichergestellt ist, dass der Rechtsanwalt keine Partei in irgendeiner Weise zur Geltendmachung oder Abwehr von Regressansprüchen berät.51 Ein nur latent bestehender Interessenkonflikt darf aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu einem Vertretungsverbot gemäß § 43a Abs. 4 BRAO führen.52 Es sei unverhältnismäßig und verstoße gegen das Übermaßverbot, aus einem nur möglichen, aber nicht akut bestehenden Interessenkonflikt ein Vertretungsverbot abzuleiten.53 3. Echte Interessenkonflikte und deren Rechtswirkungen Nach der Entscheidung des Aufsichtsrats Regressansprüche durchzusetzen, tritt jedoch ein echter Interessenkonflikt auf, da die Interessen der Gesellschaft und des Vorstandsmitglieds nun nicht mehr gleichlaufen.54 Zwar soll eine Streitverkündung grundsätzlich nicht unmittelbar einen Interessenkonflikt auslösen, da dieses Rechtsverhältnis erst im Folgeverfahren zu prüfen ist.55 Das gilt allerdings nur, solange die Parteien keine gegenteiligen Interessen verfolgen.56 In dem geschilderten Beispielsfall ist der Aufsichtsrat aufgrund der Rechtsprechung des BGH57 gesellschaftsrechtlich verpflichtet, Regressansprüche für die Gesellschaft durchzusetzen und möglichst frühzeitig entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Entschließt sich die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, zur Streitverkündung und beauftragt sie den im Prozess tätigen Rechtsanwalt mit der Umsetzung, würde dieser in derselben Rechtssache gegen den Vorstandsvorsitzenden V, also einen anderen Mandanten, tätig werden und damit widerstreitende Interessen vertreten, § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 S. 1 BORA. Eine Einwilligung der Beteiligten in diesen Interessenkonflikt wäre unbeachtlich, da

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(234). 51

Zu den Anforderungen an eine geeignete Mandatsvereinbarung de Raet, AG 2016, 225

So zu den genannten Auswirkungen der subjektiven und der objektiven Theorie im geschilderten Sachverhalt de Raet, AG 2016, 225 (231). 52 BVerfGE 108, 150 (164); BAGE 111, 371 (375); BGH, Urteil vom 23.04.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 (3041 Rn. 14); siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 171, 174. 53 BAGE 111, 371 (375); BGH, Urteil vom 23.04.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 (3041 Rn. 14); zustimmend Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265 (3269); ähnlich Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 171 f., der in der Berücksichtigung latenter Interessenkonflikte ein unzulässiges Anscheinsverbot sieht; so zuvor bereits Deckenbrock, S. 111 Rn. 168 f., der im Hinblick auf § 356 StGB überdies darauf hinweist, dass es sich bei dem Parteiverrat um ein Begehungsdelikt und nicht um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. 54 de Raet, AG 2016, 225 (231). 55 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 184b. 56 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 184b. 57 BGHZ 135, 244 (252, 255 f.). Ausführlich zu dieser Rechtsprechung, wonach der Aufsichtsrat zur Geltendmachung von Regressansprüchen gegenüber den Vorstandsmitgliedern verpflichtet ist bereits Kapitel 3 § 3 A. II. 1. e) aa).

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der R in derselben Rechtssache zwei verschiedene Standpunkte einnehmen müsste.58 Eine weitere Vertretung der Parteien durch den Rechtsanwalt ist daher im Ergebnis berufsrechtlich unzulässig.59 Entstehen derartige Interessenkonflikte muss Rechtsanwalt R, unabhängig von der Frage der Nichtigkeit des Mandatsvertrags bei einem Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO,60 beide Mandate niederlegen, § 3 Abs. 4 BORA.61 Der Rechtsanwalt hat insoweit kein Wahlrecht und kann nicht nur eines der Mandate niederlegen.62 4. Zusammenfassung Allein dieser exemplarische Beispielsfall hat aufgezeigt, welchen Gefahren ein Kanzleianwalt bei der Beratung und Vertretung von Aktiengesellschaften ausgesetzt ist. Innerhalb der Gesellschaft bestehen zahlreiche mögliche Interessenkonflikte, auf die der Rechtsanwalt besonders zu achten hat. Daher muss der Kanzleirechtsanwalt, der in einem ständigen Beratungsmandat für eine Gesellschaft tätig ist, Organmitglieder, die ihn um eine Beratung in persönlichen Angelegenheiten bitten, auf die grundsätzliche Gefahr von Interessenkonflikten hinweisen.63

C. Widerstreitende Interessen innerhalb der Aktiengesellschaft Die geschilderte Fallkonstellation lässt sich selbstverständlich nicht eins zu eins auf den Syndikusrechtsanwalt übertragen, da der Syndikusrechtsanwalt in Verfahren mit Anwaltszwang schon gar nicht dazu befugt ist, die Gesellschaft zu vertreten. Allerdings drohen innerhalb der Aktiengesellschaft verschiedene vergleichbare Konflikte, die für den Syndikusrechtsanwalt im Hinblick auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen potenziell risikobehaftet sind. Konzernbezogene 58

Grunewald, AnwBl. 2005, 437 (439); nachfolgend: Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 65. 59 So auch de Raet, AG 2016, 225 (231). 60 Nachdem der Bundesgerichtshof die Frage der Nichtigkeit eines Mandatsvertrags bei einem Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO lange Zeit offengelassen hatte, zuletzt BGH, Urteil vom 19.09.2013 – IX ZR 322/12, NJW 2013, 3725 (3726 Rn. 7), hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12.05.2016 entschieden, dass ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags führt, BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14, NJW 2016, 2561 (2561 Rn. 7); siehe dazu: Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 210. 61 Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 36; Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/FAO, § 3 BORA Rn. 189; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rn. 209; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 227; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 65; Deckenbrock, AnwBl. 2010, 221 (222); de Raet, AG 2016, 225 (231). 62 Deckenbrock, AnwBl. 2010, 221 (222). 63 Nassall, NJW 1990, 496 (497), zugleich Anmerkung zu BGHZ 109, 260.

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Interessenkonflikte werden in Kapitel 6 näher betrachtet und bleiben daher an dieser Stelle außen vor.64 Zwischen den Gesellschaftsorganen können Konflikte über den Umfang der Rechte des Aufsichtsrates zur Überwachung des Vorstands gemäß § 111 Abs. 1 AktG bestehen.65 Denkbar sind auch Streitigkeiten über die Notwendigkeit der Zustimmung des Aufsichtsrats zu Geschäften gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG oder hinsichtlich der Befugnisse des Aufsichtsrats zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern. Weitere Interessenkonflikte drohen bei Streitigkeiten über die Angemessenheit der Vorstandsbezüge, die der Aufsichtsrat nach § 87 Abs. 1 S. 1 AktG festsetzt.66 In der Praxis besonders relevant sind derartige Konflikte, wenn ein Mehrheits- oder gar Alleingesellschafter einer Aktiengesellschaft über die von ihm gewählten Aufsichtsratsmitglieder Einfluss auf das operative Geschäft nehmen will. In solchen Fällen drohen regelmäßig Konflikte über den Umfang und die Grenzen der Überwachungsbefugnisse des Aufsichtsrats, vgl. § 111 Abs. 4 S. 1 AktG. Innerhalb der einzelnen Organe ist es möglich, dass Konflikte zwischen den eigenen Interessen und der organschaftlichen Treuepflicht bestehen,67 was insbesondere bei dem Wettbewerbsverbot der Vorstandsmitglieder gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 AktG, aber auch bei der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 3 von Bedeutung ist.68 Interessenkonflikte mit einem Bezug auf die Verschwiegenheitspflicht des Vorstands sind ferner denkbar, wenn diese mit der Offenlegung von Informationen im Rahmen einer Due Diligence kollidiert.69 Da die Vorstandsmitglieder aufgrund der ihnen obliegenden organschaftlichen Treuepflicht in erster Linie dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind, hat der Vorstand zwar vorrangig die erwerbswirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft zu berücksichtigen um, auch im Interesse der Aktionäre, die Profitabilität des Unternehmens sicherzustellen.70 Dennoch ist in den genannten Fällen die Verfolgung eigener Interessen nicht ausgeschlossen bzw. sogar wahrscheinlich. 64 Außer Acht bleiben zudem die im Gesellschaftsrecht so bezeichneten „Interessenkonflikte“, soweit diese sich aus der Beziehung der Organmitglieder zu Dritten ergeben können, vgl. Abschnitt E. DCGK. Dabei handelt es sich nicht um Interessenkonflikte im Sinne des anwaltlichen Berufsrechts. Diese sind für die Bestimmung widerstreitender Interessen im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO nicht weiter von Bedeutung. 65 Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). 66 Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). 67 Zu Interessenkonflikten zwischen organschaftlicher Treuepflicht und eigenen Interessen des Vorstandsmitglieds schon Kumpan, S. 114 ff. Vorrang genießt danach stets die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, im Einzelnen Kumpan, S. 115. 68 Nach Kumpan, S. 116 sind das Wettbewerbsverbot und die Verschwiegenheitspflicht eine besondere Ausprägung der organschaftlichen Treuepflicht. 69 Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). 70 Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 19 m. w. N. So auch OLG Hamm, Urteil vom 10.05.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512 (514); Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 76 Rn. 33, 34; MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 76 Rn. 72 f.; jeweils m. w. N.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Daneben können im Verhältnis der Aktionäre zur Gesellschaft Konflikte über den Umfang der Auskunftsrechte gemäß § 131 Abs. 1 S. 2 AktG bestehen.71 Im Verhältnis der Stakeholder zur Gesellschaft droht Streit über den Umfang der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer.72 Auch bei der Beratung der Organe besteht die Möglichkeit eines Interessenkonflikts. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Interesse des Vorstands an einer haftungsentlastenden Beratung mit dem Interesse der Gesellschaft an einer rechtlich sicheren und wirtschaftlich sinnvollen Lösung kollidiert,73 oder wenn der Vorstand die Rechtsabteilung für andere eigene Interessen nutzt.74 Besonders deutlich wird das Problem des Interessenkonflikts bei der Beratung der Organe der Aktiengesellschaft, wenn schon bei Abschluss des Dienstvertrags mit dem Vorstandsmitglied eine Beratung über die Aufnahme einer Regelung zur Herausgabe von Beweismitteln erfolgt75 oder wenn ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats darüber beraten werden möchte, welche Unterlagen es nach seinem Ausscheiden benötigt, um sich in eventuellen Prozessen wirksam verteidigen zu können.76 Praxisrelevant sind ferner Anfragen von einzelnen Vorstandsmitgliedern zu Regelungen im Arbeitsvertrag in Bezug auf die D&O-Versicherung des Vorstandsmitglieds. Weiterhin können Interessenkonflikte bei der Beratung im Rahmen einer streitigen Trennung der Gesellschaft von ihrem Vorstandsvorsitzenden auftreten.77 Speziell für den Syndikusrechtsanwalt ist das Bestehen eines Interessenkonflikts schließlich denkbar, wenn gesellschaftsinterne Prüfungsaufträge von unterschiedlichen Stellen erteilt werden.78 Relevant sind dabei Fälle, in denen der Syndikusrechtsanwalt gegen einen Mitarbeiter oder gar ein Mitglied des Vorstands in derselben Angelegenheit im Überwachungsbereich tätig werden soll, weil der von dem Syndikusrechtsanwalt erteilte Rechtsrat nicht eingehalten wurde und dadurch auf Seiten der Gesellschaft ein Schaden eingetreten ist.79 Interessenkonflikte können aber auch dann auftreten, wenn, wie eingangs bereits dargestellt, aufgrund einer Falschberatung des Vorstands durch den Syndikusrechtsanwalt Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand geltend gemacht werden sollen. Fraglich ist, ob der 71 Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15); allgemein zu Interessenkonflikten bei der Beratung von Aktionären und dem Vorstand einer Aktiengesellschaft durch einen externen Rechtsanwalt Offermann-Burckart, AnwBl. 2011, 809 (818, Fall 27). 72 Schwung, AnwBl. 2007, 14 (15). 73 Ähnlich Müller, S. 285 f., der auf Interessenkonflikte in Fällen der so genannten nützlichen Pflichtverletzung hinweist. Diese entstehen nach seiner Auffassung, da der Syndikusrechtsanwalt in erster Linie dem Gesellschaftsinteresse und nicht dem individuellen Interesse der Organmitglieder verpflichtet ist. 74 Dazu Wagner, BB 2012, 651 (655). 75 Müller, S. 285. 76 Müller, S. 285. 77 Ausführlich dazu de Raet, AG 2016, 225 (225 Fall 1; 229 f.); siehe auch Müller, S. 285. 78 Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 21. 79 Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 21, Rn. 20.

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Syndikusrechtsanwalt in diesem Fall nicht das eigene Interesse an einer NichtAufklärung des eigenen Fehlverhaltens über die Interessen der Gesellschaft stellt.80 Allerdings wird in der Rechtsprechung und der berufsrechtlichen Literatur überwiegend die Ansicht vertreten, dass eigene Interessen des Rechtsanwalts im Rahmen des § 43a Abs. 4 BRAO überhaupt nicht zu berücksichtigen seien, da der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten eigene Interessen vertreten darf.81 Eigene Interessen des Syndikusrechtsanwalts begründen daher von vornherein keine Interessenkonflikte. Widerstreitende Interessen können im Ergebnis also insbesondere zwischen der Gesellschaft und ihren Organen, zwischen den Organen untereinander, aber auch zwischen Gesellschaft und Shareholdern sowie anderen Stakeholdern bestehen.

D. Anwendung des § 43a Abs. 4 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte Nachdem bereits festgestellt wurde, dass § 43a Abs. 4 BRAO grundsätzlich auch auf den Syndikusrechtsanwalt anzuwenden ist, wurden bisher die unmittelbaren Anwendungsvoraussetzungen der Vorschrift nicht näher diskutiert. Wie oben bereits dargestellt wurde, ist im berufsrechtlichen Schrifttum die Auffassung vorherrschend, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für den Syndikusrechtsanwalt weitestgehend bedeutungslos ist, da der Syndikusrechtsanwalt nur einen Mandanten, nämlich die Gesellschaft, hat. Andererseits bewegt sich der Syndikusrechtsanwalt einer Aktiengesellschaft in dem dargestellten Spannungsfeld vielfältiger Interessengegensätze, die bei einem Kanzleianwalt regelmäßig dazu führen, dass einzelne Tätigkeiten aufgrund des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen nicht ausgeübt werden dürfen. Ob dieses Spannungsfeld auch bei einem Syndikusrechtsanwalt zu einem Tätigkeitsverbot gemäß § 43a Abs. 4 BRAO führen kann, wurde bisher nicht diskutiert. Die Problematik soll an zwei weiteren Fallgruppen verdeutlicht werden. Zunächst werden mit Fall 5 Interessenkonflikte bei Auseinandersetzungen zwischen der Gesellschaft und einem ihrer Organe geprüft. Dieser Fall orientiert sich an der Anfangs skizzierten Konstellation der Vorstandshaftung und dem Beispielsfall 4.82 Anschließend werden an einem weiteren Beispielsfall (Fall 6) Interessenkonflikte bei einer Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftsorganen untersucht. 80 Vgl. zu dieser Konstellation Müller, S. 262, nach dessen Auffassung soll in diesem Fall aber kein konkreter Interessenkonflikt vorliegen. 81 BGHSt 45, 148 (151 f.) (zu § 356 StGB); BGHSt 12, 96 (98); Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 57; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 185; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 170; a. A. Kumpan, S. 33 f.; ähnlich Schautes, S. 287 ff., der vorgeschlagen hat, sämtliche die anwaltliche Unabhängigkeit gefährdende Tatbestände, auch eigene wirtschaftliche Interessen des Anwalts, im Rahmen einer von ihm befürworteten Neuregelung als Interessenkollision einzustufen. 82 Siehe oben Kapitel 4 § 1 B. I.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Fall 5:83 Der Vorstand einer Aktiengesellschaft bittet den Syndikusrechtsanwalt, ihn zur Rechtmäßigkeit und zu den persönlichen Haftungsrisiken der Vorstandsmitglieder bei Abschluss eines bestimmten Geschäfts zu beraten. Der Syndikusrechtsanwalt führt die Beratung durch. Im Nachgang will der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft aufgrund dieses Geschäftsabschlusses für die Gesellschaft Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder geltend machen und bittet den Syndikusrechtsanwalt um die außergerichtliche Durchsetzung der Schadensersatzansprüche. Darf der Syndikusrechtsanwalt tätig werden? Fall 6:84 Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft bittet den Syndikusrechtsanwalt, ihn darüber zu beraten, ob er bestimmte Geschäftsabschlüsse des Vorstands unter einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats stellen kann oder ob ein solcher Zustimmungsvorbehalt gegen das Geschäftsführungsverbot des § 111 Abs. 4 S. 1 AktG verstößt. Auf Grundlage der Beratung des Syndikusrechtsanwalts stellt der Aufsichtsrat einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen unter einen Zustimmungsvorbehalt. Der Vorstand der Gesellschaft sieht in diesem Vorgehen einen Verstoß gegen das Geschäftsführungsverbot. Der Vorstandsvorsitzende tritt daraufhin an den Syndikusrechtsanwalt heran und bittet diesen darum, den Vorstand zur Rechtmäßigkeit des Zustimmungsvorbehalts zu beraten und eventuelle Abwehrmaßnahmen zu prüfen und einzuleiten. Darf der Syndikusrechtsanwalt tätig werden? I. Der Tatbestand des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen § 43a Abs. 4 BRAO i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 BORA verbietet es dem (Syndikus-)Rechtsanwalt, in derselben Rechtssache widerstreitende Interessen zu vertreten.85 Das Tätigkeitsverbot greift allerdings erst dann ein, wenn die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Normzwecks zum Ergebnis führt, dass der Rechtsanwalt widerstreitende Interessen vertritt.86 Hierzu ist es erforderlich, dass ein Interessenkonflikt zwischen zwei Parteien innerhalb desselben Lebenssachverhalts vorliegt und der Syndikusrechtsanwalt eine Partei im widerstreitenden Interesse vertritt, nachdem er bereits für die andere Partei tätig geworden war und daher mit der Angelegenheit beruflich vorbefasst ist. Im Rahmen der beruflichen Vorbefassung und bei der Prüfung des 83 Fall angelehnt an de Raet, AG 2016, 225 (225, Fall 3) und die Fallabwandlung bei de Raet, AG 2016, 225 (231 f.). 84 Vgl. die ähnliche Konstellation bei Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, § 46c BRAO Rn. 26. 85 Schramm ist zwar der Auffassung, dass § 3 BORA neben § 43a Abs. 4 BRAO keine eigenständige Bedeutung hat, Schramm, S. 98, gleichwohl ist die Regelung des § 3 BORA als geltende Satzungsnorm bei der Untersuchung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen zu berücksichtigen. 86 Henssler, AnwBl. 2018, 342.

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Merkmals „Vertretung“ ist als zwingend notwendiges Merkmal zu prüfen, ob es sich bei den Tätigkeiten um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt. 1. Interessenkonflikt und Sachverhaltsidentität Zunächst ist es erforderlich, dass tatsächlich ein Interessenkonflikt vorliegt und eine Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts in derselben Rechtssache (Sachverhaltsidentität) gefordert ist. Das Merkmal der Sachverhaltsidentität ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 43a Abs. 4 BRAO anerkannt.87 Das Merkmal sei zudem verfassungsrechtlich notwendig, da eine restriktive Lesart des § 43a Abs. 4 BRAO geboten sei.88 Zur Bestimmung des Interessenkonflikts ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Abstrakt formuliert besteht ein Interessenkonflikt dann, wenn der Syndikusrechtsanwalt denselben Lebenssachverhalt aus zwei verschiedenen Perspektiven rechtlich bewerten soll.89 Ob ein Interessenkonflikt tatsächlich besteht, ist abhängig davon, ob die Interessen subjektiv oder objektiv zu bestimmen sind. In beiden Beispielsfällen besteht aus objektiver Sicht eindeutig ein Interessenkonflikt. Für die Bestimmung eines auch subjektiv bestehenden Interessenkonflikts müssten die Motive und Interessen der Beteiligten im Einzelfall untersucht werden. Zum Zweck dieser Untersuchung soll das Bestehen eines subjektiven Interessenkonflikts jedoch unterstellt werden. Ohnehin ist es nur schwer vorstellbar, dass in den Beispielsfällen ein Interessenkonflikt aus subjektiver Sicht der Beteiligten zu verneinen wäre. Auch zur Bestimmung der Sachverhaltsidentität ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Wiederum lässt sich aber abstrakt festhalten, dass dann von einer Sachverhaltsidentität auszugehen ist, wenn die widerstreitenden Interessen aus demselben Lebenssachverhalt abgeleitet werden können.90 Für eine Sachverhaltsidentität im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO genügt eine teilweise Sachverhaltsidentität,91 sodass eine Tätigkeit eines Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 4 BRAO auch dann unzulässig ist, wenn sich die streitgegenständlichen Tatsachen aus einem 87 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 61; Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/ FAO, § 3 BORA Rn. 51; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 199; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 155. Schramm ist hingegen der Auffassung, dass die Einschränkung des Tatbestands auf dieses Merkmal bedeutungslos ist, Schramm, S. 94 f. 88 Deckenbrock, S. 161 f. Rn. 272 m. w. N. 89 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 169 unter Verweis auf Henssler, NJW 2001, 1521 (1522) sowie BGHZ 112, 345 (349 f.). Siehe auch Grunewald, AnwBl. 2005, 437 (439) sowie Offermann-Burckart, AnwBl. 2011, 809 (810). Nach Auffassung von Schramm genügt es sogar, wenn die Parteien widerstreitende Interessen haben, Schramm, S. 89. 90 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 199; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 155 ff.; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 60. 91 Stetige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, siehe nur BGH, Beschluss vom 16.01.2013 – IV ZB 32/12, NJW 2013, 1247 Rn. 9; dazu auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 200 m. w. N; Henssler, AnwBl. 2013, 668 (669).

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

teilidentischen historischen Vorgang ableiten.92 Probleme bereitet mitunter die Beurteilung eines Sachverhalts als einheitlicher Lebenssachverhalt.93 In den oben dargestellten Beispielen für Interessenkonflikte des Syndikusrechtsanwalts würde jedoch in jedem Fall ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegen, sodass der Syndikusrechtsanwalt jeweils in derselben Rechtssache widerstreitende Interessen vertreten würde. In Fall 5 soll der Syndikusrechtsanwalt Schadensersatzansprüche in einem Sachverhalt verfolgen, in dem er die Gegenseite bereits zur Rechtmäßigkeit des schadensersatzbegründenden Verhaltens beraten hat. Es ist bei der Tätigkeit externer Rechtsanwälte unstreitig, dass die erforderliche Sachverhaltsidentität besteht, wenn der Rechtsanwalt sowohl für die Gesellschaft als auch für ihr Vertretungsorgan tätig werden soll.94 In vergleichbaren Fällen ist daher auch bei einem Syndikusrechtsanwalt von einer Sachverhaltsidentität auszugehen. In dem Fall 6 soll die Frage der Rechtmäßigkeit des Zustimmungsvorbehalts aus den beiden Perspektiven des Vorstands und des Aufsichtsrats rechtlich bewertet werden. 2. Berufliche Vorbefasstheit Wesentlich problematischer ist das Merkmal der beruflichen Vorbefasstheit. Die Vertretung widerstreitender Interessen ist nur in den Fällen untersagt, in denen der (Syndikus-)Rechtsanwalt mit der Angelegenheit beruflich vorbefasst war.95 Ein Rechtsanwalt ist dann mit einer Sache vorbefasst, wenn er diese „in anderer Eigenschaft beruflich bearbeitet oder an ihrer Bearbeitung mitgewirkt hat.“96, wobei sowohl die gleichzeitige als auch die zeitversetzte Bearbeitung derselben Angelegenheit im widerstreitenden Interesse verboten ist.97 Mit dieser Definition knüpft das Merkmal der beruflichen Vorbefassung an eine andere Vorbefassung an. Hierbei muss es sich also um eine Vorbefassung im Rahmen einer beruflichen Zweittätigkeit handeln.98 92

Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 199. Dazu Grunewald, AnwBl. 2005, 437 (438); näher zur Bestimmung des Merkmals Henssler, AnwBl. 2013, 668 (669 f.). 94 Henssler, AnwBl. 2018, 342 (344). 95 BGHSt 20, 41 (41 f.); Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 56; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§3 BORA Rn. 15; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 196; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 175; Offermann-Burckart, AnwBl. 2005, 312. 96 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 57. 97 Offermann-Burckart, AnwBl. 2011, 809 (810, 815). 98 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 56 stellt auf eine anwaltliche Vorbefassung oder eine Vorbefassung im Rahmen einer Zweittätigkeit im Sinne der §§ 45, 46, 47, 7 Ziff. 8 BRAO ab und verlangt eine beruflich fremdnützige Tätigkeit; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 14a stellt auf eine anwaltliche oder eine weitere berufliche Tätigkeit im Sinne des § 45 BRAO ab; Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/ FAO, § 3 BORA Rn. 56 stellt auf eine anwaltliche Vorbefassung oder eine Vorbefassung im 93

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a) Anwaltliche oder sonstige Vorbefassung Es ist jedoch umstritten, ob das Vertretungsverbot des § 43a Abs. 4 BRAO nur bei anwaltlicher Vorbefassung99 oder auch bei jeder sonstigen beruflichen Vorbefassung100 greift. Vertreter eines engen Begriffsverständnisses verweisen darauf, dass echte zweitberufliche Tätigkeiten nur von § 45 BRAO erfasst werden.101 Vertreter eines weiten Begriffsverständnisses verweisen hingegen darauf, dass § 43a Abs. 4 BRAO keine Beschränkung auf anwaltliche Tätigkeiten enthält.102 Das Problem der Vorbefassung ist im Hinblick auf den Syndikusrechtsanwalt und die Lösung der beiden Fallkonstellationen besonders problematisch,103 da der Syndikusrechtsanwalt in einem einzigen und ausschließlichen Mandatsverhältnis zu der ihn beschäftigenden Aktiengesellschaft steht. Zudem wurde festgestellt, dass sich das Mandat nur dann auf die Beratung der Organe der Gesellschaft erstreckt, wenn damit zugleich und überwiegend Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers bearbeitet werden. Folgt man der Ansicht, dass das Vertretungsverbot des § 43a Abs. 4 BRAO nur bei anwaltlicher Vorbefassung greift, wäre das Tatbestandsmerkmal daher nur verwirklicht, wenn es sich bei den zu bearbeitenden Rechtsangelegenheiten um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO handeln würde. Folgt man der Ansicht, dass das Vertretungsverbot auch bei jeder Rahmen einer Zweittätigkeit im Sinne der §§ 45, 46 BRAO ab; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 196 f., stellt auf das Bestehen verschiedener Vertragsverhältnisse ab. 99 So Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 196, 197, der sich zur Begründung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 356 StGB beruft. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass nur eine anwaltliche Vorbefassung den objektiven Tatbestand des § 356 Abs. 1 StGB erfüllt, BGHSt 45, 148 (153); BGHSt 24, 191 (191 f.); BGHSt 20, 41 (42); BGHSt 13, 231 (232). Auch Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 14 f. steht einer weiten Auslegung der Vorbefassung kritisch gegenüber und will die Problemfälle lösen, indem das Bestehen widerstreitender Interessen verneint wird. 100 So Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 56; Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/ FAO, § 3 BORA Rn. 56, 69, allerdings etwas zurückhaltender als noch in der Vorauflage, vgl. Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, 6. Auflage 2016, § 3 BORA Rn. 75, 80; OffermannBurckart, AnwBl. 2005, 312 (313); Offermann-Burckart, AnwBl. 2011, 809 (810); einzelfallabhängig zustimmend Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 176 f. 101 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 197. 102 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 56; Offermann-Burckart, AnwBl. 2005, 312 (313); zurückhaltender Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 175 ff.; ähnlich Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/FAO, § 3 BORA Rn. 69 unter Verweis auf den Wortlaut des § 3 Abs. 1 BORA. 103 Das Problem der Vorbefassung soll nach derzeitiger Auffassung in der Literatur nur dann von Bedeutung sein, wenn ein Justiziar ohne Rechtsanwaltszulassung in ein neues Unternehmen wechselt und sich für diese Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zulässt, OffermannBurckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (311). Tatsächlich ist der Meinungsstreit hinsichtlich der Reichweite der beruflichen Vorbefassung auch für die Lösung der beiden hier diskutierten Fallgruppen relevant.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

sonstigen Vorbefassung verwirklicht ist, wäre zu prüfen, ob es sich noch um eine berufliche Tätigkeit handelt, wenn der Syndikusrechtsanwalt keine Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers bearbeitet. Für die geschilderten Fallkonstellationen bedeutet das Folgendes: aa) Rechtslage bei notwendiger anwaltlicher Vorbefassung (1) Beispielsfall Nr. 5 In dem Beispielsfall 5 soll der Syndikusrechtsanwalt für die Gesellschaft Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder durchsetzen, nachdem er diese zuvor im Hinblick auf die persönlichen Haftungsrisiken beraten hat.104 Fraglich ist, ob der Syndikusrechtsanwalt gegenüber dem Vorstand der Aktiengesellschaft im Rahmen der ersten Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt der Gesellschaft und damit anwaltlich im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO tätig geworden ist, da nach der Auffassung, dass der Begriff der Vorbefassung in § 43a Abs. 4 BRAO eng auszulegen ist, nur anwaltliche Tätigkeiten geeignet sind, das Tatbestandsmerkmal der beruflichen Vorbefassung zu verwirklichen.105 Nur die Kollisionstätigkeit, also die zweite Tätigkeit, muss nicht zwingend als Rechtsanwalt bearbeitet werden.106 Da der Syndikusrechtsanwalt ausschließlich Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt bearbeiten darf, müsste es sich bei der Beratung des Vorstands um eine Rechtsangelegenheit der Aktiengesellschaft im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO gehandelt haben. Das ist vorliegend jedoch eindeutig nicht der Fall, da der Syndikusrechtsanwalt den Vorstand hinsichtlich der bestehenden Haftungsrisiken und damit im persönlichen Interesse beraten hat. Die Beratung der Vorstandsmitglieder in persönlichen Angelegenheiten ist, wie in Kapitel 3 § 3 A. II. ausführlich dargestellt wurde, gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO jedoch unzulässig. Solche Tätigkeiten unterfallen nicht der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts gemäß § 46 Abs. 5 BRAO, sodass die berufliche Vorbefassung bei enger Betrachtung des Vertretungsverbots des § 43a Abs. 4 BRAO und der Beschränkung der erfassten Tätigkeiten auf rein anwaltliche Tätigkeiten in dem Beispielsfall 5 zu verneinen ist. Der Syndikusrechtsanwalt würde im Fall des Tätigwerdens für die Gesellschaft daher nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstoßen. Anders wäre das nur im umgekehrten Fall, in dem auf eine Tätigkeit für die Gesellschaft eine Tätigkeit für den Vorstand folgen würde. Allerdings ist es praktisch nur schwer vorstellbar, dass der Syndikusrechtsanwalt einer Gesellschaft für die Gesellschaft gegen Mitglieder des Vertretungsorgans tätig wird und die Mitglieder des Vertretungsorgans sich anschließend in derselben Angelegenheit gerade an den unternehmensinternen Syndikusrechtsanwalt wenden. 104 105 106

Siehe Kapitel 4 § 1 D. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 196. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 197.

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(2) Beispielsfall Nr. 6 In der Fallvariante 6 soll der Syndikusrechtsanwalt den Vorstand zur Rechtmäßigkeit eines Zustimmungsvorbehalts des Aufsichtsrats beraten, nachdem er bereits den Aufsichtsrat zur Zulässigkeit des Zustimmungsvorbehalts beraten hat.107 Auch in diesem Fall ist fraglich, ob der Syndikusrechtsanwalt gegenüber dem Aufsichtsrat im Rahmen der ersten Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt der Gesellschaft und damit anwaltlich im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO tätig geworden ist. Das wäre nur der Fall, wenn es sich bei der Beratung um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO handeln würde. (a) Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers? In Kapitel 3 wurde ausgeführt, dass der Syndikusrechtsanwalt die Organe und Organmitglieder grundsätzlich nicht hinsichtlich persönlicher Interessen oder subjektiver Organrechte beraten darf, da es sich insoweit nicht um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt. Nach der derzeitigen anwaltsgerichtlichen Rechtsprechung ist der Begriff der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers eng auszulegen.108 In Zweifelsfällen, in denen eine Aufteilung der Beratungsbereiche nicht oder nur schwer möglich ist, soll nur eine Beratung der Gesellschaft im Gesellschaftsinteresse geschuldet sein.109 Die Bestimmung der bestehenden Interessenlage ist in dem Beispielsfall Nr. 6 besonders problematisch, da in diesem Fall die Gesellschaftsorgane im Interesse der Aktiengesellschaft an einem rechtmäßigen Verhalten des jeweils anderen Organs im Sinne einer guten Corporate Governance ihre gesellschaftsrechtlichen Überwachungsrechte geltend machen. Grundsätzlich gehört die Beratung der Organe der Aktiengesellschaft im Interesse der Gesellschaft zu den Aufgaben des Syndikusrechtsanwalts. Man könnte diese Fälle daher unter dem Aspekt der Rolle des Syndikusrechtsanwalts als Wächter des Rechts im Unternehmen110 als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers einordnen, denn die Interessen des Organs kollidieren hier nicht mit den Interessen der Gesellschaft. In solchen Konstellationen soll der Syndikusrechtsanwalt grundsätzlich beratend tätig werden dürfen. Gleichwohl erfolgt die Beratung aber auch im Interesse des Organs an der vollständigen Wahrnehmung der ihm gesellschaftsrechtlich übertragenen Befugnisse. Die Beratung der Organe der Gesellschaft hinsichtlich ihrer subjektiven Organrechte ist, wie in Kapitel 3 erörtert wurde, jedoch nicht Gegenstand der anwaltlichen Beratung der Gesellschaft durch den Syndikusrechtsanwalt. 107

Siehe Kapitel 4 § 1 D. AGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.08.2017 – 1 AGH 17/16, Orientierungssatz und Rn. 49 ff., zit. nach juris. Die Entscheidung wurde durch den Bundesgerichtshof bestätigt, BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 58/17, Rn. 11, zit. nach juris. Krit. zu dieser engen Auslegung Huff, BRAK-Mitt. 2020, 123 (124). 109 Vgl. BGHZ 109, 260 (271). 110 Zum Syndikusrechtsanwalt als Wächter des Rechts im Unternehmen Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). 108

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Es ist daher in dem Beispielsfall Nr. 6 zu prüfen, wo der Schwerpunkt der Beratung durch den Syndikusrechtsanwalt liegt. Nur wenn der Schwerpunkt der Beratung auf der Beratung der Gesellschaft liegt, handelt es sich um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO und wäre der Syndikusrechtsanwalt mit der Angelegenheit anwaltlich vorbefasst. Der Schwerpunkt der Beratung liegt vorliegend in der Beratung des Aufsichtsrats hinsichtlich der Frage, ob er Geschäftsabschlüsse des Vorstands unter einen Zustimmungsvorbehalt stellen kann. Diese Beratung betrifft zwar auch das Interesse der Gesellschaft an einem Gleichgewicht zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, zwischen Freiheit der Geschäftsführung und Überwachung, zur Sicherung einer guten Corporate Governance. In dem geschilderten Sachverhalt geht es jedoch nicht um eine objektive Beratung des Aufsichtsrats als Gremium der Gesellschaft, sondern um subjektive Organrechte, die zudem in dem konkreten Beispielsfall in einem Konflikt zu den subjektiven Interessen des Vorstands stehen. Eine solche Beratung ist von den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO nicht umfasst. Dieses Ergebnis beruht auf der besonderen Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft, die in unterschiedlichen Situationen von verschiedenen Organen repräsentiert wird, die ihrerseits eigene Interessen verfolgen können, die mit den Interessen der Gesellschaft nicht zwangsläufig gleichlaufen. Innerhalb dieses Spannungsfeldes sitzt der Syndikusrechtsanwalt sprichwörtlich „zwischen den Stühlen“. In dem Beispielsfall 6 ist die zu bearbeitende Rechtsangelegenheit aufgrund der Risiken und des Interessenkonflikts zwischen den Interessen der Organe der Aktiengesellschaft daher im Ergebnis nicht als Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO einzuordnen. Das hat zur Konsequenz, dass der Syndikusrechtsanwalt in dem Beispielsfall Nr. 6 für beide Organe nicht in seiner Funktion als Syndikusrechtsanwalt tätig werden darf, da es sich nicht um eine Rechtsangelegenheit seines Arbeitgebers handelt. Das bedeutet aber auch, dass der Syndikusrechtsanwalt im Falle des Tätigwerdens für den Vorstand nicht (erst) gegen § 43a Abs. 4 BRAO verstößt, da ihm bereits das Tätigwerden für den Aufsichtsrat gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO untersagt war. Er ist somit nicht anwaltlich tätig geworden und damit in der Angelegenheit nicht im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO vorbefasst. Gleichwohl ist ihm die zweite Tätigkeit für den Vorstand gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO untersagt. Damit einher geht zwar ein nahezu vollständiges Verbot der internen Beratungstätigkeit in Konfliktfällen. Das ist aber erforderlich, um die unabhängige Rolle des Syndikusrechtsanwalts innerhalb der Gesellschaft abzusichern. Gestattete man dem Syndikusrechtsanwalt in dem Beispielsfall 6 die Tätigkeit, wäre die Vertretungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts für die Organe abhängig davon, welches der Organe zuerst an den Syndikusrechtsanwalt herantritt und um Beratung in einer bestimmten Angelegenheit bittet. Das mag bei einem Kanzleirechtsanwalt der Normalfall sein, der bei der Mandatsannahme, insbesondere bei der Vertretung von

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

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Aktiengesellschaften, stets eine Kollisionsprüfung durchführen und ggf. das spätere Mandat ablehnen muss, entspricht aber nicht der Funktion des Syndikusrechtsanwalts als ausschließlicher und dauerhafter Interessenvertreter der Gesellschaft. Verfehlt wäre es allerdings, vor diesem Hintergrund den Beratungsschwerpunkt in dem Beispielsfall Nr. 6 allein in der Beratung der Gesellschaft im Hinblick auf deren Interesse an einem Gleichgewicht zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, zwischen Freiheit der Geschäftsführung und Überwachung, zur Sicherung einer guten Corporate Governance zu sehen, um eine Rechtsberatungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts zu bejahen. Das würde nämlich voraussetzen, dass der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft eine stets übergeordnete neutrale Stellung als „Sachwalter“ der Gesellschaftsinteressen einnimmt und in der geschilderten Fallkonstellation als eine Art unabhängiger Mediator tätig wird. Ein solches Verständnis widerspricht der Rolle des Rechtsanwalts als Interessenvertreter.111 Eine solche Tätigkeit wäre auch untypisch, wenn man die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts mit der Beratung einer Aktiengesellschaft durch einen Kanzleirechtsanwalt vergleicht, der in verschiedenen Mandatsbeziehungen zur Gesellschaft und den Organmitgliedern stehen kann. Zudem wäre mit einem solchen Rollenverständnis jedenfalls jede Beratung im operativen Tagesgeschäft ausgeschlossen. Auflösen lässt sich die Problematik nur, wenn beide Organe übereinstimmend erklären würden, dass sie an einer objektiven Klärung der Rechtsfrage, wie weit die jeweiligen Organbefugnisse reichen, interessiert sind. In entsprechender Anwendung der subjektiven Theorie ist das Beratungsinteresse in diesem Fall auf die neutrale Untersuchung der Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme beschränkt. Dann würden die Beratungsinteressen gleichlaufen und eine Beratung durch den Syndikusrechtsanwalt wäre unproblematisch möglich, da beide Organe im Interesse der Gesellschaft an einer objektiven Lösung des Konflikts interessiert sind. Eine solche Beratungstätigkeit wäre ohne Weiteres als Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers einzuordnen. (b) Ergebnis: keine anwaltliche Vorbefassung In dem Beispielsfall 6 ist der Syndikusrechtsanwalt mit der Sache daher bei enger Auslegung des Merkmals der Vorbefasstheit nicht anwaltlich vorbefasst, da auch hier keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers nach § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO bearbeitet werden soll. Er hätte den Aufsichtsrat in dieser Angelegenheit daher schon gar nicht in seiner Funktion als Syndikusrechtsanwalt der Aktiengesellschaft beraten dürfen.

111 Ähnlich Mayer, der die „Annahme eines rein objektiv am Unternehmensinteresse orientierten Syndikusrechtsanwalts“ für bedenklich hält, Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 25.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

bb) Rechtslage bei sonstiger Vorbefassung Das Merkmal der Vorbefasstheit könnte in dem Fall 5112 zu bejahen sein, wenn man der Ansicht folgt, dass auch dann von einer Vorbefassung im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO auszugehen ist, wenn der Syndikusrechtsanwalt mit einer Rechtsangelegenheit in sonstiger Weise vorbefasst ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch auch nach Auffassung der Befürworter eines weiten Verständnisses des Begriffs der beruflichen Vorbefassung, dass der Syndikusrechtsanwalt mit der Sache innerhalb einer echten beruflichen Zweittätigkeit im Sinne des § 45 BRAO113, bzw. nach weitergehender Auffassung einzelner Autoren mit einer Zweittätigkeit im Sinne des § 47 BRAO114 oder einer sonstigen beruflichen Zweittätigkeit im Sinne des § 7 Ziff. 8 BRAO115, vorbefasst ist.116 Die Tätigkeit als Rechtsanwalt muss sich eindeutig von der zweitberuflichen Tätigkeit abgrenzen lassen.117 Diese Voraussetzungen sind, bezogen auf den Syndikusrechtsanwalt, in der Regel nicht erfüllt. Der Nur-Syndikusrechtsanwalt übt nur einen Beruf aus, sodass er in dem Beispielsfall nicht im Rahmen eines Zweitberufs in sonstiger Weise mit einer Rechtsangelegenheit vorbefasst sein kann. Wird der Syndikusrechtsanwalt hingegen außerhalb seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und entgegen der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO für ein Organ oder Organmitglied tätig, übt er keinen Zweitberuf aus, sondern wird unzulässigerweise anwaltlich tätig, sodass eine berufliche Vorbefassung in sonstiger Weise in diesen Fällen zu verneinen ist. Aufgrund dessen ist eine berufliche Vorbefassung des Syndikusrechtsanwalts in dem Fall 5 auch dann zu verneinen, wenn man das Merkmal der Vorbefasstheit weit auslegt. Die Beratung des Vorstands war gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO unzulässig. Der Syndikusrechtsanwalt ist somit mit der Angelegenheit nicht im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO vorbefasst und würde bei einem Tätigwerden für die Gesellschaft daher nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstoßen. Dieses Ergebnis gilt, obwohl in dem Beispielsfall auf den ersten Blick eindeutig ein Interessenkonflikt vorliegt. Damit geht allerdings weder ein Systembruch noch eine Besserstellung der Syndikusrechtsanwälte gegenüber Kanzleianwälten einher. 112

Siehe Kapitel 4 § 1 D. So Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 14a; Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/FAO, § 3 BORA Rn. 69, dieser im Vergleich zur Vorauflage aber etwas zurückhaltender; Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 56. 114 So Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 56. 115 So Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 56. Für eine Erstreckung auf jede berufliche Befassung auch Offermann-Burckart, AnwBl. 2005, 312 (313). 116 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 56; siehe auch Weyland/Träger, BRAO, § 45 Rn. 26; Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/FAO, § 3 BORA Rn. 69; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 14a ff.; Offermann-Burckart, AnwBl. 2005, 312 (313). Krit. zu einem weiten Begriffsverständnis Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 176 f. 117 BGH, Beschluss vom 13.10.2003 – AnwZ (B) 79/02, NJW 2004, 212 (213); Weyland/ Träger, BRAO, § 45 Rn. 29; vgl. Horn, W. BRAK-Mitt. 2009, 155 (157). 113

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

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Richtig ist zwar, dass einem Kanzleirechtsanwalt die Tätigkeit in dem Fall 5, in dem der Syndikusrechtsanwalt für die Gesellschaft Schadensersatzansprüche durchsetzen soll, nachdem er den Vorstand zuvor zu den persönlichen Haftungsrisiken beraten hat, aufgrund des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen untersagt wäre (siehe dazu Fall 4118). Die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts für den Vorstand der Aktiengesellschaft ist jedoch bereits gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO unzulässig gewesen. Verstößt der Syndikusrechtsanwalt gegen dieses Verbot, entspricht seine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht mehr den Anforderungen des § 46 BRAO. In diesen Fällen droht nach § 46b Abs. 2 S. 2 BRAO der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Regelung des § 46b Abs. 2 S. 2 BRAO erweitert die Widerrufsgründe des § 14 BRAO auf die tätigkeitsbezogenen Zulassungsmerkmale.119 Sicherlich würde ein einmaliger Verstoß nicht zur Konsequenz des § 46b Abs. 2 S. 2 BRAO führen, allerdings ist gleichwohl darauf zu achten, dass die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts sich im Rahmen der Vorgaben des § 46 BRAO bewegen muss, um jegliche Risiken im Hinblick auf den Bestand der Syndikusrechtsanwaltszulassung auszuschließen. Dementsprechend kann es nicht zu Interessenkollisionen kommen, da kein Fall der beruflichen Vorbefassung vorliegt. Dennoch ist die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts für den Vorstand im Fall 5 berufsrechtswidrig und kann entsprechend sanktioniert werden. Dasselbe gilt für den Beispielsfall 6, in dem der Syndikusrechtsanwalt den Vorstand zur Zulässigkeit eines Zustimmungsvorbehalts durch den Aufsichtsrat beraten soll, nachdem er zuvor den Aufsichtsrat selbst zur Zulässigkeit des Zustimmungsvorbehalts beraten hat.120 Da der Syndikusrechtsanwalt im Falle des Tätigwerdens keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO wahrnehmen würde, fehlt es auch bei einem weiten Verständnis der beruflichen Vorbefassung im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO an einer solchen. Die Tätigkeit für die Organe ist jedoch bereits nach § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO unzulässig. b) Ergebnis: keine berufliche Vorbefassung des Syndikusrechtsanwalts Das für das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen relevante Tatbestandsmerkmal der beruflichen Vorbefassung ist für den Syndikusrechtsanwalt der Aktiengesellschaft nicht verwirklicht, wenn Organe oder Organmitglieder Rechtsrat zu gesellschaftsexternen Sachverhalten einholen und der Syndikusrechtsanwalt anschließend für die Gesellschaft in derselben Angelegenheit gegen ein Organ oder die Organmitglieder tätig werden soll (Fall 5). In solchen Fällen wird der Syndikusrechtsanwalt außerhalb seiner Rechtsberatungsbefugnis und somit nicht anwaltlich oder in sonstiger Weise beruflich tätig.

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Kapitel 4 § 1 B. I. Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46b BRAO Rn. 6. Siehe Kapitel 4 § 1 D.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Das Merkmal der beruflichen Vorbefassung ist weiterhin auch dann nicht verwirklicht, wenn gesellschaftsinterne und zwischen den Organen der Gesellschaft streitige Rechtsangelegenheiten bearbeitet werden sollen (Fall 6). Auch in diesem Fall ist die Tätigkeit für die Organe von der Rechtsberatungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO nicht umfasst. Der Syndikusrechtsanwalt wird daher nicht beruflich tätig und ist somit mit der Angelegenheit auch nicht beruflich vorbefasst im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO. Der überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ist daher insoweit beizupflichten, dass der Syndikusrechtsanwalt einer Einzelgesellschaft den Tatbestand des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen nicht verwirklichen kann. Der Grund hierfür ist, dass er in möglichen Konfliktmandaten mit den Rechtsangelegenheiten aufgrund der Beschränkung der Vertretungsbefugnisse gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO regelmäßig nicht vorbefasst ist. Gleichwohl ist die Beratung der Organe der Gesellschaft in den beiden Beispielsfällen berufsrechtlich unzulässig. Der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts steht nämlich bereits das in § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO enthaltene Tätigkeitsverbot entgegen. Dieses Ergebnis entspricht zudem der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf Kanzleirechtsanwälte. In einem Urteil vom 30.11.1989 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Mandatsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und einer Aktiengesellschaft keine Schutzwirkung zugunsten der Organmitglieder erfasst, da diese außerhalb des Mandatsverhältnisses stehende Dritte seien.121 Wenn die Interessen der Gesellschaft und die Interessen der Organmitglieder kollidieren, seien die Interessen der Gesellschaft aus Sicht des beratenden Rechtsanwalts vorrangig.122 Dementsprechend sind auch in Beispielsfall 5 die persönlichen Interessen der Vorstandsmitglieder als nachrangig gegenüber den Interessen der Gesellschaft anzusehen. Die Interessen der Vorstandsmitglieder sind mangels einer beruflichen Befassung des Syndikusrechtsanwalts auch bei der Prüfung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen außer Acht zu lassen. Selbiges gilt für die subjektiven Organrechte, die in Beispielsfall 6 hinter den Gesellschaftsinteressen zurückstehen und daher nicht bearbeitet werden dürfen. 3. Vertretung widerstreitender Interessen Problematisch sind überdies auch die weiteren Tatbestandsmerkmale des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen, unterstellt, man würde in beiden Beispielsfällen das Merkmal der beruflichen Vorbefassung als verwirklicht ansehen. Der Syndikusrechtsanwalt müsste, sofern man eine berufliche Vorbefassung bejahen würde, weiterhin eine andere Partei in derselben Rechtssache beraten oder vertreten, um tatsächlich im widerstreitenden Interesse tätig zu werden. 121 122

BGHZ 109, 260 (271). BGHZ 109, 260 (271).

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a) Beratung und Vertretung einer anderen Partei in derselben Rechtssache Erforderlich sind die Beratung und Vertretung beider Parteien in derselben Rechtssache. aa) Der Parteibegriff Das Erfordernis des Tätigwerdens für zwei verschiedene Parteien ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen und ist in § 3 Abs. 1 S. 1 BORA auch ausdrücklich geregelt. (1) Bestehende Definition des Parteibegriffs Der Begriff der „anderen Partei“ in § 3 Abs. 1 S. 1 BORA ist weit zu verstehen.123 Der Bundesgerichtshof hat den Parteibegriff in seiner Rechtsprechung zu § 356 StGB wie folgt definiert: Partei ist jeder, der an derselben Rechtssache mit rechtlichen Interessen beteiligt ist.124 Die Literatur hat daraus folgende Definition des Parteibegriffs entwickelt: „Partei ist jede an einer Rechtssache rechtlich beteiligte natürliche oder juristische Person.“125 Diese Definition gilt auch für den Parteibegriff in § 3 BORA, da § 356 StGB und § 3 BORA denselben Parteibegriff zugrunde legen.126 Allerdings ist diese Definition sehr allgemein gefasst und für die Beratungssituation des (Syndikus-)Rechtsanwalts gegenüber der Aktiengesellschaft und ihrer Organe weiter zu präzisieren. Der Parteibegriff bereitet in den beiden Beispielsfällen keine Probleme, soweit es sich bei den Beteiligten um natürliche oder juristische Personen handelt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Individualinteressen einzelner Organmitglieder oder ggf. auch anderer Rechtssubjekte den Interessen der Gesellschaft gegenüberstehen, wie im Fall von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern oder bei Auskunftsansprüchen von Aktionären gemäß § 131 Abs. 1 AktG. An diesen Rechtssachen sind zwei natürliche oder juristische Personen und somit zwei Parteien im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 BORA beteiligt. In dem Beispielsfall 5 stehen sich mit den Vorstandsmitgliedern als natürliche Personen und der Aktiengesellschaft selbst zwei rechtsfähige Rechtssubjekte gegenüber, die jeweils als „Partei“ und „andere Partei“ im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 BORA sein können. 123

Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (308); Offermann-Burckart, AnwBl. 2011, 809 (815); siehe im Hinblick auf den Parteibegriff des § 356 StGB auch Schramm, S. 42 ff. 124 BGHSt 18, 192 (193); bloße wirtschaftliche Interessen genügen nicht, BGHSt 45, 148 (152). 125 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (308) unter Verweis auf BGHSt 45, 148 (152). 126 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (308).

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Problematischer sind die Fälle, in denen mindestens einer der Beteiligten nicht rechtsfähig ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn, wie in Beispielsfall 6, innergesellschaftlich über den Umfang der Überwachungsbefugnisse des Aufsichtsrates oder die Angemessenheit der Vorstandsbezüge gestritten wird. In diesen Fällen sind nicht zwei natürliche oder juristische Personen an der Sache beteiligt, da die Organe der Aktiengesellschaft als so genannte Organisationssubjekte keine rechtsfähigen Außenrechtssubjekte sind.127 Damit wäre eine Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts für zwei verschiedene Parteien im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO ausgeschlossen. (2) Prozessrechtliches Verständnis des Parteibegriffs im Beispielsfall Nr. 6 Etwas anderes gilt jedoch, wenn man den Parteibegriff der §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 S. 1 BORA prozessrechtlich versteht und auch dem berufsrechtlichen Parteibegriff und der weiten Definition des Bundesgerichtshofs das prozessrechtliche Verständnis der Partei im Sinne des § 50 ZPO zugrunde legt. In der Literatur wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, dass der Parteibegriff des § 3 Abs. 1 S. 1 BORA nicht prozessrechtlich zu verstehen sei.128 Andererseits wird von diesen Vertretern jedoch auch darauf hingewiesen, dass nur rechtsfähige Subjekte Partei im Sinne des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen sein können.129 Es besteht daher eine Parallele zum prozessrechtlichen Verständnis des Parteibegriffs, sodass der Parteibegriff des § 3 Abs. 1 S. 1 BORA daher auch prozessrechtlich definiert werden kann. Den Organen der Aktiengesellschaft wird trotz der fehlenden Rechtsfähigkeit die Partei- und Prozessfähigkeit zugesprochen, wenn entweder eine gesetzliche Regelung eine Prozessführung durch das Organ verlangt130 oder wenn eine gesetzliche Regelung ihnen eigene Organrechte einräumt.131 Beispielsweise kann deshalb der Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat eine Überschreitung der Aufsichtsbefugnisse geltend machen.132 Im Gesellschaftsrecht ist zwar umstritten, ob den Organen überhaupt ein Klagerecht zur Durchsetzung der Rechte gegenüber einem anderen Organ zusteht.133 Das Bestehen des Instituts des Organstreits und eines damit zu begründenden Klagerechts der Gesellschaftsorgane ist jedoch mit einer von Teilen der Literatur vertretenen Auffassung zu bejahen.134 Dafür spricht 127 Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, § 50 Rn. 30; siehe dazu auch Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, Vorbem. vor § 50 Rn. 77. 128 BeckOK BRAO/Römermann/Praß, § 43a Rn. 193. 129 BeckOK BRAO/Römermann/Praß, § 43a Rn. 193. 130 Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, § 50 Rn. 33. 131 Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, § 50 Rn. 34. 132 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 70. 133 Siehe hinsichtlich der Einzelheiten des Streits nur Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 69. 134 GroßkommAktG/Kort, Band 4/1, § 90 Rn. 191 ff., 204 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 70; Bork, ZGR 1989, 1 (1 ff., insb. 17 ff.), zu den prozessualen Konsequenzen 22 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 (305, 307 ff., 311); Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721 (723, 725); grundlegend zum Organstreit Schmidt, ZZP 1979, 212, (214 ff.); jedenfalls für ein Klagerecht bei Verstößen gegen § 111 Abs. 4 S. 1 AktG MüKoAktG/Habersack, Band 2,

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insbesondere das praktische Bedürfnis eines Interorganstreits.135 Zudem zeigt ein vergleichender Blick auf den öffentlich-rechtlichen Kommunalverfassungsstreit, dass unserer Rechtsordnung innenrechtsbezogene Organstreitigkeiten nicht fremd sind.136 Überträgt man die für § 50 ZPO geltenden Grundsätze auf den Parteibegriff des § 3 BORA, so können auch die Organe der Aktiengesellschaft Parteien im Sinne der Vorschrift sein, sofern ihnen eine gesetzliche Regelung eigene Organrechte einräumt, die sie grundsätzlich gegenüber der Gesellschaft, einem anderen Organ oder einem sonstigen Beteiligten gerichtlich im Wege einer Klage durchsetzen können. Bejaht man die gerichtliche Durchsetzbarkeit der subjektiven Rechte der Gesellschaftsorgane und können diese insoweit Parteien eines Rechtsstreits sein, sind die Organe auch von dem Parteibegriff des § 3 BORA erfasst, um mit dem Gesetzeszweck unvereinbare Anwendbarkeitslücken zu vermeiden. Zudem ist dieses Verständnis des Parteibegriffs notwendig, um dem Schutzzweck des § 43a BRAO, insbesondere dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit und den Interessen der Rechtspflege,137 hinreichend Rechnung zu tragen, da andernfalls Schutzlücken entstehen, wenn man nicht rechtsfähige Subjekte auch dann nicht dem Tatbestand des § 43a Abs. 4 BRAO unterwirft, wenn sie ihre Interessen ausnahmsweise doch gerichtlich durchsetzen können. Stehen den Organen der Aktiengesellschaft subjektive Rechte zu, die sie ggf. auch gerichtlich durchsetzen können, sind die Organe der Aktiengesellschaft insoweit als Parteien im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 BORA anzuerkennen. bb) Der Begriff der Vertretung Weiterhin müssen tatsächlich widerstreitende Interessen vertreten werden. Der Rechtsanwalt muss also für eine weitere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse tätig werden.138 Dabei ist die Art der Tätigkeit (Vertretung) weit zu verstehen. Vertretung im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO ist grundsätzlich jede

§ 111 Rn. 70, 112 (siehe aber strengere Ansicht von Spindler in derselben Auflage desselben Kommentars); a. A. Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 90 Rn. 19; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 90 Rn. 19; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/1, § 90 Rn. 66, siehe auch Vorbem. vor § 76 Rn. 3 ff.; MüKoAktG/Spindler, Band 2, Vorbem. vor § 76 Rn. 60. Vom Bundesgerichtshof wird die Frage bisher offengelassen, BGHZ 106, 54 (62). Siehe zusammenfassend zur Diskussion m. w. N. MüKoAktG/Spindler, Band 2, Vorbem. vor § 76 Rn. 59 f. 135 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 70; dem folgend GroßkommAktG/Kort, Band 4/1, § 90 Rn. 191. Nach Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721 (723) kann andernfalls die innergesellschaftliche Machtbalance nicht gewährleistet werden. 136 Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721 (723). 137 BT-Drucks. 12/4993, S. 27. 138 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 186; Deckenbrock, S. 107 Rn. 161; Schramm, S. 89.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

anwaltliche Tätigkeit, gleich ob sie beratender, außergerichtlicher oder gerichtlicher Natur ist.139 (1) Meinungsstreit zur Reichweite des Vertretungsbegriffs Ähnlich der zum Begriff der beruflichen Vorbefassung geführten Auseinandersetzung wird in der Literatur die Reichweite des Vertretungsbegriffs unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung erfasst § 43a Abs. 4 BRAO alle anwaltlichen Tätigkeiten.140 Insbesondere müsse ein Mandatsvertrag abgeschlossen werden.141 Nach anderer Ansicht werden auch nichtanwaltliche berufliche Tätigkeiten von § 43a Abs. 4 BRAO erfasst.142 Bei der Bestimmung der von § 43a Abs. 4 BRAO erfassten sonstigen Tätigkeiten bestehen allerdings Abgrenzungsprobleme zu den nicht mehr von § 43a Abs. 4 BRAO erfassten Tätigkeiten. Sonstige berufliche Tätigkeiten können daher nur dann als relevant für das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen eingeordnet werden, wenn es sich bei der Tätigkeit um nichtanwaltliche Tätigkeiten mit besonderer Nähe zur anwaltlichen Tätigkeit handelt.143 Auch die Vertreter eines engen Vertretungsbegriffs sind jedoch der Ansicht, dass von § 43a Abs. 4 BRAO nicht nur externe, echte Vertretungstätigkeiten, sondern auch interne Beratungstätigkeiten erfasst werden.144 Von dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen soll daher nach übereinstimmender Auffassung auch die Leistung von Rat oder Beistand im Sinne des pflichtwidrigen Dienens gemäß § 356 StGB erfasst werden.145 Unter den Begriff des Dienens fällt „jede berufliche Tätigkeit des Anwalts, durch die das Interesse des 139

Offermann-Burckart, AnwBl. 2005, 312 (313). Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 186a, Rn. 196. 141 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 196; einschränkend jedoch Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 186b. Noch weitergehender Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 8, nach dessen Auffassung muss eine Tätigkeit im widerstreitenden Interesse innerhalb eines Mandats ausgeübt werden, der bloße Vertragsabschluss genüge nicht; dieser löst das Problem der Reichweite der Vertretung aber darüber, in den Problemfällen das Bestehen widerstreitender Interessen zu verneinen, Gaier/ Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 15. 142 So noch: Hartung/Scharmer/Hartung, BORA/FAO, 6. Auflage 2016, § 3 BORA Rn. 79 f.; Offermann-Burckart, AnwBl. 2005, 312 (313); etwas zurückhaltender: Hartung/ Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/FAO, § 3 BORA Rn. 69, siehe auch Rn. 63 ff. Ähnlich der erstgenannten auch Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 66, die einen weiten Vertretungsbegriff unter Berücksichtigung des pflichtwidrigen Dienens gemäß § 356 StGB vertritt. Krit. KleineCosack, BRAO, § 43a Rn. 176 f. 143 So noch Kleine-Cosack, BRAO, 7. Auflage 2015, § 43a Rn. 152. In der 8. Auflage wird die Erstreckung des § 43a Abs. 4 BRAO auf sonstige Tätigkeiten unter Verweis auf Art. 12 GG kritischer betrachtet, Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 176 f. 144 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 186b unter Verweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 12/4993, S. 27. 145 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 66; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 186b. Zur Bedeutung des „pflichtwidrigen Dienens“ im Rahmen von § 356 StGB schon Grunewald, AnwBl. 2005, 437 (438 ff.). 140

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Auftraggebers gefördert werden soll“146 bzw. mit anderen Worten „jede rechtsbesorgende anwaltliche Berufsausübung.“147 Es macht sich daher jeder Rechtsanwalt gemäß § 356 Abs. 1 StGB strafbar, der „einer Partei Rat und Beistand leistet, nachdem er einer anderen Partei in derselben Sache, aber im entgegengesetzten Sinne bereits Rat und Beistand gewährt hat“.148 Mit dieser Definition des Vertretungsbegriffs wird eine zu starke Einengung der von § 43a Abs. 4 BRAO erfassten Tätigkeiten vermieden. Zugleich besteht bei dieser Definition des Vertretens das Problem der Abgrenzung der von § 43a Abs. 4 BRAO nicht (mehr) erfassten Tätigkeiten nicht. Schließlich ist diese Definition geeignet, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO Rechnung zu tragen: Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen darf nicht weiter reichen, als der Zweck des Verbots durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist.149 (2) Anwendung auf die Beispielsfälle Bezogen auf die beiden Beispielsfälle bedeutet das Folgendes: (a) Beispielsfall Nr. 5 In dem Beispielsfall 5 soll der Syndikusrechtsanwalt für die Gesellschaft Regressansprüche gegen die Vorstandsmitglieder durchsetzen, nachdem er diese zuvor im Hinblick auf die persönlichen Haftungsrisiken beraten hat.150 Folgt man der Ansicht, dass eine Vertretung im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO nur dann vorliegt, wenn der Syndikusrechtsanwalt anwaltlich, und sei es durch Leisten von Rat oder Beistand, tätig wird, werden in dem Beispielsfall 5 keine widerstreitenden Interessen vertreten, da der Syndikusrechtsanwalt keiner Partei Rat oder Beistand leistet, nachdem er einer anderen Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden In-

146 BGHSt 5, 301 (305) unter Verweis auf die durch das Reichsgericht aufgestellten Grundsätze zum pflichtwidrigen Dienen. 147 Henssler, AnwBl. 2018, 342 (347). 148 BVerfG, Beschluss vom 24.05.2001 – 2 BvR 1373/00, NJW 2001, 3180 (3180 f.) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen zu § 356 StGB. Diese Formel geht zurück auf § 31 Ziff. 2 RAO, dessen Wortlaut das Reichsgericht im Hinblick auf eine Strafbarkeit wegen Parteiverrats in einer Entscheidung aufgegriffen hatte: „[…] der Rechtsanwalt [hat] seine Berufsthätigkeit zu versagen […], ,wenn sie von ihm in derselben Rechtssache bereits einer anderen Partei im entgegengesetzten Interesse gewährt ist.‘“ [sic!, Auslassungen durch den Autor], RGSt 23, 60 (64). 149 So auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 166a. Dieser ist der Auffassung, dass die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 43a Abs. 4 BRAO stets unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grundsätze zu erfolgen hat und die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 43a Abs. 4 BRAO nicht über die rechtfertigenden Allgemeinwohlgründe hinausgehen darf. 150 Siehe Kapitel 4 § 1 D.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

teresse bereits Rat oder Beistand geleistet hat.151 Zum Prüfungspunkt „berufliche Vorbefassung“ wurde ausgeführt, dass der Syndikusrechtsanwalt in dem Beispielsfall 5 für die Vorstandsmitglieder nicht in seiner Funktion als Syndikusrechtsanwalt tätig werden durfte, da eine Vertretung anderer Parteien als dem Arbeitgeber gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO unzulässig ist. Sofern die Beratung Dritter nicht ausnahmsweise als Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers einzuordnen ist, fehlt es an einer Tätigkeit im Rahmen eines Mandatsverhältnisses. Ohne ein Mandatsverhältnis fehlt es aber an dem Merkmal des „Anvertrauens“, das innerhalb des § 43a Abs. 4 BRAO in dem Begriff der Vertretung aufgeht.152 Daran ändert auch der Rückgriff auf den Begriff des „pflichtwidrigen Dienens“ nichts, selbst wenn man das Merkmal des „Anvertrauens“ auch auf anwaltliche Tätigkeiten außerhalb eines individuellen Vertragsverhältnisses ausdehnen würde. Denn auch dann sind nur berufliche Tätigkeiten, die das Interesse des Auftraggebers fördern, unter den Begriff der Vertretung in § 43a Abs. 4 BRAO zu subsumieren.153 Da es bei einer nicht von § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO gedeckten Tätigkeit sowohl an einer beruflichen Tätigkeit als auch an einem wirksamen Auftrag eines Auftraggebers fehlt, dient der Syndikusrechtsanwalt in dem skizzierten Fall nicht zwei Parteien. Er wäre erst mit dem Tätigwerden für die Gesellschaft erstmals in seiner Funktion als Rechtsanwalt mit der Angelegenheit befasst, sodass das Merkmal des Vertretens zwar hinsichtlich der Tätigkeit für die Gesellschaft erfüllt wäre. Diese Vertretung wäre aber nicht pflichtwidrig im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO, da der Syndikusrechtsanwalt zuvor keiner anderen Partei in derselben Angelegenheit im entgegengesetzten Interesse Rat und Beistand geleistet hat. Dies zieht jedoch die Frage nach sich, ob die durch die unzulässige Beratung der Vorstandsmitglieder gewonnenen Informationen für die Gesellschaft verwertbar sind. Dies ist jedoch eine Frage der (Un-)Zulässigkeit der Verwendung von Insiderwissen (dazu sogleich). An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn man den Begriff der „Vertretung“ im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO weit versteht. In dem Beispielsfall 5 vertritt der Syndikusrechtsanwalt auch nach dieser Auffassung keine zwei Parteien in derselben Rechtssache, da er aufgrund des Tätigkeitsverbots des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO bei einer nicht von § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO gedeckten Beratung oder Vertretung eines Organs oder Organmitglieds der Aktiengesellschaft nicht als Syndikusrechtsanwalt beruflich tätig wird.

151 BVerfG, Beschluss vom 24.05.2001 – 2 BvR 1373/00, NJW 2001, 3180 (3180 f.) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen zu § 356 StGB. 152 Henssler, AnwBl. 2018, 342 (343). Zum Straftatbestand des § 356 StGB ist anerkannt, dass das Merkmal des „Anvertrauens“ eindeutig zu bejahen ist, wenn ein entsprechendes Vertragsverhältnis zu dem betroffenen Mandanten besteht, bzw. wenn dem Rechtsanwalt jedenfalls die Interessenwahrnehmung übertragen wird, Deckenbrock, S. 61 Rn. 72 m. w. N. 153 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 66 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 23.10.1984 – 5 StR 430/84, NStZ 1985, 74.

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

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(b) Beispielsfall Nr. 6 In dem Beispielsfall 6 soll der Syndikusrechtsanwalt den Vorstand zur Rechtmäßigkeit eines Zustimmungsvorbehalts des Aufsichtsrats beraten, nachdem er bereits den Aufsichtsrat zur Zulässigkeit des Zustimmungsvorbehalts beraten hat.154 Für die Lösung dieses Beispielsfalls kann auf die Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal der „beruflichen Vorbefassung“ sowie die Lösung des Beispielsfalls Nr. 5 verwiesen werden. Auch insoweit würde der Syndikusrechtsanwalt keiner Partei Rat oder Beistand leisten, nachdem er einer anderen Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits Rat oder Beistand gewährt hat, da eine Vertretung des Vorstands gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO unzulässig ist. Es handelt sich nicht um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers, da zwar grundsätzlich Gesellschaftsinteressen, aber auch und mit einem entscheidenden Schwerpunkt der Tätigkeit subjektive Rechte des Vorstands geltend gemacht werden, die nicht von § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO erfasst werden. Sofern die Beratung Dritter nicht ausnahmsweise als Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers einzuordnen ist, fehlt es an einer Tätigkeit im Rahmen eines Mandatsverhältnisses. Auch in diesem Fall fehlt es ohne ein Mandatsverhältnis aber an dem Merkmal des „Anvertrauens“, das innerhalb des § 43a Abs. 4 BRAO in dem Begriff der Vertretung aufgeht.155 Auch in diesem Beispielsfall ändert sich nichts, wenn man den Begriff der „Vertretung“ im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO weit versteht, da der Syndikusrechtsanwalt aufgrund des Tätigkeitsverbots gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO in dem Beispielsfall für keine Seite beruflich tätig wird. b) Ergebnis: Keine Verwirklichung des Tatbestands des § 43a Abs. 4 BRAO Der Tatbestand der Vertretung widerstreitender Interessen kann durch den Syndikusrechtsanwalt nicht verwirklicht werden, soweit sich die Tätigkeit auf eine Beratung und Vertretung der Organe und Organmitglieder in persönlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Organtätigkeit (z. B. Haftungsrisiken) oder zur Durchsetzung subjektiver Organrechte erstreckt. Der Syndikusrechtsanwalt ist aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO auf die Wahrnehmung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt. Insoweit kann der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung beigepflichtet werden, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für den Syndikusrechtsanwalt mit nur einem Arbeitgeber außerhalb von Konzernsachverhalten praktisch nicht relevant werden wird. Gleichwohl sind die zu Beginn dieses Kapitels geschilderten Interessenkollisionen innerhalb einer Aktiengesellschaft für den Syndikusrechtsanwalt keinesfalls unbeachtlich. Denkbare Interessenkollisionen sind bei der Bestimmung der 154

Siehe Kapitel 4 § 1 D. Henssler, AnwBl. 2018, 342 (343). Siehe hierzu bereits die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt, Kapitel 4 § 1 D. I. 3. a) bb) (2) (a). 155

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO zu berücksichtigen. Nur in den Fällen, in denen keine Kollisionen mit den Interessen des Arbeitgebers drohen, darf der Syndikusrechtsanwalt auch für die Organe der Gesellschaft in den die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten tätig werden. Die Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO übernimmt somit für den Syndikusrechtsanwalt eine ähnlich zentrale Funktion wie die Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO für einen Kanzleirechtsanwalt. Da die Beratung in beiden Fallkonstellationen gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO berufsrechtlich unzulässig ist, empfiehlt sich daher in diesen Fällen ein Hinweis des Syndikusrechtsanwalts an die beteiligten Organe, dass er deren Interessen aufgrund der unterschiedlichen Interessen und des Tätigkeitsverbots des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO nicht wahrnehmen kann.156 Der einzig zulässige Rechtsrat kann in diesen Fällen nur lauten, dass die Beratung auf die Gesellschaftsinteressen beschränkt und im Übrigen die Mandatierung externer Rechtsanwälte bzw. die Übertragung einer Angelegenheit auf nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassene interne Kollegen empfohlen wird. Andernfalls drohen aufgrund des Verstoßes gegen die Vorgaben der Bundesrechtsanwaltsordnung Sanktionen gemäß §§ 113 ff. BRAO. 4. Verwendung von Insiderwissen Raum für eine Anwendung des § 43a Abs. 4 BRAO verbliebe in dem Beispielsfall 5 nur noch, sofern das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen auch dann gilt, wenn innerhalb eines Mandats Insiderwissen aus einer anderen Tätigkeit verwendet wird. In diesem Fall wäre die verbotene Vertretung widerstreitender Interessen in dem Beispielsfall 5 zu bejahen, da zunächst die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft zu möglichen Haftungsrisiken einer bestimmten Handlung beraten wurden und anschließend Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder für die Aktiengesellschaft geltend gemacht werden sollen. Problematisch ist, dass der Syndikusrechtsanwalt aufgrund des Wissensvorsprungs Vorteile bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für die Gesellschaft hat. Unabhängig davon, dass dem Syndikusrechtsanwalt in einer solchen Konstellation die notwendige Unabhängigkeit fehlt, ist es äußerst fraglich, ob allein die Verwendung von Insiderwissen den Tatbestand des § 43a Abs. 4 BRAO erfüllen kann. Es wird zwar diskutiert, ob das Verbot der Vertretung widerstreitender Inter-

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Siehe dazu Mann, S. 162. Dieser hatte, bezogen auf eine US-amerikanische Regelung, die klarstellt, dass der Rechtsanwalt nur die Interessen der Gesellschaft verfolgen darf, ausgeführt, dass es aus Gründen der Fairness geboten ist, die Vorstandsmitglieder auf den Interessenkonflikt hinzuweisen. Ähnlich zum deutschen Recht Nassall, NJW 1990, 496 (497), zugleich Anmerkung zu BGHZ 109, 260.

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

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essen durch die Verwendung von Insiderwissen ausgelöst werden kann.157 Im Ergebnis wird das jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen zutreffend verneint.158 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen ist als Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG159 verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn Gründe des Allgemeinwohls den Eingriff erfordern. Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 43a Abs. 4 BRAO ist stets an den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu messen.160 Die Verwendung von Insiderwissen kann aber nicht unter die Tatbestandsmerkmale des § 43a Abs. 4 BRAO subsumiert werden, ohne die verfassungsrechtlichen Grenzen zu verletzen. Insbesondere fehlt es bei der Verwendung von Insiderwissen an einem Tätigwerden des Rechtsanwalts im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO.161 Dieselben Grundsätze gelten in den Fällen, in denen die Gefahr besteht, dass der Syndikusrechtsanwalt aufgrund einer vorangegangenen eigenen Beratung kein Interesse an einer Aufklärung eines denkbaren eigenen Fehlers hat. Die bloße innere Befangenheit des Syndikusrechtsanwalts ist rechtlich unerheblich.162

E. Beeinträchtigung der fachlichen Unabhängigkeit durch Interessenkonflikte Auch wenn dem Syndikusrechtsanwalt das Tätigwerden nicht nach § 43a Abs. 4 BRAO untersagt ist, bestehen in den geschilderten Fallkonstellationen grundsätzliche Interessenkollisionen, die geeignet sind, die Unabhängigkeit der Beratung des Syndikusrechtsanwalts zu gefährden. Diese Gefährdung geht über eine für rechtlich unerheblich gehaltene „innere Befangenheit“163 des Syndikusrechtsanwalts hinaus. Als Interessenvertreter der Aktiengesellschaft sollte der Syndikus157 BeckOK BRAO/Römermann/Praß, § 43a Rn. 218. Für die Einführung eines gesonderten Vertretungsverbots bei der Verwendung von Insiderwissen Deckenbrock, BB 2002, 2453 (2459 f.); rechtsvergleichend zum Vertretungsverbot bei der Verwendung von Insiderwissen Kilian, WM 2000, 1366 (1377); siehe zu dieser Diskussion BeckOK BRAO/Römermann/Praß, § 43a Rn. 218 ff. 158 BeckOK BRAO/Römermann/Praß, § 43a Rn. 220, 221 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14, NJW 2016, 2561 (2563 Rn. 23). Für eine Berücksichtigung von Insiderwissen bzw. vertraulichem Wissen de lege ferenda Schramm, S. 228. Sie schlägt aber eine gesonderte Regelung zum Verbot der Verwertung sensiblen Wissens zum Nachteil des Mandanten vor, Schramm, S. 229 ff. 159 Siehe zum Eingriff in die Berufsfreiheit durch das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen Henssler/Prütting/Henssler, § 43a Rn. 166. 160 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 166a. 161 BeckOK BRAO/Römermann/Praß, § 43a Rn. 220. 162 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320). 163 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320).

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

rechtsanwalt ein Tätigwerden in solchen Fällen unabhängig von der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO vermeiden. Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen dient der Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit.164 Mit der Regelung soll präventiv eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit und Geradlinigkeit der Berufsausübung durch die Vertretung widerstreitender Interessen vermieden werden.165 Wird der Syndikusrechtsanwalt im widerstreitenden Interessen tätig, ist diese Unabhängigkeit auch außerhalb des Tatbestands des § 43a Abs. 4 BRAO gefährdet. Würde der Syndikusrechtsanwalt beispielsweise den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft über die Notwendigkeit der Zustimmung des Aufsichtsrats zu Geschäften gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG und anschließend den Vorstand in demselben Einzelfall dahingehend beraten, dass der Aufsichtsrat einem Geschäft nicht zustimmen muss (vgl. Beispielsfall 6), wäre die anwaltliche Unabhängigkeit aufgrund der Vertretung widerstreitender Interessen gefährdet. Ein Berater, der sich in einem Interessenkonflikt befindet, ist kein unabhängiger Berater, mit der Folge, dass seinem Rechtsrat keine haftungsentlastende Wirkung zugunsten des Beratenen zukommt.166 Denn nur ein unabhängiger Rechtsrat kann zu einer Haftungsentlastung führen.167 Das gilt ferner für Berater, die zwar keinem Interessenkonflikt im berufsrechtlichen Sinn unterliegen, aber überwiegend im eigenen Interesse handeln.168 Ähnliches gilt für einen nur vorbefassten (Syndikus-)Rechtsanwalt. Auch der vorbefasste Rechtsanwalt wird teilweise für nicht ausreichend unabhängig gehalten, sodass kein haftungsentlastender Rechtsrat erteilt werden könne.169 Diese Auffassung bezieht sich auch auf die Beratung durch den Syndikusrechtsanwalt.170 An einem unabhängigen Rechtsrat fehlt es aber gerade in den Fällen, in denen derselbe Sachverhalt durch den Syndikusrechtsanwalt aus zwei unterschiedlichen Perspektiven gewürdigt werden soll, wenn also beispielsweise zunächst der Auf164

BT-Drucks. 12/4993, S. 27. BT-Drucks. 12/4993, S. 27. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Definition in seiner Sozietätswechsler-Entscheidung übernommen, BVerfGE 108, 150 (160 f., 164); siehe dazu Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 54. 166 Fleischer, in: Festschrift für Hüffer, S. 187 (191 f.) mit Verweis auf BGH, Urteil vom 11.12.2006 – II ZR 243/05, NZG 2007, 187 (188 Rn. 13). Dem folgend Juncker/Biederbick, AG 2012, 898 (903). 167 Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (13) unter Verweis auf BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271; grundlegend hierzu Müller, S. 76 f. 168 Fleischer, in: Festschrift für Hüffer, S. 187 (191); Fleischer, NZG 2010, 121 (123) mit Verweis auf BGHSt 40, 257 (264) und BGH, Urteil vom 16.05.2000 – Stb St (R) 2/00, NJW 2000, 2366 (2368) (nicht abgedruckt in BGHSt 46, 67). Dem folgend Juncker/Biederbick, AG 2012, 898 (903). 169 Hölters/Hölters, AktG, § 93 Rn. 249b; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 93 Rn. 45; Müller, S. 53; Strohn, CCZ 2013, 177 (181); Strohn, ZHR 2012, 137 (139 f.); a. A. Bürgers/Körber/ Bürgers, AktG, § 93 Rn. 13. 170 Strohn überträgt die für den Kanzleirechtsanwalt geltenden Grundsätze ausdrücklich auch auf die Rechtsabteilung, Strohn, ZHR 2012, 137 (143). 165

§ 1 Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

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sichtsrat über die Möglichkeiten der Überwachung des Vorstands gemäß § 111 AktG beraten wird und anschließend eine Beratung des Vorstands über die Rechtmäßigkeit der Aufsichtsmaßnahme erfolgen soll. Völlig zutreffend hat daher Mayer darauf hingewiesen, dass der Syndikusrechtsanwalt einer Aktiengesellschaft nicht für den Aufsichtsrat einen Sachverhalt im Rahmen der Überwachungstätigkeit begutachten darf, den er zuvor für den Vorstand im Rahmen der Geschäftsführungstätigkeit begutachtet hat.171 Soweit im berufsrechtlichen Schrifttum im Übrigen bisher die Auffassung vertreten wird, dass bei der Betreuung eines Mandanten durch einen Syndikusrechtsanwalt Interessenkonflikte berufsrechtlich nicht relevant sind, werden die Besonderheiten des Syndikusrechtsanwalts in der Aktiengesellschaft nicht hinreichend berücksichtigt. Der Syndikusrechtsanwalt hat zwar nur einen Mandanten, nämlich die Gesellschaft, sodass im Ergebnis der Tatbestand des § 43a Abs. 4 BRAO in der Regel nicht erfüllt sein wird, wenn die Gesellschaft und eine Dritte Person vertreten werden sollen.172 Hier steht einer Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts regelmäßig bereits die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO entgegen, sodass keine Probleme im Zusammenhang mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO entstehen. Gleichwohl darf der Syndikusrechtsanwalt in Fällen, in denen er sich Interessenkollisionen ausgesetzt sieht, unabhängig von der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO nicht tätig werden. Denn auch bei der Bearbeitung interner Rechtsfragen sind, wie bereits dargestellt wurde, zahlreiche Konfliktsituationen denkbar.173 Dabei gilt der Grundsatz: „Der Rechtsanwalt, der über verschiedene Mandanten sensibles Wissen besitzt, kann nicht unbefangen tätig werden, wenn er für seine beiden Mandanten das gleiche Ziel erreichen will, der Erfolg der einen Partei aber von dem der anderen abhängen kann.“174

Auch ohne ein individuelles Mandatsverhältnis zu den beiden Organen einer Aktiengesellschaft würde der Syndikusrechtsanwalt gerade in dem geschilderten Beispielsfall 6 sensibles Wissen über zwei verschiedene Interessenträger besitzen und müsste für beide Seiten für ein Ziel tätig werden, dass nur erreicht werden kann, wenn die andere Seite unterliegt. In diesem Fall wäre die fachliche Unabhängigkeit der Beratung nicht mehr gewahrt. Es sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass der Gesetzgeber das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen auch mit der zu wahrenden anwaltlichen Unabhängigkeit begründet hat.175 Mit der Wahrnehmung widerstreitender Interessen verliert ein Rechtsanwalt aber seine unabhängige Sachwalterstellung.176 171 172 173 174 175 176

Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 26. Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 17. Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 19. Deckenbrock, S. 137 Rn. 222. BT-Drucks. 12/4993, S. 27. BVerfGE 108, 150 (161); Deckenbrock, S. 148 Rn. 246.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Gefährdungen der erst seit dem Jahr 2016 auch von Seiten des Gesetzgebers anerkannten anwaltlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts, § 43a Abs. 1 BRAO, sind jedoch unbedingt zu vermeiden. Einerseits ist die Absicherung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts existenziell für die gesamte Rechtsanwaltschaft.177 Andererseits sind Gefährdungen der anwaltlichen Unabhängigkeit zu vermeiden, um dem Syndikusrechtsanwalt die vom Europäischen Gerichtshof geforderte starke gesetzliche Stellung zu verschaffen und zu bewahren. Der Europäische Gerichtshof hatte dem Syndikusrechtsanwalt in der Sache Akzo Nobel u. a. ./. Europäische Kommission die Unabhängigkeit auch mit der Begründung abgesprochen, dass eine Tendenz zur Gleichstellung des Syndikusrechtsanwalts mit einem Kanzleianwalt nicht zu erkennen sei.178 Wie Merkt zutreffend betont, hat der Europäischen Gerichtshof in der Sache Akzo Nobel u. a. ./. Europäische Kommission ausdrücklich eine Einzelfallentscheidung getroffen, sodass eine Rechtsprechungsänderung bei einer hinreichend starken Stellung des Syndikusrechtsanwalts möglich erscheint.179 Ohne die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts fehlt es aber an der aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs notwendigen Voraussetzung für die Gewährung des Vertraulichkeitsschutzes, sodass der Weg für eine Änderung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs versperrt bliebe.180 Dabei genügt nach der deutschen berufsrechtlichen Regelung gemäß § 46 Abs. 3 BRAO die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts.181

F. Ergebnis Die zu Beginn dieses Kapitels aufgeworfene Frage, ob der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts aufgrund der Besonderheiten der Struktur der Aktiengesellschaft in bestimmten Fällen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen entgegensteht, muss daher wie folgt beantwortet werden: Der Tätigkeit des Syndikusrechtsanalts steht das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO in der Regel nicht entgegen. Eine Verwirkli177

Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 32; Wolf, BRAKMitt. 2016, 9 (13). 178 EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-550/07 P, EuZW 2010, 778 (783 Rn. 73, 76). 179 Merkt, AnwBl. 2014, 278 (285). 180 Ähnlich Merkt, AnwBl. 2015, 552 (557), der darauf hingewiesen hat, dass der Europäischen Gerichtshof seine Rechtsprechung zum „legal privilege“ des Syndikusrechtsanwalts aus den nationalen Rechtsordnungen hergeleitet hat und daher eine nationale Regelung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts sowie dessen Bindung an das anwaltliche Berufsrecht notwendige Voraussetzungen für die Gewährung des Vertraulichkeitsschutzes sind. Freundorfer zweifelt vor diesem Hintergrund und der fehlenden Tendenz zur echten Stärkung der Vertraulichkeit der Kommunikation im Unternehmen eine Änderung der Rechtsprechung an, Freundorfer, AnwBl. Online 2019, 335 (336). 181 A. A. Hustus, NStZ 2016, 65 (67), nach deren Auffassung reicht die bloße Regelung einer fachlichen Unabhängigkeit nicht aus, da der Syndikusrechtsanwalt nach wie vor abhängig beschäftigt ist.

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chung des Tatbestands des § 43a Abs. 4 BRAO durch den Syndikusrechtsanwalt ist in den hier vorgestellten Fallkonstellationen nicht möglich. Gleichwohl sind Interessenkollisionen bei der Beurteilung von Rechtsangelegenheiten als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Zudem gefährden Interessenkollisionen die anwaltliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts. Somit ist die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts trotzdem nicht uneingeschränkt zulässig. Der Syndikusrechtsanwalt darf nur für die Gesellschaft in deren Interesse tätig werden. Bei der Bestimmung der Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers sind Interessenkonflikte entsprechend zu berücksichtigen.

G. Anwendung des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte Ein Tätigkeitsverbot folgt in den Fällen 5 und 6 auch nicht aus der Regelung des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO. Unabhängig von der Frage, ob eine nicht von § 46 Abs. 5 BRAO umfasste Tätigkeit in Kollisionsfällen als Tätigkeit im Sinne des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO eingeordnet werden kann, verbleibt für die Anwendung der Regelung nach der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte kein Raum mehr. Seit der Neuregelung finden auf den Syndikusrechtsanwalt sämtliche berufsrechtlichen Regelungen, insbesondere die Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO, grundsätzliche Anwendung. Die Kollisionsnormen des § 43a Abs. 4 BRAO sowie der §§ 46 ff. BRAO gehen der Regelung des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO als spezialgesetzliche Normen jedoch vor.182 Das bedeutet, dass der Syndikusrechtsanwalt mit Doppelzulassung die von ihm bearbeiteten Verfahren als Kanzleianwalt im gerichtlichen Verfahren führen darf.183 Die Neuregelung der §§ 46 ff. BRAO sieht sich insofern aber Kritik aus der Literatur ausgesetzt, da ein Wertungswiderspruch zwischen den neuen Regelungen der §§ 46 ff. BRAO, die dem Syndikusrechtsanwalt mit Doppelzulassung die Betreuung der bearbeiteten Fälle als Kanzleianwalt ermöglichen, und den Tätigkeitsverboten des § 45 BRAO, insbesondere dem Tätigkeitsverbot des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO, bestünde.184 182 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (326). So überdies schon zu § 46 BRAO a. F. Bartosch-Koch, AnwBl. 2010, 237 (238) m. w. N. Siehe hierzu auch Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, Anhang zu § 46 BRAO Rn. 17. 183 Offermann-Burckart, NJW 2016, 113 (117 f.); Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (135); der folgend Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (222). Zur Bedeutung des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO und dem Verhältnis zu § 46 BRAO a. F. unter Geltung der alten Rechtslage Horn, W., BRAK-Mitt. 2009, 155 ff. 184 Deckenbrock, AnwBl. 2015, 469 (470); Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (223). Aus diesem Grund hatte die Bundesrechtsanwaltskammer eine Änderung des § 45 Abs. 1 Ziff. 1 BRAO dahingehend gefordert, dass klargestellt wird, dass die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts eine Sperrwirkung im Sinne des § 45 Abs. 1 Ziff. 1 BRAO entfaltet, Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme 17/2015 vom Mai 2015, S. 7 abrufbar unter www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2015/mai/

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Unternehmensjurist ohne Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt als Justiziar tätig ist und seinen Arbeitgeber daneben als Kanzleianwalt vertreten möchte: in diesem Fall ist das Tätigkeitsverbot des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO anwendbar.185 Für berufsfremde Tätigkeiten gilt ebenfalls § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO.186

§ 2 Die Pflicht zur Verschwiegenheit Neben dem soeben erörterten Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO und der Pflicht zur Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit gemäß § 43a Abs. 1 BRAO ist die Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO die wichtigste anwaltliche Pflicht.187 Diese gilt auch für den Syndikusrechtsanwalt, § 46c Abs. 1 BRAO, nachdem unter Geltung der alten Rechtslage und unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vertreten wurde, dass Geheimnisse, die der Syndikusrechtsanwalt aus seiner Tätigkeit im Unternehmen erlangt hat, nicht unter § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO fallen.188 Soweit in der Literatur diskutiert wurde, ob es sich bei § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO um eine Sonderregelung im Sinne des § 46c Abs. 1 BRAO handelt, die die Regelung des § 43a BRAO verdrängt,189 wurde bereits oben in Kapitel 4 § 1 A. dargestellt, dass das nicht der Fall ist und § 43a BRAO gerade auch im Hinblick auf die Pflicht zur Verschwiegenheit auch auf den Syndikusrechtsanwalt uneingeschränkt Anwendung findet.

stellungnahme-der-brak-2015 – 17.pdf, Abruf am 21.11.2020. Kritisch zur Systematik der Tätigkeitsverbote unter Berücksichtigung der Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (236 ff.). Hierzu auch Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, Anhang zu § 46 BRAO Rn. 18 ff. 185 Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (247 f.); Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (223); zustimmend Gaier/Wolf/ Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, Anhang zu § 46 BRAO Rn. 15; a. A. OffermannBurckart, AnwBl. 2016, 125 (135), die für eine umfassende Vertretungsbefugnis von als Rechtsanwälten zugelassenen Justiziaren eintritt. 186 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 186a. 187 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 44. 188 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 43a Rn. 46a unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-550/07 P, EuZW 2010, 778; siehe auch Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, 4. Auflage 2014, § 46 Rn. 24. 189 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (275).

§ 2 Die Pflicht zur Verschwiegenheit

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A. Grundsätzliche Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht für Syndikusrechtsanwälte Anders als bei dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen wird der Verschwiegenheitspflicht des Syndikusrechtsanwalts nicht nur Bedeutung zugemessen, soweit es um die Pflicht zur Verschwiegenheit gegenüber unternehmensexternen Dritten geht.190 Nachdem die überwiegenden Teile der Literatur sich in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Verschwiegenheitspflicht und den daraus folgenden prozessualen Rechten des Syndikusrechtsanwalts, und dabei insbesondere mit der Frage der Gewährung der so genannten „legal privileges“, auseinandergesetzt haben,191 wird mittlerweile auch die Verschwiegenheitspflicht des Syndikusrechtsanwalts innerhalb der Gesellschaft thematisiert. Auf der einen Seite wird vertieft die Frage der Verschwiegenheitspflicht im Konzern untersucht.192 Andererseits hat sich insbesondere Mann in seiner rechtsvergleichenden Untersuchung zur Rechtslage in den USA nach dem Sarbanes-Oxley-Act bereits im Jahr 2009 mit der Verschwiegenheitspflicht innerhalb von börsennotierten Kapitalgesellschaften und möglichen Auswirkungen auf das deutsche Berufsrecht der Rechtsanwälte auseinandergesetzt.193 Dort wird von Mann auch untersucht, ob den Organen oder Organmitgliedern der Kapitalgesellschaft gegenüber Verschwiegenheitspflichten bestehen oder ob aus Gründen einer guten Corporate Governance nicht sogar die Pflicht zur Weiterleitung von Informationen innerhalb der Gesellschaft besteht.194

B. Rechtslage bei externen Kanzleianwälten Zur Verschwiegenheitspflicht des Kanzleirechtsanwalts als Rechtsanwalt einer Aktiengesellschaft über Tatsachen, die die Organmitglieder der Gesellschaft betreffen, hat sich der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 30.11.1989 geäußert.195 Streitig waren in diesem Verfahren Ansprüche eines Insolvenzverwalters (Konkursverwalters) einer Aktiengesellschaft gegen den Rechtsanwalt und Notar der Insolvenzschuldnerin auf Herausgabe von Handakten und Einsichtnahme in diese.196 Der Insolvenzverwalter sowie die amtierenden Vorstandsmitglieder hatte den

190

Dazu grundlegend Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 ff. 191 Hustus, NStZ 2016, 65 ff.; Merkt/Müller, ZRP 2015, 173 (175); Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (15). 192 Siehe Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 ff. Zur Rechtslage im Konzern siehe Kapitel 6. 193 Mann, Anwaltliche Verschwiegenheit und Corporate Governance. 194 Zum Überblick Mann, S. 203 ff. 195 BGHZ 109, 260. 196 BGHZ 109, 260 (261).

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Rechtsanwalt von der Pflicht zur Verschwiegenheit entbunden.197 Der beklagte Rechtsanwalt hat sich hingegen auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen und darauf verwiesen, nicht von allen Organmitgliedern der Schuldnerin, mit denen er Verhandlungen und Besprechungen geführt habe, von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden zu sein.198 Der Bundesgerichtshof hat der Revision des Klägers stattgegeben, soweit sich die Ansprüche auf die Herausgabe von Akten aus der anwaltlichen Tätigkeit bezogen. Die Verschwiegenheitspflicht schütze den Geheimnisträger und stehe grundsätzlich zu dessen Disposition, wobei andererseits ein Geheimhaltungsinteresse des Rechtsanwalts gegenüber dem Auftraggeber bestehe, soweit höchstpersönliche Wahrnehmungen des Rechtsanwalts oder „Hintergrundinformationen“ betroffen seien.199 Geheimnisträger sei in diesem Fall die Aktiengesellschaft gewesen, nicht aber einzelne Organmitglieder.200 Diese seien außerhalb des Mandatsverhältnisses stehende Dritte, denen gegenüber das Mandatsverhältnis keine Schutzwirkung entfalte, soweit es um eine Kollision ihrer Interessen mit denen der Insolvenzschuldnerin gehe.201 Für die Organmitglieder sei erkennbar gewesen, dass die Interessen der Gesellschaft im Konfliktfall Vorrang vor ihren eigenen Interessen haben würden.202 Etwas anderes gelte nur, wenn aufgrund einer persönlichen Beratung eines Organmitglieds eine besondere Vertrauensbeziehung zu dieser Person bestehe.203 Ansonsten sei die „Beziehung zu den Organmitgliedern ein bloßer Reflex des Mandatsverhältnisses mit der juristischen Person.204 Der Bundesgerichtshof hat allerdings offengelassen, wie der Rechtsstreit zu entscheiden gewesen wäre, wenn dem beklagten Rechtsanwalt der Nachweis einer besonderen Vertrauensbeziehung zu einem Organmitglied gelungen wäre.205 Nach einer in der Literatur im Nachgang des Urteils vertretenen Auffassung ist zunächst abzuwägen, zu welcher Partei im Zeitpunkt der streitigen Auseinandersetzung ein zeitlich längeres Vertrauensverhältnis bestand.206 Faktisch wird sich das nur anhand der Dauer des Mandatsverhältnisses zweifelsfrei bestimmen lassen können. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Organe der Gesellschaft gegenüber zur Treue verpflichtet und die Belange der Gesellschaft deshalb vorrangig sind, sofern die Organmitglieder allein in dieser Eigenschaft in einer Rechtsbeziehung zu dem betroffenen Rechtsanwalt stehen.207 Der Rechtsanwalt, der von Organmitgliedern der 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207

BGHZ 109, 260 (261). BGHZ 109, 260 (262). BGHZ 109, 260 (269). BGHZ 109, 260 (271). BGHZ 109, 260 (271). BGHZ 109, 260 (271); zustimmend Tully/Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (662). BGHZ 109, 260 (272). BGHZ 109, 260 (272). Nassall, NJW 1990, 496, zugleich Anmerkung zu BGHZ 109, 260. Nassall, NJW 1990, 496, zugleich Anmerkung zu BGHZ 109, 260. Nassall, NJW 1990, 496, zugleich Anmerkung zu BGHZ 109, 260.

§ 2 Die Pflicht zur Verschwiegenheit

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Gesellschaft, mit der er in einem ständigen Beratungsverhältnis steht, um eine Beratung in persönlichen Angelegenheiten gebeten wird, müsse die Organmitglieder daher darauf hinweisen, dass er der Gesellschaft gegenüber in einem Konfliktfall nicht zur Verschwiegenheit über Geheimnisse der Organmitglieder verpflichtet ist.208 Das entspricht im Wesentlichen der oben in Kapitel 3 und Kapitel 4 § 1 zu den Interessenkonflikten des Syndikusrechtsanwalts erörterten Rechtslage. Praktisch wird sich der Nachweis einer besonderen Vertrauensbeziehung letztlich aber nur schwer führen lassen, da regelmäßig ausschließlich ein Mandatsverhältnis des Rechtsanwalts zur Gesellschaft besteht, welches allein keine besondere Vertrauensbeziehung zu den Organmitgliedern begründet.209 Denkbar wäre eine besondere Vertrauensbeziehung allein im Fall des Bestehens mehrerer Mandatsverhältnisse210 oder aber in den bereits in § 1 dieses Kapitels besprochenen Fallgruppen, in denen es den Organmitgliedern bei der Beratung in erheblichem Umfang um ihre eigenen Interessen und Haftungsrisiken geht.211

C. Verschwiegenheitspflichten des Syndikusrechtsanwalts innerhalb der Aktiengesellschaft Diese Grundsätze lassen sich auch auf den Syndikusrechtsanwalt innerhalb einer Aktiengesellschaft übertragen. I. Die Aktiengesellschaft als Geheimnisträger Auch für den Syndikusrechtsanwalt gilt, dass die Aktiengesellschaft als Mandantin des Syndikusrechtsanwalts Geheimnisträger im Sinne der Verschwiegenheitspflicht des § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Einbeziehung der Organmitglieder in den Schutzbereich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht lässt sich auf den Syndikusrechtsanwalt übertragen. Entsprechend der bereits in Kapitel 3 und Kapitel 4 § 1 erörterten Verhältnisse des Syndikusrechtsanwalts zur Aktiengesellschaft und ihren Organen sind die Organmitglieder der Aktiengesellschaft außerhalb 208

Nassall, NJW 1990, 496 (497), zugleich Anmerkung zu BGHZ 109, 260. Tully/Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (661); krit. zu dieser streng mandatsbezogenen Einordnung ohne Berücksichtigung subjektiver Interessen der Organmitglieder Krause, NStZ 2012, 663 (665). 210 Tully/Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (663). 211 Auch Krause hatte in direkter Erwiderung auf die Ausführungen von Tully/Kirch-Heim darauf hingewiesen, dass die Organmitglieder sowohl aufgrund ihres Haftungsrisikos als auch aufgrund der über sie stattfindenden Kommunikation subjektive Bewertungen etc. in das Beratungsverhältnis einbringen, sodass eine auf das Mandatsverhältnis beschränkte Betrachtung der Befugnis zur Entbindung von Anwälten juristischer Personen von der Verschwiegenheitspflicht zu kurz greife, Krause, NStZ 2012, 663 (664 f.). 209

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

des Mandatsverhältnisses stehende Dritte im Sinne des § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO.212 Diese Rechtsprechung entspricht der heutigen Rechtslage des § 46a Abs. 5 BRAO. In Kapitel 3 dieser Arbeit wurde dargestellt, dass es sich bei den Organmitgliedern der Aktiengesellschaft um Dritte im Sinne des § 46 Abs. 5 BRAO handelt. Das hat zur Folge, dass der Syndikusrechtsanwalt diesen gegenüber nicht zur Rechtsberatung befugt ist, soweit sich die Rechtsberatung auf persönliche Belange erstreckt. Das gilt, wie in Kapitel 3 näher dargestellt wurde, insbesondere für persönliche Belange im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Organmitglieder, sofern die Beratung nicht im Gesellschaftsinteresse, sondern im persönlichen Interesse der Organmitglieder erfolgen soll. Begrenzt wird diese strenge Trennung zwischen Gesellschaft und ihren handelnden Organen und Organmitgliedern allerdings durch §§ 1 Abs. 1 S. 1, 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 S. 1 AktG. Danach handelt es sich bei einer Aktiengesellschaft um eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die jedoch durch den Vorstand, in den Grenzen des § 112 S. 1 AktG auch durch den Aufsichtsrat, vertreten wird. Im Rahmen ihrer jeweiligen Tätigkeiten und Befugnisse sind die Organmitglieder als Vertreter der Gesellschaft Empfänger von zu erteilenden Informationen und zugleich berechtigt, den Rechtsanwalt von seiner Verschwiegenheitspflicht zu befreien.213 Auch für den Syndikusrechtsanwalt ist daher im Ergebnis die Gesellschaft als Arbeitgeberin des Syndikusrechtsanwalts Geheimnisträger im Sinne des § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO. II. Die Verschwiegenheitspflicht gegenüber Organen der Aktiengesellschaft Uneinheitlich wird jedoch die Frage beantwortet, ob der Syndikusrechtsanwalt den Organen und Organmitgliedern der Aktiengesellschaft Verschwiegenheit schuldet. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung schuldet der Rechtsanwalt ausschließlich der Gesellschaft, nicht aber den Organmitgliedern, Verschwiegenheit.214 Unter rechtsvergleichender Bezugnahme auf die in den USA bestehende Berichtspflicht215 wird diese Auffassung damit begründet, dass der Rechtsanwalt die Gesellschaft schützen müsse und keine Pflicht zur Verschwiegenheit bestehe, wenn einzelne Personen der Gesellschaft schaden.216 Zudem seien persönliche Geheimhaltungsinteressen der Organmitglieder im Rahmen der anwaltlichen Verschwie212

Vgl. BGHZ 109, 260 (271). Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 63. Grundlegend zur Schweigepflichtentbindungserklärung in juristischen Personen Tully/Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 ff. 214 Mann, S. 270, siehe auch Mann, S. 156. 215 Grundlegend zur Rechtslage in den USA Mann, S. 147 ff.; zu internen Berichtspflichten insbesondere S. 155 ff., S. 159. 216 Mann, S. 156 f. 213

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genheitspflicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu berücksichtigen.217 Nach einer anderen Auffassung seien Rechtsanwälte einer Aktiengesellschaft hingegen nach dem geltenden deutschen Berufsrecht nicht in das aktienrechtliche System der Berichtspflichten und das aktienrechtliche Überwachungssystem, §§ 90, 91 Abs. 2 AktG, eingebunden, sodass sich die Verschwiegenheitspflicht auf alle Personen außer der Gesellschaft als Geheimnisträgerin und ihren Vorstand als gesetzlichen Vertreter erstrecke.218 Daher bestehe auch gegenüber Aufsichtsräten, Beiräten und, dies insbesondere in der GmbH, gegenüber Gesellschaftern eine Pflicht zur Verschwiegenheit.219 Diese zweite Ansicht überzeugt indes nicht. Die Aktiengesellschaft ist die Mandantin des Syndikusrechtsanwalts. Dieser gegenüber besteht gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO die Pflicht zur Wahrung der Verschwiegenheit. Gegenüber den Organen der Gesellschaft ist der Syndikusrechtsanwalt hingegen nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet.220 Es ist daher grundsätzlich keine Rücksicht auf die persönlichen Interessen der Organmitglieder zu nehmen. So sind die persönlichen Interessen der Vorstandsmitglieder an der Geheimhaltung bestimmter Informationen unerheblich, wenn diese Informationen an den Aufsichtsrat weitergegeben werden sollen.221 Auch wenn der Syndikusrechtsanwalt seine Informationen ursprünglich vom Vorstand empfangen hat, steht das einer Weitergabe an den Aufsichtsrat aus berufsrechtlichen Gründen nicht grundsätzlich entgegen, sofern eine gesellschaftsrechtliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Entgegennahme der Information besteht. Es ist in der Rechtsprechung und der Literatur anerkannt, dass auch bei der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch eine juristische Person nicht derjenige handeln muss, der bei der Informationserteilung für die juristische Person gehandelt hat.222 Das folgt daraus, dass nur gegenüber der Gesellschaft selbst eine Pflicht zur Verschwiegenheit besteht. Gegenüber den Organen oder einzelnen Organmitgliedern besteht jedoch grundsätzlich keine Verpflichtung zur Wahrung der Verschwiegenheit im Sinne einer Geheimhaltungspflicht von Tatsachen gegenüber anderen Akteuren der Gesellschaft. Insoweit ist die Rechtslage vergleichbar mit der Rechtslage des § 43a Abs. 4 BRAO. In § 1 dieses Kapitels wurde ausgeführt, dass der Syndikusrechtsanwalt in Ermangelung eines Mandatsverhältnisses im Verhältnis zu den Organen der Gesellschaft keine widerstreitenden Interessen vertritt. Es ist somit 217

Mann, S. 271 unter Verweis auf BGHZ 109, 260 (271). Knöfel/Mock, AnwBl. 2010, 230 (232). 219 Knöfel/Mock, AnwBl. 2010, 230 (232). 220 Auch Knöfel/Mock, prüfen und bejahen daher im Ergebnis eine Berichtspflicht des Rechtsanwalts in kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften und schlagen eine Regelung einer internen Berichtspflicht vor, Knöfel/Mock, AnwBl. 2010, 230 (233, 236). Näher dazu unten unter 3. 221 Siehe zum Umgang mit Informationen in der Aktiengesellschaft sogleich unter III. 222 BGHZ 109, 260 (270 f.). Der Rechtsprechung folgend Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 63; Tully/Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (660 ff.). 218

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

nur folgerichtig, auch Verschwiegenheitspflichten gegenüber den Organen bzw. einzelnen Organmitgliedern zu verneinen. Denn die Pflicht zur Verschwiegenheit setzt voraus, dass der Rechtsanwalt im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit Kenntnis von bestimmten Tatsachen erlangt.223 Bei einer Tätigkeit für die Organe würde der Syndikusrechtsanwalt aber regelmäßig keine Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers bearbeiten und dementsprechend nicht anwaltlich tätig werden. In diesen Fällen schuldet der Syndikusrechtsanwalt den Organen bzw. Organmitgliedern keine Verschwiegenheit über die sie betreffenden Tatsachen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Verschwiegenheitspflicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann nicht besteht, wenn sich die Beratung nicht in nur die Gesellschaft und nur die Organe betreffende Rechtsfragen aufteilen lässt.224 In diesen Fällen handelt es sich um eine Beratung der Gesellschaft, sodass gegenüber den Organmitgliedern keine Geheimhaltungspflichten bestehen.225 In dem oben geschilderten Beispielsfall 5226, in dem der Syndikusrechtsanwalt für die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft durchsetzen soll, nachdem er zuvor bereits die Vorstandsmitglieder im Hinblick auf die sie persönlich treffenden Haftungsrisiken beraten hat, wäre der Syndikusrechtsanwalt der Gesellschaft und dem Aufsichtsrat gegenüber nicht zur Geheimhaltung der ihm von den Vorstandsmitgliedern mitgeteilten Tatsachen verpflichtet. Er dürfte diese Umstände für die Gesellschaft weiter nutzen und entsprechende Tatsachen an andere Organe weitergeben, da er von den Tatsachen nicht im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit Kenntnis erlangt hat. Etwas anderes würde nur gelten, wenn sich in einem Einzelfall feststellen ließe, dass eine besondere Vertrauensbeziehung zu einem Organ der Gesellschaft oder dessen Mitgliedern besteht. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Organen oder Organmitgliedern im Sinne einer Geheimhaltungspflicht bejaht.227 III. Umgang mit Informationen innerhalb der Aktiengesellschaft Auch wenn der Syndikusrechtsanwalt den Organen der Gesellschaft gegenüber grundsätzlich nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, stellt sich doch die Frage, wie innerhalb der Aktiengesellschaft mit sensiblen und ggf. geheimhaltungsbedürftigen Informationen umzugehen ist. Insbesondere stellt sich die Frage, ob und wie sich die gegenüber der Aktiengesellschaft bestehende Geheimhaltungspflicht auf die Organe und Organmitglieder der Aktiengesellschaft auswirkt. Die Organe 223 224 225 226 227

Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 46. BGHZ 109, 260 (271). BGHZ 109, 260 (271). Kapitel 4 § 1 D. BGHZ 109, 260 (272).

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und Organmitglieder wurden zwar als außerhalb des Mandatsverhältnisses mit der Aktiengesellschaft stehende Dritte eingeordnet. Andererseits sind die Organe als gesetzliche Vertreter der Aktiengesellschaft Informationsempfänger und Informationsgeber. Wem gegenüber der Syndikusrechtsanwalt offenbarungspflichtig und offenbarungsberechtigt ist, ist nicht nur eine Frage der gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeit, sondern auch der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. 1. Weitergabe von Informationen an den Vorstand Die Befugnis zur Weitergabe von Informationen an den Vorstand ist ohne Weiteres zu bejahen. Die Verschwiegenheitspflicht des Syndikusrechtsanwalts gegenüber der Gesellschaft verbietet die Weitergabe von Informationen an den Vorstand gerade nicht. Die Aktiengesellschaft handelt durch den Vorstand, der als gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 AktG die Rechte der Aktiengesellschaft als Geheimnisträger wahrnimmt.228 Dementsprechend dürfen und müssen sämtliche relevanten Informationen an den Vorstand weitergegeben werden. Eine Ausnahme davon ist in den Fällen geboten, in denen die Interessen des Vorstands und der Gesellschaft nicht gleichlaufen, sowie in den Fällen, in denen die Aktiengesellschaft gemäß § 112 AktG vom Aufsichtsrat vertreten wird. Das ist insbesondere in allen Haftungs-/Schadensersatzfällen, aber auch in den Fällen zu bejahen, in denen der Bestand des Dienstverhältnisses mit einzelnen Vorstandsmitgliedern Gegenstand von streitigen Auseinandersetzungen ist. Hier greift die Verschwiegenheitspflicht des Syndikusrechtsanwalts gegenüber der Gesellschaft ein und verbietet die Offenbarung eventueller Geheimnisse gegenüber dem Vorstandsmitglied. In dem in § 1 dieses Kapitels angeführten Beispielsfall 5229 wäre der Syndikusrechtsanwalt im Regressfall daran gehindert, Informationen an den Vorstand weiterzugeben. Der Unterschied zu dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, dessen Anwendbarkeit in diesem Fall verneint wurde, besteht darin, dass die Verschwiegenheitspflicht dem Schutz des Mandanten dient,230 während das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, neben dem Vertrauensverhältnis zum Mandanten, insbesondere auch die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung schützen will.231 Der Schutz des Mandanten fordert in Fall 5 die absolute Verschwiegenheit über den Regress gegenüber den Vorstandsmitgliedern, während aufgrund des fehlenden Mandatsverhältnisses zu den Vorstandsmitgliedern kein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO vorliegt.

228 229 230 231

Vgl. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 63. Kapitel 4 § 1 D. Ausführlich Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 41. Ausführlich Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 161.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

2. Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat Problematischer ist die Frage der Zulässigkeit der Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat. Eindeutig ist die Rechtslage nur, soweit der Aufsichtsrat zur Vertretung der Aktiengesellschaft befugt ist, § 112 S. 1 AktG. In diesen Fällen nimmt der Aufsichtsrat die Rechte der Aktiengesellschaft als Geheimnisträgerin wahr und ist somit zur Entgegennahme von Informationen befugt. Offenbart der Syndikusrechtsanwalt dem Aufsichtsrat gegenüber Informationen, die grundsätzlich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterfallen, liegt kein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO vor. Außerhalb der Vertretungsbefugnis des § 112 S. 1 AktG ist fraglich, in welchen Fällen dem Aufsichtsrat gegenüber Geheimnisse im Sinne des § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO offenbart werden dürfen. Die Beantwortung dieser Frage ist abhängig von den gesellschaftsrechtlichen Befugnissen des Aufsichtsrats. Gemäß § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Gesellschaft zu überwachen. Zu diesem Zweck ist der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 S. 1 AktG befugt, die Bücher und Schriften der Gesellschaft einzusehen und zu prüfen.232 In der gesellschaftsrechtlichen Literatur ist umstritten, wie weit dieses Einsichtsund Prüfungsrecht reicht und in welchem Umfang der Aufsichtsrat auf Unterlagen des Unternehmens zurückgreifen und Auskünfte bei Mitarbeitern des Unternehmens einholen darf. a) Reichweite des Prüfungsrechts Grundsätzlich ist ein Recht des Aufsichtsrats zur Tatsachenrecherche und Informationsbeschaffung zum Zweck der Überwachung des Vorstands anerkannt.233 Die Reichweite dieses Rechts ist jedoch umstritten. Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, dass der Aufsichtsrat nicht dazu befugt sei, auf sämtliche Informationen des Vorstands, gleichsam in Form einer Unternehmensrevision, zuzugreifen.234 Begründet wird diese Auffassung damit, dass der Aufsichtsrat seine Informationen vom Vorstand erhält und das Einsichts- und Prüfungsrecht allein der Überprüfung dieser Informationen diene.235

232 Grundlegend zum Umfang des Einsichts- und Prüfungsrechts des Aufsichtsrats GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 372 ff. 233 GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 393; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 72. 234 Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 111 Rn. 43; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 111 Rn. 21; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/2, § 111 Rn. 52; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 77; jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. 235 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/2, § 111 Rn. 52.

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Eine andere Auffassung hält ein regelmäßiges Zugriffsrecht des Aufsichtsrats auf Informationen des Vorstands für zulässig.236 Der Gebrauch der Kontrollrechte des § 111 Abs. 2 S. 1 AktG sei kein Ausdruck von Misstrauen gegenüber dem Vorstand, sondern Teil der aktiven Überwachung des Vorstands.237 Zudem könne aus dem Geschäftsführungsverbot des § 111 Abs. 4 S. 1 AktG keine Beschränkung des Informationsrechts des Aufsichtsrats hergeleitet werden.238 Teilweise wird von den Befürwortern eines weiten Zugriffsrechts des Aufsichtsrats auf Informationen des Vorstands jedoch, in Übereinstimmung mit der Gegenauffassung, vertreten, dass der Aufsichtsrat sich mit Hilfe des weiten Zugriffsrechts keine eigene Innenrevision aufbauen dürfe.239 Zustimmung verdient die zweitgenannte Auffassung. Dafür spricht zusätzlich zu den genannten Argumenten insbesondere die Regelung in Abschnitt D. II. 3. Grundsatz 15 DCGK. Nach dieser Regelung hat der Aufsichtsrat sicherzustellen, dass er hinreichend informiert wird. Aus diesem Grund wurde in Ziff. 3.4 DCGK a. F. die Festlegung einer Informationsordnung empfohlen.240 Unter Berücksichtigung dieser Regelung ist ein weites Zugriffsrecht des Aufsichtsrats auf Informationen des Vorstands zur Absicherung einer guten Corporate Governance erforderlich. b) Zulässigkeit der Informationsbeschaffung durch Befragung von Angestellten Weiterhin ist umstritten, ob der Aufsichtsrat sich die erforderlichen Informationen nur über den Vorstand beschaffen darf oder ob der Aufsichtsrat zur Informationsbeschaffung auch auf die Befragung von Mitarbeitern der Gesellschaft zurückgreifen kann. Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob der Aufsichtsrat den Syndikusrechtsanwalt persönlich befragen darf, um seinen Aufsichtspflichten 236

GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 395, siehe aber einschränkend Rn. 396, danach findet das Informationsrecht eine Grenze, wenn der Aufsichtsrat eine eigene Revision aufbauen will; für ein weites Verständnis des Einsichtsrechts auch Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 111 Rn. 33 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 280/07, NJW 2009, 2454 (2455 Rn. 15); jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. 237 Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 111 Rn. 33 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. 238 GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 395. 239 GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 396. 240 In der Neufassung des DCGK wird von einer Kodex-Empfehlung zur Einführung einer Informationsordnung hingegen Abstand genommen, vgl. Begründung zu Abschnitt D. II. 3. Grundsatz 15, abrufbar unter https://www.dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/1 91216_Begruendung_DCGK.pdf, Abruf am 21.11.2020. Im Zusammenhang mit dem Auskunfts- und Einsichtsrecht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 AktG weisen auch GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 382 sowie MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 55, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Literatur, auf die Erforderlichkeit einer Informationsordnung hin. Konkret zur Schaffung einer Informationsordnung zur Regelung der Informationsrechte des Aufsichtsrats GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 503; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 111 Rn. 21; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 80; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 90 Rn. 44.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

nachzukommen. Grundsätzlich ist der Vorstand Informationsschuldner des Aufsichtsrats.241 Nach einer Ansicht sind Direktkontakte des Aufsichtsrats zu den Mitarbeitern des Unternehmens aufgrund des dualistischen Leitungssystems der Aktiengesellschaft grundsätzlich unzulässig.242 Vorstand und Aufsichtsrat seien keine Gegner, sondern sollen vertrauensvoll zusammenarbeiten; dem stünden Direktkontakte des Aufsichtsrats zu Mitarbeitern entgegen.243 Ausnahmen seien nur zulässig, wenn das für die Überwachung des Vorstands unumgänglich244 oder zur Überwachung des Compliancesystems notwendig245 sei. Nach einer zweiten Auffassung sind Direktkontakte des Aufsichtsrats zu Mitarbeitern zwar grundsätzlich zulässig, der Aufsichtsrat sei jedoch nicht berechtigt, ohne Beteiligung des Vorstands unmittelbar mit Mitarbeitern der Gesellschaft Kontakt aufzunehmen.246 Solche Direktkontakte seien nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei Rechtsverstößen des Vorstands, zulässig.247 Auch bei dem Verdacht der Fehlinformation durch den Vorstand wird von Vertretern dieser Auffassung ein direkter Zugriff des Aufsichtsrats für zulässig erachtet.248 Im Übrigen widerspreche die regelmäßige Befugnis zur Aufnahme von Direktkontakten dem Informationskonzept der Aktiengesellschaft.249 Eine dritte Ansicht befürwortet direkte Kontakte des Aufsichtsrats zu den Mitarbeitern des Unternehmens im Bereich der Überwachung nach § 111 Abs. 1 AktG, teilweise auch im Rahmen des § 109 Abs. 1 S. 2 AktG.250 Die dem Aufsichtsrat 241

Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 111 Rn. 21; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/2, § 111 Rn. 57; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 36. 242 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, § 11 Rn. 309 ff.; Lutter, AG 2006, 517 (521); Hoerdemann, ZRP 1997, 44 (45); Oetker, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 277 (292); in diesem Sinne auch Lutter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, 617 (619). Zum Meinungsstand Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 109 Rn. 11. 243 Lutter, AG 2006, 517 (521). 244 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, § 11 Rn. 311. 245 In diesem Sinne Lutter, in: Festschrift für Hüffer, 2010, 617 (619 f.). 246 Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 111 Rn. 22; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 111 Rn. 21, § 90 Rn. 11; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/1, § 90 Rn. 52; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/2, § 111 Rn. 55; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rn. 143, § 111 Rn. 36; jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. 247 Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 111 Rn. 21, § 90 Rn. 11; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/1, § 90 Rn. 52; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/2, § 109 Rn. 24; Spindler/ Stilz/Spindler, AktG, § 107 Rn. 143. 248 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/2, § 111 Rn. 55, Rn. 26; siehe auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn, Band 2/1, § 90 Rn. 52. 249 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 36; ähnlich Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 111 Rn. 22; jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. 250 GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 482, 485, 495; MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 80, § 109 Rn. 19; Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 107 Rn. 75, § 109

§ 2 Die Pflicht zur Verschwiegenheit

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obliegenden Prüf- und Überwachungspflichten ließen sich ohne ein Recht zur unmittelbaren Befragung der verantwortlichen Mitarbeiter nicht sinnvoll erfüllen.251 Zudem wird dieses Recht des Aufsichtsrats mit dem Gedanken der Selbstinformation des Aufsichtsrats begründet.252 Abweichend von der zweitgenannten Auffassung wird von Befürwortern der Zulässigkeit weiter Direktkontakte vertreten, dass bei dem Verdacht von Rechtsverstößen des Vorstands nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zur Befragung von Angestellten bestehe.253 Vorzugswürdig ist die dritte Ansicht. Insoweit gelten die Ausführungen zum allgemeinen Informationsrecht des Aufsichtsrats entsprechend. Die Zulässigkeit der Befragung von Mitarbeitern ist zur Absicherung einer guten Corporate Governance sowie zur effektiven Wahrnehmung der Aufsichtspflichten erforderlich. c) Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat durch Mitarbeiter In einem dritten Schritt ist zu untersuchen, ob Mitarbeiter der Aktiengesellschaft von sich aus, zum Beispiel über ein Whistleblowersystem, dazu befugt sind, Informationen an den Aufsichtsrat weiterzugeben. Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob der Syndikusrechtsanwalt dem Aufsichtsrat gegenüber zur Informationsweitergabe berechtigt ist oder ob Informationen nur über den Vorstand erteilt werden dürfen. Die Diskussion über die Zulässigkeit der Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat wird parallel zu der Diskussion über die Zulässigkeit der Befragung von Angestellten geführt, hat bislang allerdings noch nicht dieselbe Intensität erreicht. Eine Ansicht in der Literatur hält eine Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat nur dann für zulässig, wenn eine Meldung an den Vorstand aufgrund von Rechtsverstößen des Vorstands ausscheidet.254 Eine generelle Aufforderung des Aufsichtsrats, Rechtsverstöße jeder Art direkt und ohne Mitwirkung des Vorstands an den Aufsichtsrat zu melden, sei mit der Informationsordnung des Aktienrechts nicht vereinbar.255

Rn. 11, § 111 Rn. 43; jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. Anders aber GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 109 Rn. 61 f., dort wird ausgeführt, dass eine Ladung der Angestellten zu Sitzungen des Aufsichtsrats nach § 109 AktG nur durch Vermittlung des Vorstands und nicht aufgrund einer Analogie zu § 111 Abs. 2 AktG zulässig ist. 251 Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 109 Rn. 11; ähnlich GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 498 und MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 80. 252 Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 109 Rn. 12 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 280/07, NJW 2009, 2454 (2455 Rn. 12); ähnlich MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn 80. 253 GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 495. 254 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 36 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. 255 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 111 Rn. 36 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur.

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Eine andere Auffassung hält es hingegen für zulässig, dass der Aufsichtsrat darauf hinwirkt, dass der Vorstand ein Hinweisgeberssystem einrichtet, welches eingehende Hinweise zu Rechtsverstößen an den Aufsichtsrat weiterleitet.256 Dem Aufsichtsrat stehe das Recht zu, Vorkehrungen zur Entgegennahme von Informationen durch Angestellte einzurichten.257 Die Aufforderung zur Meldung von Rechtsverstößen begründe keinen Verstoß gegen das Geschäftsführungsverbot.258 Zudem wird auf die Regelung in Ziff. 4.1.3 des DCGK a. F. (Abschnitt A. I. Empfehlung A.2 DCGK) verwiesen, der die Einrichtung eines Hinweisgebersystems grundsätzlich empfiehlt.259 Damit korrespondiert die Einschätzung, dass die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat nicht mehr nur als „Bringschuld“ des Vorstands, sondern zunehmend als „Holschuld“ des Aufsichtsrats zu verstehen sei.260 Denn der Gesetzgeber habe mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz eine steigende Aktivität der Aufsichtsratsüberwachung und Sicherstellung der Informationsversorgung vorgesehen.261 Dieser Auffassung ist in konsequenter Fortführung der Argumentation zur Reichweite des Prüfungsrechts des Aufsichtsrats sowie zum Recht der Befragung von Angestellten vorzugswürdig. Auch an dieser Stelle ist die Sicherung der effektiven Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat im Sinne einer guten Corporate Governance das entscheidende Argument für die Befugnis des Aufsichtsrats, auf die Einrichtung eines Hinweisgeberssystems hinzuwirken, aufgrund dessen Informationen an den Aufsichtsrat weitergegeben werden dürfen. Dieses Hinweisgebersystem muss entgegen der einschränkenden erstgenannten Auffassung nicht nur bei Rechtsverstößen, sondern auch bei ernsthaften Fehlentwicklungen im Unternehmen greifen.262

256 MüKoAktG/Habersack, Band 2, § 111 Rn. 81 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. Ähnlich Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 111 Rn. 44, der es für zulässig erachtet, dass der Aufsichtsrat Adressat anonymer Hinweise ist; sowie GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 491 f., die unter Verweis auf RGZ 107, 221 (226) ein grundsätzliches Recht des Aufsichtsrats zur Entgegennahme von Hinweisen bejahen. 257 GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 492; diese auch rechtsvergleichend zu der US-amerikanischen Regelungen des Sarbanes Oxley-Act. 258 GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 493. 259 Zutreffend verweisen Hopt/Roth allerdings darauf, dass die Regelung keinen Bezug zum Aufsichtsrat enthält, GroßkommAktG/Hopt/Roth, Band 5, § 111 Rn. 493. 260 Velte, NZG 2011, 1401 (1403). 261 Velte, NZG 2011, 1401 (1403). 262 Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 111 Rn. 44.

§ 2 Die Pflicht zur Verschwiegenheit

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d) Folgen für die Verschwiegenheitspflicht des Syndikusrechtsanwalts gegenüber dem Aufsichtsrat Aus den vorstehenden Ausführungen über die Informationsgewinnung des Aufsichtsrates lassen sich für die Verschwiegenheitspflicht des Syndikusrechtsanwalts gegenüber dem Aufsichtsrat folgende Schlüsse ziehen: Auch nach den vorstehenden Ausführungen verbleibt es dabei, dass der Syndikusrechtsanwalt allein der Aktiengesellschaft gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Aus der Regelung des § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO i. V. m. dem Informationssystem der Aktiengesellschaft folgen keine besonderen Verschwiegenheitspflichten gegenüber Organen der Gesellschaft. Insbesondere ist der Syndikusrechtsanwalt nicht dem Aufsichtsrat gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet. Verschwiegenheitspflichten ergeben sich auch nicht aus dem aktienrechtlichen Informationssystem. Grundsätzlich ist zwar der Vorstand der Ansprechpartner des Syndikusrechtsanwalts. Sofern der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit aber über den Vorstand auf Unterlagen der Rechtsabteilung zugreifen oder den Syndikusrechtsanwalt unmittelbar befragen will, ist das gesellschaftsrechtlich zulässig und berufsrechtlich nicht verboten. Sofern ein gesellschaftsinternes Berichtssystem eingerichtet ist, das eine Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat zur Aufdeckung von Rechtsverstößen oder schwerwiegenden Fehlentwicklungen im Unternehmen erlaubt, ist der Syndikusrechtsanwalt nicht daran gehindert, auf diesem Wege Informationen an den Aufsichtsrat weiterzugeben.263 Auch Mann ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sogar interne Berichtspflichten mit der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht vereinbar wären, solange die Informationen in der Gesellschaft verbleiben.264 Er hat die im US-amerikanischen Recht mit dem Sarbanes Oxley-Act eingeführten Berichtspflichten und dabei insbesondere die internen Berichtspflichten (s. g. „reporting up the ladder“)265 sowie deren Auswirkungen auf deutsche Kapitalgesellschaften untersucht266 und die Einführung von Berichtspflichten im deutschen Recht geprüft.267 Nach seiner Auffassung seien Berichterstattungspflichten jedenfalls im internen Unternehmensbereich auch nach deutschem Recht zulässig,268 wenngleich in einer anderen organisatorischen Form als im US-amerikanischen Recht.269 Zutreffend werden Berichtspflichten als Teil einer guten Corporate Governance eingeordnet.270 263

Zur Involvierung des Aufsichtsrats durch den Syndikusrechtsanwalt aus ComplianceGesichtspunkten Müller, S. 168 ff. 264 Mann, S. 211, S. 270 f. 265 Zu den unternehmensinternen Berichtspflichten Mann, S. 173 ff. Speziell zu den Regelungen des „reporting up the ladder“ und des „reporting out“ Mann, S. 175 ff. 266 Mann, S. 194 ff. 267 Mann, S. 203 ff. 268 Mann, S. 265 ff., insb. 273 f. 269 Aus Sicht Manns wäre eine zurückhaltende Einführung und die Schaffung einer unabhängigen Whistleblowing-Stelle bzw. die Einbindung einzelner Aufsichtsratsmitglieder an

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

Das gilt nach der hier vertretenen Auffassung auch dann, wenn die Tätigkeit, auf die sich die Informationen beziehen, aus einer Beratungssituation stammen, die sowohl im Interesse der Gesellschaft als auch im Interesse der Organmitglieder erfolgt ist. In diesen Fällen gelten die Ausführungen in § 1 dieses Kapitels entsprechend. Den Interessen der Gesellschaft ist Vorrang vor den Interessen der Organe einzuräumen, sodass zu deren Gunsten keine Verschwiegenheitspflichten bestehen. Dieses Ergebnis deckt sich zudem mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verschwiegenheitspflicht in Kapitalgesellschaften.271 Der Gegenansicht272 ist allerdings zuzugestehen, dass sich die Regelung des § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO an Mandatsbeziehungen zwischen Rechtsanwälten und natürlichen Personen orientiert.273 Der Forderung der Gegenansicht, den Besonderheiten der Beratung von Kapitalgesellschaften Rechnung zu tragen und eine Berichtspflicht/ein Berichtsrecht bei internen Satzungs- oder Gesetzesverstößen zu normieren,274 ist daher beizupflichten. Bis zu einer entsprechenden Regelung sollte von der Schaffung einer internen Informationsordnung im Sinne von Ziff. 3.4 DCGK a. F. Gebrauch gemacht werden, die Regelungen zur Informationsweitergabe an den Aufsichtsrat im Allgemeinen sowie Regelungen zum Umgang mit Informationen der Rechtsabteilung enthalten sollte.275 3. Weitergabe von Informationen an Dritte Die Weitergabe von Informationen an (außenstehende) Dritte ist gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO indes eindeutig unzulässig.

Stelle eines „reporting-up“-Systems im Sinne des US-amerikanischen Rechts, Mann, S. 289 f. Zu möglichen rechtlichen Bedenken und Grenzen Mann, S. 265 ff. 270 Mann, S. 202. 271 BGHZ 109, 260 (271 f.), ausführlich dazu bereits Kapitel 4 § 2. 272 Knöfel/Mock, AnwBl. 2010, 230 (232). Diese sind der Auffassung, dass sich die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht auf alle Personen außer der Gesellschaft selbst erstreckt; siehe dazu auch Kapitel 4 § 2 C. II. 273 Knöfel/Mock, AnwBl. 2010, 230 (236). 274 Knöfel/Mock, AnwBl. 2010, 230 (236). Diese fordern zudem eine generelle Berichtspflicht, losgelöst von kapitalmarktorientierten Regelungen und damit eine Erstreckung auf sämtliche Gesellschaften. 275 Für eine Einbeziehung des Syndikusrechtsanwalts in das aktienrechtliche Informationssystem im Rahmen der Risikokontrolle nach § 91 Abs. 2 AktG auch Merkt, Syndikusanwalt, S. 91 Rn. 229. Ähnlich Müller, S. 170 f., der aus Compliance-Gesichtspunkten Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat und Informationseinholungsrechte des Aufsichtsrats befürwortet. In der Neufassung des DCGK 2020 wird von der Empfehlung der Schaffung einer Informationsordnung jedoch Abstand genommen, vgl. Begründung zu Abschnitt D. II. 3. Grundsatz 15 DCGK, abrufbar unter https://www.dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/ kodex/191216_Begruendung_DCGK.pdf, Abruf am 21.11.2020.

§ 3 Zusammenfassung

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Ein mit dem US-amerikanischen Recht vergleichbares grundsätzliches Recht bzw. eine grundsätzliche Pflicht zum „reporting out“ bei Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorschriften gibt es nicht und wäre nach der Auffassung von Mann nach deutschem Recht im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG und die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO wohl auch unzulässig.276 Allerdings existieren auch im deutschen Recht einzelne Auskunftspflichten, die den Rechtsanwalt zur Weitergabe von Informationen verpflichten. In diesen gesetzlich geregelten Fällen ist ausnahmsweise eine Weitergabe von Informationen erlaubt bzw. verpflichtend, ohne dass der Rechtsanwalt gegen die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO verstößt.277 Für Syndikusrechtsanwälte in Aktiengesellschaften sind insbesondere die Regelung des § 44c Abs. 1 KWG über die Verfolgung unerlaubter Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen278 sowie vergleichbare aufsichtsrechtliche Auskunftsansprüche nach dem WpHG279 relevant. Außerhalb dieser Regelungen bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Syndikusrechtsanwalt gegenüber Dritten in vollem Umfang der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO unterliegt.

§ 3 Zusammenfassung Diese Kapitel hat gezeigt, welchen Risiken der Syndikusrechtsanwalt im Hinblick auf die Einhaltung der anwaltlichen Grundpflichten gemäß § 43a BRAO ausgesetzt ist. Der Syndikusrechtsanwalt ist der Gefahr von Interessenkonflikten und Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht zwar nicht in demselben Umfang ausgesetzt, wie ein Kanzleirechtsanwalt. Maßgeblicher Grund hierfür ist, dass der Syndikusrechtsanwalt nur einen Mandanten hat, während der Kanzleirechtsanwalt mehrere Mandate zur Gesellschaft und ihren Organen begründen kann. Andererseits ist der Syndikusrechtsanwalt aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO ausschließlich auf die Beratung der Gesellschaft und ihrer Organe im Zusammenhang mit der Tätigkeit für die Gesellschaft beschränkt. Auch wenn im Übrigen festgestellt wurde, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für den Syndikusrechtsanwalt eine geringere Bedeutung hat als für den Kanzleirechtsanwalt, sind die widerstreitenden Interessen innerhalb der Gesellschaft für den Syndikusrechtsanwalt nicht ohne Bedeutung. Der Syndikus276

Mann, S. 198, 275 ff. Überblick zu den gesetzlichen Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht Weyland/ Träger, BRAO, § 43a Rn. 27; Hartung/Scharmer/Gasteyer, BORA/FAO, § 2 BORA Rn. 95 ff. 278 Zur Folge der Vorschrift für Rechtsanwälte Knöfel/Mock, AnwBl. 2010, 230 (233). 279 Knöfel/Mock, AnwBl. 2010, 230 (233), insbesondere noch zu Auskunftsansprüchen nach dem WpHG. 277

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Kap. 4: Einzelne berufsrechtliche Pflichten des Syndikusrechtsanwalts

rechtsanwalt ist zur Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit verpflichtet, § 46 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 BRAO. Zudem spielt gesellschaftsintern die Pflicht zur Verschwiegenheit eine herausgehobene Rolle. Wann wem gegenüber Verschwiegenheitspflichten bestehen, ist abhängig von den gesellschaftsrechtlichen Informationsrechten und -pflichten. Dabei ist zu beachten, dass stets die Aktiengesellschaft Herrin des zu wahrenden Geheimnisses ist. Die Einhaltung der anwaltlichen Grundpflichten gilt es durch geeignete organisatorische Maßnahmen zu wahren und gegen Einflussnahme abzusichern, wie im folgenden Kapitel zu zeigen ist.

Kapitel 5

Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts in der Aktiengesellschaft § 1 Organisatorische Anforderungen Nachfolgend ist zu untersuchen, welche organisatorischen Voraussetzungen notwendig sind, um die in Kapitel 2 beschriebene fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts sicherzustellen und die Einhaltung der in Kapitel 4 dargestellten berufsrechtlichen Pflichten zu gewährleisten. Ziel muss eine Arbeitsorganisation sein, die dem Syndikusrechtsanwalt eine effektive Wahrnehmung seiner Rolle als „Wächter des Rechts“1 im Sinne einer guten Corporate Governance2 ermöglicht. Dabei ist darauf zu achten, dass die berufsrechtlichen Anforderungen an eine fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Bearbeitung von Rechtsfragen gewahrt werden, § 46 Abs. 3, Abs. 4 BRAO. Besondere Bedeutung kommt der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts zu, wenn er die Aktiengesellschaft und ggf. die Vorstandsmitglieder im Interesse Gesellschaft haftungsentlastend beraten soll.3 Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, darf der Syndikusrechtsanwalt nicht nur ein juristischer Sachbearbeiter sein.4 Neben allgemeinen organisatorischen Fragen ist weiterhin zu untersuchen, inwieweit der Syndikusrechtsanwalt in das operative Geschäft der Aktiengesellschaft eingegliedert werden oder Mitglied des Aufsichtsrats sein darf, ohne die berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit zu verletzen. Insbesondere ist zu prüfen, ob der Syndikusrechtsanwalt Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft sein kann oder ob die Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied des Vorstands der fachlichen Unabhängigkeit entgegensteht. Nur, wenn der Syndikusrechtsanwalt eine Position inne hat, die der fachlichen Unabhängigkeit zur Geltung verhilft, kann der Syndikusrechtsanwalt die wirtschaftlichen Interessen des Vorstands bzw. der Gesellschaft in einen rechtlichen

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Vgl. Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 3. 3 Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (13) unter Verweis auf BGH, Urteil vom 20.09.2011 @ II ZR 234/09, NZG 2011, 1271; grundlegend zur haftungsentlastenden Wirkung des Rechtsrats des Syndikusrechtsanwalts und dessen spezifischen Voraussetzungen Müller, S. 201 ff. 4 Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (13) unter Verweis auf BT-Drucks. 18/5201, S. 28. 2

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

Rahmen einhegen5 und so seine Funktion als rechtliches Gewissen des Unternehmens effektiv wahrnehmen.6 Zudem muss der Syndikusrechtsanwalt intern auf die Einhaltung der externen und internen (Rechts-)Vorschriften achten.7 Eine glaubwürdige Wahrnehmung dieser Aufgaben ist jedoch ausgeschlossen, sobald die fachliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Es ist daher erforderlich, dass der Syndikusrechtsanwalt in der Aktiengesellschaft eine Stellung einnimmt, die die unabhängige Wahrnehmung der Aufgaben garantiert.

A. Allgemeine berufsrechtliche Vorgaben Der Gesetzgeber hat keine besonderen berufsrechtlichen Anforderungen für die organisatorische Ausgestaltung der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts aufgestellt. In § 46c Abs. 4 S. 1 BRAO ist lediglich geregelt, dass die regelmäßige Arbeitsstätte des Syndikusrechtsanwalts im Unternehmen als dessen Kanzlei gilt. Der Syndikusrechtsanwalt richtet seine Kanzlei also in den Räumen seines Arbeitgebers ein. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, weitere und detaillierte Regelungen zur räumlichen und organisatorischen Gestaltung der Arbeitsstätte zu treffen und hat stattdessen auf die Satzungsermächtigung des § 59b BRAO verwiesen.8 Bisher hat der Satzungsgeber jedoch davon abgesehen, die organisatorischen Anforderungen an die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts gesondert zu regeln. Hinsichtlich der organisatorischen Gestaltung der Kanzleiräume sind Arbeitgeber und Syndikusrechtsanwalt daher im Wesentlichen frei. Es ist aus berufsrechtlicher Sicht lediglich erforderlich, dass die fachliche Unabhängigkeit gewahrt und die anwaltlichen Grundpflichten beachtet werden. Der Gesetzgeber geht daher davon aus, dass der Syndikusrechtsanwalt und dessen Arbeitgeber schon aus Eigeninteresse Vorkehrungen zur Absicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit treffen,9 ohne jedoch näher zu konkretisieren, was darunter zu verstehen ist. An dieser Stelle ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die unbedingte Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts auch aus europarechtlicher Sicht geboten ist. Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, hat der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil in der Sache Akzo Nobel u. a. ./. Europäische Kommission die Ungleichbehandlung der Syndikusrechtsanwälte gegenüber Kanzleianwälten im Hinblick auf die „legal privileges“ in einem Kartellverfahren der Europäischen Kommission mit der fehlenden Tendenz zur Stärkung der Syndikus-

5 So schon Hommerich, AnwBl. 2009, 406 (407); siehe auch Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (246); Merkt, NJW 2014, 2310 (2312); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (553). 6 Merkt, NJW 2014, 2310 (2312); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (553). 7 Merkt, NJW 2014, 2310 (2313); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (554). 8 BT-Drucks. 18/5201, S. 39. 9 BT-Drucks. 18/5201, S. 39; vgl. dazu auch Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125 (132).

§ 1 Organisatorische Anforderungen

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rechtsanwälte und ihrer anwaltlichen Unabhängigkeit innerhalb der Staaten der Europäischen Union gerechtfertigt.10

B. Anforderungen an die Organisation der Rechtsabteilung Die konkreten Anforderungen an die Organisation der Rechtsabteilung ergeben sich daneben aus den Bedürfnissen der Unternehmen und den unternehmensinternen Anforderungen an die Rechtsabteilung. Die Rechtsabteilung muss so gestaltet und organisiert sein, dass den praktischen Bedürfnissen der Rechtsberatung im Unternehmen Rechnung getragen wird. I. Der Syndikusrechtsanwalt als Risikomanager Aus Sicht der Unternehmen ist der Syndikusrechtsanwalt in erster Linie ein Risikomanager,11 der im Rahmen des aktienrechtlichen Risikokontrollsystems gemäß § 91 Abs. 2 AktG Teil der unternehmensinternen Risikofrüherkennung ist.12 Zugleich hat der Syndikusrechtsanwalt auf die Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen sowie internen Regelungen zu achten.13 Um diese Aufgaben erfüllen und im übergeordneten Interesse der Gesellschaft handeln zu können, muss die Rechtsabteilung auch aus Unternehmenssicht unabhängig sein.14 Diese Unabhängigkeit im unternehmerischen Sinn bedeutet aber nichts Anderes als Unabhängigkeit im Sinne des anwaltlichen Berufsrechts. Sowohl die berufsrechtlichen Vorgaben als auch die unternehmerischen Bedürfnisse erfordern also eine Unabhängigkeit der Rechtsabteilung. Diese Unabhängigkeit kann am besten gewahrt werden, indem man die hausinterne Rechtsabteilung als Rechtsanwaltskanzlei im Unternehmen versteht.15

10 EuGH, Urteil vom 14.09.2010 – C-550/07 P, EuZW 2010, 778 (783 Rn. 73 ff., insb. Rn. 76). 11 Zum Syndikusrechtsanwalt als Risikomanager Marfording, S. 149 ff.; Kohler, in: Festschrift für Kümpel, S. 301 (302 ff.); Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). 12 Merkt, AnwBl. 2015, 552 (554); Merkt, AnwBl. 2014, 278 (283); grundlegend zur Rolle des Syndikusrechtsanwalts im Risikomanagementsystems Klein, S. 363 ff. 13 Merkt, NJW 2014, 2310 (2313); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (554). 14 Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). 15 Ähnlich Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (15), der anmerkt, dass an die Organisation der Rechtsabteilung dieselben Anforderungen gestellt werden müssen, die für eine Rechtsanwaltskanzlei gelten. Siehe auch Marfording, S. 250. Dieser hatte vorgeschlagen, die Rechtsabteilung im Hinblick auf eine Steuerung der an sie gerichteten Anfragen wie eine Kanzlei zu führen, indem Aufträge durch interne Verrechnungssätze „abgerechnet“ werden. Der hier verwendete Begriff der „Anwaltskanzlei im Unternehmen“ geht über beide Vorschläge hinaus.

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

II. „Anwaltskanzlei im Unternehmen“ Die „Anwaltskanzlei im Unternehmen“ muss so gestaltet werden, dass dem Erfordernis der unabhängigen Rechtsberatung in jeder Hinsicht Rechnung getragen wird. Zu dieser Gestaltung als „Anwaltskanzlei im Unternehmen“ existieren verschiedene Gestaltungsansätze und Organisationskonzepte, die sich bereits praktisch bewährt haben: Innerhalb der Unternehmenshierarchie ist zunächst darauf zu achten, dass die Rechtsabteilung an das Ressort des Vorstandsvorsitzenden angegliedert wird, um eine an den Zielen der Gesellschaft orientierte Beratung sicherzustellen.16 Auf der Hierarchieebene sollte die Rechtsabteilung auf der zweiten Unternehmensebene angesiedelt sein und direkt dem zuständigen Vorstand unterstellt werden.17 Wichtig ist es, dass zumindest der Leiter der Rechtsabteilung, der idealerweise als Syndikusrechtsanwalt zugelassen ist, stets einen Zugang zur Unternehmensleitung hat und ständig in Beratungen und Entscheidungsfindungen einbezogen wird („place at the table“18). Eine solche Einbindung ist nicht nur ein wichtiges Element einer guten Corporate Governance,19 sondern auch entscheidend für die Wahrung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts.20 Um die Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Unternehmen sicherzustellen ist weiterhin eine infrastrukturelle Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts zu schaffen. Das erfordert zuerst eine sachliche und personelle Unabhängigkeit von anderen Abteilungen des Unternehmens.21 Dazu ist eine räumliche und sachliche

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Neumann, AnwBl. 1991, 630 (632). Neumann, AnwBl. 1991, 630 (632); zustimmend Klein, S. 384; in jüngerer Zeit Gaier/ Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 73; Marfording, S. 232 f.; Merkt, Syndikusanwalt, S. 81 f. Rn. 204; Merkt, AnwBl. 2014, 278 (284); Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (14). Auch Müller ist der Auffassung, dass die Unabhängigkeit der Rechtsabteilung durch organisatorische Maßnahmen abgesichert werden kann, Müller, S. 255 ff. unter Verweis auf BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 5 RE 13/14 R, Rn. 38 (zit. nach juris) und den dort zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 87, 284 (264 f.) sowie BGH, Beschluss vom 04.12.1989 – AnwZ (B) 42/89, Leitsatz 2 (zit. nach juris). 18 Bühr/Wohlmann, in: Gallmann/Gersbach (Hrsg.), Der Unternehmensjurist, Teil C, S. 91 (95 f.). 19 Zur Einbindung des Unternehmensjuristen in die Entscheidungsfindung als Teil einer guten Corporate Governance Bühr/Wohlmann, in: Gallmann/Gersbach (Hrsg.), Der Unternehmensjurist, Teil C, S. 91 (95 f.). 20 Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46 BRAO Rn. 73; vgl. auch Bühr/ Wohlmann, in: Gallmann/Gersbach (Hrsg.), Der Unternehmensjurist, Teil C, S. 91 (97) zur Unabhängigkeit des Unternehmensjuristen gegenüber der Geschäftsleitung bei der Mitwirkung an Entscheidungen. 21 Kohler, in: Festschrift für Kümpel, S. 301 (311); dem folgend Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 (247). 17

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Trennung der Rechtsabteilung vorzunehmen.22 Zum besonderen Schutz der Vertraulichkeit sollte über einen separaten E-Mail-Server nachgedacht werden.23 Weiterhin ist die gemäß § 46 Abs. 4 S. 1 BRAO notwendige Weisungsfreiheit durch entsprechende organisatorische Maßnahmen abzusichern.24 Auch dieses Ziel kann neben einer entsprechenden vertraglichen Absicherung durch die soeben skizzierten infrastrukturellen Maßnahmen gewährleistet werden.25 Insgesamt ist der Arbeitsbereich als Kanzlei des Syndikusrechtsanwalts so zu gestalten, dass auch die übrigen berufsrechtlichen Anforderungen an die Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts eingehalten werden. Das ist erforderlich, da die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts stets ein Indiz für dessen Unabhängigkeit ist.26 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, besteht eine Kanzleiorganisation, die eine unabhängige Tätigkeit der Rechtsabteilung ermöglicht. Daneben ist die Organisationsstruktur so auszurichten, dass Interessenkonflikte vermieden werden und die Verschwiegenheitspflicht gewahrt wird.

C. Umgang mit möglichen Interessenkonflikten und der Verschwiegenheitspflicht unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine gute Corporate Governance Um Interessenkonflikte zu vermeiden, um in größeren Rechtsabteilungen einer Aktiengesellschaft eine umfassende Beratung der Gesellschaft unter Einbeziehung sämtlicher Organe vorzunehmen und um den Anforderungen an die Verschwiegenheitspflicht gerecht zu werden, sind neben diesen allgemeinen Maßnahmen weitere organisatorische Maßnahmen erforderlich. I. Chinese Walls Um dem Problem der Einhaltung der anwaltlichen Grundpflichten, namentlich der Pflicht zur Verschwiegenheit aber auch des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen, bei einer Tätigkeit größerer Beratungseinheiten insgesamt beizukommen, haben in der Vergangenheit einige Autoren für die Übernahme des angelsächsischen Modells der so genannten „chinese walls“ in das deutsche Be22

Müller, S. 256. Müller, S. 256. Merkt hat überdies die Schaffung eines „Exktranets“ zur Trennung besonders geschützter und von dem nach seiner Auffassung bestehenden Vertraulichkeitsschutz umfasster Dokumente vorgeschlagen, Merkt, Syndikusanwalt, S. 84 Rn. 212. 24 Merkt, AnwBl. 2014, 278 (284). 25 Merkt, AnwBl. 2014, 278 (284). 26 Klein, S. 384. 23

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

rufsrecht plädiert.27 Gerade innerhalb eines Konzerns kann damit die Tätigkeit mehrerer Syndikusrechtsanwälte derselben Rechtsabteilung des Arbeitgeberunternehmens ermöglicht werden.28 Auch der Deutsche Anwaltverein hat den Gedanken des Einsatzes von „chinese walls“ jüngst in seinem Vorschlag für eine Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung aufgegriffen und in § 59c Abs. 3 S. 1 BRAO-E eine Regelung vorgeschlagen, nach der die in § 59c Abs. 2 BRAO-E vorgesehenen Tätigkeitsverbote bei Sozietätswechslern keine Anwendung finden sollen, wenn die betroffenen Mandanten einwilligen und wenn „geeignete Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit ergriffen“29 werden.30 Bei den so genannten „chinese walls“ handelt es sich um unternehmensintern eingerichtete Informationssperren, die der Absicherung der Verschwiegenheitspflicht und der Vermeidung von Interessenkonflikten dienen.31 Diese Informationssperren werden mit verschiedenen Maßnahmen umgesetzt: Der Informationsfluss zwischen verschiedenen Abteilungen bzw. Projektteams wird durch dauerhafte technische und räumliche Separation unterbunden,32 zwischen den Abteilungen wird eine Rotation der Mitarbeiter verhindert, private Kontakte werden reglementiert und unabhängige Supervisoren überwachen die Einhaltung dieser Maßnahmen.33 Übertragen auf die Anwaltschaft bedeutet das, dass die Mitwirkung eines Anwalts an einem Kollisionsmandat durch entsprechende Maßnahmen, insbesondere durch die Begrenzung des Aktenzugangs und die Begrenzung der Informationsweitergabe des Anwalts an den Sachbearbeiter, ausgeschlossen wird.34 Die Verwendung von chinese walls wird im anwaltlichen Berufsrecht daher hinsichtlich der Frage diskutiert, ob derartige organisatorische Maßnahmen dazu führen, dass im Fall des Entstehens von Interessenkonflikten in Sozietäten eine wirksame Einwilligung in den Interessenkonflikt nach § 3 Abs. 2 S. 2 BORA möglich ist, da dann

27 Deckenbrock, S. 273 Rn. 519; Kilian, WM 2000, 1366 (1372 ff.); Deckenbrock, BB 2002, 2453 (2461). 28 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (279). 29 DAV-Vorschlag zur großen BRAO-Reform, Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl. Online 2019, 257 (264), abrufbar unter https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/ files/anwaltsblatt.de/anwaltsblatt-online/2019-257.pdf, Abruf am 21.11.2020. 30 DAV-Vorschlag zur großen BRAO-Reform, Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl. Online 2019, 257 (264, 275), abrufbar unter https://anwaltsblatt.anwaltver ein.de/files/anwaltsblatt.de/anwaltsblatt-online/2019-257.pdf, Abruf am 21.11.2020. 31 Kilian, WM 2000, 1366 (1372); vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 32. 32 Kilian, WM 2000, 1366 (1373 f.), dort auch zu einer Entscheidung des britischen House of Lords, bei dem diese Anforderungen nur teilweise eingehalten waren. Vgl. auch Gaier/Wolf/ Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 32. 33 Kilian, WM 2000, 1366 (1374); Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 32. 34 Kilian, WM 2000, 1366 (1375).

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entsprechende Belange der Rechtspflege einer Vertretung nicht mehr entgegenstehen.35 Eine ausdrückliche Regelung der chinese walls existiert zwar nicht, es ist allerdings aufgrund einschlägiger Rechtsprechungsbeispiele davon auszugehen, dass das Prinzip zur organisatorischen Gestaltung von Rechtsanwaltskanzleien verwendet wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Sozietätswechslerentscheidung aus dem Jahr 2003 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einem Kanzleiwechsel eines Rechtsanwalts schon aufgrund der organisatorischen Gestaltung der abgebenden Kanzlei und aufgrund des Einsatzes von chinese walls unter Umständen gar keine Gefährdung der Verschwiegenheitspflichten drohe,36 was in der Regelung des § 3 Abs. 2 BORA a. F. nicht hinreichend berücksichtigt wurde.37 Auch der Gesetzgeber sieht, allerdings außerhalb des anwaltlichen Berufsrechts, chinese walls als taugliche organisatorische Maßnahme zur Verhinderung eines ungewollten Informationsaustauschs an.38 Chinese walls können also als anerkannter und brauchbarer Ansatz zur Wahrung der anwaltlichen Grundpflichten angesehen werden. Rechtspraktisch stellt sich dabei die Frage, inwieweit diese strengen Kriterien aufgrund der hohen organisatorischen Anforderungen innerhalb einer Anwaltskanzlei oder einer Rechtsabteilung eingehalten werden können. Unabhängig von der Frage der Implementierung eines solchen Systems in das deutsche Berufsrecht, die zugleich, hier allerdings nicht näher zu erörternde, verfassungs-39 sowie berufsrechtliche40 Probleme mit sich bringen würde, ist der Einsatz der genannten Mechanismen in Unternehmen jedoch sinnvoll und auch effektiv möglich. Die Ausführungen von Kilian und Deckenbrock zum Einsatz von chinese walls beziehen sich zwar zunächst nur auf Interessenkonflikte innerhalb von Rechtsanwaltskanzleien und mögliche Regelungsmodelle für das deutsche anwaltliche Berufsrecht. Allerdings lassen sich diese Überlegungen ohne Weiteres auf die Organisation der Rechtsabteilungen von Aktiengesellschaften übertragen. Auch ohne eine entsprechende gesetzliche Vorgabe handelt es sich bei der Einrichtung von chinese walls um eine effektive Form der Beherrschung von Interessenkonflikten. So kann durch Informationssperren und ergänzend durch unterschiedliche und voneinander getrennte Abteilungen eine umfassende Tätigkeit der Syndikus35 Vgl. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 3 BORA Rn. 28. Vgl. zum Einsatz von „chinese walls“ in Sozietäten auch Schramm, S. 113 f. 36 BVerfGE 108, 150 (163). 37 BVerfGE 108, 150 (164 ff.). 38 BT-Drucks. 18/8334, S. 177 in der Begründung eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich, insbesondere zu § 8 ERegG; siehe hierzu Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (323). 39 Verfassungsrechtliche Probleme bestehen hinsichtlich der Anforderungen eines Schrankengesetzes im Sinne des Art. 12 GG, Kilian, WM 2000, 1366 (1376). 40 Berufsrechtliche Probleme bestehen hinsichtlich einer möglichen Beeinträchtigung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch ein entsprechendes Schrankengesetz, Kilian, WM 2000, 1366 (1377 f.).

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

rechtsanwälte für die Gesellschaft und ihre Organe sichergestellt werden. Eine Abteilung kann zur Beratung der Gesellschaft und ihres Vorstands zu Fragen des operativen Tagesgeschäfts und zu vorstandsrechtlichen Fragen mit Bezügen zur Gesellschaft eingerichtet werden. Eine weitere Abteilung kann zur Beratung des Aufsichtsrats in sämtlichen die Gesellschaft betreffenden aufsichtsrechtlichen Fragen errichtet werden. Zur neutralen Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen und unternehmensinternen Regelungen im übergeordneten Unternehmensinteresse können innerhalb der Complianceabteilung Syndikusrechtsanwälte beschäftigt werden. Diese Abteilungen müssen im Sinne der Anforderungen an chinese walls personell, räumlich und organisatorisch, insbesondere hinsichtlich der EDV-Technik sowie des Zugriffs auf Akten, getrennt werden. Damit kann erreicht werden, dass die internen Syndikusrechtsanwälte die Gesellschaft in nahezu allen Rechtsfragen beraten und vertreten können. Ausgenommen sind davon nur Drittrechtsbeziehungen, zum Beispiel zwischen Vorstand und Gesellschaft in haftungsrechtlichen Auseinandersetzungen, und alle von § 46c Abs. 2 BRAO umfassten Rechtsangelegenheiten. Zudem ist eine entsprechende Abgrenzung der Rechtsabteilung zu anderen Abteilungen der Gesellschaft, insbesondere zum Vorstand/zur Geschäftsleitung, aus Gründen der anwaltlichen Unabhängigkeit erforderlich.41 Zuzugeben ist, dass eine solche Trennung eine gewisse Größe der Rechtsabteilung voraussetzt. Diese Organisationsform ist neben dem Rückgriff auf nicht zur Anwaltschaft zugelassene Justiziare allerdings die einzige Möglichkeit des Unternehmens, den Zugriff auf hausinternen Rechtsrat auch in Konfliktsituationen zu gewährleisten. Auch mit Blick auf die in Kapitel 4 erläuterten Verschwiegenheitspflichten des Syndikusrechtsanwalts ist die Einrichtung eines Systems von chinese walls eine effektive Organisationsform, um die Verschwiegenheitspflicht abzusichern.

II. Die Rechtsabteilung als Bürogemeinschaft Die personelle, räumliche und sachliche Trennung großer Rechtsabteilungen kann unabhängig von der Übernahme des Konzepts der chinese walls zudem berufsrechtlich erforderlich sein, um eine umfassende Beratung der Gesellschaft und ihrer Organe sicherzustellen, wenn mehrere Syndikusrechtsanwälte in einer Rechtsabteilung als Bürogemeinschaft im Sinne des § 59a Abs. 3 BRAO anzusehen wären. Wenn mehrere Syndikusrechtsanwälte eine Bürogemeinschaft im Sinne des § 59a BRAO bilden, dürften bei einem Interessenkonflikt nur eines Syndikusrechtsanwalts sämtliche Anwälte der Rechtsabteilung aufgrund der Sozietätserstreckungsklausel des § 3 Abs. 2 S. 1 BORA in dieser Angelegenheit nicht mehr tätig 41

Hamm/Maxin, AnwBl. 2015, 376 (378).

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werden. Denkbar wäre das im Fall eines Wechsels eines Syndikusrechtsanwalts von einem Unternehmen in ein anderes Unternehmen oder im Fall einer Tätigkeit innerhalb einer Konzernrechtsabteilung. Derzeit ist allerdings noch umstritten, ob mehrere Syndikusrechtsanwälte überhaupt eine Bürogemeinschaft im Sinne des § 59a Abs. 3 BRAO bilden. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Gesetzesbegründung zu der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte nicht dazu geäußert, ob mehrere Syndikusrechtsanwälte eine Bürogemeinschaft bilden können. Es ist daher nach wie vor unklar,42 ob mehrere Syndikusrechtsanwälte einer Rechtsabteilung eine Bürogemeinschaft im berufsrechtlichen Sinn bilden. In der Literatur wird teilweise vertreten, dass der Gesetzgeber den Vorschlag der Bundesrechtsanwaltskammer, Syndikusrechtsanwälte als Bürogemeinschaft zu behandeln,43 bewusst nicht aufgegriffen habe, sodass die Auffassung, Syndikusrechtsanwälte könnten eine Bürogemeinschaft bilden, nicht vertretbar sei.44 Von der rechtlichen Konstruktion der Bürogemeinschaft als bewusster Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte auf vertraglicher Grundlage aus gesehen, sei die Bürogemeinschaftseigenschaft der aus mehreren Syndikusrechtsanwälten bestehenden Rechtsabteilung einer (Aktien-)Gesellschaft nach einer weiteren in der Literatur vertretenen Auffassung überdies zu verneinen.45 Nach einer anderen Ansicht sollen mehrere Syndikusrechtsanwälte einer Rechtsabteilung jedoch eine Berufsausübungsgemeinschaft, jedenfalls aber eine Bürogemeinschaft bilden können.46 Die Vertreter dieser Ansicht verweisen auf die Notwendigkeit, ein Sonderberufsrecht für Syndikusrechtsanwälte zu vermeiden,47 auch wenn die Frage der Bürogemeinschaftsfähigkeit mehrerer Syndikusrechtsanwälte letztlich nicht abschließend beantwortet wird.

42 Auch in den Rechtsanwaltskammern besteht hierüber Unsicherheit, siehe hierzu nur Protokoll der Klausurtagung des Gesamtvorstands der RAK Berlin vom 22./23.09.2017, TOP 4, S. 14 f., abrufbar unter www.rak-berlin.de/download/rak_berlin_pdfs_vorstandsprotokolle/201 7_09_22und23_Prot_TO_KlausurTagg.pdf, Abruf am 21.11.2020. 43 Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 17/2015, S. 7, abrufbar unter www. brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2015/mai/stellung nahme-der-brak-2015-17.pdf, Abruf am 21.11.2020. 44 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 46c Rn. 20. In diesem Sinne auch Deckenbrock/ Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (240). 45 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (317); anders aber noch Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 633 (640). Weiterhin Hartung/Scharmer/Dietzel, BRAO/FAO, § 46c BRAO Rn. 18; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 181, § 46c Rn. 14; Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (240); Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (291); Huff, AnwBl. 2018, 155 (155 f.); Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (107). 46 Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106). 47 Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106).

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

Die besseren Argumente sprechen jedoch dafür, mehrere Syndikusrechtsanwälte einer Rechtsabteilung nicht als Bürogemeinschaft zu qualifizieren, da es sich nicht um einen bewussten und vertraglich vereinbarten Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte handelt.48 Es ist zwar auch nach der hier vertretenen Auffassung notwendig, ein Sonderberufsrecht für Syndikusrechtsanwälte zu vermeiden.49 Aus diesem Grund ist § 59a Abs. 3 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte grundsätzlich anwendbar, da der Gesetzgeber im Hinblick auf die Regelung des § 59a BRAO keine Sonderregelung im Sinne des § 46c Abs. 1 BRAO getroffen hat. Berücksichtigt man zudem, dass sich die Bürogemeinschaft in erster Linie durch eine organisatorische Zusammenarbeit der beteiligten Rechtsanwälte auszeichnet,50 könnte man argumentieren, dass mehrere Syndikusrechtsanwälte aufgrund dieser organisatorischen Zusammenarbeit eine Bürogemeinschaft bilden, auch wenn die Rechtsabteilung von dem jeweiligen Unternehmen betrieben und ausgerüstet wird, die Errichtung und Organisation des Büros also nicht bei den Syndikusrechtsanwälten liegt. In der Konsequenz könnte man mehrere Syndikusrechtsanwälte einer Rechtsabteilung dann als Bürogemeinschaft qualifizieren. Bei den Syndikusrechtsanwälten einer Rechtsabteilung fehlen jedoch „das voluntative und das vertraglichen Element“51, die für die Begründung einer Bürogemeinschaft erforderlich sind. Mehrere Syndikusrechtsanwälte einer Bürogemeinschaft erfüllen somit eine wesentliche Voraussetzung der Bürogemeinschaft im Sinne des § 59a Abs. 3 BRAO nicht. Da die Voraussetzungen für die Begründung einer Bürogemeinschaft nicht vorliegen, besteht auch nicht die Gefahr der Schaffung eines Sonderberufsrechts für Syndikusrechtsanwälte. Ein Anknüpfungspunkt für die Qualifizierung mehrerer Syndikusrechtsanwälte als Bürogemeinschaft ergibt sich schließlich auch nicht aus einem weiten Verständnis der Bürogemeinschaft in § 3 Abs. 2 S. 1 BORA. Offermann-Burckart hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass § 3 Abs. 2 S. 1 BORA jede Art eines Informationsflusses zwischen gemeinschaftlich arbeitenden Rechtsanwälten unterbinden will,52 sodass man auch die mehr oder weniger zufällige Zusammenarbeit mehrerer Syndikusrechtsanwälte einer Rechtsabteilung als Bürogemeinschaft im 48 Ebenso Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (317). 49 So in diesem Zusammenhang bereits Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106). 50 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 59a Rn. 122. 51 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (317). In diesem Sinne weiterhin Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 181, § 46c Rn. 14; Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (240); Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (291); Huff, AnwBl. 2018, 155 (155 f.); Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (107). Anders aber noch Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 633 (640). 52 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (317).

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Sinne des § 3 Abs. 2 BORA qualifizieren könnte.53 Im Ergebnis verneint54 Offermann-Burckart die Einbeziehung der Syndikusrechtsanwälte in den Tatbestand des § 3 Abs. 2 S. 1 BORA mit dem überzeugenden Argument, dass die Kollisionsbefangenheit andernfalls so weit ausgedehnt werden würde, dass eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit vorliege.55 Im Ergebnis können mehrere Syndikusrechtsanwälte einer Rechtsabteilung keine Bürogemeinschaft bilden, da die Voraussetzungen des § 59a Abs. 3 BRAO nicht vorliegen. Praktisch ist es zudem nur schwer vorstellbar ist, dass eine Rechtsabteilung bestehend aus Syndikusrechtsanwälten, Justiziaren ohne Rechtsanwaltszulassung und Syndikusanwälten alter Prägung mit einer Zulassung als Kanzleirechtsanwalt eine Bürogemeinschaft bilden sollen. Vor dem Hintergrund der derzeit bestehenden rechtlichen Unsicherheiten ist dennoch die Aufspaltung der Rechtsabteilung in verschiedene personell, räumlich und sachlich getrennte Abteilungen notwendig und empfehlenswert, wenn eine berufsrechtskonforme Rechtsberatung und -vertretung sämtlicher Beteiligter einer Aktiengesellschaft erfolgen soll. Auch die Einhaltung der in Kapitel 4 geschilderten Verschwiegenheitspflichten wird dadurch wesentlich erleichtert. Klarheit würde an diesem Punkt jedoch die durch den Deutschen Anwaltverein vorgeschlagene „große BRAO-Reform“56 schaffen. Der Deutsche Anwaltverein hat im Wesentlichen den Diskussionsvorschlag von Henssler57 zu einer BRAO-Reform übernommen. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat diesen Vorschlag in einem Eckpunktepapier vom 27.08.2019 aufgegriffen.58 Dieser Vorschlag sieht in § 59a Abs. 4 BRAO-E eine Definition der Bürogemeinschaft vor:

53 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (317). Löwe/Wallner/Werner deuten hingegen eine mögliche Anwendbarkeit des § 3 Abs. 2 S. 1 BORA auf den Syndikusrechtsanwalt an, lassen diese Frage aber im Ergebnis offen, Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106). 54 Anders noch Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 633 (640). 55 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (318), die zugleich die Erstreckung des § 3 Abs. 2 S. 1 BORA auf Bürogemeinschaften insgesamt kritisiert. Sie verweist außerdem auf die möglicherweise fehlende Satzungskompetenz der Satzungsversammlung, Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (318). 56 DAV-Vorschlag zur großen BRAO-Reform, Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl. Online 2019, 257 ff., abrufbar unter https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/ files/anwaltsblatt.de/anwaltsblatt-online/2019-257.pdf, Abruf am 21.11.2020. 57 Henssler, AnwBl. Online 2018, 564 ff. 58 Eckpunktepapier des BMJV für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften, abrufbar unter www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsver fahren/DE/Berufsrecht_anwaltl_Berufsaus%C3%BCbungsgesellschaften.html, Abruf am 21.11.2020.

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

„§ 59b Abs. 1 und 3 sowie § 59c gelten entsprechend für Gesellschaften, die einer gemeinschaftlichen Organisation der Berufstätigkeit der Gesellschafter unter gemeinschaftlicher Nutzung von Räumlichkeiten dienen, jedoch nicht selbst als Vertragspartner von anwaltlichen Mandatsverträgen auftreten (Bürogemeinschaften).“59

Neben der inhaltlichen Regelung der widerstreitenden Interessen ist bewusst eine Legaldefinition der Bürogemeinschaften in den Vorschlag aufgenommen worden.60 Damit wäre klargestellt, dass die Bürogemeinschaft einen Gesellschaftsvertrag zwischen den beteiligten Rechtsanwälten sowie eine bewusste gemeinschaftliche Organisation der Berufstätigkeit voraussetzt. Von dieser Definition wäre die Rechtsabteilung einer Gesellschaft nicht erfasst. Bis zu einer Neuregelung bleibt es jedoch bei den geschilderten Unsicherheiten, auch wenn von der Konzeption eines bewussten und vertraglich vereinbarten Zusammenschlusses mehrerer Rechtsanwälte als Bürogemeinschaft aus gesehen die besseren Argumente dafür sprechen, dass mehrere Syndikusrechtsanwälte derselben Gesellschaft keine Bürogemeinschaft bilden. An dieser Stelle zeigt sich jedoch, dass die Bundesrechtsanwaltsordnung in ihrer derzeitigen Gestalt auf Kanzleirechtsanwälte ausgerichtet ist. Es bietet sich daher an, die Syndikusrechtsanwälte auch über die §§ 46 – 46c BRAO hinaus in die Bundesrechtsanwaltsordnung zu integrieren und zu regeln. Bis zu einer Neuregelung sollten organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, um die geschilderten Risiken im Zusammenhang mit dem Wechsel von Syndikusrechtsanwälten zwischen zwei unabhängigen Unternehmen oder zwei Konzernunternehmen zu verringern.

D. Zusammenfassung Aufgrund der berufsrechtlichen Anerkennung des Syndikusrechtsanwalt ist die Bedeutung einer berufsrechtskonformen Organisation der Rechtsabteilung gewachsen. Um den berufsrechtlichen Anforderungen an den Syndikusrechtsanwalt zu genügen, muss die Rechtsabteilung personell und infrastrukturell unabhängig geführt werden. Dazu ist es erforderlich, die Rechtsabteilung noch stärker als Rechtsanwaltskanzlei im Unternehmen zu verstehen. Im Umgang mit möglichen Interessenkonflikten und der Verschwiegenheitspflicht unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine gute Corporate Governance sind geeignete organisatorische Maßnahmen zu treffen, um Verstöße gegen diese anwaltlichen Grundpflichten zu vermeiden. Hierfür bietet sich die Errichtung von chinese walls an.

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DAV-Vorschlag zur großen BRAO-Reform, Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl. Online 2019, 257 (264), abrufbar unter https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/ files/anwaltsblatt.de/anwaltsblatt-online/2019-257.pdf, Abruf am 21.11.2020. 60 DAV-Vorschlag zur großen BRAO-Reform, Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl. Online 2019, 257 (270), abrufbar unter https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/ files/anwaltsblatt.de/anwaltsblatt-online/2019-257.pdf, Abruf am 21.11.2020.

§ 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft

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Solange nicht abschließend geklärt ist, ob eine aus mehreren Syndikusrechtsanwälten bestehende Kanzlei eine Bürogemeinschaft im Sinne des § 59a Abs. 1, Abs. 3 BRAO ist, ist die Trennung auch vor dem Hintergrund der Sozietätserstreckung bei Interessenkonflikten gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BORA zu empfehlen.

§ 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft Als eine wichtige Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Rechtsabteilung wurde im vorangegangenen Abschnitt61 die Ansiedelung der Rechtsabteilung auf einer gehobenen Hierarchieebene innerhalb des Unternehmens genannt. Noch ungeklärt ist aber, ob der Syndikusrechtsanwalt nach neuem Recht, was nicht unüblich ist, selbst Teil eines der Organe der Aktiengesellschaft oder eines verbundenen Konzernunternehmens sein darf.62 Die Frage ist, ob der Syndikusrechtsanwalt seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit verletzt, wenn er in das operative Geschäft des Unternehmens eingegliedert oder Mitglied eines Aufsichtsorgans ist. Als Organmitglied wird der Syndikusrechtsanwalt Teil des Leitungs- und Überwachungssystems der Aktiengesellschaft.63 Dabei besteht die Gefahr, dass die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts gefährdet wird. Relevanz entfaltet insbesondere die Frage, ob der Syndikusrechtsanwalt in einer Doppelfunktion zugleich Mitglied des Vorstands der Aktiengesellschaft sein kann oder ob diese Tätigkeit aufgrund der Pflicht zur Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit mit der Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt unvereinbar ist. Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts ist dabei umso größer, je weiter der Syndikusrechtsanwalt in die Unternehmensleitung integriert ist.64 Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht einer guten Corporate Governance birgt die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im Vorstand des Unternehmens außerdem das Problem, dass das Gleichgewicht im Leitungs- und Überwachungssystem gestört wird, soweit der Syndikusrechtsanwalt nicht mehr allein die Gesellschaftsinteressen, sondern auch die Interessen einer einzelnen Interessengruppe vertritt, wobei er jeweils mindestens einen Informationsvorsprung gegenüber einem nicht in doppelter Tätigkeit auftretenden Vorstandsmitglied oder Syndikusrechtsanwalt hat. Auch in den Fällen, in denen der Vorstand der Aktiengesellschaft sich auf die haftungsentlastende Wirkung des Rechtsrats der hausinternen Rechtsabteilung be61 62 63 64

Kapitel 5 § 1 B. II. Ausführlich zu den berufsrechtlichen Besonderheiten im Konzern Kapitel 6. Vgl. zur Rolle des Vorstands in der Aktiengesellschaft Kapitel 3 § 3 A. I. zur Hausen, AnwBl. 1980, 322 (325).

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

rufen will, ist es notwendig, dass der Berater hinreichend unabhängig ist.65 Diese Unabhängigkeit wurde in der Vergangenheit durch die Gerichte bereits dann in Frage gestellt, wenn die Beratung nur durch die Kanzlei eines Mitglieds eines Organs der Gesellschaft erfolgte.66 Aus diesem Grund sind enge Verbindungen zwischen Berater und beratenem Organ zu vermeiden.

A. Rechtliche Relevanz des Problems Die rechtliche Relevanz des Problems ergibt sich aus der spannungsgeladenen Position des Syndikusrechtsanwalts im Corporate Governance-System. Der Syndikusrechtsanwalt muss seine fachliche Unabhängigkeit auch und insbesondere dem Mandanten gegenüber wahren. Der Mandant des Syndikusrechtsanwalts ist in der hier untersuchten Konstellation die ihn beschäftigende Aktiengesellschaft. Ist der Syndikusrechtsanwalt zugleich Mitglied eines Gesellschaftsorgans, kann nicht garantiert werden, dass er vor dem Hintergrund der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2 AktG nicht nur die Interessen der Gesellschaft, sondern daneben zumindest auch eigene Interessen verfolgt. Dadurch kann die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts beeinträchtigt sein. Diese Bedenken lassen sich nicht, wie gelegentlich von Praktikern zu hören ist, mit einem pauschalen Verweis auf die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts und seine Stellung als Interessenvertreter seines einzigen Mandanten, der Gesellschaft, beiseite wischen. Es ist für Kanzleirechtsanwälte anerkannt, dass eine Tätigkeit in einem Organ einer Aktiengesellschaft die Erteilung eines unabhängigen Rechtsrats durch denselben Rechtsanwalt bzw. dessen Kanzlei ausschließt.67 Da Syndikusrechtsanwälte mit Kanzleirechtsanwälten im Wesentlichen gleichgestellt sind, gelten für jene dieselben Grundsätze, die für Kanzleirechtsanwälte gelten.

65 Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (13) unter Verweis auf BGH, Urteil vom 20.09. 2011 @ II ZR 234/09, NZG 2011, 1271. 66 OLG Hamburg, Urteil vom 18.09.2009 – 11 U 183/07, AG 2010, 502 (507). Der Bundesgerichtshof hat die Ausführungen zu den Anforderungen an einen unabhängigen Rechtsrat in seinem Revisionsurteil bestätigt, BGH, Urteil vom 20.09.2011 @ II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1272 f. Rn. 16, 18 ff.). Siehe dazu auch Strohn, CCZ 2013, 177 (181); grundlegend zur Notwendigkeit der Unabhängigkeit des Rechtsberaters Müller, S. 33 f., 76, zu den Anforderungen an den haftungsentlastenden Rechtsrat des Syndikusrechtsanwalts S. 220 ff. 67 Siehe BGH, Urteil vom 20.09.2011 @ II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (Leitsatz 2, 1273 Rn. 20 ff.); vgl. hierzu auch das Urteil der Vorinstanz OLG Hamburg, Urteil vom 18.09.2009 – 11 U 183/07, BeckRS 2009, 29278; grundlegend hierzu Müller, S. 33 f., zur Unabhängigkeit des Beraters Müller, S. 76 f.

§ 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft

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B. Praktische Relevanz des Problems Die Frage, ob ein Syndikusrechtsanwalt Mitglied eines Organs der ihn beschäftigenden Aktiengesellschaft sein kann, entfaltet darüber hinaus auch praktische Relevanz. In zahlreichen Unternehmen bestehen enge Verknüpfungen zwischen den Leitern der Rechtsabteilung und dem Vorstand. Nicht selten sind die Leiter der Rechtsabteilung zugleich auch Vorstandsmitglieder oder zumindest Teil der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsrats eines konzernangehörigen Unternehmens. In der TUI AG ist die Leiterin der Rechtsabteilung zwar nicht Mitglied des sechsköpfigen Vorstands, jedoch im Group Executive Committee vertreten und in diesem Organ fachlich für die Rechtsabteilungen der einzelnen Gesellschaften der TUI Group verantwortlich.68 Von 2006 bis 2016 war der Leiter der Rechtsabteilung des Maschinenbauunternehmens GEA Group AG zugleich Mitglied des Vorstands und dort für das Ressort Recht, Compliance und Personal verantwortlich.69 Auch in anderen Kapitalgesellschaften ist die Verknüpfung der Tätigkeit als Leiter der Rechtsabteilung und Mitglied der Geschäftsleitung nicht unüblich. So war beispielsweise der im August 2019 abberufene Geschäftsführer der Xerox Holding Deutschland GmbH, der zugleich als Rechtsanwalt zugelassen ist, Leiter der Rechtsabteilung des Unternehmens.70 Auch innerhalb der deutschen Zweigniederlassung der britischen Bank Barclays PLC ist der Leiter der Rechtsabteilung zugleich Mitglied des erweiterten Kreises der Geschäftsführung.71 Ebenfalls anzutreffen ist die Konstellation, in der der Leiter der Rechtsabteilung zugleich einem Aufsichtsrat eines konzernangehörigen Unternehmens angehört.72 So war der ehemalige Leiter der Rechtsabteilung der Lufthansa zugleich Mitglied des Aufsichtsrats der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines.73 Der Leiter der Rechtsabteilung des Volkswagenkonzerns ist seinerseits zugleich Vorstandsmitglied für den Bereich Recht und Compliance der Porsche Automobil Holding SE, die Inhaberin 68 www.tuigroup.com/de-de/ueber-uns/ueber-die-tui-group/management/group-executivecommittee/dr-hilka-schneider, Abruf am 21.11.2020. 69 www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2016/03/fuehrungsriege-verkleinert-vor stand-fuer-recht-und-compliance-verlaesst-gea, Abruf am 21.11.2020. 70 www.euroforum.de/geschaeftsfuehrer/testimonials/dr-dirk-janscheidt/, Abruf am 21.11.2020; zur Geschäftsführertätigkeit siehe öffentliche Bekanntmachung des Amtsgerichts Neuss als Registergericht vom 13.08.2019, Az. HRB 15875. 71 www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/nachrichtunternehmen/2017/09/stab wechsel-rechtsabteilung-von-barclays-in-hamburg-bekommt-neuen-leiter, Abruf am 21.11.2020. 72 Zur Doppeltätigkeit im Konzern ausführlich Kapitel 6 § 4. 73 www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2013/06/lufthansa-neuer-general-coun sel-kommt-aus-den-eigenen-reihen, Abruf am 21.11.2020; www.austrianairlines.ag/AustrianAir linesGroup/Management/SupervisoryBoard.aspx?sc_lang=de, Abruf am 24.02.2020; https:// www.austrianwings.info/2020/04/wechsel-im-aufsichtsrat-von-austrian-airlines-1/, Abruf am 21.11.2020.

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

von 53,3 Prozent (Stand: 21.11.2020) der Stammaktien der Volkswagen AG ist.74 Auch der als Syndikusrechtsanwalt zugelassene General Counsel und Leiter Recht, Compliance, Revision und Regulierung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG ist zugleich Mitglied des Aufsichtsrats der EnBW AG sowie der VNG AG,75 an der die EnBW AG eine Mehrheitsbeteiligung von 74,21 Prozent (Stand: 21.11.2020) hält.76 Diese Beispiele belegen, dass die Leiter der Rechtsabteilung nicht selten zugleich Mitglieder des Vorstands der sie beschäftigenden Aktiengesellschaft oder einer (beherrschenden) konzernangehörigen Gesellschaft bzw. einer Tochtergesellschaft sind. Zweifelsohne bestehen vielfältige Verflechtungen zwischen den Leitern der Rechtsabteilung und der jeweiligen Unternehmensleitung. Das ist unternehmenspolitisch gewünscht und wichtig, für den Syndikusrechtsanwalt aber rechtlich problematisch. Wenn der Syndikusrechtsanwalt nicht Teil eines Gesellschaftsorgans ist, hat das oft faktische Gründe.77 Rechtliche Argumente werden gegen eine solche Doppelfunktion jedenfalls nicht vorgebracht. In der Literatur wird überdies angemerkt, dass die verstärkte Einbindung des Syndikusrechtsanwalts in Aufgaben des operativen Managements aus Compliance-Gesichtspunkten notwendig sei.78 Werden Syndikusrechtsanwälte zukünftig (wieder) stärker in das Management des Unternehmens eingebunden, stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Pflicht zur Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit einer operativen Tätigkeit Grenzen setzt.

C. Stand der Forschung zur Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines Gesellschaftsorgans Durch die Anerkennung des Syndikusrechtsanwalts als Rechtsanwalt und die explizite Regelung des Erfordernisses der fachlichen Unabhängigkeit gewinnt die Frage an Bedeutung, ob der Syndikusrechtsanwalt in einer Doppelfunktion zugleich Mitglied eines Organs einer Aktiengesellschaft sein kann. Überraschenderweise wurde dieser Frage in der Rechtswissenschaft bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Lediglich in einem Praxisratgeber wird von einer Doppeltätigkeit als

74 www.volkswagenag.com/de/news/2015/12/Legal.html, Abruf am 21.11.2020; www.por sche-se.com/unternehmen/beteiligungen/, Abruf am 21.11.2020. 75 www.enbw.com/media/investoren/docs/corporate-governance/lebenslaeufe-aufsichtsrats mitglieder/lebenslauf-zinow-neu_1902.pdf, Abruf am 21.11.2020; www.vng.de/de/unternehmen/aufsichtsrat, Abruf am 21.11.2020. 76 www.vng.de/de/unternehmen, Abruf am 21.11.2020. 77 Siehe dazu die Untersuchung von Marfording und dessen Feststellungen zum Rückgang der Zahl der Syndikusrechtsanwälte in Leitungsorganen, Marfording, S. 56 ff. m. w. N. 78 Siehe dazu die Untersuchung von Klein, S. 399 ff., insb. S. 406. Es wird weiterhin angemerkt, dass der Leiter der Rechtsabteilung in früheren Jahren regelmäßig Mitglied des Vorstands war, Klein, S. 403 m. w. N.; siehe auch Marfording, S. 57.

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Syndikusrechtsanwalt und Mitglied der operativen Leitungsebene wegen der drohenden Interessenkonflikte abgeraten.79 Von anderen Stimmen in der Literatur wird eine parallele Vorstandstätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im Ergebnis für zulässig gehalten: So vertritt Müller unter Verweis auf die Gesetzgebungsmaterialien zu §§ 46 ff. BRAO die Auffassung, dass eine tätigkeitsbezogene Betrachtung anhand des Merkmals „anwaltliche Prägung der Tätigkeit“ durchzuführen sei.80 Sofern der Syndikusrechtsanwalt eine den Anforderungen des § 46 Abs. 3 BRAO genügende anwaltliche Tätigkeit ausübt, könne dieser prinzipiell auch Mitglied des Vorstands sein.81 Ob durch die Ausübung der Doppelfunktion die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts beeinträchtigt wird, bleibt zwar letztlich offen. Müller verweist jedoch auch auf die in den USA geführte Diskussion zur Vereinbarkeit der Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt mit der gleichzeitigen Tätigkeit im board einer Gesellschaft. Dort ist umstritten, ob eine Doppeltätigkeit zulässig ist oder nicht.82 Allerdings stehen in den USA offensichtlich die Frage des Umfangs des attorneyclient-privileges (Vertraulichkeitsschutz zwischen Anwalt und Mandant83) und die Frage der haftungsentlastenden Wirkung des von einem in Doppelfunktion tätigen Syndikusrechtsanwalts erteilten Rechtsrats im Mittelpunkt der Diskussion.84 Für die Frage, ob die Doppeltätigkeit der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts entgegensteht, ist diese Diskussion daher wenig ergiebig. Im Ergebnis vertritt Müller die Auffassung, dass zwar grundsätzlich Zweifel an der Unabhängigkeit eines Syndikusrechtsanwalts aufkommen können, wenn er zugleich Mitglied des Vorstands ist, diese Doppeltätigkeit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aber nicht per se entgegenstehe.85 An anderer Stelle war Horn unter Verweis auf eine Entscheidung des Bayerischen EGH aus dem Jahr 1880 bereits vor der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte der Auffassung, dass ein Syndikusrechtsanwalt Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft sein könne.86

79

Hauschka/Moosmayer/Lösler/Spiekermann, Handbuch Corporate Compliance, § 38 Rn. 25; siehe dazu auch Müller, S. 110. 80 Müller, S. 110 f. 81 Müller, S. 111. 82 Darstellung des Meinungsstreits bei Müller, S. 111 ff. 83 Ausführlich zum attorney-client-privilege und dessen Bedeutung im US-amerikanischen Recht Mann, S. 89 ff. 84 Müller, S. 111 f. 85 Müller, S. 113. 86 Horn, J., AnwBl. 2014, 147 (149) unter Verweis auf Ehrengericht München, 23.12.1880 – Nr. 7/80, JW 1881, 30 (32).

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

D. Rechtsprechung zur Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines Gesellschaftsorgans Auch die Rechtsprechung hatte sich bisher kaum mit der Frage der Zulässigkeit der Doppeltätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Mitglied eines Organs einer Aktiengesellschaft zu befassen. I. Rechtsprechung bis zum 31.12.2015 Bis zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte gab es nur wenige Entscheidungen, die sich mit der Frage befassten, ob ein (Syndikus-)Rechtsanwalt zugleich Mitglied der Geschäftsleitung eines Unternehmens sein kann. Das ist wenig verwunderlich, da die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im Unternehmen bis zum 31.12.2015 von der Rechtsprechung als nicht-anwaltliche Tätigkeit eingeordnet wurde. Diese Entscheidungen beziehen sich überwiegend auf GmbH-Geschäftsführer. Für den Geschäftsführer eines Handwerksverbands, zu dessen Aufgaben es gehörte, den Mitgliedern dieses Verbands Rechtsrat zu erteilen, entschied der Bundesgerichtshof, dass dieser nicht zugleich als Rechtsanwalt zugelassen werden könne, da es mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar sei, wenn ein Bewerber den Rechtssuchenden in einer Doppelrolle als haftungsrechtlich voll verantwortlicher Rechtsanwalt und zugleich als nicht unmittelbar selbstverantwortlicher Angestellter auftrete.87 Da diese Entscheidung die Sonderkonstellation des bei einem Verband angestellten Rechtsanwalts, der zugleich die Mitglieder dieses Verbands rechtlich beraten soll, betrifft, kann die Entscheidung allerdings nicht als grundlegende Entscheidung für die Zulässigkeit der Doppeltätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines Organs der Gesellschaft herangezogen werden. Zudem erging die Entscheidung noch vor der Zweitberufsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, sodass die in dem Urteil aufgestellten Grundsätze allenfalls unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts anwendbar sind. In einem anderen Fall hatte der Bundesgerichtshof sich mit der Frage zu befassen, ob ein Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter einer Immobilienmakler-GmbH als Rechtsanwalt zugelassen werden kann, wenn der Bewerber für die Gesellschaft nur Verwaltungsaufgaben wahrnimmt.88 Der Bundesgerichtshof entschied, dass eine parallele Ausübung der beiden Tätigkeiten aufgrund der drohenden Interessenkollisionen zu einer „strukturellen Gefährdung der Mandanten“89 führen könne. Aus diesem Grund wurde dem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß 87

BGH, Beschluss vom 25.04.1988 – AnwZ (B) 2/88, BeckRS 1988, 31398774. BGH, Beschluss vom 08.10.2007 – AnwZ (B) 92/06, MDR 2008, 174. 89 BGH, Beschluss vom 08.10.2007 – AnwZ (B) 92/06, MDR 2008, 174 (175); so zuvor bereits BGH, Beschluss vom 13.10.2003 – AnwZ (B) 79/02, NJW 2004, 212 (212 f.). 88

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§ 7 Ziff. 8 BRAO versagt. Für die Frage der Zulässigkeit der Doppeltätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts ist diese Entscheidung in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum ersten darf die Doppeltätigkeit nicht zu einer strukturellen Gefährdung der Interessen der Mandanten, also der Interessen des Arbeitgebers, führen. Zum zweiten stellte der Bundesgerichtshof fest, dass eine solche Gefährdung der Mandanteninteressen auch dann gegeben sei, wenn der als Geschäftsführer tätige Rechtsanwalt nur im internen Verwaltungsbereich und nicht im operativen Geschäft mit Kompetenzen ausgestattet ist.90 Das wird damit begründet, dass der Geschäftsführer kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung mit allgemeinen Überwachungspflichten ausgestattet sei, die ihn auch außerhalb seines intern definierten Geschäftsbereichs zum Eingreifen zwingen und die nicht durch einer Beschränkung des Geschäftsbereichs eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können.91 Im Jahr 2007 befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob ein Geschäftsführer eines privatrechtlich organisierten Städte- und Gemeindeverbands als Rechtsanwalt zugelassen werden kann.92 Bei dieser Entscheidung ging es jedoch allein um die Frage, ob dem Bewerber aufgrund der Staatsnähe des Städte- und Gemeindeverbands die nötige Unabhängigkeit fehlt.93 Soweit ersichtlich hatte die Rechtsprechung lediglich in einem Fall über die Zulässigkeit der Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft zu entscheiden. Der Anwaltsgerichtshof Berlin befasste sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 mit der Vereinbarkeit des Rechtsanwaltsberufs mit der Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft.94 In diesem Fall war der Rechtsanwalt bei derselben Aktiengesellschaft als Unternehmensjurist angestellt (Syndikusanwalt alter Prägung), deren Vorstandsmitglied er war. Zugleich war er Geschäftsführer einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Aktiengesellschaft. Der Anwaltsgerichtshof erklärte den durch die zuständige Rechtsanwaltskammer erklärten Widerruf der Rechtsanwaltszulassung für rechtmäßig. Zum einen drohten nach Auffassung des Gerichts Interessenkollisionen, da die die unternehmerische Tätigkeit die Möglichkeit biete, Informationen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt zu nutzen.95 Außerdem bestand aus Sicht des Gerichts die Gefahr, dass der Betroffene bei Kunden den Eindruck erwecke, seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied sei aufgrund seiner Stellung als Rechtsanwalt unabhängig und neutral.96 Ein Vorstandsmitglied bzw. ein Geschäftsführer sei anders zu behandeln als ein angestellter Rechtsanwalt, da Mitglieder der Unternehmensleitung

90 91 92 93 94 95 96

BGH, Beschluss vom 08.10.2007 – AnwZ (B) 92/06, MDR 2008, 174 (175). BGH, Beschluss vom 08.10.2007 – AnwZ (B) 92/06, MDR 2008, 174 (175). BGH, Beschluss vom 21.03.2011 – AnwZ (B) 33/10, AnwBl. 2011, 497. BGH, Beschluss vom 21.03.2011 – AnwZ (B) 33/10, AnwBl. 2011, 497 (498 Rn. 8 f.). AGH Berlin, Urteil vom 05.05.2015 – I AGH 16/14, DStRE 2016, 639. AGH Berlin, Urteil vom 05.05.2015 – I AGH 16/14, DStRE 2016, 639 (640). AGH Berlin, Urteil vom 05.05.2015 – I AGH 16/14, DStRE 2016, 639 (640).

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

stets ein größeres wirtschaftliches Interesse am Unternehmen hätten.97 Für die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalt als Vorstand seiner Arbeitgeber-Aktiengesellschaft lässt sich dieser Entscheidung entnehmen, dass eine Doppeltätigkeit dann unzulässig ist, wenn Interessenkollisionen drohen. Außerdem ist zu beachten, dass der anwaltlichen Unabhängigkeit das Interesse des Geschäftsführers bzw. des Vorstands am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens entgegenstehen kann. Soweit der Bundesgerichtshof in älteren Entscheidungen die Rechtsauffassung vertreten hat, dass die Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer Aktiengesellschaft aufgrund der kaufmännisch-erwerbswirtschaftlichen Prägung der Tätigkeit unvereinbar mit der Tätigkeit als Kanzleirechtsanwalt sei,98 wird diese Rechtsprechung aufgrund der Zweitberufsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts heute für überholt gehalten.99 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine kaufmännisch-erwerbswirtschaftliche Tätigkeit nicht grundsätzlich einen Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft rechtfertigen.100 Allein dieses Merkmal ist daher zur Beurteilung der berufsrechtlichen Zulässigkeit der Doppeltätigkeit nicht geeignet. II. Rechtsprechung ab dem 01.01.2016 Nach der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte zum 01.01.2016 befassten sich die Anwaltsgerichtshöfe und der Bundesgerichtshof bereits mehrfach ausdrücklich mit der Vereinbarkeit einer Syndikusrechtsanwaltstätigkeit mit einer Vorstands-/Geschäftsführertätigkeit. Überwiegend beziehen sich diese Entscheidungen jedoch auf Syndikusrechtsanwälte, die zugleich Geschäftsführer der GmbH sind, bei der sie als Syndikusrechtsanwälte beschäftigt werden. 1. Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 13.02.2017 Mit Urteil vom 13.02.2017 entschied der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, dass ein Geschäftsführer und Personaldirektor eines in der Rechtsform einer GmbH organisierten Transport- und Logistikunternehmens als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann.101 Für die Ausübung einer zulassungsfähigen Tätigkeit sei maßgeblich, dass der Bewerber eine überwiegend anwaltliche Tätigkeit ausübe 97

AGH Berlin, Urteil vom 05.05.2015 – I AGH 16/14, DStRE 2016, 639 (640); siehe zu dieser Entscheidung auch Müller, S. 110. 98 Zur Unvereinbarkeit der Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH mit der Tätigkeit als Rechtsanwalt BGHZ 72, 282 (285 ff.); zur Unvereinbarkeit einer Tätigkeit als Vorstand einer Aktiengesellschaft mit der Tätigkeit als Rechtsanwalt BGH, Beschluss vom 14.05.1990 – AnwZ (B) 7/90, BRAK-Mitt. 1990, 247 f.; BGH, Beschluss vom 10.11.1986 – AnwZ (B) 33/86, BRAK-Mitt. 1987, 38. 99 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 106 unter Verweis auf BVerfGE 87, 287. 100 BVerfGE 87, 287 (Leitsatz 5). 101 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2017 – 1 AGH 32/16, BB 2017, 914.

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und dabei fachlich unabhängig und eigenverantwortlich tätig sei.102 Der Bewerber hatte dargelegt, dass er lediglich in einem Umfang von 10 Prozent seiner Arbeitszeit mit Verwaltungsaufgaben befasst und im Übrigen überwiegend mit anwaltlichen Aufgaben befasst sei.103 Aufgrund dessen sah das Gericht die Tätigkeit als anwaltlich geprägte Tätigkeit an.104 Die fachliche Unabhängigkeit war aus Sicht des Gerichts nicht gefährdet, allerdings prüfte das Gericht lediglich die fachliche Unabhängigkeit im Einzelfall und nahm keine allgemeine Prüfung der Vereinbarkeit der Syndikusrechtsanwaltstätigkeit mit der Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH vor. Der Bundesgerichtshof hat den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt und sich in dem Beschluss nur mit der anwaltlichen Prägung der Tätigkeit auseinandergesetzt.105 Eine Auseinandersetzung mit der Beeinträchtigung der anwaltlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts fand hingegen nicht statt. 2. Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2017 Weiterhin entschied der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 16.03.2017, dass der Geschäftsführer einer Immobilienverwaltungs-GmbH als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann.106 Das Gericht kam zu der Auffassung, dass die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer keine Zweifel an der fachlichen Unabhängigkeit indiziere, sondern das Fehlen der fachlichen Unabhängigkeit im Einzelfall festzustellen sei.107 Das Gericht zieht dabei den Vergleich zum Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH, der ebenfalls zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden kann.108 Der Bundesgerichtshof hat die gegen das Urteil gerichtete Berufung mit Urteil vom 18.03.2019 zurückgewiesen.109 Der Bundesgerichtshof ist der Vorinstanz jedoch in der Argumentation nicht gefolgt. Der Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH sei mit dem Geschäftsführer einer sonstigen privatwirtschaftlichen GmbH nicht vergleichbar.110 Der Bundesgerichtshof hat die Zulassung des Beigeladenen zwar bestätigt, hat zugleich aber an mehreren Punkten der Prüfung unter Bezugnahme auf die Argumentation der klagenden Deutschen Rentenversicherung angedeutet, dass 102

AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2017 – 1 AGH 32/16, BB 2017, 914 (915). AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2017 – 1 AGH 32/16, BB 2017, 914 (916). 104 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2017 – 1 AGH 32/16, BB 2017, 914 (915 f.). 105 BGH, Beschluss vom 18.04.2018 – AnwZ (Brfg) 20/17, BeckRS 2018, 9761. 106 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565. 107 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565, Rn. 28. 108 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565, Rn. 28. 109 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, zit. nach juris. 110 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 17, zit. nach juris. 103

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

ein Syndikusrechtsanwalt nicht ohne Weiteres zugleich als Geschäftsführer der anstellenden GmbH tätig sein könne. Zunächst ist es aus Sicht des Bundesgerichtshofs problematisch, dass der Geschäftsführer im Gegensatz zum Syndikusrechtsanwalt kein Arbeitnehmer ist.111 Dies war in dem zu entscheidenden Fall nur deshalb nicht entscheidungserheblich, da der Syndikusrechtsanwalt nach den Feststellungen des Gerichts nur eine formale Mitgeschäftsführerstellung inne und diese inzwischen auch wieder aufgegeben hatte.112 Das Argument der Klägerin, der Syndikusrechtsanwalt könne sich nicht als Geschäftsführer selbst Rechtsrat erteilen, wurde vom Bundesgerichtshof mit dem Verweis auf die Beratung weiterer Konzernunternehmen durch den Syndikusrechtsanwalt entkräftet.113 Weiterhin warf der Bundesgerichtshof die Frage auf, ob eine Geschäftsführertätigkeit dazu führen könne, dass das Arbeitsverhältnis qualitativ nicht mehr durch anwaltliche Tätigkeiten geprägt ist, verneinte das aber aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls, aus denen sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine hinreichende anwaltliche Prägung der Tätigkeit ergab.114 Schließlich problematisierte der Bundesgerichtshof die fachliche Unabhängigkeit des Antragstellers und prüfte, ob diese aufgrund der nach § 37 Abs. 1 GmbHG zulässigen Weisungen der Gesellschafter beeinträchtigt wurde.115 Aufgrund der besonderen Einzelfallumstände wurde eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit verneint. Aus diesem Urteil ergeben sich für die Zulässigkeit einer Doppeltätigkeit aus Sicht des Bundesgerichtshofs drei Prüfungspunkte: Es ist erstens zu prüfen, ob die Tätigkeit als Geschäftsführer bzw. Vorstand mit der Arbeitnehmertätigkeit des Syndikusrechtsanwalts vereinbar ist. Zweitens ist zu prüfen, ob die anwaltliche Prägung der Tätigkeit durch die Geschäftsführer- bzw. Vorstandstätigkeit beeinträchtigt wird. Drittens ist zu prüfen, ob gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnisse der fachlichen Unabhängigkeit entgegenstehen. 3. Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 10.11.2017 Schließlich entschied der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 10.11.2017, dass einer Rechtsanwältin und Geschäftsführerin einer Bildungseinrichtung die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin zu versagen ist, wenn die anwaltlichen Aufgaben die Tätigkeit nicht prägen.116 Mit der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Doppeltätigkeit beschäftigte das Gericht sich nicht.

111

BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 6 f., zit. nach juris. BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 7, zit. nach juris. 113 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 11, zit. nach juris. 114 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 12 ff., zit. nach juris. 115 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 16 ff., Rn. 20, zit. nach juris. 116 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.11.2017 – 1 AGH 98/16, NJW-RR 2018, 499 (499 f. Rn. 15 ff.). 112

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4. Weitere Entscheidungen Eine vierte Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen bezieht sich zwar nicht ausdrücklich auf Unternehmensleiter, der betroffene Antragsteller übte jedoch eine vergleichbare Tätigkeit aus: In der Entscheidung vom 28.10.2016 erklärte der Anwaltsgerichtshof NordrheinWestfalen, die Tätigkeit eines persönlichen Referenten und Stellvertreters des geschäftsführenden Direktors eines Theaters ermögliche eine hinreichend unabhängige anwaltliche Tätigkeit.117 Auch in diesem Urteil blieb die Frage der grundsätzlichen Vereinbarkeit einer Tätigkeit als Stellvertreter des geschäftsführenden Direktors mit der Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt offen. In weiteren Entscheidungen haben die Gerichte sich mit der Frage befasst, ob eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gerade für eine Tätigkeit als Vorstand oder Geschäftsführer erteilt werden kann. In diesen Entscheidungen war jedoch die Frage der Doppeltätigkeit nicht streitgegenständlich. So hatte sich der Bayerische Anwaltsgerichtshof im Urteil vom 13.03.2019 mit der Frage zu befassen, ob ein alleinvertretungsberechtigter Einzelvorstand einer Stiftung als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann.118 Die Besonderheit dieses Falls besteht darin, dass der Antragsteller nicht Syndikusrechtsanwalt und Vorstand der Stiftung sein wollte, sondern seine Zulassung gerade für die Vorstandstätigkeit beantragt hat. Der Anwaltsgerichtshof wies die gegen die Ablehnung des Antrags auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gerichtete Klage ab, da der Antragsteller nicht hinreichend nachgewiesen habe, dass seine Tätigkeit anwaltlich geprägt sei.119 Mit der Frage, ob ein Vorstand einer Stiftung überhaupt eine hinreichend fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeit ausübt, hat das Gericht sich hingegen nicht befasst.120 In seinem Beschluss vom 23.07.2019 setzte sich zudem der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander, ob der Leiter einer als gGmbH organisierten Privatschule als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann.121 Der Bundesgerichtshof überprüfte ebenfalls nur die Prägung der Tätigkeit durch Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit und verneinte im Ergebnis eine Zulassungsfähigkeit des Bewerbers.122

117 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.2016 – 1 AGH 27/16, BeckRS 2016, 119496, Rn. 26 ff. 118 Bayerischer AGH, Urteil vom 13.03.2019 – BayAGH I – 1 25/18, Rn. 2, zit. nach juris. 119 Bayerischer AGH, Urteil vom 13.03.2019 – BayAGH I – 1 25/18, Rn. 26 ff., zit. nach juris. 120 Bayerischer AGH, Urteil vom 13.03.2019 – BayAGH I – 1 25/18, Rn. 46, zit. nach juris. 121 BGH, Beschluss vom 23.07.2019 – AnwZ (Brfg) 37/19, zit. nach juris. 122 BGH, Beschluss vom 23.07.2019 – AnwZ (Brfg) 37/19, Rn. 4 ff., zit. nach juris.

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

E. Zusammenfassung Sowohl die rechtswissenschaftliche Literatur als auch die Rechtsprechung haben sich mit den berufsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einer Doppeltätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft kaum befasst. In der Literatur wird nur vereinzelt auf mögliche berufsrechtliche Risiken hingewiesen und deshalb von einer Doppeltätigkeit abgeraten. Die neuere berufsrechtliche Rechtsprechung hält eine Doppeltätigkeit jedenfalls bei GmbH-Geschäftsführern offensichtlich für grundsätzlich zulässig. Allerdings beruht diese Rechtsprechung auf Einzelfallentscheidungen und zumindest in einem Fall auf einer Beweislastentscheidung.123 Allgemeingültige Grundsätze wurden durch die Gerichte bisher nicht aufgestellt. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 18.03.2019 zwar erstmals verschiedene Problempunkte im Zusammenhang mit einer Doppeltätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Rechtsanwalt und Geschäftsführer angesprochen, die meisten dieser Rechtsfragen aber zugleich offengelassen. Bisher wird eine klare Positionierung vermieden. Zudem beziehen sich die Entscheidungen nahezu ausschließlich auf GmbH-Geschäftsführer. Die Frage, ob sich eine Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft grundsätzlich mit der anwaltlichen Unabhängigkeit vereinbaren lässt, musste bisher nicht entschieden werden.

F. Der Syndikusrechtsanwalt als Organmitglied I. Berufsrechtliche Zulässigkeit Ob die Doppeltätigkeit berufsrechtlich zulässig ist, ist abhängig von mehreren Kriterien, die sich mehrheitlich aus der Regelung des § 7 Ziff. 8 BRAO ergeben. Zunächst darf die Doppeltätigkeit die Stellung des Syndikusrechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht beeinträchtigen. Weiterhin müssen auch bei einer Doppeltätigkeit Interessenkollisionen effektiv vermieden werden. 1. Maßstab des § 7 Ziff. 8 BRAO bzw. § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO Gemäß § 7 Ziff. 8 BRAO darf einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft versagt werden, wenn er einen Beruf ausübt, der mit der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege unvereinbar ist oder der zumindest geeignet ist, das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts zu gefährden. Wird eine solche Tätigkeit nach der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufgenommen, ist die Zulassung nach § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO zu widerrufen. 123 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565, Rn. 29.

§ 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft

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Beide Regelungen verfolgen den Zweck, die Vertrauensgrundlage der Rechtsanwaltschaft zu erhalten124 sowie deren fachliche Kompetenz und Integrität abzusichern.125 Zudem gilt es durch die Versagung der Zulassung von vornherein Interessenkonflikte zu vermeiden.126 a) Organtätigkeit als Tätigkeit im Sinne des § 7 Ziff. 8 BRAO Zunächst muss der Bewerber bzw. der Syndikusrechtsanwalt eine Zweittätigkeit ausüben. Bei der Tätigkeit als Mitglied des Organs einer Aktiengesellschaft neben der Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt handelt es sich um die Ausübung einer Zweittätigkeit. In der Rechtsprechung und in der Literatur ist, bezogen auf die Regelung des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO, anerkannt, dass die Tätigkeit als Vorstand einer Aktiengesellschaft neben der Tätigkeit als Rechtsanwalt als zweitberufliche Tätigkeit einzuordnen ist.127 Auch die Tätigkeit als Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist unter Berücksichtigung des Zwecks der §§ 45 Abs. 1 Ziff. 4, Abs. 7 Ziff. 8, 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO als zweitberufliche Tätigkeit einzuordnen,128 da der Aufsichtsrat aufgrund der Haftungsregelungen der §§ 116 S. 1, 93 AktG ebenfalls der Gefahr von Interessenkonflikten bei einer weiteren Tätigkeit als Rechtsanwalt ausgesetzt ist.129 Dieser Einordnung stehen nicht die beiden Urteile des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2018 entgegen. Dort hat der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass ein Syndikusrechtsanwalt, der für seinen Arbeitgeber sowohl anwaltlich als auch nichtanwaltlich tätig wird, keine kollisionsgefährdete Zweittätigkeit im Sinne des § 7 Ziff. 8 BRAO bzw. des § 45 BRAO ausübt.130 Dies mag auf den ersten Blick auch auf die hier zu untersuchende Konstellation zutreffen. Sowohl die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt als auch die Tätigkeit als Vorstand sind Tätigkeiten für die Aktiengesellschaft. Liegt eine Tätigkeit allerdings außerhalb des Angestelltenverhältnisses, ist § 7 Ziff. 8 BRAO auch nach den beiden Urteilen des Bundesge124 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 78 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung; BT-Drucks. 12/4993, S. 24. 125 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 80, § 14 Rn. 42. 126 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 80 unter Verweis auf BVerfGE 87, 287 (322 f., 329 f.). 127 Zum GmbH-Geschäftsführer OLG Köln, Urteil vom 20.12.2007 – 18 U 214/06, NJWRR 2008, 933 (934 f.); BayAGH, Urteil vom 27.03.2003 – BayAGH II-1/03, BRAK-Mitt. 2003, 182 (183 f.); der Rechtsprechung folgend und diese auch auf Vorstände der Aktiengesellschaft übertragend Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rn. 34; Kumpan, S. 170; siehe auch Schautes, S. 195 f. 128 Schautes, S. 197; Müller, NZG 2002, 797 (799); beiden folgend Kumpan, S. 170; kritisch Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rn. 35a. 129 Zur grundsätzlichen Gefahr einer Interessenkollision Schautes, S. 197 f.; dem folgend Kumpan, S. 170. 130 BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 (3706 Rn. 49); BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 (3714 Rn. 24).

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

richtshofs anwendbar.131 Bei der Tätigkeit in einem Organ der Aktiengesellschaft handelt es sich um eine solche von § 7 Ziff. 8 BRAO erfasste Zweittätigkeit, da diese außerhalb des Angestelltenverhältnisses liegt.132 Bisweilen wird zwar die Auffassung vertreten, dass es bei einer gleichzeitigen Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Geschäftsführer einer GmbH nur darauf ankäme, ob die Syndikusrechtsanwaltstätigkeit prägend sei.133 Diese Auffassung verkennt jedoch, dass eine Geschäftsführertätigkeit aufgrund eines Geschäftsführerdienstvertrags ausgeübt wird. Dabei handelt es sich nicht um einen Arbeitsvertrag. Vielmehr geht das Bundesarbeitsgericht in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass durch Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags ein bisher zwischen den Parteien bestehendes Arbeitsverhältnis endet, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wird.134 Soweit der Bundesgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung einen Fremdgeschäftsführer einer GmbH im Hinblick auf die sachliche Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bei einer Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags als Arbeitnehmer im Sinne des AGG eingestuft hat,135 ist damit keine grundlegende Änderung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung verbunden. Eine Geschäftsführertätigkeit kann daher nur im Rahmen einer Zweittätigkeit ausgeübt werden. Maßstab hierfür ist dann nicht das Merkmal der anwaltlichen Prägung der Tätigkeit gemäß § 46 Abs. 3 BRAO, sondern die Kriterien des § 7 Ziff. 8 BRAO. Erst auf zweiter Stufe ist zu prüfen, ob die Angestelltentätigkeit als Syndikusrechtsanwalt noch durch anwaltliche Merkmale geprägt ist.136 Dieses Prüfungsschema wurde durch den Bundesgerichtshof im Urteil vom 18.03.2019 zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Geschäftsführer/Vorstand aufgestellt.137 Diesem Prüfungsumfang ist grundsätzlich zuzustimmen, mit der Einschränkung, dass die anwaltliche Prägung der Tätigkeit nicht zu prüfen ist, da es sich bei der Geschäftsführer-/Vorstandstätigkeit um eine echte Zweittätigkeit im Sinne des § 7 Ziff. 8 BRAO handelt.138 Dem stehen das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 13.03.2019 sowie der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.07.2019 nicht entgegen. Der 131 BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 (3705 Rn. 42); BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 (3713 Rn. 21). 132 Siehe dazu BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 6, zit. nach juris. 133 Huff, AnwBl. 2017, 40 (42). In diesem Sinne auch Bayerischer AGH, Urteil vom 08.04.2019 – BayAGH III 4 – 3/18, BRAK-Mitt. 2019, 201 (204). 134 BAGE 123, 294 (295 Rn. 10); siehe auch BAG, Urteil vom 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12, NZA 2014, 540; ebenso BGH, Urteil vom 09.02.1978 – II ZR 189/76, NJW 1978, 1435 (1437); zur Thematik näher Ascheid/Preis/Schmidt/Greiner, BGB, § 623 Rn. 31. 135 BGH, Urteil vom 26.03.2019 – II ZR 244/17, NJW 2019, 2086 (2087 Rn. 14 ff., 2088 Rn. 24 ff.). 136 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 6 a. E., zit. nach juris. 137 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 6 ff., zit. nach juris. Siehe hierzu die Ausführungen unter § 2 D. II. 2. in diesem Kapitel. 138 Näher hierzu § 2 F. I. 2. in diesem Kapitel.

§ 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft

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Bayerische Anwaltsgerichtshof hatte zwar die Tätigkeit eines Stiftungsvorstands, der die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beantragt hatte, im Hinblick auf die Prägung der Tätigkeit durch anwaltliche Merkmale geprüft.139 Allerdings ist schon die Grundkonstellation der Entscheidung mit der hier zu untersuchenden Konstellation nicht vergleichbar, da der Antragsteller in dem Rechtsstreit vor dem Bayerischen Anwaltsgerichtshof die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für eine Tätigkeit als Vorstand einer Stiftung beantragt hatte.140 Es ging gerade nicht um die Frage, ob ein zugelassener Syndikusrechtsanwalt daneben (zusätzlich) als Mitglied eines Vorstands seines Arbeitgebers tätig sein kann. Gleiches gilt für den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.07.2019. In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte der Antragsteller die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für eine Tätigkeit als Leiter einer als gGmbH organisierten Privatschule beantragt.141 Auch dort ging es jedoch nicht um eine Doppeltätigkeit, sodass der Bundesgerichtshof nur die Prägung der Tätigkeit durch Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit überprüft hat.142 Auch diese Konstellation ist mit der hier zu untersuchenden Konstellation somit nicht vergleichbar. b) Vereinbarkeit mit der Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege Diese Zweittätigkeit muss mit der Stellung des Syndikusrechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege vereinbar sein. aa) Die Zweitberufsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts und deren Folgen Das Bundesverfassungsgericht hat in der Zweitberufsentscheidung aus dem Jahr 1992 entschieden, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nur versagt bzw. widerrufen werden kann, wenn die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts gefährdet ist oder um Interessenkollisionen zu verhindern.143 Mit dieser Argumentation können nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht generell sämtliche kaufmännisch-erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten, wie zum Beispiel die Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH, versagt werden.144 Wenn die anwaltliche Unabhängigkeit allerdings konkret gefährdet ist oder wenn konkrete Interessenkonflikte drohen, ist die Versagung bzw. der Widerruf der Zulassung verfassungsrechtlich zulässig,145 sofern diesen Gefährdungen nicht mit Berufsausübungsregelungen begegnet werden kann.146 139

juris. 140 141 142 143 144 145

Bayerischer AGH, Urteil vom 13.03.2019 – BayAGH I – 1 25/18, Rn. 26 ff., zit. nach Bayerischer AGH, Urteil vom 13.03.2019 – BayAGH I – 1 25/18, Rn. 2, zit. nach juris. BGH, Beschluss vom 23.07.2019 – AnwZ (Brfg) 37/19, Rn. 1, zit. nach juris. BGH, Beschluss vom 23.07.2019 – AnwZ (Brfg) 37/19, Rn. 4 ff., zit. nach juris. BVerfGE 87, 287 (323, 329). BVerfGE 87, 287 (329). BVerfGE 87, 287 (329 f.).

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

Diesen Anforderungen trägt die Regelung des § 7 Ziff. 8 BRAO Rechnung.147 Danach ist die Zulassung zu versagen, „wenn der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann“, § 7 Ziff. 8 BRAO. Unter denselben Voraussetzungen ist eine bereits gewährte Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO zu widerrufen. Zudem begrenzt der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 7 Ziff. 8 BRAO im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Fälle, in denen keine klare Trennung der beiden Tätigkeiten möglich ist.148 bb) Anwendung des § 7 Ziff. 8 BRAO bzw. des § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte Unklar ist allerdings der Anwendungsbereich der §§ 7 Ziff. 8, 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften ist in § 46a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 BRAO und § 46b Abs. 2 S. 1 BRAO gesetzlich geregelt. § 46b Abs. 2 S. 1 BRAO erklärt die Vorschriften der §§ 14, 15 BRAO mit gewissen Einschränkungen für anwendbar. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Versagungskriterien des § 7 Ziff. 8 BRAO bei Syndikusrechtsanwälten großzügiger auszulegen seien, als bei Kanzleirechtsanwälten.149 Begründet wird diese Auffassung damit, dass der Syndikusrechtsanwalt nur einen einzigen Mandanten hat.150 Auch der Bundesgerichtshof vertritt in seiner jüngeren Rechtsprechung die Auffassung, dass bei der Anwendung des § 7 Ziff. 8 BRAO jedenfalls auf die Besonderheiten der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts Rücksicht genommen werden müsse151 und begründet dies eben146

BVerfGE 87, 287 (330). BT-Drucks. 12/4993, S. 24. 148 BT-Drucks. 12/4993, S. 24, S. 29. Zuvor bereits BVerfGE, 87, 287 (330). 149 Offermann-Burckart, in: Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen (Hrsg.), Das neue Syndikusrecht, § 2 Rn. 13; Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (104); dieser Auffassung folgend Posegga, AnwBl. 2016, 723; Quaas, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 208 (220 f.); ebenso nunmehr Gaier/Wolf/Göcken/Schmidt-Räntsch, Anwaltliches Berufsrecht, § 7 BRAO Rn. 80; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 84d mit besonderem Augenmerk auf den Syndikusrechtsanwalt im öffentlichen Dienst; Kleine-Cosack, BRAO, § 46a Rn. 4, 8, 13; Weyland/Träger, BRAO, § 46a Rn. 7. Differenzierend nach Art der Tätigkeit Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, Anwaltliches Berufsrecht, § 46a BRAO Rn. 10 ff. 150 Offermann-Burckart, in: Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen (Hrsg.), Das neue Syndikusrecht, § 2 Rn. 13; ihr folgend Posegga, AnwBl. 2016, 723; ebenso Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 7 Rn. 84d; Kleine-Cosack, BRAO, § 46a Rn. 4, 8, 13; Weyland/Träger, BRAO, § 46a Rn. 7 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 und BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712; Quaas, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 208 (220). 151 BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 (3704 Rn. 31 und 3705 Rn. 40); BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 (3713 Rn. 16 ff.); zustimmend Thüringer AGH, Urteil vom 24.05.2019 – AGH 2/17, BRAK-Mitt. 2019, 261 (263). 147

§ 2 Der Syndikusrechtsanwalt als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft

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falls damit, dass der Syndikusrechtsanwalt nur einen Arbeitgeber hat.152 Aus diesem Grund bestünde schon keine Gefahr eines Interessenkonflikts.153 Die Konsequenz dieser Auffassung wäre, dass aus der bloßen Tatsache einer Doppeltätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nicht grundsätzlich auf eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit im Sinne des § 7 Ziff. 8 BRAO geschlossen werden könnte. Die konkreten Fallbeispiele der Rechtsprechung beziehen sich zwar jeweils nicht auf die Tätigkeit als Mitglied eines Organs einer Aktiengesellschaft, die zugleich Arbeitgeberin des Syndikusrechtsanwalts ist, der Bundesgerichtshof hat sich jedoch im Hinblick auf Syndikusrechtsanwälte für eine generell großzügigere Anwendung des § 7 Ziff. 8 BRAO entschieden.154 Die §§ 7 Ziff. 8, 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO sind daher auf Syndikusrechtsanwälte anwendbar, nach Auffassung des Bundesgerichtshofs allerdings großzügiger auszulegen. cc) Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit Die Zweittätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Organmitglied einer Aktiengesellschaft müsste weiterhin zu einer Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts führen. (1) Meinungsstand zur Doppeltätigkeit als (Syndikus-)Rechtsanwalt und Organmitglied einer Aktiengesellschaft In der Literatur wird von einigen Stimmen die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts oder eines Syndikusrechtsanwalts als Organmitglied einer Aktiengesellschaft nicht zur Versagung bzw. zum Widerruf der Rechtsanwaltszulassung führen könne: Merkt ist, bezogen auf Kanzleirechtsanwälte, der Auffassung, dass eine nur drohende Einflussnahme auf einen Rechtsanwalt, der zugleich Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist, nicht per se geeignet sei, dessen Unabhängigkeit zu gefährden.155 Kumpan ist, ebenfalls bezogen auf Kanzleirechtsanwälte, der Auffassung, dass eine Tätigkeit in einem Gesellschaftsorgan nur im Rahmen des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO relevant sei.156 Überträgt man diese Auffassungen unter Berücksichtigung der Gleichstellung des Syndikusrechtsanwalts mit Kanzleirechtsanwälten 152

BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 (3705 Rn. 37 f.); BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 (3713 Rn. 18); zustimmend Thüringer AGH, Urteil vom 24.05.2019 – AGH 2/17, BRAK-Mitt. 2019, 261 (263); zustimmend ebenfalls Schafhausen, Anm. zu BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/ 18, NJW 2018, 3711. 153 BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 (3706 Rn. 49); BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 (3714 Rn. 24). 154 Vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 (3704 Rn. 31). 155 Merkt, AnwBl. 2014, 278 (280). 156 Kumpan, S. 169 f.

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

gemäß § 46c Abs. 1 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte, so wäre eine Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Organmitglied einer Aktiengesellschaft nicht per se geeignet, die Unabhängigkeit des Syndikusrechtanwalts zu beeinträchtigen und die Versagung bzw. den Widerruf der Rechtsanwaltszulassung zu rechtfertigen. Zudem vertrat Horn bereits unter Geltung der alten Rechtslage und unter Verweis auf eine Entscheidung des Bayerischen EGH aus dem Jahr 1880 die Auffassung, dass die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts mit der Tätigkeit als Vorstand einer Aktiengesellschaft vereinbar sei.157 (2) Gefährdung der Unabhängigkeit aufgrund struktureller Besonderheiten der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts Diese Auffassungen können allerdings nicht überzeugen. Auch wenn der Syndikusrechtsanwalt nur einen Mandanten hat und aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht per se aus einer Zweittätigkeit auf eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit geschlossen werden kann, bestehen Zweifel an der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts, wenn dieser zugleich Mitglied eines Organs der Gesellschaft ist. Der Syndikusrechtsanwalt soll als rechtlicher Berater und Vertreter der Aktiengesellschaft auch die Organe der Aktiengesellschaft im Interesse der Gesellschaft beraten. Ist der Syndikusrechtsanwalt zugleich Mitglied eines dieser Organe, ist eine sachgerechte und unabhängige Beratung nicht mehr möglich. Der Syndikusrechtsanwalt müsste als Rechtsanwalt in jenen Geschäften beratend tätig werden, die er zuvor beispielsweise als Mitglied des Vorstands beschlossen hat. Daher übt der Syndikusrechtsanwalt in dieser Konstellation eine Zweittätigkeit aus, die die anwaltliche Unabhängigkeit gefährdet. Aufgrund dieser Doppeltätigkeit bestehen strukturelle Gefährdungen der Interessen des Mandanten, die grundsätzlich eine Versagung bzw. einen Widerruf der Zulassung rechtfertigen.158 Zudem wäre auch die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Vorstand in den in Kapitel 4 § 2 C. III. 1. geschilderten Fallgruppen gefährdet. (3) Vorrang von Berufsausübungsregelungen vor Berufswahlschranken Diesen Konstellationen muss nach den Vorgaben der Rechtsprechung zunächst aber mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen begegnet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen der Zweitberufsentscheidung ausdrücklich auf den Vorrang von Berufsausübungsregelungen vor Berufswahlschranken hingewiesen.159 Der Syndikusrechtsanwalt unterliegt nämlich gemäß § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO in den Fällen einem Tätigkeitsverbot, in denen er mit der Angelegenheit bereits als 157 Horn, J., AnwBl. 2014, 147 (149) unter Verweis auf Ehrengericht München, 23.12.1880 – Nr. 7/80, JW 1881, 30 (32). 158 Der Bundesgerichtshof hat strukturelle Gefährdungen des Mandanten in zwei Fällen als Begründung für eine Versagung der Zulassung angeführt, BGH, Beschluss vom 08.10.2007 – AnwZ (B) 92/06, MDR 2008, 174 (175); ähnlich zuvor bereits BGH, Beschluss vom 13.10.2003 – AnwZ (B) 79/02, NJW 2004, 212 (212 f.). 159 BVerfGE 87, 287 (330).

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Vorstandsmitglied vorbefasst war.160 Für berufsfremde Tätigkeiten ist der Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO auch für den Syndikusrechtsanwalt eröffnet.161 Bereits Semler hatte festgestellt, dass umgekehrt auch ein Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit aufgrund der Regelungen zum Tätigkeitsverbot bei Vorbefasstheit nicht zugleich beratend tätig werden darf.162 Gleiches muss daher auch für einen als Vorstand tätigen Syndikusrechtsanwalt gelten. Diese Fallgruppen sind für den Syndikusrechtsanwalt nicht anders zu lösen als für den Kanzleirechtsanwalt. Auch ein externer Kanzleirechtsanwalt kann zweifelsohne einen Zweitberuf als Vorstand einer Aktiengesellschaft ausüben.163 Das hat das Bundesverfassungsgericht in der Zweitberufsentscheidung hinsichtlich eines Rechtsanwalts und Geschäftsführers einer als Komplementärin einer GmbH & Co. KG geführten Verwaltungs-GmbH ausdrücklich entschieden, indem es der Verfassungsbeschwerde des dortigen Beschwerdeführers zu 7) stattgab.164 Dieser hatte sich gegen die Rücknahme seiner Zulassung als Rechtsanwalt mit dem Argument gewehrt, dass auch die Vorstände vieler bedeutender Unternehmen Rechtsanwälte seien.165 Will ein Kanzleirechtsanwalt diese Gesellschaft, für die er im Zweitberuf als Vorstand tätig ist, aber zugleich beraten, fehlt es seinem Rechtsrat an der notwendigen Unabhängigkeit, sodass eine haftungsentlastende Beratung der Gesellschaft ausgeschlossen ist,166 wenn die Tätigkeit nicht schon nach § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO unzulässig wäre.167 Umgekehrt können die Entscheidungen, die der Rechtsanwalt als Mitglied eines Kollegialorgans mit seinen Vorstandskollegen trifft und die für ihn als Vorstand bindend sind, ihn in seiner anwaltlichen Unabhängigkeit beeinträchtigen, wenn die Entscheidungen auf die Rechtsanwaltstätigkeit durchschlagen und daher ebenfalls ein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO begründen, wie das 160 Schautes, S. 196; vgl. auch Semler, NZG 2007, 881 (885), dieser allerdings im Hinblick darauf, dass ein Rechtsanwalt, der als Aufsichtsratsmitglied mit einer Sache vorbefasst war, nicht mehr anwaltlich tätig werden dürfe. 161 Dazu schon Kapitel 4 § 1 E. 162 Semler, NZG 2007, 881 (885). Überdies sei die entgeltliche Beratung im Aufsichtsbereich gesellschaftsrechtlich unzulässig, Semler, NZG 2007, 881 (884) unter Verweis auf § 113 AktG. 163 BVerfGE 87, 287 (328 ff.). Zur Zulässigkeit einer kaufmännisch-erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit grundsätzlich Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 85 f.; Weyland/Vossebürger, BRAO, § 7 Rn. 115 ff. Vgl. aber zu den Rechtsfolgen bei einer gleichzeitigen Beratungstätigkeit Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rn. 35a. 164 BVerfGE 87, 287 (305 f., 328 ff.). 165 BVerfGE 87, 287 (310). 166 BGH, Urteil vom 20.09.2011 @ II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1272 Rn. 18). Grundlegend zu den Anforderungen an einen haftungsentlastenden Rechtsrat und den Folgen des Urteils, Müller, S. 71 ff. 167 Kumpan ist der Auffassung, dass diese Tätigkeiten bei externen Rechtsanwälten jedenfalls von § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO erfasst werden, Kumpan, S. 169 f. Zur Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO bei Kanzleianwälten, die zugleich Mitglied des Vorstands „ihres“ Mandanten sind Schautes, S. 195 f.

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Anwaltsgericht Köln entschieden hat.168 In diesem Fall hatte das Anwaltsgericht einen Verstoß gegen § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO bejaht, da der Rechtsanwalt als Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft, die Gebührenforderungen ankauft, und Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH, die von der Aktiengesellschaft mit der Durchsetzung dieser Forderungen beauftragt wird, mit den streitgegenständlichen Angelegenheiten vorbefasst gewesen sei.169 Begründet wurde das Tätigkeitsverbot mit der Bindung an die richtungsgebenden Entscheidungen des Vorstands als Kollegialorgan.170 Bei einer Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines Organs einer Aktiengesellschaft genügen Berufswahlschranken allerdings nicht, da die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts aufgrund drohender Interessenkollisionen sowie der denkbaren Beeinträchtigungen der fachlichen Unabhängigkeit gefährdet ist. (4) Zulässigkeit von Berufswahlschranken: Interessenkonflikte als Gefahr für die anwaltliche Unabhängigkeit Berufsausübungsregelungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend, wenn die Gefahr von Interessenkollisionen besteht, die nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen zu bannen ist.171 In diesen Fällen sind Berufswahlschranken erforderlich und zumutbar.172 Solche Gefahren bestehen bei einer Doppeltätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft. Der Gesetzgeber hat unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft für zulässig erklärt, wenn aufgrund der Doppeltätigkeit Interessenkonflikte drohen.173 Der Bundesgerichtshof hat in seinen beiden Urteilen vom 15.10.2018 zwar entschieden, dass ein Syndikusrechtsanwalt dann keine widerstreitenden Interessen vertritt, wenn er für seinen Arbeitgeber sowohl anwaltlich als auch nichtanwaltlich tätig wird.174 In Kapitel 4 wurde jedoch dargestellt, dass der Syndikusrechtsanwalt einer Aktiengesellschaft im Rahmen seiner Tätigkeit mit Interessenkonflikten konfrontiert sein kann. Zudem wurde ausgeführt, dass innerhalb der Aktiengesellschaft und ihrer Organe eine Vielzahl von Interessen miteinander konkurrieren. Der Syndikusrechtsanwalt, der zugleich Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft ist, wäre in 168 AnwG Köln, Beschluss vom 19.02.2018 – 2 AnwG 2/15 R, BeckRS 2018, 7164 Ls. 1 und 2. Siehe dazu Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rn. 35a. 169 AnwG Köln, Beschluss vom 19.02.2018 – 2 AnwG 2/15 R, BeckRS 2018, 7164 Rn. 16. 170 AnwG Köln, Beschluss vom 19.02.2018 – 2 AnwG 2/15 R, BeckRS 2018, 7164 Rn. 18. 171 BVerfGE 87, 287 (330). 172 BVerfGE 87, 287 (330). 173 BT-Drucks. 12/4993, S. 24; siehe BVerfGE 87, 287 (322 f., 329 f.). 174 BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 (3706 Rn. 49); BGH, Urteil vom 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 (3714 Rn. 24).

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noch stärkerem Maße von diesen Konflikten betroffen, da er aufgrund der Organtätigkeit einem bestimmten Interessenlager zugeordnet wäre. Interessenkonflikte drohen daher, sobald die Interessen des Organs nicht mehr mit den Interessen der Gesellschaft oder denen der weiteren Organe gleichlaufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegen die anwaltliche Unabhängigkeit beeinträchtigende Interessenkollisionen zwar nicht schon dann vor, wenn sich Pflichtenkollisionen nur deshalb ergeben, weil der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit als Rechtsanwalt und im Zweitberuf tätig wird.175 Auch für diese Fälle seien die Berufsausübungsregelungen der §§ 45 f. BRAO (a. F.) ausreichend.176 Auch das oft bemühte Kriterium des zweckwidrigen Ausnutzens von Informationen aus der anwaltlichen Tätigkeit für die Zweittätigkeit177 sei in der hier zu beurteilenden Konstellation nicht einschlägig. Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Nachgang zur Zweitberufsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in mehreren weiteren Entscheidungen ausgeführt, dass die Zulassung dann versagt werden kann, wenn sich das Risiko von Interessenoder auch nur von Pflichtenkollisionen deutlich abzeichnet und Berufsausübungsregeln nicht ausreichen, um diesem Risiko zu begegnen.178 Insofern werden Zweittätigkeiten für unzulässig gehalten, bei denen es in erhöhtem Maß zu Interessenkonflikten kommen kann.179 Dass der Syndikusrechtsanwalt innerhalb der Aktiengesellschaft der Gefahr von Interessenkonflikten und der Gefahr von zu Pflichtenkollisionen ausgesetzt ist, wurde bereits in Kapitel 4 ausgeführt. Interessenkonflikte werden beispielsweise auch bei einem Rechtsanwalt bejaht, der zuvor als Organperson eines Verbands tätig war, den er nun beraten soll.180 Bei Ausübung einer weiteren Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft kommt es nicht nur zu Pflichtenkollisionen, die sich aus der bloßen Doppeltätigkeit ergeben und die mit den Berufsausübungsregelungen des § 45 BRAO zu lösen wären. Der Syndikusrechtsanwalt, der zugleich Organmitglied ist, steht nicht mehr als neutraler Wächter des Rechts für die Interessen des Unternehmens ein, sondern läuft Gefahr, zugleich die Interessen einer 175 BGH, Beschluss vom 11.12.1995 – AnwZ (B) 32/95, NJW 1996, 2378; dieser Ansicht folgend Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 104. 176 BGH, Beschluss vom 11.12.1995 – AnwZ (B) 32/95, NJW 1996, 2378; vgl. Henssler/ Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 104. 177 BVerfGE 87, 287 (329); AGH Celle, Urteil vom 23.04.2018 – AGH 5/17 (II 4/32), Rn. 26, zit. nach juris. 178 BGH, Beschluss vom 21.03.2011 – AnwZ (B) 33/10, AnwBl. 2011, 497 (499); BGH, Beschluss vom 11.12.1995 – AnwZ (B) 29/95, NJW 1996, 2377; BGH, Beschluss vom 19.06.1995 – AnwZ (B) 4/95, NJW-RR 1995, 1083 (1084). 179 Deppert, BRAK-Mitt. 2001, 111 (112) unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 10.07.2000 – AnwZ (B) 55/99, NJW 2000, 3575; der folgend Weyland/Vossebürger, BRAO, § 7 Rn. 116; zurückhaltender Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 86, der auf die regelmäßig vorhandene Möglichkeit der klaren Trennung der Tätigkeiten verweist. 180 Knöfel, NJW 2005, 6 (8).

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bestimmten Interessengruppe innerhalb des Unternehmens wahrzunehmen. Aus diesem Grund besteht die Gefahr von Interessenkonflikten, sodass eine Versagung der Tätigkeit nach § 7 Ziff. 8 BRAO bzw. ein Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO möglich ist. Dem steht nicht entgegen, dass keine Interessenkonflikte im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO vorliegen, da für § 7 Ziff. 8 BRAO nur zu prüfen ist, ob der Zweitberuf die Gefahr von Interessen- bzw. Pflichtenkollisionen mit sich bringt.181 Interessenkollisionen im Sinne des § 7 Ziff. 8 BRAO setzen daher keine Interessenkollisionen in verschiedenen Mandatsverhältnissen voraus. (5) Gefährdung der fachlichen Unabhängigkeit gemäß § 46 Abs. 3, Abs. 4 BRAO Eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts kann sich ferner daraus ergeben, dass der Syndikusrechtsanwalt aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 3, Abs. 4 BRAO auch dem Vorstand gegenüber fachlich unabhängig sein muss.182 Das ist ausgeschlossen, wenn der Syndikusrechtsanwalt selbst Mitglied des Vorstands ist. Der Syndikusrechtsanwalt soll unternehmerische Entscheidungen neutral bewerten, nicht selbst treffen.183 Fehlt es dem Syndikusrechtsanwalt an der notwendigen fachlichen Unabhängigkeit, ist der Bestand seiner Zulassung gefährdet, § 46b Abs. 2 S. 2 BRAO. Diese Gefährdungen der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts können nicht durch eine Trennung der beiden Tätigkeitsbereiche ausgeschlossen werden. Es sind Konstellationen denkbar, in denen die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Trennung der beiden Tätigkeitsbereiche184 nicht ohne Weiteres möglich ist, beispielsweise gerade dann, wenn der Syndikusrechtsanwalt als Vorstand den Bereich Recht und Compliance verantworten soll und damit faktisch sein eigener Vorgesetzter ist. Zudem wurde bereits bei der Schilderung der organisatorischen Anforderungen an eine unabhängige Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts festgestellt, dass eine entsprechende Abgrenzung der Rechtsabteilung zu anderen Abteilungen und insbesondere zum Vorstand bzw. der Geschäftsleitung der Gesellschaft erforderlich ist.185 Diese Abgrenzung würde durch eine Doppeltätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im Vorstand der Gesellschaft ad absurdum geführt. Anders als bei einem Kanzleianwalt, bei dem eine Beeinflussung der Rechtsanwaltstätigkeit durch Entscheidungen des Vorstands als Kollegialorgan nur zu Tätigkeitsverboten nach § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO führen würde,186 wäre die fachliche Unabhängigkeit des 181 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 80 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 11.12.1995 – AnwZ (B) 32/95, NJW 1996, 2378; BGH, Beschluss vom 19.06.1995 – AnwZ (B) 4/95, BRAK-Mitt. 1995, 213 (213 f.); BGH, Beschluss vom 13.02.1995 – AnwZ (B) 56/94, NJW-RR 1995, 949. 182 Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (14). 183 Hommerich/Prütting, S. 87, bereits zur alten Rechtslage. 184 BVerfGE 87, 287 (322). 185 Hamm/Maxin, AnwBl. 2015, 376 (378). Siehe dazu auch Kapitel 5 § 1 C. I. 186 Vgl. AnwG Köln, Beschluss vom 19.02.2018 – 2 AnwG 2/15 R, BeckRS 2018, 7164.

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Syndikusrechtsanwalts aufgrund der strukturellen Besonderheiten der Tätigkeit innerhalb der Aktiengesellschaft nicht nur in Einzelfällen sondern dauerhaft gefährdet. Nicht ausreichend ist eine Begrenzung der Ressortzuständigkeit des im Vorstand tätigen Syndikusrechtsanwalts gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 AktG. Auch bei einer Aufteilung der Ressortzuständigkeiten trifft jedes Vorstandsmitglied weiterhin eine Aufsichtspflicht über die anderen Ressorts.187 Zur Wahrnehmung dieser Aufsichtspflicht muss jedes Vorstandsmitglied wenigstens stichprobenartige Untersuchungen durchführen und Nachfragen stellen.188 Zudem entfällt mit einer Verteilung der Ressortzuständigkeiten nicht die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung des Vorstandsmitglieds bei einer Verletzung der Aufsichtspflicht.189 Aufgrund dieser Gesamtverantwortung kann es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer strukturellen Gefährdung der Interessen des Mandanten kommen.190 Zudem droht eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit, da ein Mitglied eines Geschäftsleitungsorgans in der Regel ein größeres wirtschaftliches Interesse am Unternehmen hat, als ein angestellter Syndikusrechtsanwalt.191 Schließlich handelt es sich bei den als Organmitglied und insbesondere als Mitglied des Vorstands zu übernehmenden Aufgaben nicht nur um solche kaufmännischen Aufgaben, die mit der Position des Syndikusrechtsanwalts im Unternehmen einhergehen und dementsprechend zulässig sind.192 Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 07.11.1960 entschieden, dass unternehmerische Aufgaben im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts aus berufsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sind, wenn diese kaufmännischen Aufgaben aus der Tätigkeit selbst herrühren.193 Bei solchen Aufgaben kann nicht von einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit ausgegangen werden. Die Tätigkeit als Organmitglied und insbesondere die Tätigkeit als Mitglied des Vorstands umfasst aber gerade überwiegend unternehmerisch-kaufmännische Tätigkeiten aus einem Zweitberuf und führt gerade deswegen zu der dargestellten Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit. 187

MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 77 Rn. 58. MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 77 Rn. 59. Zu den Einzelheiten der Aufsichtspflicht MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 93 Rn. 173 ff. 189 Der Bundesgerichtshof hatte das ursprünglich bezüglich der GmbH entschieden BGHZ 133, 170 (176 ff.); BGH, Urteil vom 08.07.1985 – II ZR 198/84, NJW 1986, 54 (55). Die Literatur wendet diese Rechtsprechung auch auf die Vorstände von Aktiengesellschaften an Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 93 Rn. 42, dieser allerdings kritisch zur Ausweitung der Haftung durch die Gesamtverantwortung, Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 77 Rn. 15; KölnKommAktG/ Mertens/Cahn, Band 2/1, § 93 Rn. 92; MüKoAktG/Spindler, Band 2, § 93 Rn. 170; jeweils m. w. N. 190 BGH, Beschluss vom 08.10.2007 – AnwZ (B) 92/06, MDR 2008, 174 (175); ähnlich zuvor bereits BGH, Beschluss vom 13.10.2003 – AnwZ (B) 79/02, NJW 2004, 212 (212 f.). 191 AGH Berlin, Urteil vom 05.05.2015 – I AGH 16/14, DStRE 2016, 639 (640). 192 BGH, Beschluss vom 07.11.1960 – AnwZ (B) 3/60, NJW 1961, 218 (219). 193 BGH, Beschluss vom 07.11.1960 – AnwZ (B) 3/60, NJW 1961, 218 (219). 188

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18.03.2019 das Argument, ein Syndikusrechtsanwalt könne nicht gleichzeitig Geschäftsführer der GmbH sein, bei der er beschäftigt ist, da er sich nicht selbst Rechtsrat erteilen könne, für unbeachtlich gehalten hat.194 Der Bundesgerichtshof stützt seine Argumentation darauf, dass in dem streitgegenständlichen Einzelfall auch andere konzernangehörige Unternehmen beraten werden sollten, was nach § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO zulässig sei.195 Diese Argumentation ließe sich auf die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft übertragen. Der Bundesgerichtshof verkennt damit jedoch die vorstehend beschriebenen strukturellen Gefährdungen der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts bei einer gleichzeitigen Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (bzw. in dem zu entscheidenden Fall als Geschäftsführer einer GmbH). Diese Gefährdungen lassen sich durch eine vertragliche Zusicherung der Weisungsunabhängigkeit nicht vermeiden,196 da nach der hier vertretenen Auffassung eine wirksame Trennung der Tätigkeitsbereiche als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied des Vorstands nicht möglich ist. (6) Ergebnis: Gefährdung der fachlichen Unabhängigkeit durch Organtätigkeit Eine grundsätzliche Gefährdung der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts durch eine Zweittätigkeit als Mitglied eines Organs der Aktiengesellschaft ist nicht auszuschließen. Auch wenn aus verfassungsrechtlichen Gründen Zurückhaltung bei der Anwendung des § 7 Ziff. 8 BRAO bzw. des § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO geboten ist, ist andererseits dem Vorschlag einer einschränkenden Anwendung des § 7 Ziff. 8 BRAO im Hinblick auf die Syndikusrechtsanwälte mit Skepsis zu begegnen. Es ist zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden bei der Anwendung der berufsrechtlichen Vorschriften auf den Syndikusrechtsanwalt dessen besondere Stellung als Arbeitnehmer eines nicht-anwaltlichen Arbeitgebers zu berücksichtigen. Gegen eine generell einschränkende Auslegung der berufsrechtlichen Vorschriften spricht insbesondere aber die bereits angesprochene Notwendigkeit, ein Sonderberufsrecht für Syndikusrechtsanwälte zu vermeiden. Für Syndikusrechtsanwälte gelten gemäß § 46c Abs. 1 BRAO dieselben Regelungen, die auch für Kanzleianwälte gelten, sofern sich aus den besonderen Umständen der Tätigkeit nichts anderes ergibt. Gemessen an diesen Maßstäben ist eine zweitberufliche Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Mitglied eines Organs der ihn beschäftigenden Aktiengesell194 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 11, zit. nach juris. Zustimmend: Grunewald, NJW 2019, 3620 (3622), die darüber hinaus argumentiert, dass nicht der Geschäftsführer, sondern die GmbH beraten werden soll und der Geschäftsführer dem Haftungsregime des GmbHG unterliegt, sodass die Tätigkeit zulässig sei. 195 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 11, zit. nach juris. 196 So aber für den GmbH-Geschäftsführer Grunewald, NJW 2019, 3620 (3622) unter Verweis auf BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 20.

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schaft daher im Ergebnis nicht mit seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege vereinbar. Selbst wenn die Doppeltätigkeit nach einer Prüfung im Einzelfall für zulässig zu erklären wäre, weil die erforderliche Trennung der Tätigkeiten erfolgen kann, kommt der betreffende Syndikusrechtsanwalt bei einer entsprechenden Vorbefassung aufgrund der Regelung des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO nicht mehr als unabhängiger Berater der Gesellschaft in Frage.197 Der Rechtsrat des Syndikusrechtsanwalts wäre aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit zur Unternehmensleitung nicht mehr geeignet, eine Haftungsentlastung herbeizuführen. Sind mehrere Syndikusrechtsanwälte einer Aktiengesellschaft als Sozietät anzusehen, greift im Fall fehlender organisatorischer Vorkehrungen durch den Einsatz von chinese walls zudem auch für die weiteren Syndikusrechtsanwälte ein Tätigkeitsverbot, § 45 Abs. 3 BRAO. Aus der gesellschaftsrechtlichen Sicht einer guten Corporate Governance ist die Doppeltätigkeit ebenfalls kritisch zu sehen. Das System des gegenseitigen Ausgleichs und der gegenseitigen Überwachung und Kontrolle kann dann ins Wanken geraten, wenn der Syndikusrechtsanwalt als Organmitglied in verschiedenen Rollen für die Gesellschaft tätig wird. 2. Besonderheiten der §§ 46 ff. BRAO Kommt man trotz der hier geäußerten Bedenken zu einer Zulässigkeit einer Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines Gesellschaftsorgans einer Aktiengesellschaft, ergeben sich in der Konsequenz keine weiteren Anforderungen an die Zulässigkeit der Tätigkeit. Die Besonderheiten der §§ 46 ff. BRAO, insbesondere das Merkmal der anwaltlichen Prägung der Tätigkeiten, sind nicht zu beachten, da es sich bei der Tätigkeit um eine echte Zweittätigkeit und nicht um weitere Aufgabenfelder innerhalb eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses mit der jeweiligen Aktiengesellschaft handelt. Der Bundesgerichtshof hat zwar eine (Mit-)Geschäftsführertätigkeit in einer GmbH auf die anwaltliche Prägung der Gesamttätigkeit überprüft.198 Das dürfte wegen des Wortlauts des § 46 BRAO allerdings unzutreffend sein. Zentrales Merkmal der Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts ist das Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft. Eine Geschäftsführertätigkeit bzw. eine Vorstandstätigkeit werden nicht auf Grundlage eines Arbeitsvertrags ausgeübt.199 Will ein Syndikusrechtsanwalt zugleich als Vorstand bzw. Geschäftsführer der Gesellschaft tätig sein, liegt diese Tätigkeit nach der hier vertretenen Auffassung außerhalb des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 46 BRAO und ist daher allein an den Maßstäben des § 7 BRAO und auf eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit zu prüfen. 197 Auch Kumpan ist der Auffassung, dass Organtätigkeiten eines Kanzleianwalts in der Aktiengesellschaft unter den Tatbestand des § 45 Abs. 1 Ziff. 4 BRAO fallen, Kumpan, S. 169 f. 198 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 7, zit. nach juris. 199 Stetige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit BGHZ 10, 187 (191).

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

Anders wäre das nur in Fällen, in denen ein Antragsteller eine Zulassung gerade für die Tätigkeit als Vorstand eines Unternehmens beantragt.200 Dann muss selbstverständlich die anwaltliche Prägung der Tätigkeit überprüft werden. Daneben besteht die Gefahr, dass die besondere fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts gemäß § 46 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 BRAO durch Weisungen an den Vorstand gemäß § 82 Abs. 2 AktG beeinträchtigt wird. Der Bundesgerichtshof hat zur Parallelvorschrift des § 37 GmbHG201 ausgeführt, dass im Einzelfall Beeinträchtigungen der fachlichen Unabhängigkeit durch Weisungen gemäß § 37 GmbHG denkbar sind.202 Diese Ausführungen gelten für § 82 Abs. 2 AktG entsprechend, praktisch wird die Feststellung der Beeinträchtigung aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Weisungen jedoch nur schwer festzustellen sein. 3. Besonderheiten einer Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und GmbH-Geschäftsführer Wie soeben erörtert wurde, ist eine Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied eines Gesellschaftsorgans einer Aktiengesellschaft unzulässig. Die Rechtsprechung hat im Gegensatz hierzu die gleichzeitige Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts und Geschäftsführers einer GmbH bislang allerdings für zulässig erachtet.203 Ausdrücklich wurde auf die, gleichfalls zulässige, Tätigkeit eines Rechtsanwalts und Geschäftsführers einer Rechtsanwalts-GmbH verwiesen.204 Die bloße Pflicht zur Wahrnehmung typischer Geschäftsführertätigkeiten (Buchführung, Anmeldung/Information des Handelsregisters, Einberufung der Gesellschafterversammlung) sei nicht geeignet, die anwaltliche Unabhängigkeit in Zweifel zu ziehen.205 Zutreffend ist, dass allein aus den von der Rechtsprechung genannten typischen Geschäftsführertätigkeiten nicht auf eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit geschlossen werden kann. Allerdings kann auch der Syndikusrechtsanwalt und 200 Vgl. für die Tätigkeit als Vorstand einer Stiftung Bayerischer AGH, Urteil vom 13.03.2019 – BayAGH I – 1 25/18, zit. nach juris; für den Leiter einer in der Rechtsform der gGmbH organisierten Privatschule: BGH, Beschluss vom 23.07.2019 – AnwZ (Brfg) 37/19, zit. nach juris. 201 Zur Vergleichbarkeit der Regelungen BGH, Urteil vom 23.06.1997 – II ZR 353/95, DStR 1997, 1296 (1297). 202 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 17 ff., insb. Rn. 20, zit. nach juris. 203 Siehe dazu Kapitel 5 § 2 D. II. 204 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565, Rn. 28. Diesen Vergleich hält der Bundesgerichtshof zwar für nicht tragfähig, hat die Entscheidung im Ergebnis aber gleichwohl bestätigt, BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 17, zit. nach juris. 205 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565, Rn. 28.

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Geschäftsführer einer GmbH der Gefahr von Interessenkonflikten ausgesetzt sein, wenn das Interesse des Geschäftsführers und das Gesellschaftsinteresse nicht mehr gleichlaufen. Hier gelten aufgrund der Haftungsrisiken des Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG und ggf. auch gemäß § 64 GmbHG die Ausführungen zum Vorstand einer Aktiengesellschaft entsprechend. Zudem drohen in einem deutlich stärkeren Umfang als bei der Aktiengesellschaft Interessenkonflikte im Verhältnis zu den Gesellschaftern. Die Ausübung eines Zweitberufs durch den Syndikusrechtsanwalt in Form einer Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH ist daher auch hier nur zulässig, wenn das Risiko von Interessenkonflikten durch die Trennung der beiden Tätigkeiten gebannt werden kann. Bei einer Trennung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit von der Anwaltstätigkeit kann das Auftreten von Interessenkonflikten zwar grundsätzlich ausgeschlossen sein.206 Eine solche Trennung der Tätigkeitsbereiche ist allerdings praktisch kaum umsetzbar, da es in einer GmbH, ähnlich wie in der Aktiengesellschaft, ausgeschlossen ist, dass der Syndikusrechtsanwalt objektiver Wächter des Rechts im Unternehmen und gleichzeitig deren operativ verantwortliches Organ ist. Zudem kann die fachliche Unabhängigkeit beeinträchtigt sein, da der Syndikusrechtsanwalt mit einem Zweitberuf als Geschäftsführer der GmbH gegenüber der Geschäftsleitung nicht mehr fachlich unabhängig ist. Insoweit gelten die Ausführungen zur fachlichen Unabhängigkeit gegenüber dem Vorstand der Aktiengesellschaft entsprechend. Die Regelung des § 46 Abs. 3 BRAO fordert eine fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalt einer GmbH gegenüber der Geschäftsführung.207 Diese fachliche Unabhängigkeit kann im Einzelfall zudem aufgrund von Weisungen der Gesellschafter gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG beeinträchtigt sein.208 Dieser Argumentation kann man nicht mit dem Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2017 entgegenhalten, dass der Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH ebenfalls zugleich Rechtsanwalt und Geschäftsführer ist.209 Das Gericht hatte einem Geschäftsführer einer Immobilienverwaltungs-GmbH die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gestattet und darauf verwiesen, dass auch der Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden könne.210 Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen hat sich bei seiner Argumentation aber nur auf den Parteivortrag der klagenden Deutschen Rentenversicherung gegen die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt bezogen. Die Klägerin hatte ausgeführt, der Beigeladene müsse für eine ordnungsgemäße Buchführung sorgen und typische Geschäftsführeraufgaben wie die An206

Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 7 Rn. 86. Bezogen auf das Verhältnis zwischen Syndikusrechtsanwalt und Vorstand einer Aktiengesellschaft Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (14). 208 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 17 ff., zit. nach juris. 209 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565, Rn. 28. 210 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565, Rn. 28. 207

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

meldungen zum Handelsregister und die Einberufung der Gesellschafterversammlung vornehmen.211 Richtig ist, dass diese Aufgaben auch in einer RechtsanwaltsGmbH anfallen. Im Gegensatz zum Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH ist der gleichzeitig als Vorstand bzw. Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder als Geschäftsführer einer GmbH tätige Syndikusrechtsanwalt aber zugleich Geschäftsführer des Unternehmens, das er rechtlich berät. Zudem ist die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte einer Rechtsanwalts-GmbH, die zugleich deren Geschäftsführer sind, gemäß § 59f Abs. 4 BRAO besonders geschützt. Einflussnahmen der Gesellschafter sind unzulässig, § 59f Abs. 4 BRAO. Dementsprechend sind Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH mit Geschäftsführern einer sonstigen privatwirtschaftlichen GmbH nicht vergleichbar.212 II. Ergebnis: Doppeltätigkeit berufsrechtlich unzulässig Im Ergebnis ist eine gleichzeitige Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Vorstand derselben Aktiengesellschaft berufsrechtlich unzulässig. Gleiches gilt im Ergebnis auch hinsichtlich der Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Geschäftsführer einer GmbH. Unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit ist zwar eine zurückhaltende Anwendung der Versagungs- bzw. Widerrufsmöglichkeiten der §§ 7 Ziff. 8, 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO geboten, es bestehen aber nicht unerhebliche Bedenken gegen die Doppeltätigkeit. Es drohen Beeinträchtigungen der anwaltlichen Unabhängigkeit, die nicht durch die Trennung der beiden Tätigkeitsbereiche verhindert werden können. Zudem besteht die nicht unerhebliche Gefahr von Interessenkollisionen, wenn der ständige Rechtsberater einer Gesellschaft zugleich Teil eines ihrer Organe ist.

G. Aufsichtsrat Die für den Aufsichtsrat geltenden Grundsätze wurden im vorangegangenen Abschnitt im Wesentlichen mitbehandelt. Eine Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist aus den im vorangegangenen Abschnitt erörterten Gründen ebenfalls als unzulässig einzustufen. Soweit sich einzelne Ausführungen unter Berücksichtigung der anwaltsgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur ausdrücklich auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft beziehen, sind diese Grundsätze auf Aufsichtsratsmitglieder übertragbar. Auch bei einer Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft würde es sich um eine Zweittätigkeit im Sinne

211 AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2017 – 1 AGH 26/16, BeckRS 2017, 110565, Rn. 28. 212 BGH, Urteil vom 18.03.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, Rn. 17, zit. nach juris.

§ 3 Zusammenfassung

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des § 7 Ziff. 8 BRAO handeln.213 Bei Ausübung einer solchen Zweittätigkeit wäre die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts beeinträchtigt, da der Syndikusrechtsanwalt aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 3, Abs. 4 BRAO seinem Arbeitgeber gegenüber fachlich unabhängig sein muss.214 Aufgrund der in Kapitel 4 geschilderten Interessenkonflikte im Verhältnis zum Aufsichtsrat wäre die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts auch bei einer solchen Doppeltätigkeit gefährdet. Bei einem Kanzleirechtsanwalt wird ein Tätigkeitsverbot bei einer parallel ausgeübten Aufsichtsratstätigkeit zwar mitunter verneint.215 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass Interessenkonflikte zwischen den beiden Tätigkeitsfeldern zwar nicht ausgeschlossen seien, eine effektive Trennung der beiden Tätigkeitsbereiche jedoch möglich sei.216 Daher genüge im jeweiligen Einzelfall ein Tätigkeitsverbot nach § 45 BRAO.217 Diese Argumentation kann allerdings nicht ohne Weiteres auf den Syndikusrechtsanwalt übertragen werden, da dieser aufgrund seiner Stellung als Rechtsanwalt der Gesellschaft in stärkerem Maße der Gefahr von Interessenkollisionen ausgesetzt ist als ein Kanzleianwalt. Dem deutschen Aktienrecht ist aufgrund der Regelungen zur Mitbestimmung eine Aufsichtsratstätigkeit von Arbeitnehmern der Gesellschaft zwar nicht fremd.218 Im Gegensatz zu den übrigen Arbeitnehmern muss der Syndikusrechtsanwalt gegenüber den Organen der Gesellschaft die für die Berufsausübung notwendige fachliche Unabhängigkeit wahren. Vor diesem Hintergrund ist auch eine Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft als berufsrechtlich unzulässig anzusehen. Eine solche Doppeltätigkeit kann die Versagung bzw. den Widerruf der Anwaltszulassung rechtfertigen. Aufgrund der Einordnung der Tätigkeit als Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft als zweitberufliche Tätigkeit im Sinne des § 7 Ziff. 8 BRAO kommt es auf die anwaltliche Prägung der Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO nicht mehr an.219

§ 3 Zusammenfassung Dieses Kapitel hat gezeigt, dass an die organisatorische Gestaltung der Rechtsabteilung hohe Anforderungen zu stellen sind. Aus berufsrechtlichen Gründen ist 213

Schautes, S. 197 f.; Müller, NZG 2002, 797 (799); beiden folgend: Kumpan, S. 170; kritisch Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rn. 35a; siehe hierzu bereits Kapitel 5 § 2 F. I. 1. a). 214 Vgl. im Hinblick auf den Vorstand Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (14); ausführlich bereits Kapitel 5 § 2 F. I. 1. b) dd) und ee). 215 Müller, NZG 2002, 797. 216 Müller, NZG 2002, 797. 217 Müller, NZG 2002, 797. 218 Müller, NZG 2002, 797 (802). 219 Hierzu bereits Kapitel 5 § 2 F. I. 2.

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Kap. 5: Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts

eine möglichst zentrale und hierarchisch möglichst hohe Ansiedelung der Rechtsabteilung geboten. Zugleich darf der Syndikusrechtsanwalt nicht Teil eines Organs der Aktiengesellschaft sein. Ein Widerspruch ist in diesen hierarchischen Anforderungen nicht zu sehen. Es besteht ein Unterschied zwischen einer gehobenen Stellung der Rechtsabteilung und einer Leitungs- oder Überwachungstätigkeit des verantwortlichen Syndikusrechtsanwalts. Sofern ein Vorstand für den Bereich Recht zuständig ist, kann dieser jedenfalls nicht in Personalunion als Syndikusrechtsanwalt in der Rechtsabteilung des Unternehmens tätig sein. Diese beiden Tätigkeiten sind zur Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts und zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu trennen.

Kapitel 6

Konzernrechtliche Besonderheiten § 1 Der Syndikusrechtsanwalt im Konzern Die in den vorangegangenen Kapiteln geschilderten Probleme bestehen auch bei einem Syndikusrechtsanwalt in einem Konzernunternehmen. Die bisher nicht abschließend geklärten Rechtsfragen zu Verschwiegenheitspflichten und Interessenkonflikten im Konzernverbund ergeben sich aus der Befugnis des Syndikusrechtsanwalts, im Konzernverbund sämtliche rechtlichen Interessen zu vertreten, § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO. Dabei stellt sich zwangsläufig die Frage, wer Geheimnisträger bestimmter Informationen ist, wem gegenüber Verschwiegenheitspflichten bestehen und in welchen Situationen die Gefahr von Interessenkonflikten besteht. Unklar ist zudem die Frage, in welchem Maße diese Pflichten aufgrund der Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO überhaupt relevant sind. Der Gesetzgeber hat in § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO eine Regelung geschaffen, aufgrund derer Rechtsangelegenheiten in verbundenen Unternehmen als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers fingiert werden. In der Literatur wurde daher die Frage aufgeworfen, ob die Gefahr von Interessenkollisionen nicht deshalb ausgeschlossen sei, da es sich aufgrund der Gesetzesfiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO nicht um fremde, sondern um eigene Rechtsangelegenheiten der Muttergesellschaft handelt.1 Verneinendenfalls würden sich in der Folge auch Probleme im Hinblick auf die Anwendbarkeit und die Reichweite der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht ergeben.2 Für die Bedeutung der anwaltlichen Grundpflichten ist dabei nicht entscheidend, ob das Anstellungsverhältnis zur Mutter- oder zur Tochtergesellschaft besteht. Da § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO sämtliche Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 AktG als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers klassifiziert, stellen sich die nachfolgend zu erörternden Probleme gleichermaßen für Syndikusrechtsanwälte von Mutter- und Tochtergesellschaften. In der Praxis wird allerdings der bei der Konzernmutter angestellte Syndikusrechtsanwalt 1 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320). 2 Vgl. zur Anwendbarkeit des § 43a BRAO auf den Syndikusrechtsanwalt im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (275 f.).

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Kap. 6: Konzernrechtliche Besonderheiten

am häufigsten anzutreffen sein, sodass die Ausführungen auf diese Gruppe der Konzernsyndikusrechtsanwälte ausgerichtet sind. Weitere berufsrechtliche Besonderheiten des Syndikusrechtsanwalts im Konzernverbund, insbesondere die Frage des berufsrechtlichen Umgangs mit einem Arbeitgeberwechsel im Konzern, sind nicht Gegenstand der Untersuchung.3 Ebenso bleiben im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflichten des Konzernsyndikusrechtsanwalts die Spezialprobleme im Zusammenhang mit Minderheitsbeteiligungen und anderweitig konzernierten Unternehmen außer Acht.4

§ 2 Interessenkonflikte im Konzern A. Widerstreitende Interessen im Konzern Anders als bei einem Nur-Syndikusrechtsanwalt mit einem Arbeitgeber ist in der Literatur anerkannt, dass ein Syndikusrechtsanwalt in konzernangehörigen Unternehmen grundsätzlich der Gefahr der Vertretung widerstreitender Interessen ausgesetzt ist.5 Bereits unter Geltung der alten Rechtslage wurde die Auffassung vertreten, dass die Vertretung widerstreitender Interessen im Konzern bei einem nicht bzw. nicht mehr bestehenden Gleichlauf der Interessen der beteiligten Unternehmen für den Syndikusrechtsanwalt unzulässig sei.6 Die Rechtsprechung hatte sich hingegen bislang noch nicht mit der Frage zu befassen, ob eine gleichzeitige Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts für mehrere konzernangehörige Unternehmen den Tatbestand des § 43a Abs. 4 BRAO erfüllen kann. Lediglich der Bayerische Gerichtshof hat in einem Urteil vom 10.07.2017 zur Zulassung eines anwaltlichen Leiharbeitnehmers als Syndikusrechtsanwalt in einem obiter dictum und ohne vertiefte Begründung die Auffassung vertreten, dass bei Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers gemäß § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO aufgrund des Interessengleichlaufs der dort geregelten Fallgruppen keine Gefahr von Interessenkollisionen bestehe.7 Der Bayerische Anwaltsgerichtshof hat sich in dieser 3 Siehe dazu Huff, AnwBl. 2017, 40 (43); Huff/Wein, Arbeit und Arbeitsrecht 2016, 82 (83); Wein/Walter, BB 2016, 245 (245 f.). 4 Siehe dazu Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (279 f.). 5 Gaier/Wolf/Göcken/Mayer, Anwaltliches Berufsrecht, § 46c BRAO Rn. 18; Hartung/ Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46 BRAO Rn. 40, § 46c BRAO Rn. 8; Henssler/Prütting/ Prütting, BRAO, § 46 Rn. 35; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 180; Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (319 ff.); Dietzel/ Malzahn, BRAK-Mitt. 2016, 154 (156); Huff, AnwBl. 2018, 155; Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106); Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (15). 6 Bartosch-Koch, AnwBl. 2010, 237 (241). 7 Bayerischer AGH, Urteil vom 10.07.2017 – BayAGH III 4 – 6/16, BRAK-Mitt. 2017, 301 (303).

§ 2 Interessenkonflikte im Konzern

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Entscheidung jedoch nicht näher mit dem Tatbestand des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen im Hinblick auf den Konzernsyndikusrechtsanwalt auseinandergesetzt. Die Entscheidung ist daher auf die hier zu untersuchende Konstellation nicht übertragbar. Ganz im Gegenteil ist die grundsätzliche Möglichkeit des Auftretens von Interessenkollisionen gerade bei einem Syndikusrechtsanwalt im Konzern offensichtlich.8 Insbesondere können Interessenkollisionen im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO auftreten, wenn Rechtsangelegenheiten von konzernangehörigen Gesellschaften, zum Beispiel Angelegenheiten zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften, durch dieselbe Rechtsabteilung bearbeitet werden.9 Auch bei der Beratung konzernangehöriger Unternehmen ist daher, analog zu der Situation bei der Beratung einer Gesellschaft und ihrer Organe, eine strikte Trennung zwischen der Beratung der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaften vorzunehmen.10 Eine vertiefte Erörterung des Problems der Vertretung widerstreitender Interessen durch Konzernsyndikusrechtsanwälte ist bislang allerdings nicht erfolgt. Aus diesem Grund lohnt sich auch hinsichtlich der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts in Konzernstrukturen eine Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen. Diese Prüfung soll an einem Beispielsfall vorgenommen werden, der gesellschaftsinterne Interessenkonflikte zum Gegenstand hat. Bei der Beratung konzernangehöriger Unternehmen sind es oft interne Interessenkonflikte, die für die anwaltliche Beratung von Bedeutung sind.11 Fall 7: Aktiengesellschaft A hält als Holdinggesellschaft zahlreiche Beteiligungen und hat eine Konzernrechtsabteilung eingerichtet. In dieser Konzernrechtsabteilung ist Syndikusrechtsanwalt S beschäftigt. Dieser bearbeitet sämtliche Rechtsangelegenheiten der A und der konzernangehörigen Unternehmen. A hält an Aktiengesellschaft B eine Beteiligung von 25 Prozent. An B sind drei weitere Gesellschaften mit einem Anteil von jeweils 25 Prozent beteiligt. A ist zugleich Mehrheitsaktionärin der weiteren Gesellschafter der B und übt auf B aufgrund dieser Beteiligungen sowie entsprechender Stimmrechtsbindungsverträge einen beherrschenden Einfluss aus. Auch B wird regelmäßig von S beraten. Gesellschaftsvertraglich ist vereinbart, dass der Vorstandsvorsitzende der B von A ausgewählt und über einen Drittanstellungsvertrag mit A als Vorstand der B bestellt wird. Der Vorstandsvorsitzende der B möchte ein Gesellschafterdarlehen von A in Anspruch nehmen, will aber zugunsten der B Darlehensbedingungen vereinbaren, die von den von A vorgegebenen Darle8

Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320); siehe auch Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (278) unter Verweis auf §§ 309, 317 AktG. 9 Wolf, BRAK-Mitt. 2016, 9 (15). 10 Grunewald, in: Festschrift für Prütting, S. 941 (946). 11 Weitere Beispiele bei Grunewald, in: Festschrift für Prütting, S. 941 (945).

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Kap. 6: Konzernrechtliche Besonderheiten

hensbedingungen und den in unternehemensinternen Richtlinien vorgeschriebenen Finanzierungsgrundsätzen der A abweichen. Der Vorstandsvorsitzende der B bittet daher S, einen Darlehensvertrag im Sinne der B zu entwerfen. Zuvor hatte S für A die Darlehensbedingungen entworfen und B in dem konkreten Fall als Bedingungen der A vorgegeben. Darf der S auch in diesem Fall für die B tätig werden?

B. Der Tatbestand des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen für Syndikusrechtsanwälte im Konzern Es wurde bereits dargestellt, dass die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbestands der §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 S. 1 BORA durch einen Syndikusrechtsanwalt im Konzernverbund in der Literatur überwiegend bejaht wird. Viele Stimmen beschränken sich jedoch darauf, den grundsätzlichen Anwendungsbereich der Vorschriften für eröffnet zu erklären. Die Beiträge, die sich vertiefter mit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen beschäftigen, zeigen jedoch auf, dass verschiedene Einzelfragen noch ungeklärt sind. I. Interessenkonflikt und Sachverhaltsidentität Zunächst ist es erforderlich, einen rechtlich relevanten Interessenkonflikt sowie die Sachverhaltsidentität festzustellen. Das Merkmal der Sachverhaltsidentität ist in dem gebildeten Beispielsfall unproblematisch zu bejahen, da der Kern des Sachverhalts die Verhandlung über die Darlehensbedingungen zwischen den Gesellschaften A und B betrifft. Im Gegensatz dazu ist das Vorliegen eines Interessenkonflikts zwar in tatsächlicher Hinsicht, nicht aber ohne Weiteres auch in rechtlicher Hinsicht zu bejahen. In der Literatur wurde im Zusammenhang mit der Diskussion um Interessenkonflikte des Konzernsyndikusrechtsanwalts die Frage aufgeworfen, ob ein rechtlich relevanter Interessenkonflikt überhaupt entstehen könne, da das Gesetz Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen gemäß § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgeberunternehmens fingiert.12 In diesem Zusammenhang wird eine gedankliche Parallele zum Eisenbahnregulierungsrecht gezogen: Dort habe der Gesetzgeber schließlich ein ähnliches Problem nur mit dem Verweis auf organisatorische Maßnahmen gelöst, sodass fraglich sei, ob der Gesetzgeber nicht bereits tätig geworden wäre, wenn er die Gefahr

12 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320).

§ 2 Interessenkonflikte im Konzern

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von Interessenkollisionen bei Syndikusrechtsanwälten in Konzernunternehmen sehen würde.13 Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Regelung des § 8 Abs. 3 Ziff. 3, Abs. 4 des Eisenbahnregulierungsgesetzes a. F.,14 die inhaltlich der Regelung in § 8 Abs. 2, Abs. 3 Eisenbahnregulierungsgesetz n. F. ähnelt. Ziel dieser Regelung ist die Trennung von Schienennetzbetreiberunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen, § 8 Abs. 1 Eisenbahnregulierungsgesetz. Zu diesem Zweck wurden in § 8 Abs. 2 – 4 Eisenbahnregulierungsgesetz zahlreiche Regelungen zum Verbot der gleichzeitigen Ausübung von Ämtern in Schienennetzbetreiber- und Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Absicherung der Unabhängigkeit der Entscheidung des Schienennetzbetreiberunternehmens getroffen.15 In konzernangehörigen, so genannten „vertikal integrierten“, Unternehmen sind entsprechende Regelungen zu schaffen und Informationssperren einzurichten, um unzulässige Einflussnahmen zu verhindern, § 8 Abs. 2 S. 3, Abs. 5 Eisenbahnregulierungsgesetz. Der Gesetzgeber hatte zur bis zum 15.07.2019 geltenden Fassung des Eisenbahnregulierungsgesetzes als mögliche interne Regelung den Aufbau von „chinese walls“ vor Augen.16 Unter diese Vorschrift werden auch die hausinternen Juristen von Schienennetzbetreiberunternehmern subsumiert.17 In der Literatur wird daher die Auffassung vertreten, dass diese Regelung von Seiten des Gesetzgebers ausdrücklich geschaffen worden sei, um die Unabhängigkeit der Entscheidungen im regulierten Eisenbahnverkehr abzusichern und Interessenkonflikte zu vermeiden.18 Daraus wird die Schlussfolgerung gezogen, dass auch in anderen Rechtsbereichen organisatorische Maßnahmen wie die Errichtung von chinese walls zur Vermeidung von Interessenkonflikten grundsätzlich ausreichen müssten, wenn das sogar in einem derart regulierten Bereich wie dem Eisenbahnrecht gelte.19 Unter Berücksichtigung dessen 13 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (321, 323). 14 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (321). 15 Offermann-Burckart bezieht sich noch auf die alte Fassung des § 8 Abs. 3 Ziff. 3 Eisenbahnregulierungsgesetz, in der es hieß: „Um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen, sind Entscheidungen über den Netzfahrplan, die sonstige Zuweisung von Zugtrassen und die Entscheidungen über die Wegeentgelte nur von Personen, die bei dem Betreiber der Schienenwege beschäftigt sind, zu treffen, die keine Funktionen in Eisenbahnverkehrsunternehmen oder mit diesen verbundenen Unternehmen ausüben.“ 16 BT-Drucks., 18/8334, S. 177; siehe dazu Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (323). 17 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (321 f.) unter Verweis auf Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock/Henssler, RDG, § 2 Rn. 143. 18 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (322 f.) unter Verweis auf BT-Drucks. 18/8334, S. 177 und BVerwGE 137, 58 ff. 19 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (323).

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Kap. 6: Konzernrechtliche Besonderheiten

hat Offermann-Burckart daher die bereits angesprochene Frage aufgeworfen, ob der Gesetzgeber nicht bereits gesetzgeberisch tätig geworden wäre, wenn er die Gefahr von Interessenkollisionen bei Syndikusrechtsanwälten in Konzernunternehmen sehen würde und ob rechtlich relevante Interessenkonflikte in den Fällen des § 46 Abs. 5 BRAO nicht letztlich zu verneinen seien,20 solange die Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers fingiert werden.21 Letztlich wird die Frage offengelassen, wenngleich Offermann-Burckart offensichtlich dazu tendiert, fallabhängig doch einen Verstoß gegen §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BORA bzw. gegen § 356 StGB anzunehmen, wenn ein Konzernsyndikusrechtsanwalt widerstreitende Interessen vertritt.22 Gegen diesen Gedanken der Parallele zum Eisenbahnrecht lässt sich einwenden, dass nach einer anderen in der Literatur vertretenen Auffassung bei der Bearbeitung von Rechtsangelegenheiten im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO gerade nicht ausschließlich Interessen des Arbeitgebers wahrgenommen werden.23 Zudem handelt es sich in den Fällen des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO nicht zwingend um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, sondern um eine gesetzliche Fiktion der dort aufgeführten Rechtsangelegenheiten als solche des Arbeitgebers.24 Der Gesetzgeber wollte damit klarstellen, dass sich die Rechtsberatungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts, die diesem bislang aufgrund der Regelung in § 2 Abs. 3 Ziff. 6 RDG zustand, auch weiterhin zusteht.25 Damit erstreckt sich zwar das Mandatsverhältnis zwischen Syndikusrechtsanwalt und Aktiengesellschaft auch auf konzernangehörige Unternehmen. Daraus folgt aber nicht, dass zwischen diesen Unternehmen keine rechtlich relevanten Interessenkollisionen auftreten können. Zwar sind einige Stimmen in der Literatur der Auffassung, dass § 46 Abs. 5 BRAO die Rechtsdienstleistungskompetenz für den Syndikusrechtsanwalt nicht erst begründet, sondern voraussetzt.26 Das steht der soeben geführten Argu20

Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320, 321, 323). 21 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320) unter Verweis auf die Gesetzesbegründung des Eisenbahnregulierungsgesetzes, BT-Drucks. 18/8334, S. 177. 22 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (323). 23 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (274). 24 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (275). Der Gesetzgeber bezeichnet die Regelung des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO als „Konkretisierung“, BT-Drucks. 18/5201, S. 30. Für ein solches Verständnis auch: BGH, Urteil vom 22.06.2020 – AnwZ (Brfg) 23/19, NJW 2020, 2966 (2968 Rn. 27 ff.); Bayerischer AGH, Urteil vom 30.09.2018 – BayAGH I-41/18, BRAK-Mitt. 2020, 106 (n. rkr., nur Leitsatz abgedruckt). 25 BT-Drucks. 18/5201, S. 30. 26 Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (246); Henssler/Deckenbrock, NJW 2016, 1345 (1348); ähnlich Kleine-Cosack,

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mentation jedoch nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber dem Arbeitgeber nie eine unerlaubte Tätigkeit im Sinne des § 3 RDG darstellt.27 Zudem wäre die anwaltliche Tätigkeit im Konzernverbund bereits nach § 2 Abs. 3 Ziff. 6 RDG zulässig.28 Auch der Gesetzgeber hat daher nur klarstellend regeln wollen, dass ein Syndikusrechtsanwalt Rechtsangelegenheiten in verbundenen Unternehmen wahrnehmen darf.29 Bei den in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO aufgeführten Rechtsdienstleistungen handelt es sich aber nicht um solche Rechtsdienstleistungen, die stets zugunsten des Arbeitgebers erbracht werden können. Einer Tätigkeit kann im Einzelfall auch das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen entgegenstehen, wenn Rechtsangelegenheiten bearbeitet werden sollen, die dem Interesse des Arbeitgebers entgegenstehen. Dies zeigt ein Blick auf § 2 Abs. 3 Ziff. 6 RDG. Danach sind zwar Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen mangels Fremdheit keine Rechtsdienstleistungen.30 Aus diesem Grund dürfen zum Beispiel ein zentrales Mahnwesen, eine zentrale Stelle zur Forderungseinziehung und eine zentrale Rechtsabteilung eingerichtet werden.31 Sofern Spezialvorschriften jedoch eine Rechtsberatung in bestimmten Angelegenheiten untersagen, ist die Rechtsberatung im Konzern unter Umständen doch unzulässig.32 Um eine solche Spezialregelung handelt es sich aber gerade beim Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. Gegen die Auffassung von Offermann-Burckart sprechen weiterhin auch gesellschaftsrechtliche Erwägungen. Innerhalb eines Konzerns existiert kein einheitliches Konzerninteresse.33 Es ist zwar denkbar, dass das herrschende Unternehmen ein Konzerninteresse mit Wirkung für die beherrschten Unternehmen definiert.34 Schon die Regelungen der §§ 309 und 317 AktG zeigen jedoch, dass nicht in allen Fällen von einem Interessengleichlauf zwischen den Konzernunternehmen ausge-

AnwBl. 2016, 101 (107 f.); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (319 f.). 27 So die Begründung von Deckenbrock/Henssler, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 224 (246) zur Auffassung, dass § 46 Abs. 5 BRAO keine Rechtsdienstleistungskompetenz begründe; ebenso Henssler/Deckenbrock, NJW 2016, 1345 (1348); Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220); in diesem Sinne auch Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (107); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320). 28 Hierzu Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215 (220); Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (320). 29 BT-Drucks. 18/5201, S. 30. 30 BT-Drucks. 16/3655, S. 50; näher hierzu Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock/Henssler, RDG, § 2 Rn. 140. 31 Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock/Henssler, RDG, § 2 Rn. 143. 32 Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock/Henssler, RDG, § 2 Rn. 143 unter Verweis auf § 9a Abs. 1 S. 2 Ziff. 5 AEG a. F. 33 Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106). 34 Grunewald, in: Festschrift für Prütting, S. 941 (944).

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Kap. 6: Konzernrechtliche Besonderheiten

gangen werden kann,35 sodass trotz der Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO widerstreitende Interessen im Rechtssinne auftreten können. Andernfalls müsste man es für zulässig erachten, dass der Syndikusrechtsanwalt sämtliche konzernangehörige Unternehmen unter Umständen auch gegeneinander vertritt.36 Das wäre jedoch mit dem Schutzzweck des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen und der Stellung des Syndikusrechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege unvereinbar. Zutreffend wird in der Literatur vor einem „Sonder-Berufsrecht für Syndikusrechtsanwälte“37 gewarnt. Die Regelung des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO rechtfertigt die Annahme einer Privilegierung des Syndikusrechtsanwalts im Hinblick auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht. Im Ergebnis kann auch ein Konzernsyndikusrechtsanwalt Tätigkeiten ausüben, die unter das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO fallen. Auch in Konzernstrukturen können rechtlich relevante Interessenkonflikte auftreten. Rechtlich relevante Interessenkonflikte wären in den Fällen des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO nur zu verneinen, wenn man in § 46 Abs. 5 BRAO eine Spezialregelung zu § 43a BRAO sehen würde.38 Allerdings fehlt es an entsprechenden Anhaltspunkten dafür, dass der Gesetzgeber mit § 46 Abs. 5 BRAO eine Spezialregelung zu § 43a BRAO schaffen wollte. Die Gesetzesmaterialien sprechen vielmehr dafür, dass die Regelung des § 43a BRAO für Syndikusrechtsanwälte uneingeschränkt Anwendung findet, § 46c Abs. 1 BRAO.39 Im Übrigen ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber das Problem der Interessenkonflikte bei Konzernsyndikusrechtsanwälten erkannt und gleichwohl auf eine Regelung zu Interessenkonflikten verzichtet hat. In Fall 7 besteht daher ein rechtlich relevanter Interessenkonflikt, da der Syndikusrechtsanwalt denselben Lebenssachverhalt aus zwei verschiedenen Perspektiven rechtlich bewerten soll.40 Dieser Interessenkonflikt besteht sowohl aus objektiver als auch aus subjektiver Sicht. Aus subjektiver Sicht wären zwar die Interessen im Einzelfall konkret zu ermitteln, es ist jedoch nur schwer vorstellbar, dass die Beteiligten in dem Beispielsfall 7 zu der subjektiven Auffassung kommen könnten, dass gleichlaufende Interessen vorliegen.

35

(278). 36

Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266

Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106). Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (106). 38 Grundlegend zu dieser Frage: Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (275 ff.). 39 Siehe dazu Kapitel 4 § 1 A. 40 Zur Definition des Interessenwiderstreits Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 169 unter Verweis auf Henssler, NJW 2001, 1521 (1522) sowie BGHZ 112, 345 (349 f.). Siehe auch Grunewald, AnwBl. 2005, 437 (439) sowie Offermann-Burckart, AnwBl. 2011, 809 (810). 37

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II. Berufliche Vorbefasstheit Zweitens müsste das Merkmal der beruflichen Vorbefasstheit erfüllt sein. Dazu ist es erforderlich, dass der Syndikusrechtsanwalt beruflich tätig wird und Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers bearbeitet. In Kapitel 3 wurde ausgeführt, dass es sich nach der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO bei der Beteiligung Dritter an einem rechtlichen Vorgang nur dann um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt, wenn schwerpunktmäßig die Interessen des Arbeitgebers verfolgt werden sollen. Handelt es sich nach diesen Grundsätzen nicht um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, greift das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a Abs. 4 BRAO nicht, wie in Kapitel 4 dargestellt wurde. Die Rechtslage ist in Konzernsachverhalten jedoch eine andere. Anders als in der grundsätzlich vergleichbaren Konstellation des Beispielsfalls 641, in der der Syndikusrechtsanwalt mit der Beratung des Vorstands der Aktiengesellschaft im Hinblick auf die Zulässigkeit eines vom Aufsichtsrat beschlossenen Zustimmungsvorbehalts beauftragt wurde, nachdem er zuvor den Aufsichtsrat in derselben Angelegenheit beraten hatte, können die Rechtsangelegenheiten in Fall 7 aufgrund der gesetzlichen Fiktion unproblematisch als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers eingeordnet werden. Diese Rechtsangelegenheiten werden aufgrund einer gesetzlichen Fiktion in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers behandelt, obwohl hier möglicherweise Interessenkollisionen drohen. Innerhalb dieser Angelegenheiten ist das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen relevant und zu berücksichtigen, da die Beratungstätigkeit, anders als bei der Beratung des Vorstands in Beispielsfall 5, nach § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO gerade zulässig ist, obwohl die (zunächst abstrakte) Gefahr von Interessenkollisionen besteht. Wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt wurde, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt, keine gesonderte Regelung zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für Syndikusrechtsanwälte zu schaffen. Die Bearbeitung der Rechtsangelegenheit für die Muttergesellschaft muss als berufliche Vorbefassung im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO einzuordnen sein. Wann eine berufliche Vorbefassung des (Syndikus-)Rechtsanwalts zu bejahen ist, ist umstritten. Die Literatur fordert für das Vorliegen eines Kollisionsmandats eine andere Vorbefassung im Sinne einer Vorbefassung im Rahmen einer beruflichen Zweittätigkeit.42 Nach derzeitigem Verständnis wird das Merkmal der anderen Vorbefassung mit einer Zweittätigkeit in einem zweiten Rechtsverhältnis gleichgesetzt, solange es sich nicht um eine echte zweitberufliche Tätigkeit handelt. Letztere wären unter § 45 BRAO zu subsumieren.43 Diesem Streit kommt bei der Lösung von Fall 7 al41 42 43

Kapitel 4 § 1 D. Siehe oben unter Kapitel 4 § 1 D I. 2. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 197.

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lerdings keine entscheidende Bedeutung zu, da bereits eine anwaltliche Vorbefassung des Syndikusrechtsanwalts zu bejahen ist. Diese setzt voraus, dass der Syndikusrechtsanwalt jedenfalls die erste Tätigkeit als Rechtsanwalt bearbeitet hat.44 Das wäre in dem gebildeten Beispielsfall 7 der Fall, da die erste Tätigkeit, die Erstellung der Darlehensbedingungen, innerhalb der Beratungstätigkeit für die Muttergesellschaft ausgeübt wurde. Problematisch ist jedoch, dass der Syndikusrechtsanwalt in der geschilderten Fallkonstellation nur in einem Mandatsverhältnis zur Muttergesellschaft steht und die Rechtsangelegenheiten der Tochtergesellschaft aufgrund der Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO bearbeitet. An dieser Stelle würde sich der Gedanke, dass Rechtsangelegenheiten im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO keine rechtlich relevanten Interessenkollisionen begründen können, erneut auswirken. Auch wenn der Syndikusrechtsanwalt nur in einem Mandatsverhältnis zur Muttergesellschaft steht, lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass ein Konzernsyndikusrechtsanwalt das Merkmal der beruflichen Vorbefassung nicht erfüllen kann. Da es sich bei den Rechtsangelegenheiten des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO lediglich um eine Fiktion der dort genannten Angelegenheiten als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgeberunternehmens handelt, diese Angelegenheiten aber nicht tatsächlich zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitgeberunternehmens werden, ist das Merkmal der beruflichen Vorbefassung in diesem Fall trotzdem verwirklicht. Insoweit ist dem Merkmal des zweiten Mandatsverhältnisses, abweichend von der herrschenden Meinung und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsberatung durch den Syndikusrechtsanwalt im Konzern, eine geringere Bedeutung zuzumessen. Das ist erforderlich, um den allgemeinen berufsrechtlichen Grundpflichten auch im Bereich des Rechts der Syndikusrechtsanwälte zur Geltung zu verhelfen. Denn die Tätigkeit erfüllt die in Kapitel 4 zitierte Definition der beruflichen Vorbefassung: Soll der Konzernsyndikusrechtsanwalt, wie in dem Beispielsfall 7, für ein konzernangehöriges Unternehmen tätig werden, nachdem er bereits in derselben Rechtssache als Rechtsanwalt der Arbeitgeber-Aktiengesellschaft (Konzernmutter) tätig war, soll eine Rechtssache bearbeitet werden, die der Rechtsanwalt bereits in anderer Eigenschaft beruflich bearbeitet hat. Damit ist er mit der Rechtssache beruflich vorbefasst. Ein erneutes Tätigwerden ist ihm nach § 43a Abs. 4 BRAO untersagt. Für ein solches Verständnis spricht, dass auch bei Kanzleianwälten in Sozietäten eine bloße Mitarbeit an einem konkreten Mandat genügt, ohne dass es eines gesonderten Mandatsverhältnisses zwischen dem mitarbeitenden Rechtsanwalt und dem Mandanten des Kollegen bedarf.45 Entscheidend ist, dass der Rechtsanwalt 44 Siehe dazu Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 196 f. unter Verweis auf BGHSt 45, 148 (153); BGHSt 24, 191 (191 f.); BGHSt 20, 41 (42); BGHSt 13, 231 (232). Ausführlich dazu bereits Kapitel 4 § 1 D. I. 2. a). 45 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 3 BORA Rn. 32; dem folgend Hirtz, NJW 2019, 2265 (2268).

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beruflich als Rechtsanwalt tätig wird.46 Es ist daher aufgrund der Besonderheiten des Rechts der Syndikusrechtsanwälte erforderlich, dem Merkmal eines zweiten Mandatsverhältnisses eine geringere Bedeutung zuzumessen. Eine berufliche Tätigkeit kann bei einem Syndikusrechtsanwalt in Konzernsachverhalten auch ohne ein zweites Mandatsverhältnis bejaht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch eine Strafbarkeit wegen Parteiverrats nach § 356 StGB bereits dann in Betracht kommt, wenn der Rechtsanwalt nicht beiden Parteien beruflich dient.47 Zudem zeigt der Vergleich zur Beratung beider Gesellschaften durch einen externen Rechtsanwalt, dass dieser zwei Mandatsverhältnisse begründen müsste, um für beide Seiten tätig zu werden. Würde der Kanzleirechtsanwalt in einem vergleichbaren Sachverhalt für beide Seiten tätig werden, würde er widerstreitende Interessen vertreten. Da der Syndikusrechtsanwalt nur aufgrund der Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO für beide Seiten tätig werden darf, kann für die Verwirklichung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen nicht entscheidend sein, dass der Syndikusrechtsanwalt nur in einem Mandatsverhältnis zur Muttergesellschaft steht. Genau wie ein Kanzleirechtsanwalt wechselt der Syndikusrechtsanwalt in dem Beispielsfall die Seiten und ist daher im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO als beruflich vorbefasst anzusehen. III. Vertretung widerstreitender Interessen Drittens müsste der Syndikusrechtsanwalt die festgestellten widerstreitenden Interessen auch tatsächlich vertreten. Dies erfordert die Beratung und Vertretung zwei verschiedener Parteien in derselben Rechtssache. 1. Mutter- und Tochtergesellschaften als Parteien Zunächst muss es sich bei Mutter- und Tochtergesellschaft in dem gebildeten Beispielsfall um zwei verschiedene Parteien im Sinne der §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 S. 1 BORA handeln. In Kapitel 4 wurde der Parteibegriff unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und die Literatur wie folgt definiert: „Partei ist jede an einer Rechtssache rechtlich beteiligte natürliche oder juristische Person.“48 Bei diesem Prüfungspunkt wirkt sich die unter Ziff. 1 dieses Abschnitts dargestellte Diskussion nochmals aus. Es stellt sich auch hier die Frage, ob konzernangehörige Unternehmen eine andere Partei im Sinne der §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 S. 1 BORA sein können. Diese Frage wäre zu verneinen, wenn man in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO eine Spezialregelung zu § 43a Abs. 4 BRAO sehen und Interes46

Deckenbrock, S. 155 Rn. 260. Deckenbrock, S. 85 Rn. 117. 48 Offermann-Burckart, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 304 (308) unter Verweis auf BGHSt 45, 148 (152). 47

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senkonflikte im Hinblick auf die Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO verneinen würde. Nach der hier vertretenen Auffassung werden bei der Beratung und Vertretung mehrerer konzernangehöriger Unternehmen jedoch verschiedene juristische Personen beraten, die somit Partei im Sinne der §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 S. 1 BORA sind. Das ergibt sich bereits aus der soeben zitierten Definition: Bei mehreren konzernangehörigen Unternehmen handelt es sich um rechtlich selbstständige juristische Personen, § 15 AktG, die an derselben Rechtssache beteiligt sein können.49 Zudem handelt es sich bei den Rechtsangelegenheiten im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO nur aufgrund der gesetzlichen Fiktion, nicht aber zwingend auch tatsächlich, um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers.50 Zudem würde es zu einer von dem Gesetzgeber nicht beabsichtigten Umgehung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen kommen, nähme man die in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO aufgeführten Rechtsangelegenheiten unter Verweis auf die gesetzliche Fiktion von vornherein aus dem Tatbestand des § 43a Abs. 4 BRAO heraus. Bei der Tätigkeit innerhalb eines Konzerns wird der Syndikusrechtsanwalt daher im Ergebnis für zwei oder mehrere verschiedene Parteien anwaltlich tätig. In dem Beispielsfall 7 handelt es sich bei der Mutter- und der Tochtergesellschaft um zwei verschiedene Parteien im Sinne des Berufsrechts.51 2. Vertretung mehrerer Parteien Weiterhin muss der Syndikusrechtsanwalt beide Parteien im widerstreitenden Interesse vertreten. In Kapitel 4 wurde bereits dargestellt, dass die Reichweite des Vertretungsbegriffs in der Literatur unterschiedlich beurteilt wird. Im Wesentlichen wird diese Diskussion parallel zur Diskussion um den Begriff der beruflichen Vorbefassung geführt. Umstritten ist, ob nur anwaltliche Tätigkeiten oder auch nichtanwaltliche Tätigkeiten von dem Vertretungsbegriff umfasst werden.52 Insgesamt nähern sich diese Ansichten jedoch unter Berücksichtigung der strafgerichtlichen Rechtsprechung an. Es besteht auch in der Literatur Einigkeit darüber, dass auf den Begriff des pflichtwidrigen Dienens im Sinne des § 356 StGB abgestellt werden kann.53 Danach ist es einem Rechtsanwalt verboten, einer Partei Rat und Beistand zu 49 In diesem Sinne auch Gesamtvorstand der RAK Berlin, Protokoll der Klausurtagung vom 22./23.09.2017, TOP 4, S. 13 ff., abrufbar unter www.rak-berlin.de/download/rak_berlin_pdfs_ vorstandsprotokolle/2017_09_22und23_Prot_TO_KlausurTagg.pdf, Abruf am 21.11.2020. 50 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (275). 51 A. A. BUJ (Hrsg.), Leitfaden Berufsrecht, S. 16 f. Da es sich bei Konzernrechtsangelegenheiten aufgrund der Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO nicht um fremde Angelegenheiten handele, könne es sich bei mehreren konzernangehörigen Unternehmen nicht um verschiedene Parteien handeln. 52 Siehe dazu Kapitel 4 § 1 D. I. 3. a) bb) (1). 53 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 66; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 186b. Zur Bedeutung des „pflichtwidrigen Dienens“ im Rahmen von § 356 StGB grundlegend Grunewald, AnwBl. 2005, 437 (438 ff.).

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leisten, „nachdem er einer anderen Partei in derselben Sache, aber im entgegengesetzten Sinne bereits Rat und Beistand gewährt hat“.54 Unter Berücksichtigung dieser Definition ist das Merkmal des Vertretens in dem Beispielsfall 7 nach beiden Ansichten zu bejahen. Dem Streit kommt bei der Lösung von Fall 7 daher keine entscheidende Bedeutung zu, da bereits eine anwaltliche Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts vorliegt. An dieser Stelle lassen sich die zum Merkmal der beruflichen Vorbefassung gefundenen Ergebnisse auf das Merkmal der Vertretung übertragen: Mit den beabsichtigten Tätigkeiten würde der Syndikusrechtsanwalt beiden Parteien durch das Leisten von Rat und Beistand dienen. Dieses Dienen wäre in dem Moment der Tätigkeit für die Tochtergesellschaft pflichtwidrig, da der Syndikusrechtsanwalt zuvor bereits die Muttergesellschaft in derselben Angelegenheit rechtlich beraten hat. Zwar besteht nur ein Mandatsverhältnis des Syndikusrechtsanwalt zur Muttergesellschaft und kein gesondertes Mandatsverhältnis zur Tochtergesellschaft. Anders als in dem in Kapitel 4 geschilderten Beispielsfall 555 führt das hier jedoch nicht dazu, dass das Merkmal des Vertretens widerstreitender Interessen zu verneinen wäre. In dem Beispielsfall Nr. 5 war die Tätigkeit bereits nach § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO unzulässig, während die Tätigkeit in dem hier zu untersuchenden Fall gemäß § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO gerade zulässig und der Anwendungsbereich des § 43a Abs. 4 BRAO eröffnet ist. Insoweit gelten die Ausführungen zum Merkmal der beruflichen Vorbefassung entsprechend: Bei den Rechtsangelegenheiten des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO handelt es sich lediglich um eine Fiktion der dort genannten Angelegenheiten als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Diese Angelegenheiten werden aber nicht tatsächlich zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, sodass es möglich bleibt, verschiedene Parteien im widerstreitenden Interesse zu vertreten. Etwas anderes würde nur gelten, wenn man die nach § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO erlaubten Rechtsdienstleistungen auf solche Dienstleistungen beschränkt, die im Interesse des Arbeitgeberunternehmens ausgeübt werden. Eine solche Einschränkung sieht das Gesetz allerdings nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal der Vertretung kann vor diesem Hintergrund innerhalb des Tatbestands des § 43a Abs. 4 BRAO nicht allein auf das Bestehen mehrerer Mandatsverhältnisse reduziert werden. Dem Merkmal des zweiten Mandatsverhältnisses ist, abweichend von der herrschenden Meinung und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsberatung durch den Syndikusrechtsanwalt im Konzern, eine geringere Bedeutung zuzumessen. Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass für ein verbotenes Tätigwerden im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO der Abschluss eines Mandatsvertrags bzw. ein Tätigwerden aufgrund 54

BVerfG, Beschluss vom 24.05.2001 – 2 BvR 1373/00, NJW 2001, 3180 (3180 f.) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen zu § 356 StGB. Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 4 § 1 D. I. 3. a) bb) (1). 55 Kapitel 4 § 1 D.

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eines Mandatsvertrags erforderlich ist,56 zielt das erkennbar darauf ab, damit nur nichtanwaltliche Tätigkeiten vom Tatbestand des § 43a Abs. 4 BRAO auszuschließen.57 Es ist zudem zu berücksichtigen, dass das Erfordernis eines zweiten Mandatsverhältnisses in § 43a Abs. 4 BRAO nicht niedergeschrieben ist. Das Merkmal wird aus verfassungsrechtlichen Gründen zwar für notwendig erachtet, da der Tatbestand des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen restriktiv auszulegen sei.58 Gleichwohl sollen ausdrücklich nur so genannte Vorfeldtätigkeiten nicht unter § 43a Abs. 4 BRAO fallen.59 Für das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen selbst ist es auch nach dieser Auffassung ausreichend, wenn der Rechtsanwalt sich zum Diener zweier Herren macht.60 Das ergibt sich aus der Parallele des Merkmals zur strafrechtlichen Regelung des § 356 StGB.61 Die Situation ist in dem gebildeten Beispielsfall aber eine völlig andere, da der Syndikusrechtsanwalt aus einem Mandatsverhältnis zur Muttergesellschaft heraus zugleich eine Dritte, rechtlich selbstständige, juristische Person beraten und vertreten will. Dieser Umstand macht es erforderlich, den Vertretungsbegriff des § 43a Abs. 4 BRAO auf die Fälle zu erweitern, in denen zwei selbstständige juristische Personen von einem Syndikusrechtsanwalt auf Grundlage der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BRAO beraten und/oder vertreten werden sollen. Im vorliegenden Fall kommt es daher zu einem pflichtwidrigen Dienen, da der Syndikusrechtsanwalt aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO für beide Parteien anwaltlich tätig wird. Für dieses Verständnis des Tatbestandsmerkmals der Vertretung spricht, dass nach einer verbreiteten Auffassung jede anwaltliche Tätigkeit im widerstreitenden Interesse nach einer entsprechenden Vorbefassung verboten sein soll,62 da jegliche Form der anwaltlichen Mandatsbearbeitung in den Tatbestand des § 43a 56

Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 8; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 188; Deckenbrock, S. 159 Rn. 268. 57 In diesem Sinne Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 8, der nicht nur ein Mandatsverhältnis, sondern unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 – 1 BvR 1886/06, NJW 2008, 1298 (1300) eine „Effektuierung“ des Mandatsvertrags fordert. 58 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 188. 59 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 188; Deckenbrock, S. 159 Rn. 268. Darunter fallen zum Beispiel allgemeine Auskünfte, Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 59; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 191; auch ein Vertragsanbahnungsverhältnis ist als Vorfeldtätigkeit einzuordnen, Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 192. Str. für so genannte beauty contests, Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 190, m. w. N.; zu beauty contests auch Feuerich/Träger, § 43a Rn. 59. 60 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 189. 61 Hierzu Deckenbrock, S. 160 Rn. 270. 62 Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 66; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 186b; Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/FAO, § 3 BORA Rn. 59, 61; sämtliche unter Verweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/4993, S. 27, nach der die berufsrechtliche Regelung über die Regelung des § 356 StGB hinausgehen soll; weiterhin Gaier/Wolf/ Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 8.

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Abs. 4 BRAO fällt.63 Auch ohne ein gesondertes Mandatsverhältnis zur Tochtergesellschaft würde der Syndikusrechtsanwalt nach einer entsprechenden Vorbefassung im widerstreitenden Interesse für eine andere Partei tätig werden. In dem Beispielsfall 7 ist eine Vertretung zweier Parteien im widerstreitenden Interesse daher zu bejahen. Denn der Syndikusrechtsanwalt soll der Tochtergesellschaft im Rahmen seiner Befugnisse nach § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO Rat und Beistand leisten, nachdem er zuvor bereits die Muttergesellschaft in derselben Angelegenheit im entgegengesetzten Interesse beraten hat. Er soll für B einen Darlehensvertrag vorbereiten, den B mit der Muttergesellschaft abschließen will, nachdem er bereits für die A einen Darlehensvertrag mit abweichenden Darlehensbedingungen vorbereitet und B als Bedingung der Muttergesellschaft übermittelt hat hat. Insoweit würde ein Kanzleirechtsanwalt widerstreitende Interessen vertreten, da er zwei verschiedene Mandanten in derselben Angelegenheit im widerstreitenden Interesse betreut. Allein aufgrund der Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO werden verschiedene konzernangehörige Gesellschaften aber nicht zu einem einheitlichen Mandanten. IV. Ergebnis: Tätigkeitsverbot im Beispielsfall Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Syndikusrechtsanwalt in dem gebildeten Beispielsfall 7 nicht für das Tochterunternehmen anwaltlich tätig werden dürfte, da er andernfalls gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstieße. Dieses praxisrelevante Fallbeispiel aus dem Beratungsalltag eines Konzerns verdeutlicht die grundsätzlichen Risiken, denen der Konzernsyndikusrechtsanwalt im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit ausgesetzt ist. Zusammenfassend kann die Rechtslage zur Problematik der widerstreitenden Interessen im Konzern aus Sicht des anwaltlichen Berufsrechts als „derzeit ungeklärt“ bezeichnet werden. Literatur und Rechtsprechung haben die Problematik der widerstreitenden Interessen im Konzern bislang nicht vertieft behandelt, sodass derzeit noch Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 43a Abs. 4 BRAO bestehen. Allerdings lassen sich die Tätigkeiten des Syndikusrechtsanwalts innerhalb verbundener Unternehmen auch unter die bestehenden Definitionen der Tatbestandsmerkmale des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen subsumieren. Es sollte stets abgewogen werden, in welchem Umfang und in welchen Rechtsbereichen die Beratung und Vertretung von Tochtergesellschaften durch einen Konzernsyndikusrechtsanwalt möglich und zulässig ist. Zur Vermeidung späterer Tätigkeitsverbote sollte die Übernahme von Beratungsanfragen immer im Hinblick auf potenzielle Interessen der Muttergesellschaft und Arbeitgeberin des Syndikusrechtsanwalts überprüft werden.

63

Deckenbrock, S. 160 Rn. 270.

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Trotz dieser Schwierigkeiten kann aber aus den bereits erwähnten europarechtlichen Gründen nur nochmals vor Ausnahmen von dem in § 43a Abs. 4 BRAO geregelten Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zugunsten des (Konzern-)Syndikusrechtsanwalts gewarnt werden.

C. Umgehungsmöglichkeit durch arbeitsrechtliche Weisung Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Problem der widerstreitenden Interessen durch eine arbeitsrechtliche Weisung umgangen werden kann. Zu Beginn des vierten Kapitels wurde dargestellt, dass noch immer umstritten ist, ob Interessenkonflikte nach objektiven oder subjektiven Kriterien zu bestimmen sind. Folgt man, entgegen der derzeit noch unklaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der subjektiven Theorie, die zur Bewertung von Interessenkonflikten auf das subjektive Interesse und den Willen des Mandanten abstellt,64 wäre es grundsätzlich denkbar, dass die Muttergesellschaft den Syndikusrechtsanwalt als dessen Arbeitgeberin anweist, auch ihre Tochtergesellschaft zu beraten und zu vertreten, wenn die Beteiligten mit der Beratung und Vertretung durch denselben Rechtsanwalt einverstanden sind. Voraussetzung für eine gemeinsame Beratung und Vertretung wäre lediglich, dass die Parteien, anders als in Fall 7, zum Zeitpunkt der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts gleichgelagerte Interessen verfolgen.65 Die nur theoretische Möglichkeit des Auftretens widerstreitender Interessen steht einer Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nicht entgegen.66 Widerstreitende Interessen zwischen konzernangehörigen Gesellschaften sind zum Beispiel bei dem Abschluss von Liefer- oder Dienstleistungsverträgen zwischen den Gesellschaften denkbar, wobei die Gesellschaften nach der subjektiven Theorie in die Beratung und Vertretung durch denselben Rechtsanwalt einwilligen können, wenn die Vertretung sich auf die gemeinsamen Interessen, also zum Beispiel auf den reinen Abschluss eines bestimmten und von beiden Seiten gewollten Vertrags, beschränkt.67 Dass dabei theoretisch Interessenkonflikte auftreten können, ist zunächst unbeachtlich. Obwohl der Syndikusrechtsanwalt nur 64 In der Literatur wird zur Einordnung/Bewertung von Interessenkonflikten nach wie vor die subjektive Theorie vertreten, Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 172; Henssler/ Deckenbrock, NJW 2012, 3265 (3267); Kilian, WM 2000, 1366 (1368); differenzierend Gaier/ Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 6, Rn. 31, nach dessen Auffassung ist das subjektive Interesse des Mandanten objektiv zu würdigen; ähnlich Offermann-Burckart, AnwBl. 2005, 312 (314). Ausführlich zum Meinungsstreit und zur Begründung der subjektiven Theorie Deckenbrock, S. 99 ff. Rn. 145 ff.; siehe zum Meinungsstreit ausführlich Kapitel 4 § 1 B. II. 1. 65 Siehe zu den Anforderungen einer Vertretung mehrerer Beteiligter mit gleichlaufenden Interessen nur Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 65. 66 Erst das Auftreten konkreter Interessenkonflikte zwingt den Syndikusrechtsanwalt zum Handeln. Dazu Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 65. 67 Siehe BGH, Beschluss vom 04.02.2010 – IX ZR 190/07, Rn. 4, zit. nach juris.

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zu seinem Arbeitgeber in einem Mandatsverhältnis steht, ist er aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO zur Wahrnehmung der Angelegenheiten einer Tochtergesellschaft befugt, sodass eine beidseitige Vertretung möglich und, selbst wenn zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft unterschiedliche oder gar widerstreitende Interessen bestehen, zulässig ist, solange sich die Vertretung auf die gemeinsamen Interessen der Beteiligten beschränkt und die Parteien mit der Vertretung einverstanden sind. Anders wäre das jedoch in dem Beispielsfall 7. In dieser Konstellation würde ein tatsächlicher Interessenkonflikt auftreten, da die Vorbereitung und Verhandlung divergierender Vertragsparameter für beide Gesellschaften zu einem konkreten Interessenkonflikt führen würde. Würde der Syndikusrechtsanwalt in einer solchen Situation für beide Gesellschaften tätig werden, müsste er in der Folge beide Mandate niederlegen, § 3 Abs. 4 BORA.68 Das gilt sowohl nach der subjektiven als auch nach der objektiven Theorie.69 Durch das Niederlegen nur eines Mandats wird der Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht beseitigt.70 Für den Syndikusrechtsanwalt würde das bedeuten, dass er jedenfalls in dieser Angelegenheit für keine Seite mehr tätig werden könnte. Gegenüber der Muttergesellschaft könnte er dann seine arbeitsrechtlichen Pflichten jedenfalls teilweise nicht mehr erfüllen. Das gilt es zu vermeiden. Nach der neuerdings vom Bundesgerichtshof wieder vertretenen objektiven Theorie ist der subjektive Wille des Mandanten hingegen unerheblich, sodass eine solche Weisung berufsrechtlich unbeachtlich wäre. Die anwaltliche Tätigkeit wäre daher verboten, sobald ein konkreter Interessenkonflikt vorliegt.71 In dem skizzierten Fall wäre die Weisung der Arbeitgeberin daher mit Auftreten des konkreten Interessenkonflikts unbillig und muss bzw. darf durch den Syndikusrechtsanwalt nicht befolgt werden, da von Anfang an ein Interessenkonflikt und damit ein Verstoß gegen das Berufsrecht vorliegt. Unbillige Weisungen von Arbeitgebern müssen von Arbeitnehmern nicht befolgt werden.72

68

Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 65; Gaier/Wolf/Göcken/Zuck, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn. 36; Hartung/Scharmer/v. Falkenhausen, BORA/FAO, § 3 BORA Rn. 189; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 209; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rn. 227; Deckenbrock, AnwBl. 2010, 221 (222); de Raet, AG 2016, 225 (231). 69 de Raet, AG 2016, 225 (231). 70 de Raet, AG 2016, 225 (231 f.). 71 BGH, Urteil vom 23.04.2012 @ AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 (3041 Rn. 14). Zum Erfordernis des konkreten Interessenkonflikts auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 171, 174. 72 BAG, Urteil vom 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 (1459 Rn. 63 ff.); ausführlich dazu Kapitel 3 § 3 A. II. 3.

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Kap. 6: Konzernrechtliche Besonderheiten

D. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass das Problem der widerstreitenden Interessen im Konzern auch praktisch von großer Bedeutung ist. Eine „Umgehung“ des Problems durch entsprechende arbeitsrechtliche Weisungen ist auch bei einer subjektiven Interessenbestimmung nicht möglich, bzw. setzt gleichgelagerte Interessen zwischen den Parteien voraus. Ein Syndikusrechtsanwalt in einem Konzernunternehmen und dessen Arbeitgeber sollten zur Vermeidung berufsoder gar strafrechtlicher Nachteile stets genau prüfen, ob eine Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO vor dem Hintergrund des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen möglich ist oder nicht.

§ 3 Verschwiegenheitspflichten im Konzern Problematisch und bislang nicht abschließend geklärt ist weiterhin die Frage, ob und in welchem Umfang der Syndikusrechtsanwalt im Konzern die Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO gegenüber den einzelnen konzernangehörigen Unternehmen oder gar seinem Arbeitgeberunternehmen beachten muss. Auch die rechtliche Einordnung der Verschwiegenheitspflichten im Konzern ist davon abhängig, ob es sich bei § 46 Abs. 5 BRAO um eine Sonderregelung zu § 43a BRAO im Sinne des § 46c Abs. 1 BRAO handelt. Diese Problematik wurde bereits eingehend erörtert.73 Da es sich nach der hier vertretenen Auffassung bei § 46 Abs. 5 BRAO nicht um eine Spezialregelung im Sinne des § 46c Abs. 1 BRAO handelt, findet die Verschwiegenheitspflicht auf Syndikusrechtsanwälte uneingeschränkt Anwendung. Die im Zusammenhang mit den Syndikusrechtsanwälten auftretenden grundlegenden Probleme der Verschwiegenheitspflicht wurden bereits in Kapitel 4 erörtert. Nachfolgend soll daher lediglich auf einige Spezialprobleme im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Konzernverbund eingegangen werden. Bei konzernbezogenen Sachverhalten bestehen besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Bestimmung des jeweiligen Geheimnisträgers. Offen ist zudem die Frage, ob ein Syndikusrechtsanwalt auch anderen konzernangehörigen Unternehmen Verschwiegenheit schuldet und in der Folge gegenüber dem Arbeitgeberunternehmen, in der Regel also der Muttergesellschaft, zur Geheimhaltung bestimmter Tatsachen verpflichtet ist.

A. Mutter- und Tochtergesellschaften als Geheimnisträger Grundsätzlich ist die Gesellschaft, deren Arbeitnehmer der Syndikusrechtsanwalt ist, Geheimnisträger im Sinne der Verschwiegenheitspflicht des § 43a Abs. 2 73

Kapitel 4 § 1 A.

§ 3 Verschwiegenheitspflichten im Konzern

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S. 1 BRAO. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen in Kapitel 4 verwiesen werden. Für den Konzernsyndikusrechtsanwalt gilt nichts anderes. Im Regelfall wird die Konzernmutter Arbeitgeberin des Syndikusrechtsanwalts und damit Geheimnisträger im Sinne der Verschwiegenheitspflicht sein. Fraglich ist jedoch, ob auch eine Tochtergesellschaft, die gemäß § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO von dem Konzernsyndikusrechtsanwalt beraten wird, als Geheimnisträger im Sinne der Verschwiegenheitspflicht in Betracht kommt. Das ist zu bejahen. Nach § 15 AktG bleiben Unternehmen im Konzernverbund rechtlich selbstständige Unternehmen. Wenn der Syndikusrechtsanwalt auf Grundlage des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO ein solches Unternehmen berät, berät er eine selbstständige juristische Person.74 Er tut dies zwar nur aufgrund einer entsprechenden Weisung seines Arbeitgebers, kommt aber innerhalb dieser Tätigkeit notwendigerweise mit den Geheimhaltungsinteressen des Tochterunternehmens in Berührung und hat folglich auch dessen Geheimnisse gegenüber der Muttergesellschaft zu wahren.75 Erneut wirkt sich die besondere Stellung des Syndikusrechtsanwalts als Angestellter der Muttergesellschaft aus. Grundsätzlich setzt der Anwendungsbereich der Verschwiegenheitspflicht nach § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO zwar eine Kenntniserlangung des Geheimnisses im Rahmen der anwaltlichen Berufsausübung voraus.76 Dazu ist in der Regel ein Mandatsverhältnis oder wenigstens ein Anbahnungsverhältnis erforderlich.77 Da der Syndikusrechtsanwalt jedoch nach § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO gesetzlich dazu ermächtigt ist, auch Rechtsangelegenheiten innerhalb eines Konzernverbunds wahrzunehmen, kann es für die Anwendung der anwaltlichen Grundpflichten nicht darauf ankommen, ob auch zu den einzelnen Konzerngesellschaften ein Mandatsverhältnis besteht. Auch wenn der Syndikusrechtsanwalt nur einen Mandanten hat, entstehen gegenüber den nach § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO beratenen Gesellschaften Verschwiegenheitspflichten. Diese sind in den sie betreffenden Angelegenheiten jeweils Geheimnisträger im Sinne der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Die Rechtsangelegenheiten nach § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO werden nur als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers fingiert. Tatsächlich bleiben diese Rechtsangelegenheiten die Angelegenheiten rechtlich selbstständiger Unternehmen, vgl. § 15 AktG. Da der Syndikusrechtsanwalt für diese aufgrund der Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO anwaltlich tätig wird, gilt auch gegenüber diesen Unternehmen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nach § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO. 74

(276). 75

(276). 76

Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266

Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 46. Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 46a. Ebenso Hartung/Scharmer/Dietzel, BORA/FAO, § 46 BRAO Rn. 40. 77

210

Kap. 6: Konzernrechtliche Besonderheiten

B. Verschwiegenheitspflicht gegenüber Arbeitgeberunternehmen Daneben ist derzeit noch ungeklärt, ob diese Verschwiegenheitspflicht gegenüber einer Tochtergesellschaft dazu führen kann, dass der Syndikusrechtsanwalt auch gegenüber seinem Arbeitgeber zur Verschwiegenheit im Sinne einer Geheimhaltung der die Tochtergesellschaft betreffenden Angelegenheiten verpflichtet ist. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Frage, ob gegenüber dem Arbeitgeber Verschwiegenheitspflichten bestehen, auch im Hinblick auf die berufsrechtliche Regelung zur Verschwiegenheitspflicht anhand gesellschaftsrechtlicher Kriterien zu bestimmen ist.78 Ob im Einzelfall dem Arbeitgeber gegenüber Verschwiegenheitspflichten bestünden, sei anhand der jeweiligen Interessenlagen unter Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Konzernstruktur sowie der bestehenden Auskunfts- und Berichtspflichten zu beurteilen.79 Im Zweifelsfall sei zwar den Interessen des Arbeitgebers Vorrang einzuräumen.80 Gerade in Fällen, in denen Interessenkonflikte drohen, bestehe jedoch eine gesonderte Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Arbeitgeberunternehmen.81 In diesen Fällen sollten zur Vermeidung berufsrechtlicher Nachteile mehrere (Syndikus-)Rechtsanwälte eingeschaltet und organisatorische Maßnahmen wie zum Beispiel chinese walls zur Absicherung der berufsrechtlichen Pflichten eingerichtet werden.82 Diese Auffassung verdient Zustimmung. Auch wenn das Mandatsverhältnis des Syndikusrechtsanwalts allein zur Muttergesellschaft besteht, gelten die anwaltlichen Grundpflichten für den Konzernsyndikusrechtsanwalt auch im Hinblick auf Tochterunternehmen. Der Konzernsyndikusrechtsanwalt muss ggf. auch gegenüber einem Tochterunternehmen der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Andernfalls könnten die Interessen der Tochtergesellschaft unter Verletzung des anwaltlichen Berufsrechts regelrecht „ausgehebelt“ werden. Will der Syndikusrechtsanwalt nicht Gefahr laufen, das Mandat hinsichtlich einer bestimmten Angelegenheit beenden zu müssen,83 sollte von Anfang an gründlich überprüft werden, ob eine anwaltliche Tätigkeit im Konzern zu berufsrechtlichen Problemen führen kann. Vor der Beratung ist nach zutreffender Auffassung in der Literatur zwingend zu klären, welchem Beteiligten gegenüber welche Interessen wahrzunehmen sind und wem gegenüber Verschwie78

(277).

Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266

79 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (277 f.). 80 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (278). 81 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (278). 82 Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (278 f.). 83 Dies wäre die unvermeidliche Folge eines auftretenden Interessenkonflikts und der drohenden Verletzung der Verschwiegenheitspflicht. Näher dazu Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 (279).

§ 3 Verschwiegenheitspflichten im Konzern

211

genheitspflichten bestehen.84 In Zweifelsfällen sollte der Rechtsrat des Konzernsyndikusrechtsanwalts an die Beteiligten lauten, dass aus berufsrechtlichen Gründen ein anderer (Syndikus-)Rechtsanwalt mit der Beratung und Vertretung des Tochterunternehmens beauftragt werden muss. Das setzt allerdings voraus, dass entsprechende organisatorische Vorkehrungen zur Absicherung der anwaltlichen Grundpflichten getroffen wurden.85 Außerhalb dieser Problembereiche gilt hingegen, dass im Zweifel die Informationen einer Tochtergesellschaft auch für die Muttergesellschaft bestimmt sind und somit ohne Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht vom Konzernsyndikusrechtsanwalt an die Muttergesellschaft weitergegeben werden dürfen.86

C. Zusammenfassung Auch im Hinblick auf die anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit ist die Tätigkeit des Konzernsyndikusrechtsanwalts verschiedenen Risiken ausgesetzt. Abhängig von der Fallgestaltung im jeweiligen Einzelfall bestehen nicht nur Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem eigenen Mandanten des Syndikusrechtsanwalts, dem Arbeitgeberunternehmen, sondern auch gegenüber konzernangehörigen (Tochter-)Unternehmen. Es gilt daher das zu § 2 dieses Kapitels Gesagte entsprechend: Ein Syndikusrechtsanwalt in einem Konzernunternehmen und dessen Arbeitgeber sollten zur Vermeidung berufs- oder gar strafrechtlicher Nachteile stets genau prüfen, wem gegenüber in bestimmten Konstellationen Verschwiegenheitspflichten bestehen und wann die Einschaltung eines weiteren (Syndikus-)Rechtsanwalts unter Beachtung entsprechender organisatorischer Vorkehrungen (u. a. chinese walls) zur Absicherung der anwaltlichen Grundpflichten erforderlich ist. Sofern sich ein einheitlich definiertes Konzerninteresse feststellen lässt, ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob das dazu führt, dass gegenüber Tochterunternehmen keine Verschwiegenheitspflichten bestehen. Würde man Verschwiegenheitspflichten im Konzern ohne eine solche Prüfung mit einem pauschalen Verweis auf ein einheitliches Konzerninteresse stets verneinen, würde man die Reichweite der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht grundlegend verkennen.

84

(280). 85 86

(278).

Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 5 § 1 und Kapitel 6 § 4. Hermesmeier, in: BUJ (Hrsg.), Die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte, S. 266

212

Kap. 6: Konzernrechtliche Besonderheiten

§ 4 Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts im Konzern Im Hinblick auf die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts im Konzern kann im Wesentlichen auf die Ausführungen in Kapitel 5 verwiesen werden. Ebenso wie für die Tätigkeit innerhalb der Aktiengesellschaft haben der Arbeitgeber und der Syndikusrechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die berufsrechtlichen Pflichten beachtet werden. Wie bereits in dem Abschnitt zur Verschwiegenheitspflicht im Konzern angedeutet wurde, kann die Einhaltung der anwaltlichen Grundpflichten durch die Errichtung so genannter chinese walls und ggf. durch die Trennung der Rechtsabteilung in verschiedene Abteilungen für verschiedene Bereiche des Konzerns im Sinne mehrerer „Anwaltskanzleien im Unternehmen“ abgesichert werden. In Kapitel 5 bereits angedeutet, allerdings noch nicht abschließend behandelt, wurde zudem die Frage, ob ein Konzernsyndikusrechtsanwalt, der in einem Arbeitsverhältnis zur Muttergesellschaft steht, Mitglied eines Leitungs- oder Aufsichtsorgans einer Tochtergesellschaft sein kann. Diese Frage ist durchaus von praktischer Relevanz. Beispielsweise war der ehemalige Leiter der Rechtsabteilung der Lufthansa zugleich Mitglied des Aufsichtsrats der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines.87 Der Leiter der Rechtsabteilung des Volkswagenkonzerns ist seinerseits zugleich Vorstandsmitglied für den Bereich Recht und Compliance der Porsche Automobil Holding SE, die Inhaberin von mehr als 53,3 Prozent (Stand: 21.11.2020) der Stammaktien der Volkswagen AG ist.88 Auch wenn beide Manager offenbar nicht als Syndikusrechtsanwälte zugelassen sind, zeigt sich doch, dass eine personelle Verknüpfung zwischen Konzernrechtsabteilung und dem Management konzernangehöriger Gesellschaften auch in großen Gesellschaften vorkommt. Hingegen ist der General Counsel und Leiter Recht, Compliance, Revision und Regulierung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG als Syndikusrechtsanwalt zugelassen und zugleich Mitglied des Aufsichtsrats der EnBWAG sowie der VNG AG,89 an der die EnBWAG eine Mehrheitsbeteiligung von 74,21 Prozent (Stand: 21.11.2020) hält.90 87 www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2013/06/lufthansa-neuer-general-coun sel-kommt-aus-den-eigenen-reihen, Abruf am 21.11.2020; https://www.austrianairlines.ag/Aus trianAirlinesGroup/Management/SupervisoryBoard.aspx?sc_lang=de, Abruf am 24.02.2020; https://www.austrianwings.info/2020/04/wechsel-im-aufsichtsrat-von-austrian-airlines-1/, Abruf am 21.11.2020; vgl. bereits oben Kapitel 5 § 2 B. 88 www.volkswagenag.com/de/news/2015/12/Legal.html, Abruf am 21.11.2020; www.por sche-se.com/unternehmen/beteiligungen/, Abruf am 21.11.2020; vgl. bereits oben Kapitel 5 § 2 B. 89 www.enbw.com/media/investoren/docs/corporate-governance/lebenslaeufe-aufsichtsrats mitglieder/lebenslauf-zinow-neu_1902.pdf, Abruf am 21.11.2020; www.vng.de/de/unternehmen/aufsichtsrat, Abruf am 21.11.2020. 90 www.vng.de/de/unternehmen, Abruf am 21.11.2020.

§ 4 Die organisatorische Stellung des Syndikusrechtsanwalts im Konzern

213

Es ist zwar aktienrechtlich grundsätzlich zulässig, dass das herrschende Unternehmen ein Aufsichtsratsmitglied in das beherrschte Unternehmen entsendet, das zugleich einen Beratungsvertrag mit der Gesellschaft geschlossen hat.91 Diese Konstellation ähnelt der des Konzernsyndikusrechtsanwalts, der in einem Aufsichtsrat einer Tochtergesellschaft sitzt. Dennoch ist die Zulässigkeit einer parallelen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts in einem Organ eines konzernangehörigen Unternehmens aus den in Kapitel 5 ausführlich dargelegten Gründen zu verneinen: Ein Syndikusrechtsanwalt, der zugleich innerhalb des Konzerns operative Aufgaben oder Aufgaben im Rahmen der Überwachung der Geschäftsleistung wahrnimmt, ist nicht mehr hinreichend fachlich unabhängig im Sinne der §§ 43a Abs. 1, 46 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 BRAO. Das folgt daraus, dass eine unabhängige anwaltliche Beratung der konzernangehörigen Unternehmen und eine gleichzeitige operative Tätigkeit bzw. Aufsichtstätigkeit im Widerspruch stehen. Eine hinreichend effektive Trennung der Aufgabenbereiche ist praktisch kaum umsetzbar. Zudem drohen im Verhältnis der Mutter- zur Tochtergesellschaft Interessenkonflikte, die die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts beeinträchtigen. Schließlich droht eine Gefährdung der fachlichen Unabhängigkeit, wenn der Syndikusrechtsanwalt zugleich in das operative Geschäft eines Tochterunternehmens eingebunden ist. Es kann einzelfallabhängig nicht ausgeschlossen werden, dass z. B. der Konzernsyndikusrechtsanwalt als Vorstand eines Tochterunternehmens, das einen Beherrschungsvertrag mit der Muttergesellschaft geschlossen hat, Weisungen unterworfen ist, die seine fachliche Unabhängigkeit als Konzernsyndikusrechtsanwalt beeinträchtigen, vgl. § 308 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG. Das OLG Koblenz hat zwar in einem Urteil vom 29.11.2006 entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der die Tochtergesellschaft eines Unternehmens berät, deren Aufsichtsratsvorsitzender er ist, keine widerstreitenden Interessen verfolgt, wenn die Gesellschaftsinteressen im Wesentlichen gleich laufen.92 Daraus könnte man schlussfolgern, dass die Gefahr von Interessenkonflikten im Konzernverbund allgemein geringer ist und Beeinträchtigungen der anwaltlichen Unabhängigkeit weniger wahrscheinlich sind. Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt ist allerdings mit der Situation eines Syndikusrechtsanwalts, der ständig die Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft berät, nicht vergleichbar. In dem durch das OLG Koblenz entschiedenen Fall wurde ein einmaliger Beratungsvertrag im Hinblick auf den streitgegenständlichen Sachverhalt (Erwerb und Betrieb einer Windkraftanlage) geschlossen.93 Steht der Rechtsanwalt, wie der Konzernsyndikusrechtsanwalt, in einem ständigen Beratungsverhältnis zu konzernangehörigen Unternehmen, ist verstärkt mit nicht gleichlaufenden Interessen zu rechnen, sodass eine besondere 91

Semler, NZG 2007, 881 (885 f.). Umgekehrt darf ein Aufsichtsratsmitglied eines herrschenden Unternehmens mit einem beherrschten Unternehmen keinen Beratungsvertrag im Überwachungsbereich schließen, Semler, NZG 2007, 881 (885). 92 OLG Koblenz, Urteil vom 29.11.2006 – 1 U 44/06, NJW-RR 2007, 1003 (1004). 93 OLG Koblenz, Urteil vom 29.11.2006 – 1 U 44/06, NJW-RR 2007, 1003.

214

Kap. 6: Konzernrechtliche Besonderheiten

Gefahr von Interessenkonflikten besteht und vor einer entsprechenden Organtätigkeit nur gewarnt werden kann. Im Ergebnis ist festzustellen, dass im Konzernverbund eine Doppeltätigkeit des Syndikusrechtsanwalts als Konzernsyndikusrechtsanwalt und Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats eines konzernangehörigen Unternehmens im Ergebnis berufsrechtlich unzulässig ist. Auch wenn aus verfassungsrechtlichen Gründen Zurückhaltung bei der Anwendung des § 7 Ziff. 8 BRAO bzw. des § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO geboten ist, sprechen die Beeinträchtigung der anwaltlichen Unabhängigkeit und die Gefahr der Vertretung widerstreitender Interessen insgesamt gegen eine berufsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Doppeltätigkeit. Zulässig ist eine derartige Doppeltätigkeit nur dann, wenn der entsprechende Mitarbeiter der Rechtsabteilung keine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt besitzt.

§ 5 Zusammenfassung Die Ausführungen dieses Kapitels haben gezeigt, dass die im Verlauf der Arbeit besprochenen berufsrechtlichen Fragen und Probleme des Syndikusrechtsanwalts einer Aktiengesellschaft auch auf Seiten eines Konzernsyndikusrechtsanwalts bestehen. Überwiegend lassen sich die Probleme und Fragen mit den geltenden berufsrechtlichen Grundsätzen lösen und beantworten. Allerdings fehlt es aus praktischer Sicht noch an Erfahrungswerten hinsichtlich des Umgangs der Rechtsanwaltskammern und Anwaltsgerichtshöfe mit Verstößen von Konzernsyndikusrechtsanwälten gegen die anwaltlichen Grundpflichten. Auch wenn Verstöße von Syndikusrechtsanwälten gegen anwaltliche Grundpflichten derzeit kaum bzw. gar nicht Gegenstand anwaltsgerichtlicher Maßnahmen sind, kann vor einem sorglosen Umgang mit den geschilderten Risiken nur gewarnt werden. Die Rechtsanwaltskammern beschäftigen sich mit Interessenkollisionen bei (Konzern-)Syndikusrechtsanwälten94 und werden bei offensichtlichen Verstößen gegen die anwaltlichen Grundpflichten entsprechend einschreiten.

94 Siehe zum Beispiel Protokoll der Klausurtagung des Gesamtvorstands der RAK Berlin vom 22./23.09.2017, TOP 4, S. 13 ff., abrufbar unter www.rak-berlin.de/download/rak_berlin_ pdfs_vorstandsprotokolle/2017_09_22und23_Prot_TO_KlausurTagg.pdf, Abruf am 21.11.2020.

Kapitel 7

Schlussfolgerungen und Zusammenfassung Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte hat der Gesetzgeber den Syndikusrechtsanwalt nach Jahrzehnten der Diskussion als besonderen Typus des Rechtsanwalts anerkannt und berufsrechtlich erstmals umfassend geregelt. Die im Ausgangspunkt sozialrechtlich motivierte Neuregelung hat für Versorgungssicherheit gesorgt, aber auch verschiedene zulassungsrechtliche Fragen mit sich gebracht. Noch am Anfang steht hingegen die berufsrechtliche Einordnung des Syndikusrechtsanwalts in das System der BRAO im Übrigen. Der Syndikusrechtsanwalt ist als berufener Berater und Vertreter seines Arbeitgebers in dessen Rechtsangelegenheiten selbstverständlich an die anwaltlichen Grundpflichten des § 43a BRAO gebunden. Die Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln haben die Möglichkeiten und die Grenzen der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts unter Berücksichtigung dieser anwaltlichen Grundpflichten, namentlich der Pflicht zur Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit, §§ 43a Abs. 1, 46 Abs. 3, Abs. 4, der Pflicht zur Verschwiegenheit, § 43a Abs. 2 BRAO sowie dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, § 43a Abs. 4 BRAO i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 BORA, aufgezeigt. Leitend war dabei die Regelung des § 46c Abs. 1 BRAO. Danach gelten für den Syndikusrechtsanwalt sämtliche Regelungen des Berufsrechts in vollem Umfang, soweit gesetzlich nichts Anderes geregelt ist. Die vollständige Anwendung des Pflichtenkanons des anwaltlichen Berufsrechts auf den Syndikusrechtsanwalt ist nicht nur gesetzlich geboten, sondern für eine weitere Stärkung und Etablierung des Syndikusrechtsanwalts erforderlich, wenn die von Teilen der Literatur geforderte Erweiterung der anwaltlichen Befugnisse und Rechte des Syndikusrechtsanwalts1 umgesetzt werden soll. Dafür ist es notwendig, auf Seiten der Syndikusrechtsanwälte das Bewusstsein für die Relevanz der anwaltlichen Grundpflichten zu schärfen. Das gilt insbesondere für Syndikusrechtsanwälte in Aktiengesellschaften und im Konzern. Die Erwägungen der vorangegangenen Kapitel lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1 Vgl. Hamm/Maxin, AnwBl. 2015, 376 (376, 378); Hustus, NStZ, 2016, 65 (69 f.); Junker/ Scharnke, BB 2016, 195 (202); Merkt, AnwBl. 2015, 552 (558 f.); Merkt/Müller, ZRP 2015, 173 (175 f.); a. A. Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme 17/2015 vom Mai 2015, S. 3 f., abrufbar unter www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutsch land/2015/mai/stellungnahme-der-brak-2015-17.pdf, Abruf am 21.11.2020; gegen eine Erweiterung der strafprozessualen Privilegien des Syndikusrechtsanwalts Kleine-Cosack, BRAO, Vor §§ 46 – 46c Rn. 8; Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101 (111 f.).

216

Kap. 7: Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

1.

Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte hat der Gesetzgeber den Syndikusrechtsanwalt als eigenen Typus des Rechtsanwalts in der BRAO geregelt. Mit der Abschaffung der Doppelberufstheorie und der gesetzlichen Etablierung des Syndikusrechtsanwalts ging die Entscheidung des über Jahrzehnte geführten Streits über die fachliche Unabhängigkeit einher. Durch die Betonung der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalt konzentriert der Gesetzgeber die Bedeutung der zulassungsrechtlich erheblichen fachlichen Unabhängigkeit auf die Kernbereiche der anwaltlichen Unabhängigkeit: die Staatsunabhängigkeit und die persönliche Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in Form einer fachlichen Unabhängigkeit gegenüber dem Mandanten. Der Syndikusrechtsanwalt ist damit der berufene, unabhängige Berater und Vertreter seines Arbeitgebers in allen ihm übertragenen Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers. Diese Unabhängigkeit gilt es nicht nur für die Zulassung nachzuweisen, sondern über die gesamte Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts aufrecht zu erhalten, § 43a Abs. 1 BRAO.

2.

Der Syndikusrechtsanwalt einer Aktiengesellschaft bewegt sich im Spannungsfeld der aktienrechtlichen Corporate Governance. Für den Syndikusrechtsanwalt besteht die besondere Herausforderung, den berufsrechtlichen und den gesellschaftsrechtlichen Rechtskreis miteinander in Einklang zu bringen. Der Syndikusrechtsanwalt hat als Arbeitnehmer und rechtlicher Berater einer Aktiengesellschaft auf die Einhaltung des rechtlichen Rahmens zur Leitung und Überwachung einer Aktiengesellschaft zu achten. Zu diesem Zweck berät der Syndikusrechtsanwalt die Aktiengesellschaft und ihre Organe im übergeordneten Gesellschaftsinteresse. Dabei ist der Syndikusrechtsanwalt aber begrenzt durch die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO. Bei dieser Regelung handelt es sich zugleich um eine Zulassungsregelung und eine Beschränkung der Tätigkeitsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts. Gegenüber den Organen der Aktiengesellschaft darf der Syndikusrechtsanwalt nur tätig werden, wenn es sich um Rechtsangelegenheiten handelt, die überwiegend im Interesse der Gesellschaft wahrgenommen werden sollen. Damit sollen zugleich Interessenkonflikte vermieden werden. In Zweifelsfällen ist stets das Interesse der Gesellschaft vorrangig.

3.

Die in § 46 Abs. 5 BRAO enthaltene Beschränkung der Beratungs- und Vertretungsbefugnisse des Syndikusrechtsanwalts ist verfassungsrechtlich zulässig. Die Regelung verstößt nicht gegen die durch Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist nach der überzeugenden Rechtsprechung des BGH verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da mit dem Zweck der Regelung, dem Schutz der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts und dem damit verbundenen Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, ein hinreichend legitimer Gemeinwohlzweck verfolgt wird. Die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach zutreffender Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs ist der Syndikusrechtsanwalts aufgrund seines Anstel-

Kap. 7: Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

217

lungsverhältnisses bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber höheren Gefahren für die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit ausgesetzt. Eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Kanzleirechtsanwalt ist somit gerechtfertigt. 4.

Die derzeit wohl herrschende Meinung im Schrifttum ist der Auffassung, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen für einen Syndikusrechtsanwalt mit nur einem Arbeitgeber nicht von praktischer Relevanz ist. Diese Auffassung ist insoweit zutreffend, als dass der Syndikusrechtsanwalt den Tatbestand des § 43a Abs. 4 BRAO regelmäßig nicht verwirklichen wird. Anders als ein Kanzleirechtsanwalt kann der Syndikusrechtsanwalt den Tatbestand des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen nicht verwirklichen, da er in den denkbaren Fallgruppen, die bei einem Kanzleirechtsanwalt einer Aktiengesellschaft regelmäßig zur Verwirklichung des Tatbestands des § 43a Abs. 4 BRAO führen, für die Organe bzw. einzelne Organmitglieder aufgrund der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO schon gar nicht tätig werden darf. Mithin fehlt es an einer beruflichen Vorbefassung bzw. einem beruflichen Vertreten zweier Parteien im widerstreitenden Interesse im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO. Allerdings sind Interessenkollisionen für den Syndikusrechtsanwalt nicht bedeutungslos. Die Problematik wird nur auf die Ebene der Einordnung einer Rechtsangelegenheit als Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers verlagert. Dort ist zu prüfen, in wessen Interesse der Syndikusrechtsanwalt tätig werden soll. Drohen Interessenkonflikte, handelt es sich nicht um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers und der Syndikusrechtsanwalt darf gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO nicht tätig werden bzw. muss seine Tätigkeit auf das Beratungsinteresse der Gesellschaft beschränken. Praxisrelevant sind dabei insbesondere Konfliktsituationen zwischen Gesellschaft und ihren einzelnen Organmitgliedern, in denen die Organmitglieder persönliche Interessen verfolgen. Bei diesen Angelegenheiten handelt es sich nicht mehr um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, sodass dem Syndikusrechtsanwalt bereits aus diesem Grund ein Tätigwerden versagt ist. Das gilt selbst dann, wenn innergesellschaftlich um die Reichweite der Organkompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat gestritten wird. Solange der Syndikusrechtsanwalt nicht mit einer objektiven Beantwortung der Rechtsfrage im Gesellschaftsinteresse beauftragt wird, ist es ihm untersagt, einer Seite in ihrem Interesse Rechtsrat hinsichtlich der Organbefugnisse zu erteilen. Im letztgenannten Fall handelt es sich nicht mehr um eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers, weil die subjektiven Organrechte von der Rechtsberatungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts nicht umfasst werden.

5.

Die Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 2 BRAO besteht zugunsten der Aktiengesellschaft als Geheimnisträgerin. Inwieweit innerhalb der Gesellschaft gegenüber Organen und Organmitgliedern eine Pflicht zur Verschwiegenheit besteht, richtet sich nach der gesellschaftsrechtlichen Rechtslage. Grundsätzlich ist es berufsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn geheimhal-

218

Kap. 7: Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

tungsbedürftige Informationen durch den Syndikusrechtsanwalt an den Aufsichtsrat im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse bzw. bei Einrichtung eines internen Berichtssystems weitergegeben werden. Zur gesellschaftsrechtlichen Einordnung des Syndikusrechtsanwalts in das aktienrechtliche Informationssystem wäre eine einheitliche Regelung unter Berücksichtigung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht sinnvoll und wünschenswert. Im Übrigen besteht gegenüber den Organen grundsätzlich keine Verschwiegenheitspflicht, sofern nicht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Syndikusrechtsanwalt und einem oder mehreren Organmitgliedern festzustellen ist, dass ausnahmsweise eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Betroffenen begründet. 6.

Zur Absicherung der anwaltlichen Grundpflichten sind geeignete organisatorische Maßnahmen zu ergreifen. Dazu ist es sinnvoll, die Rechtsabteilung mehr denn je als Anwaltskanzlei im Unternehmen zu betrachten. Es ist dafür zu sorgen, dass die Rechtsabteilung hierarchisch möglichst direkt unter dem Vorstand angesiedelt ist. Zudem kann eine infrastrukturelle Unabhängigkeit in Form einer räumlichen und technischen Trennung der Rechtsabteilung von den übrigen Unternehmensbereichen helfen, die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts und die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht sowie des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen abzusichern. Auftretenden Interessenkonflikten kann mit der Errichtung so genannter „chinese walls“ begegnet werden.

7.

Innerhalb der Aktiengesellschaft kann eine vollumfassende Rechtsberatung der Gesellschaft und ihrer Organe nur erfolgen, wenn mehrere Syndikusrechtsanwälte in mehreren voneinander abgegrenzten Abteilungen tätig werden und sich bei ihrer Tätigkeit auch gegenüber den Kollegen der anderen Abteilungen strikt auf ihre anwaltlichen Grundpflichten besinnen. Das mag für kleinere Rechtsabteilungen organisatorisch kaum durchführbar sein. Es existieren aber keine berufsrechtlichen Gründe für eine Besserstellung des Syndikusrechtsanwalts gegenüber einem Kanzleirechtsanwalt. Nur wenn sich der Syndikusrechtsanwalt in jeder Hinsicht und auch gegenüber seinem ständigen Arbeitgeber auf seinen Status und seine Pflicht als Rechtsanwalt besinnt, ist eine vollständige Gleichstellung des Syndikusrechtsanwalts im Hinblick auf die gerichtliche Vertretungsbefugnis und die Gewährung so genannten „legal privileges“ in vollem Umfang zu erwarten.

8.

Unklar und umstritten ist nach derzeitiger Rechtslage, ob eine Rechtsabteilung mit mehreren Syndikusrechtsanwälten berufsrechtlich als Bürogemeinschaft einzuordnen ist. Die besseren Argumente sprechen dafür, mehrere Syndikusrechtsanwälte nicht als Bürogemeinschaft einzuordnen. Klarheit würde hier erst mit einer gesetzlichen Definition der Bürogemeinschaft geschaffen werden, wie sie der Deutsche Anwaltverein im Rahmen des Entwurfs zu einer Reform der BRAO in § 59a Abs. 4 BRAO-E vorgeschlagen hat.

Kap. 7: Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

9.

219

Eine Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft ist berufsrechtlich hingegen unzulässig. Eine solche Doppeltätigkeit ist, anders als in der Literatur vertreten wird, am Maßstab des § 7 Ziff. 8 BRAO zu messen. Ein Vorstand einer Aktiengesellschaft wird nicht im Rahmen eines Arbeitsvertrags, sondern im Rahmen eines Vorstandsdienstvertrags für die Gesellschaft tätig. Die Doppeltätigkeit ist daher keine Frage der anwaltlichen Prägung der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO. Aufgrund der denkbaren Interessenkollisionen zwischen den beiden Tätigkeiten und der Gefährdung der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts ist die Doppeltätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und Vorstand einer Aktiengesellschaft mit der Stellung eines Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar. Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts ist dabei umso größer, je weiter der Syndikusrechtsanwalt in die Unternehmensleitung integriert ist. Diese Gefährdungen können auch durch eine Trennung der beiden Tätigkeitsbereiche nicht ausgeschlossen werden, sodass die Zulassung zu versagen bzw. nach § 14 Abs. 2 Ziff. 8 BRAO zu widerrufen ist.

10. Ein Syndikusrechtsanwalt in einer zentralen Konzernrechtsabteilung ist grundsätzlich der Gefahr der Vertretung widerstreitender Interessen ausgesetzt. Auch wenn ein herrschendes Unternehmen ein einheitliches Konzerninteresse definieren kann, sind gerade bei Minderheitsbeteiligungen Interessenkollisionen zwischen den Interessen des herrschenden und den Interessen des beherrschten Unternehmens denkbar. Ein Syndikusrechtsanwalt darf zwar die zentralen Konzernrechtsangelegenheiten bearbeiten. Diese werden als Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers fingiert, § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO. Dennoch bleiben die Konzernunternehmen rechtlich selbstständige juristische Personen, die verschiedene Parteien eines einheitlichen rechtlichen Lebenssachverhalts sein und verschiedene Interessen verfolgen können. Wird der Konzernsyndikusrechtsanwalt in einer solchen Situation tätig, vertritt er widerstreitende Interessen. Dass der Konzernsyndikusrechtsanwalt nur in einem Mandatsverhältnis zu einer der beteiligten Gesellschaften steht – praktisch wird das regelmäßig die herrschende Gesellschaft sein –, ist unerheblich. Soweit von der Literatur als Voraussetzung für ein verbotenes Vertreten im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO das Bestehen eines Mandatsverhältnisses gefordert wird, kommt diesem Merkmal im Hinblick auf Syndikusrechtsanwälte im Konzern aufgrund der strukturellen Besonderheiten einer anwaltlichen Tätigkeit im Konzernverhältnis eine geringere Bedeutung zu. Ohnehin sollen mit diesem Merkmal nur Vorfeldtätigkeiten aus dem Anwendungsbereich des § 43a Abs. 4 BRAO herausfallen. Zudem werden die in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO beschrieben Tätigkeiten nicht tatsächlich zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, sondern werden nur als solche fingiert. Insoweit würde ein Kanzleirechtsanwalt widerstreitende Interessen vertreten, da er zwei verschiedene Mandanten betreuen würde. Allein

220

Kap. 7: Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

aufgrund der Fiktion des § 46 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BRAO werden verschiedene konzernangehörige Gesellschaften aber nicht zu einem einheitlichen Mandanten, sodass auch ein Syndikusrechtsanwalt in dieser Konstellation widerstreitende Interessen vertreten kann.

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Sachwortverzeichnis Aktiengesellschaft – Arbeitgeberin des Syndikusrechtsanwalts 52, 70 – Beratungsinteresse 73 – 75 – Festlegung einer Informationsordnung 141, 146 – Geheimnisträger 134, 135 – 136 – interne Interessenkonflikte 66 – 68 – Leitungsstruktur 50 – 51, 66 – Mandantin des Kanzleirechtsanwalts 67 – Mandantin des Syndikusrechtsanwalts 53, 70 – Zustimmungsvorbehalt 108, 113 f. Aktionäre 68 – Interessenkonflikte 106 anwaltliche Unabhängigkeit siehe Unabhängigkeit Aufsichtsrat – Adressat der Rechtsberatung 92 – 93 – ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung 68, 103 – Direktkontakte zu Mitarbeitern 141 – 143 – Durchsetzung von Regressansprüchen 67 – 68, 103 – 104 – Prüfungsrecht 140 – Überwachung 49, 50 – 51 – Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse 74 – Whistleblowersystem 143 Bürogemeinschaft siehe Rechtsabteilung Bußgeldverfahren 22, 65, 84 – 85 Chinese Walls 153 – 156, 210 f. Compliance 49 Corporate Governance 149, 152 f. – aktienrechtliche 46 – Begriff 48 – 49 – Deutscher Corporate Governance Kodex 49 – 50

Deutsche Rentenversicherung siehe gesetzliche Rentenversicherung Deutscher Corporate Governance Kodex siehe Corporate Governance Doppelberufstheorie 26, 30 – Aufgabe 41 – Bedeutung für die anwaltliche Beratung 64 – 65 – Entstehung 30 – Kritik 34, 36 Dualismus siehe Aktiengesellschaft – Leitungsstruktur Eisenbahnregulierungsrecht Fremdkapitalverbot

194 – 196

62, 89, 91

Geschäftsführer (GmbH) 166 – als Syndikusrechtsanwalt 168 – 170, 184, 186 – 188 – Fremdgeschäftsführer 174 – Geschäftsführerdienstvertrag 174 – Interessenkonflikte 187 – Rechtsanwalts-GmbH 169, 187 Gesellschaftsinteresse 50, 75, 78 – Abgrenzungskriterium für Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers 73 – Auswirkung auf die Beratung 73 – 78, 92 – Begriff 75 – Treuepflicht 105 – Verpflichtung der Organe 74 gesetzliche Rentenversicherung 17, 33 Interessenkonflikte siehe auch Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen – Bedeutung für ”Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers” 61 – Beeinträchtigung der fachlichen Unabhängigkeit 127 – 130 – bei Beratung einer Aktiengesellschaft 59 – Chinese Walls 153 – 156, 195

234 – – – – – – – – –

Sachwortverzeichnis

Definition 109 des Kanzleirechtsanwalts 67 – 69 echte 103 – 104 Einwilligung 102, 206 – 207 innerhalb der Aktiengesellschaft 67 – 68, 104 – 107 Konzern 192 – 194, 194 – 198, 206 latente 102 – 103 Vorrang der Interessen des Arbeitgebers 59, 72 Zweitberuf 177, 180 – 182, 187

Konzern – Arbeitgeberwechsel 192 – Beherrschungsvertrag 213 – Geheimnisträger 208 – 209 – Interessenkonflikte siehe Interessenkonflikte – Interessenlagen 59, 210 – Konzerninteresse 59, 197, 211 – Verschwiegenheitsvereinbarungen 59 Legal privilege

32, 133

Mandatsverhältnis – im Konzern 196, 201, 203 – konkludentes Zustandekommen 86 – Nichtigkeit 86 – Schutzwirkung zugunsten Dritter 81 f. – Umfang des Mandatsverhältnisses zwischen Syndikusrechtsanwalt und Aktiengesellschaft 57 – 63, 70 – 73 – zwischen Syndikusrechtsanwalt und Vorstand 85 – 88 Organe – Dritte im Sinne § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO 71 – Dritte im Sinne der Verschwiegenheitspflicht 134, 136 – Funktionentrennung 51 – Geheimnisträger 134, 139 f. – Interessenkonflikte 105 f. – Organstreit 120 – Partei- und Prozessfähigkeit 120 – 121 – Rechtsberatung 46, 51, 57, 64 – 65, 70

– Rechtsberatung siehe auch Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen – Rechtsberatung 92 Parteiverrat 87, 201 Prinzipal-Agent-Theorie

51

Rechtsabteilung – Bürogemeinschaft 156 – 160 – hierarchische Vorgaben 152 – organisatorische Anforderungen 151 – 153 siehe auch Chinese Walls – organisatorische Anforderungen im Konzern 212 – 214 Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers – Abgrenzung zu Rechtsangelegenheiten Dritter 73 – 83 – analoge Anwendung des 46 Abs. 5 S. 2 BRAO 71 – Begrenzung der Beratungsbefugnis 57, 60 – Begriff 60 – 63 – Beratung des Aufsichtsrats 108, 113 – 115, 125 – Beratung des Vorstands 108, 112, 123 – 124 – Beratung verbundener Unternehmen 58 – Beratung von Kunden des Arbeitgebers 71 – Fiktion 191, 194, 196, 198, 200, 202 f., 209 – Konzern 201 f. – Lagertheorie 77, 80 – Unzulässigkeit der Beratung Dritter 70 f. – Verbotsgesetz 86 – Verfassungsmäßigkeit 89 – 92 – Zulassungsvoraussetzung 86 Rechtsanwalt – angestellter 37, 38, 167 – Beratung der Aktiengesellschaft 53, 66 – 69 – Berufsbild 26, 30, 41, 166 – jüdische Rechtsanwälte 25 – Konkurrenzschutz 25 – Mandatsverhältnis zu Organen/Organmitgliedern 66

Sachwortverzeichnis – Mandatsverhältnis zur Aktiengesellschaft 66 – Mandatsverhältnisse im Konzern 201 – Zustandekommen eines Mandatsverhältnisses 86 – Zweitberuf siehe Zweitberuf Strafverfahren 22, 84 – 85 Streitverkündung 100, 103 Syndikusrechtsanwalt – als GmbH-Geschäftsführer 186 – 188 – als Mitglied des Aufsichtsrats 188 – 189, 212 – 214 – als Mitglied des Vorstands 172 – 186, 212 – 214 – alter Prägung 64 – 65 – anwaltliche Prägung 54 – 55, 165, 185 – anwaltliche Tätigkeit 36, 41, 54 – Arbeitnehmer 52, 56 – Beratungs- und Vertretungsbefugnis 52, 58, 70 – 73 – büroorganisatorische Vorgaben 149 f., 151 – 153, 211 – Doppelzulassung 18, 41, 87, 95, 97, 131 – Gleichstellung mit Kanzleirechtsanwalt 22, 42, 47, 66, 69, 99, 177, 184 – haftungsentlastende Beratung 79 – 81, 149, 161, 165, 185 – Kanzlei 150 – Konzernsyndikusrechtsanwalt siehe Interessenkonflikte, Konzern, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, Verschwiegenheitspflicht – Loyalitätspflicht 73 – Mandatsverhältnis zum Vorstand 85 – 88 – Nur-Syndikusrechtsanwalt 18, 41, 95, 116, 192 – rechtliches Gewissen des Unternehmens 74 – Rechtsanwalt sui generis 21, 42 – Risikomanager 151 – Unabhängigkeit siehe Unabhängigkeit – Verbandssyndikusrechtsanwalt 95 – Verhältnis zum Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft 92 – 93 – Verhältnis zum Vorstand der Aktiengesellschaft 55, 75 – 78, 80 – Zweitberuf 176 – 177

Tätigkeitsverbote gem. § 45 BRAO 132, 177, 178

235 131 –

Unabhängigkeit – anwaltliche, Begriff 30 – Beeinträchtigung durch Interessenkonflikte 127 – 130 – Beeinträchtigung durch Zweitberuf 175 – 178, 180, 182, 183, 184, 213 – des Syndikusrechtsanwalts 23, 24, 26, 29, 32, 34, 47, 56, 151 siehe auch Unabhängigkeit, fachliche – dienende Funktion 37 – fachliche 22, 23, 35, 40 – 44, 56, 161, 169, 170, 182 – 184, 186, 187, 213 – gesellschaftliche 29 – infrastrukturelle 152 – persönliche 28 f., 44 – politisch-weltanschauliche 29 – staatliche 27 f., 29, 44 – vom Anwaltsstand 29 – wirtschaftliche 28 f., 35 Unternehmensinteresse siehe Gesellschaftsinteresse Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen – anwaltliche Vorbefassung 112 – 115, 200 – Anwendbarkeit auf den Konzernsyndikusrechtsanwalt 194 – Anwendbarkeit auf den Syndikusrechtsanwalt 98 – 99 – Bedeutung für den Syndikusrechtsanwalt 47, 94 – 98, 114, 125 – berufliche Vorbefasstheit 110 – 112, 199 – 201 – echte Interessenkonflikte 103 – 104 – Erfordernis eines Mandatsverhältnisses 200 – 201, 203 – 205 – Konzern 197 – 198 – latente Interessenkonflikte 102 – 103 – Mandatsniederlegung 68, 104, 207 – objektive Theorie 100, 207 – Parteibegriff 119 – 121, 201 – pflichtwidriges Dienen im Konzern 202 – 205 – Sachverhaltsidentität 119 – 110, 194

236

Sachwortverzeichnis

– Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit 128 f. – sonstige berufliche Vorbefassung 116 – 117, 199 – subjektive Theorie 100, 206 – Umgehung durch arbeitsrechtliche Weisung 206 – 207 – Vertretungsbegriff 121 – 123, 202 – Verwendung von Insiderwissen 126 – 127 – Vorfeldtätigkeiten 204 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen siehe auch Interessenkonflikte Verhaltenszurechnung innerhalb der Aktiengesellschaft 80 Verschuldenszurechnung 79 – 81 Verschwiegenheitspflicht – Aktiengesellschaft als Geheimnisträger 134, 135 – 136 – aktienrechtliches Berichts- und Überwachungssystem 137 – aktienrechtliches Informationssystem 145 – 146 – Bedeutung für den Syndikusrechtsanwalt 47, 133 – Beratung verbundener Unternehmen 58 – Berichtspflichten 145 – Entbindung von der 134, 137 – Erfordernis eines Mandatsverhältnisses 209 – gegenüber Arbeitgebergesellschaft 210 – 211 – gegenüber Organen der Aktiengesellschaft 136 – 138 – Geheimnisträger im Konzern 208 – 209 – Kanzleirechtsanwälte 133 – 135 – Weitergabe von Informationen an den Aufsichtsrat 140 – 146 – Weitergabe von Informationen an den Vorstand 139 – Weitergabe von Informationen an Dritte 146 – 147 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 81 – 83

Vorstand – Adressat der Rechtsberatung 57, 70 – Arbeitgeberfunktion 56 – Haftung 79 – 81, 162, 183 – Kontrollpflicht 50 – Leitung der Aktiengesellschaft 50, 56 – Ressortzuständigkeit 183 – Rolle in der Aktiengesellschaft 56 – Verantwortlichkeit 49 – Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse 74 – 75 Weimarer Republik 23 Weisungen – Ablehnung 43 – Beeinträchtigung der Unabhängigkeit 88, 184, 186 – Konzern 213 – der Gesellschafter 170, 187 – fachliche 42 – missbräuchliche 88 – organisatorische 43 – organisatorische Maßnahmen zur Absicherung der Weisungsfreiheit 153 – unbillige 88, 207 Weisungsbefugnis – arbeitsrechtliche, des Vorstands 56, 88 – Begrenzung gegenüber Syndikusrechtsanwalt 56 widerstreitende Interessen siehe Interessenkonflikte, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen Wissenszurechnung innerhalb der Aktiengesellschaft 80 Zweitberuf – Berufsausübungsregelungen 178 – 180 – Berufswahlschranken 180 – 182 – Doppelberufstheorie 36 – GmbH-Geschäftsführer 174, 188 – Kanzleirechtsanwälte 179 – Organtätigkeit 173 – 175 Zweitberufsentscheidung 31, 39, 166, 168, 175, 178 f., 181