Die bayerische Gemeinde-, Bezirks- und Kreisordnung: Band 1 Die Bayerische Gemeindeordnung [Reprint 2020 ed.] 9783112355060, 9783112355053


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German Pages 750 [762] Year 1931

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Die bayerische Gemeinde-, Bezirks- und Kreisordnung: Band 1 Die Bayerische Gemeindeordnung [Reprint 2020 ed.]
 9783112355060, 9783112355053

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Sie Bäuerische

Gemem-e-/Vezirks- und Kreisorönung Erläutert von

Dr. W. Laforet Geheimrat, Professor an der Universität Würzburg

£). von Jan

m. Schattenfroh

Staatsrat im Bayerischen StaatSministerium des Innern

Reg.-Rat 1. Klasse im Bayerischen Staatsministerium des Innern

19 3 1 München, Berlin und Leipzig I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier)

Sie Bayerische

Gemejnüeorünung Erläutert von

dr. V. Laforet Geheimrat, Professor an der Universität Würzburg

tz. von ^an

M. Schattenfroh

Staatsrat im Bayerischen Staatsministerium des Innern

Reg.-Rat 1. Klasse im Bayerischen Staatsministerium des Innern

Banöl

1931 München, Berlin und Leipzig 3. Schweitzer Verlag (Krthur Sellier)

Druck von Dr. F. P. Datterer L Lie., Freising-München.

Vorwort. Die Erläuterungen sind, soweit es sich um die im Jahre 1928 erschienenen „wahlrechtlichen Bestimmungen" handelt, von StaatSrat im Staatsministerium des Innern H. von Jan gegeben. Die beamtenrechtlichen Vorschriften in Art. 78 mit 126,151 mit 153, 157 sowie Art. 156 sind von Regierungs­ rat 1. Kl. im Staatsministerium des Innern M. Schatten­ froh, die übrigen Vorschriften von mir selbst erläutert. Das Inhaltsverzeichnis hat Gerichtsassessor vr. Derks gefertigt. Die Arbeit war zunächst als kürzere Handausgabe gedacht. Bei der Ausarbeitung erwies es sich sowohl vom wissenschaft­ lichen Standpunkt aus wie nach den Bedürfnissen der Praxis als unerläßlich, zwar die Form der Handausgabe beizube­ halten, aber die Erläuterungen eingehender zu geben. Da­ durch verzögerte sich die Fertigstellung, besonders, als meine außerordentliche dienstliche Inanspruchnahme die unmittel­ bare Weiterarbeit an dieser Aufgabe sehr erschwert, ja nach Ferttgstellung des wesentlichen Teiles der Arbeit zeitweilig unmöglich gemacht hat. Die Erläuterungen zur Bezirksordnung und zur Kreis­ ordnung werden als weiterer Band noch im Laufe dieses Jahres erscheinen.

Würzburg, 25. März 1931.

Laforet.

Inhaltsübersicht zu Band I. Seite

Borwort......................................................................................... V Verzeichnis der Abkürzungen........................................................... VII Text der Gemeinde-, Bezirks- undKreisordnung 1 Geschichtlicher Überblick........................................................................... 126 Erläuterungen zur Gemeindeordnung........................................... 131 Art. 1. Körperschaft des ösfentl. R., Selbstverw. ... 131 Art. 2—10. Gemeindemarkung..................................... 149 Art. 11. Ehrenbürgerrecht.......................... 182 Art. 12. Dienst- und Hoheitszeichen . . 183 Art. 13—15. Verfassung.......................................................... 184 Art. 16—26. Geschäftsgang . ................................................. 217 Art. 27—50. Verwaltung ...... 320 Art. 51—52. Staatsverwaltung und Polizei 556 Art. 53. Zwangsbefugnisse.......................... 610 Art. 54—55. Kreisunmittelbare Gemeinden 616 Art. 56—58. Bürgermeistereien .............................. 640 Art. 59—61. Staatsaufsicht .... ... 654 Art. 62 Ortschaften ................................................................ 724

Verzeichnis der Abkürzungen. a. A. a. a. O. Abs.

AG. Anh Anm. ArmG. Art.

B. BayZfR. BBesG. Begr.

Beil. Bem. Ber. BezO. BG. BGB. BGBZ.

BlAdmPr. Bleyer

Braunwart-Stößel

Bürgermeister

— anderer Ansicht — am angeführten Ort — Absatz (das Zeichen Abs. wird weggelassen, wenn gleichzeitig der Art. beigefügt wird z. B. Art. 17 II — Artikel 17 Abs II) — Ausführungsgesetz (wird dem zugehörigen Gesetz vorangesetzt, z. B. AG.BGB. — Aus­ führungsgesetz zum Bürger!. Gesetzbuch.) — Anhang — Anmerkung — Armengesetz = Artikel sArt. ohne Beisatz (GO., BezO., KrO.) sind stets Art. des Gesetzes, das erläutert toitb.] — Bürgermeister — Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern, heraus­ gegeben von I. Schiedermair — Beamtenbesoldungsgesetz — Begründung (Beil. 1982 der Landtagsdruck­ sachen m. Tagung 1925/26). — Beilage ----- Bemerkung — Berichterstatter — Bezirksordnung ----- Beamtengesetz = Bürgerliches Gesetzbuch — Bayerische Gemeinde- und Berwaltungszeitung, herausgegeben von Dr. G. Ziegler. (BGBZ. 1926, 723 — Bayerische Gemeinde- und Ber­ waltungszeitung, Jahrgang 1926, Spalte 723.) — Blätter für administrative Praxis, heraus­ gegeben zuletzt von K. von Krazeisen — Das Steuerrecht der bayer. Gemeinden, Be­ zirke und Kreise, Handausgabe von Dr. I. Bleyer 2. Aufl. Ansbach 1925 mit Nachtrag 1926 — Die neuere bayerische Gemeindegesetzgebung, erläutert von Fr. Braunwart und Th. Stößel, München 1920 — Der Bayerische Bürgermeister (Schriftleiter Dr. H. Stenger)

VH! BBBl.

Buchst. dgl. d. h. DistrG. Dyroff EG.

FAG. FAVG.

FMBl. FME. FürsG. G. GBl. GBBl. G. G.n Grat GBG. GO. GWG. GBO. Geib

Geiger-Heß GBG. GewO. Hammer Heilmann-Weinisch

HME. Henke v. Jan

Abkürzungen.

= Bayerische Verwaltungsblätter, herausgegeben von Dr. O. Kollmann — Buchstabe — dergleichen — das heißt — Distriktsratsgesetz — Bayerisches Berwaltungsgerichtsgesetz, erläutert von Dr. A. Dyroff 6. Aust. Ansbach 1925 = Einführungsgesetz (wird dem zugehörigen Ge­ setze vorangesetzt, z. B. EG.BGB. — Einfüh­ rungsgesetz z. Bürgerl. Gesetzbuch.) — Finanzausgleichsgesetz — Bollzugsgesetz zum Finanzausgleichsgesetz, stel­ lenweise auch mit VG.FAG. abgekürzt. — Finanzministerialamtsblatt — Finanzministerialentschließung — Fürsorgegesetz vom 14. März 1930 = Gesetz — Gesetzblatt für das Königreich Bayern — Gesetz- und Verordnungsblatt — Gemeinde — Gemeinden — Gemeinderat — Gemeindebeamtengesetz — Gemeindeordnung. Die alte Gemeindeordnung wird angeführt: GO. v. 1869 (rrh. — rechtsrheinisch; Pf. — pfälzisch.) — Gemeindewahlgesetz — Grundbuchordnung — A. Geib's Handbuch für die Gemeindebehörden der Pfalz, 3. Auflage von C. von Besnard, 2 Bände, Kaiserslautern 1899/1901 — Die Fürsorgepflicht von Dr. M. Geiger und Dr. W. Heß 2. Aufl. München 1926 = Gerichtsverfassungsgesetz — Reichsgewerbeordnung — Bayer. Bollzugsgesetz zumLandessteuergesetz, erläutert von Dr. P. Hammer München 1922 — Bayerische Bauordnung, erläutert von Dr. G. Heilmann u. Dr. K. Weinisch 2. Auflage, München 1927 — Handelsministerialentschließung — Handbuch der inneren Verwaltung für Bayern t. d. Rh., herausgegeben von Dr. I. von Henle u. A., München 1913/1925 — Die Berfassungsurkunde des Freistaates Bayern, herausgegeben von H. von Jan, München 1927

Abkürzungen.

JME. i. d. F. Kahr

Klee-Hechtel KME. KO. Kollmann

KompKonflE.

Kratzer KrO. KrABL. I. LandrG. LZ.

Lermann

LSpG. LStG. MABl.

MB. ME. Meinzolt Mitber. Nawiasky

O. ObLG. ObLG. Z. (St.)

OLG. Osthelder PStGB. r. RBl. RefE. RegE.

IX

— Justizministerialentschließung — in der Fassung — Bayer. Gemeindeordnung für die Landesteüe diesseits des Rheins, erläutert von Dr. G. von Kahr, zwei Bände, München 1896/98. = Ergänzungsband zu Dyroff VGG. von Klee und Hechtel, Ansbach 1928 — Kultusministerialentschließung — Konkursordnung = Vorschriftensammlung, herausgegeben von Dr. O. Kollmann, 4. Auflage. München 1927 mit Nachträgen — Entscheidung des Gerichtshofes für Kompetenz­ konflikte = Die Verfassungsurkunde des Freistaates Bayern, erläutert von Dr. I. Kratzer, München 1925 — Kreis ordnung — Kreisamtsblatt --- links — Landratsgesetz = Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht, heraus­ gegeben von Dr. Hans Schuler — Die bayer. Distriktsgemeindeordnung, bearbeitet von W. v. Lermann, München 1895 — Landessperrgesetz — Landessteuergesetz = Ministerial-Amts blatt der Bayerischen inneren Verwaltung = Mnisterialbekanntmachung — Ministerialentschließung — Bayr. Volksschulrecht von Dr. H. Meinzolt, München 1926 — Mitberichterstatter — Bayerisches Berfassungsrecht von Dr. H. Nawiasky, München 1923 — Ortschaft — Entscheidung des Obersten Landesgerichtes — Entscheidung des Bayer. Obersten Landes­ gerichtes in Zivilsachen (Strafsachen). — Entscheidung des Oberlandesgerichtes — L. Osthelder, Schulbedarfgesetz, München 1930 — Polizeistrafgesetzbuch = rechts — Regierungsblatt ---- Referentenentwurf = Regierungsentwurs (Beilage 1982derLandtagsdrucksachen III. Tagung 1925/26)

X Reger 1, 2.

RFH. RFV.

RG. RG. (ohne Beisatz) RGBl. R u prVBl.

RB. RBO. Roesch Rothenbücher

S.

Abkürzungen.

— Reger, Entscheidungen der Gerichte und Ver­ waltungsbehörden, herausgegeben von Dr. R. Oeschey, Band 1, Seite 2 — Entscheidungen des Reichsfinanzhofs — Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht v. 13. 2.1924 — Entscheidung des Reichsgerichts, mit dem Beisatz Z. — in Zivilsachen, St. — in Straf­ sachen — Reichsgesetz = Reichsgesetzblatt — Reichsverwaltungsblatt und Preuß. Berwaltungsblatt = Reichsverfassung — Reichsversicherungsordnung — Bayer. Gemeindeordnung mit Erläuterungen von M. Roesch, 3. Ausl., München 1923 — Dr. K. Rothenbücher, die Stellung des Mini­ steriums nach Bay. Berfassungsrechte, München 1922 ----- Seite (das Zeichen wird weggelassen, wenn gleichzeitig der Jahrgang einer Zeitschrift oder eüles Amtsblattes oder Band eines Buches angeführt wird, z. B. MABl. 1927, 43; oder Weber 1, 2 — Weber Band 1, Seite 2.

S. bei Anführung von Art. und 83 = Satz; z. B. Art. 47 II S. 2 ---- Artikel 47 Abs. II Satz 2 — siehe s. Seydel — Staatsrecht des Königreichs Bayern von Dr. M. v. Seydel 2. Auflage Tübingen 1896. Seydel-Graßmann — Bayer. Verfassungsrecht von Dr. I. v. Graß­ mann (Neubearbeitung des Bayer. Staatsrechts von Dr. M. v. Seydel II. Band) (Tübingen 1913) Seydel-Piloty — Bayer. Verfassungsrecht von Dr. R. Piloty (Neubearbeitung des Bayer. Staatsrechts von Dr. M. v. Seydel I. Band) (Tübingen 1913) — Spalte Sp. — Selbstverwaltungsgesetz SBG. — Staatsanzeiger StAnz. StenBer. — Stenographischer Bericht. Wenn ohne Zusatz, sind die Berh. der Vollversammlung des Land­ tags über die Gemeindeges. 12. —15. Juli 1927, Band VII S. 177 ff. gemeint — Reichsstrafgesetzbuch StGB. — Staatsministerium, auch Staatsminister StM. — Staatsministerium des Innern StMdJ.

Abkürzungen.

StNB. StPO. ÜG. UWG. v. B. BA.

— — — — — — =

BB.



BB. BerfA. I,H1

— =

BU. RB. BG.

— = —

BGG.



BGH. 1,12



BGHE.



vgl. Vordem. Wand

— — —

Weber 1, 2



WO. Ziegler

— —

Zisf.



ZPO.



XI

Steuernotverordnung Strafprozeßordnung Übergangsgesetz Unterstützungswohnsitzgesetz von, vom Verordnung Bollzugsanweisung (wird dem zugehörigen Gesetze vorangesetzt z. B. BA.SBG. — Voll­ zugsanweisung zum Selbstverwaltungsgesetz) Bollzugsvorschriften (wird dem zugehörigen Gesetze vorausgesetzt) Bollzugsbekanntmachung Verhandlungen des Berfassungsausschusses über die Gemeindegesetze, I., II. Lesung, Seite 1 Wenn ohne Beisatz ,GO.", „Bez. £).*, „Kr.O.", sind die Verhandlungen über das Gesetz ge­ meint, dessen Text erläutert wird Berfassungsurkunde Reichsverfassung Bollzugsgesetz, wird regelmäßig dem zuge­ hörigen Gesetze vorangesetzt. Gesetz betr. die Errichtung eines Berwaltungsgerrchtshoses u. das Verfahren in Berwaltungsrechtssachen Sammlung von Entscheidungen des Berwaltuugsgerichtshofes, Band 1, Seite 12 ungedruckte Entscheidungen des Berwaltungsgerichtshofes sz. B. BGHE. v. 1.7.1926 lBGBZ. 1927, 228) — ungedruckte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshoses v. 1. Juli 1926, ab­ gedruckt in der Bayerischen Gemeinde- und Verwaltungszeitung Jahrgang 1927, Sp. 228] vergleiche Vorbemerkung Die Gemeindeordnung f. d. Pfalz, erläutert v. H. v. Wand, 2. Aufl. Kirchheimbolanden 1894 Weber, Gesetz- und Berordnungssammlung Band 1, Seite 2 Wahlordnung Sammlung der Verwaltungsgesetze u. Ver­ ordnungen von Dr. G. Ziegler, 5. Aufl. München 1927 Ziffer (bei Anführung in Verbindung mit Artikeln oder §§ nur Z.; z. B. Art. 17 I Z. 2 = Artikel 17 Abs I Ziffer 2 Zivilprozeßordnung.

Gemeindeordnung (GO.) Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen:

Art. 1. Die Gemeinden sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Rechte der Selbstverwaltung nach Maß­ gabe der Gesetze. Grmei«demark«»g.

Art. 2.

r Gemeinden sind die Teile des Staatsgebiets, die als Gemeinden beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen oder später gebildet werden. Sie bestehen, solange sie nicht nach Art. 5 aufgehoben werden. "Städte und Märkte heißen die Gemeinden, die diese Bezeichnung beim Inkrafttreten dieses Gesetzes führen oder künftig durch das Staatsministerium des Innern erhaltm. 111 Die Benennung neuer Ansiedlungen sowie die Ände­ rung des Namens von Gemeinden, Ortschaftm und Ansied­ lungen bedarf der Genehmigung des Staatsministeriums des Innern.

Art. 3. Jedes Grundstück muß einer Gemeindemarkung ange­ hören.

Art. 4. iJn den Landesteilen rechts des Rheins sind von Art. 3 ausgenommen größere Waldungen, Freigebirge und Seen, die bisher keiner Gemeindemarkung zugeteilt waren. Sie bilden eigene, von dem Gemeindeverband abgesonderte Markungen. Diesen abgesonderten Markungen stehen die gemeindefreien Besitzungen der ehemals Coburgischen Lan­ desteile gleich. Lasoret-v.Ian-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

2

I. Texte. Gemeindeordnung.

11 Die Ortspolizei steht hier dem Bezirksamte zu. Die Eigentümer der Grundstücke haben die öffentlichrechtlichen Verpflichtungen der Gemeinden zu erfüllen, insbesondere die erforderlichen Verbindungswege, Brücken und Stege sowie die nötigen Sicherheitsvorrichtungen, Wegweiser und Warnungstafeln an ihnen herzustellen und zu unterhalten. Der Eigentümer der Grundstücke steht hinsichtlich der Er­ füllung dieser Verpflichtungen einer Gemeinde gleich. in Die Staatsaufsicht obliegt dem Bezirksamt. Hierbei sind die für die Staatsaufficht über die Gemeinden gelten­ den Vorschriften entsprechend anzuwenden.

Art. 5. 1 Änderungen im Bestände der Gemeindm, Ortschaften und abgesondertm Markungm sind zulässig, wenn alle Be­ teiligten einverstanden sind oder wmn die Kreisregierung ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür festgestellt hat. Die Änderungm werden vom Staatsministerium des Innern oder von der hierzu ermächtigten Kreisregierung verfügt. "In dem Verfahrm sind beteiligt die Gemeindm, die Ortschaften, die Eigentümer abgesonderter Markungm, die Bezirke und Kreise, deren Grenzen unmittelbar Betroffen werden. 111 Bleibende Niederlassungen innerhalb der abgeson­ dertm Markungm und die Grundstücke, die mit dm Nie­ derlassungen eine wirtschaftliche Einheit bilden, sind einer der nächstgelegmen Gemeindm zuzuteilm, soweit nicht nach Art. 2 Abs. I eine eigene Gemeinde gebildet wird. Auch ohne die Begründung bleibender Niederlassungm und ohne die Voraussetzungm des Abs. I Satz 1 können abgesonderte Markungm, die nicht im Eigentume des Staates stehm, ganz oder teilweise den angrenzmdm Gemeindm ober einer von ihnen zugeteilt werden. IV Sind mehrere Kreise beteiligt, so bestimmt das Staatsministerium des Innern die zuständige Kreis­ regierung.

Art. 6. Bei Änderungen nach Art. 5 werden die VermögensVerhältnisse, die Rechte und Pflichten in Bezug auf be­ stehende Anstalten, Gebäude und Einrichtungen, die Über­ nahme von Beamten und Angestellten sowie die aus Dienstverhältnissen sich ergebenden Verpflichtungen gegen­ über Beamten und Angestellten und ihren Hinterbliebenen durch Übereinkunft der Betnligten geregelt. Kommt eine Übereinkunft nicht zustande, so entscheidet die Kreisregie­ rung durch Schiedspruch nach billigem Ermessen; diese Entscheidung kann mit der Feststellung des dringenden öffentlichen Bedürfnisses (Art. 5 Abs. I Satz 1) verbunden werden.

Art. 7. l Wenn es sich bei Änderungen nach Art. 5 um unbe­ siedelte oder noch nicht baureife Grundflächen von wmiger als 10 ha oder um besiedelte oder baureife Grundflächen von weniger als 0,5 ha handelt, entscheidet die Kreisregie­ rung nach Art. 5 Abs. I Satz 1 endgültig. Im übrigen können die Beteiligten sowie der Generalstaatsanwalt beim Verwaltungsgerichtshofe gegen Entscheidungen der Kreis­ regierungen, die nach Art. 5 Abs. I Satz 1 und Art. 6 er­ gehen, binnen vierzehn Tagen Beschwerde zum Berwaltungsgerichtshof erheben. Dieser entscheidet als Schiedsge­ richt nach billigem Ermessen. Kreisregierung und Verwal­ tungsgerichtshof entscheiden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. H Die Kosten des Verfahrens trägt der Staat mit Aus­ nahme der Vertretungskosten der Beteiligten.

Art. 8. 1 Die Staatsaufsichtsbehörde kann in den von der Än­ derung betroffenen Gemeinden Neuwahlen für den Rest der laufenden Wahlzeit anordnen, auf die gleiche Zeit die Zahl der Mitglieder der Bertretungskörper über die bisherige Zahl vermehren und die Wahl für die neuen Stellen auf Teile des Gemeindebezirkes beschränken. 1*

4

I. Texte. Gemeindeordnung.

11 Wird bei einer Änderung vereinbart, daß das Eigen­ tum oder ein anderes Recht an einem Grundstücke von einer Gemeinde auf eine andere Gemeinde übergehen soll, so tritt die Rechtsänderung in dem Zeitpunkt ein, in dem die Ände­ rung im Bestände der Gemeinde wirksam wird oder der in der Verfügung über die Änderung bestimmt wird. Das gleiche gilt, wenn die Vereinbarung durch eilten rechtskräf­ tigen Schiedspruch ersetzt wird.

Art. 9. 1 Bei Änderungen nach Art. 5 erstrecken sich die öffmtlichrechtlichen Vorschriften der Gemeinde, mit der die Ver­ einigung erfolgt ist, vom Zeitpunkte der Änderung an auch auf die einbezogenen Gebiete; die in diesen Gebieten bis zur Vereinigung geltenden öffentlichrechtlichm Vorschrif­ ten der Gemeinde treten gleichzeitig außer Kraft. Aus­ nahmen können in der Verfügung über die Änderung ge­ nehmigt werden. 11 Sft der Aufenthalt Voraussetzung für Rechte oder Pflichten, so gilt der vor der Änderung liegende Aufenthalt in dem einbezogenen Gebiet als Aufenthalt in der neuen Gemeinde.

Art. 19. Gemeindebeamte, die infolge der Änderung von einer anderen Gemeinde übernommen werden sollen, sind ver­ pflichtet, in den Dienst der neuen Gemeinde zu treten, wenn ihnen eine ihrer Berufsbildung entsprechende Stelle zu­ gewiesen wird und ihre Rechte gewahrt werden. Im Streit­ fall entscheidet die Staatsaufsichtsbehörde der neuen Ge­ meinde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Im zwei­ ten Rechtszug entscheidet der Verwaltungsgerichtshof. Die neue Gemeinde hat dem Beamten die Umzugskosten nach den Vorschriften zu ersetzen, die für die Beamten des Staates bestehen. EhrentÜrgerrecht.

Art. 11.

Die. Gemeinden sind befugt, an volljährige Personm das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Die Verleihung an Ausländer bedarf der Genehmigung des Staatsministe^ riums des Innern.

Dieast-nndHoheltözeichr«.

Art. 12.

i Zur Annahme von Wappen und Flaggenfarben und zu ihrer Änderung bedürfen die Gemeinden der Genehmi­ gung des Staatsministeriums des Innern. Dieses kann allgemeine Anordnungen hierüber erlassen. u Die Gemeinden führen Dienstsiegel. Form und Be­ schaffung der Dienstsiegel regelt das Staatsministerium des Innern. Gemeinden, die ein Wappen besitzen, können es im Dienstsiegel führen. ui Das Staatsministerium des Innern kann die Dienst­ abzeichen der Bürgermeister und anderen Mitglieder des Gemeinderats regeln. Berfaffung. Art. 13. !®er Gemeinderat besteht 1. aus dem ersten Bürgermeister, 2. in Gemeinden mit weniger als 200 Einwohnern aus 5 ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern, in Gemeinden mit 200, aber weniger als 500 Ein­ wohnern aus höchstens 8 ehrenamtlichen Gemeinde­ ratsmitgliedern, in Gemeinden mit 500, aber weniger als 1000 Ein­ wohnern aus höchstens 12 ehrenamtlichen Gemeinde­ ratsmitgliedern, in Gemeinden mit 1000, aber weniger als 10000 Einwohnern aus höchstens 20 ehrenamtlichen Gemeinde­ ratsmitgliedern, in Gemeinden mit 10000, aber weniger als 50000 Einwohnern aus höchstens 30 ehrenamtlichen Gemeinde­ ratsmitgliedern, in Gemeinden mit 50000, aber weniger als 100000 Einwohnern aus höchstens 40 ehrenamtlichen Gcmeinderatsmitgliedern, in Gemeinden mit 100000 und mehr Einwohnern aus höchstens 50 ehrenamtlichen Gemeinderatsmit­ gliedern.

6

I. Texte. Gemeindeordnung.

ii Die Zahl der ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder im Rahmen des Abs. I Ziff. 2 bestimmt der Gemeinderat. Eine Änderung ist nur für den Ablauf der Wahlzeit zulässig. in Der Gemeinderat kann beschließen, daß ein oder zwei weitere Bürgermeister in den Gemeinderat zugewählt werden; sie haben unbeschadet der besonderen Bestimmungen dieses Gesetzes die Rechte und Pflichten der Gemeinderats­ mitglieder. iv Nur in Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern können die Bürgermeister berufsmäßig angestellt werden. In diesen Gemeinden kann außerdem der Gemeinderat be­ schließen, daß ein oder mehrere berufsmäßige Gemeinde­ ratsmitglieder in den Gemeinderat zugewählt werden; diese haben Stimmrecht nur in den Gegenständen ihrer Geschäftsaufgabm. v In Städten heißt der Gemeinderat Stadtrat, in Märkten Marktgemeinderat.

Art. 14. 2 Wenn in Gemeinden bis zu 2000 Einwohnern min­ destens ein Drittel, in Gemeinden mit mehr als 2000 Ein­ wohnern mindestens ein Fünftel der Anzahl der bei der letzten Gemeindewahl in den Wählerlisten eingetragenen Wahlberechtigten es beantragt, ist den Wahlberechtigten Gelegenheit zu geben darüber abzustimmen, ob die ehren­ amtlichen Mitglieder des Gemeinderats sich einer Neuwahl zu unterziehen haben. Der Antrag kann durch einen Be­ schluß des Gemeinderats ersetzt werden. Dieser Beschluß ist nur dann gültig, wenn sämtliche Mitglieder des Gemeinde­ rats zur Sitzung unter Mitteilung des Gegenstandes der Beschlußfassung geladen wurden, zwischen der Ladung und dem Beschluß eine Woche liegt und wenn zwei Drittel der erschienenen Mitglieder des Gemeinderats dem Beschlusse zustimmen. Vor Ablauf eines Jahres nach einer Wahl des Gemeinderats kann ein Antrag nach Satz 1 nicht gestellt und ein Beschluß nach Satz 2 nicht gefaßt werden.

11 Die Staatsaufsichtsbehörde ermittelt, ob die Vor­ aussetzungen für die Abstimmung erfüllt sind, und ordnet die Abstimmung an. 111 Haben sich mindestens drei Fünftel der abgegebenm gültigen Stimmen für die Neuwahl ausgesprochen, so ordnet die Staatsaufsichtsbehörde die Neuwahl an. Die Neuge­ wählten versehen das Amt für den Rest her laufenden Wahlzeit. Haben sich nicht wenigstens drei Fünftel der abgegebenen gültigen Stimmen für die Neuwahl ausge­ sprochen, so kann innerhalb eines Jahres nach der Ab­ stimmung das Verfahren nicht wiederholt werden. Iv Das Staatsministerium des Innern ordnet das Verfahren beim Anträge der Wahlberechtigten und bei der Abstimmung; bei der Ordnung des Abstimmungsverfahrens sind die Vorschriften über die Gemeindewahlen zugrunde zu legen. Für die Anfechtung und Berichtigung der Ab­ stimmung gelten die Vorschriften des Art. 74 entsprechend.

Art. 15. 1 Kreisunmittelbare Gemeinden sind verpflichtet, wenig­ stens ein berufsmäßiges Mitglied des Gemeinderats anzu­ stellen, das die Befähigung für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst in Bayern besitzt. 11 Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern müssen für die Geschäftsstelle der Gemeinde einen Gemeindebeamten anstellen, der die Prüfung für den mittleren Staats- und Gemeindeverwaltungsdienst mit Erfolg abgelegt hat, wenn nicht einer der Bürgermeister diese Prüfung oder die Prü­ fung nach Abs. I bestanden hat. Dies gilt auch für mehrere Gemeinden, die zusammen mehr als 2000 Einwohner zählen und sich zur Aufstellung eines gemeinsamen Beamtm nach Satz 1 vereinigt haben. Die Staatsaufsichtsbehörde kann Ausnahmen zulassen. Dem Gemeindebeamten nach Satz 1 und Satz 2 kommt beratende Stimme im Gemeinderate zu. Geschäftsgang.

Art. 16.

Der Gemeinderat vertritt die Gemeinde und verwaltet ihre Angelegenheiten. Er kann zur Regelung des Geschäfts-

8

I. Texte. Gemeindeordnung.

gangs eine Geschäftsordnung erlassen; in Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern muß eine Geschäftsordnung erlassen werden.

Art. 17. 1 Der erste Bürgermeister leitet und verteilt die Ge­ schäfte. Er führt den Vorsitz im Gemeinderat und bereitet die Beratungsgegenstände für die Sitzungen des Gemeinde­ rats vor; soweit Beratungsgegenstände zu den Geschäfts­ aufgaben eines berufsmäßigen Mitglieds des Gemeinderats gehören, obliegt diesem Mitgliede die Vorbereitung unbe­ schadet der Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters zur Leitung der Geschäfte. Der erste Bürgermeister vollzieht die Beschlüsse des Gemeinderats und vertritt hierbei den Gemeinderat nach außen. Er ist befugt, in eigener Zustän­ digkeit dringende Anordnungen, die sofort vollzogen werden müssen, zu erlassen und unaufschiebbare Geschäfte zu ererledigen; hiervon hat er dem Gemeinderat in der nächsten Sitzung Kenntnis zu geben. Der erste Bürgermeister kann ferner einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung und solche Geschäfte, die sich zur Behandlung im Gemeinderate nicht eignen, in eigener Zuständigkeit besorgen. Durch die Geschäftsordnung oder durch besondere Beschlüsse können ihm weitere Geschäfte zur selbständigen Erledigung über­ tragen werden. 11 Der erste Bürgermeister hat Beschlüsse des Gemeinde­ rats, die er für rechtswidrig hält, zu beanstanden und den Vollzug bis zur Entscheidung der Staatsaufsichtsbehörde zu unterlassen. 111 Urkunden, die eine Verpflichtung der Gemeinde be­ gründen, müssen in Gemeinden bis zu 3000 Einwohnern vom ersten Bürgermeister und zwei Mitgliedern des Ge­ meinderats unterzeichnet sein.

Art. 18. 1 Die allgemeine Stellvertretung des ersten Bürger­ meisters steht zunächst den weiteren Bürgermeistern in ihrer Reihenfolge zu. Im übrigen regelt die allgemeine ©teil» Vertretung des ersten Bürgermeisters der Gemeinderat;

hierbei sind in erster Linie berufsmäßige, in zweiter Linie ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder als Stellvertreter zu bestimmen; dieser Beschluß des Gemeinderats ist öffentlich bekanntzumachen. 11 Der erste Bürgermeister kann seine Befugnisse teil­ weise dem zunächst zur Vertretung gesetzlich berufenen Bürgermeister oder mit dessen Zustimmung einem weiteren Bürgermeister, Gemeinderatsmitglied oder Gemeindebeamten widerruflich übertragen. In den lchteren Fällen kann der erste Bürgermeister als seinen Stellvertreter in den Ange­ legenheiten, die zu den Geschäftsaufgaben des weiteren Bürgermeisters oder eines berufsmäßigen Gemeinderats­ mitglieds gehören, zunächst nur den beteiligten Bürger­ meister oder das beteiligte Gemeinderatsmitglied bestellen.

Art. 19. 1 Der Gemeinderat beschließt in Sitzungen. 11 Der Gemeinderat wird von dem ersten Bürgermeister berufen und muß berufen werden, wenn es ein Viertel der ehrenamtlichen Mitglieder des Gemeinderats unter Bezeich­ nung des Verhandlungsgegenstandes schriftlich beantragt. in Der Gemeinderat ist beschlußfähig, wenn sämtliche Mitglieder geladen sind und wenn mehr als die Hälfte der für den Beratungsgegenstand stimmberechtigten Mitglieder anwesend ist. In Gemeinden bis zu 3000 Einwohnern sollen die Gegenstände der Verhandlung bei der Ladung angegeben werden. In Gemeinden mit mehr als 3000 Ein­ wohnern ist eine Ladung unnötig, wenn die Sitzungszeiten im voraus durch Beschluß des Gemeinderats bestimmt sind.

Art. 20. 1 Ein Mitglied kann an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluß ihm selbst, seinem Ehe­ gatten, einem Verwandten oder Verschwägerten bis zum dritten Grad oder einer von ihm gesetzlich oder kraft Voll­ macht vertretenen Rechtspersönlichkeit des bürgerlichen Rechts einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringm kann. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, entscheidet dÄ

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Gemeinderat ohne Mitwirkung des in Betracht kommenden Mitglieds; gegen die Entscheidung kann jedes Mitglied des Gemeinderats binnen vierzehn Tagen Beschwerde einlegen, über welche die unmittelbar vorgesetzte StaatSaufsichtSbehörde endgültig entscheidet. Hat ein Mitglied des Ge­ meinderats entgegen der Bestimmung des Satzes 1 an der Beratung und Abstimmung teilgenommen, so ist der Be­ schluß ungültig. 11 Ist der Gemeinderat durch Verhinderung von Mit­ gliedern nach Abs. I beschlußunfähig geworden, so treten für die verhinderten Mitglieder die Ersatzleute in der gesetzlichen Reihenfolge ein. Ist auf diese Weise die Be­ schlußfähigkeit nicht zu erreichen, so kann die Staatsauf­ sichtsbehörde die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl herabsetzen oder das sonst zum Besten der Gemeinde Not­ wendige verfügen. in Ebenso kann die Staatsaufsichtsbehörde verfahren, wenn der Gemeinderat durch andere Hindernisse zeitweise beschlußunfähig geworden ist und unauffchiebbare BeratungsgegenMnde vorliegen.

Art. 21. i Der Gemeinderat beschließt in offener Wstimmung mit Mehrheit der Abstimmenden. Wahlen können in ge­ heimer Abstimmung vvrgenommen werden, wenn dies im einzelnen Falle beschlossen wird. Kein Mitglied darf sich der Stimme enthalten. Bei Stimmengleichheit ist der An­ trag abgelehnt. ii Wahlen sind nur gültig, wenn sämtliche Mitglieder des Gemeinderats unter Angabe dieses Gegenstandes ge­ laden sind und mehr als die Hälfte seiner Mitglieder an­ wesend ist. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abge­ gebenen gültigen Stimmen auf sich vereinigt. Wird diese Mehrheit im ersten Wahlgange nicht erreicht, so tritt Stich­ wahl unter den beiden Bewerbern ein, die im ersten Wahl­ gange die höchsten Stimmenzahlen erreicht haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, wer in die Stich­ wahl zu bringen ist. Ergibt auch die Stichwahl Stimmen-

gleichheit, so entscheidet das Los. Für die Wahlen nach Art. 65 gelten die besonderen Bestimmungen dieses Ge­ setzes und der Wahlordnung. 111 Beschlüsse über die Anstellung von Personen im Gemeindedienste gelten nicht als Wahlen, soweit es sich nicht um die Anstellung berufsmäßiger Mitglieder des Ge­ meinderats handelt.

Art. 22. 1 Der Gemeinderat kann vorberatende Ausschüffe bil­ den. In Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern sollen alle wichtigen Angelegenheiten, insbesondere Angelegenheitm, die der staatsaufsichtlichen Genehmigung bedürfen, die Aufstellung des Voranschlags, Abweichungen vom Vor­ anschlag sowie die Feststellung der Rechnung in einem vor­ beratenden Ausschüsse vorbehandelt werden. ii Der Gemeinderat kann die Verwaltung bestimmter Geschäftszweige oder die Erledigung einzelner Geschäfte be­ schließenden Ausschüssen (Senaten) übertragen. Beschlüsse, die der Gmehmigung der Staatsaufsichtsbehörde bedürfen, und Beschlüsse über die allgemeine Regelung der Bezüge der Gemeindebeamten kann nur der Gemeinderat fassen; dies gilt auch für Beschlüsse über die Bezüge der einzelnen Gemeindebeamten, falls die Bezüge nicht allgemein geregelt sind. ui Die beschließenden Ausschüsse erledigen die ihnen übertragenen Angelegenheiten an Stelle des Gemeinderats. Dem Gemeinderat ist jedoch die Nachprüfung ihrer Be­ schlüsse unbenommen, sofern die aus den Beschlüssen er­ wachsenen Rechte Dritter hiervon nicht berührt werden. Die Nachprüfung muß erfolgen, wenn der erste Bürgermeister oder ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses binnen einer vom Gemeinderat in der Geschäftsordnung bestimmtm Frist dies beantragt. Soweit jedoch die beschließenden Aus­ schüsse verwaltungsgerichtlich tätig sind, unterliegen ihre Entscheidungen lediglich der Nachprüfung nach dm Vor­ schriften über das verwaltungsgerichtliche Verfahren.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Iv Die Besetzung der Ausschüsse wird durch die Ge­ schäftsordnung geregelt. Hierbei ist dafür zu sorgen, daß die Minderheiten verhältnismäßig vertreten sind; Ände­ rungen im Stärkeverhältnis sind zu berücksichtigen; Stell­ vertretung ist zulässig. v Auf den Geschäftsgang der beschließenden Ausschüsse sind die Vorschriften über den Geschäftsgang des Gemeinde­ rats entsprechend anzuwenden. Der Geschäftsgang der vor­ beratenden Ausschüsse wird durch die Geschäftsordnung ge­ regelt. Den Vorsitz in den Ausschüssen führt der erste Bürgermeister. Vl Der Gemeinde rat kann einen Ausschuß jederzeit auflösen.

Art. 23. 1 Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, soweft nicht Rücksichten auf das Wohl des Reiches, des Staates, der Gemeinde oder berechtigte Ansprüche einzelner entgegen­ stehen. Über dm Ausschluß der Öffentlichkeit wird in ge­ heimer Sitzung beratm und entschieden. 11 Der Vorsitzende handhabt die Ordnung. Er ist be­ rechtigt, Zuhörer, die die Ordnung stören, entfernen zu lassen. Das gleiche Recht steht ihm mit Zustimmung des Gemeinderats zu gegen Mitglieder, die die Ordnung fort­ gesetzt erheblich stören. 111 Der Gemeinderat kann bestimmen, daß ein Mitglied durch den Vorsitzmden auf zwei weitere Sitzungen ausge­ schlossen werden kann, wmn das Mitglied schon von einer früheren Sitzung ausgeschlossen worden ist und binnen zwei Monaten erneut die Ordnung der Sitzung gröblich verletzt. IV Die Zustimmung nach Abs. II und die Bestimmung nach Abs. III kann auch allgemein ergehen. v Für die Ausschüsse gelten die Abs. II bis IV ent­ sprechend.

Art. 24. 1 Über die Verhandlungen des Gemeinderats und der beschließendm Ausschüsse sind Niederschriften in Sitzungs­ bücher aufzunehmen. Die Niederschriften müssen die an­ wesenden Mitglieder, die verhandelten Gegenstände, die Be-

schlüsse und das Abstimmungsergebnis ersehen lassen. Mit­ glieder, die einem Beschlusse nicht zugestimmt haben, sönnen verlangen, daß dies vermerkt wird. Die Niederschriften sind von dem Vorsitzenden und in Gemeinden bis zu 2000 Ein­ wohnern von mindestens zwei weiteren Mitgliedern des Gemeinderats zu unterzeichnen. Weitere Unterschriften kön­ nen durch die Geschäftsordnung oder durch besonderen Be­ schluß des Gemeinderats angeordnet werden. 11 In Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern be­ stimmt der Gemeinderat, ob an die Stelle der Aufnahme der Niederschriften in Sitzungsbücher eine andere Regelung tritt. 1,1 Den Mitgliedern des Gemeinderats steht die Einsicht in die Niederschriften nach Abs. I und II frei.

Art. 25. 1 Die ehrenamtlichen Mitglieder des Gemeinderats und der Ausschüsse sind verpflichtet, an den Sitzungen teilzu­ nehmen und Geschäfte, die ihnen zugewiesen werden, zu übernehmen. 11 Gegen ehrenamtliche Mitglieder, die sich dieser Ver­ pflichtung entziehen oder sich der Abstimmung enthalten, kann der Gemeinderat durch Beschluß Ordnungsstrafm bis zu 200 Ml im einzelnen Falle verhängen. Die Strafe wegen Versäumnis der Sitzung kann auch verhängt werden, wenn wenigstens ein Drittel der Mitglieder des Gemeinde­ rats anwesend ist. Die Strafen werden durch die Gemeinde wie Gemeindeumlagen beigetrieben. 111 Entzieht sich ein ehrenamtliches Mitglied nach zwei wegen Versäumnis erkannten Strafen innerhalb eines Zeit­ raums von sechs Monaten weiterhin seiner Pflicht, an den Sitzungen teilzunehmen, so kann der Gemeinderat den Ver­ lust des Amts aussprechen. iv Gegen den auf Geldstrafe lautenden Beschluß kann binnen vierzehn Tagen nach Eröffnung Beschwerde zur Staatsaufsichtsbehörde eingelegt werden. Diese entscheidet endgültig. Gegen den auf Verlust des Amts lautenden Be­ schluß kann das ausgeschlossene Mitglied binnen vierzehn

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Tagen nach Eröffnung den Antrag auf verwaltungsgericht­ liche Entscheidung stellen. Die Kreisregierung entscheidet in allen Fällen im letzten Rechtszuge.

Art. 26. i Die Gemeinden können örtliche Satzungen erlassen, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht oder wenn die Gemeinden im Rahmen ihrer Aufgaben Vorschriften zu geben berechtigt sind. 11 Satzungen müssen in ortsüblicher Weise bekanntge­ macht werden. Sie treten, wenn nichts anderes bestimmt wird, am Tage nach der Bekanntmachung in Kraft. in Die Gemeinde ist an die Bestimmungen einer Satzung, solange diese besteht, gebunden. Lerwaltuug.

Art. 27.

1 Die Gemeinden sind verpflichtet, für den ordnungs­ mäßigen Gang der Geschäfte zu sorgen und die dazu erfor­ derlichen Einrichtungen zu treffen. ii Der erste Bürgermeister ist verantwortlich für den Vollzug der Gesetze und Verordnungen sowie der Weisungen der Staatsbehörden (Art. 50) und für den Vollzug der Beschlüsse und Anordnungen der Staatsaufsichtsbehörden (Art. 59 bis 61).

Art. 28. i Die Gemeinden sind, abgesehen von den durch die Gesetze und Verordnungen sonst auferlegtm Obliegenheiten, verpflichtet: zur Herstellung und Unterhaltung der Flur- und Markungsgrenzen, der erforderlichen Gemeindegebäude, der nötigen Begräbnisplätze und Bestaltungsanstalten, der erforderlichen Feuerlöschanstalten und Löschgeräte und der nötigen Viehverscharrungsplätze; zur Herstellung und Unterhaltung der Gemeinde­ wege, Brücken, Stege und Fähren, zur Unterhaltung und Reinhaltung der Ortsstraßen und -Plätze sowie zur Herstellung und Unterhaltung der nötigen Sicher-

heitsvorrichtungen, Wegweiser und Warnungstafeln an ihnen; zur Herstellung und Unterhaltung der Ortstafeln und öffentlichen Uhren; zur Herstellung, Unterhaltung und Reinhaltung der nicht nur für einzelne notwendigen Anlagen zur Ver­ sorgung mit Trinkwasser und zur Beseitigung von Ab­ wässern, zur Unterhaltung und Reinhaltung der ande­ ren öffentlichen Brunnen, Wasserleitungen und Kanäle; zur Instandhaltung und ordnungsmäßigen Verwah­ rung ihrer Registraturen und Archive; zur Anschaffung der vom Staatsministerium des Innern vorgeschriebenen Gesetz- und Amtsblätter; zur Überlassung geeigneter Räume für die Nach­ eichung der Meßgeräte bei den Bezirksbereisungen durch den Eichmeister und zur Beförderung der eichamtlichen Geräte zum nächsten Nacheichungsort. li Verpflichtungen Dritter zur Herstellung und Unter­ haltung solcher Einrichtungen oder zur Bestreitung der Kosten werden nicht berührt.

Art. 29. 1 Soweit die öffentlichen Feld- und Waldwege ein­ schließlich der ihrer Instandhaltung dienenden Abzugs­ gräben von den Beteiligten nicht ordnungsmäßig unter­ halten werden, haben die Gemeinden für die Instandhaltung zu sorgen. Der Aufwand ist auf die Eigentümer der betei­ ligten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke nach dem Verhältnis umzulegen, in dem diese Grundstücke zur Grund­ steuer veranlagt sind; als beteiligt gelten die Grundstücke, deren Bewirtschaftung jene Wege dienen. Die Heranziehung der Grundstückseigentümer kann unterbleibm, wenn der Pachtschilling für die Gemeindejagd in der Gemeindekasse verbleibt. 11 Wird durch Führung eines Betriebes oder durch Be­ wirtschaftung oder Ausbeutung eines Grundstücks ein Ge­ meindeweg, ein öffentlicher Feld- oder Waldweg in außer­ gewöhnlicher Weise abgenützt, so kann die Gemeinde den

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Inhaber des Betriebes und den Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks zu besonderen Vorausleistungen heränziehen. Das Staatsministerium des Innern kann hierüber Vorschriften erlassen. in Die Beiträge nach Abs. I und II werden wie Ge­ meindeumlagen erhoben und beigetrieben. IV Streitigkeiten werden im verwaltungsgerichitlichen Verfahren entschieden. Im zweiten Rechtszug entscheidet der Verwaltungsgerichts^wf. v Abs. I, III und IV gelten für die Herstellung der öffentlichen Feldwege einschließlich der ihrer Instandhal­ tung dienenden Abzugsgräben sowie für die Herstellung und Unterhaltung von anderen Abzugsgräben einfacher Art entsprechend, soweit die Herstellung und Unterhaltung nicht in den besonderen Aufgabenkreis einer öffentlichen Wasser-, Ödland- oder Flurbereinigungsgenossenschast fällt und die Gemeinde über die bmötigte Grundfläche verfügen kann.

Art. 30. 1 Das Grundstockvermögen ist in seinem Bestand unge­ schmälert zu erhalten, soweit es nicht als angesammeltes Zweckvermögen dem bestimmten Zwecke zugeführt wird. Zum Grundstockvermögen gehören alle Werte, die nicht zur Veräußerung oder zum Verbrauch im Haushalte der Gemeinde bestimmt sind. ii Wird Grundstockvermögen veräußert, so ist der Er­ lös dem Grundstockvermögen zuzuführen. Werden Grund­ stücke veräußert, so sind Grundstücke zu beschaffen. Wird Grundstockvermögen geschmälert, so ist es in angemessener Zeit durch Zuweisung aus Wirtschastsmitteln zu ersetzen. Bon diesen Vorschriften kann aus wichtigen Gründen abge­ wichen werden, wenn die Staatsaufsichtsbehörde hiergegen keine Erinnerung erhebt. Mit Genehmigung der Staats­ aufsichtsbehörde kann Grundstockvermögen unentgeltlich ver­ äußert werden. in Die Verteilung von Bestandteilen des Grundstock­ vermögens kann vom Gemeinderate nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder und nur dann be-

schlossen werden, wenn dadurch eine erhebliche Steigerung des Ertrags gewährleistet wird. Den Kreis der Berechtigten bestimmt Art. 32 Satz 3. Die Verteilung bedarf der Ge­ nehmigung der Staatsaufsichtsbehörde. Das Eigentum geht mit dieser Genehmigung über.

Art. 31. Für die Bewirtschaftung der Gemeindewaldungen gelten die besonderen gesetzlichen Vorschriften.

Art. 32. Die Erträgnisse des Gemeindevermögens fließen vorbe­ haltlich der Art. 33 bis 39 in die Gemeindekasse. Die Verteilung solcher Erträgnisse ist nur zulässig, wenn die Gemeindebedürfnisse gedeckt werden können, ohne daß Um­ lagen oder örtliche Verbrauchssteuern erhoben werden, und wenn größere Ausgaben für außerordentliche Gemeinde­ bedürfnisse nicht in Aussicht stehen. An der Verteilung nehmen alle Reichsangehörigen, die in der Gemeinde seit Jahresfrist den gewöhnlichen Aufenchalt haben und einen eigenen Haushalt führen, gleichmäßig teil. Zur Verteilung ist die Gmehmigung der Staatsaufsichtsbehörde notwendig.

Art. 33. 1 Rechte einzelner auf Nutzungen am Gemeindevermögen können nicht neu begründet werden.11 Nutzungsrechte, die sich auf bürgerliches Recht grün­ den, werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

Art. 34. Rechte einzelner auf Nutzungen am Gemeindevermögm sind begründet, wenn und soweit hierfür ein besonderer Rechtstitel oder rechtsbegründetes Herkommen besteht. Diese Rechte können auch ausgeübt werden, wenn die Gemeinde Umlagen, örtliche Abgaben oder örtliche Verbrauchssteuern erhebt. Laforet-v.Zan-Schabenfroh^ Gemeindeordnung.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Wrt SS. Das Herkommen gilt als rechtsbegründet, wenn, die Nutzungen kraft Rechtsübcrzeugung ununterbrochen wenig­ stens dreißig Jahre Hang bis zum Inkrafttreten dieses Ge­ setzes oder, falls der Anspruch schon vorher in einem Verwaltungsrechtsstreit geltend gemacht wurde, bis zum Zeitpunkte der Geltendmachung des Anspruchs ausgeübt wordm sind, es sei denn, daß der Ausübung eine rechts­ kräftige Entscheidung entgegensteht. Wird der Anspruch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erhoben, so müssen außer­ dem die Nutzungen bis zur Geltendmachung des Anspruchs ausgeübt worden sein.

Art. 36. 1 Ein Nutzungsrecht, das auf einem Haus oder Grund­ stück ruht, kann vur ausnahmsweise aus wichtigen Gründen auf ein Wohnhaus der gleichen Gemeinde übertragen wer­ den. Die Übertragung bedarf der Genehmigung der Ge­ meinde und der Staatsaufsichtsbehörde. 11 Gegen den Beschluß der Staatsauffichtsbehörde steht dem Berechtigten und der Gemeinde binnen vierzehn Tagen Beschwerde an die nächsthöhere Staatsauffichtsbchörde zu. Diese entscheidet endgültig. »l Die Übertragung bedarf der Genehmigung der Ge­ meinde nicht und ist von der Staatsaufsichtsbehörde zu ge­ statten, wenn das Haus, auf dem das Nutzungsrecht ruht, durch Brand oder Naturereignis zerstört oder abgebrochen oder für einen öffentlichen Zweck abgetreten wird und das Recht auf ein in der gleichen Gemeinde neuerrichtetes Wohnhaus des Berechtigten übertragen werden soll. l^Die Häufung von mehr als einem vollen Nutzungs­ recht auf ein Wohnhaus oder die Zerstückelung eines Rechts bedarf der Genehmigung der Kreisregierung.

Art. 37. 1 Wer Nutzungen bezieht, hat die auf dem Gegenstand des Nutzungsrechts ruhenden Lasten zu tragen und die zur Gewinnung der Nutzungen und zur Erhaltung oder zur

Erhöhung der Ertragsfähigkeit erforderlichen Ausgaben zu bestreiten. Wird Gemeindevermögen teilweise von der Ge­ meinde, teilweise von Berechtigten genutzt, so sind diese Lasten und Auslagen verhältnismäßig von der Gemeinde und den Berechtigten zu tragen, es sei denn, daß bisher die Verteilung anderweit geregelt war. 11 Die Berechtigten sind verpflichtet, für die Nutzungen Gegenleistungen an die Gemeinde zu entrichten, soweit dies bisher der FaÜ war. Die Höhe der Gegenleistungen bemißt sich nach dem Wertverhältnis zwischen Nutzungen und Gegenleistungen am 1. Januar 1914.

Art. 38. Die Gemeinde kann Nutzungsrechte ohne Entschädigung nur mit Einwilligung der Berechtigten, gegen Entschädigung mit Einwilligung der Mehrheit der Berechtigten aufheben. Werden die Nutzungen nicht zu gleichen Teilm von allen Berechtigtm bezogen, so hat jeder Berechtigte so viel Stimm­ recht, als der ihm zustehenden Nutzung entspricht. Wenn eine Gemeinde Nutzungsrechte einzelner vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgelöst hat oder künftig ablöst, so gelten diese Nutzungsrechte zugunsten der Gemeinde als fort­ bestehend; solche Nutzungsrechte können nicht mehr nach Art. 36 übertragen werden. Streitigkeiten werden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entschieden, im zweiten Rechtszuge durch den Berwaltungsgerichtshof. Über die Höhe der Entschädigung entscheiden im Streitfälle die ordentlichen Gerichte.

Art. 39. Wenn Nutzungsrechte die ordnungsmäßige Bewirtschaf­ tung oder die Verbesserung der belasteten Grundstücke ver­ hindern oder erheblich erschweren, so könnm sie von der Gemeinde gegen Entschädigung abgelöst werden. Sind die belasteten Grundstücke ganz oder teilweise in den Bereich einer öffentlichen Wasser-, Ödland- oder Flurbereinigungs­ genossenschaft einbezogen, so steht auch dieser unter den gleichen Voraussetzungen das Ablösungsrecht zu. Die Ab2*

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lösung ist nicht zulässig, soweit sie die Wirtschaftsführung der Nutzungsberechtigten in hohem Maße erschweren würde. Die Entschädigung beträgt das Fünfzehnfache des durch­ schnittlichen Jahreswerts der Nutzungen, die in den der Ablösung unmittelbar vorangehenden zehn Jcchren bezogen worden sind, abzüglich der in Art. 37 erwähnten Lasten, Ausgaben und Gegenleistungen. Die Entschädigung ist drei Monate nach dem Abschluß der Vereinbarung oder der Rechtskraft der Entscheidung über die Ablösung fällig. Art. 38 Satz 5 und 6 gelten entsprechend.

Art. 40. 1 Entsteht ein Streit darüber, ob ein Grundstück Eigen­ tum der Gemeinde oder Eigentum anderer Personen ist, oder entsteht darüber Streit, ob und wieweit das Ver­ fügungsrecht der Gemeinde durch einen Anspruch beschränkt ist, der auf ein Nutzungsrecht des bürgerlichen Rechts be­ gründet wird, so hat die Staatsauffichtsbehörde der Ge­ meinde einen Ausgleichsversuch vvrzunehmen. ii Die Staatsaufsichtsbehörde ist berechtigt, im Falle verübter oder drohender Selbsthilfe oder, wenn die Ver­ hütung anderer dringender Gefahren es erfordert, vorbe­ haltlich der Entscheidung des ordentlichen Gerichts die nötigen vorsorglichen Verfügungen zu treffen.

Art. 41. l Für die Erfüllung gesetzlicher Pflichtaufgaben der Ge­ meinde, insbesondere zur Unterhaltung der öffentlichen Wege, zur Erhaltung des Gemeindevermögens und zur Handbabung der öffentlichen Sicherheit kann der Gemeinde­ rat Gemeindedienste (Hand- und Spanndienste) anordnen. Wissenschaftliche, kunst- oder handwerksmäßige Arbeiten können nicht gefordert werden. ii Zu Gemeindediensten sind di« Einwohner verpflichtet, die in der Gemeinde eilten eigenen Haushalt führen, zur Unterhaltung der öffentlichen Feldwege jedoch nur, soweit sie zur Bewirtschaftung ihrer Grundstücke solche Feldwege benützen. Leben mehrere Verpflichtete in Familiengemein-

schast, so sind sie einem einzigen Verpflichteten gleichzu­ achten. Die Dienste dürfen auch durch geeignete Stellver­ treter geleistet werden und können, außer in Fällen öffent­ licher Not, mit Zustimmung der Gemeinde durch eine an die Gemeinde abzuführende Geldleistung abgeleistet werden, die dem Werte der geforderten Dienstleistung entspricht. Zu Spanndiensten sind auch die juristischen Personen des bür­ gerlichen Rechts verpflichtet. 111 Von den Handdiensten sind befreit

1. Personen, die berufsmäßig in einem öffentlichen Dienst­ verhältnisse stehen, soweit sie nicht Hauseigentümer oder ausübende Landwirte sind, 2. erheblich erwerbsbeschränkte Personen, wenn sie kein arbeitsfähiges Haushallsmitglied haben oder dieses wegen ihrer Erwerbsbeschränktheit nicht entbehren können. IV Die Verpflichtung zu Spanndiensten erstreckt sich auch auf geeignete Kraftfahrzeuge. Fahrzeuge, die zum öffent­ lichen Dienst gehalten werden, scheidm aus. v Die Handdienste werden nach der Kopfzahl der Pflich­ tigen, die Spanndienste nach der Zahl der pflichtigen Ge­ spanne und Kraftfahrzeuge verteilt. Die Spanndienste wer­ den auf Handdienste und die Spanndienste untereinander nach Billigkeit angerechnet. Die Gemeinde regelt die Ver­ teilung und die Anrechnung durch eine Satzung. Sie kann allgemein oder nach Billigkeit in einzelnen Fällen für die Leistung der Dienste angemessene Vergütung gewährm. VI Werden Gemeindedienste nicht rechtzeitig geleistet, so kann die Gemeinde nach einer Mahnung die Dienste auf Kosten des Säumigen vornehmen lassen oder, wenn dies nicht möglich ist, ihn zur Zahlung eines Beitrags an die Gemeindekasse verpflichten, der dem Werte der verweigerten Dienste entspricht. Die Schuld des Verpflichteten wird wie eine Gemeindeumlage beigetrieben. vil Über Streitigkeiten entscheidet die unmittelbar vor­ gesetzte Staatsauffichtsbehörde endgültig.

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Art. 42. i Anleihen dürfen nur zu werbendm Zwecken oder zu Ausgaben für Einrichtungen von dauerndem Nutzen aus­ genommen werden, zu deren sofortigen Deckung die Leistungs­ fähigkeit der Gemeinde nicht ausreicht. 11 Anleihen müssen nach einem festgestellten Plan in angemessener Zeit aus Wirtschaftsmitteln getilgt werden. Anleihen zur Befriedigung wiederkehrender Bedürfnisse sollen bis zur Wiederkehr des Bedürfnisses getilgt oder durch Rücklagen ausgeglichen sein. Die Tilgungspläne sind der Staatsaufsichtsbehörde vorzulegen. rn Aus wichtigen Gründen kann die Staatsaufsichts­ behörde zulassen, daß von den Vorschriften des Abs. I und II abgewichen wird. l^Die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde ist er­ forderlich, wenn der Betrag der aufzunehmenden Schuld allein oder zusammen ‘mit anderen Beträgen im Sinne der Abs. I, IV, V im gleichen Rechnungsjahr in den Gemeinden bis zu 1000 Einwohnern 10000 in Gemeinden mit1001 bis zu2 000 Einw. 20000 H-k, „ „ „ 2001 „ „ 10000 „ 50 000 M „ „ „ 10001 „ „ 20000 „ 80000 M „ „ „ 20001 „ „ 50000 „ 150000Ml, „ „ „ 50001 „ „ 100 0O0 „ 300000 Ml, „ „ „ 100001 „ „ 300000 ,. 500 000 Ml, „ „ „ mehr als 300000 „ 1000 000 Ml, übersteigt. Das gleiche gilt ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrags, wenn der Geldgeber ein Ausländer ist oder wenn die Verpflichtung der Gemeinde ganz oder teilweise in ausländischer Währung zu erfüllen ist. Das Staats­ ministerium des Innern kann im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen bindende Richtlinien für die Fälle des vorstehenden Satzes aufstellen. vDer Aufnahme von Anleihen steht die Aufnahme von Darlehen, der Abschluß von Bürgschaftsverträgen und ver­ wandten Rechtsgeschäften, die ein Einstehen für fremde Schuld zum Gegenstände habm, gleich. Soweit Tilgungs-

Pläne nicht in Frage kommen, ist Anzeige an die Staats­ aufsichtsbehörde zu erstatten. vi Betriebskredite, das sind Kredite, die bestimmungs­ gemäß in kürzester Zeit, längstens aber innerhalb eines Jahres seit der Aufnahme zurückbezahlt werden und bereit Berwendungsart die Rückzahlung in dieser Zeit gewähr­ leistet, bedürfen der Genehmigung der Staatsaufsichts­ behörde, wenn sie, ohne abgedeckt zu sein, in dem gleichen Rechnungsjahre die in Abs. IV genannten Summen über­ steigen oder wenn die Voraussetzungen des Abs. IV Satz 2 vorliegen. Die Aufnahme aller übrigen Betriebskredite ist der Staatsauffichtsbehörde anzuzeigen.

Art. 43. i Soweit die sonstigen Einnahmen der Gemeinde für dm Bedarf der Gemeinde nicht ausreichen, ist dieser durch Umlagen, örtliche Verbrauchssteuern und örtliche Mgaben zu deckm. li Für die Überweisung von Reichs- und Landessteuern an die Gemeindm, für die örtlichen Abgaben und Stmern aller Art gelten die besonderen Gesetze. Dabei ist auf die Erhaltung der Lebmsfähigkeit der Gemeindm Rücksicht zu uehmm. ui Zur Erhebung von örtlichm Verbrauchssteuern, so­ weit diese durch Gesetz und Staatsvertrag zugelassen und nicht anderweit geregelt sind, sowie zur Erhebung von Pflaster-, Wege- und Brückenzöllen ist die Genehmigung der Kreisregierung erforderlich. Das Staatsministerium des Innern ist befugt, im Einvemehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen bindende Richtlinien zu erlassen.

Art. 44. iDie Gemeinden sind berechtigt, soweit nicht Gesetze oder Staatsverträge entgegmstehen, durch Satzung die Be­ nützung ihres Eigentums, ihrer Anstaltm, Unternehmungen und Einrichtungen zu ordnm und Gebühren für die Be­ nützung festzusetzm. Zur Bmützung ist jeder berechtigt, der in der Gemeinde wohnt oder sich aufhält oder in der Ge-

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meinde mit Umlagen veranlagt ist und die für die Be­ nützung allgemein bestimmten Voraussetzungen erfüllt. u Um die Durchführung der Satzung zu sichern, sind die Gemeinden berechtigt, ortspolizeiliche Vorschriften zu er­ lassen und darin die Hinterziehung oder Verkürzung der Gebühren und sonstige Zuwiderhandlungen gegen die Satzung mit Geldstrafe bis zu 150 3M zu bedrohen. Die Geldstrafen fließen in die Gemeindekasse. Das gleiche gilt für die Sicherung der Erhebung von örtlichen Verbrauchssteuern nach Art. 43 Abs. III, ferner für die Sicherung der Erhebung von Pflaster-, Wege- und Brückenzöllen. in Unterläßt jemand zu tun, was ihm auf Grund einer nach Abs. I erlassenen Satzung obliegt, so können die Ge­ meinden die Handlung auf Kosten des Verpflichteten vornehmm lassen und die Kosten wie Gemeindeumlagen bei­ treiben. Die Handlung darf an Stelle des Verpflichteten erst vorgenommen werden, wenn dieser einer an ihn gerichteten Ver­ fügung innerhalb bestimmter Frist nicht Folge geleistet hat. iv Gegen die Androhung oder Durchführung der Ersatzvornahme ist binnm vierzehn Tagen Beschwerde zur Staats­ aufsichtsbehörde zulässig. Sie hat aufschiebende Wirkung, wenn die Staatsaufsichtsbehörde nichts anderes bestimmt.

v Streitigkeiten über die Benützung der Anstalten, Unternehmungen und Einrichtungen und über Verbindlich­ keiten zur Entrichtung von Gebühren hierfür sowie über Ansprüche auf Rückvergütung solcher Gebühren werden 'im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entschieden; im zweiten Rechtszug entscheidet der Verwaltungsgerichtshof. vi Die Gemeinden können durch Satzung die Benützung gemeindlicher Wasserleitungen, Kanalisationm und Schlacht­ höfe sowie gemeindlicher Anstalten zur Beseitigung des Unrats und zur Straßenreinigung zur Zwangspflicht machen, wenn für alle Beteiligten unabhängig von der ört­ lichen Lage gleiche Bedingungen der Benützung aufgestellt werden. Die Satzung einschließlich der Gebührenregelung bedarf der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde. Die Bestimmungen der Abs. I bis V gelten entsprechend.

Art. 4S. i Die Gemeinde kann durch Satzung bestimmen, daß der Aufwand für die von der Gemeinde bestellten Hirten auf die Viehbesitzer nach der Zahl der Stücke der Vichgattung, für die der Hirte bestimmt ist, umgelegt wird. ii Zur Umlage sind Viehbesitzer nicht heranzuziehen, die auf die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Weide für ihr Vieh verzichten. ui Streitigkeiten entscheidet die unmittelbar vorgesetzte Staatsaufsichtsbehörde endgültig.

Art. 46. iDas Rechnungsjahr läuft vom 1. April bis zum 31. März. ii Die Gemeinden sind verpflichtet, alljährlich vor Be­ ginn des Rechnungsjahres einen Voranschlag über die voraussehbaren Einnahmen und Ausgaben aufzustellen. Der Voranschlag muß einen Stellenausweis über alle Be­ amten und sonstige Kräfte enthalten. Der Voranschlag muß ersehen lassen, wie die sämtlichen Ausgaben gedeckt werden sollen. in Der in öffentlicher Sitzung beschlossene Voranschlag ist zwei Wochen lang nach vorheriger ortsüblicher Bekannt­ gabe dieser Frist öffentlich aufzulegen. Soweit Einwen­ dungen gegen den Voranschlag erhoben worden sind, wird hierüber in öffentlicher Sitzung entschieden. Der festgestellte Voranschlag ist der Staatsaufsichtsbehörde vorzulegen. Er­ hebt diese binnen vier Wochen keine Erinnerung, so gilt er als unbeanstandet. w Der Voranschlag bildet die Grundlage des Haushalts. v5ilr Stiftungen und solche Kassen, die jährlich gleichbleibende Einnahmen und Ausgaben haben, kann der Vor­ anschlag für mehrere Jahre aufgestellt werden, sofern die Staatsaufsichtsbehörde nichts anderes anordnet.

Art. 47. iDie Rechnungen über die Führung des Haushalts find von dem Gemeinderate tunlichst bald nach Ablauf des

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Rechnungsjahres in öffentlicher Sitzung festzustellen. Die Rechnungen müssen den Stellenausweis (Art. 46) nach seiner tatsächlichen Durchführung enthalten. «Die Rechnungm sind zwei Wochen lang nach vor­ heriger ortsüblicher Bekanntgabe dieser Frist öffentlich auf­ zulegen. l«Die Rechnungen sind mit den Belegm und den er­ hobenen Einwendungm der Staatsaufsichtsbehörde vorzu­ legen, sofern nicht die Vorlegung erlassen ist. Bei kreis­ unmittelbaren Gemeinden findet nur die staatsaufsichtliche Würdigung, eine rechnerische Prüfung jedoch nicht statt. Die Rechnungen der unter der Staatsaufsicht des Bezirks­ amts stehenden Gemeinden werden von diesem auch rech­ nerisch geprüft und beschieden. Das Nähere hierüber be­ stimmt das Staatsministerium des Innern. w Die Staatsaufsichtsbehörde kann eine Frist zur Fest­ stellung nach Abs. I Satz 1 und zur Vorlegung nach Abs. III Satz 1 bestimmen. v®en Bürgermeistern ist es untersagt, eine gemeind­ liche Kasse zu führen.

Art. 48. i Das Staatsministerium des Innern kann die Form der Voranschläge und Rechnungen bestimmen. «Das Staatsministerium des Innern kann für Ge­ meinden, die der Staatsaufsicht des B^irksamts unter­ stehen, Vorschriften über die Kassen- und Rechnungsführung erlassen. Die Staatsaufsichtsbehörde kann für einzelne Gemeinden Abweichungen hiervon widerruflich gestatten.

Art. 49. i In der Pfalz werden die Kassen- und Rechnungs­ geschäfte der Gemeinden von Einnehmern geführt. «Die Staatsregierung regelt, soweit es sich um Ge­ meinden handelt, die der Staatsaufsicht des Bezirksamts unterstehen, die Einrichtung, insbesondere die Befugnisse, die Voraussetzungen der Anstellung und die Bezüge der Einnehmer. Die beteiligten Gemeinden sind verpflichtet, die darnach festgesetzten Vergütungen zu leisten. Mit Ge-

nehmigung der Kreisregierung kann eine Gemeinde aus einer Gemeindeeinnehmerei ausscheiden und einen beson­ deren Gemeindeeinnehmer bestellen. in Die besonderen Gemeindeeinnehmer müssen als Ge­ meindebeamte bestellt werden. Sie müssen die Voraus­ setzungen der Anstellung zum Einnehmer nach Abs. II er­ füllen. Iv 9Rit Genehmigung des Landtags kann die Einrich­ tung der Einnehmer auch in den Landesteilen rechts des Rheins für die der Staatsaufsicht des Bezirksamts unter­ stehenden Gemeinden getroffen werden. Staatsverwaltung und Polizei.

Art. 50.

1 Die Gemeinden sind verpflichtet, die ihnen vom Staate durch Gesetz oder Verordnung übertragenen Angelegenheiten unter der Sachaufsicht der für diese Angelegenheiten zustän­ digen Staatsbehördm zu erledigen. In Ausübung ihrer Sachaufsicht können die Staatsbehörden den Gemeinden Weisungen erteilen, Anstalten und Einrichtungen der Ge­ meinden besichtigen, die Geschäfts- und Kassenführung prü­ fen sowie Berichte und Akten einfordern. « Neue Aufgaben könnenden Gemeinden nur auf Grund Gesetzes zugewiesen werden. "'Den Gemeinden obliegt die Wahrnehmung der ört­ lichen Verrichtungen der inneren Staatsverwaltung, sofern nicht andere Behörden dafür bestellt sind. Die Gemeinden können nur durch Gesetz verpflichtet werden, in der sonstigen Verwaltung des Staates oder in der Verwaltung anderer öffentlicher Körperschaften mitzuwirkev. l^Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus kann Anordnungen für die Unterrichts- und Erziehungs­ anstalten der Gemeinden erlassen.

Art. 51, i Den Gemeinden obliegt die Sorge für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und der Vollzug der die Polizei betreffenden Gesetze und Vorschriften im Gemeinde­ bezirk, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen (Orts-

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Polizei). Die zuständigen Staatsbchörden haben das Recht, die Handhabung der Ortspolizei zu überwachen und den Gemeinden die nötigen Weisungm zu erteilen. »Der Gemeinderat erläßt die ortspolizeilichen Vor­ schriften nach Maßgabe der Gesetze. l»Die übrigen ortspolizeilichen Geschäfte werden in den Gemeinden, die der Staatsaufsicht des Bezirksamts unterstehen, von dem ersten Bürgermeister persönlich oder unter seiner Leitung und Verantwortung durch Gemeinde­ beamte versehen. Für die Stellvertretung des ersten Bür­ germeisters gilt Art. 18 mit der Einschränkung, daß Auf­ gaben der Sicherheitspolizei nur mit Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde übertragen werden können. Bei Ge­ fahr im Verzüge sind die zuständigen Staatsbehörden be­ rechtigt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen und An­ ordnungen an die Polizeibeamten der Gemeinde zu richten; diese sind verpflichtet, den Anordnungen Folge zu leisten. Die Staatsbehörde hat den ersten Bürgermeister von diesen Maßnahmen und Anordnungen unverzüglich zu verständigen. iv Die Gemeinden sind verpflichtet, die Kosten der Orts­ polizei zu tragen, die dafür erforderlichen Anstalten bereit­ zustellen und die erforderlichen Einrichtungen zu treffen, insbesondere die notwendigen Beamten und sonstigen Kräfte anzustellen. vFür Orte, in denen der Bürgermeister nicht seinen Wohnsitz hat, kann der Gemeinderat mit Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde einen Ortsführer bestellen, der die Aufträge des Bürgermeisters zu vollziehen und in dringen­ den Fällen an seiner Stelle zu handeln hat. vi Die Gemeinde ist zur Aufstellung der für den Feldund Waldschutz notwendigen Kräfte verpflichtet. Sie hat den Aufwand auf die Eigentümer der beteiligten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke nach dem Verhältnisse der für diese Grundstücke zu entrichtenden Grundsteuer umzu­ legen. Die Heranziehung der Grundstückseigentümer kann unterbleiben, wenn der Pachtschilling für die Gemeindejagd in der Gemeindekasse verbleibt.

vu Der Eigentümer eines zusammenhängenden Wald­ besitzes von mindestens 100 ha kann für den Waldschutz selbst eine Kraft bestellen. Er ist in diesem Fall auf An­ trag von den Leistungen zum Waldschutze nach Ms. VI zu befreien. vnx Streitigkeiten nach Abs. VI Satz 2 und 3 und Ws. VII Satz 2 werden im verwaltungsgerichtlichen Ver­ fahren entschieden; im zweiten Rechtszug entscheidet der Berwaltungsgerichtshof.

Art. 52. i Aus Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit kann das Staatsministerium des Innern anordnen, daß die Polizei­ gewalt in Gemeinden vorübergehend ganz oder teilweise durch staatliche Beamte ausgeübt wird. Die Polizeibeamten der Gemeinde sind verpflichtet, den Anordnungen der mit der Ausübung der Polizeigewalt betrauten staatlichen Be­ amten Folge zu leisten. »Bei Gefahr im Verzüge kann die Staatsaufsichts­ behörde der Gemeinde die gleichen Anordnungen treffen; sie ist verpflichtet, unverzüglich die Entscheidung des Staats­ ministeriums des Innern einzuholen. in Erstreckt sich die Ausübung der Polizeigewalt durch staatliche Beamte nach Maßgabe der Ms. I und II auf länger als ein Jahr, so ist eine gesetzliche Regelung des Zu­ standes notwendig. ZwangSbrfuguiffe.

Art. 53.

i Der Gemeinderat und der erste Bürgermeister können die Durchführung von Verfügungen, die sie innerhalb ihrer Zuständigkeit zum Vollzüge von Gesetzen und Verordnungen, bereit Übertretung nicht mit Strafe bedroht ist, an bestimmte Personen erlassen und diesen eröffnet haben, unter Anwen­ dung der Art. 21 und 22 des Polizeistrafgesetzbuchs erzwingen. "Über Beschwerden enffcheidet die Staatsauffichtsbehörde; bei Gemeinden, die der Staatsaufsicht des Bezirks­ amts unterstehen, entscheidet im Falle der weiteren Be­ schwerde die Kreisregierung endgültig.

30 Kreisnnmittelbare Gemeinde«.

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Art. 54.

l Kreisunmittelbare Gemeinden sind die Gemeinden, die beim Jnkrafttretm dieses Gesetzes der Kreisregierung un­ mittelbar untergeordnet sind. Das Staatsministerium des Innern kann einer Gemeinde auf Antrag des Gemeiud.erats die Kreisunmittelbarkeit verleihen; dies soll in der Regel nur geschehen, wenn die Gemeinde wenigstens 10000 Einwohner zählt. Kreisunmittelbare Gemeinden können mit ihrer Zustimmung dem Verwaltungsb^irk eines Be­ zirksamts zugeteilt werden. HDie kreisunmittelbaren Gemeinden haben für den Gemeindebezirk die Zuständigkeit des Bezirksamts (Bezirks­ verwaltung, Bezirkspolizei), soweit die Gesetze nichts an­ deres bestimmen. Für die Bezirkspolizei gilt Art. 51 Abs. I Satz 2 und Abs. III Satz 3 bis 5 entsprechend. ui Die orts- und bezirkspolizeilichen Vorschriften er­ läßt in den kreisunmittelbaren Gemeinden der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuß (Senat). l^Die übrigen orts- und bezirkspolizeilichen Geschäfte versieht in diesen Gemeinden der Gemeinderat oder ein be­ schließender Ausschuß (Senat) mit der Einschränkung, daß für die Handhabung der Sicherheitspolizei der erste Bürger­ meister allein zuständig und verantwortlich ist. Der erste Bürgermeister ist außerdem berechtigt und verpflichtet, in allen dringenden Fällen die dem Gemeinderate nach Satz 1 zustehenden polizälichen Befugnisse auszuüben. Für die Stellvertretung des ersten Bürgermeisters gilt Art. 51 Abs. III Satz 2. vDie kreisunmittelbaren Gemeinden sind verpflichtet, die Kosten der Bezirkspolizei zu tragen und die dazu erfor­ derlichen Einrichtungen zu treffen. Sie erhalten hierzu Zu­ schüsse, deren Höhe jeweils im Staatshaushalt bestimmt wird.

Art. 55. lDie Staatsregierung ist befugt, die Sicherheitspolizei in den kreisunmittelbaren Städten ganz oder teilweise staatlichen Behördm zu übertragen und deren Zuständigkeit

durch Verordnung festzusetzen. Sie kann diese Behörden auch mit der Besorgung sonstiger Polizei- und Bezirksverwaltungsgeschäfte, die zur Handhabung der Sicherheits­ polizei unbedingt erforderlich sind, betrauen. Für benach­ barte kreisunmittelbare Städte kann eine gemeinschaftliche staatliche Polizeibehörde bestellt werden. »Die Zuständigkeit der staatlichen Polizeibehörden in kreisunmittelbaren Städten kann auf benachbarte Gemein­ den, die der Staatsaufsicht des Bezirksamts unterstehen, ganz oder teilweise erstreckt werden, wenn dies aus Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. in Die staatlichen Polizeibehörden und die Gemeinde­ behörden habm sich in ihrer Tätigkeit gegenseitig zu unter­ stützen. Im Falle einer Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit haben die Gemeindebehördm zu derm Erhaltung oder Wiederherstellung nach den Weisungen der staatlichen Polizeibehörde mitzu­ wirken. Zu diesem Zwecke ist der Leiter der staatlichen Poli­ zeibehörde oder sein Beauftragter berechtigt, bei Gefahr im Verzug Anordnungen an die Polizeibeamten der Gemeinde zu richten; diese sind verpflichtet, den Anordnungen Folge zu leisten. Die staatliche Polizeibehörde hat den ersten Bürgermeister von diesen Anordnungen unverzüglich zu verständigen. iv Die Kosten der staatlichen Polizeibehörden und ihrer Verwaltung treffen den Staat. Das Gesetz über Leistungen der Gemeinden für die staatliche Polizeiverwaltung vom 22. November 1923 (GVBl. Seite 377) bleibt unberührt. v Die der Polizeidirektion München und der Lokalbau­ kommission München bisher zugewiesenen besonderen Zu­ ständigkeiten bleiben unberührt, soweit sie nicht durch Ver­ ordnung geändert werden. Bürgermeistereien.

Art. 56.

i Gemeinden des gleichen Bezirks können auf ihren An­ trag zu einer Bürgermeisterei vereinigt werden. Eine Bür­ germeisterei ist auf Antrag aller beteiligten Gemeinden aufzulösen.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

il Eine Bürgermeisterei kann auf Antrag einer Ge­ meinde trotz des Widerspruchs einer oder mehrerer anderer Gemeinden aufgelöst werden oder es kann das Ausscheidm einer oder mehrerer Gemeinden verfügt werden, wenn tüt öffentliches Bedürfnis dafür gegeben ist. ui Die Befugnis zur Vereinigung und zur Auflösr ng einer Bürgermeisterei wie zur Ausscheidung einzelner üGe­ meinden kommt der Kreisregierung zu. Sie bestimmt dm Namen der Bürgermeisterei.

Art. 87. i Sind Gemeinden zu einer Bürgermeisterei vereinigt, so wählt jede Gemeinde ihren Gemeinderat, bestehend aus mindestens einem, höchstens zwei weiteren Bürgermeistern und der von ihr festgesetzten Zahl der Gemeinderatsmit­ glieder. Wmn die vereinigten Gemeinden mehr als 3000 Einwohner haben, kann durch übereinstimmenden Beschluß der sämtlichen Gemeinderäte die Anstellung eines berufs­ mäßigen Bürgermeisters beschlossen werden. Der gemein­ schaftliche erste Bürgermeister wird nach den Vorschriften über die Gemeindewahlen gewählt. «Mit der Neubildung einer Bürgermeisterei erlischt das Amt der ersten Bürgermeister. Für die Neuwahl gilt Abs. I Satz 3.

Art. 58. i Jn allen Gemeinden der Bürgermeisterei ist der erste Bürgermeister Vorsitzender des Gemeinderats und übt die ihm gesetzlich zustehenden Befugnisse aus. Er kann in den Gemeinden außerhalb seines Wohnortes die Polizeiverwal­ tung und die Erledigung einzelner Angelegenheiten den weiteren Bürgermeistern dieser Gemeinden übertragen. ii Bei Abwesenheit oder Verhinderung wird der erste Bürgermeister durch den weiteren Bürgermeister der in Frage kommenden Gemeinde vertreten. in Die Gemeinderäte können zu gemeinschaftlicher Sitzung vereinigt werden, um den Dienstbezug des ersten Bürger­ meisters festzustellen, um über Anstellung und Bezüge von

gemeinschaftlichen Beamten und sonstige gemeinsame Ver­ waltungsausgaben zu beschließen und um ortspolizeiliche Vorschriften für sämtliche Gemeinden zu erlassen. Für diese Sitzungen gelten die Vorschriften für den Gemeinderat ent­ sprechend. Der gemeinschaftliche Aufwand wird nach einem von den Gemeinden vereinbarten Maßstab auf die Ge­ meinden umgelegt. Kommt keine Vereinbarung zustande, so entscheidet die Staatsauffichtsbehörde endgültig. Staatsaufsicht.

Art. 59.

Die Staatsaufsicht wird unter der Leitung des Staats­ ministeriums des Innern über die kreisunmittelbarm Ge­ meinden von den Kreisregierungen, über die übrigen Ge­ meindm von dm Bezirksämtern geführt.

Art. 60. iDie Staatsaufsichtsbehörde kann gesetzwidrige Be­ schlüsse ändem oder aufheben und die Erfüllung der gesetz­ lichen und übemommmen Verpflichtungen der Gemeinde erzwingm. ii Die Staatsaufsichtsbehörde kann zur Durchführung ihrer Befugnisse Anstalten und Einrichtungm der Gemeinde besichtigen, die Geschäfts- und Kassenführung prüfen sowie Berichte und Aktm einfordern. iu Verweigert die Gemeinde innerhalb einer ihr gesetzten Frist die Änderung oder Zurücknahme gesetzwidriger Be­ schlüsse, so ändert die Staatsaufsichtsbehörde diese Beschlüsse oder hebt sie auf. Bestreitet die Gemeinde innerhalb einer ihr geschtm Frist die gesetzliche Verpflichtung oder gibt sie innerhalb dieser Frist keine Erklärung ab oder verweigert sie die Erfüllung der unbestrittmen Verpflichtung, so be­ schließt die Staatsaufsichtsbehörde. iv Die Staatsaufsichtsbehörde kann in den Fällen des Ws. III vorläufige Anordnungen treffen, insbesondere in dringmdm Fällen ihre Beschlüsse vor eingetretener Rechts­ kraft vollziehen. v3ur Erfüllung der endgültig festgesetzten Verpflichtungm oder zum Vollzüge der Vorläufigen Anordnungen Laforet-v. Jan-Schadensrvh, Gemeindeordnung.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

kann die Staatsaufsichtsbehörde an Stelle der Gemeinde den notwendigen Aufwand in den Voranschlag einstellen oder die sonst erforderlichen Verfügungen treffen und rechts­ erhebliche Erklärungen abgeben. VI (Segen den Beschluß nach Ws. III ist binnm vier Wochen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshofe zulässig, wenn die Gemeinde behauptet, daß der Beschluß ihr gesetz­ liches Selbstverwaltungsrecht verletze oder sie mit einer gesetzlich nicht begründeten Leistung belaste. Gegen vor­ läufige Anordnungen oder gegen Verfügungen zum Voll­ züge der Verpflichtungen ist binnen gleicher Frist Beschwerde zur nächsthöheren Staatsaufsichtsbehörde zulässig. Ist diese die Kreisregierung, so entscheidet sie endgültig. Die Be­ schwerde hat keine auffchiebende Wirkung.

Art. 61. 1 Die Gemeinden bedürfen der Genehmigung der Staats­ aufsichtsbehörde 1. zur Ausleihung und Anlegung von Geldern unter Ab­ weichung von den gegebenen Vorschriftm, 2. zur Errichtung von Sparkassen und Banken, ferner zur Errichtung neuer und zum Weiterbetriebe bestehender Zweig- und Annahmestellen in einer anderen Gemeinde, 3. zur Errichtung und zum Betriebe von Erwerbsunter­ nehmungen oder zu erheblicher Beteiligung an solchen sowie zu Einrichtungen, die die Versorgung der Be­ völkerung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs be­ zwecken, 4. zur Belastung von Grundstücken mit einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, wenn es sich nicht um Kaufschillingsreste handelt, 5. zur Veräußerung oder wesentlichen Änderung solcher Gebäude und sonstiger unbeweglicher oder beweglicher Gegenstände aus älterer Zeit, deren Erhaltung wegen ihres geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Mtertumswertes für die Allgemeinheit von Bedeutung ist, zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von schutz­ würdigen Naturgebilden und, soweit es sich nicht um

kreisunmittelbare Gemeinden handelt, zu allen Maß­ nahmen am Gemeindeeigentum, die ein schutzwürdiges Orts- und Landschaftsbild wesentlich verändern, 6. soweit es sich nicht um kreisunmittelbare Gemeinden handelt, zur Ausscheidung, Veräußerung oder Ver­ nichtung von erheblichen Bestandteilm der Registra­ turen und Archive. il Die Genehmigung zur Errichtung und zum Weiter­ betriebe von Unternehmungen nach Abs. I Ziff. 2 in einer anderen Gemeinde kann nur mit Zustimmung dieser Ge­ meinde erteilt werden. ui Das Staatsministerium des Innern kann über den Betrieb von Anstalten und Unternehmungen des Abs. l Ziff. 2 Vorschriften erlassen. rv Der Genehmigung bedürfen nicht: Land- und forst­ wirtschaftliche Einrichtungen, Wasserleitungen, Straßmbahnen und sonstige Verkehrseinrichtungen, Einrichtungen zur Erzeugung, Verteilung und Verwendung von Gas und Elektrizität, Volksbäder, Volksküchen und sonstige Einrich­ tungen, die im wesentlichen der Wohltätigkeit dienen, die Einrichtungen zur Straßenreinigung und zur Abfuhr des Unrats und die Schlachthofanlagen. Das gleiche gilt für alle mit einer Einrichtung dieser Art verbundenen, dem gleichen Zwecke dienenden Nebeneinrichtungen. Soweit nach anderen Vorschriften Genehmigung erforderlich ist, bleiben diese Vorschriften unberührt. Ortsch-fte«.

Art. 62.

i Siedlungen mit eigener Ortsflur und eigenem Ver­ mögen (Ortschaften) sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Zweck, ihr Ortschafts- und Stiftungsver­ mögen zu erhaltm und ordnungsgemäß zu verwalten. Sie können Umlagen zu diesem Zwecke nach Maßgabe der Ge­ setze erheben. "Wenn Ortschaften vor dem Inkrafttreten des Selbst­ verwaltungsgesetzes aus ihrem, durch das Selbstverwal­ tungsgesetz auf die Gemeinde nicht übergegangenen Ver­ mögen die Unterhaltung der Wege, Straßen, Brücken, 3*

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Fähren und Stege, Gebäude, öffentlichen Uhren und Be­ gräbnisplätze, öffentlichen Brunnen, Wasserleitungen und Wzugsgräben in der Ortschaft nach Herkommen oder aus einem anderer Rechtsarunde ganz oder teilweise bestritten habm, so kann der Gemeinderat verlangm, daß die Ort­ schaften nach ihrer Wahl diese Aufgaben auch künftig er­ füllen oder die entsprechenden Aufwendungen der Gemeinde ersetzm, soweit die Erträgnisse des Ortschaftsvermögens hierzu ausreichen. Herkommen in diesem Sinne liegt dann vor, wmn die Leistungen ununterbrochen wenigstens dreißig Jahre bis zum Inkrafttreten des Selbstverwaltungsgesetzes von der Ortschaft aus diesem Vermögen aufgebracht worden sind. 111 Die Ortschaft kann durch Vertrag mit der Gemeinde ihr Vermögen mit allen Verbindlichkeiten auf die Gemeinde übertragen und verliert damit die Eigenschaft einer Körper­ schaft des öffentlichen Rechts. Nutzungsrechte werden vom Übergänge des Eigentums nicht berührt.

iv Für die Ortschaften gelten, soweit in diesem Artikel nichts anderes bestimmt ist, die für die Gemeinden gegebenen Vorschriften entsprechend. Staatsaufsichtsbehörde ist die Staatsaufsichtsbehörde der Gemeinde. Für die Verwaltung der Ortschaft wird ein Pfleger und ein Ausschuß von höchstens drei weiteren Mitgliedern (Ortsausschuß) gewählt. Die Rechtsstellung des Pflegers entspricht der des Bürger­ meisters, die Rechtsstellung des Ortsausschusses der des Gemeinderats, die Rechtsstellung der Mitglieder des Orts­ ausschusses der Rechtsstellung der Gemeinderatsmitglieder. Für die Verwaltung des Ortschaftsvermögens kann ein besonderer Verwalter aufgestellt werden. Sind nicht wenig­ stens drei wählbare Ortseinwohner vorhanden, so hat die Staatsaufsichtsbehörde einen Ortsverwalter zu bestimmen. Das gleiche gilt für die Zeit, in der eine gültige Wahl nicht zustande gekommm ist. v Wird eine Gemeinde mit einer anderen Gemeinde vereinigt, so kann das Staatsministerium des Innern bei der Verfügung nach Art. 5 bestimmen, daß die Gemeinden oder eine von ihnen Ortschaften im Sinne dieses Artikels werden.

Gemeindewahlen.

Wtf. 63«

i Wahlberechtigt bei Gemeindewahlen sind alle reichs­ deutschen Männer und Frauen, die am Tage der Wahl 1. das zwanzigste Lebensjahr vollendet haben, 2. sich seit wenigstens zwölf Monaten in der Gemeinde aufhalten. »Vom Wahlrecht ist ausgeschlossen, 1. wer entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormund­ schaft oder wegen geistiger Gebrechen unter Pflegschaft steht, 2. wer rechtskräftig durch Richterspruch die bürgerlichen Ehrmrechte verloren hat. 111 Die Ausübung des Wahlrechts ruht für die Soldaten während der Dauer der Zugehörigkeit zur Wehrmacht. ^Behindert in der Ausübung chres Wahlrechts sind Personen, die wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht sind, ferner Straf- und Untersuchungsgefangene sowie Personen, die infolge gerichtlicher oder polizeilicher Anordnung in Ver­ wahrung gehalten werden. Personen, die sich aus politi­ schen Gründen in Schutzhaft befinden, werden hiervon nicht berührt.

«rt. 64. i Wählbar zu Gemeindeämtern sind die nach Art. 63 wahlberechtigten Personen, wenn sie das fünfundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt und nicht durch Richterspruch die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren haben. «Für berufsmäßige Mitglieder des Gemeinderats ent­ fällt die Voraussetzung des Art. 63 Abs. I Ziff. 2.

«rt. 65. i Die Mitglieder des Gemeinderats werden folgender­ maßen gewählt: 1. Die Bürgermeister. Der erste Bürgermeister wird in Gemeinden bis zu 3000 Einwohnern von sämtlichen Wahlberechtigten, im übrigen von den stimmberechtigten Mitgliedern des Ge­ meinderats, in beiden Fällen mit mehr als der Hälfte der

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l. Texte. Gemeindeordnung.

abgegebenen gültigen Stimmen gewählt. Die weiteren Bür­ germeister werden durch den Gemeinderat gewählt, und zwar, wenn gleichzeitig mehrere ehrenamtliche weitere Bür­ germeister zu wählen sind, nach den in Art. 66 aufgestellten Grundsätzen, sonst mit mehr als der Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen. Die stimmberechtigten Mitglieder des neugewählten Ge­ meinderats bestimmen die Zahl der von ihnen zu wählenden Bürgermeister, in Gemeinden mit mehr als 3000 Ein­ wohnern auch die Art der zu wählenden Bürgermeister. Erhält bei der Wahl des ersten Bürgermeisters durch sämtliche Wahlberechtigte kein Bewerber mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen, so treffen die stimmberechtigtm Mitglieder des Gemeinderats mit mehr als der Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen die Auswahl unter den drei Bewerbern mit den höchsten Stimmenzahlen. Erhält auch hierbei kein Bewerber mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen, so tritt Stichwahl unter den beiden Bewerbern ein, die bei dieser Auswahl die höchsten Stimmenzahlm erreicht haben. Bei Stimmen­ gleichheit mtscheidet das Los darüber, wer in die engere Wahl oder Stichwahl zu bringen ist. Ergibt auch die Stich­ wahl Stimmengleichheit, so entscheidet das Los. Erhält in den übrigen Fällen, in denen die Wahl mit mehr als der Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen nach Unterabsatz 1 vorgeschrieben ist, kein Bewerber diese Stimmenzahl, so tritt Stichwahl nach Maßgabe des Unter­ absatzes 3 ein. 2. Die berufsmäßigen Gemeinderatsmitglieder wählt der Gemeinderat mit mehr als der Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen. Wird diese Stimmenzahl nicht erreicht, so tritt Stichwahl nach Ziff. 1 Unterabsatz 3 ein. 3. Die übrigen Gemeinderatsmitglieder werden von sämtlichen Wahlberechtigten nach Maßgabe des Art. 66 gewählt. "Diese Wahlm sind gültig ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesmden und abstimmenden Mitglieder des Gemeinderats.

Art. 66. Die ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder werden nach folgenden Grundsätzen gewählt: 1. Jede Gemeinde bildet einen Wahlkreis. 2. Für die Wahl hat die Gemeinde Wählerlisten oder Wahlkarteien aufzustellen und vom 21. bis 14. Tage vor der Wahl öffentlich aufzulegen. Einsprüche sind in der gleichen Frist einzulegen. Wahlberechtigt ist nur, wer in die Wählerliste oder in die Wahlkartei einge­ tragen ist oder einen Wahlschein vorlegt. 3. Einen Wahlschein erhält ein Wahlberechtigter, der nach­ weist, a) daß er die Einspruchsfrist ohne sein Verschulden ver­ säumt hat oder b) daß er nach Ablauf der Einspruchsfrist die Wohnung in eilten anderen Stimmbezirk der Gemeinde verlegt hat oder c) daß er am Wahltage während der Wahlzeit aus zwingenden Gründen außerhalb seines Stimmbezirks sich aufhält oder d) daß er infolge eines körperlichen Leidens oder Ge­ brechens in seiner Bewegungsfreiheit behindert ist und durch den Wahlschein die Möglichkeit erhält, einen für ihn günstiger gelegenen Wahlraum auf­ zusuchen. Mit diesem Wahlscheine muß der Wahlberechtigte in jedem Stimmbezirke der gleichen Gemeinde zur Wahl zugelassen toerben. 4. Die Wahl geschieht, von den in Ziff. 5 bezeichneten Fällen abgesehen, als Verhältniswahl auf Grund von Wahlvorschlägen. Diese sind spätestens am 17. Tage vor dem Wahltag abends acht Uhr einzureichen. Von da an bis zum 14. Tage vor dem Wahltag abends acht Uhr ist sodann, wenn wenigstens ein Wahlvorschlag vorliegt, noch die Einreichung weiterer Wahlvorschläge, nicht aber die Zurückziehung der bereits vorliegenden Wahlvorschläge zulässig.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Ein Wahlvorschlag darf in Gemeinden bis zu 10000 Einwohnern höchstens eineinhalbmal, sonst eineinviertel­ mal so viel Bewerber enthalten, als Vertreter zu wäh­ len sind. Die Verbindung von Wahlvorschlägen ist zulässig. 5. Wird nur ein einziger gültiger Wahlvorschlag oder überhaupt kein gültiger Wahlvorschlag eingereicht, so findet Mehrheitswahl ohne Bindung an die vorgeschla­ genen Bewerber und ohne das Recht der Stimmen­ häufung auf einen Bewerber statt. Die Stimmzettel können doppelt so viele Namen enthalten, als Vertreter zu wählen sind. Gewählt sind die Bewerber in der Reihenfolge der Stimmenzahlen. Die gleiche Reihen­ folge gilt für die Ersatzleute. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Liegt ein gültiger Wahlvorschlag mit der höchstzulässigen Bewerberzahl vor, so ist die Reihenfolge der Bewerber in diesem maßgebend, wenn mehr als die Hälfte aller Stimmzettel für den unver­ änderten Wahlvorschlag abgegeben worden sind. In einem solchen Wahlvorschlage kann die Bewerberzahl bis zur Beschlußfassung über den Wahlvorschlag auf das Doppelte der zu wählenden Vertteterzahl vermehrt werden. Bei einem gemeinsamen Wahlvorschlage meh­ rerer Gruppen gilt Ziff. 11 Unterabsatz 2 entsprechend. 6. Die Wahl dauert von neun Uhr vormittags bis sechs Uhr nachmittags. Sie kann schon vorher geschlossen werden, wenn sämtliche in der Wählerliste eingettagenen Personen ihre Stimmen Abgegeben haben. Ist die Wahldauer von neun bis sechs Uhr zu lange, so kann der Gemeindewahlausschuß durch einstimmigen Beschluß die Wahldauer bis auf fünf Stunden abkürzen und den Beginn der Wahl auf zehn Uhr festsetzen. 7. In den Gemeinden mit mehr als 20000 Einwohnern sind die Wähler an die Wahlvorschläge gebunden. Die Stimmzettel müssen das Kennwort des WaUvorschlags enthalten. Sie sollen außerdem auch die Namen der drei ersten Bewerber enthalten.

In den übrigen Gemeinden können die Wähler, ab­ gesehen von den Fällen der Ziff. 5, nur Bewerbern ihre Stimme geben, die in einem von dem Wahlleiter öffenüich bekanntgegcbenen Wahlvorschlag ausgenom­ men sind, und zwar einem Bewerber höchstens drei Stimmen. Die Stimmzettel müssen das Kennwort des Wahlvorschlags enthatten und dürfen höchstens so viele Namen enthalten, als nach Ziff. 4 in die Wahlvorschläge ausgenommen werden dürfen. Sie dürfen nicht Namen aus verschiedenm Wahlvorschlägen enthalten. 8. Die Sitze werden auf die Wahlvorschläge nach dem Ver­ hältnisse der Zahlen der Stimmzettel verteilt, die für die einzelnen und verbundenen Wahlvorschläge abge­ geben wurden. Bei gleichem Ansprüche mehrerer Wahl­ vorschläge auf einen Sitz fällt dieser dem Wahlvor­ schlage zu, dessen in Betracht kommender Bewerber die größte Stimmenzahl aufweist; sonst entscheidet das Los. 9. Die nach Ziff. 8 einem Wahlvorschlage zugefallenen Sitze werden folgendermaßen tierteilt: In den Gemeinden mit mehr als 20000 Einwohnern ist die Reihenfolge der Bewerber im Wahlvorschlage maßgebend. In den übrigen Gemeinden ist, wenn mehr als die Hälfte aller für einen Wahlvorschlag abgegebenen Stimmzettel für den unveränderten Wahlvorfchlag ab­ gegeben worden sind, die Reihenfolge der Bewerber int Wahlvorschlage maßgebend. Andernfalls werden die den einzelnen Wahlvorschlägen zugefallmen Sitze den darin enthaltenen Bewerbern nach der Sttmmenzahl zugewiesen, die jeder von ihnen erhalten hat. Haben mehrere Bewerber die gleiche Stimmenzahl erhalten, so entscheidet die Reihenfolge der Benennung im Wahl­ vorschlag. 10. Fallen einem Wahlvorschlag mehr Sitze zu, als er Be­ werber enthält, so bleiben die überschüssigen Sitze unbesetzt. 11. Die nichtgewählten Bewerber sind in der Reihenfolge nach Ziff. 9 die Ersatzleute der Gewählten. Sie rücken

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I. Texte. Gemeindeordnung.

in den Gemeinderat ein, wenn ein Vertreter abgelehnt hat oder aus dem Amt ausscheidet. Bei gemeinsamen Wahlvorschlägen mehrerer Gruppen können die Bewerber der einzelnen Gruppen bis zur Entscheidung über die Zulassung der Wahlvorschläge im voraus als zusammengehörig bezeichnet werden (Untervorschlag). Beim Wegfall eines Bewerbers rücken nur die Ersatzleute aus dem gleichen Untervor­ schlag in der Reihenfolge der Ziff. 9 in den Gemeinde­ rat ein.

Art. 67. 1 Die Wahlzeit beträgt fünf Jahre. Den Tag der regel­ mäßigen Gemeindewahlen bestimmt das Staatsministerium des Innern. "Bei den regelmäßigen Gemeindewahlen haben die austretenden ehrenamtlichen Bürgermeister und Gemeinde­ ratsmitglieder ihr Amt weiterzuführen, bis die Neuge­ wählten ihr Amt übernommen haben.

Art. 68. Die Bestechung und Nötigung der Mstimmenden hat die Ungültigkeit der «stimmen der dabei Beteiligten und den Verlust ihrer Wählbarkeit bei der betreffenden Wahl zur Folge.

Art. 69. lDie Kosten der Wahl treffen die Gemeinde. "Bei der Wahl mit gebundenen Listen kann der Ge­ meinderat den amtlichen Stimmzettel auf Kosten der Ge­ meinde einführen. 111 ®te zum Vollzüge der Wahlen vorgesehenen Ämter sind Ehrenämter, für die keine Vergütung beansprucht werden kann. rv Alle Wahlverhandlungen mit Ausnahme der Wahl­ anfechtungen nach Art. 74 sind gebührmfrei.

Art. 70. Soweit Bürgermeistereien nur Gemeinden umfassen, in denen die ersten Bürgermeister von ollen Wahlberech-

tigten zu wählen sind, haben die sämttichen Wahlberech­ tigten der beteiligten Gemeinden die Wahl des ehrenamt­ lichen ersten Bürgermeisters vorzunehmen. In den übrigen Fällen wird die Wahl des ersten Bürgermeisters von den vereinigten Gemeinderäten in gemeinschaftlicher Sitzung vorgenommen.

Art. 71. 1 Erledigen sich int Laufe der Wahlzeit Gemeindeämter, für die Ersatzleute nicht gewählt oder nicht mehr vorhanden sind, so ist eine Ergänzungswahl vorzunehmm, wenn der Gemeinderat oder die Staatsaufsichtsbehörde es für erfor­ derlich erklärt. Den Tag bestimmt die Staatsaufsichtsbehörde. »Der Gewählte tritt, vorbehaltlich des Art. 97, nur für die Zeit ein, für die die zu ersetzende Person noch ge­ wählt war.

Art. 72. Wird eine Gemeindewahl gleichzeitig mit einer vom Reiche oder mit einer auf Grund des Landeswahlgesetzes ausgeschriebenen Wstimmung vorgenommen, so sind auch für die Gemeindewahl hinsichtlich der Behandlung der Wählerlisten und Wahlkarteien, der Ausstellung der Wahl­ scheine und der Dauer der Wahlhandlung die hierfür geltmden Bestimmungen des Reiches und des Landeswahl­ gesetzes anzuwmden.

Art. 73. i Personen, die zu Gemeindeämtern gewählt werden, können die Wahl ablehnen, 1. wenn sie das sechzigste Lebensjahr zurückgelegt haben, 2. wenn sie eine Beschäftigung haben, die eine häufige oder lang andauernde Abwesenheit von der Gemeinde mit sich bringt, 3. wenn sie durch ihre Gesundheitsverhältnisse an der Erfüllung der ihnen durch die Wahl obliegenden Ver­ pflichtungen dauernd gehindert sind, 4. wenn sie das Amt eines Bürgermeisters oder Gemeinde­ ratsmitglieds während voller fünf Jahre bekleidet habm.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

5. wenn sie im Dienste des Reiches, Staates oder von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes angestellt sind, 6. weibliche Personen außerdem, wenn sie durch die Wahr­ nehmung des Gemeindeamtes ihren Pflichten in der Familie übermäßig entzogen würden. 11 Die Ablehnung ist binnen einer Woche nach der Auf­ forderung zur Erklärung über die Annahme der Wahl unter Angabe des Grundes zu erklären. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Wlehnung trifft der Gemeinde­ wahlausschuß. Hiergegen ist binnen einer Woche Beschwerde an die Staatsaufsichtsbehörde zulässig. Diese entscheidet endgültig unter Ausschluß des Verwaltungsrechtsweges. l»Wer die Übernahme eines Gemeindeamtes verwei­ gert, ohne einen Mlehnungsgrund geltend zu machen oder, nachdem die Ablehnung als unzulässig erklärt worden ist, wird mit Geldstrafe von 50 bis 250 Mk bestraft. Für die Aburteilung sind die Gerichte zuständig. Die Geldstrafe fließt in die Gemeindekasse. iv In Gemeinden bis zu 2000 Einwohnern dürfen Ehe­ gatten, Eltern und Kinder, ferner Geschwister nicht gleich­ zeitig Mitglieder des Gemeinderates sein. In einem solchen Fall ist die Wahl in einem späteren Wahlgang ungültig. Bei gleichzeitiger Wahl schließen die Bürgermeister ein­ ander nach der Reihenfolge aus; der Bürgermeister schließt die Gemeinderatsmitglieder aus; die Gemeinderatsmitglieder schließen einander aus 1. bei Mehrheitswahl nach der Stimmenzahl oder, wenn die Reihenfolge in einem Wahlvorschlage maßgebend ist, nach dieser, 2. bei Verhältniswahl innerhalb des gleichen Wahlvor­ schlags, soweit die Reihenfolge im Wahlvorschlage maß­ gebend ist, nach dieser, sonst nach der Zahl der erhal­ tenen Stimmen, auf verschiedenen Wahlvorschlägen, wenn bei sämtlichen beteiligten Wahlvorschlägen die Stimmenzahl maßgebend ist, nach dieser, sonst nach dem Lebensalter.

Wo die Stimmenzahl maßgebend ist, entscheidet bei Stimmengleichheit, wenn Bewerber eines Wahlvorschlags in Frage kommen, die Reihenfolge in diesem, sonst das Lebensalter, nötigenfalls das Los. Die Entscheidung trifft der Gemeindewahlausschuß. Hiergegen ist binnen einer Woche Beschwerde an die Staatsaufsichtsbehörde zulässig. Diese entscheidet endgültig unter Ausschluß des Berwaltungsrechtsweges.

Art. 74. iDie Staatsaufsichtsbehörde hat die Wahlverhand­ lungen zu prüfen und das von den Wahlausschüssm fest­ gestellte Ergebnis zu berichtigen, wenn es mit den für die Wahlvorschläge und die einzelnen Bewerber festgestellten Stimmenzahlen nicht im Einklänge steht. »Die Staatsaufsichtsbehörde hat die Nichtigkeit einer Wahl festzustellen und eine Neuwahl anzuordnm, wenn statt Verhältniswahl zu Unrecht Mehrheilswahl oder statt dieser zu Unrecht Verhältniswahl stattgefunden hat. ui Die Staatsauffichtsbehörde hat die Nichtigkeit der Wahl einer Einzelperson sestzustellen, 1. wenn eine nichtwählbäre Person gewählt ist, 2. wenn bei der Wahl eines Bürgermeisters oder bei der nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführten Wahl eines einzelnen Gemeinderatsmitglieds die Mehr­ heit der abgegebenen Stimmen für ungültig erklärt wurde, 3. wenn bei der Wahl oder Auswahl eines Bürgermeisters durch die Abstimmung von Mitgliedern des Gemeinde­ rats, deren Wahl als nichtig festgestellt oder auf Grund einer Wahlanfechtung für ungültig erklärt wurde, eine Verdunkelung des Wahlergebnisses eingetreten sein kann, iv Jeder Wahlberechtigte kann die Wahl anfechten 1. wegen Verlchung der Vorschriften über Förmlichkeiten des Wahlverfahrens, 2. wegen vorschriftswidriger sachlicher Bescheide des Ge­ meindewahlleiters oder der Wahlausschüsse, 3. wegen Ungültigkeit einzelner Stimmen gemäß Art. 68, wenn und soweit das Wahlergebnis hierdurch verdunkelt

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worden sein kann. Die Wahlanfechtung ist innerhalb drei Wochen nach dem Tage der Wahl bei der Staatsaufsichts­ behörde anzubringm und zu begründm. Diese entscheidet hierüber. v In den Fällen des Ws. III und IV ist das Ergebnis richtigzustellen, soweit Ersatzleute vorhanden sind. Eine Nachwahl findet nur unter der in Art. 71 angegebenen Voraussetzung statt. VI Die Berichtigung des Wahlergebnisses, die Feststellung der Nichtigkeit einer Wahl und die Entscheidung über eine Wahlanfechtung erfolgt im verwaltungsgerichtlichen Ver­ fahren. Über die Berichtigung des Wahlergebnisses ent­ scheidet die Kreisregierung endgültig, im übrigen im zweiten und letzten Rechtszuge der Verwaltungsgerichtshof. vii Eine Nachwahl ist erst nach Eintritt der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses anzuordnen.

Art. 75. 'Das Verfahren bei der Wahl regelt das Staatsmini­ sterium des Innern durch eine Wahlordnung. Es kann hierbei hinsichtlich der gleichzeitig vorzunehmenden Wahl weiterer ehrenamtlicher Bürgermeister von den Vorschriften in Art. 66 Ziff. 2, 4, 6 und 10 abweichen. Wenn Mehr­ heitswahl nach Art. 66 Ziff. 5 stattzufinden hat, werden hierbei keine Ersatzleute gewählt. »Das Staatsministerium des Innern regelt auch die Wahl der Ortschaftsvertretungen.

Art. 76. iDie Kreisregierung kann binnen vier Wochen nach Verkündung des Wahlergebnisses gegen die Wahl eines Bürgermeisters Verwahrung einlegen. »Die Verwahrung ist nur statthaft, wenn Tatsachen vorliegen, die die Dienstentlassung begründen würden, falls sie nach Erlangung des Amtes eingetreten wären. Dem Gewählten ist die Verwahrung zu eröffnen. Legt er binnen vierzehn Tagen Widerspruch ein, so entscheidet der Diszi­ plinarhof im disziplinargerichtlichen Verfahren, ob die Bor-

aussetzungen des Satzes 1 vorliegen. Gibt der Disziplinar­ hof der Verwahrung statt, so wird die Wahl insoweit un­ gültig. Das gleiche gilt, wenn der Gewählte binnen der gesetzten Frist gegen die Verwahrung Widerspruch nicht erhebt. in Die Kreisregierung kann vor Ablauf der Frist nach Abs. I auf die Verwahrung verzichten.

Art. 77. i Die ersten Bürgermeister werden durch die Staats­ aufsichtsbehörde, die weiteren Mitglieder des Gemeinderats durch den ersten Bürgermeister auf die gewissenhafte' ErMlung ihrer Obliegenheiten durch Handschlag verpflichtet. n Hat die Kreisregierung Verwahrung nach Art. 76 eingelegt, so unterbleibt die Verpflichtung bis zur Ent­ scheidung des Disziplinarhofes. Gemeindeteamte.

Art. 78.

Gemeindebeamte int Sinne dieses Gesetzes sind die be­ rufsmäßigen Mitglieder der Gemeinderäte und die Perso­ nen im Dienste der Gemeinde, die die Eigenschaft des Ge­ meindebeamten kraft Gesetzes oder durch Erklärung der Gemeinde besitzen.

Art. 79. iDie Gemeinden sollen die nicht nur vorübergehmd oder aushilfsweise berufsmäßig bei ihnen vollbeschäftigten Personen, die bei gleichm Dienstobliegenheiten im Staats­ dienste Beamte wären, in der Regel als Beamte in Dienst nehmen. ii Die Gemeinden sind außer den Fällen der Art. 15 und 49 Abs. III verpflichtet, wenigstens die Personen als Gemeindebeamte in Dienst zu nehmen, die mit der Hand­ habung der Sicherheitspolizei, ausschließlich des Feld- und Waldschutzes, nicht nur vorübergehend oder aushilfsweise befaßt sind. Das gleiche gilt für solche Personen, die haupt­ amtlich und berufsmäßig mit der Führung von Kassen, ausschließlich der Sparkassen, betraut sind.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Art. 80. Die Gemeindebeamten haben alle Obliegenheitm ihres Amtes den Gesetzen, Verordnungen und Dienstvorschriften entsprechend gewissenhaft wahrzunehmen und sich durch ihr Berhaltm in und außer dem Amte der Achtung, die das Amt erfordert, würdig zu erweisen.

Art. 81. Die Gemeindebeamten haben über Angelegenheiten, die ihnen vermöge ihres Amts bekannt geworden sind und deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder angeordnet ist, Verschwiegenheit zu beobachten. Diese Pflicht besteht auch nach Lösung des Dienstverhältnisses fort.

Art. 82. iHat ein Gemeindebeamter durch vorsätzliche oder fahr­ lässige Verletzung seiner Amtspflicht der Gemeinde einen Schaden zugefügt, so entscheidet auf Antrag der Gemeinde oder von Amts wegen die Staatsaufsichtsbehörde, ob er der Gemeinde für den Schaden haftbar ist und in welcher Höhe er Ersatz zu leisten hat. Gegen den Beschluß der Staatsaufsichtsbehörde steht den Beteiligten binnen vier­ zehn Tagen Beschwerde an die nächsthöhere Staatsaufsichts­ behörde zu; diese mtscheidet endgültig. riDer Beschluß wird mit Ablauf der Beschwerdefrist oder mit der Zustellung der Entscheidung des zweiten Rechtszugs vollstreckbar. Er kann schon vorher für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, wenn zu befürchten ist, daß der Gemeindebeamte sein Vermögen der Verwendung zum Ersätze des Schadens entziehen wird oder wenn sonst die Aussetzung der Vollstreckung einen schwer zu ersetzenden Nachteil mit sich bringen würde. Dem Gemeindebeamten ist zu gestatten, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinter­ legung die vorläufige Vollstreckung abzuwenden.

Art. 83. 1 Gegen den vollstreckbaren Beschluß nach Art. 82 steht dem Gemeindebeamtm und der Gemeinde sowohl Hinsicht-

lich der Ersatzverbindlichkeit als auch hinsichtlich des Er­ satzbetrags der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. «Das Klagerecht erlischt binnen einer Ausschlußfrist von einem Jahr. Die Ausschlußfrist beginnt an dem Tag, an dem der Beschluß vollstreckbar geworden ist. Für sie gelten die §§ 203, 206, 207 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

Art. 84. Die Gemeindebeamten werden durch den ersten Bürger­ meister auf die gewissenhafte Erftlllung ihrer Obliegenheiten durch Handschlag verpflichtet.

Art. 85. i Die Gemeinden dürfen für ihre Beamten und Angeftdltcn solche Amtsbezeichnungen nicht verwenden, gegen deren Verwendung das zustäMge Staatsministerium mit Rücksicht auf die vom Staate verwendeten Bezeichnungen allgemein oder im einzelnen Fall Einspruch erhebt. 11 Das Staatsministerium des Innern kann die Dienst­ kleidung und Dienstabzeichen der Beamten der Sicherheits­ polizei und ihrer Hilfskräfte regeln.

Art. 86. i Die Anstellungs- und Dienstverhältnisse der Gemeinde­ beamten und Beamtenanwärter können nach Maßgabe der Gesche durch eine Satzung geregelt werden. «Die Gemeindebeamten sind der Gemeinde gegenüber zur Übernahme von Nebenämtern oder Nebengeschäften im öffentlichen Dienst auch ohne besondere Vergütung ver­ pflichtet, wenn sie ihrer Berufsbildung entsprechen.

Art. 87. 1 Der Gemeindebeamte erhält über seine Anstellung eine Urkunde, die seine Eigenschaft als Gemeindebeamter und den Zeitpunkt, von dem an die Anstellung wirksam wird, ersehen läßt. Bei vollbeschäftigten Gemeindebeamten ist in Lak.»ret-v. Jan-Schadensroh, Gemeintxordming.

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I. Texte, Gemeindeordnung.

der Urkunde auch anzugeben, daß die Anstellung in dieser Eigenschaft erfolgt. Diese Bestimmungen gelten auch für die Wiederanstellung und Beförderung. «Zum vollbeschäftigten Gemeindebeamten kann nur ernannt werden, wer das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat.

Art. 88. i Das Dienstverhältnis der Gemeindebeamten ist wider­ ruflich vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen für die berufsmäßigen Bürgermeister und Gemeinderatsmitglieder. "Das Dienstverhältnis der widerruflichen Gemeinde­ beamten kann durch Beschluß jederzeit gelöst werden; sofern nicht eine grobe Pflichtverletzung vorliegt, ist eine Kündi­ gungsfrist von drei Monaten einzuhalten. Die Lösung des Dienstverhältnisses hat den Verlust des Diensteinkommens, der Amtsbezeichnung und der Dienstabzeichen sowie der Aussicht auf Gewährung eines Ruhegehalts und auf Hinter­ bliebenenversorgung zur Folge. 111 Hat ein widerruflicher Gemeindebeamter drei Dienst­ jahre als vollbeschäftigter Beamter der Dienstgemeinde zurückgelegt, so darf das Dienstverhältnis nur gelöst wer­ den, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Liegt der Grund nicht in der Person des Gemeindebeamten, so wird diesem eine angemessene Wfindung gewährt. Beschwerde (Art. 100) ist zulässig. Darüber, ob der wichtige Grund zur Lösung des Dienstverhältnisses in der Person des Gemeindebeamten liegt, sowie über die Höhe der Abfindung nach Satz 2 ent­ scheiden im Streitfälle die ordentlichen Gerichte. rv Hat ein widerruflicher Gemeindebeamter zehn Dienst­ jahre als vollbeschäftigter Beamter der Dienstgemeinde zurückgelegt, so scheidet Dienstunfähigkeit als wichtiger Grund für die Lösung des Dienstverhältnisses aus. v Der Gemeinderat kann einzelnen vollbeschäftigten Ge­ meindebeamten die Unwiderruflichkeit gewähren. Gegenüber unwiderruflichen Gemeindebeamten kann nur im Wege des Disziplinarverfahrens eine Schmälerung des Grundgehalts oder die Entlassung aus dem Dienst ausgesprochen werden.

Art. 89. i Der Gemeindebecnnte hat für die Dauer des Dienst­ verhältnisses Anspruch auf Besoldung. Wenn er zehn Dienstjahre als vollbeschäftigter Beamter der Menstgemeinde zurückgelegt oder wenn er die Unwiderruflichkeit erlangt hat, hat er 1. Anspruch auf Ruhegehalt nach Versetzung in den Ruhe­ stand, 2. Anspruch auf Versorgung seiner Hinterbliebenen. »Der Gemeindebeamte kann um Versetzung in den Ruhestand nachsuchm und ohne Ansuchen in den Ruhestand versetzt werden, wenn er das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat oder dienstunfähig geworden ist. Wird die Versetzung in den Ruhestand ohne Ansuchen des Gemeinde­ beamten verfügt oder wird sie verweigert, so ist Beschwerde zulässig (Art. 100). Art. 64 des Beamtengesetzes gilt ent­ sprechend. in Besoldung, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversor­ gung sowie die Regelung sonstiger Dienstbezüge einschließ­ lich der Entschädigung für Dienstwohnungen und Dienst­ grundstücke müssen angemessen sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Bezüge unter Berücksichtigung der beson­ deren Verhältnisse der Stelle und der Gemeinde den Be­ zügen angeglichen sind, welche die Inhaber gleich zu bewer­ tender Stellen im Staatsdienst erhalten. iv Bei nichtvollbeschäftigten Beamten ist der ihrer Be­ schäftigung entsprechende Teil der Besoldung nach Abs. III angemessen.

Art. 90. iDie beteiligten Gemeindebeamten und ihre Hinter­ bliebenen könnm eine Neuregelung der Bezüge nach Art. 89 Abs. III beantragen. Wird die Forderung ganz oder zum Teil abgelehnt, so entscheidet das Kreisschiedsgericht. Gegen die Entscheidung des Kreisschiedsgerichts ist binnen vier Wochen die Beschwerde zum Landesschiedsgerichte zulässig. Das Beschwerderecht steht den beteiligten Gemeindebeamten, ihren Hinterbliebenen und der Gemeinde zu.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

u Das Kreisschiedsgericht entscheidet in der Besetzung mit drei Mitgliedern. Der Vorsitzende muß die Be­ fähigung zum Richteramte besitzen und darf nicht Ge­ meindebeamter oder Vertreter von Gemeindebeamten sein; je ein Beisitzer wird den Mitgliedern der Gemeinderäte und Bezirkstage einerseits und den Beamten der Gemeinden und Bezirke anderseits entnommen. Das Landesschieds­ gericht mtscheidet in der Besetzung mit fünf Mitgliedern. Vorsitzender des Landesschiedsgerichts ist der Präsident des Berwaltungsgerichtshofs oder ein von ihm bestelltes Mit­ glied dieses Gerichtshofs; zwei ständige Beisitzer und ihre Stellvertreter werden von dem Präsidenten des Verwal­ tungsgerichtshofs aus der Zahl der Mitglieder dieses Ge­ richtshofs ernannt; je ein weiterer Beisitzer wird den Mitgliedern der Gemeinderäte und Bezirkstage einerseits und den Beamten der Gemeinden und Bezirke anderseits entnommen. Das Nähere über Bildung, Zuständigkeit, Verfahren und Kosten der Schiedsgerichte wird durch eine vom Staatsministerium des Innern nach Anhörung der Ver­ bände der Gemeinden und Bezirke und der Gemeindebeamten­ kammer zu erlassende Schiedsgerichtsordnung bestimmt.

Art. 91. l Gemeindebcamte können jederzeit ohne Airgabe eines Grundes um Entlassung aus dem Dienste nachsuchen. Der Gemeindebeamte verliert mit dem Dienstaustritt den An­ spruch auf Diensteinkommen, Ruhegehalt und Hinterblie­ benenversorgung, Amtsbezeichnung und Dienstabzeichen. ii Die Gemeinde kann einen unwiderruflichen Ge­ meindebeamten unter Bewilligung des gesetzlichen Warte­ geldes einstweilen in den Ruhestand versetzen, wenn infolge einer Änderung in der Gemeindeverwaltung für die Ver­ wendung des Beamten keine Gelegenheit mehr gegeben ist oder wmn ohne sein Verschulden Umstände vorliegen, durch die seine amtliche Wirksamkeit nicht bloß vorübergehend gestört wäre. In diesem Falle gelten für das Wartegeld die Vorschriften der Art. 39 bis 46 des Beamtengesetzes entsprechend.

in Abs. II gilt nicht für die berufsmäßigen Mitglieder des Gemeinderats, es sei denn, daß ihnen die Unwider­ ruflichkeit gewährt ist.

Art. 92. 1 Soweit die vollbeschäftigten Gemeindebeamten der reichsgesetzlichen Krankenversicherung unterliegen, steht ihnen im Falle der Krankheit auf die Dauer der Regel­ leistung der Krankenkassen ein Barbezug im anderthalb­ fachen Betrag des Krankengeldes zu. Auf diesen Bezug wird der Betrag angerechnet, der dem Gemeindebeamten für die gleiche Zeit aus Besoldung, Ruhegehalt oder Unter­ haltsbeitrag zukommt. Ist ein vollbeschäftigter Gemeinde­ beamter versicherungsberechtigt, so kann er von der Ge­ meinde angehalten werden, der Versicherung freiwillig bei­ zutreten; die Gemeinde muß jedoch die vollen Beiträge zur Krankenkasse bestreiten. Die Barleistungen der Kranken­ kasse werden dem Gemeindebeamten auf die Bezüge ange­ rechnet, die ihm für die gleiche Zeit gegen die Gemeinde zustehen. 11 Ist ein nichtvollbeschäftigter Gemeindebeamter kranken­ versicherungsberechtigt und macht er von diesem Rechte Ge­ brauch, so hat ihm die Gemeinde ein Drittel der Beiträge zu erstatten. mJst ein nichtvollbeschäftigter Gemeindebeamter be­ rechtigt, an der reichsgesetzlichen Invaliden- oder Ange­ stelltenversicherung teilzunehmen, und macht er von biefent Rechte Gebrauch, so hat ihm die Gemeinde die Hälfte des Beitragssatzes der untersten Klasse zu erstatten. iv Die Vorschriften der beiden letzten Absätze gelten nicht für Gemeindebeamte, die zugleich etatmäßige Staats­ beamte oder vollbeschäftigte Beamte einer anderen Ge­ meinde sind.

Art. 93. Die Gemeindebeamten haben Anspruch auf Unfallfür­ sorge in entsprechender Anwendung der Art. 89 bis 101 des Beamtengesetzes.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Art. 94. i Die vollbeschäftigten Gemeindebeamten haben Anspruch, auf Urlaub, wenn nicht außergewöhnliche dienstliche Ver­ hältnisse entgegenstehen. Für die Dauer des Urlaubs sowie für die Sonntagsruhe gelten die für die Staatsbeamten ge­ gebenen Vorschriften entsprechend. ii Tritt der erste Bürgermeister einen Urlaub von mehr: als einer Woche an, so hat er dies der Staatsaufsichts--behörde anzuzeigen.

Art. 95. Die Gemeinden sollen bei Anstellung von Gemeinde­ beamten bei gleicher Eignung der Bewerber dem den Vor­ zug geben, der erheblich kriegsbeschädigt ist oder mehr alsi zwei Jahre Kriegsdienst in der vorderen Linie geleistet hat..

Art. 96. Für die Gemeindebeamten, die nach den §§ 6, 7, 8,. 44 Abs. 2d der Anstellungsgrunds ätze (Grundsätze für die: Anstellung der Inhaber eines Versorgungsscheins) ange­ stellt sind oder werden, sind die für Staatsbeamte geltendem Bestimmungen über Anrechnung der bei der deutschem Wehrmacht (Heer, Marine, Reichswehr) sowie bei der Landespolizei und Polizeiwehr geleisteten Dienstzeit auff das Besoldungsdimstalter und auf die pensionsfähige: Dienstzeit entsprechend anzuwmden. Besondere Bestimmungen sstr die bernfSmLßigrnMitglieder des GemeiuderatS.

Art. 97.

iDie berufsmäßigen Bürgermeister und berufsmäßigem Gemeinderatsmitglieder werden auf höchstens zehn Jahre gewählt. Ihre Anstellung erfolgt durch schriftlichen Dienst­ vertrag. Wird nicht binnen vier Wochen nach Abschluß der Wahl ein Dienstvertrag vereinbart, so ist die Wahll ungültig. ii Im Dienstvertrage kann eine Probezeit bis zu einem Jahre vereinbart werden. Bis zum Beginne des letztem Vierteljahres der Probezeit kann der Gemeinderat durch

Beschluß den Rücktritt vom Dienstvertrage für das Ende der Probezeit erklären; andernfalls gilt der Dienstvertrag auf die Dauer der Wahlzeit. 111 (Spätestens ein Vierteljahr vor Ablauf des Dienst­ vertrags muß eine Neuwahl stattfinden, sofern die Stelle wieder besetzt werden soll. Lehnt der Gemeindebeamte die Wiederwahl trotz Sicherstellung der bisherigen Bertrags­ rechte ab, so verliert er die aus seiner bisherigen Anstellung erworbenen Rechte. rv Der Dienstvertrag muß eine angemessene Besoldung, Anspruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung für den Eintritt des Bersorgungsfalles während der Dienst­ zeit und eine angemessene Versorgung des Gemeindebeamten und seiner Hinterbliebenen für den Fall der Nichtwieder­ wahl nach Ablauf des Dienstvertrags vorsehen. vDer Gemeinderat kann durch besonderen Beschluß dem Gemeindebeamten mit dessm Einwilligung die Uuwiderruflichkeit gewähren.

Art. 98. Die berufsmäßigen Mitglieder des Gemeinderats müssen ihren Wohnsitz in der Dienstgemeinde nehmen; Ausnahmen können mit Zustimmung der Dienstgemeinde von der Staatsaufsichtsbehörde genehmigt werden. verfolgnng von Ansprüche« der Gemeindebeamte«.

Art. 99.

iFür vermögensrechtliche Ansprüche der Gemeindebeamten und ihrer Hinterbliebenen aus dem Dienstverhält­ nisse steht der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. ii Die Entscheidungen der Gemeindebehörden, der Staatsaufsichtsbehörden und der Disziplinargerichte sind in den Fällen des Art. 178 des Beamtengesetzes für die Beurteilung der vor den ordentlichen Gerichten geltmd gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche bindmd. Das gleiche gilt für die Entscheidungen über die Lösung des Dienstverhältnisses widerruflicher Gemeindebeamter sowie für die Entscheidungen der Schiedsgerichte nach Art. 90.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

111 Ansprüche nach Abs. I können erst gerichllich ver­ folgt werden, wenn der Beteiligte gegen die ihn beschwermde Verfügung bei der Gemeinde Whilfe verlangt und ent­ weder eine Mehnende oder binnm sechs Wochen keine Erklärung erhalten hat. Für die Behandlung des Whilfegesuchs und die Klage gilt Art. 177 Abs. 2, 3 des Beamtengesetzes.

Art. 100. l Bei Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnisse, für die der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten oder Ver­ waltungsgerichten oder das Verfahren nach Art. 90 nicht eröffnet ist, entscheiden die Staatsaufsichtsbehörden, ob die Entscheidung der Gemeinde gesetzmäßig ist. Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Gemeinde ist binnen vier Wochen nach Zustellung oder Eröffnung einzulegen. Die Kreis­ regierung entscheidet im zweiten Rechtszug endgültig. 11 Abs. I gilt insbesondere für den Streit, ob die Lösung des Dienstverhältnisses nach Art. 88 und 91 Abs. I oder ob die Versetzung in den Ruhestand nach Art. 89 Abs. II zu Recht erfolgt oder verweigert ist. Dienstaufsicht.

Art. 101.

iDie Dienstaufsicht über die Gemeindebeamten führt der erste Bürgermeister. Er kann die Dienstaufsicht in be­ stimmten Geschäftszweigen mit Ausnahme der Dienstauf­ sicht über die berufsmäßigen Mitglieder des Gemeinderats unter seiner Verantwortung einzelnen Gemeindebeamten übertragen. 11 Beschwerden gegen die Verfügungen des ersten Bürgermeisters oder die von ihm gebilligten Verfügungen seines Beauftragten entscheidet der Gemeinderat. Be­ schwerden der berufsmäßigen Mitglieder des Gemeinderats gegen Verfügungen des ersten Bürgermeisters entscheidet die unmittelbar vorgesetzte Staatsaufsichtsbehörde endgültig. »iDie berufsmäßigen Mitglieder des Gemeinderats unterstehen nicht der Dienstaufsicht, soweit sie in Ausübung ihrer Rechte als Gemeinderatsmitglieder handeln.

ÄÄ*

*rt. 102.

1 Ein Gemeindebeamter, der die ihm obliegenden Pflichten schuldhast verletzt, macht sich eines Dienstvergehms schuldig. "Die Dienststrafen sind a) Ordnungsstrafen, b) Disziplinarstrafen. Die Ordnungsstrafen sind 1. Verweis, 2. Geldstrafen bis zu 200 3M, bei vollbeschäftigten Ge­ meindebeamten bis zum Betrage der Besoldung für einen Monat. Die Disziplinarstrafen sind 1. Geldstrafm bis zu 600 5M, bei vollbeschäftigten Ge­ meindebeamten bis zu einem Drittel des zuletzt be­ zogenen Jahresbetrags der Besoldung, 2. Versetzung auf eine andere Amtsstelle mit gleichem oder geringerem Grundgehalt, 3. Androhung der Dienstentlassung in Verbindung mit einer der unter Ziff. 1 und 2 vorgesehenen Disziplinar­ strafen, 4. Dienstmtlassung. 111 ®er Höchstbetrag der Geldstrafe darf auch beim Zu­ sammentreffen mehrerer Dienstvergehen nicht überschritten werden. Für Strafversetzung gilt Art. 109 des Beamten­ gesetzes entsprechend. iv Die Geldstrafen fließen in die Gemeindekasse; sie sind für Wohlfahrtseinrichtungen der Gemeindebeamten zu verwenden. v Die Dienstentlassung hat den Verlust des Amts, der Amtsbezeichnung, der Dienstabzeichen sowie des Anspruchs auf Diensteinkommen, Ruhegehalt und Hinterbliebenen­ versorgung zur Folge. Ausnahmsweise kann die zur Diszi­ plinarbestrafung berufene Behörde dem Gemeindebeamten auf Lebenszeit oder auf bestimmte Zeit einen Teil des Ruhegehalts als Unterhaltsbeitrag zusprechen und den Hinterbliebenen den Anspruch auf Versorgung ganz oder

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I. Texte. Gemeindeordnung.

teilweise Vorbehalten. Der Unterhaltsbeitrag ist von der Gemeinde nur für die Zeit der Bedürftigkeit zu zahlen; Streitigkeiten entscheidet die unmittelbar vorgesetzte Staats­ aufsichtsbehörde endgültig. vi Die Bestimmungen der Art. 113, 115 und 116 des Beamtengesetzes gelten entsprechend. vii Das Staatsministerium des Innern kann Vor­ schriften zum Vollzüge der dienststraftechtlichen Bestim­ mungen dieses Gesetzes erlassen.

Art. 103. i Gegen die unter Gewährung von Wartegeld einst­ weilen in den Ruhestand versetzten Gemeindebeamten ist an Stelle der Versetzung auf eine andere Amtsstelle auf Minderung des Wartegeldes um höchstens den fünften Test für die ganze Zeit oder für einen Teil des einst­ weiligen Ruhestandes zu erkennen. Im übrigen gelten für sie die allgemeinen dienststrafrechtlichen Vorschriften mit der Maßgabe, daß sich die Begrenzung der Geldstrafen statt nach der Besoldung nach dem Wartegelde bemißt. li Gegen °die zeitlich oder dauernd in den Ruhestand versetzten Gemeindebeamtm kann auf Verweis und Geld­ strafe nur wegen Verletzung der Pflicht der Amtsverschwie­ genheit erkannt werden; die Begrenzung der Güdstrafe bemißt sich statt nach der Besoldung nach dem Ruhegehalt. Im übrigen ist ein Disziplinarverfahren gegen sie nur wegen solcher während der Dienstzeit oder im Ruhestande begangener Handlungen zulässig, die gegenüber einem Be­ amten im Dimstverhältnisse die Dienstentlassung begrün­ den. An Stelle der Dienstentlassung ist in diesem Fall auf Verlust der Amtsbezeichnung und des Ruhegehalts sowie des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung zu erkennen. in Gegen Gemeindebeamte, deren Dienstverhältnis ge­ löst oder sonstwie beendigt worden ist, kann wegen einer Verletzung der Pflicht der Amtsverschwiegenheit auch nach Lösung oder sonstiger Beendigung des Dienstverhältnisses eine Geldstrafe bis zu 600 TOK im Disziplinarverfahren verhängt werden. Im übrigen unterbleibt das Dienststraf-

verfahren oder es wird eingestellt, wenn das Dienstver­ hältnis gelöst oder sonstwie beendigt worden ist. rv Für die Zuständigkeit in diesen Fällen gilt Art. 169 des Beamtengesetzes entsprechend. v Hai ein Gemeindebeamter in einem früheren öffmtlichen Dienstverhältnis ein dienststrafrechtlich ungeahndetes Dienstvergehen begangen, so ist ein dienststrafrechtliches Einschreiten auch hierwegen zulässig. Wegen einer Handlung, die ein Gemeindebeamter vor dem Eintritt in das Dienstverhältnis zu einer Zeit be­ gangen hat, in der er nicht öffentlicher Beamter war, ist ein dienststrafrechtliches Einschreiten nur dann zulässig, wenn die Handlung die Dienstentlassung begründet.

Art. 104. i Die Ordnungsstrafen verhängt der Gemeinderat, so­ weit er seine Befugnisse nicht dem ersten Bürgermeister überträgt. "Dem Gemeindebeamten ist Gelegenheit zu geben sich zu vcrantwortm. Art. 131 des Beamtengesetzes gilt ent­ sprechend. in Die Strafe wird schriftlich unter Angabe der Gründe verhängt. Gegen den Strafbescheid steht dem Gemeindebeamten binnm vierzehn Tagen Beschwerde zur Staatsaufsichts­ behörde zu. Diese entscheidet endMtig.

Art. 105. i Die Disziplinarstrafen verhängt der Gemeinderat. "Art. 104 Abs. II, III und IV sind anzuwenden.

Art. 106. Für die Kosten des Verfahrens gilt Art. 162 des Beamtengesetzes entsprechend; in den Fällen der Abs. 4 und 5 tritt an die Stelle der Staatskasse die Gemeinde.

Art. 107. 1 Die Staatsaufsichtsbehörde ist befugt, habung des Dienststrafrechts zu überwachen.

die Hand­

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I. Texte. Gemeindeordnung.

"Das Dienststrafrecht der Gemeinde geht auf die Staatsaufsichtsbehörde über, wenn ein Gemeindebeamter in den Fällen der Art. 51 Abs. III Satz 3 und 4, Art. 52 Abs. I und II, Art. 54 Abs. II Satz 2, Art. 55 Abs. III Satz 3 und 4 den Weisungen der zuständigen staatlichen Beamten nicht Folge leistet. in Die Staatsaufsichtsbehörde kann ein dienststrafrecht­ liches Verfahren veranlassen. In diesem Falle kann sie das dienststrafrechtliche Verfahren selbst durchführen, wenn die Gemeinde innerhalb einer ihr gesetzten Frist dies verab­ säumt oder das Verfahren ohne Strafe eingestellt hat, und die erkannte Strafe abändern, wenn diese nach ihrem Er­ messen dem Dienstvergehen nicht entspricht. iv Gegen den Strafbescheid nach Abs. II und III steht dem Gemeindebeamtm binnen vierzehn Tagen Beschwerde zur nächsthöheren Staatsaufsichtsbehörde zu. Diese ent­ scheidet endgültig.

Art. 108. lFür das Dienststrafrecht der unwiderruflichen Ge­ meindebeamten mit Ausnahme der berufsmäßigen Mit­ glieder des Gemeinderats gelten anstelle des Art. 105 dieses Gesetzes die Art. 118 bis 163 des Beamtengesetzes entsprechend. "Zur Vorbehandlung im Disziplinarverfahren sind die Staatsaufsichtsbehörden, zum Anträge nach Art. 129 Abs. 1 des Beamtengesetzes ist das Staatsministerium des Innern oder die von ihm ermächtigte Stelle zuständig.

Art. 109. lFür das Dienststrafrecht der berufsmäßigen Mit­ glieder des Gemeinderats gilt Art. 108 entsprechend. " Art. 104 Abs. I und IV dieses Gesetzes findet keine Anwendung. Die Verhängung einer Ordnungsstrafe kommt der Staatsaufsichtsbehörde zu. Gegen den Strafbescheid kann das berufsmäßige Mitglied des Gemeinderats binnen vierzehn Tagen Beschwerde zur nächsthöheren Staatsauf­ sichtsbehörde einlegen. Die Kreisregierung entscheidet als Beschwerdestelle endgültig.

Art. 110. i Die Disziplinargerichte (Disziplinarkammern für nicht­ richterliche Beamte und Disziplinarhof für nichtrichterliche Beamte) entscheiden beim Verfahren gegen Gemeindebeamte unter Zuziehung von Gemeindebeamten. »Die Disziplinargerichte werden hierzu durch Ernen­ nung von je sechs unwiderruflichen Gemeindebeamten oder berufsmäßigen Mitgliedern des Gemeinderats sowie der gleichen Anzahl von Stellvertretern ergänzt. Die unwider­ ruflichen Gemeindebeamtm und die berufsmäßigen Mit­ glieder des Gemeinderats sowie ihre Stellvertreter werden in doppelter Höhe der erforderlichen Zahl von der Ge­ meindebeamtenkammer vorgeschlagen und vom Staatsmini­ sterium des Innern auf die Dauer der Wahlzeit der Gemeindebeamtenkammer ernannt. rn Jst der Beschuldigte sowohl Staats- wie Gemeinde­ beamter, so ist wenigstens ein Beisitzer des Disziplinar­ gerichts dem Kreise der Gemeindebeamten zu entnehmen, sofern durch das Dienstvergehen nicht ausschließlich die Pflichten des Staatsbeamten verletzt sind. lv Im übrigen gelten die Bestimmungen des Beamtengesches mtsprechend. Das Staatsministerium des Innern kann die Zahl der zu Mitgliedern der Disziplinargerichte zu ernennenden Gemeindebeamten nach Bedarf erhöhen. Werden Vorschriften der Staatsregierung auf Grund des Art. 120 Abs. 3 Satz 2 des Beamtengesetzes erlassen, so kann das Staatsministerium des Innern, auch abweichend von diesem Artikel, entsprechende Vorschriften für die Ge­ meindebeamten geben. v Das Staatsministerium des Innern oder die von ihm ermächtigte Stelle ist befugt, Beamte der Staatsauffichtsbehörde und Vertreter der Gemeinde in die Verhandlung nach Art. 143 Abs. 3,158 Abs. 6 des Beamtengesetzes abzuordnen.

Art. 111. l Für die vorläufige Dienstenthebung gelten die Art. 171 bis 173 des Beamtengesetzes entsprechend. Außerdem könnm die Gemeindebeamten mit Ausnahme der berufsmäßigen

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I. Texte. Gemeindeordnung.

Mitglieder des Gemeinderats jederzeit unter Wahrung aller ihrer Rechte aus dem Dienstverhältnisse vom Ge­ meinderat, in dringenden Fällen vom ersten Bürgermeister vorbehaltlich der Entscheidung des Gemeinderats, ihres Dienstes vorläufig enthoben werden. "Zur vorläufigen Dienstenthebung nach Art. 172 des Beamtengesetzes ist der erste Bürgermeister und, falls dieser von seiner Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, die Staatsaufsichtsbehörde befugt. Zur vorläufigen Dienstent­ hebung von Mitgliedern des Gemeinderats ist nur die Staatsaufsichtsbehörde befugt. Gegen die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung durch den ersten Bürgermeister steht dem Gemeindebeamten Beschwerde zur Staatsaufsichts­ behörde, gegen die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung durch die Staatsaufsichtsbehörde Beschwerde zur nächsthöheren Staatsaufsichtsbehörde zu. Die Beschwerdestelle enscheidet end­ gültig. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. 111 Während der vorläufigen Enthebung eines Gemeinde­ beamten vom Dienste nach den Art. 171, 172 des Beamten­ gesetzes wird ihm vom Ablaufe des Monats an, in dem sie eintritt, der dritte Teil der Besoldung einbehalten. In Fällen der Not des Gemeindebeamten ist die Staatsauf­ sichtsbehörde befugt, die Einbehaltung auf einen geringeren Teil der Besoldung zu beschränken. Art. 174 Abs. 4 des Beamtengesetzes gilt entsprechend. iv Der einbehaltene Teil der Besoldung dient zur Deckung der dm Gemeindbeamten trefsendm Kostm des Verfahrens, einer etwaigm Geldstrafe und in dm Fällm, in denen das Verfahrm zur Dienstmtlassung führt, zur Deckung der durch die Vertretung des Beamtm vemrsachten Kosten, zur Deckung der Stellvertretungskostm auch, soweit sie infolge der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe erwachsm sind. v Bei Verurteilung zur Freiheitsstrafe und beiDimstentlafsung ist der nach Abs. IV nicht verbrauchte Teil der einbehaltenm Besoldung nach Art. 102 Abs. IV für Wohlfahrtseinrichtungm der Gemeindebeamtm zu verwenden. In anderen Fällen ist er den Gemeindebeamtm auszuzahlen.

Ehrenamtliche Mitglieder deS GemeiuderatS.

Art. 112.

i Ehrenamtliche Mitglieder des Gemeinderats können ihr Amt niederlegen, wenn die Voraussetzungen des Art. 73 Abs. I gegeben sind. Über die Zulässigkeit entscheidet der Gemeinderat. "Das Amt muß niedergelegt werden, wenn Verhält­ nisse eintretm, die die Fortführung des Amts unmöglich machen. Über die Notwendigkeit entscheidet der Gemeinderat. in Gegen die Beschlüsse des Gemeinderats nach Ws. I und II ist binnen vierzehn Tagen Beschwerde zur Staats­ aufsichtsbehörde zulässig. Diese entscheidet im Falle des Abs. I endgültig. Im Falle des Abs. II entscheidet sie im oerwaltungsgerichtlichen Verfahren; im zweiten Rechtszug entscheidet der Verwaltungsgerichtshof.

Art. 113. ihr 1. 2.

3. 4. 5.

Ehrenamtliche Mitglieder des Gemeinderats verlieren Amt, abgeschen von Art. 25 und 76, durch den Verlust der Wählbarkeit, durch die Niederlegung nach Art. 112 und, wenn der Ge­ meinderat die Zulässigkeit dieser Niederlegung oder das ehrenamtliche Mitglied die Pflicht zur Niederlegung bestreitet, mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch Nichtigkeits-oder Ungültigkeitserklärung der Wahl, durch die nachträgliche Änderung des Wahlergebnisses, durch Anstellung als berufsmäßiger Bürgermeister oder als berufsmäßiges Gemeinderatsmitglied.

Art. 114. i Ehrenamtliche Mitglieder des Gemeinderats haben Anspruch auf angemessene Aufwandentschädigung, Ange­ stellte und Lohnarbeiter außerdem Anspruch auf Entschä­ digung für entgangenen Gehalt oder Lohn. Ehrenamtliche Bürgermeister haben ferner Anspruch auf einen angemes­ senen Dienstbezug; das Staatsministerium des Innern erläßt hierüber Richtlinien. Streitigkeiten entscheidet die unmittelbar vorgesetzte Staatsaufsichtsbehörde endgültig.

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I. Texte. Gemeindeordnung.

ii Den Beamten, Angestellten und Arbeitern des Staates, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts muß die zur Ausübung des Amts erforderliche Dienstbefreiung gewährt werden.

Art. 115. i Den Urlaub der ehrenamtlichen Mitglieder des Ge­ meinderats regelt der Gemeinderat. ii Tritt der erste Bürgermeister einen Urlaub von mehr als einer Woche an, so hat er dies der Staatsaufsichts­ behörde anzuzeigen.

Art. 116. Für die ehrenamtlichen Mitglieder des Gemeinderats gelten die Bestimmungen der Art. 80 bis 83 und Art. 85 entsprechend.

Art. 117. i Auf ehrenamtliche Mitglieder des Gemeinderats, welche die ihnen obliegenden Pflichten schuldhaft verletzen, finden die Bestimmungen der Art. 102, 103 Abs. III und IV, 104 Abs. II und III, 106 dieses Gesetzes, ferner die Art. 118 bis 163 des Beamtengesetzes entsprechend Anwendung. Gegen ehrenamtliche Mitglieder des Gemeinderats, mit Ausnahme der Bürgermeister, ist ein Dienststrafverfahren nur zulässig, wenn die Pflichtverletzung die Dienstent­ lassung begründet. Die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen Bürgermeister kommt der Staatsauffichtsbehörde zu; gegen den Strafbescheid ist binnen vierzehn Tagen Be­ schwerde zur nächsthöheren Staatsaufsichtsbehörde zulässig; die Kreisregierung entscheidet als Beschwerdestelle end­ gültig. Für das Disziplinarverfahrm gilt Art. 108 Abs. II dieses Gesetzes. Die Dienstentlassung schließt die Wieder­ wahl für fünf Jahre aus. ii Für das disziplinargerichtliche Verfahren gilt Art. 110 entsprechend. Das Staatsministerium des Innern ergänzt die Disziplinargerichte durch Ernennung von je sechs ehren­ amtlichen Mitgliedern von Gemeinderäten sowie der gleichen Anzahl von Stellvertretern auf die Dauer ihres Amtes.

in Für die vorläufige Dienstenthebung gelten die Art. 171 dis 173 des Beamtengesetzes entsprechend. Zur vorläufigen Dienstenthebung ist die Staatsaufsichtsbehörde befugt. Be­ schwerde zur nächsthöheren Staatsaufsichtsbehörde ist zu­ lässig; diese entscheidet endgültig. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Bersorgnugsvrrband.

Atkk.

118.

Die Gemeinden mit weniger als 10000 Einwohnern müssen zur Ausgleichung ihrer Bersorgungslasten dem Baye­ rischen Versorgungsverband als Mitglieder angehören.

Art. 119. Der Bersorgungsverband ist eine Körperschaft des öffent­ lichen Rechts.

Art. 120. >Die Verwaltung des Versorgungsverbandes führt die Versicherungskammer, Wteilung für Gemeindeversicherung. ii Der Verband hat der Landesbrandversicherungsanstalt den von ihm verursmhten Verwaltungsaufwand zu ver­ güten.

Art. 121. i Die Vertretung der Mitglieder gegenüber der Verwal­ tung kommt dem Landesausschusse zu. ii Der Landesausschuß besteht aus acht bis fünfzehn Mitgliedern. Für jedes Ausschußmitglied sollen zwei Er­ satzleute vorhanden sein. ui Ein Ausschußmitglied und seine beiden Ersatzleute ernennt das Staatsministerium des Innern. Die Wahl der übrigen Mitglieder regelt die Satzung.

Art. 122. Die Aufsicht über den Versorgungsverband führt das Staatsministerium des Innern.

Art. 123. i Streitigkeiten zwischen dem Verband und feinen Mit­ gliedern werden durch ein Schiedsgericht entschieden, das aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern besteht. LaDer Bezirkstag faßt feilte Beschlüsse in Sitzungen. «Der Bezirkstag wird zu seiner ersten Tagung nach der Wahl vom Bezirksamtsvorstande berufen. Dieser er­ öffnet die Sitzung. Unter der Leitung des Bezirksamts­ vorstandes wählt der Bezirkstag aus seiner Mitte auf die Dauer der Wahlzeit den Bezirkstagsvorsitzenden und einen Stellvertreter. in Der Bezirkstag versammelt sich jährlich in der Regel einmal auf Berufung des Bezirkstagsvorsitzenden, der Hier­ wegen mit dem Bezirksamtsvorstand ins Benehmm tritt. In dringenden FAlen kann der Bezirkstag in gleicher Weise zu außerordentlichen Sitzungen berufen toerben; er muß berufen werden, wenn es der Bezirksausschuß, die Hälfte der Bezirkstagsmitglieder schriftlich unter Bezeich­ nung des Verhandlungsgegenstandes oder das Bezirksamt beantragt. Der Bezirkstag ist beschlußfähig, wenn sämtliche Mit­ glieder geladm sind und wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Im übrigen gilt Art. 19 ent­ sprechend.

Art. 23. >Der Bezirkstagsvorsitzende leitet die Verhandlungen des B^irkstags. Im übrigm gelten für die Verhandlungen des Bezirkstags Art. 18 Abs. IV Satz 2, für die Beschluß-

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I. Texte. Bezirksordnung.

fassung Art. 20 entsprechend. Der Bezirksamtsvorstand nimmt an den Verhandlungen des Bezirkstags teil. Auf Berlangm ist ihm jederzeit das Wort zu erteilen. Über seine Anträge muß durch Beschluß zur Sache entschieden werdm. ii Die Sitzungen des Bezirkstags sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl des Reiches, des Staates, des Bezirkes oder berechtigte Ansprüche einzelner entgegen» stehen. Über den Ausschluß der Öffentlichkeit wird in ge­ heimer Sitzung beraten und entschieden. in Der Vorsitzende handhabt die Ordnung. Er ist be­ rechtigt, Zuhörer, die die Ordnung stören, entfernen zu lassen. Das gleiche Recht steht chm mit Zustimmung des Bezirkstags zu gegen Mitglieder, die die Ordnung fort­ gesetzt erheblich stören.

Art. 24. Zur Erledigung der Angelegenheiten der Bezirksspar­ kasse oder sonstiger einzelner Anstalten und Einrichtungen kann der Bezirkstag besondere Ausschüsse bilden und ihnen vorbehaltlich des Art. 21 Abs. II Satz 2 für einzelne Auf­ gaben die Befugnisse des Bezirksausschusses und des Be­ zirkstags übertragen. Für diese Ausschüsse gelten die Vor­ schriften über den Bezirksausschuß entsprechend. Die Zahl der Mitglieder bestimmt der Bezirkstag.

Art. 25. i Die Mitglieder des Bezirkstags und seiner Ausschüsse sind verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen. "Gegen Mitglieder, die sich dieser Verpflichtung ent­ ziehen oder sich der Wstimmung enthalten, kann der Be­ zirkstag durch Beschluß Ordnungsstrafen bis zu 200 Mk im einzelnen Falle verhängen. Die Strafe wegen Ver­ säumnis der Sitzung kann auch verhängt werden, wenn wenigstens ein Drittel der Mitglieder des Bezirkstags an­ wesend ist. in Die Befugnis nach Abs. II steht auch dem Bezirks­ ausschuß und den besonderen Ausschüssen nach Art. 24 gegenüber ihren Mitgliedern zu.

iv Die Geldstrafen werden auf Ersuchen von der Ge­ meinde wie Gemeindeumlagen auf Rechnung und Kosten des Bezirks erhoben und beigetrieben. v Entzieht sich ein Mitglied nach zwei wegen Ver­ säumnis erkannten Strafen innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten weiterhin seiner Pflicht, an den Sitzungen teilznnehmen, so kann der Bezirkstag bett Verlust des Amtes aussprechen. vi Gegen den auf Geldstrafe lautenden Beschluß kann binnen vierzehn Tagen nach Eröffnung Beschwerde zur unmittelbar vorgesetzten Staatsaufsichtsbehörde eingelegt werden; diese entscheidet endgültig. Gegen den auf Verlust des Amtes lautenden Beschluß kann das ausgeschlossene Mitglied binnen vierzehn Tagen nach Eröffnung den An­ trag auf verwaltungsgerichtliche Entscheidung stellen; die Kreisregierung entscheidet im einzigen Rechtszug.

Art. 26. i über die Verhandlungen des Bezirkstags und seiner Ausschüsse fertigt das Bezirksamt Niederschriften. Diese müssen die anwesenden Mitglieder, die verhandelten Gegen­ stände, die Beschlüsse und das Abstimmungsergebnis er­ sehen lassen. Mitglieder, die einem Beschlusse nicht zu­ gestimmt habm, können verlangen, daß dies vermerkt wird. Bei Meinungsverschiedenheiten über Inhalt und Fassung der Niederschrift entscheidet der Bezirksausschuß, im Falle des Art. 24 der besondere Ausschuß. ii Den Mitgliedern des Bezirkstags steht die Einsicht in die Niederschriften frei.

Art. 27. i Das Grundstockvermögen ist in seinem Bestand unge­ schmälert zu erhalten, soweit es nicht als angesammeltes Zweckvermögen dem bestimmten Zwecke zugeführt wird. Zum Grundstockvermögen gehören alle Werte, die nicht zur Veräußerung oder zum Verbrauch im Haushalte des Be­ zirks bestimmt sind. ii Wird Grundstockvermögen veräußert, so ist der Erlös dem Grundstockvermögen zuzuführen. Werden Grundstücke

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I. Texte. Bezirksordnung.

veräußert, so sind Grundstücke zu beschaffen. Wird Grundstockvermögm geschmälert, so ist es in angemessener Zeit durch Zuweisung aus Wirtschaftsmitteln zu ersetzen. Bon diesen Vorschriften kann aus wichtigen Gründen abgewichen werden, wenn die Staatsaufsichtsbehörde hiergegen keine Erinnerung erhebt. Mit Genehmigung der Staatsaufsichts­ behörde kann Grundstockvermögen unentgeltlich veräußert werden.

Art. 28. i Anleihen dürfen nur zu werbenden Zwecken oder zu Ausgaben für Einrichtungen von dauerndem Nutzen ausge­ nommen werden, zu deren sofortigen Deckung die Leistungs­ fähigkeit des Bezirks nicht ausreicht. "Anleihen müssen nach einem festgestellten Plan in angemessener Zeit aus Wirtschaftsmitteln getilgt werden. Anleihen zur Befriedigung wiederkehrender Bedürfnisse sollen bis zur Wiederkehr des Bedürfnisses getilgt oder durch Rücklage ausgeglichen sein. Die Tilgungspläne sind der Staatsaufsichtsbehörde vorzulegen. i"Aus wichttgen Gründen kann die Staatsaufsichtsbe­ hörde zulassm, daß von den Vorschriften der Abs. I und II abgewichen wird. rvDie Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde ist er­ forderlich, wenn der Bettag der aufzunehmenden Schuld allein oder zusammen mit anderen Bettägen im Sinne der Abs. I, IV und V im gleichen Rechnungsjahr 100 000 Mk übersteigt. Das gleiche gilt ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrages, wenn der Geldgeber ein Ausländer ist oder wenn die Verpflichtung des Bezirks ganz oder teilweise in aus­ ländischer Währung zu erfüllen ist. Das Staatsministerium des Innern kann im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen bindende Richtlinien für die Fälle des vorstehenden Satzes aufstellen. v Der Aufnahme von Anleihen steht die Aufnahme von Darlehen, der Abschluß von Bürgschaftsverträgen und ver­ wandten Rechtsgeschäften, die ein Einstehen für fremde Schuld zum Gegenstand haben, gleich. Soweit Tilgungs-

Pläne nicht in Frage kommen, ist Anzeige an die Staatsaufsichtsbehörde zu erstatten. vi Betriebskredite, das sind Kredite, die bestimmungs­ gemäß in kürzester Zeit, längstens aber innerhalb eines Jahres seit der Aufnahme zurückbezahlt werden und deren Berwendungsart die Rückzahlung in dieser Zeit gewähr­ leistet, bedürfen der Genehmigung der Staatsauffichtsbehörde, wenn sie, ohne abgedeckt zu sein, in dem gleichen Rechnungsjahre die in Abs. IV genannte Summe über­ steigen oder wenn die Voraussetzungen des Ms. IV Satz 2 vorliegen. Die Aufnahme aller übrigen Betriebskredite ist der Staatsauffichtsbehörde anzuzeigen.

Art. 29. iDer Bezirk ist berechtigt, soweit nicht Gesetze oder Staatsverträge entgegmstehen, durch Satzung die Benützung seines Eigentums, seiner Anstalten, Unternehmungen und Einrichtungen zu ordnen und Gebühren für die Benützung festzusetzen. "Wird durch Führung eines Betriebes oder durch Be­ wirtschaftung oder Ausbeutung eines Grundstücks eine Be­ zirksstraße in außergewöhnlicher Weise abgenützt, so kann der Bezirk den Inhaber des Betriebes und den Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks zu besonderen Vorausleistungen heranziehen. Das Staatsministerium des Innern kann hierüber Vorschriften erlassen. i" Der Bedarf des Bezirks ist, soweit die sonstigen Ein­ nahmen des Bezirks hierfür nicht ausreichen, durch Um­ lagen, Verbrauchssteuern und örtliche Wgaben zu decken; für die Umlagen, Verbrauchsteuern und örtlichen Mgaben gelten die besonderen Gesetze. iv Der Bezirk kann für einzelne Gemeinden oder ab­ gesonderte Markungen je nach der Teilnahme an den Vorteilm einer Einrichtung des Bezirks dm Hundertsatz der steuerlichen Belastung bis zum eineinhalbfachen des allgemeinm, gesetzlich zulässigen Satzes erhöhen. Er kann unter der gleichen Voraussetzung und bis zur gleichm Wertsgrmze einzelnm Gemeindm oder abgesonderten Mar-

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I. Texte. Bezirksordnung.

hingen Sachleistungen auferlegen. Die Beschlüsse bedürfen der Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mit-glieder des Bezirkstags und der staatsaufsichtlichen Ge­ nehmigung. vZur Erhebung von Verbrauchsteuern und örtlichm Wgaben, soweit diese durch Gesetz und Staatsvertrag zu­ gelassen und nicht anderweit geregelt sind, sowie zur Er­ hebung von Pflaster-, Wege- und Brückenzöllen ist die Ge­ nehmigung der Kreisregierung erforderlich. Das Staats­ ministerium des Innern ist befugt, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen bindende Richtlinien zu erlassen. vi Um die Durchführung der Satzung nach Abs. I zu sichern, sönnen bezirkspolizeiliche Vorschriften erlassen wer­ den; darin kann die Hinterziehung oder Verkürzung der Ge­ bühren sowie eine andere Zuwiderhandlung gegen die Satzung mit Geldstrafe bis zu 150 RM. bedroht werden. Die Geldstrafen fließen in die Bezirkskasse. Das gleiche gilt für die Sicherung der Erhebung von Verbrauchssteuern, örtlichen Abgaben, Vorausleistungen nach Abs. II sowie für die Sicherung der Erhebung von Pflaster-, Wege- und Brückenzöllen. vii Streitigkeiten über die Benützung der Anstalten, Unternehmungen und Einrichtungen und über die Verbind­ lichkeit zur Entrichtung von Gebühren hierfür sowie über Ansprüche auf Rückvergütung solcher Gebühren entscheidet die Staatsaufsichtsbehörde im verwaltungsgerichtlichen Ver­ fahren. Im zweitm Rechtszug entscheidet der Berwaltungsgerichtshof. Das gleiche gilt für Streitigkeiten über die Verbindlichkeit zur Entrichtung von Verbrauchsteuern, ört­ lichen Abgabm, Vorausleistungen nach Abs. II, erhöhten Leistungen nach Ws. IV, Pflaster-, Wege- und Brücken­ zöllen sowie über Ansprüche auf chre Rückvergütung. viii Die öffentlichen Abgaben und Gefälle für den Be­ zirk sind, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt ist, auf Verlangen von der Gemeinde wie Gemeindeumlagen auf Rechnung und Kosten des Bezirks zu erheben und bei-

zutreiben. Das Staatsministerium das Innern kann über den Vollzug Vorschriften erlassen.

Art. 30. iDas Rechnungsjahr läuft vom 1. April bis zum 31. März. il Der Bezirk ist verpflichtet, alljährlich vor Beginn des Rechnungsjahres einen Voranschlag über dievoraussehbaren Einnahmen und Ausgabm aufzustellen und der Staatsauf-sichtsbehörde vorzulegen. Der Voranschlag muß ersehen lassen, wie die sämtlichen Ausgaben gedeckt werden sollen. in Der vom Bezirkstage festgestellte Voranschlag bildet, vorbehaltlich der Art. 6 Abs. II, Art. 17 Abs. I Ziff. 1, Art. 21 Abs. III, die Grundlage des Haushalts.

Art. 31. iDie Rechnungen über die Führung des Haushalts werden durch den Bezirkskassenverwalter oder die sonst vom Bezirksausschüsse bestimmten Personen auf Kosten des Be­ zirks gefertigt. il Sie sind nach Ablauf des Rechnungsjahres in der nächsten öffentlichen Sitzung des Bezirkstags festzustellen und der Staatsauffichtsbehördc vorzulegen, sofern nicht die Vorlegung erlassen ist. "l Das Staatsministerium des Innern kann die Form der Voranschläge und Rechnungen bestimmen. Für die Rechnungstellung kann die Staatsaufsichtsbehörde wider­ ruflich Abweichungen hiervon gestatten. StaatSaufficht.

Art. 32.

Die Staatsaufsicht über die Bezirke wird unter der Lei­ tung des Staatsministeriums des Innern von den Kreis­ regierungen geführt.

Art. 33. 1 Die Staatsaufsichtsbehörde kann gesetzwidrige Beschlüsse ändern oder aufheben und die Erfüllung der gesetzlichen und übernommenen Verpflichtungen des Bezirks erzwingen. Lakoret-». Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

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I. Texte. Bezirksordnung.

u Die Staatsaufsichtsbehörde kann zur Durchführung ihrer Befugnisse Anstalten und Einrichtungen des Bezirks besichtigen, die Geschäfts- und Kassenführung prüfen sowie Berichte und Akten einfordern. m Verweigert der Bezirk innerhalb einer ihm gesetzten Frist die Änderung oder Zurücknahme gesetzwidriger Be­ schlüsse, so ändert die Staatsaufsichtsbehörde diese Beschlüsse oder hebt sie auf. Bestreitet der Bezirk innerhalb einer ihm gesetzten Frist die gesetzliche Verpflichtung oder gibt er innerhalb dieser Frist keine Erklärung ab oder verweigert er die Erfüllung der unbestrittenen Verpflichtung, so be­ schließt die Staatsaufsichtsbehörde. iv Die Staatsaufsichtsbehörde kann in den Fällen des Ws. III vorläufige Anordnungen treffen, insbesondere in dringenden Fällen ihre Beschlüsse vor eingetretener Rechts­ kraft vollziehm. v Zur Erfüllung der endgültig festgesetzten Verpflich­ tungen oder zum Vollzüge der vorläufigen Anordnungm kann die Staatsaufsichtsbehörde an Stelle des Bezirks dm notwmdigen Aufwand in dm Voranschlag einstellen oder die sonst erforderlichm Verfügungen treffen und rechts­ erhebliche Erklämngm abgeben. VI Gegm den Beschluß nach Ws. III ist binnm vier Wochm Beschwerde zum Berwaltungsgerichtshofe zulässig, wmn der Bezirk behauptet, daß der Beschluß sein gesetz­ liches Selbstverwaltungsrecht verletze oder ihn mit einer ge­ setzlich nicht begründeten Leistung belaste. Gegen vorläufige Anordnungen oder gegen Verfügungen zum Vollzüge der Verpflichtungen ist binnen gleicher Frist Beschwerde zum Staatsministerium des Innern zulässig. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

Art. 34. iDer Bezirk bedarf der Gmehmigung der Staatsauf­ sichtsbehörde : 1. zur Ausleihung und Anlegung von Gelbem unter Ab­ weichung von den für die Gemeinden gegebenen Vorschriftm.

2. zur Errichtung von Sparkassen und Banken, ferner zur Errichtung neuer und zum Weiterbetriebe bestehender Zweig- und Annahmestellen in- und außerhalb des Bezirks, 3. zur Errichtung und zum Betriebe von Erwerbsunter­ nehmungen oder zu erheblicher Beteiligung an solchen sowie zu Einrichtungen, die die Versorgung der Bevöl­ kerung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs be­ zwecken, 4. zur Belastung von Grundstücken mit einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, wenn es sich nicht um Kauffchillingsreste handelt, 5. zur Aufhebung oder wesentlichen Veränderung der An­ stalten, Einrichtungen, Straßm und Brücken des Be­ zirks, 6. zur Veräußerung oder wesentlichen Änderung solcher Gebäude und sonstiger unbeweglicher oder beweglicher Gegenstände aus älterer Zeit, deren Erhaltung wegen ihres geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Altertums­ wertes für die Allgemeinheit von Bedeutung ist, zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von schutz­ würdigen Naturgebilden und zu allen Maßnahmen am Bezirkseigentum, die ein schutzwürdiges Orts- oder Landschaftsbild wesentlich verändern. «Art. 61 Abs. II der Gemeindeordnung gilt ent­ sprechend; die Zustimmung der kreisunmittelbaren Ge­ meinde, in der sich der Sitz des Bezirksamts befindet, und der Gemeinden des Bezirks ist nicht erforderlich. in Art. 61 Abs. IV der Gemeindeordnung gilt ent­ sprechend. l^Das Staatsministerium des Innern kann über den Betrick von Anstalten und Unternehmungen des Abs. I Ziff. 2 Vorschriften erlassen sowie die Vorschriften über die Anlegung des Gemeindckermögens auf das Bezirks­ vermögen ausdehnen und ergänzen. ^Die Pläne und Voranschläge für den Bau oder für erhebliche Umbauten von Anstalten, Straßen und Brücken

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I. Texte. Bezirksordnung.

des Bezirks sind vor der Ansführung der Staatsaufsichts-behörde zur Genehmigung vorzulegen. VI Das Staatsministerium des Innern kann allgemeine Vorschriften über die Bauart und die Unterhaltung der Bezirksstraßen erfassen. Sachaufficht.

Art. 35.

iDen zur Durchführung der Sachaufficht zuständigen Staatsministerim stehen die Befugnisse des Art. 33 Ws. II zu. "Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus kann Anordnungen für die Unterrichts- und Erziehungs­ anstalten der Bezirke erlassen. Bezirksbeamte.

Art. 36.

i Für die Beamtm des Bezirks gelten die Vorschriften der Gemeindeordnung über die Gemeindebeamten ent» sprechend. 11 Das Bezirksamt verpflichtet die Beamten des Bezirks auf die gewissmhafte Erfüllung ihrer Obliegenheitm durch Handschlag. in Das Bezirksamt führt die Dimstaufficht über die Beamtm und sonstigen Kräfte des Bezirks und erteilt den Urlaub. Das Bezirksamt kann diese Befugnisse ganz oder teilweise an Beamte des Bezirks für ihren Dimstbereich übertragen. Beschwerden über die Verfügungen des Bezirks­ amts oder über die von ihm gebilligten Verfügungen der Beauftragtm mtscheidet die Staatsaufsichtsbehörde end­ gültig.

Art. 37. 1 Zur Verhängung von Ordnungsstrafen gegen Beamte des Bezirks sowie zur Verhängung von Disziplinarstrafen gegen widerrufliche Beamte des Bezirks ist der Bezirksaus­ schuß zuständig. Er kann seine Zuständigkeit allgemein oder int einzelnen Falle dem Bezirksamt übertragm. Die Vor­ behandlung int Disziplinarverfahren gegen unwiderrufliche Beamte des Bezirks obliegt dem Bezirksamt.

11 Gegen Beschlüsse des Bezirksausschusses und des Be­ zirksamts nach Abs. I steht dem Beamten des Bezirks binnen vierzehn Tagen Beschwerde zur Staatsaufsichts­ behörde zu. Diese entscheidet endgültig. in Zur vorläufigen Dienstmthebung nach Art. 172 des Beamtengesetzes ist das Bezirksamt zuständig. Auf Be­ schwerde, die binnen vierzehn Tagen einzulegen ist, ent­ scheidet die Staatsaufsichtsbehörde endgültig. Die Be­ schwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Zur vorläufigen Dienstenthebung nach Art. 111 Abs. I Satz 2 der Gemeinde­ ordnung ist der Bezirksausschuß, in dringenden Fällen das Bezirksamt vorbehaltlich der Entscheidung des Bezirks­ ausschusses, zuständig. rv Die Disziplinargerichte (Disziplinarkammern und Disziplinarhof) werden durch Ernennung von je vier un­ widerruflichen Bezirksbeamten sowie der gleichen Anzahl von Stellvertretern ergänzt. Die Beamten werdm in dop­ pelter Höhe der erforderlichen Anzahl von der Gemeindebeamtmkammer vorgeschlagen und vom Staatsministerium des Innern auf die Dauer der Wahlzeit der Gemeinde­ beamtenkammer ernannt.

Art. 88. Das Staatsministerium des Innern kann Vorschriften über die Vorbildung und deir Wirkungskreis der Bezirks­ baumeister erlassen. Bes»»dere Stftimmungen.

Art. 39.

1 Wird einer Gemeinde nach Art. 54 Abs. I der Ge­ meindeordnung die Kreisunmittelbarkeit verliehen, so ist hierbei zu bestimmen, ob und unter welchen Bedingungen die Gemeinde gleichzeitig aus dem Bezirk auszuscheiden hat. u Kreisunmittelbare Gemeinden können mit ihrer Zu­ stimmung in den Bezirk ausgenommen werden.

Art. 40. >Vor Änderungen irn Bestand eines Bezirks ist in wichtigen Fällen der Bezirkstag, irn übrigen der Bezirks-

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I. Texte. Bezirksordnung.

ausschuß zu hörm. Bei einer Änderung werdm die Ver­ mögensverhältnisse, die Rechte und Pflichten in Bezug auf bestehende Anstalten, Gebäude und Einrichtungen, die Über­ nahme von Beamten und Angestellten sowie die aus Dienst­ verhältnissen sich ergebenden Verpflichtungen gegenüber Beamten und Angestellten und ihren Hinterbliebenen durch Übereinkunft der beteiligten Bezirke geregelt. Kommt eine Übereinkunft nicht zustande, so mtscheidet die Kreisregie­ rung. Gegen Entscheidungm der Kreisregierung ist binnen vierzehn Tagen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshofe zulässig. Kreisregierung und Verwaltungsgerichtshof ent­ scheiden durch Schiedspruch nach billigem Ermessen und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Sind mehrere Kreise beteiligt, so wird die zuständige Kreisregierung vom Staats­ ministerium des Innern bestimmt. Wird ein Bezirk aufgehoben, so wird er vom bisherigen Bezirksausschüsse vertreten. 11 Die Staatsaufsichtsbehörde kann nach Anhörung des Bezirksausschusses in den von der Änderung betroffenen Bezirken Neuwahlen des Bezirkstags für den Rest der lau­ fenden Wahlzeit anordnen. Sie kann auf die gleiche Zeit die Zahl der Mitglieder des Bezirkstags über die bisherige Zahl vermehren und die Wahl für diese neuen Stellen auf Teile des Bezirks beschränken und hierbei von den Vor­ schriften der Art. 7 bis 10 abweichen. Im Falle von Zu­ wahlen kann die Staatsaufsichtsbehörde auch die Neuwahl des Bezirksausschusses anordnen. in Wird bei einer Änderung vereinbart, daß das Eigen­ tum oder ein anderes Recht an einem Grundstücke von einem Bezirk auf einen anderen Bezirk übergehen soll, so tritt die Rechtsänderung in dem Zeitpunkt ein, in dem die Ände­ rung im Bestände des Bezirks wirksam wird oder der in der Verfügung über die Änderung bestimmt wird. Das gleiche gilt, wenn die Vereinbarung durch einen rechtskräf­ tigen Schiedspruch ersetzt wird.

Art. 41. Bei Änderungen nach Art. 40 erstrecken sich die öffent­ lichrechtlichen Vorschriften des Bezirks, mit dem die Ver-

eimgung erfolgt ist, vom Zeitpunkte der Änderung an auch auf die einbezogenen Gebiete.

Art. 42. Bezirksbeamte, die infolge der Änderung von einem anderen Bezirk übernommen werden sollen, sind ver­ pflichtet, in den Dienst des neuen Bezirks zu treten, wenn ihnen eine ihrer Berufsbildung entsprechende Stelle zug»wiesen wird und ihre Rechte gewahrt werden. Im Streit­ fall entscheidet die Staatsaufsichtsbehörde des neuen Be­ zirks im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Im zweiten Rechtszug entscheidet der Verwaltungsgerichtshof. Der neue Bezirk hat dem Beamten die Umzugskosten nach den Vor­ schriften zu ersetzen, die für die Beamten des Staates bestehm.

Art. 43. l Soweit durch Art. 1 in der Pfalz mehrere Bezirke zu einem vereinigt werden, geht ihr Vermögen auf den neuen Bezirk über. Das Staatsministerium des Innern erläßt die zum Vollzüge der Zusammenlegung notwendigen Anordnungen. Es kann die Lastenverteilung abweichend von den gesetzlichen Vorschriften regeln. "Für die unter bayerischer Verwaltung gebliebenen Teile der Bezirke Homburg und Waldmohr und für den Bezirk Landstuhl trifft das Staatsministerium des Innern besondere Bestimmungen. 111 Die Zugehörigkeit der kreisunmittelbaren Städte der Pfalz zu den Bezirken bleibt aufrechterhalten. Das Staats­ ministerium des Innern kann genehmigen, daß eine kreis­ unmittelbare Stadt aus dem Bezirk ausscheidet, und die Bedingungen hierfür festsetzm.

Art. 44. Die Bezirke müssen dem Bayerischen Versorgungsver­ band (Art. 118 bis 126 der Gemeindeordnung) als Mit­ glieder angehören.

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I. Texte. Bezirksordnung. Art. 45—48.

Art. 45. Für die Bezirke gelten folgende Bestimmungen der Gemeindeordnung entsprechend: 1. Art. 127 bis 132 über die Stiftungen für die vom Bezirke verwalteten Stiftungen, 2. Art. 133 bis 141 über die Zweckverbände, 3. Art. 143 und 162 Abs. I.

Art. 46. Die Wahlzeit der auf Grund dieses Gesetzes erstmals gewählten Bezirkstage läuft mit der Wahlzeit der im Jahre 1929 gewählten Gemeinderäte ab.

Art. 47. 1 Das Distriktsratsgesetz vom 28. Mai 1852 wird auf­ gehoben. u Dieses Gesetz tritt, soweit es sich um die Bildung des Bezirkstags und Bezirksausschusses für die Zeit nach dem 31. März 1928 handelt, sofort, im übrigen am 1. April 1928 in Kraft. ui Bis zur Neubildung der Vertretungskörper nach diesem Gesetze bleiben Bezirkstag und Bezirksausschuß in ihrer bisherigen Zusammensetzung tätig.

Art. 48. Die Vollzugsvorschriften zu diesem Gesch erläßt das Staatsministerium des Innern.

Kreisordnung (KrO.). Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, und zwar hinsichtlich des Art. 11 Ziff. 1 unter Beachtung des § 92 der Verfassungsurkunde:

Art. 1. Der Kreis ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Rechte der Selbstverwaltung nach Maßgabe der Gesetze. Sein Gebiet umfaßt den Regierungsbezirk. Wirkungskreis.

Art. 2.

iDer Kreis ist verpflichtet: 1. die für dm Kreis erforderlichen Heil- und Pflege­ anstalten, Blindm- und Taubstummenanstalten dem Zweck mtsprechend herzustellen, zu unterhalten und zu betreibm, 2. die Anstaltm, insbesondere die UnterrichtsaNstaltm zu unterhaltm, deren Unterhaltung der Kreis übernommen hat oder noch übernimmt, 3. für Anstaltm, Unternehmungen und Einrichtungen des Staates dm Aufwand zu leisten, der dem Kreise nach Vereinbarung obliegt oder bei Inkrafttreten dieses Ge­ setzes von ihm getrogen wird, ferner den Aufwand, dm der Kreis für diese Zwecke künftig übernehmm wird, 4. die Aufgabm zu erfüllm, die ihm durch andere Ge­ setze auferlegt sind oder künftig auferlegt werden, 5. feinen persönlichen und sachlichen Aufwand zu bestreiten, soweit er nicht vom Staat oder anderweit getragen wird.

Art. 3. Der Kreis ist, wenn die Erfüllung der Pflichtaufgaben (Art. 2t gewährleistet ist, berechtigt, freiwillige Leistungen für solche Anstaltm, Untemehmungen und Einrichtungm auszuwendm, deren Durchführung dm Gemeinden und

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I. Texte. Kreisordnung.

Bezirken des Kreises unmöglich oder nur mit besonderen Schwierigkeiten möglich ist oder die durch die besonderen Verhältnisse des Regierungsbezirks geboten sind. Berfaffung und Verwaltung.

Art. 4.

Der Kreis wird vom Kreistag und vom Kreisausschusse ver­ waltet, soweit nicht nach Art. 5 die Kreisregierung zuständig ist.

Art. 5. 'Die Geschäfte des Kreises werden durch die Kreis­ regierung gemäß den Beschlüssen des Kreistags und des Kreisausschusses unentgeltlich geführt. Die Geschäftsführung ist Dienstaufgabe der Kreisregierung als Staatsverwal­ tungsbehörde. "Zur Geschäftsführung gehört auch der Vollzug der Beschlüsse des Kreistags und des Kreisausschusses sowie die Aufsicht über den ordnungsmäßigen Betrieb der An­ stalten, Unternehmungen und Einrichtungen des Kreises unbeschadet des Aufsichtsrechts des Kreistags und Kreis­ ausschusses. Ist der Kreis in einer Berwaltungsstreitsache beteiligt, die die Kreisregierung zu entscheiden hat, so hat der Kreisausschuß einen besonderen Vertreter zu bestellen. Das gleiche gilt, wenn der Kreis gegen eine Verfügung der Staats- oder Sachaufsichtsbehörde Beschwerde zum Ver­ waltungsgerichtshof einlegt, für dieses Bewahren. l»Die mit der Unterhaltung und Instandsetzung der Bauten des Kreises verbundenen Geschäfte werden auf Ver­ langen des Kreises unentgeltlich erledigt, soweit die jeweils vorhandenen Kräfte ausreichen. Wie weit und unter welchen Bedingungen die mit Neubauten verbundenen Geschäfte durch den Staat besorgt werden, wird im Einzelfalle durch das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen bestimmt. iv Die Kassen-und R^nungsgeschäfte des Kreises führt die Kreisregierung unentgeltlich nach den Anordnungen der zuständigen Staatsministerien. v Glaubt die Kreisregierung, daß ein Beschluß des Kreistags oder Kreisausschusses dem Gesetze widerspricht

oder der staatsaufsichtlichen Genehmigung bedarf, so hat sie den Vollzug auszusetzen und die Verhandlungen der Staatsaussichtsbehörde vorzulegen.

Art. 6. i Die Kreisregierung bereitet die Verhandlungen des Kreistags und des Kreisausschusses vor und stellt dazu ihre Anträge. Sie legt den Entwurf des Voranschlags vor. Über ihre Anträge muß durch Beschluß zur Sache ent­ schieden werden. Das Recht des Kreistags und Kreisaus­ schusses, von sich aus Angelegenheiten zu beraten und zu entscheiden, bleibt unberührt. "In dringenden Fällen ist die Kreisregierung zu ein­ zelnen Maßnahmen befugt, wenn die sofortige Berufung des Kreisausschusses unmöglich ist und der Kreistagspräsi­ dent (bei seiner Verhinderung sein Stellvertreter) sein Ein­ verständnis erklärt. Von den getroffenen Maßnahmen, ist dem Kreisausschuß in seiner nächsten Sitzung Kmntnis zu geben.

Art. 7. Der Kreis wird im Rechtsverkehre durch die Kreisregie­ rung, im übrigen durch den Kreistagspräsidenten vertreten.

Art. 8. Die Mitglieder des Kreistags werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer Wahl nach den Grund­ sätzen des Verhältniswahlrechts auf die Dauer von fünf Jahren gewählt.

Art. 9. iJn den Kreistag sind doppelt so viele Vertreter zu wählen, als Landtagsabgeordnete nach dem Landeswahl­ gesetz auf den Kreis treffen. n Außerdem wird der vierte Teil der hiernach zu wählmden Vertreter, höchstens jedoch 10 Sitze den Wahlvor­ schlägen nach dem Verhältnis ihrer Stimmenzahlen im ganzen Kreise zur Benennung zugeteilt. Bruchteile gelten hierbei als voll.

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I. Texte. Kreisordnung.

Art. 10. Die Kreistagsmitglieder werden nach folgenden Grundsätzen gewählt: 1. Jeder Kreis bildet einen Wahlkreis. 2. Der Wahl wird die Stimmkreiseinteilung für die Land­ tagswahl zu Grunde gelegt mit der Maßgabe, daß für jeden Stimmkreis in jedem Wahlvorschlage zwei Be­ werber aufgestellt werden können. 3. Die Stimmzettel werden für jeden Stimmkreis in der Weise amtlich hergestellt, daß sie die sämtlichen für den Stimmkreis aufgestellten Bewerber mit dem Kennworte des Wahlvorschlages enthalten, dem die Bewerber an­ gehören. 4. Jeder Wähler kann seine Stimme nur den für den Stimmkreis aufgestellten Bewerbern eines von dem Wahlleiter öffentlich bekanntgegebenen Wahlvorschlages gebm, indem er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise seine Stimmabgabe kennt­ lich macht. Ist auf einem Stimmzettel der Name der Bewerber oder, wenn für den Stimmkreis nur ein Be­ werber aufgestellt ist, der Name dieses Bewerbers ge­ strichen, so wird die Stimme als Listenstimme für den Wahlvorschlag g^ählt. 5. Für die Wahlen nach Art. 9 Abs. I werden die Sitze auf die Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der Zahlen der Stimmzettel verteilt, die für die einzelnen Wahlvorschläge abgegeben worden sind. Bei gleichem An­ spruch mehrerer Wahlvorschläge auf einen Sitz fällt der Sitz dem Wahlvorschlage zu, dessen in Betracht kom­ mender Bewerber die größte Stimmenzahl aufweist. Bei Stimmmgleichhett entscheidet in diesem Falle das Los. Die auf einen Wahlvorschlag entfallenen Sitze werden auf die einzelnen darin enthaltenen Bewerber nach der Zahl der für jeden Bewerber in den Stimmkreisen, in denen er aufgestellt ist, abgegebenen Stimmen ver­ teilt. Bei Stimmengleichheit wird hierbei der Stimm-

Kreisordnung Art. 10, 11.

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kreis berücksichtigt, der für den Wahlvorschlag die größere Stimmmzahl aufgebracht hat; nötigenfalls ent­ scheidet die Reihenfolge der Benennung im Wahlvor­ schlag. In einem Stimmkreis kann einem Wahlvorschlag erst dann ein weiterer Sitz zufallen, wenn der Wahlvor­ schlag schon in den sämtlichen übrigen Stimmkreisen, für die er Bewerber aufgestellt hat, einen Sitz erhalten hat. Fallen einem Wahlvorschlage mehr Sitze zu, als er Bewerber enthält, so können für die überschüssigm Sitze Personen benannt werden, die nicht auf dem Wahlvor­ schlage stehen, sofern sie wählbar sind. 6. Ersatzmann für einen Gewählten ist zunächst der im gleichen Stimmkreis und auf dem gleichen Wahlvor­ schlage nicht gewählte Bewerber; im übrigen sind die nicht gewählten Bewerber in der Reihenfolge der Ziff.5 die Ersatzleute der Gewählten. Sie rücken in den Kreis­ tag ein, wmn ein Bewerber abgelehnt hat oder aus­ scheidet. Sind auf einem Wahlvorschlage keine Ersatz­ leute mehr vorhanden, so findet Ziff. 5 Unterabs. 4 Anwendung. 7. Für die Besetzung der nach Art. 9 Abs. II zu ver­ gebenden Sitze gelten die Bestimmungen des Landes­ wahlgesetzes über die Landesabgeordneten entsprechmd mit der Maßgabe, daß hierfür auch Personen benannt werden können, die in keinem Wahlvorschlag enthalten sind, sofern sie wählbar sind.

Art. 11. Im übrigen finden die Vorschriften der Gemeindeord­ nung Anwendung hinsichtlich 1. der Wahlberechtigung und der Wählbarkeit mit der Maßgabe, daß an Stelle des zwölfmonatigen Aufent­ halts in der Gemeinde der sechsmonatige Aufenthalt im Kreise tritt, 2. der Behandlung der Wählerlisten und Wahlkarteien, Z. der Ausstellung der Wahlscheine mit der Maßgabe,

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I. Texte. Kreisordnung.

daß die Wahlscheine zur Wstimmung innerhalb des gleichen Kreises berechtigen, 4. der Behandlung der Wahlvorschläge mit der Maß­ gabe, daß die Wahlvorschläge nicht mehr Bewerber ent­ halten dürfm, als Vertreter nach Art. 9 Abs. I zu wählen sind, 5. der Behandlung der Untervorschläge mit der Maß­ gabe, daß für die Bestimmung der Ersatzleute die Vokschriftm in Art. 10 Ziff. 5 und 6 gelten, 6. der Dauer der Wahlhandlung, 7. des Wahlvorgangs, wenn kein oder nur ein gültiger Wahlvorschlag eingereicht wird, mit der Maßgabe, daß die Stimmzettel nur je einen Namen enthalten dürfen. Die nach Art. 9 Abs. I und II insgesamt in Betracht kommenden Vertreter sind hierbei in einem Wahlgange zu wählen; 8. der Wahlen, die gleichzeitig mit einer vom Reich oder auf Grund des Landeswahlgesetzes ausgeschriebenen Wstimmung vorgenommen werden, 9. der Folgen von Bestechung und Nötigung der Abstimmendm, 10. der Kosten der Wahl mit der Maßgabe, daß die Ge­ meinden nur die auf die Bereitstellung des Wahl­ raumes und der sonstigen für die Wahl nötigen Gegen­ stände sowie für die Wählerlisten und Wahlkarteien, die Kreise dagegen die übrigen Kosten zu tragen haben, 11. der Fortführung des Amtes durch die Kreistagsmit­ glieder bei Ablauf der Wahlzeit.

Art. 12. l Über die Gültigkeit der Wahlen und über Wahl­ anfechtungen entscheidet der Kreistag endgültig. 11 Hierbei findet Art. 74 Abs. I bis V der Gemeinde­ ordnung entsprechend Anwendung mit der Maßgabe, daß die in Art. 74 Abs. IV vorgesehenen Entscheidungen auch ohne Wahlanfechtung von Amts wegen erfolgen können. An Stelle der Staatsaufsichtsbehörde tritt dabei der Kreis­ tag, an Stelle des Gemeindcwahlleiters der Kreiswahl-

KreiSordnung Art. 12—16.

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leitet, an Stelle des Gemeindewahlausschusses der Kreis­ wahlausschuß. rn Wenn der Kreistag das Wahlergebnis in einzelnen Stimmbezirken für ungültig erklärt und feststellt, daß es nach der Wählerzahl dieses Gebietes auf das gesamte Wahl­ ergebnis von Einfluß sein kann, hat eine Wiederholungs­ wahl in diesem Gebiet auf Grund der alten Wählerlisten oder Wa^lkarteien und der alten Wahlvorschläge stattzufinden. Der Kreiswahlausschuß stellt das Ergebnis hierauf neu fest. lv Die Anordnung einer Neuwahl obliegt dem Staats­ ministerium des Innern.

Art. 13. Das Staatsministerium des Innern bestimmt den Tag der Wahl und regelt das Verfahren bei der Wahl durch eine Wahlordnung.

Art. 14. Das Amt des Kreistagsmitglieds kann durch schrift­ liche Erllärung an den Kreistagspräsidenten niedergelegt »erben. Im übrigen gelten für die Mitglieder des Kreis­ tags die Bestimmungen des Art. 113 Ziff. 1, 3 und 4 der Gemeindeordnung entsprechend.

Art. 15. 1 Die Mitglieder des Kreistags haben die Pflichten der ehrmamtlichen Mitglieder des Gemeinderats. Sie werden durch den Regierungspräsidenten auf die gewissenhafte Er­ füllung ihrer Obliegenheiten durch Handschlag verpflichtet. 11 Ein Mitglied des Kreistags verliert sein Amt, wenn es sich Handlungen schuldig macht, die bei einem ehrenamt­ lichen Mitglied des Gemeinderats die Dienstentlassung be­ gründen würden. Ob die Voraussetzungen gegeben sind, wird von der Kreisregierung int verwaltungsgerichtlichen Verfahren entschieden; int zweiten Rechtszug entscheidet der Verwaltungsgerichtshof.

Art. 16. i Die Mitglieder des Kreistags und Kreisausschusses versehm ihren Dienst ehrenamtlich. Sie habm Anspruch

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I. Texte. Kreisordnung.

auf Vergütung der Reisekosten und angemessme Aufwandentschädigung, Angestellte und Lohnarbeiter außerdem An­ spruch auf Entschädigung für entgangenen GehaÜ oder Lohn. 11 Den Beamten, Angestellten und Arbeitern des Staates, der Gemeinden und sonstigen Körperschaftm des öffent­ lichen Rechts muß die zur Ausübung des Amtes erforder­ liche Dienstbefreiung gewährt werden.

Art. 17. Der Kreistag wird zu seiner ersten Tagung nach der Wahl vom Regierungspräsidmten berufen. Dieser eröffnet die Sitzung. Unter der Leitung des Regierungspräsidenten wählt der Kreistag auf die Dauer der Wahlzeit den Kreistagspräsidentm, den Schriftführer und je einen Stellver­ treter aus seiner Mitte.

Art. 18. Der Kreisausschuß besteht aus dem Kreistagspräsidenten, dem Schriftführer sowie aus fünf bis sieben Kreistagsmit­ gliedern. Der Kreistag setzt ihre Zahl fest und wählt sie mit Ersatzleuten durch Verhältniswahl auf die Dauer der Wahlzeit aus seiner Mitte. Das Nähere regelt das Staats­ ministerium des Innern durch eine Wahlordnung. Die Ersatzleute können auch als Stellvertreter bei Verhinderung von Mitgliedern vorübergehend einberufen werden.

Art. 19. i Der Kreisausschuß hat die Beratungen des Kreistags vorzubereiten und den Voranschlag vorzuberaten. Der Kreis­ ausschuß entscheidet endgültig über Geldausgaben und Über­ nahme von Verbindlichkeiten aller Art in der Verwaltung der Anstalten, Unternehmungen, Einrichtungen und des sonstigen Vermögens des Kreises, soweit im Voranschläge die Beschlußfassung im einzelnen Falle dem Kreisaus­ schusse Vorbehalten worden ist oder soweit der Voranschlag überschritten wird und ein dringender Fall vorlicgt. "Der Kreisausschuß ist befugt, die Rechnungen der Stiftungen einzusehm, die für den Regierungsbezirk oder

für mehr als einen Bezirk bestimmt sind und nicht von einer Religionsgesellschaft verwaltet werden. Der Kreis­ ausschuß kann zur Wahrung der Belange des Kreises An­ träge in Bezug auf die Verwaltung solcher Stiftungen stellen. Er ist vor der Zusammenlegung und Änderung solcher Stiftungen zu hören.

Art. 20. 1 Der Kreisausschuß faßt seine Beschlüsse in Sitzungen. Ausnahmsweise ist schriftliche Abstimmung ohne Sitzung zulässig, wenn kein Mitglied widerspricht. Äußerung der Kreis­ regierung ist vorher zu erholen und den Mitgliedern mitzuteilen. ii Der Kreisausschuß wird vom Kreistagspräsidenten im Benehmen mit der Kreisregierung berufen. Er muß be­ rufen werden, wenn drei Mitglieder des Kreisausschusses schriftlich unter Bezeichnung des Verhandlungsgegenstandes es beantragen oder die Kreisregierung es fordert. in Der Kreisausschuß ist beschlußfähig, wenn sämtliche Mitglieder geladen sind und wenn mehr als die Hälfte anwesend ist. iv Die Verhandlungen des Kreisausschusses sind nicht öffentlich. Unberührt bleibt die Befugnis sowohl der Kreis­ regierung wie des Kreisausschusses, Beteiligte und Sach­ verständige zuzulassen und zu hören.

Art. 21. iDie Kreisregierung hat das Recht, Beamte zu den Sitzungen des ^eisausschusses abzuordnen. Der Kreis­ ausschuß kann verlangen, daß Vertreter der Kreisregierung an den Sitzungen teilnehmen. Auf Verlangen ist den Be­ amten jederzeit das Wort zu erteilen. ii Die Tagesordnung des Kreisausschusses ist der Kreis­ regierung mindestens drei Tage vor der Sitzung mitzu­ teilen. Andere Gegenstände können nur verhandelt werden, wenn vorher die Kreisregierung verständigt worden ist.

Art. 22. i Ein Mitglied kann an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluß ihm selbst, seinem EheLa!oret-v. Jan-Schadensroh, Gemeindeordnung. 8

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I. Texte. Kreisordnung.

gatten, einem Verwandten oder Verschwägerten bis zum dritten Grad oder einer von ihm gesetzlich oder kraft Voll­ macht vertretenen Rechtspersönlichkett des bürgerlichen Rechts einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, entscheidet der Kreis­ ausschuß ohne Mitwirkung des in Betracht kommenden Mitglieds; gegen die Entscheidung kann jedes Mitglied des Kreisausschusses binnen vierzehn Tagen Beschwerde einlegm, über welche die Staatsaufsichtsbehörde endgültig ent­ scheidet. Hat ein Mitglied des Kreisausschusses entgegen der Bestimmung des Satzes 1 an der Beratung und Ab­ stimmung teilgenommen, so ist der Beschluß ungültig. li Ist der Kreisausschuß durch Verhinderung von Mit­ gliedern nach Ws. I beschlußunfähig gewordm, so treten für die verhinderten Mitglieder die Ersatzleute ein. Ist auf diese Weise die Beschlußfähigkeit nicht zu erreichen, so kann die Staatsaufsichtsbehörde die zur Beschlußfähigkeit erfor­ derliche Zahl herabsetzen oder das sonst zum Besten des Kreises Notwendige verfügen. ui Ebenso kann die Staatsaufsichtsbehörde verfahren, wenn der Kreisausschuß durch andere Hindernisse zeitweise beschlußunfähig geworden ist und unverschiebbare Beratungs­ gegenstände vorliegen.

Art. 23. i Den Vorsitz im Kreisausschusse führt der Kreistags­ präsident. Dm Stellvertteter des Kreistagspräsidentm und des Schriftführers wählt der Kreisausschuß aus seiner Mitte. "Der Kreisausschuß beschließt in offener Mstimmung mit Mehrheit der Abstimmendm. Kein Mitglied darf sich der Abstimmung mthaltm. Bei Stimmmgleichheit ist der Antrag abgelehnt. Wahlm können in geheimer Abstim­ mung vorgenommen werden, wmn dies im einzelnm Falle beschlossen wird. Art. 21 Abs. II der Gemeindeordnung ist entsprechmd anzuwmden.

Art. 24. 1 Dem Kreistag ist die Beschlußfassung über folgmde Angelegmheiten Vorbehalten:

1. Festsetzung des Voranschlags, 2. Feststellung der Jahresrechnungen über die Verwal­ tung des Kreises und der vom Kreise verwalteten Stiftungen, 3. Aufstellung der Grundsätze, nach denen das Vermögen des Kreises zu verwalten ist, 4. Erhebung öffentlichrechtlicher Abgaben für den Kreis, 5. Festsetzung und Änderung der Satzungen der Anstalten und sonstigen Einrichtungen des Kreises, Festsetzung der Gebühren und sonstigen Vergütungen für die Be­ nützung, 6. Veräußerung und Belastung von Liegmschaften, die zum Grundstockvermögen des Kreises oder der vom Kreise verwalteten Stiftuilgen gehören, 7. Errichtung oder Aufhebung von Anstalten, Unter­ nehmungen und Einrichtungen des Kreises, 8. Aufnahme von Anleihen und Übernahme von Bürg­ schaften, 9. freiwillige Leistungen nach Art. 3, 10. Höhe der Entschädigung der Mitglieder des Kreistags, des Kreisausschusses und der besonderen Ausschüsse sowie Art und Höhe der Vergütung der Reisekosten (Art. 16). u Der Kreistag kann beschließen, daß zur Erledigung bestimmter Angelegenheiten die Beschlußfassung des Kreis­ ausschusses genügt. Über alle Angelegenheiten, die der auf­ sichtlichen Genehmigung bedürfen, mit Ausnahme der An­ gelegenheiten nach Art. 36 Abs. I Ziff. 3, hat der Kreistag zu beschließen. iilJn dringenden Fällen kann der Kreisausschuß auch in Angelegenheiten nach Abs. I Ziff. 3, 5, 7 und 9, Abs. II Satz 2 endgültig beschließen, wenn die sofortige Berufung des Kreistags unmöglich ist. Der Beschluß ist dem Kreistag in seiner nächsten Sitzung mitzuteilen.

Art. 25. i Der Kreistag faßt seine Beschlüsse in Sitzungen. "Der Kreistag v^sammelt sich jährlich in der Regel 8*

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I. Texte. Kreisordnung.

einmal auf Berufung des Kreistagspräsidenten, der Hier­ wegen mit der Kreisregierung ins Benehmm tritt. In dringenden Fällm kann der Kreistag zu außerordent­ lichen Sitzungm berufen werden. Er muß berufen werden, wenn es der Kreisausschuß, die Hälfte der Kreistagsmit­ glieder schriftlich unter Bezeichnung des Berhandlungsgegenstandes oder die Kreisregierung beantragt. ui Der Kreistag ist beschlußfähig, wenn sämtliche Mit­ glieder geladen sind und mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Im übrigen gilt Art. 22 entsprechend.

Art. 26. i Für die Verhandlungen des Kreistags gelten Art. 21 und Art. 23 Abs. I Satz 1, Abs. II, für die Zuziehung von Sachverständigen Art. 20 Abs. IV Satz 2 entsprechend. "Die Sitzungen des Kreistags sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl des Reiches, des Staates, des Kreises oder berechtigte Ansprüche einzelner entgegen­ stehen. Über den Ausschluß der Öffentlichkeit wird in ge­ heimer Sitzung beraten und entschieden. in Der Vorsitzende handhabt die Ordnung. Er ist be­ rechtigt, Zuhörer, die die Ordnung stören, entfernen zu lassen. Das gleiche Recht steht ihm mit Zustimmung des Kreistags zu gegen Mitglieder, die die Ordnung fortgesetzt erheblich stören. Tv Der Kreistag kann für den Geschäftsgang im Kreis­ tag und Kreisausfchuß eine Geschäftsordnung erlassen.

Art. 27. Zur Erledigung bestimmter Angelegenheiten kann der Kreistag besondere Ausschüsse bilden und ihnen vorbe­ haltlich des Art. 24 Abs. II Satz 2 die Befugnisse des Kreisausschusses und des Kreistags übertragen. Für diese Ausschüsse gelten die Vorschriften über den Kreisausschuß entsprechend. Die Zahl der Mitglieder bestimmt der Kreistag.

Art. 28. T Die Mitglieder des Kreistags und des Kreisaus­ schusses sind verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen.

11 Gegen Mitglieder, die sich dieser Verpflichtung ent­ ziehen oder sich der Wstimmung enthalten, kann der Kreis­ tag durch Beschluß Ordnungsstrafen bis zu 200 M im einzelnen Falle verhängm. Die Strafe wegen Versäumnis der Sitzung kann auch verhängt werden, wenn wenigstens ein Drittel der Mitglieder des Kreistags anwesend ist. 111 Die Befugnis nach Ws. II steht auch dem Kreis­ ausschuß und den besonderen Ausschüssen nach Art. 26 gegenüber ihren Mitgliedern zu. i^Die Geldstrafen werden wie Kreisumlagen beige­ trieben. ^Entzieht sich ein Mitglied nach zwei wegen Ver­ säumnis ersannten Strafen innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten toeiterhin seiner Pflicht, an den Sitzungen teilzunehmen, so kann der Kreistag bett Verlust des Amtes aussprechen. vi Gegen den auf Geldstrafe lautenden Beschluß kann binnen vierzehn Tagm nach Eröffnung Beschwerde zur Staatsauffichtsbehörde eingelegt werden; diese entscheidet endgültig. Gegen den auf Verlust des Amtes lautenden Beschluß kann das ausgeschlossene Mitglied binnen vierzehn Tagen nach Eröffnung verwaltungsgerichtliche Entscheidung beantragen; zuständig ist der Verwaltungsgerichtshof, der hierbei auch über Ermessensfragen entscheidet.

Art. 29. 1 Über die Verhandlungen des Kreistags und seiner Ausschüsse sind Niederschriften zu fertigen. Sie müssen die anwesenden Mitglieder, die verhandeltm Gegenstände, die Beschlüsse und das Abstimmungsergebnis ersehen lassen. Das Nähere bestimmt der Kreisausschuß. Die Kosten fallen dem Kreise zu. "Die Niederschriften sind vom Kreistagspräsidenten und dem Schriftführer zu unterzeichnen. Bei Meinungs­ verschiedenheit entscheidet der Kreisausschuß. ui Den Mitgliedern des Kreistags steht die Einsicht in die Niederschriften frei.

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I. Texte. Kreisordnung.

Art. 30. iDas Grundstockvermögen ist in seinem Bestand un­ geschmälert zu erhalten, soweit es nicht als angesammeltes Zweckvermögen dem bestimmten Zwecke zugeführt wird. Zum Grundstockvermögen gehören alle Werte, die nicht zur Veräuße­ rung oder zum Verbrauch im Haushalt des Kreises besümmt sind. 11 Wird Grundstockvermögen veräußert, so ist der Erlös dem Grundstockvermögen zuzuführen. Werden Grundstücke veräußert, so sind Grundstücke zu beschaffen. Wird Grund­ stockvermögen geschmälert, so ist es in angemessener Zeit durch Zuweisung aus Wirtschaftsmitteln zu ersetzen. Von diesen Vorschriften kann aus wichtigen Gründen abgewichen werden, wenn die Staatsauffichtsbehörde hiergegen keine Erinnerung erhebt. Mit Genehmigung der Staatsaufsichts­ behörde kann Grundstockvermögen unentgeltlich veräußert werdm.

Art. 31. i Anleihen dürfen nur zu werbenden Zwecken oder zu Ausgaben für Einrichtungen von dauerndem Nutzen ausge­ nommen werden, zu deren sofortigen Deckung die Leistungs­ fähigkeit des Kreises nicht ausreicht. H Anleihen müssen nach einem festgestellten Plan in angemessener Zeit aus Wirtschaftsmitteln getilgt werden. Anleihen zur Befriedigung wiederkehrender Bedürfnisse sollen bis zur Wiederkehr des Bedürfnisses getilgt oder durch Rücklage ausgeglichen sein. Die Tilgungspläne sinh der Staatsaufsichtsbehörde vorzulegen. 111 Aus wichtigen Gründen kann die Staatsaufsichts­ behörde zulassen, daß von den Vorschriften des Abs. I und II abgewichen wird. iv Die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde ist er­ forderlich, wenn der Betrag der aufzunehmenden Schuld allein oder zusammen mit anderen Beträgen im Sinne der Abs. I, IV und V in dem gleichen Rechnungsjahre 500 000 3Vft übersteigt. Das gleiche gilt ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrages, wenn der Geldgeber ein Ausländer ist oder wenn die Verpflichtung des Kreises ganz oder teilweise in

ausländischer Währung zu erfüllen ist. Das Staatsmini­ sterium des Innern kann int Benehmen mit dem Staats­ ministerium der Finanzen bindende Richtlinien für die Fälle des vorstehenden Satzes aufstellen. v Der Aufnahme von Anleihen steht die Aufnahme von Darlehen sowie der Wschluß von Bürgschaftsverträgen und verjvandtm Rechtsgeschäftm, die ein Einstehen für fremde Schuld zum Gegenstände haben, gleich. Soweit Tilgungspläne nicht in Frage kommm, ist Anzeige an die Staatsaufsichtsbehörde zu erstatten. " Betriebskredite, das sind Kredite, die bestimmungsgemäß in kürzester Zeit, längstens aber innerhalb eines Jahres seit der Aufnahme zurückgezahlt werden und deren Verwen­ dungsart die Rüitzahlung in dieser Zeit gewährleistet, be­ dürfen der Genehmigung der Staatsauffichtsbehörde, wenn sie, ohne abgedeckt zu sein, in dem gleichen Rechnungsjahre die Summe von 500000.5!'M, übersteigen oder wenn die Voraussetzungen des Ms. IV Satz 2 vorliegen. Die Auf­ nahme aller übrigen Betriebskredite ist der Staatsaufsichts­ behörde anzttzeigen.

Art. 32. iDer Kreis ist berechtigt, soweit nicht Gesetze oder Staatsverträge mtgegenstehen, durch Satzung die Benützung seines Eigmtums, seiner Anstalten, Unternehmungen und Einrichtungen zu ordnm und Gebühren für die Benützung festzusetzen. il Streitigkeiten über die Benützung der Anstalten, Unternehmungen und Einrichtungen und über die Ver­ bindlichkeit zur Entrichtung von Gebühren hierfür sowie über Ansprüche auf Rückvergütung solcher Gebühren ent­ scheidet die Kreisregierung im verwaltungsgerichtlichen Verfahrm; im zweiten Rechtszug entscheidet der Verwaltungs­ gerichtshof. ui Der Kreis hat für die Anstalten, deren Errichtung und Betrieb ihm obliegt oder die er freiwillig errichtet hat, Satzungen aufzustellen und Dienstanweisungen zu geben.

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I. Texte. KreiSordnung.

Art. 33. l Das Rechnungsjahr läuft vom 1. April bis zum 31. März. n Der Kreis ist verpflichtet, alljährlich vor Beginn des Rechnungsjahres einen Voranschlag über die vorausseh­ baren Einnahmen und Ausgaben aufzustellen und der Staatsaufsichtsbchörde vorzulegen. Der Voranschlag muß ersehen lassen, wie die sämtlichen Ausgaben gedeckt werdm sollen. Der Voranschlag bildet, vorbehaltlich der Art. 6 Abs. II, Art. 19 Abs. I und Art. 24 Abs. III, die Grund­ lage des Haushalts. Staatsaufsicht. Art. 34. Die Staatsaufsicht über die Kreise wird vom Staats­ ministerium des Innern geführt.

Art. 35. iDie Staatsaufsichtsbehörde kann gesetzwidrige Be­ schlüsse ändern oder aufheben und die Erfüllung der gesetz­ lichen und übernommenen Verpflichtungen des Kreises er­ zwingen. «Die Staatsauffichtsbehörde kann zur Durchführung ihrer Befugnisse Anstalten und Einrichtungen des Kreises besichtigen, die Geschäfts- und Kassenführung prüfen sowie Berichte und Akten einfordern. «i Verweigert der Kreis innerhalb einer ihm gesetzten Frist die Änderung oder Zurücknahme gesetzwidriger Be­ schlüsse, so ändert die Staatsaufsichtsbehörde diese Be­ schlüsse oder hebt sie auf. Bestreitet der Kreis innerhalb einer ihm gesetzten Frist die gesetzliche Verpflichtung oder gibt er innerhalb dieser Frist keine Erklärung ab oder ver­ weigert er die Erfüllung der unbestrittenen Verpflichtung, so beschließt die Staatsaufsichtsbehörde. rv Die Staatsaufsichtsbehörde kann in dm Fällm des Abs. III vorläufige Anordnungm treffen, insbesondere in dringmdm Fällm ihre Beschlüsse vor eingetretmer Rechts­ kraft vollziehm.

v Zur Erfüllung der endgültig festgestellten Verpflich­ tungen oder zum Vollzüge der vorläufigen Anordnungen kann die Staatsauflichtsbehörde an Stelle des Kreises den notwendigen Aufwand in den Voranschlag einstellm oder die sonst erforderlichen Verfügungen treffen und rechts­ erhebliche Erklärungen abgeben. VI Gegen den Beschluß nach Abs. III ist binnen vier Wochen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn der Kreis behauptet, daß der Beschluß sein gesetzlicheK Selbstverwaltungsrecht verletze oder ihn mit einer gesetzlich nicht begründeten Leistung belaste. Gegen vorläufige An­ ordnungen oder gegen Verfügungen zum Vollzüge der Ver­ pflichtungen ist eine Beschwerde nicht zulässig.

Art. 36. i Der Kreis bedarf der Genehmigung der Staatsauf­ sichtsbehörde: 1. zur Ausleihung und Anlegung von Geldern unter Abwei­ chung von den für die Gemeinden gegebenen Vorschriften, 2. zur Errichtung und zum Betriebe von Erwerbsunter­ nehmungen oder zur erheblichen Beteiligung an solchen; hierbei gilt Art. 61 Abs. IV der Gemeindeordnung ent­ sprechend; 3. zur Belastung von Grundstücken mit einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, wenn es sich nicht um Kauffchillingsreste handelt, 4. zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung solcher Gebäude und sonstiger unbeweglicher oder beweglicher Gegenstände aus älterer Zeit, deren Erhaltung wegen ihres geschichtlichm, wissenschaftlichen oder Altertums­ wertes für die Allgemeinheit von Bedeutung ist, zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von schutz­ würdigen Naturgebilden und zu allen Maßnahmen am Kreiseigentum, die ein schutzwürdiges Orts- oder Landschaftsbild wesentlich verändern. "Das Staatsministerium des Innern kann die Vor­ schriften über die Anlegung von Gemeindevermögen auf das Kreisvermögen ausdehnen und ergänzen.

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I. Texte. Kreisordnung.

111 Werden die Entwürfe von Bauführungen des Kreises durch die Kreisregierung ausgearbeitet oder geprüft, so ent­ fällt die baupolizeiliche Genehmigung. Doch sind die Ent­ würfe der Baupolizeibehörde zur Erinnerung in Bezug auf Baulinie, Höhenlage und sonstige bau- und gesundheits­ polizeiliche Verhältnisse mitzuteilen. Sachanfpcht.

Art. 37.

1 Die Aufhebung oder wesentliche Veränderung der An­ stalten nach Art. 2 Ziff. 1 und 2 sowie jede Änderung des nach Art. 2 Ziff. 3 bestehenden Zustandes wird erst mit der Einwilligung des zuständigen Staatsministeriums wirksam. "Den zur Durchführung der Sachaufsicht zuständigen Staatsministerien stehen die Befugnisse des Art. 35 Abs. II zu. ui Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus kann Anordnungen für die Unterrichts- und Erziehungs­ anstalten der Kreise erlassen. Beamte and Angestellte.

Art. 38.

1 Für Personen im Dienste des Kreises, insbesondere an Anstalten, Unternehmungm und Einrichtungen des Kreises kann ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis nur nach den Vorschriften des Staatsbeamtenrechts begründet werden. Die vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Dienstver­ hältnisse sowie die den Hinterbliebenen eingeräumten ver­ mögensrechtlichen Ansprüche richten sich gegen den Kreis. Der Kreisausschuß ist vor der Ernennung und Beförderung eines Beamten, der Versetzung in den Ruhestand mit Wartegeld oder mit Ruhegehalt sowie vor der Lösung des Dienstverhältnisses eines widerruflichen Beamten zu hören. "Der Abschluß, die Lösung und der Vollzug derDienstverträge des bürgerlichen Rechts kommt der Kreisregierung zu. Bor dem Abschluß und vor der Lösung ist der Kreis­ ausschuß zu hören. in Eine Anstellung nach Abs. I und ein Dienstvertrag nach Ms. II ist vorbehaltlich des Art. 35 nur "möglich, wenn der Kreistag oder in dringenden Fällen (Art. 19 Abs. I)

der Kreisausschuß die Mittel für die Stelle bewilligt hat. Bei der Bewilligung der Mittel für die Stelle ist zugleich zu bestimmen, ob ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis begründet oder ein Vertrag des bürgerlichen Rechts ab­ geschlossen werden soll. Das zuständige Staatsministerium kann bestimmen, daß an Stelle eines Dienstvertrags des bürgerlichen Rechts ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis begründet werden muß. Die Stellenausweise für die Be­ amten und Beamtenanwärter im Sinne des Beamten­ gesetzes bedürfen der Genehmigung des zuständigen Staats­ ministeriums und des Staatsministeriums der Finanzen. rv Die Dienstaufficht über die Beamten und sonstigen Kräfte an den Anstalten, Unternehmungen und Einrich­ tungen des Kreises führt die Kreisregierung. Ihr kommt die Befugnis zur Verhängung der Ordnungsstrafen zu. Von der Einleitung und dem Abschluß eines Disziplinar­ verfahrens ist der Kreisausschuß, von der Einleitung und dem Abschluß eines Ordnungsstrafverfahrens ist der Kreis­ tagspräsident zu verständigen. Sefottbere Bestimmungen.

Art. 39.

1 Vor Änderungen im Bestand eines Kreises ist in wich­ tigen Fällen der Kreistag, im übrfgen der Kreisausschuß zu hören. Bei einer Änderung werden die Bermögensverhältnffse, die Rechte und Pflichten in Bezug auf bestehende Anstalten, Gebäude und Einrichtungen, die Übernahme von Beamten und Angestellten sowie die aus Dienstverhältnffsen sich ergebenden Verpflichtungen gegenüber Beamten und Angestellten und ihren Hinterbliebenen durch Überein­ kunft der beteiligten Kreise geregelt. Kommt eine Über­ einkunft nicht zustande,. so entscheidet eine vom Staats­ ministerium des Innern bestimmte Kreisregierung. Gegen Enffcheidungen dieser Kreisregierung ist binnen vierzehn Tagen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshofe zulässig. Kreisregierung und Berwaltungsgerichtshof entscheiden durch Schiedspruch nach billigem Ermessen und im verwaltungs­ gerichtlichen Verfahren. Wird ein Kreis aufgehoben, so wird er vom bisherigen Kreisausschusse vertreten.

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I. Texte. Kreisorlmung.

»Ob und inwieweit nach einer Änderung Neuwahlen der Kreistage vorzunehmen sind, wird im Einzelfalle durch Gesetz bestimmt. in Wird bei einer Änderung vereinbart, daß das Eigen­ tum oder ein anderes Recht an einem Grundstücke von einem Kreis auf einen anderen Kreis übergehen soll, so tritt die Rechtsänderung in dem Zeitpunkt ein, in dem die Änderung im Bestände des Kreises wirksam wird oder der in der Verfügung über die Änderung bestimmt wird. Das gleiche gilt, wenn die Vereinbarung durch einen rechtskräf­ tigen Schiedspruch ersetzt wird.

Art. 40. Bei Änderungen nach Art. 39 erftreden sich die öffent­ lichrechtlichen Vorschriften des Kreises, mit dem die Ver­ einigung erfolgt ist, vom Zeitpunkte der Änderung an auch auf die einbezogenen Gebiete.

Art. 41. Beamte, die infolge der Änderung von einem anderen Kreis übernommen werden sollen, sind verpflichtet, den Dienst im neuen Kreise weiterzuführen, wenn ihnen eine ihrer Berufsbildung entsprechende Stelle zugewiesen wird und ihre Rechte gewahrt werden. Im Streitfall entscheidet die vom Staatsministerium des Innern bestimmte Kreis­ regierung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; im zweiten Rechtszug entscheidet der Verwaltungsgerichtshof. Der neue Kreis hat dem Beamten die Umzugskosten nach den Vor­ schriften zu ersetzen, die für die Beamten des Staates be­ stehen.

Art. 42. Für die Kreise gelten folgende Bestimmungen der Ge­ meindeordnung entsprechmd: 1. Art. 127 bis 132 über die Stiftungen für die vom Kreise verwalteten Stiftungen, 2. Art. 133 bis 141 über die Zweckverbände, 3. Art. 143.

AX.

*rt 43.

Die Wahlzeit der auf Grund dieses Gesetzes erstmals gewähltm Kreistage läuft mit der Wahlzeit der im Jahre 1929 gewählten Gemeinderäte ab.

Art. 44. Soweit ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis zwischen dem Kreis und einem Beamten besteht, das sich nicht nach den Vorschriften des Beamtengesetzes bemißt, ist das Dienst­ verhältnis in ein solches überzuleiten.

Art. 45. - Das Landratsgesetz vom 28. Mai 1852 und das Kreis­ lastenausscheidungsgesetz vom 23. Mai 1846 werden auf­ gehoben. «Die Art. 188 und 189 des Beamtengesetzes werden aufgehoben, soweit sie sich auf die Beamten der Kreise be­ ziehen. 111 Dieses Gesetz tritt, soweit es sich um die Bildung des Kreistags und D:eisausschusses für die Zeit nach dem 31. März 1928 handelt, sofort, im übrigen am 1. April 1928 in Kraft. w Bis zur Neubildung der Vertretungskörper nach diesem Gesetze bleibm Kreistag und Kreisausschuß in ihrer bisherigm Zusammensetzung tätig.

Art. 4». Die Vollzugsvorschriften zu diesem Gesetz erläßt das Staatsministerium des Innern.

1. Gemeindeordnung. Geschichtlicher Überblick. Bayern hat sich in seinem heutigen Staatsgebiet aus der Umwälzung und Neuordnung am Ausgange des 18. und zu 93e< ginn des 19. Jahrhunderts gebildet. Schon vor dem Abschluß dieser Entwicklung war für das rechtsrheinische Bayern im An­ schluß an das Organische Edikt über die Bildung der Gemeinden vom 28. Juli 1808 (RBl. S. 2789) die erste zusammenfassende Regelung des Gemeinderechts erlassen worden im Gemeindeedikt vom 24. September 1808 (RBl. S. 2405; Döllinger, Samm­ lung XI, 71; Weber 1, 195). In diesem Gemeindeedikt ist, wenn auch „mit Mängeln schwerster Ar^ (Seydel II, 5), zum ersten Male „die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden vollstän­ dig und systematisch geordnet" (Kahr I, 10). Entschuldigt durch die Zeit, in der eine feste Zusammenfassung der öffentlichen Ge­ walt in der Hand des ganz außerordentlich um sein Gebiet ver­ größerten Staates unerläßlich erschien, auch beeinflußt durch das französische Gemeinderecht, war in dieser Regelung für die selb­ ständige Betätigung der Gemeinde fast keine Möglichkeit gegeben. Die Gemeinden waren zwar öffentliche Korporationen, standen jedoch „unter der beständigen Curatel des Staates". Die llberordnungsgewalt des Staates war in völlige Vormundschaft ver­ dichtet. (§§ 7, 8, 54 und 56 dieses Edikts). Im Gegensatz dazu gab die Bayerische Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818 in den Einleitungsworten als Grundrecht die „Wiederbelebung der Ge­ meindekörper durch die Wiedergabe der Verwaltung der ihr Wohl zunächst berührenden Angelegenheiten". Aus diesem Ge­ danken heraus wurde, wenn man auch (siehe darüber Seydel II, 5 Anm. 6; Seydel-Piloty 507 Anm. 6) das neue Gemeinderecht in die Berfassungsurkunde oder deren Anlagen nicht aufnahm, schon vor deren Erlassung am 17. Mai 1818 (Döllinger XI, 35) ein neues die Gemeinde in ihrer Betätigung freier stellendes Ge­ meindeedikt gegeben, das in einer späteren Neufassung als „revi­ diertes Gemeindeedikr" v. 1. Juli 1834 (Döllinger XI, 1; Weber 1, 555) die Grundlage des Gemeinderechts für die Landesteile rechts des Rheins bis zur Erlassung der Gemeindeordnung v. 29. April 1869 war.

I. Gemeindeordnung.

Geschichtlichex Überblick.

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In der Pfalz war auch nach der Wiedervereinigung mit Bayern das in der Zeit der französischen Herrschaft dort einge­ führte französische Gemeinderecht maßgebend geblieben. Es war eine ganz zersplitterte, von der bayerischen Gesetzgebung nur in Einzelheiten abgeänderte Regelung (siehe darüber Seydel II, 12; Seydel-Piloty S. 514; Geib I, 2 ff.). Gerade aus der Pfalz kam deshalb die lebhafte Forderung nach einer neuen einheitlichen Re­ gelung des Gemeinderechts (siehe darüber Medicus, Gemeinde­ ordnung für die Pfalz 1869 S. 3 ff).

Den int Landtag und im Pfälzischen Landrat gestellten Forderungen kam die Staatsregierung im Juli 1867 nach. Der je nach der politischen Einstellung nicht gering bekämpfte Gesetz­ entwurf der Gemeindeordnung v. 8. Januar 1867 war ein Teil der Entwürfe von „Sozialgesetzen" (außer dem Entwurf der Ge­ meindeordnung je ein Entwurf eines Gesetzes über Ansässigmachung und Verehelichung über das Heimat- und Aufenthaltsrecht, über das Armenwesen und das Gewerbewesen), die einheitliches Recht für ganz Bayern einschließlich der Pfalz geben sollten. Der lebhafte Widerspruch der pfälzischen Abgeordneten (s. darüber Seydel II, 17; Seydel-Piloty S. 518; Kahr I, 25) führte zur Erlassung einer besonderen Gemeindeordnung für die Landesteile rechts des Rheins und einer besonderen Pfälzischen Gemeinde­ ordnung, die nach sehr gründlichen Beratungen beide am 20. April 1869 erlassen wurden. Seydel (II, 18 vgl. Seydel - Piloty S. 520) führt aus, daß „die Gemeindeordnungen von 1869 einen Fortschritt in der politischen Entwicklung des Landes bedeuten, dessen Wert hoch anzuschlagen ist". Er fügt bei, daß die Art der Entstehung der Gesetze int Laufe der eingehenden Landtagsverhandlungen „sehr wesentliche Mängel erzeugt hätte, so daß „die Gemeindeordnun­ gen zu denjenigen Landesgesetzen gehören, welche der Auslegung die größten Schwierigkeiten bieten". Die folgenden Jahrzehnte haben durch die Rechtslehre von Seydel und Kahr und insbe­ sondere durch die seit 1879 einsetzende Rechtsprechung des Berwaltungsgerichtshofes diese Mängel so in den Hintergrund treten lasseit, daß die Gesetze mit Recht (zuletzt auch in den Kammer­ verhandlungen 1927, BerfA. I 2041; 210 r) außerordentlich „als Meisterwerk der formalen Rechtsgestaltung" gepriesen wurden. Die Gesetze von 1869 waren im 19. Jahrhundert nur uner­ heblich abgeändert worden. Lebhaftere Wünsche nach Änderung treten erst in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts zu­ tage. Sie führten zum Gemeindebeamtengesetz v. 15. Juli 1916,

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I. Gemeindeordnung.

Geschichtlicher Überblick.

dessen Entwurf (Beil. 508 der Drucks, d. K. d. Abg. II. Session 1913/14) von dem damaligen Ministerialdirektor v. Henle nach Lem Borbild des Staatsbeamtengesetzes geschaffen war, dessen Gestaltung — (über die Beschlüsse d. K. d. Abg. siehe die Zusam­ menstellung nach den Beil. 1249 und 1212 der Drucks, d. III. Session 1915) — jedoch bei dem Widerspruch der Reichsratskam­ mer mit einer Regelung endigte, die von den Gemeindebeamten damals als unbefriedigende Notregelung empfunden worden war. Weiteren Wünschen auf dem Gebiete des Gemeinderechts wollte der unter Staatsminister Dr. v. Brettreich von Ministerialrat Rösch uusgearbeitete Entwurf eines Gesetzes über die Abänderung der Gemeindeordnung, des Distriktsratsgesetzes und des Verwaltungs­ gerichtsgesetzes vom 26. Juli 1918 (Beil. 2584, siehe dazu die vergleichende Zusammenstellung Beil 2645, der Drucks, d. K. d. Abg. Session 1917/18^ Rechnung tragen. Der Entwurf kam nicht zur Beratung, doch hat das Selbstverwaltungsgesetz in vielen seiner brauchbaren Teile diesen Entwurf in sich ausge­ nommen. Nach dem Umsturz der Staatsverfassung erließ das Mini­ sterium Hofsmann auf Grund eines Ermächtigungsgesetzes vom 28. März 1919 (GVBl. S. 112) am 22. Mai 1919 das Selbst­ verwaltungsgesetz. An der Erlassung des Gesetzes nahm die Volks­ vertretung keinen Anteil, nur einzelne Beamte und Vertreter der Gemeindeverbäitde waren zu kurzen Besprechungen zugegezogen worden. „Das Selbstverwaltungsgesetz ist, dem Sturm der Zeit seiner Erlassung entsprechend, völlig unorganisch den Gemeindeordnungen eingefügt." „Die völlige Unsicherheit, ob Vor­ schriften der Gemeindeordnungen noch bestehen oder ob sie durch das Selbstverwaltungsgesetz aufgehoben sind, hat sehr mißliche Berhältnlssie gebracht, vor allem aber hat dieses den Zeitverhältnissen entsprechend überstürzte Eingreifen der damaligen Staatsgewalt M Zuständen geführt, die mit Rücksicht auf die Rechtsordnung des Staates und das gemeine Wohl nicht länger ertragen werden können." (Begr. S. 59.) Das trat schon unmittelbar nach der Erlassung des Gesetzes zutage. Sofort setzten nachdrückliche Forde­ rungen auf Abänderung des Gesetzes ein. Der Landtag beschloß um 24. Oktober 1919, daß „das Selbstverwaltungsgesetz cklsbald einer Revision zu unterziehen sei" und forderte seitdem wieder­ holt neue Gemeindegesetze. Zum Vollzug des Beschlusses des Landtags vom 24. Oktober 1919 hatte der „aus seiner Heimat verdrängte und in der Zeit seiner Verdrängung im Ministerium des Innern verwendete

I. Gemeindeordnung. Geschichtlicher überblick.

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1. Bürgermeister der Stadt Landau und frühere Landratspräsident Geheimrat Friedrich Mahla einen Referentenentwurf ausge­ arbeitet, der unter dem 2. Mai 1921 allen beteiligten Ministe­ rien, Stellen und Verbänden zugeleitet wurde". (Begr. S. 59.) „An diesen zum Teil scharf abgelehnten, von anderen Seiten hoch­ geschätzten Entwurf Mahla schloß der Referentenentwurf des Jahres 1925 an. Er berücksichtigte insbesondere die zum Teil sehr wertvollen Gutachten, die zum Entwurf Mahla abgegeben worden waren." (Begr. a. a. O.) Es handelte sich bei diesem Referentenentwurf vor allem darum, die gegebenen Anregungen und Forderungen in die Worte von Gesetzesvorschlägen überzu­ führen und sie so erneut zur Stellungnahme der Beteiligten zu bringen. „Auch der Referentenentwurf 1925 wurde zum Teil 60, 89, 122 ff., 135 Vorschriften des öffentlichen Rechts. Das Gesetz regelt in Art. 84 die Begründung und Aufhebung von Dienstbarkeiten an Grundstücken, die im Grundbuch nicht eingetragen sind und nach den Vorschriften der GBO. nicht eingetragen zu werden brauchen. Der Art. 84 ist nichts anderes als eine nach Reichsrecht zulässige Ergänzung des Liegenschaftsrechts des BGB. Die Sonderregelung beweist, daß im übrigen für die Begründung und Aufhebung von Eigentums­ beschränkungen der hier in Frage stehenden Art schlechthin das Recht des BGB. gelten soll, ohne Rücksicht darauf, ob diese Eigen­ tumsbeschränkungen im öffenttichen Recht oder im bürgerlichen Recht begründet sein sollen. Bei dieser Rechtslage kann zur Zeit auch eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung mit ft eine Doppelbesteuerung, die Erhebung doppelter Gebühren für die gleiche Leistung, unzulässig. So können bei städtischen Industrie­ gleisen, die Ortsstraßen überqueren oder auf ihnen verlaufen, bei der Bemessung der Gebühren für die Benützung der Industrie­ gleise alle Aufwendungen eingerechnet werden, die der G. durch die Herstellung, Unterhaltung und den Betrieb des Industriegleises erwachsen. Es ist dagegen unzulässig, und würde dem Grundsatz „gerechter Belastung" (BGH. 36, 48) widersprechen, wenn eine Stadt außer den so bemessenen Gleisbenützungsgebühren auch noch Pslasterzölle erheben würde (BGH. 48, 75). Die Erhebung setzt eine Satzung der G. voraus, s. hierüber die Anm. 9e zu Art. 43. Bei Pflaster-, Wege- und Brückenzöllen,

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I. Gemeindeordnung.

soweit diese noch zulässig sind (also für Fuhrwerke, die nicht Kraft­ fahrzeuge sind) ist im Gegensatz zur sonstigen Benützung des Eigentums und der Einrichtungen einer G., die nicht zur Zwangs­ pflicht gemacht ist, stets die Genehmigung der Kreisregierung (also der Regierung, K. d. I.) erforderlich (Art. 43III S. 1). Die Pflaster-, Wege- und Brückenzölle sind also als eine besondere Art von Gebühren im Gesetz besonders behandelt. Die Genehmigung ist erforderlich sowohl für die Einführung wie für die Erhebung. Die G. hat keinen Rechtsanspruch auf Geneh­ migung und ohne die Genehmigung kein Recht auf Erhebung des Zolles. Es gibt deshalb auch keine verwaltungsgerichtliche Zu­ ständigkeit weder zur Prüfung, ob die Genehmigung zu erteilen ist, noch ob die Voraussetzungen der Genehmigung vorliegen, z. B. ob die früher erhebliche selbständige Berkehrsanlage (s. die Anm. unten zu borst. Anm. 11 IV c) gegeben ist oder nicht. BGH. 26. Okt. 27 Nr. 26 1/27, BBBl. 1928, 107. Das StMdJ. ist nach Art. 4311 S. 2 befugt, im Einver­ nehmen mit dem StMdFinanzen über die Pflaster-, Wege- und Brückenzölle bindende Richtlinien zn erlassen (siehe darüber die Anm. 12 zu Art. 43), also eine Mustersatzung mit bindender Wirkung aufzustellen, über das Berwaltungsermessen bei der Ge­ nehmigung gilt das in Anm. 9e zu Art. 43 Ausgeführte. Die Satzung kann nach Art. 44II S. 3 durch eine orts­ polizeiliche Vorschrift bewehrt werden (s. darüber die Anm. 9ä zu Art. 43). Die Entscheidung von Streitigkeiten erfolgt im verwaltungs­ gerichtlichen Verfahren (Art. 44 V, s. die Anm. 26 und 27 zu Art. 44). Die Bezirke sind hinsichtlich der Pflaster-, Wege- und Brückenzölle den Gemeinden gleichgestellt (Art. 291, V BezO.). über die gesetzliche Befreiung der Reichs post s. § 16 des PostG. v. 28. Okt. 1871 (RGBl. S. 347). b) Der Ertrag der Krastfahrzeugsteuer. Nach § 41 FAG. i. d. F. des RG. v. 9. April 1927, RGBl. I, 94, erhalten die Länder nach dem dort bestimmten Schlüssel das Aufkommen an Kraftfahrzeugsteuer*) auf Grund des Krastfahr­ zeugsteuer gesetzes in voller Höhe, abzüglich 4 vom hundert für die Verwaltung der Steuer durch das Räch. Die Länder haben die auf sie entfallende Steuer zu Zwecken der öffent­ lichen Wege zu verwenden (Zwecksteuer); sie können die *) einschließlich des Zuschlags zur Kraftfahrzeugsteuer zur Ab­ geltung der Vorausleistungen gemäß §1311 FAG. i. F. des Art. II § 1 Nr. 1 d. G. v. 15. Mai 1926, RGBl. I, 223. über die Höhe des Zuschlags s. § 19 des KraftfahrzeugsteuerG. v. 21. Dez. 1927, RGBl. I, 512.

Art. 28. Krastfahrzeugsteuer.

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Steuer auch zu Zwecken der Unterhaltung der üffentl. Brücken*) verwenden. Wie dre Länder den Anteil verwenden, steht ausschließ­ lich in ihrem Ermessen. Kein Selbstverwaltungskörper, der zugleich wegebaupflichtiger Verband ist, hat, soweit das Reichsrecht in Frage kommt, einen Rechtsanspruch auf Zuweisung eines Anteils aus dem Ertrag, also eines Zuschusses überhaupt oder auf Zu­ weisung in einer bestimmten Höhe. Der Anteil Bayerns an der Krastfahrzeugsteuer ist bis einschließlich des Haushaltjahres 1926, von einer unerheblichen Ersatzleistung an die G.n für den Weg« fall der Vorausleistungen abgesehen, ausschließlich zwischen dem Staat für die Staatsstraßen und den Bezirken**) geteilt, und zwar erhielten im Haushaltjahre 1926 die Staatsbauver­ waltung 70 o/o, die Bezirke 30 o/o. Nach dem Beschluß des Finanz­ ausschusses des Landtags v. 14. Dez. 1927 waren gemäß eines Antrags der Staatsregierung auch die Gemeinden am Ertrag der Kraftfahrzeugsteuer zu beteiligen ***). Sie sollen im Haushalt­ jahre 1927 4o/o des bayerischen Anteils an der Kraftfahrzeugsteuer erhalten. Danach entfallen im Haushaltsjahre 1927 auf die Staatsbauverwaltung für die Staatsstraßen 64 o/o, die Bezirke 32 o/o und die G.n 4 o/o. Nach einem Aufsatz von ORR. Dr. Bohl in der Bayer. Staatszeitung v. 24. Dez. 1927 Nr. 297 werden die G.n bei vorsichtiger Schätzung des bayerischen Anteils an der Krastfahrzeugsteuer im Jahre 1927 wenigstens 800 000 M erhalten. Für das Haushaltsjahr 1928 erhalten nach 8 5 des Finanzgesetzes v. 27. April 1928 (GBBl. S. 320) von den Überweisungen des Reichs am Ertrag der Kraftfahrzeugsteuer der Staat für die StaatsStraßen 55 o/o, die Bezirke 27 o/o, die G.n 18 o/o. Diese erhebliche Erhöhung des Anteils der G.n geschah (nach den Ausführungen

*) für dis jetzt (s. Anm.ll IV b S. 350) seit dem 1. Juli 1927 ein Brückenzoll für Kraftfahrzeuge nicht mehr möglich ist **) Früher vgl. meine Ausführungen in den BBBl. 1925, 357 f.) hat der Staat durch Zuschüsse für den Bau und die Unter­ haltung der Bezirksstraßen auch aus allgemeinen Steuermitteln zu den Kosten des überörtlichen Verkehrs (auch ab­ gesehen vom Bau und der Unterhaltung der Staatsstraßen) er­ hebliche Beiträge geleistet, s. darüber das Statistische Jahrbuch des B. Statist. Landesamts 1921, 153. Nunmehr enthalten die Zisf. VI Kap. 1 und 1 a des Haushalts des StMdJ., in denen die Zuschüsse für die Bezirksstraßen und G.wege ausgewiesen sind, ausschließlich den Anteil der Kraftfahrzeugsteuer, der auf die Bezirke und G.n entfällt. Auch die Zuschüsse der Kreise für die B^irksstraßen (über die früheren Leistungen s. das erwähnte Statist. Jahrbuch a. a. O.) sind entsprechend der Geldlage der Kreise erheblich zurückgegangen. ***) Danach ist im Haushalt des StMdJ. ein neuer Haushaltsvortrag „Staatszuschüsse an Gemeinden, die mit Straßenbauund Straßenunterhaltungskosten überlastet sind", eingefügt werden.

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I. Gemeindeordnung.

des StM. Dr. Stützel in der Sitzung des Haushaltsausschusses v. 20. Aprll 1928), um die G.n für den Wegfall des Bahnzolls für Kraftfahrzeuge zu entschädigen. In dieser Sitzung nahm StM. Dr. Stützü an, daß der gesamte Anteil an der Kraftfahrzeugsteuer für 1928 die Summe von 24 Millionen M beträgt. Bon diesem Betrag werden danach dem Staat für die Staatsstraßen 13,2: den Bezirken 6,5; den G.n 4,3 MMonen M zufallen. Auf die Bezirke fallen bei dieser Schätzung 6,4 Millionen M. für 1927 und 6,5 MMonen M für 1928. Nach dem Statistischen Jahrbuch a. a. O. war der Gesamtaufwand der bayerischen Bezirke für ihre Straßen im Jahre 1914 rund 13 MMonen JK>. Danach würde den Bezirken die Hälfte des Gesamtaufwandes nach der Summe ersetzt, die die Bezirke im Jahre 1914 für die Bezirksstraßen überhaupt aufgewandt haben. Dabei ist jedoch außer Betracht gelassen der Mehraufwand, der heute, sowohl nach der Steigerung der Löhne und Preise, wie nach den höheren Anforderungen infolge des Kraftfahrzeugverkehrs, für den Kilometer Bezirksstraße gegenüber den Aufwendungen des Jahres 1914 zu leisten ist. Anderseits wer­ den damit für den Ausbau auch der Bezirksstraßen in neuzeitlicher Bauweise unter Anpassung an die Erfordernisse des Kraftwagen­ verkehrs nicht unerhebliche Mittel gewonnen, über den Ausbau der bayerischen Staatsstraßen (rund 7300 km) s. die von der Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern bearbeitete Denk­ schrift über die „Bayerischen Staatsstraßen" v. Dez. 1925, dann Bilbig in der Bayer. Staatszeitung v. 8. Mai 1925 Nr. 105, weiter die Beil. 1189 der Landtagsdrucksachen 1924/25*); über die Ge­ winnung von Mitteln für die Bezirksstraßen (rund 19 700 km) s. meine Ausführungen über die „Unterhaltung der Bezirksstraßen" in den BBBl. 1925, 353 ff. Was die Verteilung des auf die Gemeinden fallenden An­ teils betrifft, hat der StMdJ. in der erwähnten Sitzung des Ver­ fassungsausschusses des Landtags (s. den Aufsatz von Dr. Bohl a. a. O.) davon gesprochen, daß aus dem Anteil, der auf die G.n entfällt, ein Ausgleichs stock gebildet werden soll für die G.n, die mit Straßenbau- und Straßenunterhaltungskosten überbürdet sind. Weiter sollen nach einem in der gleichen Sitzung des Land­ tags angenommenen Antrag Zuschüsse an leistungsschwache Landgemeinden zur Herrichtung der im Zuge der Staats­ straßen oder Bezirksstraßen liegenden Ortsdurchfahrten gege*) Nach Mitteilung von MR. Bilbig im Haushaltsausschuß des Landtags (Sitzung v. 9. Dez. 1927, Bayer. Staatszeitung v. 10. Dez. 1927 Nr. 285) sind in den Jahren 1926 und 1927 ins­ gesamt 1753 km oder rund ein Viertel der sämtlichen Staatsstraßen mit einem neuzeitlichen Deckenbelag versehen worden.

Art. 28. Wegestreitigkeiten.

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ben werden, wenn der Durchgangsverkehr gegenüber dem örtlichen Verkehr beträchtlich überwiegt, wie dies schon bisher (vgl. die ME. v. 14. Juni 1926 Nr. 9114 c 24) für Ortsdurchfahrten im Zuge der Staatsstraßen möglich war. VI. Die Entscheidung von Streitigkeiten. a) Es ist Sache der bürgerlich en Gerichte zu entscheiden, ob die wegebaupflichtige Rechtspersönlichkeit dre bürgerlich­ rechtliche Verfügungsmacht über die Wegefläche, sei es in der Form des Eigentums oder eines dinglichen Rechts, be­ sitzt (s. Tyroff S. 358 und die Rechtsprechung dort). Vorsorg­ liche Anordnungen („administrative Provisorien") der Ver­ waltungsbehörden sind hierüber nur soweit zulässig, als eine besondere gesetzliche Bestimmung, wie der Art. 4011, dies vor­ sieht. Andernfalls ist zur vorsorglichen Verfügung nur die Behörde zuständig, die zur Entscheidung der Streitsache berufen ist (ebenso Seydel-Graßmann I, 363; a. M. Dyroff S. 359). Da der straf­ rechtliche Schutz (s. vorstehende Anm. 11 Ih) ftch auf die tatsäch­ lich öffentlichen Wege erstreckt, sind die Polizeibehörden je­ doch in Fällen dieser Art nach Art. 20 PStGB. stets zur vor­ läufigen Einschreitung befugt, auch wenn die bürgerlichrechtliche Berfügungsmacht streitig ist (s. dazu Kahrl, 393). b) Eine Berwaltungsrechtssache nach Art. 8 Z. 34 BGG. liegt vor, wenn gestritten wird, ob eine Grundstücks­ fläche die Eigenschaft eines öffentlichen Weges besitzt oder nicht (das Nähere insbesondere die Rechtsprechung s. bei Dy­ roff S. 360 ff.). In diesem Verfahren kann als Zwischenpunkt auch über die Frage entschieden werden, ob eine öffentlichrechtliche Beschränkung des Grundstückseigentümers im Sinne der vorstehenden Anm. IIe gegeben ist. Hierher gehört auch die Frage über den Anspruch auf Benützung eines öffentlichen Weges (Kahrl, 395 Fußnote 140, Dyroff S. 361, vgl. vor­ stehende Anm. Illg). c) Eine Verwaltungsrechtssache nach Art. 8 Z. 34 BGG. liegt weiter vor bei Streitigkeiten über Verbindlich­ keiten in Bezug auf Herstellung und Unterhaltung der öffentlichen Wege, mit Ausnahme der Staats­ straßen. Das Nähere insbesondere die Rechtsprechung s. bei Dyroff S. 362 ff. Als Zwischenpunkt kann auch in diesem Ver­ fahren entschieden werden, ob eine öffentlichrechtliche Be­ schränkung des Grundstückseigentümers im Sinne der vorstehen­ den Anm. Ille gegeben ist. Die Staatsstraßen sind deshalb aus­ genommen, weil (s. vorst. Anm. 11III) der Staat nach freiem Ermessen sowohl über die Widmung der Straßenfläche, wie über die Art ihrer Unterhaltung verfügt. Nach Art. 8 Z. 34 BGG. ist der Streit zu entscheiden, wenn zwischen zwei Rechtspersönlichkeiten die Verbindlichkeit zur Wege-

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I. Gemeindeordnung.

Unterhaltung dadurch strittig wird, daß jeder von ihnen die Un­ terhaltung ablehnt und dem anderen zuweist (VGH. 23, 19). Es gehört hierher ebenso der Streit, wenn ein Anspruch auf Unter­ haltung eines Weges gegen einen Dritten auf Grund besonderen Rechtstitels des öffentlichen Rechts (Art. 28 II) erhoben wird (VGH. 12, 349, 23, 19, Dyroff S. 362), auch der Streit über den Ersatzanspruch einer wegebaupflichtigen Persönlichkeit ge­ gen einen Dritten (VGH. 36, 160, Dyroff S. 362; von Scheurl, „Einführung in das verwaltungsrechtliche Denken" S. 131), vgl. die nachfolgende Anm. 23. In den Fällen zu b und c ist im ersten Rechtszug zu­ ständig die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bezirk der öffentliche Weg liegt, im zweiten Rechtszug grundsätzlich die Regierung, Kammer des Innern, und zwar im verwaltungsrecht­ lichen Senat, im dritten Rechtszug grundsätzlich der VGH. Eine Sonderstellung nehmen nach Art. 29 die öffentlichen Feld- und Waldwege ein. Hier entscheidet nach Art. 29 IV schon im zweiten Rechtszug der VGH.

d) Streng von diesen Fällen unter b und c ist die Anfech­ tungsklage (früher nach Art. 10 Z. 1 u. 2 VGG.) zu scheiden, wenn die Staatsaufsichtsbehörde nach Art. 60 GO., Art. 33 BezO. im staatsaufsich-tlichen Beschluß ausspricht, daß die G. oder der Bezirk zu einer Leistung der Wegebaulast verpflichtet sei, die G. oder der Bezirk jedoch geltend macht, daß die Staatsaufsichtsbehörde das gesetzliche Selbstverwaltungsrecht verletzt oder mit einer gesetzlich nicht begründeten Leistung belastet. Hierher gehört nicht nur der Fall, daß die Staatsaufsichtsbehörde eine G. nach Art. 28 GO. für verpflichtet erklärt, einen Weg als G.-ver^ bindungsweg, oder einen Bezirk nach Art. 2 Z. 2 BezO. einen G.verbindungsweg als Bezirksstraße zu übernehmen, sondern vor allem der Fall, daß die Staatsaufsichtsbehörde hinsichtlich der Unterhaltungspflicht eine bestimmte Leistung fordert (vgl. hier die Anm. 11 IV), der Selbstverwaltungskörper aber die Notwendig­ keit und damit die gesetzliche Verpflichtung bestreitet (Kahr l, 394, 399; Dyroff S. 363; VGH. 23, 21 u. das dort Angeführte). Hier bemißt sich die Zuständigkeit nach Art. 60 GO., Art. 33 BezO. über den Kall, daß im Verfahren über die Anfechtungsklage nach diesen Bestimmungen der Bezirk oder die G. die Ver­ pflichtung eines Dritten geltend macht, siehe die nachfol­ gende Anm. 23. Eine gesetzlich nicht begründete Leistung ist auch dann auferlegt, wenn eine bestrittene gemeindliche Verpflichtung. die erst im Verwaltungs gerichtlichen Verfahren festzustellen ist, durch Staatsauffichtsverfügungen erzwungen werden soll (Dyroff S. 423 Anm. 9 und die Rechtsprechung dort. Die Rechtsfragen hierüber sind noch nicht genügend geUärt, siehe die Anm. zu Art. 601).

Art. 28. Genreindetvege.

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12. Herstellung und Unterhaltung der Gemeindewege.

a) Begriff der Gemeindewege.

G.wege sind „solche öffentliche Wege, die bestimmt sind, vor­ wiegend de»n nachbarlichen Verkehr der G. oder Ortschaften unter sich oder mit anderen Berkehrs­ straßen zu vermitteln". Tie zum Teil in der Praxis ge­ brauchte Bezeichnung „Gemeindeverbindungswege" ist deshalb zu­ treffend. (BGH. Plenum, 48, 7; wie zuvor 32, 155 ; 43, 52; Kahr I, 365.) Auch die Eisenbahn ist Verkehrsstraße in diesem Sinne (BGH. Plenum 48, 7). b) Pflicht der Gemeinde.

Der G. ist die Herstellung und die Unterhaltung solcher Wege als Pflichtaufgabe auferlegt (vgl. die vorstehende Anm. 3 a), jedoch nur (s. vorstehende Anm. 3 c), „soweit die Ein­ richtung im Interesse der Allgemeinheit notwendig ist". Hinsicht­ lich der Entscheidung darüber, ob dies der Fall ist, wird auf die vorstehende Anm. 3 c Bezug genommen. Es ist danach Tatfrage, ob die Rücksicht auf die örtliche Gemeinschaft es fordert, für eine einzelne Siedelung eine Berkehrsverbindung mit dem Sitz der G.verwaltung oder der Straße des überörtlichen Verkehrs zu schaffen (vgl. Kahr l, 367 Fußnote 67). Wenn dies der Fall ist, kommt die Verpflichtung zur Herstellung des G.weges nur der G., nie einer Ortschaft zu. Der Ortschaft kann nur die Pflicht der Unterhaltung des Weges der Gemeinde gegenüber ob­ liegen (Art.62II). Wer nach glIV d. Bauordnung außerhalb eines zusammengebauten G.teils ohne Baulinie baut, hat keinen An­ spruch auf Verbindung seines Anwesens mit einem Verkehrswege durch einen öffentlichen Weg. Ta die Eisenbahn Verkehrsstraße im Sinne der vor­ stehenden Anm. a ist, ist die G. verpflichtet, die notwendige Zu­ fuhrstraße zum Bahnhof herzustellen und zu unterhalten (BGH. 32, 153; Plenum 48, 5). Tie innerhalb der Bahnhofs­ anlage, wenn auch in Fortsetzung der Bahnhofzufuhrstraße ver­ laufenden Wege, die nur für den Verkehr der Benützer der Eisen­ bahn bestimmt sind, sind dagegen Teile des Bahnbetriebs. Ihre Herstellung und Unterhaltung kommt dem Unternehmer der Eisenbahn als Teil der Pflicht zu, die aus dem Bahnbetrieb entspringt. Tie Grenzen des Bahnhofbereichs können durch eine allgemeine Umschreibung nicht festgelegt wer­ den. Geben Hecken und Einfriedigungen keinen Anhalt, so sind „als Bestandteile der Bahnhofanlage diejenigen bahneigenen Ge­ bäude und die an diese sich anschließenden Grundstücke" anzu­ sehen, „die für den Bahnbetrieb und die Abwicklung des Personenund Frachtverkehrs an den Haltestellen unmittelbar Verwendung

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I. Gemeindeordnung.

finden"' (BGH. Plenum, 48, 10 u. 11)*). Weitergehende Verpflich­ tungen der G. können auf Grund ausdrücklichen Vertrags zwischen der G. und der Eisenbahnverwaltung z. B. bei der Anlegung d^er Bahnanlage gegeben sein. 13. Brücken, Siege und Fähren. S. frorst. Anm. 11IV b. 14. Unterhaltung und Reinhaltung der OrtSstratzen und Ortsplätze. a) Begriff der Ortsstratzen. Ortsstraßen sind diejenigen öffentlichen Wege, die fron der G. dazu bestimmt sind, den Verkehr innerhalb zusammenhängend ge­ bauter Gemeindeteile zu vermitteln und die weder Teile einer Staats- noch einer Bezirksstraße sind (vgl. BGH. 23, 13; ObLGSt. 6, 23, auch 6, 79). Taß solche Ortsstraßen gleichzeitig dem nachbarlichen Verkehr anderer G.n dienen^ ist unerheblich. Tas entscheidende Merkmal ist, daß sie innerhalb zusammengebauter Gemeindeteile ziehen und den Verkehr innerhalb dieser G.ieile vermitteln sollen. b) Verpflichtung der Gemeinde. a) Anerkennung. Trifft die unter a gegebene Begriffs­ bestimmung auf einen öffentlichen Weg zu, so ist die G. ver­ pflichtet, ihn als Ortsstraße anzuerkennen, zu unterhalten und reinzuhalten. Auch für die Ortsstraße gilt als Voraussetzung ihrer Entstehung, daß die G. die Wegefläche innerhalb bestimmter Zwecke (nämlich als Ortsstraße) dem Gemeingebrauch gewid­ met haben muß (vgl. vorstehende Anm. 11 Ib). Tie G. ist ver­ pflichtet, diese Widmung auszusprechen, sobald die sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Tem aus­ drücklichen Beschluß des G.rats steht die tatsächliche Anerkennung *) Die G. ist danach befugt, sich weitergehenden Verpflichtun­ gen, die sie zur Zeit erfüllt, dadurch zu entkleiden, daß sie den G.weg innerhalb des Bahnhofsgebiets durch Be­ schluß des G.rats aufläßt. Tie G. „ist zur Auffassung auch dann berechtigt, wenn sie früher im staatsaufsichtlichen Verfah­ ren rechtskräftig zur Übernahme und Unterhaltung des Weges als G.weg angehalten worden ist, da durch die grundsätzliche Änderung der Rechtsprechung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ein­ getreten ist" (autogr. ME. v. 20. Juli 1927 Nr. 3811 bb 1). Zu der Plenarentsch. d. BGH. 48, 10 vgl. auch die im ent­ scheidenden Punkte im gleichen Sinne ergangene E. des Sächsischen OBG. v. 3. Juli 1914, Rechtsgrundsatze des Sächsischen OBG., 5. Band S.59, die solche Wege im Bahngebiete nur als sog. „tat­ sächliche öffentliche Wege" nicht als öffentliche Wege im Rechts­ sinne erachtet hat.

durch Erfüllung der Pflicht der Unterhaltung gleich (vgl. die vorstehende Anm. lllVd unten). Entsteht durch die Anlegung von Wohnhäusern an einem öffentlichen Wege ein zusammenhän­ gend gebauter Gemeindeteil, so liegen sachlich die Voraussetzungen der 'Ortsstraße vor und die G. ist verpflichtet, diesen Wegeteilals Ortsstraße anzuerkennen. Das Gleiche ist der Fall, wenn die beteiligten Grundstückseigentümer und Bauunternehmer den Weg ordnungsgemäß nach § 62 der Bauordnung hergestellt haben (siehe Kahr I, 382). b) Herstellung. Die G. hat jedoch — anders wie bei den G.wegen — keine Pflicht, den öffentlichen Weg herzu­ stellen. Die G. kann dre Straße herstellen (vgl. § 62IV S. 2 die Bauordnung). Die Erledigung von Grundabtretungen dabei fällt grundsätzlich nach §621 der Bauordnung dem Übereinkom­ men der G. mit den Beteiligten anheim. Tie G. hat, werrn ein Übereinkommen nicht zum Ziele führt, die Enteignungsbefugnis, wenn die Voraussetzungen des Art. IA Ziff. 5 des Zwangsab­ tretungsgesetzes i. F. d. Novelle v. 9. Mai 1918 gegeben sind, nämlich, wenn es sich um Ortsstraßen und öffentliche Plätze in­ nerhalb von zusammenhüngend gebauten Gemeindeteilen*) han­ delt, die mehr als 5000 Einwohner haben. Dabei ist die zusam­ menhängende Bebauung auch dann gegeben, wenn sich zwischen bebaute Teilflächen andere einschieben, die noch nicht bebaut sind, aber durch festgestellte Baulinienpläne für die Bebauung bereit­ gestellt sind (das Nähere s. in Ziegler, Nachtrag zu meinen Er­ läuterungen des Zwangsabtretungsgesetzes S. 30 ff., insbesondere S. 32; Heilmann-Weinifch S. 243, 245; Englert-Schmitt-Stauffer S. 185). In diesem Falle gelten für die Entschädigung nach der erwähnten Novelle zum Zwangsabtretungsgesetz beson­ dere Vorschriften (das Nähere s. bei Ziegler a. a. O. S. 34 ff., hinsichttich der Einwirkung des Art. 153II RB. s. auch Kärcher. BGBZ. 1923, 332ff.). Die G. kann nach Maßgabe des § 6211 d. Bauordnung angehalten werden, die Entwehrung (Ent­ eignung) zu beanspruchen, wenn die erwähnten Voraussetzungen gegeben sind (s. das Nähere bei Heilmann-Weinisch S. 244, denen ich insbesondere in den Ausführungen beitrete, daß ein auf­ sichtlicher Zwang nur in den Fällen möglich ist, in denen eine Enteignung durch SachentschLdigung, nicht durch Geldentschädigung in Frage steht). Den entscheidenden Zwang, der den Baulustigen die Pflicht der Herstellung der Ortsstraße grundsätz­ lich überwälzt, gibt jedoch die Bauordnung durch § 62III.

*) Die Novelle zum Zwangsabtretungsgesetz von 1918 hat für die Bezeichnung der „zusammenhängend gebauten Gemeinde­ teile" den Ausdruck „Ortschaft" gewählt. Der Ausdruck Hut mit dem Begriff der „Ortschuft" nach Art. 62 GO. nichts zu tun.

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Danach dürfen Bauführungen in neuen Bauanlagen grundsätzlich — (von Erleichterungen nach § 62 VI der Bauordnung abgesehen) — nur bewilligt werden, wenn nach näherer Bestimmung der Vorschrift die Straßenherstellung, — und dazu gehört auch die Grundabtretung an die G. — durch die Baulustigen gesichert ist (s. hierüber Heilmann-Weinisch S. 244; dann insb. S. 248ff.; Englert-Schmitt-Stauffer S. 188 ff.). Zur ganzen Frage, deren augenblickliche gesetzliche Lösung sehr unübersichtlich ist, muß hier auf die ME. v. 20. Febr. 1925 Nr. 3662el, abgedruckt bei Heilmann-Weinisch S. 237ff., Mar­ tius in BGBZ. 1924, 410 ff., dann insbesondere auf die gründ­ liche Untersuchung von Kiefersauer über „das Recht der Straßenanliegerbeiträge" in BGVZ. 1926, 801 ff.; 834ff. verwiesen werden. Für die Erschließung des Baugeländes s. weiter das Gesetz v. 4. Juli 1923 (GBBl. S. 273, bei Ziegler, Verwal­ tungsgesetze II, 280 ff. abgedruckt). c) Hinsichtlich der Ortsdurchfahrten wird auf die vorstehende Anm. IV d Bezug genommen. d) Unterhaltung und Reinhaltung. über den Begriff der Unterhaltung siehe die vorstehende Anm. 11IV c, dann auch die vorstehende Anm. 3e. Hinsichtlich der Ortsstraßen ist die Pflicht der Reinhaltung ausdrücklich im Gesetz ausgesprochen, über die Befugnisse der G., den Grund­ stückseigentümern die Pflicht der angrenzenden Teile der öffent­ lichen Straßen und Plätze aufzuerlegen und über die Benützung einer gemeindlichen Anstalt zur Straßenreinigung s. die vor­ stehende Anm. 11IV c.

15. Sicherheitsvorrichtungen, Wegweiser und Warnungstafeln. Hinsichtlich der Sicherheitsvorrichtungen und Warnungstafeln s. die vorstehende Anm. 11IV c. Das Gesetz wiederholt nur, um nicht gegenüber der bisherigen Fassung der G.ordnungen zu Mißverständnissen zu führen, eine Verpflichtung, die sich aus der Baulast an den öffentlichen Wegen ohnehin ergibt, und führt wie das bisherige Recht die Wegweiser ausdrücklich hervor. Die entsprechend dem bisherigen Rechte geschehene Anfügung der Wegweiser stellt klar, daß (im Gegensatz zu den öffentlichen Feld- und Waldwegen, hinsichtlich derer eine solche Pflicht regel­ mäßig nicht besteht), die Pflicht für Ortsstraßen mit Durchgangs­ verkehr und für die G.wege, soweit es die Bedürfnisse erfordern, gegeben ist. über die Wegweiser an Kreuzungen verschiedener Ar­ ten von Straßen muß daran festgehalten werden, daß die Er­ richtung und Unterhaltung von Wegweisern an denjenigen öffent­ lichen Wegen, die von einer Straße des überörtlichen Verkehrs (Staatsstraße, Bezirksstraße) abzweigen, der G. zukommt. Die

gleiche Pflicht hat der Bezirk für eine Bezirksstraße, die von einer Staatsstraße abzweigt (vgl. dazu die ME. v. 27. Juli 1842; Weber 3, 464). 16. Ortstafeln. Seit dem Wegfall der Wehrvorschriften haben die Ortstafeln nur mehr den Namen der G. (zutreffendenfalls auch den Namen der Ortschaft oder der Ansiedelung — ssiehe hierüber S. 155] —, falls diese einen besonderen Namen führt) bei mittelbaren G.n auch den Namen des zugehörigen Bezirksamts und Amtsgerichts anzu­ geben (vgl. die ME. vom 12. Febr. 1889, MABl. S. 73, dann BerfA. I, 379). Die Pflicht der G. umfaßt die Herstellung und Unterhaltung. 17. Öffentliche Uhren sind solche Uhren, die „allgemein sichtbar und vernehmbar sind und daher der gesamten Einwohnerschaft dienen" (Kahr! 330; BGH. 25, 90). Tie G. hat die Pflicht der Herstellung und Unterhaltung, zu der auch die Sorge für die Bedienung der Uhren gehört (Kahr a. a. O.). Eine Pflichtaufgabe liegt nur vor (s. die vorstehende Anm. 3 c), soweit die Herstellung im Interesse der Allgemeinheit notwendig ist. 18. Anlagen zur Versorgung mit Trinkwasser. Auch abgesehen von der Würdigung über die Notwendigkeit der einzelnen Maßnahme ist der G. der Pflichtenkreis für die Erschließung und Zuführung von Wasser nur auferlegt, soweit es sich um Trinkwasser handelt. Die G. hat keine Pflicht, für Nutzzwecke, also für Haushattungszwecke, abge­ sehen vom Trinkbedarf der Familie und des jeweiligen Viehstands, insbesondere für gewerbliche Zwecke (Brauereien), Was­ ser zu schaffen. „Andere öffentliche Brunnen und Wasserleitun­ gen" dieser Art muß die G. nur unterhalten und reinhal­ ten (s. die nachfolgende Anm. 20). Das Gesetz schrankt aber weiter die Pflicht der G. ein, insofern es der G. nur die Pflicht solcher Anlagen zur Versorgung mit Trinkwasser auferlegt, die nicht nur für Einzelne notwendig sind. Für neue Bau­ anlagen Einzelner, gar wenn diese etwa auf einem Gelände bauen, bei dem die Anlegung geeigneter Brunnen besonders schwierig ist, besteht keine Pflicht der G., für das Trinkwasser zu sorgen. „Wenn einer weit weg baut, weiß er, daß er unter Umstanden einen weiten Weg zum öffentlichen Gemeindebrunnen hat" (Berf.A. II, 28). Die G. ist nur soweit zu einer Anlage der Versorgung mit Trinkwasser verpflichtet, soweit (s. die vorstehende Anm. 3 c) „die Einrichtung im Interesse der Allgemeinheit notwendig ist" (BerfA. II, 29), soweit fwie dies hinsichtlich der Versorgung mit Trinkwasser im besonderen erklärt worden ist, BerfA. II, 31 r, StM. Dr. Stützel], die Anlage „aus allgemeinen Gründen der Für­ sorge notwendig ist".

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I. Gemeindeordnung.

Schon bisher (BGH. 28, 62 und 148) hat die Rechtsprechung eine Verpflichtung der G. dieser Art aus Gründen der ört­ lichen Gesundheitspflege nach § 35II des RG. v.30.Juni 1900 über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten als ge­ geben dann erachtet, wenn gesundheitsschädliches Trinkwasser die Gefahr einer Epidemie mit sich brachte. Diese Pflicht ist nunmehr (vgl. Begr. S. 67) erweitert, sie besteht in der gegebenen Begren­ zung schlechthin, auch wenn nach den örtlichen Verhältnissen. keine Seuchengefahr besteht. Anderseits ist jedoch der Pflicht auch durch die Herstellung ausreichender Brunnen mit einwandfreiem Wasser genügt, die Anlage einer Röhrenwasserleitung (Truckwasserleitung) ist keine Pflicht (VerfA. II, 27, 29).

Brunnen und Wasserleitungen der G. sind Einrichtungen nach Art. 44. Die G. kann hierüber mit Einzelnen Verträge des bürger­ lichen Rechts (Anschluß an eine Wasserleitung, Lieferung bestimm­ ter Wassermengen für gewerbliche Zwecke, z. B. für eine Brauerei) abschließen, dann ist für die Verfolgung der Ansprüche ausschließ­ lich das bürgerliche Recht maßgebend (vgl. hier S. 134). Die G. kann jedoch bestimmen, daß für die Benützung der Anstalt aus­ schließlich die Grundsätze des öffentlichen Rechts maßgebend sein sollen, und deshalb eine Satzung erlassen (vgl. hier S. 134). Dann bemessen sich die Rechtsverhältnisse, insbesondere die Befugnis zur Benützung, die Erlassung polizeilicher Vorschriften, die Verpflich­ tung zur Zahlung der Gebühren (Wasserzins), die Entscheidung von Streitigkeiten über die Benützung nach Art. 44 ♦). Nach der Satzung bemißt sich auch, ob für die Zeiten anhaltender Dürre die Benützung des Wassers auf bestimmte Stunden des Tages beschränkt wird. Nach der Satzung bestimmt sich, ob die Kosten des An­ schlusses eines Hausgrundstückes an eine öffentliche Wasserleitung von der G. übernommen werden oder vom Beteiligten zu tragen sind. Tas Recht der Benützung nach Art. 441 S. 2 gibt keinen Anspruch darauf, daß die G. die Kosten des Anschlusses des Haus­ grundstücks an die Wasserleitung übernimmt. Die Benützung einer gemeindlichen Wasserleitung kann anderseits nach Maßgabe des Art. 44 zur Zwangspflicht gemacht werden (s. die Anm. 28 insb. die Anm. 28 ä zu Art. 44). Die Leistungsfähigkeit ist wohl Voraussetzung einer Maßnahme nach Art. 3511 des RG. über die Bekämpfung gemein­ gefährlicher Krankheiten*) **), nicht jedoch Voraussetzung der Pflicht *) Hinsichtlich der Ansprüche auf Benützung einer Wasser­ leitung wie hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung des Wasserzinses lag früher eine Berwaltungsrechtssache nach Art. 8 Z. 31 VGG. vor. **) Die G.n können nach dieser reichsrechtlichen Bestimmung nur „nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit" zur Herstellung von

369

Art. 28. Abwässer.

nach Art. 28 GO.; s. darüber die Anm. unten zu vorstehender Anm. 3 c, S. 329. über Wasserleitungen als Teile der Obliegenheit der G. zur Beschaffung der erforderlichen Feuerlöschanstalten s. die vor­ stehende Anm. 9. Über das Enteignungsrecht zugunsten einer gemeindlichen Wasserleitung s. Art. I A g. 6 des Zwangsabtretungsgesetzes und meine Erläuterungen hierzu S. 56 ff., dann Art. 15 Z. 6 des Wassergesetzes und die Erläuterungen von Brenner-Ferga hierzu S. 352ff. Über die Ausgaben des Landesamts für Wasser­ versorgung als der Behörde zur Forderung von gemeindlichen Wasserversorgungsanlagen s. Brenner-Fergg S. 352; nach Art. 21 Z. 10 des G., betreffend die Landeskulturrentenanstalt (geltende Fassung in Ziegler, Sammlung II, 647) gewährt diese Staatsanstalt Darlehen zur Herstellung von Trinkund Nutzwasserleitungen ländlicher Gemeinden. 19. Beseitigung von Abwässern. a) Die Beseitigung der Ab fall stosse schlechthin, also der festen und flüssigen Abfallstoffe, ist nur dann eine Pflicht der G., wenn dies zum Schutz gegen übertragbare Krankheiten notwendig ist (Art. 35 des RG. v. 30. Juni 1900 über die Bekämpfung ge­ meingefährlicher Krankheiten; BGH. 33, 122) und auch insoweit besteht die Pflicht der G. nur „nach Maßgabe ihrer Leistungs­ fähigkeit" (Art. 35II dieses Ges.). Hiervon abgesehen, kommt die Pflicht der Abführung des Hausunrats, einschließlich des Schuttes bei Bauarbeiten u. A., dem Hauseigentümer (gegebenenfalls nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts dem Mieter und Pächter) zu. Die G. kann die Benützung einer gemeindlichen Anstalt zur Be­ seitigung des Unrats nach Maßgabe des Art. 44 VI GO. zur Zwangspflicht machen (f. die Anm. 28 insb. die Anm. 28 b zu Art. 44). b) Das Landesrecht (Art. 28- schafft dagegen auch über den Rahmen des erwähnten RG. hinaus (vgl. Begründung S. 67) eine Pflicht der G. zur Beseitigung von Abwässern. Über die Art der Maßnahmen bestimmt das Gesetz nichts. Sie richten sich nach den örtlichen Verhältnissen. Die Pflicht kann in kleinen G.n mit rein ländlichen Verhältnissen, soweit nicht polizeiliche Vorschriften dies für unzulässig erklären, durch Abzugsgräben und Rinnen er­ füllt werden. Die Pflicht kann in Städten und Dörfern die Anlage einer förmlichen Kanalisation erfordern. Art und Maß be­ stimmt der Umstand, ob die Einrichtung im In­ teresse der Allgemeinheit notwendig ist (s. hierüber die vorstehende Anm. 3 c, dann insbes. Eymann-Schubert, Wasser-

Einrichtungen zur Versorgung mit Trink- und Mrtschaftswasser und zur Fortschaffung der Wfallstoffe angehalten werden. Laforet-v.Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

24

370

I. Gemeindeordnung.

gesetz II 826 ff., 842 ff.), über die Leistungsfähigkeit als Voraus­ setzung der Pflicht und des staatsaufsich-tlichen Eingreifens f. die Anm. unten zur vorst. Anm. 3 c, S. 329. Über die Zuführung von Flüssigkeiten und festen Stoffen in öffentliche Gewässer, Privatflüsse und Bäche, sowie solche ge­ schlossene Gewässer, an denen ein anderer mitberechtigt oder in denen ein anderer fischereiberechtigt ist, endlich in sonstige ge­ schlossene Gewässer s. Art. 37 bis 41 des WasserG. und die Er­ läuterungen von Brenner-Fergg S. 118 ff.; Eymann-Schubert II, 847ff. hierzu. Die Benützung einer gemeindlichen Kanalisation kann von der G. nach Maßgabe des Art. 44 VI zur Zwangs­ pflicht gemacht werden (f. die Anm. 28 insb. die Anm. 28 d dazu).

20* Andere öffentliche Brunnen, Wasserleitungen und Kanäle. a) Begriff. Gemeint sind die öffentlichen Brunnen und Wasser­ leitungen, die nicht nur für einzelne, nicht nur „aus all­ gemeinen Gründen der Fürsorge notwendig sind", sondern die zu­ nächst nur einem kleinen Kreis von G.einwohnern dienen, voraus­ gesetzt, daß die Einrichtungen von der G. ausdrücklich oder still­ schweigend (z. B. durch Unterhaltung und Reinhaltung) dem öffent­ lichen Gebrauch gewidmet, also öffentliche Einrichtungen sind. Dazu gehören weiter (BerfA. II, 29, 1, StM. Dr. Stützel) öffentliche Brunnen und sonstige öffentliche Wasserleitungen, die nicht nur zur Trinkwasserversorgung dienen, also insbesondere „Wasser­ leitungen für industrielle und gewerbliche Betriebe". Tas Wort „Kanäle" entspricht dem Worte „Wzugskanäle" des bisherigen Rechts. Damit sind alle zur Ableitung von Abwässern und Unrat dienenden Kanäle umfaßt, gleichviel, ob sie mit einem öffentlichen Wege in Verbindung stehen oder nicht (BGH. 18, 325) und gleichviel, ob sie oberirdisch oder unterirdisch sind (BGH. 24, 188). Vorausgesetzt ist auch hier die Widmung zum Gemein­ gebrauch. b) Pflicht der Gemeinde. Zur Herstellung ist hier die G. nur verpflichtet, soweit das RG. über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten hinsicht­ lich der Brunnen und Wasserleitungen (s. die vorst. Anm. 18) und hinsichtlich der Kanäle (s. die vorst. Anm. 19) eine Verpflichtung schafft, oder soweit es sich um die Wleitung der Abwässer im engeren Sinne handelt (vorst. Anm. 19). Im übrigen sind die G.n nur zur Unterhaltung und zur Reinhaltung der Anlagen verpflichtet.

21. Registraturen und Archive. a) Begriff. Registratur ist die Sammlung aller für den laufenden Betrieb der G.verwaltung notwendigen Akten und der

Art. 28. Registraturen und Archive.

371

im laufenden Betrieb erwachsenden Schriftstücke sowie der Ort ihrer Aufbewahrung. Archiv ist (Riedner im Staatslexikon der Görresgesellschaft I, 334) „die Sammlung der nicht mehr für den laufenden Dienst benötigten, aber doch aufbewahrungswürdigen geschäftlichen Schriftstücke einer Verwaltung; sodann der Ort, wo diese Schriftstücke aufbewahrt werden" (vgl. dazu Mrst in BBBl. 1927, 354). Sind Schriftstücke (oder ihre Vereinigung zu Akten) für den laufenden Menst entbehrlich, so können sie aus der Re­ gistratur ohne weitere Sichtung in eine „zurückgestellte" ^(„reponierte") Registratur gegeben werden oder sie werden nach^ beson­ derer Sichtung — Aktenausscheidung — in das Archiv aus­ genommen (vgl. Riedner a. a.O.). b) Pflicht der Gemeinde. Die G.n sind zur Instand­ haltung und ordnungsmäßigenBerwahrung verpflichtet. Das Gesetz stellt klar, daß diese Verpflichtung die Gemeinde trifft, nicht etwa ein bestimmtes Organ der G. Die Art und das Maß der hierzu erforderlichen Leistungen werden bedingt durch die Pflicht zu formell ordnungsmäßiger Führung der Geschäfte (Art. 27), wozu die ordnungsgemäß geführte Registratur unerläßlich ist, dann durch die Pflicht der Aufbewahrung aller Schriftstücke, Urkunden, Pläne, Zeichnungen usw., die für die Entstehung, den Bestand und den Untergang von Rechten erheblich oder fiir die Geschichte (ein­ schließlich der Kulturgeschichte und der Mrtschaftsgeschichte) von Wert sind. Ein amtlicher Registraturplan ist vom StMdJ. bisher nicht gegeben worden. Ein wertvolles Hilfsmittel für die Einrich­ tung und Ordnung der Registratur, insbesondere in kleineren G.n, gibt der von Kollmann bearbeitete, im Baher. Kommunalschriften­ verlag im Jahre 1927 in 4. Auflage erschienene Registraturplan für die bayer. Landg.n. Für Anlegung und Ordnung der Archive wird auf die vom bayer. Hauptstaatsarchiv München herausgegebenen und dort erhältlichen „Mnke für die bayer. Ge­ meindebehörden zum Ordnen ihrer Archive" hingewiesen. Im übrigen s. MABl. 1906, 325 und 1908, 486. Soweit es sich nicht um kreisunmittelbare G.n handelt, ist zur Ausscheidung, Veräußerung oder Vernichtung von erheblichen Bestandteilen der Registraturen und Archive die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde nötig (Art. 60 I Z. 6), die danach die Mög­ lichkeit hat, zuvor das Gutachten des Generaldirektors der staat­ lichen Archive oder der von ihm benannten Archivbehörde zu er­ holen. Erhebliche Bestandteile sind solche Schriftstücke und Druck­ sachen, die einen rechtlichen, geschichtlichen oder statistischen Wert besitzen (Begr. S. 81). über den Geschäftsgang bei der Aktenaus­ scheidung s. Fürst in BBBl. 1927, 355. Zumal in vielen kreis­ unmittelbaren Städten mustergültige Archive vorhanden sind, nimmt die Begr. S. 81 an, daß in allen kreisunmittelbaren Städten bei der Ausscheidung, Veräußerung oder Vernichtung von Bestand24*

372

I. Gemeindeordnung.

teilen der Registraturen und Archive im Sinne der Archivlehre gehandelt wird. 22. Gesetz- und Amtsblätter. Tie Pflicht der G. zur Anschaffung besteht, soweit diese vom StMdJ. vorgeschrieben ist. Im einzelnen: 1. RGBl. s. ME. v. 13. März 1871, Weber 8, 734; MB. v. 11. Dez. 1920, RGBl. 2035, MB. v. 6. März 1922, RGBl. S. 232, Lbgeändert durch RGBl. 1925, 1; MB. v. 25. Sept. 1925, RGBl. 384; MB. v. 30. März 1922, StAnz. Nr. 77; 2.GBBl. s. B. v. 29. Okt. 1873, RegBl. S. 1553, Weber 10, 149; MB. v. 7. Tez. 1922, GBBl. 660; 3.B.Staatszeitung und Staatsanzeiger. s. B. v. 25. Nov. 1912, GBBl. S. 1215, Weber 41, 189; s. auch MB. v. 18. Tez. 1922, MABl. S. 321. „Der Staatsanzeiger verliert durch seine Verbindung mit der Staatszeitung nicht die Eigenschaft eines Amtsblattes" (BGH. 34, 244). 4.MABl. s. MB. v. 15. Juni 1872, RegBl. 1443, Weber 9, 415; ge­ ändert durch die MB. v. 28. Tez. 1904, GBBl. 1905, 1, Weder 33, 348; MB. v. 23. Dez. 1918; MABl. S. 378; MB. vom 18. Dez. 1922, MABl. S. 321; 5.KMABl. Für die Schulsitzgemeinden vorgeschrieben durch ME. vom 13. Nov. 1925, MABl. S. 182; 6. Bezirksamtsblatt. s. ME., betr. die Bezirksamtsblätter v. 10. März 1873, Weber 9, 714.

23. Eichwesen. Eine Verpflichtung der G. zu Leistungen für die Vornahme des Eichgeschäftes kann, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, nur bestehen, soweit sich die Verpflichtung aus dem Gesetze ergibt. Für die Zeit vor der Erlassung der VU. steht (f. vorst. Anm. 3 a) auch hinsichtlich des Landesrechts die Rechtsverordnung dem Ge­ setze gleich. Im Hinblick auf die B. v. 27. Jan. 1883 über die Normaleichungskommission (GBBl. S. 61) und die MB. vom 29. März 1912 über den Eichdienst (MABl. S. 421) ist die danach vorgesehene für die ordnungsmäßige Durchführung des Eichge­ schäfts unerläßliche Hilfeleistung der G. für den Dienst der staat­ lichen Eichmeister zur Wschneidung aller Zweifel als gesetzliche Pflichtaufgabe der G.n bestimmt worden.

24. Verpflichtung Dritter. Der Ws. II entspricht dem Art. 38 II d. rrh. GO. und dem Art. 2911 d. pfGO. v. 1869. Dritter kann jede andere Rechts-

Art. 28. Verpflichtung Dritter.

373

Persönlichkeit als die G. sein. Der Rechtsgrund kann im öffent­ lichen Recht, wie im bürgerlichen Recht gegeben sein. Handelt es sich um Ansprüche des bürgerlichen Rechts, so sind zur Entschei­ dung die bürgerlichen Gerichte zuständig. Der Rechtsgrund des Vertrags, wie der der unvordenklichen Verjährung sind Rechts­ titel auch nach dem öffentlichen Recht*). Soweit es sich um Rechtsansprüche auf Grund des öffentlichen Rechts handelt, ist die Zuständigkeit der Berwaltungsgerichte soweit gegeben, als der Aufzählungsgrundsatz des BGG. hierzu eine Grundlage gibt, z. B. wenn es sich um die Pflicht zur Unterhaltung eines G.wegs han­ delt, jedoch ein Fall des Art. 6211 (Verpflichtung der Ortschaft) gegeben ist (BGH. 12, 349; 23, 19; Dyroff S. 362). Die im öf­ fentlichen Recht begründete Verpflichtung einer G. wird durch bür­ gerlichrechtliche Verbindlichkeiten Dritter nicht beseitigt. Die Staatsaufsichtsbehörde kann deshalb die nach dem öffentlichen Rechte verpflichtete Gemeinde in Anspruch nehmen und der G. es überlassen, sich den bürgerlichrechtlichen Rückgriff gegen den Dritten bei den bürgerlichen Gerichten zu nehmen (Kahr l, 337; BGH. 44, 53). Wird von der G. geltend gemacht, daß ein Dritter auf Grund eines Rechtstitels des öffentlichen Rechts un­ terhaltspflichtig sei, so kann (bestritten) im Verfahren über die Anfechtungsklage nach Art. 60 GO. (früher Art. 10 Z. 2 BGG.) eine Entscheidung gegen den Dritten nicht ergehen. Der BGH. kann entscheiden und den Einwand, daß ein Dritter auf Grund des öffentlichen Rechts unterhaltspflichtig fei, als Zwi­ schenpunkt würdigen, er kann auch die Entscheidung über die Anfechtungsklage bis zur Entscheidung des in besonderem Ber«fochren auszutragenden Streits über die öffentlichrechtliche Ver­ pflichtung des Dritten aussetzen. (über die Stellungnahme des BGH. zu dieser Frage s. Dyroff S. 414 Anm. 4 zu Art. 10 Z. 2 am Ende). Der Staatsauffichtsbehörde bleibt es untie^ nommen, um in den Fällen der Aussetzung der Entscheidung über die Anfechtungsklage eine Schädigung öffentlicher Interessen zu verhüten, ihren staatsaufsichtlichen Bescheid nach Art. 60IV zu vollziehen oder auf Grund der gleichen Vorschrift eine vorläufige Anordnung zu erlassen. Der Ersatzanspruch teilt die rechtliche Natur des Anspruchs; über ihn ist deshalb im gleichen Verfahren zu entscheiden (BGH. 25, 346). Ist für den Anspruch einer G.

*) Daß bei der Geltendmachung des Rechtstitels des Vertrags oder der unvordenklichen Verjährung „in der Regel ein bürgerlichrechtliches Verhältnis gegeben sein wird", wie beiKahrl, 335 angeführt ist, kann nicht zugegeben werden. Die Erörterung die­ ser Frage, wie die Frage, ob entgegen der Anschauung von Kahr I, 335 Anm. 16, und der nicht gleichmäßigen Anschauung des BGH. ein örtliches Gewohnheitsrecht möglich ist, muß dem großen Kommentare Vorbehalten bleiben.

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I. Gemeindeordnung.

gegen einen Dritten das verwaltungsgerichtliche Verfahren ge­ geben, so ist dies auch für den Anspruch der G. auf Ersatz der Aufwendungen der Fall, die die G. für den Gegenstand gemacht hat, dessen Unterhaltung dem Tritten obliegt, wenn die G. den Ersatz nunmehr vom Dritten begehrt. (BGH. 36, 160, wo auf 5, 12 vis 15 und 31, 8 verwiesen wird, Dhroff S. 362, von Scheurl „Einführung in das verwaltungsrechtliche Denken" S. 131).

Art. 29. 1 Soweit die öffentlichen Feld- und Waldwege1 * ein­ schließlich der ihrer Instandhaltung dienenden Abzugs­ gräbenb von den Beteiligten^ nicht ordnungsmäßig unter­ halten werden, haben die Gemeinden für die Instandhaltung zu sorgen? Der Aufwand ist auf die Eigentümer der betei­ ligten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke nach dem Verhältnis umzulegen? in dem diese Grundstücke zur Grund­ steuer veranlagt sind; als beteiligt gelten die Grundstücke, deren Bewirtschaftung jene Wege dienen? Die Heranziehung der Grundstückseigentümer kann unterbleiben, wenn der Pachtschilling für die Gemeindejagd in der Gemeindekasse verbleibt? 11 9 Wird durch Führung eines Betriebes oder durch Be­ wirtschaftung oder Ausbeutung eines Grundstücks ein Ge­ meindeweg, ein öffentlicher Feld- oder Waldweg in außer­ gewöhnlicher Weise abgenützt/9 so kann die Gemeinde den Inhaber des Betriebes und den Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks zu besonderen Vorausleistungen heran­ ziehen." Das Staatsministerium des Innern kann hierüber Vorschriften erlassen?9 111 Die Beiträge nach Abs. I und II werden wie Ge­ meindeumlagen erhoben und beigetrieben." 1V Streitigkeiten14 werden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entschieden. Im zweiten Rechtszug entscheidet der Verwaltungsgerichtshof. v Abs. I, III und IV gelten für die Herstellung der öffentlichen Feldwege einschließlich der ihrer Instandhaltung dienenden Abzugsgräben sowie für die Herstellung und Unter­ haltung von anderen Abzugsgräben einfacher Art entsprechend,

Art. 29. Feld- und Waldwege.

375

soweit die Herstellung und Unterhaltung nicht in den be­ sonderen Aufgabenkreis einer öffentlichen Wasser-, Ödlandoder Flurbereinigungsgenossenschaft fällt und die Gemeinde über die benötigte Grundfläche verfügen tonn.16 RefG. Art. 99; RegE. Art. 33ff., 122; StenBer. 178ff., 267.

29;

BerfA. I, 367ff., 381 ff., 404; II,

1. Begriff. Zweckbestimmung. Gemeingebrauch. Öffentliche Feld- und Waldwege sind die Wege, die die G. kraft des öffentlichen Rechts mit der be­ sonderen Zweckbestimmung als Feld- und Waldwege, nämlich der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken zu dienen, dem Gemeingebrauch gewidmet hat (vgl.AnmlIa zu Art. 28, Kahr l, 386). Die Widmung kann ausdrücklich oder auch sttllschweigend erfolgen (Anm. 11 Ib auch Ille am Ende zu Art. 28). Die öffentlichen Feld- und Waldwege scheiden sich von den privaten Feld- und Waldwegen s. Anm. Illa und 11 Ic zu zu Art. 28. Hinsichtlich der Verfügung über die Wegflache s. Anm. 11 Ic zu Art. 28. Die Umstände, daß ein Feldweg außer zur Bewirtschaftung der Grundstücke noch zu anderen Zwecken z. B. zur Verbindung einzelner Anwesen mit einer Mühle oder mit einer Bezirksstraße dient, schließt seine Eigerrschaft als Feldweg nicht aus (BGH. 3, 30 insbes. 34). Hinsichtlich der besonderen Widmung des Weges als Feldund Waldweg und der aus der Zweckbestimmung sich er­ gebenden Begrenzung des Gemeingebrauchs, wie hin­ sichtlich der Einschränkung des Gemeingebrauchs durch polizei­ liche Vorschriften s. die Anm. 11 Ig zu Art. 28. Danach ist der öffentliche Feld- und Waldweg nur nach seiner Zweckbestimimung als Feld- und Waldweg dem Gemeingebrauch gewidmet; der Weg ist, wenn die G. dies fordert, nur einem beschränkten Perfonenkreise zugängig, nämlich denjenigen Grundstückseigentümern, für deren Grundstücke der Weg zur Bewirtschaftung bestimmt ist, diesen Grundstückseigentümern jedoch grundsätzlich unbeschränkt zugängig, soweit es sich um die Bewirtschaftung ihrer dort ge< legenen Feld- und Waldgrundstücke handelt. Den Eigentümern stehen (vergl. die Anm. 11 Ig zu Art. 28) die Personen gleich, die auf Grund eines obligatorischen oder dinglichen Rechtsverhält­ nisses die Grundstücke land- oder waldwirtschaftlich benutzen, also auch die Besitzer, Pächter, auch die Käufer der Bodenerzeugnifse z. B. des Holzes bei der Abfuhr. Der Feld- und Waldweg kann also für alle anderen Zwecke, die nicht zur Bewirtschaftung der in Frage kommenden Grundstücke dienen, also insbesondere für den Durchgangsverkehr und zwar nicht nur mit Kraftfahrzeugen, son^ dern auch mit anderen Fahrzeugen von der G. gesperrt werden. Der Feld- und Waldweg kann anderseits, wenn sich nicht aus Poli-

376

I. Gemeindeordnung.

-etlichen Vorschriften nach Art. 90 PStrGB. (z. B. mit Rücksicht auf die Tragfähigkeit von Brücken hinsichtlich schwerer Kraftfahr­ zeuge) ein anderes ergibt, nicht gesperrt werden für Fahrzeuge der beteiligten Grundstückseigentümer und der ihnen gleichstehenden Personen, die Fahrzeuge zur land- und waldwirt­ schaftlichen Bewirtschaftung ihrer Grundstücke verwenden (vgl. die zutreffenden Ausführungen des RegBertr. ORR. Dr. Bohl BerfA. II, 36, 37 und des Ber. Dr. Samer a. a. O. n, 36). Die Sper­ rung des Weges in der erwähnten Art kann durch einfachen Be­ schluß des G.rats erfolgen. Soll jedoch die Übertretung dieser An­ ordnung strafbar sein, so muß die G. eine ortspolizeiliche Vorschrift erlassen. Die Grundlage hierzu gibt, soweit § 366 Z. 10 RStGB. nicht ausreicht, der Art. 90 PStGB. Es steht dann im Ermessen der Kreisregierung, die Vorschrift vollziehbar zu erklären oder nicht, auch sie nach Art. 12 PStGB. wieder aufzuheben (vgl. VerfA. II 37; Abg. Dr. Högner).

2. Pflicht der Gemeinde.

a) Herstellung. Tie G. ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die öffenllichen Feld- und Waldwege herzu stellen. Die Verpflichtung zur Herstellung besteht nach Art. 29 VI nur, falls die Beteiligten nicht selbst den Weg Herstellen, soweit außerdem die Herstellung nicht in den besonderen Aufgabenkreis einer öffentlichen Wasser'-, Ödlands- oder Flurbereinigungsgenossenschaft fällt und endlich unter der Voraussetzung, daß die G. über die benötigte Grundfläche als Eigentümerin oder Berechtigte einer Grunddienstbarkeit oder kraft öffenüichen Rechts verfügt. Ist also die Herstellung eines öffent­ lichen Feld- und Waldweges auf der Grundlage des Wcrsserg., des Odlandsg. oder des Flurbereinigungsg. möglich, so müssen die Beteiligten, um einen Feld- oder Waldweg zu schaffen, die in diesen Gesetzen vorgeschriebenen Mittel ergreifen. Nur soweit diese Gesetze keine Möglichkeit güben, sind die G.n zur Herstel­ lung verpflichtet. Hierbei sind jedoch zwei weitere Einschränkun­ gen gegeben. Die G. muß über die benötigte Grundfläche ver­ fügen (Art. 29 VI Schlußsatz) und der Aufwand für die Herstellung des Weges muß, wenn der Pachtschilling für die G.jagd nicht ganz in der G.kasse verbleibt, nach Maßgabe des Art. 2911 auf die Beteiligten umgelegt werden. Daraus folgt (s. Begr. S. 68), daß ein „Zwangsenteignungsrecht zur Herstellung von Feld­ wegen (Kulturwegen), soweit sich dieses Recht nur auf die GO. stützen würde, nicht gegeben ist", und daß die G. nicht angehalten werden kann, die Voraussetzungen des öffentlichen Weges dadurch zu schaffen, daß sie die Verfügungsmacht über die Wegefläche erwirbt, also insbesondere „zur Herstellung von Feldwegen Grund­ stücke zu erwerben" und dafür „einzelnen Gnrndstuckseigentümern Preise zu zahlen, die durch die Sachlage nicht geboten sind". (Begr. S. 68).

Art. 29.

Herstellung der Feldwege.

377

b) Unterhaltung. I. Der RefE. hatte vorgesehen, die G.n auch zur Unterhal­ tung der öffentlichen Feld- und Waldwege zu verpflichten, sie je­ doch zu berechtigen — (nicht zu verpflichten) — den Mfwand aus die Eigentümer land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nach dem Verhältnis der Grundsteuer umzulegen, die für die Grund­ stücke zu entrichten sind. Nach dem RegE., dem das Gesetz in allen wesentlichen Punkten gefolgt ist (vgl. dazu die Ausführungen des Reg.Bertr. BerfA. II, 35), ist die Unterhaltung zunächst den Beteiligten zugewiesen. Nur soweit dre Beteiligten diese Wege nicht ordnungsmäßig unterhalten, sind die G.n dazu ver­ pflichtet, diese Wege zu unterhalten und müssen dann (siehe BerfA. I, 381, Ber. Dr. Samer), wenn nicht der Pachtschilling für die Jagdpacht in der G.kasse verbleibt, den Aufwand aus die Beteiligten nach dem erwähnten Maßstab umlegen. IL Ein öffentlicher Feld- und Waldweg ist nur gegeben, wenn die G. die Wogefläche, wenn auch mit der Beschränkung als öffent­ licher Feld- und Waldweg, ausdrücklich oder stillschweigend dem Gemeingebrauch gewidmet hat. Nur dann ist die Pflicht der G. gegeben, für den Fall, daß die Beteiligten den Weg nicht unter­ halten, für die Instandhaltung zu sorgen, also den Weg zu unter­ halten, und den Aufwand auf die beteiligten Grundstückseigen­ tümer umzulegen. Es fragt sich nun, ob die G. verpflichtet ist, einen von Einzelnen, z. B. auch von einer Kulturgenossenschaft hergestellten Feld- und Waldweg anzuerkennen, also dem Gemeingebrauch, wenn auch mit der erwähnten Beschränkung zu widmen*). Es liegt hier ein ähnlicher Fall, wie bei der An­ erkennung der Ortsstraße vor (s. die Anm. 14 zu Art. 28). Die Mdmung einer nach ihren tatsächlichen Borauss^ungen geschaffe­ nen Ortsstraße zum Gemeingebrauch ist stets eine Maßnahme, „die im Interesse der Allgemeinheit notwendig ist" (vgl. die Anm. 3 e zu Art. 28). Bei den öffentlichen Feld- und Waldwegen wird dies regelmäßig nicht der Fall sein. Es kann aber der Fall sein, wenn ein neu hergestellter Feld- und Waldweg nicht nur dem Nutzen einzelner Grundstückseigentümer, sondern der Allge­ meinheit dient und (z. B. wegen der Neuerschließung eines wesent­ lichen Teils der G.flur, deren Grundstücke im Parzellenbesitz auf die G.einwohner verteilt sind) für die Allgemeinheit notwendig ist. Die Voraussetzung einer solchen Anerkennung ist allerdings nicht etwa nur der Antrag der Beteiligten, also z. B. der Flur-

*) Mrd ein solcher Weg von einer Kulturgenossenschaft her­ gestellt, so ist er Privatweg im Sinne der Anm. Illa zu Art. 28. Bü Flurbereinigungsunternehmungen geht der Weg nach Art. 15III des FlurbereLnigungsg. in das Eigentum der Flurbereinigungs­ genossenschaft über. Diese hat für die dauernde Unterhaltung zu sorgen.

378

I. Gememdeordnung.

bereinigungsgenossenschaft, sondern, daß die G. über die bereits zum Wege ausgebaute Fläche verfügt, daß also von den Beteilig­ ten, die den Weg hergestellt haben, oder von der Genossenschaft des öffentlichen Rechts, in deren Eigentum der Weg steht, das Recht der Verfügungsmacht an die G. abgetreten wird. III. Die Unterhaltung aller öffentlichen Feld- und Waldwege, die die G. ausdrücklich oder stillschweigend dem Ge­ meingebrauch gewidmet hat, ist zunächst den Beteiligten üb erlassen, über den Begriff der Beteiligung s. die nachfol­ gende Anm. 7. Nur soweit die Beteiligten den einzelnen Weg nicht ordnungsmäßig unterhalten, tritt eine Verpflichtung der Ä. ein. Tie G. hat für „die Instandhaltung zu sorgen"*). Diese Sorge kann die G. nur dadurch ausüben, daß sie die nötigen Anordnungen zur Unterhaltung trifft, also selbst die nötigen Maß­ nahmen durchführt. Die G. kann nach Art. 41 Gemeindedienste (Hand- und Spanndienste) anordnen, denn auch die Unterhaltung der Feldwege ist, wenn sie nicht von den Beteiligten ordnungs­ gemäß geschieht, eine Pflichtaufgabe der G. (vgl. für das bisherige Recht BGH. 14, 364 insb. 370). Tie G. kann für diese Dienste den Gemeindedienstpflichtigen eine gewisse Entschädigung leisten, dann sind die Aufwendungen dafür Kosten der Unterhaltung. Tie G. kann die Wege auch durch bezahlte Kräfte im bürgerlichrecht­ lichen Dienst- oder Werkvertrag unterhalten lassen, über die Pflicht der Umlegung dieses Aufwands auf die Beteiligten s. die vorst. Anm. 2bl und die nachfolgende Anm. 6. Kommen die Be­ teiligten nicht selbst ihrer Unterhaltungspflicht nach, so kann die G-, unbeschadet ihrer Verpflichtung, von der Ortschaft fordern, daß *) Im RegE. hieß es, daß die G. „zur Unterhaltung ver­ pflichtet" sei. Entsprechend einem Antrag des Ber. Dr. Samer ist dafür der Ausdruck „für die Unterhaltung Sorge zu tragen" gewählt worden. Nach den Ausführungen des Ber. (BerfA. I, 382, 1) soll damit zum Ausdruck gebracht werden, daß „die Unterhaltsvflicht der Beteiligten grundsätzlich aufrechterhalten bleibt". Die G. soll „keine primäre Verpflichtung" (StM. Dr. Stützel BerfA. I, 380), also nur eine sekundäre Verpflichtung haben. Die Unterhaltung der öffentlichen Feld- und Waldwege ist jedoch eine wenn auch eine nur in zweiter Linie der G. zugewiesene Pflichtaufgabe der G., denn in Art. 41 führt das Gesetz auch in der Fassung durch die Beschlüsse des BerfA. hinsichtlich der Hand- und Spanndienste die Unterhaltung der öffentlichen Wege schlechthin, also auch die Unterhaltung der öffentlichen Feld- und Waldwege, als Pflichtaufgabe der G. (als „gesetzliche Pflichtaufgabe") auf (vgl. die Annt. 1, 3 und 11 zu Art. 41). Die G. muß, wenn die Beteiligten dies nicht tun, die nötigen Maßnahmen entweder durch Hand- und Spanndienste oder durch bezahlte, nach bürgerlichrecht­ lichen Verträgen gewonnene Kräfte durchführen.

Art. 29.

Unterhaltung der Feldwege.

379

diese die Wege unterhalte, wenn die Voraussetzungen des Art. 62II gegeben sind. Dann kann die Ortschaft nach ihrer Wahl (Art. 62II S. 1) die Wege unterhalten und den Aufwand auf die beteiligten Ortseinwohner umlegen. Die Ortschaft kann aber auch nach ihrer Wahl die Unterhaltung ablehnen, muß aber dann „die entsprechenden Aufwendungen der G. ersetzen, soweit die Erträgnisse des Ortschaftsvermögens hierzu ausreichen" (Art. 6211 S. 1).

3. Abzugsgräben sind (Begr. S. 68) „Gräben einfacher Art, die nach allgemeiner landwirtschaftlicher Erfahrung hergestellt werden können, ohne besondere technische Pläne und Maßnahmen zu erfordern".

4.

Beteiligte.

a) Kreis. Die Umgrenzung der Beteiligten ist durch Art. 291 Satz 1 Halbsatz 2 im Gesetz selbst gegeben. Als Beteiligte gelten die Eigentümer der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke, „deren Bewirtschaftung die Wege dienen". Dazu gehören auch die gärtnerisch benützten Grundstücke (Begr. S. 68), es sei denn, daß diese Gärten „der Erholung oder einem sonstigen unwirtschaft­ lichen Zwecke dienen" (BGH. 36, 208). Es kommen nicht nur die angrenzenden Grundstücke in Betracht (VerfA.II, 34), doch muß der Weg für das Grundstück als „Zufahrt oder Abfahrt die­ nen" (BGH. 25, 69 und das dort Angeführte). Wenn eine Flurabteilung von mehreren Feldwegen durchzogen wird, die unter sich im Zusammenhang stehen und ein einheitliches untrennbares Ganze bilden (Wegnetz), so wird in der Regel durch die Beteili­ gung eines Grundstücks an einem der Feldwege auch eine Betei­ ligung dieses Grundstücks an den übrigen Wegen begründet sein (BGH. 25, 68). Nach dem neuen Rechte können nur Grund­ stücke herangezogen werden, die in der gleichen G.markung liegen, denn nur insoweit kommt die Auszahlung des An­ teils des Pachtschillings für die G.jagd, an die das Gesetz nun­ mehr anknüpft, in Betracht (anders für das bisherige Recht BGH. 6, 206; 16, 306, wo auch auf 14, 167 verwiesen wird). Die Eigentümer von Grundstücken, die in einer anderen G.markung oder in einer abgesonderten Markung (in einem ausmärkischen Bezirk) liegen, können nur nach Art. 29II herangezogen werden. b) Maßstab s. die nachfolgende Anm. 6. c) Nichterfüllung der Pflicht. Der beteiligte Grund­ stückseigentümer, der seine Pflicht erfüllt, scheidet für die Um­ legung aus. Die Kosten der Maßnahmen der G. sind dann nach dem Maßstab des Gesetzes auf diejenigen Grundstückseigentümer umzulegen, die ihre Pflicht nicht erfüllt haben. Nach den tat­ sächlichen Verhältnissen wird sich oft der Fall ergeben, daß, wenn ein Grundstückseigentümer sich an der Unterhaltung des

380

I. Gemeindeordnung.

Feldwegs nicht beteiligt, eine ordnungsgemäße Unterhaltung über­ haupt nicht vorgenommen werden kann. Dann hat die (K. den ganzen Feldweg zu unterhalten und die Kosten hierfür auf die an dem Feldweg Beteiligten umzulegen. Hinsichtlich der Strei­ tigkeiten siehe Art. 29IV, nachfolgende Anm. 14.

8. S. die vorstehende Anm. 2 b. 6. Umlegungsverhältnis. Maßstab für die Heranziehung der Beteiligten ist der Betrag der Grundsteuer, mit dem der Eigen­ tümer für das einzelne beteiligte Grundstück veranlagt ist. Wer­ den sämtliche Feld- und Waldwege in der G. von der G. unter­ halten, so sind die Kosten auf sämtliche Grundsteuerpflichtige nach Maßgabe der Grundsteuer umzulegen, mit der die Pflichtigen in der G. mit Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke (nicht für die Hausgrundstücke) veranlagt sind. Er­ faßt werden (VerfA. II, 122) auch die Grundstücke, für die (wie z. B. für die Grundstücke des Staates) keine Grundsteuer ent­ richtet wird, die jedoch zur Grundsteuer veranlagt sind.

7. 8.

Beteiligte Grundstücke. S. die vorstehende Anm. 4 a.

Kostenübernahme durch die Gemeinde. In der Pfalz fließt der „Ertrag der Jagdpachtungen" in die G.kasse (§ 5 der Jagdverordnung v. 21. Sept. 1815, Geib I, 670) und fällt, abgesehen von den Privatjagden (§ 3 dieser V.) den Grundstückseigentümern nicht zu. Im rechtsrheinischen Bayern wird nach Art. 8 des Jagdg. (Bleyer Sammlung S. 82, ZieglerSammlung S. 525) der Pachtschilling in die G.kasse einbezahlt. Er muß zwar den beteiligten Grundstückseigentümern nach dem Maßstab des Art. 9 des Jagdg. (Tagwerkzahl der Grundstücke) ausbezahlt werden, wenn ein Beteiligter einen solchen Antrag stellt. In der überwiegenden Zahl der Fälle verbleibt jedoch man­ gels eines solchen Antrags der Pachtschilling in der G.kasse. Es wäre unzweckmäßig, in solchen Fällen die Beträge einerseits des Aufwands für die Feldwege, anderseits des Anteils am Jagd­ schilling hinüber und herüber zu verrechnen oder gar zu verein­ nahmen und auszuzahlen, wenn der Jagdpachtschilling in der G.­ kasse verbleibt. In solchen Fällen kann deshalb der G.rat (— er muß es aber nicht —) beschließen, daß der Aufwand der G. für die Unterhaltung der Feld- und Waldwege von der G. endgültig getragen wird. Wird nur ein Teil der Feld- und Waldwege von der G. unterhalten, so ist eine Ausscheidung auf die beteiligten Grundstücke vorzunehmen, im übrigen nach der Regel zu verfahren. Zweifelhaft ist es, ob der G.rat, wenn die G. die sämtlichen Feld­ wege unterhält, für einen Teil der Feldwege die Unterhal­ tungskosten auf die Beteiligten umlegen und den Anteil am JagdpachtschMng auszahlen, für einen Teil der Feldwege aber die Wegunterhaltungskosten und den Anteil am JagdpachtschMng ver-

Art. 29. Kostenübernahme durch die Gemeinde.

381

rechnen kann. Zuzugeben ist, daß es im Belieben der G. steht, ob sie von der Heranziehung der Grundstückseigentümer absehen will, wenn der Pachtschitting in der G.kasse verbleibt. Die Heranziehung zu den Kosten der Unterhaltung der Feldwege ist die Auferlegung einer Zwangsleistung. Bei Zwangsleistungen ist (vgl. Art. 44 VI und die Anm. 8 ä zu Art. 44) zu fordern, daß der Grunde satz der Gleichmäßigkeit eingehalten wird und daß wider den Willen eines Beteiligten keine Ausnahme von der Gleichmäßige keit eintritt. Deshalb ist es nur dann zulässig, die erwähnte Schei­ dung vorzrmehmen, wenn kein Beteiligter etwas erinnert. Dagegen kann (vgl. die Vorst. Anm. 4 c) derjenige Grundstückseigentümer, der seiner Unterhaltungspflicht nachkommt, wenn dadurch eine sach­ gemäße Unterhaltung gewährleistet ist, weder zu den Kosten der Feldwegunterhaltung herangezogen, noch ihm die Auszahlung des Anteils am Jagdpachtschilling vorenthalten werden.

9. Vorausleistungen. Das Gesetz gestattet den „Inhaber eines Betriebs" und den Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks" zu besonderen öffentlichrechtlichen Leistungen heranzuziehen, wenn „durch die Führung des Betriebs" oder durch die „Bewirtschaf­ tung oder Ausbeutung eines Grundstücks" ein G.weg oder ein öffentlicher Feld- und Waldweg in außergewöhnlicher Weise ab­ genutzt wird.*) Inhaber des Betriebs ist die Rechtspersönlichkeit, der der Betrieb gehört oder die kraft des bürgerlichen Rechts zum Betrieb berechtigt ist. Dem Inhaber des Betriebs ist gleichgestellt der Eigentümer oder Besitzer (z. B. der Pächter) eines Grund­ stücks, das betvirtschaftet oder ausgebeutet wird, ohne daß es hier­ bei darauf ankommt, ob der Eigentümer oder Besitzer des Grund­ stücks die gleiche Persönlichkeit ist, die eine Betriebstätigkeit durch das Halten von Fahrzeugen entfaltet. Tie öffentlichen Woge sind bestimmt, nach ihrer Zweckbe­ stimmung und Anlage dem Fußgängerverkehr wie dem Fahrzeug­ verkehr aller Art zu dienen. Die Fahrzeuge nützen einen Weg ver­ schieden ab. Lastkraftfahrzeuge und andere Lastfuhrwerke nützen die Straße in ungleich höherem Maße ab, wie sonstige Fahrzeuge. Für die gewöhnliche Mnützung des Weges kann das Land „zu Zwecken der öffentlich rechtlichen Wegeunterhaltung" nach §131

*) Das Gleiche gilt für die Bezirks st raßen nach Art. 2911 BezO. Bei den Ortsstraßen ist dieses Recht nicht gegeben. Da hier die Unterhaltspflicht der G. zusällt und als Grundlage der G.umlagen neben der Grund- und Haussteuer die Gewerbe­ steuer dient, wird in gewissem Umfange der außergewöhnlichen Wnützung der Ortsstraßen schon durch die Höhe der Umlagen zur Gewerbesteuer Rechnung getragen. Zum Gegenstand vgl. meine Ausführungen in den BBBl. 1925, 360.

382

I. Gemeindeordnung.

FAG., RGBl. 19261, 203 eine Wegesteuer erheben. Bayern hat von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht, s. Anm. 11 V z. Art. 28. Im übrigen s. hinsichtlich der Wegezölle, die nur für die kunstmäßig ausgebauten Straßen genehmigt werden, und deren Beschränkung diese Anm. 11V zu Art. 28, S. 355. Der gewöhnlichen Abnützung steht die außergewöhn­ liche Abnützung gegenüber. Nach §131 S. 5 FAG. sind Beiträge (Vorausleistungen) zur Deckung für eine außergewöhn­ liche Abnützung der Wege zulässig. Bon den Kraftfahrz.eugen' wird die Kraftfahrzeugsteuer erhoben, die als reine Zweck­ steuer für die Wegeunterhaltung gestaltet ist. Hinsichtlich der besonderen Abnützung, die die Straßen durch die Kraftfahr­ zeuge gegenüber anderen Fahrzeugen erfahren, wie für die besonderen Aufwendungen, die im Bau und in der Unterhaltung der Straßen für die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs nötig sind, wird noch ein Zuschlag zur Kraftfahrzeugsteuer erhoben*). Durch diesen Zuschlag werden die Beiträge im Sinne des er­ wähnten § 131 S. 5 FAG. abgegolten (s. § 1311 FAG. i. F. d. Art. II § 1 Nr. 1 des G. v. 15. Mai 1926, RGBl. I, 223 u. §191 des Kraftfahrzeugsteuerg. v. 21. Dez. 1927, RGBl. 1512). Zu fra­ gen ist, -ob danach Kraftfahrzeuge aller Art, auch Lastkraftfahrzeuge, für die Anwendung des Art 29II, wie die Anwendung des Art. 29 II BezO., bei der augenblicklichen durch das Roichsrecht gegebenen Rechtslage ausscheiden und nur Fuhrwerke anderer Art in Betracht kommen**). Die Steuer des Reichs für einen Gegenstand schließt nach §21 FAG. jede Abgabe (einerlei ob Steuer oder Gebühr) aus, die den gleichen Steuergegenstand als Quelle betrifft (BGH. 25. April 1928 Nr. 441/27 S. 7, vergl. die Anm. 1 e zu Art. 43, Anm. 11V a zu Art. 28). Gegenstand der Kraftfahr­ zeugsteuer ist nach § 1 des Kraftfahrzeugsteuerges. v. 21. D^. 1927, RGBl. I, 509 die Benutzung von Kraftfahrzeugen zum Be­ fahren öffentlicher Wege. Äeuerschuldner ist nach § 31 S. 1

*) Der Zuschlag betrug für das Jahr 1927: 25 v. H. (vgl. B. v. 28. Febr. 1927, RGBl. I 70). Für das Rechnungsjahr 1928 beträgt er 20, und für das Rechnungsjahr 1929: 15. v. h. (§ 191 des Kraftfahrzeugsteuerg. v. 21. Dez. 1927). **) Der bisherige Art. 28 BG.FAG. i. d. F. v. 30. April 1924 (GBBl. S. 161), der nach Wünschen der Beteiligten als erster Versuch einer dahin gehenden Regelung sich mit den Vor­ ausleistungen befaßte, ist nach § 3 u. § 1 Ziff. 5 d. G. über Än­ derungen zum Vollzüge des FAG. vom 29. Juli 1927 (GVM. S. 268) mit Wirkung v. 1. April 1927 außer Kraft getreten. Frr die Zeit vom 1. April 1927 bis 1. April 1928 konnten also Vor­ ausleistungen nicht erhoben werden.

Art. 2d.

Vorausleistungen.

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grundsätzlich der Eigenbesttzer des Kraftfahrzeuges. Die Voraus­ leistungen nach Art. 2911 GO. und Art. 2911 BezO. werden da­ gegen nicht vom Eigenbesitzer des Kraftfahrzeuges, sondern „vom Inhaber des Betriebes" und dem „Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks" erhoben, wenn durch die Mhrung des Be­ triebes -oder durch Bewirtschaftung oder Ausbeutung des Grundstücks der Weg in außergewöhnlicher Weise abgenutzt wird, einerlei, in wessen Eigentum und Besitz die Fahrzeuge stehen. Die Verwendung bestimmter Fahrzeuge ist also zwar eine Voraussetzung der besonderen Heranziehung zu einer öffentlichrechilichen Leistung, jedoch nicht der Steuergegenstand. Dieser ist der gewerbliche Betrieb oder der land- oder forstwirt­ schaftliche Betrieb (die Bewirtschaftung oder Ausbeutung eines Grundstücks). Danach ist, wenn dies auch zweifelhaft ist, der gleiche Steuergegenstand bei der Krastfahrzeugsteuer und ihren Zuschlägen und der hier in Frage stehenden öffentlichrecht­ lichen Leistung (der Boransleistung) nicht gegeben. Der § 21FAG. steht bei dieser rechtlichen Erwägung dieser besonderen öffentlichrechtlichen Leistung (der Vorausleistung) deshalb nicht im Wege. Auch wenn man etwa die Vorausleistung, soweit Gewerbe in Frage stehen, als „Gewerbesteuer" nach § 8 FAG. ansehen wollte, steht eine reichsrechtliche Schranke aus dieser Gesetzesbestimmung nicht entgegen. 10. Abnützung in außergewöhnlicher Weise.

Es muß eine Abnützung gegeben sein, die über die Be­ nützung des Weges durch andere Fuhrwerke in außergewöhnlicher Weise hinausgeht, sei es durch die besondere Schwere der Fuhrwerke, sei es durch außergewöhn­ liche Häufigkeit (vgl. meine Ausführungen in den BBBl. 1925, 362). Im wesentlichen wird es sich hierbei z. B. um besondere Holz­ abfuhr einschließlich der Abfuhr von Wurzelstöcken (BerfA. I, 386) oder um die Abfuhr der Steine eines Steinbruchs oder einer größeren Kies- oder Sandgrube, dann um Arbeiten aus Anlaß besonderer Hoch- oder Tiesbauten handeln. 11. Besondere Vorausleistungen.

a) Personenkreis. Es können herangezogen werden einerseits der Inhaber des Betriebes, andererseits der Eigentümer oder Besitzer, z. B. der Pächter des Grundstücks, von dem aus die Abfuhr erfolgt, die eine außergewöhnliche Abnützung des Weges darstellt (vgl. die vorst. Anm.9). Atte haften als Gesamtschuldner nach Wahl der G. (vgl. VerfA. I, 386 r). Auch der Staat macht (ab­ weichend von Art. 28 des VG.FAG. in der Fassung v. 30. April 1924, vgl. Berf. I, 387,390, da den dort geäußerten Bedenken nicht ent­ sprochen wurde) keine Ausnahme. Der Staat kann sowohl als Inhaber eines Betriebes, wie als Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks (Staatswald) in Frage kommen, von dem aus die

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I. Gemeindeordnung.

Abfuhr erfolgt, die eine außergewöhnliche Abnützung des Weges darstellt. Auch auf den Ort des Betriebes oder des Grund­ stücks, von dem aus die Abfuhr erfolgt, kommt es hier nicht an. Der Betrieb, wie das Grundstück können in einer anderen G., oder in einer abgesonderten Markung liegen (vgl. die Anm. 3 zu Art. 4, S. 158). Der Anspruch der G. ist auch gegeben, wenn der Ort des Betriebs oder das in Frage kommende Grund­ stück, von dem aus die außergewöhnliche Abnützung erfolgt, nicht in Bayern liegt (s. darüber Bleyer S. 117 Anm'. 5 zu Art. 28 und 29 FAG.). b) Höhe und Art der Vorausleistung. Wie Bleyer S. 116 Anm. 3 zu Art. 28 und 29 FAG. zutreffend ausführt, geht der Anspruch seinem Wesen nach auf Ersatz oder Aus­ gleich durch eine besondere Leistung des Betriebsinhabers oder Grundstückseigentümers. Ein Verschulden ist keine Voraus­ setzung des Anspruchs. Schuldhafte Verletzungen der Straße, insbesondere durch Verletzung polizeilicher Schutzvorschriften geben der G. oder dem Bezirk einen Anspruch nach dem bürgerlichen Rechte (§§ 823 ff. BGB.), der vor den bürgerlichen Gerichten geltend zu machen ist (vgl. Bleyer a. a. O.). Im Gegensatz zum bisherigen Art. 28 des BG.FAG. hat das Gesetz weder über die Art der Vorausleistungen, noch über deren Höhe etwas be­ stimmt, insbesondere ist keine Höchstgrenze festgelegt. Be­ deutungslos ist es auch, ob die Pflichtigen in einer anderen G. wegen außergewöhnlicher Abnützung von öffentlichen Wegen im Bezirke dieser G. zu Vorausleistungen herangehalten werden oder nicht. Die Vorausleistungen können Sachleistungen (z. B. die Anfuhr von Straßenschotter, s. meine Ausführungen BBBl. 1925, 364- oder Geldleistungen sein. Die Höhe der Leistungen darf höchstens den Aufwand erreichen, der notwendig ist, um die durch die außergewöhnliche Abnützung der Straße zuge­ fügten Schäden wieder gut zu machen. Es ist „selbstverständlich, daß die Vorausleistungen nur zu den Zwecken verwendet werden dürfen, für die sie erhoben werden". (RegBerrr. ORR. Dr. Boyl BerfA. II, 33 r.) 12. Vorschriften des SIM. d. Innern. Die Vorschriften werden sachlich Rechtsverordnungen auf Grund des Gesetzes. 13. Erhebung, Beitreibung. Für die Erhebung und Beitreibung gelten die Art. 18 u. 19 des VG.FAG. (GVBl. 1927, 287). Näheres s. Bleyer S. 101 ff.; Hammer S. 81 ff. Die Festsetzung der Vorausleistlmg hat durch den G.rat *- oder durch einen beschließenden Ausschuß zu er*

*) Bei Bezirksstraßen gemäß Art. 211 Z. 4 BezO. durch den Bezirkstag, doch kann Übertragung der Befugnis an den Be-

Art. 30. Grundstockvermögen.

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folgen. Der säumige Schuldner ist vom Gemeindeeinnehmer zu mahnen (Art. 1911 a. a. O.). Bleibt die Mahnung erfolglos, so kann die G. nach Art. 19, II, III a. a. O. Vollstrecken. Da Sach­ leistungen danach nicht vollstreckt werden können, ist es notwendig, bei Auflegung von Sachleistungen gleichzeitig eine Geldsumme als Ersatzleistung zu bestimmen.

14.

Streitigkeiten. Nach Art. 143II ist zuständig im ersten Rechtszug die Staats­ aufsichtsbehörde der G.**). Im zweiten Rechtszug entscheidet in allen Fällen der BGH. Es gelten die Vorschriften des VGG. über Berwaltungsrechtssachen. Der Beschluß des G.rats, der eine Vorausleistung festsetzt, ist lediglich eine Parteierklärung der G. (f. die Anm. 3d zu Art. 21). Es läuft deshalb auch gegen den Beschluß keine Frist. Die Sache wird rechtshängig erst, wenn das Berwaltungsgericht des ersten Rechtszugs (also die Staatsaufsichts­ behörde als Berwaltungsgericht) angerufen wird. Siehe hierüber die vorstehende Anm. 2 a, hinsichtlich des Begriffs der Abzugsgräben s. die vorstehende Anm. 3.

15.

Art. 30. 'Das Grundstockvermögen1 ist in seinem Bestände un­ geschmälert zu erhalten/ soweit es nicht als angesammeltes Zweckvermögenb dem bestimmten Zwecke zugeführt wird. Zum GrundstockvermKgen gehören alle Werte, die nicht zur Veräußerung oder zum Verbrauch im Haushalte der Gemeinde bestimmt sind> »Wird Grundstockvermögen veräußert/ so ist der Er­ lös dem Grundstockvermögen zuzuführen. Werden Grund­ stücke veräußert/ so sind Grundstücke zu beschaffen. Wird Grundstockvermögen geschmälert/ so ist es in angemessener Zeit durch Zuweisung aus Wirtschaftsmitteln8 zu ersetzen. Von diesen Vorschriften kann aus wichtigen Gründen abge­ wichen werden/ wenn die Staatsaufsichtsbehörde hiergeUen keine Erinnerung erhebt. Mit Genehmigung der Staats­ aufsichtsbehörde kann Grundstockvermögen unentgeltlich ver­ äußert toerben.10 zirksausschuß erfolgen, Art. 21II BezOfür dringende Fülle s. Art. 21III BezO. *) Bei Bezirksstraßen nach Art. 143II GO., Art. 45 BezO. der Regierungssenat. Lasorct«v.Jan-Schadensroh, ©emtinbeorbnimg. 25

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I. Gemeindeordnung.

in Die Verteilung von Bestandteilen des Grundstockvermögens 11 kann vom Gemeinderate nur mit einer Mehr­ heit von zwei Dritteln seiner Mitglieder und nur dann be­ schlossen werden?^ wenn dadurch eine erhebliche Steigerung des Ertrags gewährleistet wird.^^ Den Kreis der Berech­ tigten^ bestimmt Art. 32 Satz 3. Die Verteilung bedarf der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde.Das Eigentum geht mit dieser Genehmigung über.^o RefE. Art. 30; RegE. Art. 30; VersA. I, 391 ff.; II, 38; StenBer. 178 ff., 207.

1. Grundstockvermögen. a) Das Vermögen der G.n, einerlei ob es Grundstockvermögen oder sonstiges Vermögen ist, steht unter besonderem ver­ fassungsmäßigem Schutz. Eine Enteignung kann auch durch das Reich nur gegen Entschädigung erfolgen (Art. 153II S. 4 RV.). Eine Ausnahme wäre nur durch verfassungsänderndes Reichsgesetz (Art. 76 RV.) möglich. Für Bayern bestimmt § 22 2311., daß das Vermögen der G.n und G.verbände unter keinem Vor­ wand zum Staatsvermögen gezogen werden kann. Das gilt so­ wohl für die Gesetzgebung, wie für etwaige Maßnahmen nach Art. 48IV und II RV., § 67 VU. Die Enteignung von G.vermögen ist nur zum Wohl der Allgemeinheit, auf gesetzlicher Grundlage und gegen Entschädigung möglich (Art. 153II RV.). Wegen der Höhe der Entschädigung ist im Streitfall der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten gegeben, soweit Reichsgesetze nichts anderes bestimmen (Art. 153II S. 3 RV.). Mit dieser Beschränkung unterliegt (s. meine Ausführungen zum Zwangsabtretungsgesetz S. 29) das Eigentum der G.n und G.verbände der Zwangsent­ eignung wie anderes Eigentum. Die Vorschriften des Gesetzes über das G.vermögen, insbesonders über das Grundstockvermögen, gelten ohne Rücksicht darauf, ob sich das Vermögen innerhalb des G.bezirks oder außerhalb des G.bezirks befindet und ob es innerhalb oder außerhalb*) Bayerns und des Deutschen Reichs liegt (vgl. VGH. 12, 490). b) Grundstockvermögen ist die Gesamtmenge der Vermögensbestandteile der G., die nicht zum alsbal­ digen Verbrauch bestimmt, sonach „Wirtschaftsmit­ tel" im Sinne des Gesetzes sind. Es ist der gleiche Begriff, wie er in § 47 III VU. verwendet ist. Um die Zweifel über die Aus­ legung des Begriffs**) zu beseitigen, spricht das Gesetz in Art. 30

*) Was z. B. hinsichtlich einer G.waldung der Fall sein kann. **) Im gleichen Sinn wie hier hinsichtlich der Auslegung des § 47 s. Rothenbücher S. 15, von Jan S. 106; Kratzer S. 145.

Art. 30. Gruickstockverrnögen.

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Satz 2 ausdrücklich aus, daß alle Werte zum Grundstockvermögen gehören, die nicht zur Veräußerung oder zum Verbrauch im Haus­ halt der G. bestimmt sind. Es ist hierbei ohne Erheblichkeit, ob ein Bermögensbestandteil zum Verwaltungsvermögen oder zum Finanzvermögen der G. gehört**). Auch das angesammelte Zweckvermögen (s. nachfolgende Anm. 3) ist Grund st ockvermögen. Das Gesetz bestimmt zwar, daß für dieses Zweck­ vermögen der Grundsatz der Erhaltung des Wertes nur soweit gilt, als nicht dieses Vermögen dem bestimmten Zwecke zugeführt wird. Aber wie die Begr. S. 68 ausspricht, daß „solche Fonds als Grundstockvermögen gelten", so führt das Gesetz auch in seiner Wortfassung dieses angesammelte Zweckvermögen ausdrücklich als Grundstockvermögen auf. Es bezeichnet das angesammelte Zweck­ vermögen als eine Art des Grundstockvermögens und gibt nur hinsichllich der Verwendung die Ausnahme, daß dieses Vermögen ohne Erhaltung seines Wertes für die G. aufgezehrt werden kann, wenn es dem bestimmten Zweck zugeführt wird. Es ist irrig, loenn StM. Dr. Stützel wie der Abg. Dr. Roth (BerfA. I, 393) einen begrifflichen Unterschied zwischen Grundstockvermögen und Zweckvermögen annahmen. c) Für die Eigenschaft als Grundstockvermögen ist es unerheb­ lich, ob es sich um unbewegliche oder bewegliche Sachen oder um Forderungen handelt. Zum Grundstockvermögen gehören nicht nur die Grundstücke der G. und deren wesentliche Bestandteile, insbe­ sondere die Gebäude, sondern auch deren Zubehör, insbesondere die

Der Ber. (BerfA. I, 391) erachtete als Grundstockvermögen oder Stammvermögen „jene G.vermögensbestandteile, welche die Be­ stimmung haben, wenigstens ihrem Wert nach der G. dauernd er­ halten zu bleiben". Diese Bestimmung, die zugleich zutreffend den Rechtsgedanken des Art. 301 und II wiedergibt, führt zum gleichen Ergebnis. *) In der Scheidung des Vermögens der öffentlichen Körper­ schaften in öffentliche Sachen, Berwaltungsvermögen und Finanz­ vermögen, wie sie auch Seydel-Graßmann S. 141, 143 aufsührt, hat der Begriff der „öffentlichen Sachen" zu entfallen. Die Er­ örterung hierüber muß dem großen Kommentar Vorbehalten bleiben. Berwaltungsvermögen ist das Vermögen, das, wie die öffentlichen Gebäude, Wege und Plätze, unmittelbar zur Erfüllung der Zwecke der örtlichen Gemeinschaft dient, ohne grundsätzlich nach seiner überwiegenden Bestimmung einen Geldertrag abzu­ werfen. Finanzvermögen ist das Vermögen, das wie z. B. der Be­ sitz an Wäldern oder landwirtschaftlichen Grundstücken, grundsätz­ lich der G. eine Einnahme gewähren soll, wenn der Bermögensgegenstand daneben auch noch zu anderen Zwecken der örtlichen Gemeinschaft (z. B. zur Erholung der G.angehörigen, Schaffung von Bauland, zu Lehrzwecken) dienen kann.

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I. Gemeindeordnung.

Inneneinrichtung von dauerndem Werte, dann alle dinglichen und obligatorischen Rechte, die nicht zur alsbaldigen Verwertung be­ stimmt sind. Dazu zählen insbesondere Wertpapiere aller Art, die Sachenrechte (Erbbaurechte, Hypotheken, Grundschulden, Renten­ schulden, auch Nießbrauch und Grunddienstbarkeiten wie dingliche Verkaufsrechte), auch Forderungen, insbesondere Darlehen, die nicht im laufenden Geschäftsverkehr erwachsen. d) Nicht zum Grundstockvermögen gehört dessen Ertrag. Doch kann die G. z. B. bei einem angesammelten Zweckvermögen bestimmen, daß auch dessen Zinsen Zweckvermögen und damit Grundstückvermögen werden sollen. Dann wird der Ertrag mit dem Anfall ohne weiteres Grundstockvermögen. Nicht zum Grund­ stockvermögen gehört alles Vermögen, das, wie z. B. die Kassen­ bestände, die Erträgnisse der G.wälder und des sonstigen Finanz­ vermögens wie Verwaltungsvermögens, die Forderungen aus einem laufenden Geschäftsverkehr zum alsbaldigen Verbrauch oder zum Umsatz in Geld und darauffolgenden Verbrauch oder zur sonstiger alsbaldiger Verwertung bestimmt ist. Das Gesetz faßt diesen Tell des G.vermögens, den Gegensatz zum Grundstockver­ mögen, unter der Bezeichnung „Wirtschaftsmittel"zusammen.

2. In seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. a) Den leitenden Gedanken des Gesetzes hat der Ber. zutreffend wiedergegeben, als er (BerfA. I, 391) ausführte, daß das Grundstockvermögen, feinem Werte nach der G. dauernd erhalten bleiben muß. Wird durch ein Rechtsgeschäft der G. dieser Wert vermindert, so muß durch andere Maßnahmen die Einbuße des Wertes wieder ausgeglichen werden. Entscheidend ist der Verkehrswert, nicht (z. B. für einen Kunstgegenstand) der Liebhaberwert. Wird durch ein Rechtsgeschäft der wirtschaftliche Wert eines Grundstücks erheblich herabgesetzt, ohne daß durch alsbaldige Maßnahmen (z. B. durch die Anpflanzung neuer Pflanzen nach einem Holzabhieb) der spätere gleiche Ertrag vor­ bereitet wird, so wird das Grundstockvermögen geschmälert. Wird beispielsweise durch die Ausgrabung des Tons und des wertvollen Klebsandes aus einem gemeindlichen Grundstück der wirtschaftlich bedeutsamste Wert des Grundstücks weggenommen, so liegt gewiß der Bezug einer „Frucht" des Grundstücks nach § 99 BGB. vor. Aber es entsteht dadurch auch eine dauernde Schmälerung des Wer­ tes des Grundstockvermögens, die tunlichst durch Ankauf von Grundstücken (Art. 3011 S. 2, nachfolg. Anm. 5) andernfalls durch sonstige Beschaffung von Grundstockvermögen wieder ausgeglichen werden muß. Nur rechtsgeschäftliche Verfügungen verpflichten zum Wertersatz, nicht etwa ein Verlust durch die Geldentwertung, wie er durch den Währungszusammenbruch entstanden ist. Aus­ nahmsweise kann mit Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde jedoch Grundstückvermögen unentgeltlich veräußert werden,

Art. 30. Zweckvermögen.

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so daß dem Grundstockvermögen kein Wertersatz gegeben zu werden braucht (Art. 3011 Schlußsatz, s. nachfolgende Anm. 10). b) Für die Art Les Wertersatzes im einzelnen gibt Abs.II nähere Vorschriften. Ihre Einhaltung ist „bindend" (Begr. S. 68) und „gesetzliche Verpflichtung" der G. im Sinn des Art. 60 I. Die Staatsaufsichtsbehörde hat die Einhaltung nach Art. 60 zu überwachen und gegebenenfalls zu erzwingen. Anlaß zur Prüfung wird insbesondere (vgl. BerfA. I, 393, 394) die Rechnungsprü­ fung geben. Die Verletzung der Vorschriften macht die Mitglieder des G.rats haftbar (s. hierüber S. 196, 201, 219 und 228). So­ weit eine dienststrafrechtnche Möglichkeit besteht (s. hierüber S. 196, 201, 218), kann wegen Verletzung der Amtspflichten vorgegangen werden. Dagegen kommt der Staatsaufsichtsbehörde grundsätzlich (von den Ausnahmen in Art. 61 abgesehen), keine Befugnis zu, das einzelne Rechtsgeschäft des verfassungsmäßigen Vertreterder G., im Regelfall des G.rats, zu genehmigen, wenn dieser über einen Bestandteil des Grundstückvermögens eine rechtsgeschäfttiche Verfügung trifft. Die G.n können, abgesehen von den Fällen des Art. 61, ohne daß es hierzu einer Mitwirkung der Staatsaufsichts­ behörde in Ausführung der Schutzgewalt bedarf, „rechtswirksam Grundstockvermögen veräußern" (Ber. Dr. Samer BerfA. I, 391 im Anschluß an die Begr. S. 68). Es bedarf also insbesondere, vmt den erwähnten Sonderfällen abgesehen, keiner Genehmigung, wenn die G. ein Grundstück rechts geschäftlich gegen Entgelt übereignet. Das Gleiche gilt für den Fall, daß durch ein Rechtsgeschäft (vgl. die Vorst. Anm. a) der Berkehrswert eines Grundstückes gemindert wird, es sei denn, daß es sich um eine Belastung des Grundstücks mit einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld handelt. Hier ist nach Art. 611 Z. 4, soweit es sich nicht um Kaufsschillingsreste handelt, die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde notwendig.

3. Angesammeltes Zweckvermögen. Wird zur Durchführung großer Aufgaben, z. B. zum Bau eines Schulhauses, einer Wasserleitung ein Fonds angesammelt, so wird dieser Zweckvermögen im Sinn des Gesetzes. Das Gleiche gilt, wenn bei werbenden Betrieben insbesondere zur Erneuerung des Werks, oder eines Teiles dieses Werkes z. B. der Maschinen, ein Erneuerungsfonds oder ein Fonds mit ähnlicher wirtschaftlicher Zweckbestimmung angesammelt wird (vgl. Begr. S. 68). Das Gesetz bestimmt, daß solche Fonds, einerlei, ob der G.rat diesem Fonds die Bestimmung des Grundstockvermögens gibt oder nicht, als Grundstockvermögen zu gelten haben. Es ist hierbei bedeutungslos, in welcher Art, z. B. in Form von Bankguthaben oder durch An­ kauf von Wertpapieren oder in anderer Art diese Fonds ange­ sammelt werden. Der G.rat kann deshalb grundsätzlich ein Zweck­ vermögen dieser Art nicht wieder aufzehren und den Betrag für

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I. Gemeindeordnung.

andere Zwecke verwenden. Dies ist nur ausnahmsweise, „aus wichtigen Gründen" zulässig, „wenn die Staatsauffichtsbehörde hiergegen keine Erinnerung erhebt"" (Art. 30II S. 4). Wird das Zweckvermögen seinem Zweck zugeführt, also z. B. damit ein Schulhaus, eine Wasserleitung gebaut, die Neueinrichtung der Maschinen eines werbenden Betriebs durchgeführt, so scheidet das Zweckvermögen aus dem Grundstockvermögen aus. Von einer Ersatzpflicht der G. zum Grundstockvermögen kann keine Rede sein. Bon diesen von der G. selbst angesammelten Zweckvermögen zur Durchführung eines bestimmten Zweckes sind zu scheiden solche Zweckvermögen, die kraft privatrechtlicher Wil­ lensbestimmung z. B. kraft eines Schenkungsvertrages oder einer letztwilligen Verfügung, einer Stiftungsurkunde dauernd oder vorübergehend einem bestimmten örtlichen Zweck gewidmet worden sind. Ein solches Zweckvermögen ist Stiftung im Rechtssinn, wenn die Stiftung nach § 80 BGB., Art. 128 GO. eigene Rechts­ persönlichkeit erlangt. Dann gelten die Art. 127 ff. Es kann auch Stiftungszufluß nqch Art. 127 sein. Ist beides nicht der Fall, so gehen diese Bermögensbestandteile in das Grundstockvermögen der G. über. Sie können nur nach Maßgabe der vorstehenden Anm. 2 und der nachfolgenden Anm. 5 und 7 geschmälert oder aufgezehrt werden. Zweckvermögen besonderer Art ist auch das Vermögen, dessen Ertrag besonderen Aufgaben der G., sei es im übertragenen, sei es im eigenen Wirkungskreis, zu dienen bestimmt ist, so das Finanzvermögen der G., das ausschließlich für Zwecke der Schule bestimmt ist, der „Lokalschulfonds"" (Meinzolt S. 119, 120), dann das „für Armenzwecke ausgeschiedene G.vermögen (Armen­ vermögen)"" nach Art. 35, 36II des Armeng. Auch diese Zweckvermögen sind Grundstockvermögen nach Art. 30; die Ver­ wendung ihrer Erträgnisse bestimmt sich nach den besonderen Vor­ schriften und der Verfügung der G. Dagegen ist der „Betriebs­ fonds", der die ungestörte Fortführung des G.hnushalts bei vorübergehender Einnuhmestvckung ermöglichen soll, wie er den G.n durch die MB. v. 11. Okt. 1907 über die gemeindliche An­ leihewirtschaf i (MABl. S. 484) nahegelegt ist, in manchen G.n auch „eiserner Bestand", beim Staate „Berlagskapital" ge­ nannt, zwar ein Zweckvermögen, aber er gehört nicht zum Grund­ stockvermögen der G.; denn sein Zweck besteht darin, damit zu „wirtschaften"". Er ist also auch je nach dem wirtschaftlichen Be­ dürfnis aufzuzehren. Seine Wiederauffüllung ist finanzwirtschaft­ lich unerläßlich, rechtlich jedoch nicht notwendig. 4. S. hierüber die vorstehende Anm. 1. S. Veräußerung des Grundstockvermögens.

Wie in vorstehender Anm. 1 ausgeführt ist, gibt Abs. II die nähere Erläuterung des Grundsatzes, wie das Grundstockver-

mögen in seinem Werte zu erhalten ist. Wird bewegliches oder unbewegliches. Grundstockvermögen gegen Entgelt veräußert, so ist (vgl. vorstehende Anm. 2) nur dann eine Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde erforderlich, wenn es sich um Gebäude oder sonstige unbewegliche oder bewegliche Gegenstände aus älterer Zeit handelt, deren Erhaltung wegen ihres geschichüichen, wissen­ schaftlichen oder Mertumswerts für die Allgemeinheit von Bedeu­ tung ist oder eine sonstige im gleichen Art. 611 Z. 5 genannte Maßnahme handelt. In jedem Fall aber, auch trenn die G. nach ihrem Ermessen handeln kann, ist der Erlös dem Grundstock­ vermögen zuzuführen. Der Erlös darf also nicht z. B für Arbeitslosenunterstützungen aufgebraucht werden, sondern er muß der G. in einem tunlichst gleichen Wert erhalten bleiben. Handelt es sich um bewegliche Sachen oder um Rechte, so ist es nicht notwendig, Werte gleicher Art zu beschaffen. Der Erlös von Wertpapieren kann z. B. in Grundstücken angelegt werden. Nur hinsichtlich der Grundstücke selbst gibt das Gesetz die bindende Weisung, daß aus ihrem Erlös wieder Grundstücke beschafft werden sollen. Der Grundbesitz der G. soll tunlichst erhalterr bleiben. Das gilt auch dann, iwenn die G. in der Ausübung ihrer Wohnungsbau­ bestrebungen (vgl. BerfA. I, 392, 393, 394) Gelände kauft und dieses naturgemäß in kleinen Teilen an die Baulustigen veräußert. Auch dieses Gelände ist Grundstockvermögen. Wohl kann keine Rede davon sein, daß etwa der Erlös der einzelnen Grundstücke eines solchen Baulands sofort wieder zum Erwerb einer gleich großen Grundstücksfläche verwendet werden muß und das die G., weil dies aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich ist, Hierwegen um Genehmigung nach Art. 30II S. 4 bei der Staatsaufsichts­ behörde nachkommen müsse. Jedoch der Gesamterlös des verkauften Baulandes muß wieder baldmöglich in Grundstücken angelegt wer­ den, es sei denn, daß wichtige Gründe entgegenstehen und die Staatsaufsichtsbehörde keine Erinnerung erhebt (s. nachfolgende Anm. 9). Ausnahmsweise können Bestandteile des Grundstocksvermögens verteilt werden, s. darüber die nachfolgende Anm. 11; ausnahms­ weise kann das Grundstockvermögen unentgeltlich veräußert wer­ den, s. darüber die nachfolgende Anm. 10. 6. S. die vorstehende Anm. 5. 7. Schmälerung des Grundstocksvermögens. Veräußert die G. Grundstockvermögen, erhält aber dafür einen Entgelt, der nach seinem wirtschaftlichen Werte dem veräußerten Grundstockvermögen nicht entspricht, so wird der Grundsatz verletzt, das Grundstockvermögen in seinem Werte erhalten zu müssen. Ein Beispiel gibt die Begr. S. 68 nach vorgekommenen Fällen, daß die G. an Stelle von wertvollen Grundstücken Aktien erhalten hat, die nach sachverständigem Urteil nur einen sehr geringfügigen wirtschaftlichen Gegenwert darstellen. In solchem Fall hat die G.

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I. Gemeindeordnung-

die Pflicht, durch laufende Mittel des G.haushaltes den früheren Gesamtwert ihres Grundstockvermögens wieder herzustellen. Sie muß also in der Höhe der Schmälerung „Wirtschaftsmittel" z. B. Erträgnisse des Grundstockvermögens oder Teile der aus Steuern fließenden Einkünfte zur Ergänzung des Grundstockvermögens ver­ wenden. Da auch hier eine sofortige Maßnahme unwirtschaftlich sein kann, hat das Gesetz für die Erfüllung der Pflicht eine „angemessene Zeit" vorgesehen. Die Bemessung der Zeit kommt zunächst der G. selbst, im übrigen der Staatsaufsichts­ behörde zu.

8. Wirtschaftsmitlel. Das Gesetz gibt hier selbst eine Bezeichnung des Gegensatzes des Grundstockvermögens, s. hierzu die Anm. 1 d.

9. Abweichungen vom Grundsatz. Nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit wie bei Notlagen der G. kann in besonderen Fällen ein wichtiger Grund gegeben sein, von der Regel abzuweichen, daß das Grundstockvermögen in seinem Gesamtwerte erhalten werden muß. Ob ein solcher wichtiger Grund gegeben ist, hat zunächst die G. zu bemessen. Die Prüfung kommt weiter der Staatsaufsichtsbehörde zu. Der Anlaß hierzu ergibt sich regelmäßig (vgl. VerfA. I, 393, 394) bei kreisunmittelbaren G.n aus Anlaß der staatsaufsichtlichen Wür­ digung der G.rechnungen nach Art. 47III S. 2, bei mittelbaren G.n aus Anlaß der Rechnungsprüfung nach Art. 47III S. 3. Doch kann sich (das ist in den Ausführungen des Ber. VerfA. I, 395 übersehen) z. B. durch Vorstellung von Beteiligten auch außer­ halb der Würdigung oder Prüfung der G.rechnungen die Pflicht der Staatsaufsichtsbehörde ergeben, zu den Abweichungen vom Gesetz Stellung zu nehmen. Da, abgesehen von unentgeltlichen Veräußerungen und den Sonderfällen des Abs. III, zum Rechtsgeschäfte der Veräußerung oder Minderung des Grundstockvermögens keine Genehmigung not­ wendig ist, kann die Würdigung der Staatsaufsichtsbehörde nie­ mals dazu führen, das Rechtsgeschäft selbst in seinem Bestand zu berühren. Die Würdigung der Staatsaufsichts­ behörde hat also auch hier niemals unmittelbare Wirkung gegen Dritte. Die staatsaufsichtliche Würdigung kann nur dahin gehen, die G. zu veranlassen, gegebenenfalls zu zwingen, mit dem Erlös gesetzesgemäß zu verfahren und ihn den Grundstockvermögen zuzu­ führen oder bei Schmälerung Wirtschaftsmitlel zur Auffüllung des Grundstockvermögens zu verwenden. Welche Maßnahme ver­ anlaßt ist, ist Frage des staatsaufsichtlichen Ermessens (vgl. VerfA. I, 393). Der G. steht es frei, in besonderen Fällen vor der Veräußerung oder Schmälerung des Grundstockvermögens bei der Staatsaufsichtsbehörde nach deren Meinung zu fragen. Eine Verpflichtung der G. hierzu besteht in keinem Fall. Hinsichtlich

Art. 30.

Berteilung.

der Anrufung des BGH. im Fall des staatsaufsichtlichen schlusses s. Art. 60.

393 Be­

10« Unentgeltliche Veräußerung. Die Rücksicht auf die örtliche Gemeinschaft kann es erfordern, daß die G., um ein Unternehmen (z. B. den Bau einer Kirche, einer höheren Schule, eines Krankenhauses, die Errichtung von Kleinwohnungen) zu ermöglichen, unentgeltlich*) Grundstücke über­ eignet, oder auf Rechte, die zu ihrem Grundstockvermögen gehören, unentgelMch verzichtet. Das Gleiche kann zugunsten privater Unternehmungen (z. B. zur Ansiedelung von Industrie) der Fall sein. Hier hat das Gesetz einen den Art. 42 und 61 gleichgestellten Sonderfall gegeben, nach dem zur Rechtswirksumkeit des bürger­ rechtlichen Rechtsgeschäfts die Mitwirkung der Staatsaufsichts­ behörde notwendig ist; das Nähere s. hierüber in der Anm. 1 c VI zu Art. 1 S. 139. 11« Verteilung von Bestandteilen des Grundstockvermögens. Der Art. 30III will „die Grundgedanken der Art. 27 und 28 rrh. GO. (Art. 20 und 21 Pf. GO.), in einfacher, den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechender Form erhalten". (Begr. S. 68). Erfaßt werden, wie im bisherigen Recht nur Grundstücke, nicht etwa auch bewegliches Vermögen des Grundstockvermögens. Das ergibt der Wortlaut des Gesetzes, der eine erhebliche Steige­ rung des Ertrags fordert, also Grundstücke voraussetzt, endlich auch der Schlußsatz, der den Eigentumsübergang abweichend vom sonstigen Liegenschaftsrechte der Grundstücke .regelt, also nur Grundstücke im Auge haben kann. Erfaßt werden jedoch die Grundstücke selbst, nicht wie in den Art. 32—34, 144—147 deren Erträgnisse. Auch G.waldungen (insbeson­ dere Niederwaldungen, „Auen") sind nicht ausgenommen. Sollen sie gänzlich oder teilweise gerodet werden, gilt für die Landesteile r. des Rheins Art. 34 des ForstG., für die Pfalz die B. v. 15. Dez. 1814, Geib I, 257. Die Verteilung ist nur unter besonderen Erschwerun­ gen möglich. Zwar bedarf es nicht mehr der Zustimmung der Mehrheit der in den G. Wahlberechtigten. Zum Beschluß über die Verteilung ist allein der G.rat zuständig. Sein Beschluß ist jedoch nur gültig, wenn zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl des G.rats (s. hierüber die nachfolgende Anm. 12) dem Beschluß zuge­ stimmt haben. Der Beschluß kann sachlich nur gefaßt werden, wenn durch die Verteilung eine erhebliche Steigerung des Ertrags

*) Im Abdruck der Ausführungen des StM. Dr. Stützel BerfA. I, 393 ist ein irreführender Druckfehler zu berichtigen. Es muß in Zeile 16 von unten heißen: „zur entgeltlichen Ver­ äußerung", nicht „zur unentgeltichen Veräußerung" ist die G. frei ermächtigt.

394

I. Gemeindeordnung.

der in Frage stehenden Grundstücke gewährleistet ist (s. darüber die nachfolgende Anm. 13). Die Verteilung bedarf der Geneh­ migung der Staatsaufsichtsbehörde (s. darüber die nachfolgende Anm. 14). Hinsichtlich der Streitigkeiten s. die nachfolgende Anm. 16. Eine Verteilung ist, wie sich aus dem Schlußsatz dieses Absatzes ergibt, der den Übergang des Eigentums regelt, nur möglich in der Art, daß die in Frage stehende Fläche aufgeteilt und in das Eigentum der Berechtigten überführt wird. Eine Ver­ teilung zur Nutznießung nach dieser Gesetzesbestimmung ist unzulässig. Sollte dies erfolgen, so werden Nutzungen nach Art. 32 gewährt. Die Zulässigkeit und die Durchführung bemessen sich dann nach dieser Bestimmung. Das Gesetz schließt es dagegen nicht aus, die Zuteilung des Eigentums von der Zahlung einer bestimmten Summe an die G. abhängig zu machen. Doch besteht keinerlei Verpflichtung des einzelnen Berechtigten, das Eigentum zu erwerben (vgl. hierzu die nachfolgende Anm. 16). Das Ausgeführte gilt entsprechend für Verteilung von Be­ standteilen des Grundstockvermögens einer Ortschaft. Nur tritt hier der Ortsausschuß einschließlich des Ortspflegers an die Stelle des G.rats.

12. Beschluß des G.rats. Dem Beschluß müssen zwei Drittel der gesetzlichen Mitglieder­ zahl des G.rats zustimmen. Es müssen also auch mindestens zwei Drittel dieses Personenkreises bei der Fassung des Beschlusses nnwesend sein. Zur gesetzlichen Mitgliederzahl gehören die sämt­ lichen B. und die ehrenamtlichen G.ratsmitglieder und falls ein berufsmäßiges G.ratsmitglied in der G. vorhanden ist und seine Geschäftsaufgabe wesentlich berührt wird (s. hier S. 204), auch dieses Mitglied. Der Umstand, daß die einzelnen Mitglieder des G.rats von der Verteilung einen Vorteil haben, hindert sie an der Beschlußfassung nicht, da keine unmittelbare persönliche Betei­ ligung im Sinn des Gesetzes gegeben ist (f. hier S. 266).

13. Erhebliche Steigerung des Ertrags. Die Verteilung ist nur zulässig, wenn durch die Überführung der Grundstücke aus dem Eigentum der G. in das Eigentum der einzelnen Berechtigten die wirtschaftliche Ausnutzung der in Frage stehenden Grundstücksflächen erheblich gesteigert wird und wenn diese wirtschaftliche Steigerung des Ertrags auch gewährleistet, also für die Zukunft sicher gestellt ist. Es muß sich durch die Über­ führung der Grundstücksteile in das Eigentum der Berechtigten (nicht nur in die wirtschaftliche Erfassung der Berechtigten, die auch durch Verpachtung erfolgen kann), eine erhebliche Mehrung des Gewinns ergeben. Hierfür ist einerseits der Aufwand von Geld und Arbeit, anderseits der Wert und der Preis der Erzeugnisse maßgebend. Diese Mehrung muß nicht nur möglich sein, sie muß

Art. 30. Berteilung.

395

außerdem nicht nur vorübergehend, sondern dauernd zu erwarten sein. Es genügt also nicht, daß nur der Ertrag, rein technisch betrachtet, größer wird. Die Beurteilung, ob diese gesetzliche Voraussetzung gegeben ist, kommt zunächst dem G.rat selbst zu. Auch die Staatsaufsichts­ behörde hat die Frage zu prüfen, s. hierüber die nachfolgende Anm. 15.

14. Der Kreis der Berechtigten ist vom Gesetz zwingend vorgefchrieben; er kann vom G.rat weder erweitert noch verringert werden. Durch die Verweisung auf Art. 32 Satz 3 ist der gleiche Personenkreis bestimmt, wie er für die Verteilung der Nutzungen zugrunde zu legen ist. Hierzu wird auf Anm. 8 zu Art. 32 Bezug genommen. Die Ausscheidung eines Anteils für den Volksschulfonds, wie sie bisher in Art. 27 V der rrh. GO.; Art. 20 V der pf. GO. vorgeschrieben war, hat zudem ihre innere Berechtigung verloren. Sie stammte aus der Zeit, wo die Zuweisung der Nutznießung an den Lehrer als Gehaltsteil zwin­ gend vorgeschrieben war (Döllinger XIV, 191 ff.) und nicht wie heute zwar die G. verpflichtet ist, den gesamten sächlichen Schul­ bedarf aufzubringen, der persönliche Schulbedarf aber dem Staate zukommt. 15. Genehmigung der Staatsaufstchtsbehörde. Die Staatsaufsichtsbehörde hat zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, nach denen eine Verteilung von Bestandteilen zulässig ist. Sie hat aber weiter nach ihrem freien pflichtmäßigen Ermessen zu entscheiden, ob sie nach den gesamten Verhältnissen der G. die Genehmigung erteilen will oder nicht. Hierbei ist die ME. v. 7. Aug. 1881 (MABl. S. 288) zu beachten. Wird die Genehmigung versagt, so kann die Überordnungsgewalt der höheren Staatsaufsichtsbehörde, zuletzt des StMdJ., angerufen werden. Ein Rechtsanspruch auf Ent­ scheidung dieser Frage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren besteht nicht, s. hierüber die nachfolgende Anm. 17. 16. Übergang des Eigentums. a) Der Beschluß des G.rats ersetzt den obligatorischen, wie den dinglichen Vertrag, der sonst für das Grundstücksrecht maß­ gebend ist. Da der Berechtigte (vgl. vorstehende Anm. 11 a. E.) nicht verpflichtet ist, insbesondere wenn die Zuteilung von der Zahlung einer bestimmten Geldsumme abhängig gemacht wird, das Eigentum zu übernehmen, ist es unerläßlich, daß die G. vor Erlassung des Berteilungsbeschlusses sämtliche Beteiligte einver­ nimmt, ob sie mit der Zuteilung zu den von der G. aufgestellten Bedingungen einverstanden sind. Erklären sie sich hierzu nicht bereit, so scheiden sie für die Verteilung aus. b) Der Beschluß des G.rats ist der Rechtsakt, der dinglich über den Eigentumsübergang entscheidet. Seine Rechtswirksam-

396

I. Gemeindeordnung.

leit hängt (vgl. hier S. 139) von der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde ab. Wird die Genehmigung versagt, so ist der Beschluß unwirksam. Wird sie erteilt und der Beschluß ordnungs­ mäßig eröffnet, so geht nach Art. 30III Schlußsatz das Eigen­ tum mit der Genehmigung von der G. auf die einzelnen Berech­ tigten über. Es muß deshalb vor dem Aufteilungsbeschluß, jeden­ falls vor der Genehmigung durch die Staatsaufsichtsbehörde, die zu verteilende Grundfläche vermessen sein (vgl. VGH. 27, 95). Um unnötige Kosten in diesem Punkte zu ersparen, wird die G. sich vor der Anordnung der Vermessung Klarheit verschaffen müssen, ob die Staatsaufsichtsbehörde den Verteilungsbeschluß genehmigen wird oder nicht. c) Der von der Staatsaufsichtsbehörde genehmigte Vertei­ lungsbeschluß des G.rats ersetzt die Auflassung. Hat das Grundstück der G. schon zuvor auf Antrag ein Grundbuchblatt erhalten, so ist das Grundbuch durch die Übereignung unrichtig geworden und zu berichtigen. Zum Antrag ist jeder berechtigt, der durch die Verteilung Eigentümer eines Grundstücks geworden ist, weiter der G.rat für die G. (§ 13 GBO.). Der Antrag der G. erspart die Sammlung der Anträge der einzelnen Berech­ tigten. Um dem Erfordernis des § 29 GBO. zu genügen, sind dem Grundbuchamte beglaubigte Abschriften des Beschlusses des G.rats und der Staatsaufsichtsbehörde vorzulegen. War das Grundstück der G. buchungsfrei, so ist zwar hier (anders wie im Falle der Auflassung nach § 925 BGB., vgl. hier S. 137, 138) die vorherige Eintragung des Grundstücks der G. im Grundbuch nicht erforderlich, aber da das Eigentum des Grundstücks auf buchungspflichtige Erwerber übergegangen ist, ist deren Eintra­ gung im Grundbuch notwendig. Hierzu sind die gleichen Belege dem Grundbuchamt einzureichen. Die G. hat weiter beglaubigte Abschriften des Beschlusses des G.rats und der Staatsaufsichtsbehörde dem Finanzamt zur Berichtigung der Grundsteuerkataster zu übersenden. 17. Streitigkeiten.

Nach Art. 8 Ziff. 29 VGG. sind alle bestrittenen Rechts­ ansprüche und Verbindlichkeiten bei der Verteilung von G.gründen Verwaltungsrechtssachen. Der Berechtigte nach Art. 32 Satz 3 hat aber nur einen Anspruch auf Beteiligung bei der Verteilung, nicht etwa einen Anspruch auf die Ver­ teilung, die im reinen Ermessen des G.rats steht und außer­ dem von der freien Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde abhängt (VGH. 9, 281 insb. 285)*). Der Berechtigte ist befugt, *) Dieser Entscheidung kann im übrigen nicht zugestimmt werden. Die Entscheidung geht fehl, wenn sie dem Berechtigten das Recht zuerkennen will, eine verwaltungsrechtliche Entscheidung darüber anzurufen, ob trotz der Versagung der Genehmigung

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Art. 31. Gemeindewaldungen.

die Entscheidung des Verwaltungsrichters darüber zu begehren, ob die beschlossene und genehmigte Verteilung der G.gründe dem Gesetz und seinem Anspruch auf gleiche Behandlung entspricht oder nicht und ob er auf Grund der Verteilung zu irgend einer Leistung verpflichtet ist oder nicht. Dagegen entzieht sich die Nachprüfung der Frage, ob die Staatsaufsichtsbehörde zweckmäßig handelte, als sie die Genehmigung versagte, nach Art. 13 Z. 1 BGG. völlig der verwaltungsrichterlichen Prüfung, auch wenn die G. behaupten sollte, daß durch die Versagung der Genehmigung ihres Verteilungsbeschlusses ihr Selbstverwaltungsrecht verletzt werde und sie sich auf Art. 60 VT stützen wollte. Soweit eine Zuständigkeit besteht, ist zur verwaltungsrichter­ lichen Würdigung im ersten Rechtszug hinsichtlich mittelbarer G.n das Bezirksamt, hinsichtlich unmittelbarer G.n die .Regierung, Kammer des Innern, im verwaltungsrechtlichen Senat, im zweiten Rechtszug der BGH. zuständig (Art. 9 BGG. i. F. der Novelle v. 1924).

Art. 31. Für die Bewirtschaftung der Gemeindewaldungen gel­ ten die besonderen gesetzlichen Vorschriften. ResE. Art. 31; 178 ff., 267.

R-gE. Art.

31;

BerfA.

I, 395;

II,

38; StenBrr.

Danach gelten zurzeit für die Landesteile r. des Rheins das ForstG. v. 28. März 1852 in seiner heutigen Fassung (s. Bleyer, Sammlung I. Bd. JustizG. S. 89 ff.; Ziegler S. 356 ff.), insbesondere die Art. 6—17 dieses Gesetzes. Die Bollzugsvor­ schriften sind abgedruckt im MABl. 1897, 209 u. im MABl. 1918, 2, im einzelnen ivird auf Ganghofer, ForstG. S. 18 ff., verwiesen. Für die Pfalz s. Geib I, 257; 373ff.; Wand S. 218ff. Die G.waldungen sind Grundstockvermögen nach Art. 30. Hinsichtlich der Aufstellung der für den Waldschutz notwen­ digen Kräfte s. Art. 51 VI, VII und die Erläuterungen dazu. Nach Mitteilung des StM. Dr. Schmelzle in der 207. öffent­ lichen Sitzung des Landtags v. 29. Mürz 1928 hat sich der Er­ trag der G.waldungen im letzten Jahrzehnt wesentlich ge­ bessert, liegt aber noch weit unter dem Durchschnittsertrag der Staatswaldungen.

durch die Staatsaufsichtsbehörde die Voraussetzungen einer Ver­ teilung von Bestandteilen des Grundstockvermögens gegeben sind. Ein Rechtsanspruch des Berechtigten und damit eine Zuständigkeit des BGH. entsteht ja erst durch den Vertellungsbeschluß und seine Genehmigung. (S. Menzinger BlWmPr. 53, 135 in Über­ einstimmung mit Kahr I, 264; Seydel II, 644 Anm. 152, teilweise a. A. Dhroff S. 365. Die Erörterung der Frage in ihrem Zusam­ menhang muß dem großen Kommentare Vorbehalten bleiben.)

398

I. Gemeindeordnung.

Art. 32. 12)ie Erträgnisse des Gemeindevermögens fließen vorbehaltlich der Art. 33 bis 39 in die Gemeindekasse.^ Die Verteilung solcher Erträgnisse^ ist nur zulässig? wenn die Gemeindebedürfnisse gedeckt werden können, ohne daß Umlagen oder örtliche Verbrauchssteuern erhoben werden? und wenn größere Ausgaben für außerordentliche Ge­ meindebedürfnisse nicht in Aussicht stehen? An der Ver­ teilung nehmen alle Reichsangehörigen, die in der Ge­ meinde seit Jahresfrist den gewöhnlichen Aufenthalt haben und einen eigenen Haushalt führen, gleichmäßig teil? Zur Verteilung ist die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde notwendig? ResE. Art. 32; RegE. Art. 32; VcrfA. I, 395 ff.; II, 38; StcnB-r. 178 ff., 267.

1.

Vorbemerkung.

Das Gesetz gibt in Art. 32 Satz 1 den wichtigen Grundsatz, daß alle Erträgnisse des G.vermögens der örtlichen Gemeinschaft zufließen und für den „Bedarf der G." (Art. 43 I) verwendet werden müssen. Es ist hierbei ohne Bedeutung, ob es sich um Finanzvermögen oder Verwaltungsvermögen han­ delt, das ja auch (vgl. die Anm. unten zur Anm. 1 b des Art. 30) Erträgnisse abwerfen kann. Unmittelbar an Art. 32 Satz 1 schließt (hinsichtlich der Gebühren s. die Anm. 1 zu Art. 44) der Rechts­ gedanke des Art. 43 I an, der die G. zur gemeindlichen Steuer soweit befugt und verpflichtet erklärt, als die „sonstigen Ein-nahmen der G." für den Bedarf der G. nicht ausreichen. Der Unterschied der „primären Deckungsmittel" des G.bedarfs („son­ stige Einnahmen", insbesondere aus Erträgnissen) und der „sekun­ dären (subsidiären) Deckungsmittel" (Umlagen, örtlichen Ver­ brauchssteuern und örtlichen Abgaben) ist also grundsätzlich auf­ recht erhalten. Die sekundären Deckungsmittel dürfen grund­ sätzlich nur dann erhoben werden, wenn die primären nicht aus­ reichen. Die Scheidung ist aber nicht mehr streng zwischen „Steuern und Abgaben" und „Erträgnissen" durchgeführt. Durch die Verknüpfung des Steuerrechts der G. mit dem Steuerrecht von Reich und Staat erscheinen als „sekundäre" („subsidiäre") Deckungsmittel nur diejenigen Abgaben im Sinne der Reichs­ abgabenordnung *), die „Steuer n" sind und auch von diesen

*) Die Reichsabgabenordnung v. 13. Dez. 1919 (RGBl. S. 1993) nimmt als weiteren Begriff aller Leistungen an den

Art. 32.

Erträgnisse des Gemeindevermögens.

39£>

nur diejenigen, welche die G. aus eigenem Steuerrechd beschließt, also die Umlagen als Zuschläge zu Reichs- oder Lan­ dessteuern *), die örtlichen Verbrauchssteuern und die selb­ ständigen G.steuern („Abgaben" im engeren Sinn, die die G. auf Grund ihres in Art. 2 BG. FAG. grundsätzlich anerkannten. Steuerrechts beschließt; dann die Abgaben nach Art. 3—7 dieses Ges.). Die übrigen Mittel aus „Abgaben" jin Sinne des Reichsrechts (Steuerüberweisungen und Steueranteile aus Reichs­ und Landessteuern, Gebühren nach Art. 44) sind „sonstige Ein­ nahmen" im Sinne des G.rechts, also „primäte" Deckungsmittel. Ja im Sinne des Art. 32 Satz 2 gelten (s. die nachfolgende Anm.3) als subsidiäre Deckungsmittel nur die Umlagen und ört­ lichen Verbrauchssteuern, nicht auch die sonstigen Abgaben nach dem BG. FAG. Weiter wird der Grundsatz, daß die Inanspruch­ nahme von „sekundären" („subsidiären") Deckungsmitteln nur bei Erschöpfung der „primären" Deckungsmittel zulässig ist, aus­ drücklich zugunsten der Nutzungsrechte durch Art. 34 Satz 2 durch­ brochen.

2. Die Erträgnisse des Gemeindevermögens. Als Eigentümer von Sachen wie als Träger von Vermögens­ rechten tritt die G., wenn auch als juristische Person, in den bürgerlichrechtlichen Verkehr (vgl. hier S. 133). Auch für die Erträgnisse ihres Vermögens kann deshalb nur das bürgerliche Recht maßgebend sein. Das BGB. (§ 100) bezeichnet als Erträg­ nis, als „Nutzung" einer Sache oder eines Rechts, zunächst die Früchte der Sache und des Rechts. Das sind nach § 99 bei Früchten einer Sache die „Erzeugnisse und die sonstige Aus­ beute, die aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen werden", dann bei Früchten eines Rechts „die Erträge, welche das. Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt". Vom Begriffe der

Staat den Begriff der „Abgabe". Eine Abgabe kann eine Steuer sein wie eine Gebühr. Sie ist eine Steuer, wenn sie dem Gewaltunterworfenen zur Deckung der allgemeinen Ausgaben des Gemeinwesens abgenommen wird, ohne daß dem Einzelnen dafür eine besondere Leistung gewährt wird. Sie ist eine Ge­ bühr, wenn sie für bestimmte Amtshandlungen zu leisten ist oder dafür (s. Art. 44), daß eine bestimmte öffentliche Einrichtung­ benützt wird. „Abgaben" im Sinne des bayerischen G.steuerrechts sind die „örtliche Abgabe" nach Art 2 BG. FAG. und die Abgaben nach Art. 4 und 7 dieses Ges. Durch. Art. 2 ist die G. grundsätzlich zur Erhebung von selbständigen G.steuern für berede tigt erklärt; allerdings ist die Steuermöglichkeit nach den gegebe­ nen Schranken ganz außerordentlich eingeengt. *) Zur Zeit sind Umlagen als Zuschläge nur zu den in. Art. 8 BG.FAG. genannten Landes st euern zulässig.

400

I. C&meiitbeotbmmG.

„Nutzung" sind aber auch nach § 100 BGB. mitumfaßt*) „die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt"^ Der Begriff der Nutzungen nach dem BGB. deckt sich mit dem Begriffe der Nutzungen im Sinne des G.rechts. Überläßt die G. den G.angehörigen Bestandteile ihres Vormögens zur Nutz­ nießung, so gewährt sie ihnen nicht nur die Ausbeute der Grund­ stücke, sondern gewährt ihnen auch die Vorteile (z. B. der Lage des Grundstücks zur Nähe des Anwesens), welche der Gebrauch der Sache gewährt. Die G. kann jedoch ihren G.angehörigen auch nur einen Teil der Vermögenswerte, der „Nutzung", nämlich nur die Früchte einer Sache, z. B. die Ausbeute eines Waldgrundstücks, das geschlagene Holz, zuwenden und dieses unter die G.angehörigen verteUen.

3. Fließen in die Gemeindekasse. Alle Früchte des G.vermögens, sei es, daß sie Früchte von Sachen oder von Rechten sind, müssen grundsätzlich von der G. für fick vereinnahmt und für den G.bedarf (vgl. vorstehende Anm. 1) verwendet werden. Ausnahmen ergeben sich nach drei Mchtungen. Zunächst scheiden Nutzungsrechte aus, die sich auf bürgerliches Recht gründen (Art. 33II). Sie sind Lasten der Grundstücke der G., wie andere bürgerlichrechtlrche Lasten, die den Fruchtgenuß hindern oder mindern. Dazu treten die in Art. 33—39 behandelten öffentlichrechtlichen Nutzungsrechte, die das gleiche wirtschafMche Ergebnis haben. Die dritte Ausnahme ist die Berteilung von Erträgnissen (Art. 32 Satz 2—4), darüber s. die nachfolgende Anm. 4.

4. Verteilung von Erträgnissen. Es ist denkbar, daß die Einnahmen einer G. sowohl aus den Früchten ihrer Sachen und Rechte (Art. 32 Satz 1)**), wie aus den von der höheren Gemeinschaft (Reich, Staat) erhobenen Steuern, von denen ein größerer oder kleinerer Teil der G> zugewiesen wird (Art. 43II), endlich aus den Gebühren (Art. 44) größer sind als der G.bedarf.. sodaß die G. diese Ein­ künfte „auch bei weiterer Abgrenzung der G.ausgaben nicht auf­ brauchen kann" (Begr. S. 69), daß sich also „Überschüsse" ergeben. Das Gesetz erlaubt weiter, daß auch, ohne daß Geld-überschüsse dieser Art vorhanden sind, den G.angehörigen besondere „Nutzun­ gen" von Sachen oder Rechten der G. zugewendet werden dürfen. *) Im einzelnen muß auf Enneccerus, Lehrbuch des Bürger­ lichen Rechts, 25.-29. Auflage, I, 309 ff. wie auf die Kommentare zum BGB. verwiesen werden. **) Iw BerfA. (1,397) ist vom Abgeordneten Engelsberger mit Recht auf das Beispiel des Anfalls ganz besonderer Holz­ mengen durch Naturschäden (Nonnenfraß, Windbruch) hingewiesen worden.

Art. 32. Berteilung von Ertragnissen.

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aber die Gewährung solcher Nutzungen steht „der Verteilung von Überschüssen aus dem G.vermögen gleich" (Begr. S. 69 zu Art. 34—39). Die Gewährung ist also nur zulässig, wenn „Überschüsse" vorhanden sind, wenn auch bei weiterer Abgrenzung der G.aufgaben der G.bedarf gedeckt wird, obwohl das Erträgnis des G.vermögens durch solche Nutzungen gemindert wird. Der RegE. hatte deshalb für alle Fälle der Gewährung von Vermögenswerten die Bezeichnung der „Verteilung von Überschüssen" gewählt. Im BerfA. (s. die Ausführungen des Ber. I, 395, 396) wurde, ohne daß damit eine sachliche Änderung bezweckt werden wollte, das Wort „Erträgnisse" gewählt, um damit klar zu stellen, daß sowohl Geldüberschüsse (t)ort „Barüberschüsse" genannt) wie Nutzungen (dort „Naturalrerchnisse" genannt) in Frage kommen können. Die Nutzungen können an Sachen wie an Rechten gewährt werden. Besitzt die G. ein bürgerlichrechtliches Holz­ recht im Staatswalde und .beteiligt sie die G.angehörigen an diesem Rechte, so liegt die Gewährung von Nutzungen an einem Rechte vor. Das Gesetz erlaubt weiter, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind, nicht nur die Früchte nach § 99 BGB. (s. vorstehende Anm. 2) sondern die Nutzung der Sache im Sinne des BGB. schlechthin zuzuwenden, z. B. Grundstücke zur Nutznießung zu verteilen und damit den G.angehörigen nicht nur die Ausbeute der Grundstücke, sondern auch die Vorteile der Sache zuzuwenden, welche der Gebrauch der Sache gewährt. 5. Zulässigkeit. Die Verteilung ist nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraus­ setzungen (s. nachfolgende Anm. 6, 7 und 9) zulässig. Die G. kann dann Nutzungen gewähren, sie muß es aber nicht. Zum Beschluß genügt (anders wie bei Vertellung von Grundstockver­ mögen nach Art. 30 II) einfache Mehrheit des G.rats. Der G.angehörige hat keinen Rechtsanspruch darauf, daß die G. zur Gewährung von Nutzungen schreitet. ^BerfA. I, 395 t.). Hierin liegt der wesentliche Unterschied vom Nutzungsrecht. Die Gewährung kann auch von der G. ohne staatsaufsichtliche Genehmigung jederzeit widerrufen wer­ den. Der G.angehörige hat jedoch einen Rechtsanspruch auf gleichmäßigen (Art. 32 Satz 3) Bezug, wenn die G. solche Nutzungen verteilt und wenn die Voraussetzung des Gesetzes zur Verteilung vorliegt, insbesonders die Genehmigung der Staats­ aussichtsbehörde gegeben ist. Insoweit ist eine Berwaltungsrechtssache nach Art. 8 Ziff. 28 BGH. ebenso anzuerkennen wie dies vom VGH. z. B. 28, 198 für die Nutzungen der Pf. GO. aner­ kannt worden ist. Die G. kann die Gewährung solcher Nutzungen von der Zahlung einer Gebühr abhängig machen*).

*) Die Zulässigkeit der Erhebung einer Gebühr ist zwar bei Art. 32 Satz 2—4 nicht, wie in Art. 146 Satz 2 ausdrücklich ausLaforet-v. Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung. 26

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I. Gemeindeordnung.

Insoweit kann ein Streit über die mit der Gewährung der Nutzung zusammenhängende Verpflichtung nach der gleichen Vorschrift gegeben sein. Zuständig im ersten Rechtszug ist gemäß Art. 9al der Novelle z. BGH. v. 1924 der verwaltungsrechtliche Senat der Regierung, Kammer des Innern, im zweiten Rechtszug der VGH. Werden Erträgnisse verteilt, ohne daß die gesetz­ lichen Voraussetzungen vorliegen, so handelt die G. gesetzwidrig. Die Staatsaufsichtsbehörde kann von Amts­ wegen oder auf Anregung eines BeteÜigten einschreiten. 6. Deckung des Gemeindebedarfs ohne Umlagen und Ver-^ brauchssteuern.

Die erste Voraussetzung der Vertellung von Nutzungen ist, daß der gesamte G.bedarf durch die Einnahmen der G. gedvckt ist, ohne daß zu Umlagen und Verbrauchssteuern (Art. 43) gegriffen werden muß. Die Überweisung von Steuern des Reichs oder Landes oder von Anteilen dieser Steuern steht nicht im Wege, ebensowenig die Erhebung sonstiger Abgaben**) nach Art. 2 bis 7 BG. FAG. oder Gebühren nach Art. 44. Auch die Leistung von Hand- und Spanndiensten nach Art. 41 hindert nicht (VGH 15, 89). Die Verteilung ist erst zulässig, wenn die erwähnten Vor­ aussetzungen erwiesen sind. Es muß entweder ein Barüberschuß in der G.kasse vorhanden sein oder trotz der Bereitstellung der Mittel für alle Verbindlichkeiten der G. und die im Rechnungs­ jahre fälligen Ausgaben eine „überschußvertellung" von Nutzungen möglich sein. Dies wird grundsätzlich erst nach Abschluß eines Rechnungsjahres unter Beachtung des Voranschlages des nächsten Rechnungsjahres übersehen werden können. gesprochen, aber im Hinblick auf Art. 441 Satz 1 (s. S. 486) nicht zu bestreiten. Das Gesetz (§ 11 VU.) verbietet nur, die Ausübung des Wahlrechts von der Entrichtung einer Gebühr abhängig zu machen. *) Wie Art. 32 des RegE. führt Art. 32 des Gesetzes nur „Umlagen und örtliche Verbrauchssteuern" auf. Im Plenum (st Beil. 3140) sind zwar in Art. 34 Satz 2 und Art. 146 nach dem Wort Urnlagen die Worte „örtliche Abgaben" beigefügt worden, in Art. 32 dagegen nicht. Daraus kann nicht geschlossen werden, daß hier ein Versehen vorliegt. Im ersteren Fall wollte offen­ sichtlich im Sinn der Ermöglichung von Nutzungsrechten klar­ gestellt werden, daß auch diese G.steuern die Gewährung von Nutzungsrechten nicht hindern. Hier (bei Art. 32) hätte die Er­ wähnung die Gewährung von Nutzungen behindert. Das Fehlen der Worte hier zeigt, daß solche Abgaben, wie im Entwurf, den Reichs- oder Landessteueranteilen gleichgestellt werden sollen und die Gewährung von Nutzungen nicht hindern sollen.

Art. 32. Verteilung von Erträgnisse«.

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7. Keine Aussicht auf größere Ausgaben für autzerordmtliche Gemeindebedürfnisse.

Die zweite Voraussetzung der Verteilung von Nutzungen ist, daß in „absehbarer Zeit'" („keine Aussicht"") größere Ausgaben für außerordentliche G.bedürfnisse nicht zu erwarten sind. In Frage wird insbesondere der Bau eines Schulhauses, G.hauses, eines Friedhofs, einer Wasserleitung und sonstiger Unternehmungen kommen, die nicht aus den regelmäßigen haushaltmäßigen Mitteln einer kleineren G. gedeckt werden können, sondern für deren Durch­ führung jahrelange Vorsorge getroffen werden muß. 8.

An der Verteilung nehmen teil.

Das Gesetz folgt (Begr. S. 69) hinsichtlich des Kreises der Teilnehmer im allgemeinen einem in Art. 25 Pf. GO. gegebenen Grundgedanken. Es ist von der Wahlberechtigung ausge­ gangen, jedoch ein einjähriger Aufenthalt und die Führung eines eigenen Haushalts gefordert, nicht jedoch, wie dies im RegE. vor­ gesehen war, die Zahlung einer direkten Steuer. Im Hinblick auf Art. 110II RB. ist nur der Besitz der Reichsangehörigkeit, also der Staatsangehörigkeit in einem deutschen Land oder der unmittelbaren Reichsangehörigkeit gefordert. Me Worte des „ge­ wöhnlichen Aufenthalts"" sind (s. Begr. S. 69) dem § 7II der RFB. entnommen. Der Begriff verlangt (s. Brigel in den Bayer. Fürsorgeblättern 1926, 94 und die Rechtsprechung des BGH. dort) im Gegensatz zum Wohnsitz, der eine ständige^ also auf unbeschränkte Zeit gerichtete Niederlassung verlangt, nur ein tatsächliches Aufhalten, wenn nur dieses Aufhalten nach dem Willen der Person kein ganz vorübergehendes ist oder besuchsweise geschieht, wenn vielmehr die Absicht besteht, in der G. zu bleiben. Statt des Ausdrucks „wer einen eigenen Herd besitzt"" in Art. 25 Pf.GO. ist der Ausdruck gewählt „wer einen eigenen Haus­ halt führt"". Gefordert ist damit (BGH. 28, 198) die „recht­ liche und wirtschaftliche Selbständigkeit"" dessen, der einen eigenen Haushalt, sei es in einem eigenen Haus oder in gemieteten Räu­ men mit Kochgelegenheit führt. Alter, Stand und Geschlecht sind unerheblich, auch Witwen und ledige Personen stehen, wenn sie einen eigenen Haushalt führen, den Famllienvätern gleich (VGH. 23. Dez. 1927, BGVZ. 1928, 230). Der gewöhnliche Aufent­ halt muß ein Jahr gedauert haben, um die Berechtigung zu gewähren. Dies gilt auch für die Führung des eigenen Haushalts. Wenn die Worte „und einen eigenen Haushalt führen" nicht in Zusammenhang mit den Worten „seit Jahres­ frist" stehen sollen, hätte dieser Satz neu mit „die einen eigenen Haushalt führen"" begonnen werden müssen. S. Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde.

Wie bei der Verteilung von Bestandteilen des Grundstock­ vermögens (s. Anm. 15 z. Art. 30) hängt die Zulässigkeit, die 26*

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I. Gemeindeordnung.

Gewährung auch hier völlig vom freien Ermessen der Staatsaufsichtsbehörde ab. Diese hat vor allem die gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen. Im übrigen steht es in ihrem pflichtmäßigen Ermessen, zu beurteilen, ob sie nach den Ver­ hältnissen der G. die Genehmigung erteilen will oder nicht. Versagt die Staatsaufsichtsbehörde die Genehmigung, so ist nur die Anru­ fung der Überordnungsgewalt der höheren Staatsaufsichtsbehörde, jedoch keine Möglichkeit gegeben, den Berwaltungsrichter mit dem Gegenstand zu befassen.

Art. 33.i r Rechte einzelner2 auf Nutzungen am Gemeindever­ mögen 3 können nicht neu begründet werdend 11 Nutzungsrechte, die sich auf bürgerliches Recht grün­ den, werden durch dieses Recht nicht berührt.^ RefE. Art. 33 und 34; RegE. Art. 33; VerfA. I, 398 ff., 405; II, 38; StenBer. 178 ff., 267.

1. Vorbemerkungen über die Nutzungsrechte.

a) Den Nutzungen nach Art. 32 stehen die Nutzungs­ rechte der Art. 33—39 gegenüber. Bei den Nutzungen hat (vgl. Anm.5 zuArt.32)der G.angehörige keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung. Diese hängt vom freien Ermessen der G.ab. Der G.angehörige, der die allg. Bedingungen für den Bezug von Nutzungen erfüllt, hat nur einen Anspruch auf gleichmäßi­ gen Bezug, wenn die G. ihren G.angehörigen ordnungsmäß Nutzungen gewähren will. Bei den Nutzungsrechten dagegen hat der Berechtigte einen im verwältungsgerichtlichen Verfahren verfolgbaren Rechtsanspruch auf die Gewährung der Nutzung. Der Anspruch wird hier wie dort auf Grund des G.rechts gewährt, aber das Wesentliche des Nutzungsrechts besteht darin, daß hier der Anspruch auf die Nutzung nicht allen G.ange­ hörigen, wenn auch nur nach Erfüllung gewisser Voraussetzungen, zu gewähren ist, sondern nur bestimmten Einwohnern zusteht, die abweichend von anderen G.angehörigen einen beson­ dere Rechtstil el auf Bezug dieser Nutzungen nachzuweisen haben. b) Die Nutzungsrechte sind auf die Markgenossenschaft zurückzuführen*). Die alte deutsche Markgemeinde besaß ursprünglich ungeschieden zwei Seiten, eine öffentlichrechtliche Seite, die die G. zur Verwaltungseinheit schuf, und eine privat­ rechtliche Seite, nach der die G. als Trägerin eines mehr oder minder großen Grundstückvermögens, der sogenannten gemeinen Mark oder Mmende, erschien. Die Bürger der G. waren also

*) Die nähere Erörterung muß dem großen Kommentar Vor­ behalten bleiben. Hier können nur Grundzüge gegeben werden.

gleichzeitig neben ihrer öffentlichrechtlichen Stellung als Dorf­ bürger Träger genossenschaftlicher Anteilsrechte an dem gemeind­ lichen Grundvermögen. Seit der Zeit, in der sich die politische G. im Gegensatz zu dieser wirtschaftlichen G. klarer heraus gebildet hat, ist die „gemeine Mark" in den verschiedenen Gegenden den verschiedenartigsten Weg der Rechtssortbildung gegangen. Das Endziel war, das Vermögen der Rechtsnachfolger der alten Dorf­ genossen im Gegensatz zu den neuen Ansiedlern zum Sondereigentum der Eingesessenen durchzubilden. Die Entwicklungsstufen aus dem Genossenschaftsvermögen sind das Vermögen zur ge­ samten Hand oder das Miteigentum zu Bruchteilen zugunsten der Rechtsnachfolger der alten Dorfgenossen oder der ihnen gleichgestellten Personen, endlich die Aufteilung des ehemaligen Genossenschaftsvermögens in Sondereigentum. Dieser Entwicklung stellte sich insbesondere gegen Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts der von zentralistischen Gedanken bestimmte (vgl. Kahr I, 9) Staat mit mehr oder minder scharfer Gegenwirkung entgegen^ Der Staat betonte auch für die gemeine Mark allein die öffentlichrechtliche Seite. Man sah nur die Gemeinde als Eigentümerin an und wies die staatlichen Verwaltungsbehörden und G.behörden an, nach diesem neuen Grundsatz zu verfahren und das Eigentum der gemeinen Mark für die G. in ihrer damaligen allmählichen Aus­ gestaltung als Rechtsgebllde des öffentlichen Rechts in Anspruch zu nehmen. Damit waren die Rechtsnachfolger der alten Dorf­ genossen darauf zurückgedrängt, nur Nutzungsrechte am Eigen­ tum der G. als selbständiger Rechtspersönlichkeit in Anspruch nehmen zu können und nur diese Nutzungsrechte übernahm man in das neugebildete öffentliche Recht. Ja man konnte, wenn dies auch recht zweifelhaft ist (s. darüber die nachfolgende Anm. d) im Schrifttum wie in Ler Rechtsprechung geltend machen, daß das bayerische G.edikt vom 17. Mai 1818 und ihm folgend die spätere bayerische Gesetzgebung solche Nutzungsrechte nur anerkannt habe, soweit sie vor dem Inkrafttreten dieses Edikts bereits begründet waren und die Entstehung neuer Rechte dieser Art Mte aus­ schließen wollen. Diese „Programmgesetzgebung" des Staates um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts wie in späteren Jahren ist jedoch durch­ aus verschieden durchgeführt worden. Ihr stand die alte Rechts­ überlieferung und Rechtsüberzeugung der Einwohner gegenüber. Die staatlichen Einwirkungen mußten zudem vor der Rechtsent­ wicklung Halt machen, die vor ihrer Erlassung bereits abgeschlossen war. War vor diesem Zeitpunkt die gemeine Mark zu bürgerlichrechtlichem Eigentum der Rechtsnachfolger der alten Dorfgenossen, sei es zur gesamten Hand, sei es zu Miteigentum nach Bruchteilen, schon weiterentwickelt worden, so konnte die Gesetzgebung an diesem Rechtszustand nichts mehr ändern. War

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also eine „Realgemeinde" in diesem Sinne vor dem G.edikt v. 1808 und 1818 gebildet*), so liegt ein rechtswirksames Rechtsver­ hältnis des bürgerlichen Rechts vor und die jetzigen Rechts­ verhältnisse der alten „gemeinen Mark" und der zu ihrem Genuß und ihrer Verwaltung befugten Rechtspersönlichkeiten sind nach bürgerlichem Recht zu beurteilen. Durch Art. 164 des EG. BGB. sind Verbände solchÄ Art, soweit sie im Zeitpunkt des Inkraft­ tretens des BGB. als selbständige juristische Person zu Recht bestanden, mit ihrer selbständigen juristischen Person erhalten geblieben und auch das frühere wie das jetzige G.recht steht ihrem Rechtsbestand nicht im Wege**). Zu ihrer Feststellung wie zur Entscheidung aller Ansprüche aus diesem Rechtsverhältnis sind die bürgerlichen Gerichte zuständig. Ebenso ist es möglich, daß sich aus der Zeit vor dem Jahre 1808 Nutzungsrechte der Rechtsnachfolger der alten Dorfgenossen zu bürgerlichrechtlichen Nutzungs­ rechten durchgeblldet hatten oder daß bestimmten Personen oder den Eigentümern bestimmter Anwesen Nutzungsrechte als bürgerlich­ rechtliche Nutzungsrechte vor dieser Zeit verliehen worden sind. Dieser Rechtsentwicklung wlll Art. 3311 Rechnung tragen und er­ klärt ausdrücklich, daß Nutzungsrechte, die sich auf bürgerliches Recht gründen, durch die GO. nicht berührt werden. c) Die öffentlichrechtlichen Nutzungsrechte beruhen auch in der jetzigen Rechtsgestaltung auf dem G.verband. Für das bis­ herige Recht wurden sie von der Rechtsprechung und vom Schrift­ tum (vgl. die Zusammenfassung in der Begr. S. 69, auch in den Ausführungen des Ber. BerfA. I, 398ff.) in zwei Arten ge­ schieden: In bevorzugte (qualifizierte) Nutzungs­ rechte, die dem G.bedarf vorgingen, also auch dann ausgeübt werden durften, wenn die G. zur Deckung des G.bedarfs Umlagen oder örtliche Berbrauchsteuern erheben mußte, und in einfache

*) Das G.edikt vom 24. Sept. 1808 (Döllinger XI 71) nahm in § 14 „die G.gründe, welche zwar der G. gehören, aber von den Mitgliedern selbst benützt werden" als Eigentum der G. in Anspruch, und ebenso das G.edikt vom 17. Mai 1818 (Döllinger XI, 35) in §§ 25 und 26, wenn dieses auch die Veräußerung und Bertellung dieser G.gründe im Gegensatz zum grundsätzlich „ganz unveräußerlichen" Berwaltungsvermögen der G. vorsah. Die Staats- und G.behörden waren damit angewiesen, das Eigentum an den unvertellten Gründen der alten Markgenossenschaft für die G. in Anspruch zu nehmen. Jedenfalls war durch diese Edikte (und zwar je nach der Bereinigung der einzelnen Landesteile mit Bayern durch das frühere oder spätere Edikt) die Weiterbildung der Mmende in bürgerlichrechtliches Eigentum gehemmt. **) Nur konnten solche Realgemeinden auf dem Boden des öffentlichen Rechts, des G.rechts, seit den G.edikten von 1808, 1818 und 1831 und GO. v. 1869 sich nicht mehr bilden.

Nutzungsrechte, die dem G.bedarf nachgingen, also nur dann ausgeübt werden dursten, wenn die G. keine Umlagen oder örtliche Verbrauchsteuer erhob. Auch diese einfachen Nutzungsrechte gewährten einen, wenn auch bedingten, Rechtsanspruch auf Bezug der Nutzungen. Der Anspruch war bedingt durch den Umstand, daß die G. keine Umlagen oder örllichen Berbrauchsteuern erhob. Nach der allerdings nicht einheillichen Rechtslehre, vor allem aber nach der ständigen Rechtsprechung des BGH. sollten bevor­ zugte Nutzungsrechte kraft Herkommens nur bestehen können, wenn erwiesen war, daß die Rechte schon vor dem G.edikt vom 17. Mai 1818 ausgeübt worden sind, während gleichzeitig die G. Umlagen erhoben hatte. Dieser Nachweis war nur sehr schwer zu erbringen. Namenllich die Erhebung von Umlagen konnte nur in seltenen Fällen dargetan werden, da als solche von der Rechtsprechung nur Leistungen angesehen wurden, die als Pflicht­ beiträge in Geld oder Sachleistungen anderer Art von allen G.gliedern für wirkliche G.zwecke nach Maßgabe des jeweiligen, ge­ meindlichen Bedürfnisses, also nicht in unwandelbaren, jährlich ständig wiederkehrenden Beträgen erhoben worden sind*). Der geforderte Nachweis hing also nicht zuletzt davon ab, ob die ge­ meindlichen Urkunden aus der Zeit vor dem Jahre 1818 noch vorhanden waren. Me maßgebende Rechtsprechung wies also dem Zufall der Zerstörung eine ganz außerordentliche Bedeutung zu. Waren die Behelfe zur Beweisführung untergegangen, so war das Nutzungsrecht, auch wenn es fast ein Jahrhundert lang neben Umlagen gewährt worden war, auch wenn der jetzige Berechtigte, wie sein Vater und sein Großvater, bei Übernahme des Anwesens von seinen Eltern oder bei dem Kauf von dritten Personen im Glauben an die allgemeine Rechtsüberzeugung erhebliche Beträge für das Nutzungsrecht gezahlt hatten oder sich hatten anrechnen lassen müssen, nur als einfaches Nutzungsrecht anzusehen und es mußte entfallen, (da die stetige Mehrung des gemeindlichen Be­ darfs fast überall zur ständigen Einführung von Umlagen ge­ führt hatte), sobald eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung rechtskräftig ergangen war und die Staatsaufsichtsbehörde die Macht**) besaß, gegen die Rechtsüberzeugung der Beteiligten die Vollstreckung ihrer Entscheidung zu erzwingen. In den Beratungen des Ausschusses der Landesbauernkammer über den RefE. ist diese Entwicklung, die Quelle der erbittersten Streitigkeiten in vielen Dörfern, eingehend erörtert worden. Hier wurde von sach­ kundiger Seite dargetan, daß nach den Erfahrungen im Höchst­ fall nur für 5—7 vom Hundert aller Nutzungsrechte, die seit *) Siehe hierzu insbesondere das Gutachten des BGH. in der Begr. S. 71. **) Daß dies auch nicht der Fall war, ist vom Abg. Dr. Roth (BerfA. I, 406) mit Recht betont worden.

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Menschengedenken in ständiger Übung stehen, dieser von der Rechtsprechung geforderte Nachweis erbracht werden könne. d) In der vielumstrittenen Frage einer Lösung dieser unhaltbaren Verhältnisse war der Rechtsgedanke ent­ scheidend (Begr. S. 72), daß Rechtsansprüche auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Gewohnheitsrecht entstehen können, wenn die Ausübung während einer vom Gesetzgeber zu bestimmenden Zeit kraft Rechtsüberzeugung erfolgt ist, und daß die Bildung eines Gewohnheitsrechts dieser Art nicht nur zur Er­ gänzung des Gesetzesrechts, sondern auch in Widerspruch mit dem Gesetzesrecht zulässig ist. Dieses Gewohnheitsrecht sollte ausdrück­ lich anerkannt werden*). Ein Nutzungsrecht sollte also nicht nur dann begründet sein, wenn und soweit hierfür ein besonderer anderer Rechtstitel (z. B. durch ausdrückliche Verleihung gegeben ist), sondern auch, wenn und soweit hierfür ein rechtsbegründetes Herkommen besteht. Das Herkommen ist also als beson­ derer Rechts titel anerkannt worden. Das Herkommen gilt nach Art. 35 als rechtsbegründet, wenn die Nutzungen kraft Rechtsüberzeugung ununterbrochen wenigstens 30 Jahre lang bis zu dem rm Gesetz bestimmten Zeitpunkt ausgeübt worden sind. Anderseits erkennt das Gesetz die absolute Rechtskraft verwal­ tungsgerichtlicher Urteile an. Der Erwerb durch Gewohnheits­ recht ist unmöglich (Art. 35 Satz 1 letzter Halbsatz), wenn die Ausübung einer rechtskräftigen Entscheidung entgegensteht. Hier­ für „war die Erwägung maßgebend, daß es vermieden werden muß, längst entschiedene Fälle wieder aufzurollerl" (Begr. S. 72, vgl. jedoch die Anm. 6 zu Art. 35). Mit dieser Anerkennung des Gewohnheitsrechts als Rechts­ titels zum Erwerb eines Nutzungsrechtes wurden die rechtlichen Schwierigkeiten überwunden, die sich aus der durchaus nicht zweifelfreien, zuletzt jedoch in ständiger Rechtsprechung entwickelten Anschauung des BGH. erhoben hatten, daß seit dem 17. Mai 1818 (dem Inkrafttreten des G.edikts) neue Nutzungsrechte nicht mehr hätten gebildet werden können. Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch nach dieser Zeit noch in einer Anzahl von Fällen Nutzungsrechte neu geschaffen worden sind und seit Jahr­ zehnten kraft der Rechtsüberzeugung der Beteiligten bestehen (vgl. die Ausführungen des Reg. Bertr. ORR. Dr. Bohl, BerfA. I, 311). Da das Herkommen als Rechtstitel anerkannt ist und sich Gewohnheitsrecht auch entgegen dem Gesetzesrecht bilden kann, sind auch diese Nutzungsrechte durch die Neufassung des Gesetzes gedeckt und es kann, wie die Begr. S. 72 sagt: „dahingestellt bleiben, ob das G.edikt von 1818, das in § 26 die Benützung der

*) Wie dies auch hinsichtlich der realen und radizierten Ge­ werberechte rechtens ist, s. die Zusammenstellung von Schiedermair BGVZ. 1927, 215.

Art. 33. Das örtliche Gewohnheitsrecht.

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G.gründe regelt, nach dem Willen des Gesetzgebers die Bildung neuer Nutzungsrechte untersagt hat oder nicht und ob die Vor­ schrift in Art. 31 Abs. II Satz 2 der G.ordnung von 1869, welche den G.n die Gewährung von Nutzungen nur unter der Voraus­ setzung des Art. 31 Abs. II Satz 1 und nur widerruflich gestattet, die Bildung solcher Nutzungsrechte entgegen dem Willen der G. überhaupt im Auge hat". Gleichzeitig hat das Gesetz den in der vorstehenden Anm. c er­ örterten durch die Rechtslehre und Rechtsprechung des BGH. geschaffenen Unterschied zwischen einfachen und bevorzugten Nutzungsrechten beseitigt. Es gibt nur eine Art von Nutzungsrechten und es wurde ausdrücklich im Gesetz ausgesprochen, daß diese Rechte auch aus­ geübt werden können, wenn der G.bedarf durch die primären Deckungsmittel (s. Anm. 1 zu Art. 32) nicht gedeckt werden kann, sondern wenn die G. zu den subsidiären Deckungsmitteln greifen und von ihrem selbständigen Steuerrecht durch Anordnung von Umlagen, örtlichen Ab­ gaben nach Art. 2 ff. VG. FAG. oder örtlichen Verbrauchssteuern Gebrauch machen muß (Art. 34 Satz 2). e) In der Pfalz war schon bisher die Rechtslage völlig anders wie in den Landesteilen r. des Rheins. Bor allem konnten in der Pfalz Nutzungsrechte auf Herkommen sich nicht stützen. Als Rechtstitel kommt also in der Pfalz nur die Bestellung eines öffentlichrechtlichen Nutzungsrechts kraft besonderer Verleihung oder kraft besonderen öffentlichrechtlichen Vertrags in Betracht. Es ist fraglich, ob Rechte dieser Art überhaupt bestehen oder ob, soweit Nutzungsrechte gegeben sind, nicht Nutzungsrechte des bür­ gerlichen Rechts (vgl. die vorstehende Anm. c) vorliegen. Doch war auch dort oie Bildung öffentlichrechtlicher Nutzungsrechte nicht schlechthin ausgeschlossen. Anderseits hat sich in der Pfalz auf Grund besonderer Regelung die Gewährung von Nutzungen (Gewährung von Erträgnissen ohne Anspruch der G.angehörigen auf Verteilung von Erträgnissen) in anderer Art entwickelt, wie im rrhein. Bayern. Die Art. 34—39 über die Nutzungsrechte waren deshalb für die Pfalz unanwendbar. Anderseits sollte der beson­ deren Ausgestaltung der Gewährung von Nutzungen, wie sie in einer Anzahl von pfälzischen G.n überliefert und den wirtschaft­ lichen Verhältnissen dieser G.n angepaßt ist, Rechnung getragen werden. Die danach in Art. 145—149 gegebenen Sondervor­ schriften für die Pfalz*) sind sachlich teils eine Sonderregelung *) Es ist dies (s. hier S. 131) die einzige Abweichung des G.rechts in den Landesteieln rechts des Rheins vom G.recht in der Pfalz, soweit die GO. selbst in Frage steht. Die Einrichtung der Steuer- und Gemeindeeinnehmer (Art. 49) ist zwar zur Zeit nur in der Pfalz eingeführt, sie kann jedoch mit Genehmigung

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über die Verteilung von Erträgnissen des G.vermögens, also der Nutzungen nach Art. 32 Satz 2 u. 3 und dieser Bestimmung gegenüber als lex specialis anzusehen. Teils treffen sie Vorsorge, falls in der Pfalz ein auf dem Rechtsiitel des öffentlichrechtlichen Bertrags oder der besonderen Verleihung begründetes öffentlichrechtliches Nutzungsrecht bestehen sollte. Auch in der Pfalz gelten jedoch Art. 33 wie Art. 40. 2. Rechte Einzelner. Rechtspersönlichkeiten des Nutzungsrechts sind (s. vorstehende Anm. la) grundsätzlich nicht die heutigen G.angehörigen als solche, sondern die Eigentümer bestimmter Anwesen, über den Unterschied der Nutzungen und der Nutzungsrechte s. die gleiche Anm. la. 3. Nutzungsrechte am Gemeindevermögen. a) Wie bisher sind (Begr. S. 69) Nutzungsrechte nur an Grundstücken möglich, oie sich im Eigentum der G. befin­ den, und an dinglichen Rechten, die der G. an fremden Grundstücken (wie an Grundstücken des Staates) zustehen (z. B. „an dem einer G. zustehenden Rechte auf jährlichen Bezug eines bestimmten Holzquantums aus fremden Waldungen" BGH. 22, 112). Es ist sehr wohl möglich, daß Nutzungsrechte nur an einem Teil des G.vermögens bestehen (VGH. 12, 138). Dagegen gibt es keine Nutzungsrechte an einem in Geld bestehenden Tell des Grundstockvermögens oder der Wirtschaftsmittel einer G. (BersA. I, 405 r) (z. V. an den „Barbeständen einer GLtaffe", VGH. 18, 125 oder an den „Bareinnahmen aus den Erträgnissen gemeindlicher Liegenschaften", VGH. 22, 112). Werden Grundstücke der G., die mit einem Nutzungsrecht belastet sind, an eine andere Rechts­ persönlichkeit übereignet, so erlöschen die Nutzungsrechte (BGH. 5, 211; 38, 69). Dies gilt nicht, wenn eine Ortschaft durch Vertrag mit der G. ihr Vermögen mit allen Verbindlichkeiten auf die G. überträgt und damit die Eigenschaft einer Körperschaft des öffent­ lichen Rechts verliert. Art. 62III Satz 2 bestimmt vielmehr aus­ drücklich, daß in diesem Falle Nutzungsrechte vom Übergang des Eigentums nicht berührt werden. Auch Ersatzgrundstücke, die die G. gegen Grundstücke eintauscht, die mit einem Nutzungsrecht belastet sind, werden von den Nutzungsrechten nicht erfaßt (BGH. 12, 139), es sei denn, daß sich bis zum 1. April 1928 ein rechtsbegründetes Herkommen nach Art. 35 auch für diese Ersatzgrundstücke gebildet hat. Ob ein Erwerb nach dieser Zeit für die Begründung eines Nutzungsrechts in Betracht kommen kann, s. nachfolgende Anm. 4. des Landtags auch im rechtsrheinischen Bayern eingeführt werden lArt. 49IV), ist also nur tatsächlich, dagegen nicht rechtlich eine Besonderheit der Pfalz.

Art. 33. Nutzungsrechte kraft bürgerlichen Rechts.

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Die Nutzungsrechte können im Grundbuch nicht einge­ tragen werden, da sie auf einem ösfentlichrechtlichen Rechts­ verhältnis beruhen (§ 123 Ziff. 6 der Dienstanweisung für die Grundbuchämter; Henle-Schmitt, Grundbuchwesen S. 53, 54). Da die Nutzungsrechte untergehen, wenn und soweit die G. Grundstücke veräußert werden, ist zu folgern, daß zu jeder Veräußerung eines belasteten Grundstücks die Zu­ stimmung der beteiligten Nutzungsrechtler erforderlich ist. Der G. bleibt nur der Weg der Teilaufhebung nach Art. 38 (f. die Anm. 1 ä zu Art. 38).

4. Keine neue Begründung. Das Gesetz sagt, daß öffentlichrechtliche Nutzungsrechte nicht neu begründet werden können. Nach der Fassung der Art. 35 durch den Landtag wird das Herkommen als Rechtstitel nur aner­ kannt, wenn die Frist von 30 Jahren, innerhalb der die Nutzung kraft Rechtsüberzeugung ununterbrochen ausgeübt sein muß, vor dem 1. April 1928 liegt. Die nach dem 1. April liegende Zeit wird nicht angerechnet. Es war also sicherlich der Wille des Gesetzgebers, eine Sperre zu erlassen, daß neue öffentlichrechtliche Nutzungsrechte nach dem 1. April 1928 weder durch öffentl ichrechtlichen Vertrag noch durch gewohnheitsrechtliches Herkommen begründet werden kön­ nen*). Daß ein b ü r g er l ich re ch t l ich es Nutzungsrecht auch nach dem 1. April 1928 durch Vertrag begründet werden kann, ist selbstverständlich, da der bayerische Gesetzgeber zu einer Regelung nach dieser Richtung gar nicht befugt gewesen wäre (f. hierüber die nachfolgende Anm. 5).

8. Nutzungsrechte kraft bürgerlichen Rechts. Wie in vorstehender Anm. 1 d ausgeführt ist, kann die Rechts­ entwicklung aus den Rechtsverhältnissen der alten Markgenossen­ schaft fich zum Privateigentum der Rechtsnachfolger der Genossen vor den Jahren 1808/1818 entwickelt haben. Es ist auch möglich, daß diese Rechtsentwicklung vor diesem Zeitpunkt nicht in bürgerlichrechtliches Miteigentum oder Eigentum zur gesamten Hand, in der sogenannten „Realgemeinde", sondern in der Be­ gründung bürgerlichrechtlicher Nutzungsrechte auslief. Ob dies der Fall ist, ist als Angelegenheit des bürgerlichen Rechts von den bürgerlichen Gerichten zu entscheiden. Es ist (vgl. vor­ stehende Anm. 4 a. E.) weiter möglich, und vorgekommen, daß zur Erledigung eines Nutzungsstreites im Vergleich die G. wie die *J Die Erörterung der Frage, ob nicht gleichwohl ein gesetzes­ änderndes Gewohnheitsrecht, das der Gesetzgeber selbst gerade bei der Neufassung dieser Bestimmungen anerkannt hat (vgl. vor­ stehende Anm. 1), möglich ist, muß dem großen Kommentar Vor­ behalten bleiben.

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I. Gemeindeordnung.

Rechtler durch bürgerlichrechtlichen Vertrag Nutzungsrechte des bürgerlichen Rechts in Form einer Reallast (§§ 1105 ff. BGB.) begründet haben. Dann wird mit diesem bürgerlichrechtlichen Vertrag gleichzeitig ein öffentlichrechtlicher Vertrag geschlossen, der ausspricht, daß Nutzungsrechte öffentlichrechtlicher Art, falls sie bestanden haben sollten, mit der Wirk­ samkeit dieses Vertrags untergehen sollen. Selbstverständlich sind Streitigkeiten aus dem Inhalt solcher Verträge, soweit sie die begründete Reallast betreffen, allein von den bürgerlichen Gerichten auszutragen. Wie dasObLGZ.7, 3 mit Recht ausführt, besteht weder eine Vermutung für die privatrechtliche Natur noch für die öffentlichrechtliche Natur eines Nutzungs­ rechts an den unverteilten G.gründen. Wer behauptet, daß ihm ein Privatrecht auf Nutzungen des G.vermögens zusteht, hat dies zu beweisen. Macht ein Kläger geltend, daß sein Recht nicht in seiner Eigenschaft als G.glied geltend gemacht wird, sondern auf privatrechtlichem Wege entstanden sei, so sind die Gerichte zur Entscheidung zuständig. „Ob die zur Begründung des Anspruchs aufgestellten Behauptungen richtig sind und bewiesen werden können und ob sie geeignet sind, den in der Klage gestellten Antrag zu rechtfertigen" ist für die Frage der Zulässigkeit der Klage vor den Gerichten bedeutungslos. (KompKonflE. 8. April 1902, Sammlung S. 293, auch GBBl. 1902 Beil. II, vgl. auch Komp­ KonflE. GBBl. 1907 Beil. III). Soweit Rechtssätze des bürger­ lichen Rechts in Frage kommen, konnte das landesrechtliche G.recht daran nichts ändern und es war rechtsirrig, wenn einzelne Abge­ ordnete im VerfA. (I, 403, 406) von der Neuregelung des Rechts der Nutzungen am G.vermögen durch den Landtag die Regelung der Frage des Eigentums an den Grundstücken der Allmende oder gar die Entscheidung von Streitigkeiten darüber erwarteten oder forderten. Das G.recht konnte nur die Rechtsverhältnisse an dem Vermögen regeln, das unbestritten G.vermögen ist. Wird dies bestritten, so ist der Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten auszutragen (VerfA. I, 407). Wie StM. Dr. Stützel weiter zu­ treffend ausführte (VerfA. I, 408), hat der Eintrag im Grundbuch ebensowenig eine rechtsbegründende Wirkung, wie die Eintragung im Grundsteuerkataster, selbst wenn dieser aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts herrührt. Der Eintrag im Kataster kann nur Beweismittel sein, dessen Bedeutung vom Gerichte zu würdigen ist. Wird in einem verwaltungsgerichtlichen Streit über das Recht auf Ausübung öffentlichrechtlicher Nutzungsrechte am G.vermögen geltend gemacht, daß bürgerlichrechtliches Eigentum der Berech­ tigten vorliege (z. B. daß dieses vor den Jahren 1808/18 begründet worden sei), so ist nach Art. 40 zu verfahren. Das Gleiche gilt für den Fall, daß zwar das Eigentum der G. an den in Frage stehenden Grundstücken außer Zweifel steht, aber ein

Art. 34.

Rechtsgrunb.

418

Nutzungsrecht des bürgerlichen Rechts geltend gemacht wird. Der verwaltungsgerichMche Streit ist so lange auszusetzen, bis. diese bürgerlichrechtlichen Fragen von den bürgerlichen Gerichten ent­ schieden sind (vgl. Dyroff S. 493, 495).

Art. 34. Rechte einzelner auf Nutzungen am Gemeindevermögen find begründet^ wenn und soweit hierfür ein besonderer Rechtstitel2 oder rechtsbegründetes Herkommen besteht. Diese Rechte können auch ausgeübt werden, wenn die Ge­ meinde Umlagen, örtliche Abgaben oder örtliche Ver­ brauchssteuern erhebt.^ RefE. Art. 34, 35, 37; RegE. StenBer. 178 ff., 267.

Art.

34; BerfA.

I, 405ff.; II, 38;

1. Rechte sind begründet. a) über Entstehungsgeschichte und Zweck der neuen Vorschriften s. Anm. 1ä zu Art. 33. WÜchen Inhalt das Nutzungsrecht besitzt, ergibt der „besondere Rechtstitel" oder das „rechtsbegrün­ dete Herkommen". Regelmäßig handelt es sich „um unmittelbare Benützung des G.grundes für Zwecke des haus- und landwirt­ schaftlichen Betriebs" (BGH. 38, 65). Zumeist kommen Holz­ rechte, Weiderechte, Rechte auf Nutzung von Gras oder Bezug von Streu in Betracht. Auch der Umfang des Nutzungsrechts der einzelnen Rechtler kann verschieden sein, über die „radizierten Nutzungsrechte" s. Art. 36 und die Anm. 1 dazu. b) Rechtsansprüche auf Nutzungen des G.vermögens und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen sind nach Art. 8 Z. 28 Berwaltungsrechtssachen. Das gilt sowohl für den Be­ stand wie den Inhalt und den Umfang des Nutzungsrechts. Streit­ beteiligte sind einerseits die G. oder Ortschaft, anderseits die Rechtler. Wird der G.rat oder der Ortsausschuß im Hinblick auf Art. 201 S. 1 wegen „nächster Beteiligung" der Mitglieder beschluß­ unfähig, so ist nach Art. 2011 zu verfahren (s. insbesonders hier S. 271 Anm. 7). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH. (s. insbesonders 36,192) hatten die nicht nutzungsberechtigten Umla­ genpflichtigen einer G., die „Nichtrechtler", bisher, „wenn nicht die Pflicht, so doch das Recht, als Streitbeteiligte in einem verwal­ tungsrechtlichen Nutzungsstreit jedenfalls dann aufzutreten", wenn Umlagen erhoben werden oder wenn die bejahende oder ver­ neinende Entscheidung über das Nutzungsrecht „einen unmittel­ baren Einfluß und eine bestimmende Rückwirkung auf die Zu­ lässigkeit und den Umfang der Umlagenpflicht überhaupt"" ausübt. Nach Art. 34 Satz 2 können künftig gesetzlich begründete Nutzungs­ rechte auch ausgeübt werden, wenn die G. Umlagen erhebt. Der Bestand von Nutzungsrechten mindert die „primären"" Deckungs-

414

I. Gemeindeordnung.

mittel der G., übt also auf die „subsidi-Lren" Deckungsmittel, die Erhebung und die Erhöhung der Umlagen, einen mittelbaren Einfluß aus. Man wird deshalb auch künftig anerkennen können, daß die Beteiligung der „Nichtrechtler" im Streit möglich wenn auch nicht notwendig (BGH. 13, 248; 24, 348 u. 350) ist.

2. Besonderer Rechtstitel. Abgesehen vom rechtsbegründeten Herkommen kann nach dem Gesetz ein Nutzungsrecht begründet werden durch einen „beson­ deren Rechtstitel". Wie der Ber. vr. Samer (BerfA. I, 4061) zutreffend ausgeführt hat, sind derartige Rechtstitel ver­ hältnismäßig selten. Nach der Rechtsprechung des BGH. (37, 31 und dortigen Verweisungen) werden darunter bestimmte „rechts­ erzeugende und rechtswirksame Tatsachen" verstanden. Als Bei­ spiel hat der Ber. (a. a. O.) landesherrliche Verordnungen, Par­ tikularrecht (früheres Landesrecht) und G.statuten, dann weiter mit Recht auch Verträge genannt, „soweit sie auf öffentlichem Rechtsgebiete liegen". Es ist jedoch sehr wohl möglich, daß, wenn die Parteien (die G. einerseits und die Rechtler anderseits) den Vertrag in früherer Zeit abgeschlossen haben, in der man jeden Anspruch auf einen Bermögenswert als einen Anspruch des bürgerlichen Rechts erachtete, durch den Vertrag nicht ein öffentlichrechtliches Nutzungsrecht aus dem G.verband, sondern ein bür­ gerlichrechtliches Nutzungsrecht begründet werden wollte und begründet worden ist, selbst wenn die Beweggründe zum Vertrag auf den Gedanken der alten Markgenossenschaft zurückgingen. Auch der Vergleich kann, soweit er nicht nur einen Rechtsstreit endet, sondern gleichzeitig Rechte und Pflichten abgrenzt und festlegt, als Vertrag und damit als Rechtstitel anzusehen sein. Die bisherige Anschauung (VGH. 36, 197 und dortige Verwei­ sungen), daß dies nur der Fall sein kann, wenn der Vergleich bereits vor dem Jnslebentreten des G.edikts v. 17. Mai 1818 stattgefunden hat, ist durch den Gesetzgeber, der im örtlichen Her­ kommen nach Art. 34 auch Rechtstitel nach dieser Zeit anerkennt, wohl aufgegeben worden und es ist die gegenteilige Anschauung zugrunde zu legen. Der Vergleich ist deshalb, soweit er einen Vertrag enthält, als Rechtstitel anzusehen, einerlei, wann er geschlossen worden ist. Wurde er in einem vor den Berwaltungsgerichten anhängigen Rechtsstreit geschlossen, so wird die Ver­ mutung dafür sprechen, daß in dem Vertrag öffentlichrechtliche Nutzungsrechte, nicht etwa Nutzungsrechte des bürgerlichen Rechts anerkannt werden wollten. Die weitere bisherige Schwierigkeit ob die unvordenkliche Verjährung als Rechtstitel für den Erwerb eines Nutzungsrechts anzusehen ist*) oder nicht, ist *) S. darüber einerseits Kahr I, 227 Anm. 6, der insbesonders auf das bayerische Landrecht verweist, anderseits BGH. 10, 210 ff. insbesonders 211. Das BGB. hat die unvordenkliche

Art. 34. Besonderer Rechtstitel.

415

dadurch beseitigt, daß der Gesetzgeber in Art. 34 u. 35 das rechts­ begründete Herkommen, also das örMche Gewohnheitsrecht aus­ drücklich als Rechtstitel anerkannt hat. Bei der unvordenklichen Verjährung handelt es sich um die Ausübung oder Nichtaus­ übung eines Rechts seit unvordenklicher Zeit. Dies konnte (Enneccerus, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts 25.-29. Auflage I, 591) nicht die Entstehung oder den Untergang des Rechts zur Folge haben, sondern nur eine Rechtsvermutung, daß das Recht ent­ standen oder untergegangen sei. Das geltende Recht geht weiter, es gibt der kraft Rechtsüberzeugung auch kürzere Zeit (30 Jahre lang) erfolgten Ausübung die Rechtsbedeutung desRechtstitels. S. Das rechtsbegründete Herkommen,

ist (Kahr I, 227; BGH. 12, 405 u. 460; 13, 198) das ört­ liche Gewohnheitsrecht. Gefordert ist die durch Rechts­ überzeugung (Art. 35) getragene tatsächliche Übung, die nach näherer Bestimmung des Art. 35 ununterbrochen wenigstens 30 Jahre lang gedauert hat. Der Beweis der Rechtsüber­ zeugung wird sich „insbesonders dadurch erbringen lassen, daß. der Nutzungsinhaber nachweist, daß er im vollen Glauben an die Berechtigung seines Anspruchs aus Anlaß familienrechtlicher oder erbrechtlicher Beziehungen für die Nutzungen Vermögenswerte hingegeben oder Verbindlichkeiten übernommen l)at" (Begr. S. 72)Der Beweis der tatsächlichen Ausübung ist erbracht, wenn er mir für einzelne Jahre der ersten Zeit gegeben ist und der gleiche Zustand in der späteren Zeit fortgedauert hat (BGH. 12, 459; 13, 197; 36, 203). Die Feststellung des Sachverhalts erfolgt nach Art. 20 BGG. von Amts wegen, doch steht es den Beteiligten frei, Hilfsmittel und Anhaltspunkte für die richtige Ermittlung des Sachverhalts zu liefern (BGH. 24, 426; Dyroff S. 554). 4. Die gemeindlichen Steuern sind kein Hindernis.

Mit dieser Bestimmung, über deren Zweck auf die Anm. 1 d zu Art. 33 verwiesen wird, hat, wie der Mitber. Ackermann BerfA. I, 401 zutreffend ausführte, das Gesetz den Unterschied, zwischen bevorzugten und einfachen Nutzungsrech­ ten aufgehoben. Dagegen ist die weitere Ausführung des

Verjährung nicht ausgenommen, sie hat nur noch für die dem! Landesrecht vorbehaltenen Gegenstände Bedeutung. Nach der Meinung des BGH. (7, 49; 37, 34; dann v. 20. Juli 1927, BBBl. 1928, 47) ist die Anwendung der unvordenklichen Ver­ jährung (erwerbenden Verjährung, eines Rechtsgrundsatzes, den das bürgerliche Recht geschaffen habe) im öffentlichen Recht nur anhängig, wenn eine gesetzliche Bestimmung dies zuläßt. Die Erörterung, ob dies richtig ist, muß anderer Stelle Vorbehalten: bleiben.

416

I. Gemeindeordnung.

Mitber., daß der Gesetzgeber alle Nutzungsrechte zu bevorzugten Nutzungsrechten gemacht hätte, nur bedingt richtig. Das Gesetz knüpft unter Ablehnung der von der Rechtsprechung gege­ benen Forderungen aus dem früheren Gesetz (vgl. Begr. S. 71 und die zutreffenden Ausführungen des Abg. Th. Auer, BerfA. I, 409) unmittelbar an das frühere Gesetz an und gibt dienach seiner Anschauung treffende Auslegung des Gesetzes in neuem Rechtssatz. Gleichzeitig aber bestimmt das Gesetz in Art. 35 den Begriff des rechtsbegründeten Herkom­ mens näher. Damit werden nur diejenigen Nutzungsrechte als dem Gesetz entsprechend anerkannt, die diesen Rechtsbedin­ gungen entsprechen, allerdings ohne Rücksicht darauf, ob sich nach der bisherigen Rechtsauslegung der Nachweis für ein bevor­ zugtes oder nur für ein einfaches Nutzungsrecht erbringen läßt.

Art. 35. Das Herkommen gilt als rechtsbegründet,wenn die Nutzungen kraft Rechtsüberzeugung2 ununterbrochen3 wenigstens dreißig Jahre fang4 bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes oder, falls der Anspruch schon vorher in einem Verwaltungsrechtsstreit geltend gemacht wurde? bis zum Zeitpunkte der Geltendmachung^ des Anspruchs aus­ geübt worden sind, es sei denn, daß der Ausübung eine rechtskräftige Entscheidung3 entgegensteht. Wird der An­ spruch nach Jnkrafttteten dieses Gesetzes erhoben, so müs­ sen außerdem die Nutzungen bis zur Geltendmachung des Anspruchs ausgeübt worden sein? RefE. Art. 35 und 37; RegE. StenBer. 178 ff., 267.

Art.

35; BerfA.

I, 408ff.; II, 35;

1. Das Herkommen gilt als rechlsbegründel. Art. 35 ist im Zusammenhang der Bestimmungen nichts anderes als eine gesetzliche Begriffsbestimmung der Worte „rechts­ begründetes Herkommen" in Art. 34. Der RegE. ging (s. die Anm. 1 ä zu Art. 33) von dem Rechtsgedanken aus, daß sich das Gewohnheitsrecht auch gegen das Gesetzesrecht bilden kann, wenn die Ausübung während einer vom Gesetzgeber zu bestimmenden Zeit kraft Rechtsüberzeugung erfolgt ist, und bestimmte nur die Zeit, in der die Ausübung kraft Rechtsüberzeugung erfolgt sein muß. Nach der Fassung des RegE. wäre es auch in der Zukunft möglich gewesen, neue Nutzungsrechte kraft Ge­ wohnheitsrecht entgegen dem Art. 33 I zu begründen, wenn die Voraussetzung des Art. 35 gegeben war. Insbe­ sondere konnte zur Vollendung der Frist von 30 Jahren auch die Zeit nach dem Jnkrafttteten der GO. (1. April 1928) in Be-

Art. 35. Rechtsbegründetes Herkommen.

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tracht kommen. Im BerfA. ist hier (nach einem Antrag des Ber., VerfA. I, 408, vgl. die nicht ganz zutreffenden Ausführungen I, 400 r und I, 405 r) eine grundsätzliche Änderung vorgenommen worden. Das Gesetz erkennt als Zeitraum für die Bil­ dung des Gewohnheitsrechts auch im äußersten Falle nur die Zeit an, die vor dem 1. April 1928 li egt. Nach der keinesfalls glücklichen und klaren Fassung des Ge­ setzes infolge der Beschlüsse des BerfA. (s. nachfolgende Anm. 4) müssen die Rechte grundsätzlich mindestens in der Zeit vom 1. April 1898 bis 1. April 1928 ausgeübt worden sein. Der Gesetzgeber will also nur die Rechte schützen, die er im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vorfindet (Ber. Dr. Sa­ mer BerfA. I, 400 r), allerdings einerlei, ob sie nach der früheren Gesetzgebung und deren Auslegung durch die Rechtsprechung als bevorzugte oder einfache Nutzungsrechte anzusehen lind. Sind Rechte vor dem 1. April 1928 durch rechtskrästlge Entscheidung aberkannt, so verbleibt es hierbei (s. Anm. 1 ä zu Art. 33 und die nachfolgende Anm. 8). Sind Rechte vor dem 1. April 1928 nur als einfache Nutzungsrechte anerkannt und deshalb in der Zeit unmittelbar vor dem 1. April 1928 nicht mehr ausgeübt worden, so haben sie den Schutz des Art. 35 nicht und können, soweit ihre Ausübung auf örtliches Gewohnheitsrecht gestützt werden wollte, nicht mehr ausgeübt werden. Eine Ausnahme ergibt sich nur, wenn ein Rechtsstreit über die Nutzungsrechte am 1. April 1928 anhängig ist (s. darüber die nachfolgende Anm. 4). 2. kraft Rechtsüberzeugung. Das Herkommen ist (s. Anm- 3 zu Art. 34) örtliches Gewohn­ heitsrecht. Es kann sich also nur bilden, wenn die Betelligten (die G. wie die Rechller) die Überzeugung haben, daß die Nutzungen dem Rechte entsprechen. Da es sich um eine Vielheit von Rechtlern handelt, die aus einem einheitlichen Rechtsgrund ihre Nutzungen beziehen, kann das Rechtsverhältnis nur einheit­ lich bemessen werden. Es entscheidet die Rechtsüberzeugung der weit überwiegenden Zahl. Die abweichende Meinung Einzelner schadet nicht. Die Rechtsüberzeugung ist gegeben, wenn der Nutzungsempfänger, wie die anderen Nutzungsempfänger gleicher Art, glauben konnten und glauben mußten, auf die Nutzungen e,in Recht zu haben; wenn sie das Nutzungsrecht beim Kauf oder bei der Übergabe des Anwesens in seinem Werte sich haben anrechnen lassen müssen und wenn dies allgemein in allen gleich gelagerten Fällen geschehen ist. Hinsichtlich des Beweises der Rechtsüberzeugung wird im übrigen auf Anm. 3 zu Art. 34 Bezug genommen. 3. ununterbrochen. Eine ununterbrochene Ausübung ist dann gegeben, wenn die Nutzung in jedem Jahre in der Zeit ausgeübt wird, in der sie Laforet-v.Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung. 27

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I. Gemeindeordnung.

nach ihren wirtschaftlichen Zwecken zu üben ist. Eine Unterbrechung liegt nicht vor, wenn die Rechtler „mit Rücksicht auf eine beson­ dere Notlage der G. freiwMg und vorübergehend auf genau bestimmte Zeit von ihren Nutzungen zurücktreten", „ohne daß ein dauernder Verzicht auf das Nutzungsrecht überhaupt vermutet werden darf" und ohne daß die G. und die Rechtler hinsichtlich der dauernden Ausübung der Nutzungen sich anderweit geeinigt haben sollten (BGH. 12, 179 insb. 185).

4. wenigstens 30 Jahre lang. Die Frist ist (vgl. BerfA. I, 409) im Anschluß an die unvor­ denkliche Verjährung des bayerischen Landrechts, wie an die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 des BGB. auf 30 Jahre festgesetzt worden. Diese Frist von 30 Jahren muß (vgl. vor­ stehende Anm. 1) grundsätzlich vor dem 1. April 1928 liegen. Es soll der „übereinstimmende Wille des Gesetzgebers sein, daß die Nutzungen bis zur Geltendmachung des Anspruchs gewährt wor­ den sind" (Ber. Dr. Samer BerfA. II, 38). Wird also der Anspruch erst in der Zeit nach dem 1. April 1928 erhoben, so wird in dem nach dem Antrag des Ber. beigefügten Satz 2 gefordert, daß die Nutzungen abgesehen von der Zeit zwischen 1. April 1898 und 1. April 1928 auch in der Zeit nach dem 1. April 1928 bis zum Antrag auf verwaltungsgerichckiche Entscheidung ausgeübt worden sind. Die Frist von 30 Jahren verlängert sich also um die Zeit, die nach dem 1. April 1928 bis zur Rechtshängigkeit des ver­ waltungsgerichtlichen Streits vergeht. Ist anderseits über die Nutzungen ein Rechtsstreit vor dem 1. April 1928 anhängig ge­ worden, so wird gefordert, daß die Rechte bis zum Zeitpunkt der Geltendmachung dieses Rechtsstreits 30 Jahre lang zurück aus­ geübt worden sind, s. hierüber die nachfolgende Anm. 5.

8. Geltendmachung in einem Verwaltungsrechtsstreit. Der Vorschrift, die durch den BerfA. ihren Wortlaut er­ halten hat, kann nur dann ein rechtlicher Sinn entnommen werden, wenn man annimmt, daß der Gesetzgeber hier zu den Fällen Stellung nehmen wollte, die am 1. April 1928 rechts­ hängig sind. Hier wird gefordert, daß die Rechte bis zum Zeit­ punkt der Geltendmachung des Rechtsstreits in der unmittelbar zuvorgehenden Zeit 30 Jahre lang ausgeübt worden sind. Rechts­ hängig ist der Rechtsstreit geworden in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf verwaltungsgerichlliche Entscheidung bei der jewells zur Streitentscheidung zuständigen Behörde gestellt worden ist. Das war vor dem 10. März 1924 gemäß Art. . II), daß die Anleihe, vom Beginn ihrer Aufnahme an, nach einem festgestettten Plan aus Wirtschaftsmitteln getilgt werden muß und gibt in Abs. II Satz 2 für Anleihen bestimmter Art eine Richtlinie für die Zeit der Tilgung. Diese Richtlinie ist nur eine Ordnungsvorschrift. Die Pflicht -er Tilgung in der erwähnten Art ist dagegen gleichfalls eine gesetzliche Verpflichtung der G. im Sinn des Art. 601. Verletzt die G. die genannten gesetzlichen Verpflichtungen, so hat die Staatsausficht das Recht und die Pflicht, dagegen mit den Mitteln des Art. 60 einzuschreiten, wenn sie nicht nach Abs. III aus wichtigen Gründen eine Ab­ weichung von den Vorschriften zuläßt. d) Der Grundgedanke des Gesetzes, daß der Bedarf für laufende Ausgaben grundsätzlich (von der Ausnahme nach Abs. III abgesehen), durch Anleihen nicht gedeckt wer­ den darf, ist im Gesetz nicht in Worten niedergelegt, er ist jedoch unbestreitbar ebenso Rechtsgrundsatz, wie dies für die Fas­ sung des Rechtsgedankens in Art. 61 d. rrh. GO.; Art. 45 d. pf.GO. von 1869 der Fall war. Anleihen sind außerordent­ liche Mittel zur Deckung des gemeindlichen Bedarfs. Es muß sich also um außerordentliche Bedürfnisse handeln, „die nicht oder nur in weitausgedehnten Zeiträumen wieder­ kehren" (erwähnte MB. v. 11. Okt. 1907, MABl. S. 482). Die Kosten der Unterhaltung eines werbenden Betriebs sind zwar Ausgaben für werbende Zwecke und die Ausgaben für die Unterhaltung eines Krankenhauses sind Ausgaben für eine Ein­ richtung von dauerndem Nutzen. Sie können jedoch (von besonderen AusnahmefäUen nach Abs. III abgesehen) durch Anleihen oder ihnen gleichstehende Schuldaufnahmen und Schuldverpflichtungen nicht gedeckt werden, da es sich nicht um außerordentliche Bedürf­ nisse dieser Unternehmen und Einrichtungen handelt. Bei der laufenden Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen, wie z. B. bei den laufenden Fürsorgelasten nach der RFB. liegt überhaupt keine Einrichtung im Sinne des Art. 421 vor, ebensowenig bei der Zuweisung von Arbeitslosenunterstützungen oder ähnlichen Maßnahmen für einzelne Gruppen von G.angehörigen in beson­ derer Notlage; abgesehen von besonderer Ausnahme nach Abs. III ist eine Schuldaufnahme für solche Zwecke rechtlich unzulässig. Ebenso wäre es rechtlich unzulässig, etwa einen Teil des laufenden Aufwandes für Beamtenbesoldung auf Anleihe zu übernehmen. e) Ob und wie die G. eine gesetzlich zulässige An­ leihe aufnehmen will, ist grundsätzlich Sache der Selbstverwaltung der G. Die G. hat hierbei nur das Ge­ setz zu beachten. Ihr steht nur die Staatsaufsicht gegenüber. Die G. ist jedoch nach unserer Rechtsvorstellung „ewig". Die gegen­ wärtige Verwaltung einer G. nützt den G.angehörigen, sie belastet

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I. Gemeindeordnung.

sie aber auch auf unbeschränkte Zeit hinaus. Ein Konkurs der G. ist rechtlich ausgeschlossen (s. hierüber S. 137). Das Gesetz hat deshalb (auch abgesehen von der in Art. 30 gegebenen Pflicht zur Erhaltung des Grundstockvermögens) eine Schranke aufge­ richtet, daß die augenblickliche Verwaltung einer G., auch zu Zwecken nach Abs. I, nicht unbeschränkt Lasten aufnehmen kann. Hier soll von der Belastung in bestimmter Höhe ab die Schutzgewalt des Staates mitwirken müssen, der Staat also auch eine Verantwortung mittragen, überschreitet die Verpflich­ tung einer G., sei es in Form einer Anleihe (Abs. IV) oder eines ihm gleichgestellten Rechtsgeschäftes (Abs. V), sei es in Form eines Betriebskredits (dessen Aufnahme nach dem Gesetz als be­ sondere Berwaltungsmaßnahme selbständig zu würdigen ist, Abs. VI), nach näherer Bestimmung der Art. IV und VI die dort ge­ nannten Summen, so hat der Staat bei der Schuld­ aufnahme mitzuwirken. Die Befugnis der Mitwirkung des Staates, die durch Genehmigung erfolgt, wird durch die Staatsaufsichtsbehörde ausgeübt. Diese Genehmigung ist öffent­ lichrechtliche Ausübung der Staatshoheit über die G., gleichzeitig hat sie aber bürgerlichrechtliche Bedeutung. Die Genehmigung ist Erfordernis der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes (s. darüber die Ausführungen S. 139 und im einzelnen die nach­ folgende Anm. 10). f) Der Zweck der Anleihe ist durch Abs. I S. 1 be­ grenzt. Für andere Zwecke darf eine Anleihe nicht ausgenommen werden, über die Folgen der Zuwiderhandlung siehe die nachf. Anm. 9. Liegt jedoch ein werbender Zweck oder eine Aus­ gabe für Einrichtungen von dauerndem Nutzen vor, so ist es uner­ heblich, ob es sich um eine Pflichtaufgabe (s. Anm. 3 zu Art. 28), oder um eine freiwillige Aufgabe (s. Anm. 2 zu Art. 28) handelt. g) Die Person des Gläubigers ist für den Vollzug des Art. 42 grundsätzlich unerheblich, nur für Auslandsdarlehen (s. darüber Abs. IV S. 2 und die nachfolgende Anm. 13) ist Beionderes bestimmt. Entnimmt eine G. Gelder ihrer Sparkasse, o liegt keine Anleihe und kein Darlehen vor. Die Sparkasse ist eine Anstalt der G. nach Art. 44. Das Vermögen der Sparkasse hat „einen aus geschiedenen Bestandteil des allgemeinen Ver­ mögens zu bilden". (§ 3 der Grundbestimmungen für die Spar­ kasse, s. Handbuch für die bayerischen Sparkassen S. 9), aber es ist G.vermögen, dessen verwaltungsmäßige Ausscheidung ja auch dieses Sparkassenvermögen der Haftung der G. für ihre Schulden nicht entzieht. Es kann deshalb kein Rechtsverhältnis zwischen der G. und ihrer Anstalt, der Sparkasse, also kein Darlehen der Sparkasse an die G. geben (vgl. hier S. 147 Anm. 3). Die G. hat als Rechtspersönlichkeit ihrer Sparkasse die Gelder der Einleger als Darlehen ausgenommen, (über die Frage, ob die Einlagen auch als Darlehen im Sinn des Abs. V zu erachten sind, s. die nach-

folgende Anm. 16 b). Die G. ist Eigentümerin des Sparkassen­ vermögens, dem die Einlagen zugeslossen sind. Sie kann über die Einlagen soweit verfügen, als ihr nicht durch die Grundbestim­ mungen der Sparkasse oder die vom StMdJ. nach Art. 61III zu gebenden Rechtsverordnungen ein Hindernis in den Weg gelegt ist. Nach § 26 der Grundbestimmungen (Handbuch S. 35) soll die „Anlegung"*) von Sporkassengeldern bei der eigenen G., sei es in Form von „Darlehen" *) oder Vorschüssen oder durch Erwerb von Schuldverschreibungen in der Regel zusammen 3O/o des Ge­ samtvermögens der Sparkasse nicht übersteigen. Keine Anleihe und kein Darlehen liegt auch vor, wenn eine Anstalt der G. an eine andere Anstalt der G. (oder eine Kasse der G. an eine andere Kasse) Gelder durch sogenannte „Vor­ schüsse", „Zuschüsse" oder „Darlehen" für längere oder kürzere Zeit überweist. Hier liegt niemals ein Rechtsverhältnis vor, da die G. die gleiche Rechtspersönlichkeit ist, sondern ein Ab­ rechnungsverhältnis zwischen verschiedenen Stellen der einen Rechtspersönlichkeit, über das diese allein zu befinden hat. h) Hinsichtlich der Art und der Rechts form der Geld­ aufnahme ist zunächst die Sonderbestimmung in Abs. IV S. 2 (Erfüllung in ausländischer Währung) zu beachten, s. darüber die nachfolgende Anm. 14. Will die G. die benötigten Gelder durch Schuldverschreibungen aufnehmen, so sind die §§ 793—806 BGB. maßgebend. Die nach § 795 erforderliche staatliche Ge­ nehmigung kommt dem StMdJ. im Benehmen mit den StM. d. Justiz und der Finanzen zu (§ 9 der B. v. 24. Dez. 1899, GBBl. S. 1229). Hinsichtlich der Umschreibung auf den Namen eines bestimmten Berechtigten s. Art. 57 AG. BGB. Darnach sind hier die Art. 49 bis 55 AG. BGB. anzuwenden (das nähere s. in Henle-Schneider zu diesen Bestimmungen), über das Verbot der In Haberpapiere mit Prämien s. RG. v 8. v. Jan. 1871, RGBl. S. 210. 3. Werbende Zwecke. Werbenden Zwecken dient ein Betrieb der G., wenn er nach seiner Bestimmung nicht nur die Kosten des Betriebes einschließlich der Kosten der «Anlage und die der Unterhaltung der Betriebsmittel aufbringt, sondern darüber hinaus noch einen Gewinn abwerfen soll. Zu den Kosten der Anlage gehört auch der Betrag für die Verzinsung und Tilgung einer etwa aufge­ nommenen Schuld, zu den Kosten der Unterhaltung der Betriebs­ mittel gehört auch die Erneuerungsrücklage (der Amortisations­ fonds). Die Eigenschaft des werbenden Zwecks oder werbenden Betriebs **) ist auch dann gegeben, wenn der Erfolg der Gewinn-

*) Gegen die Bezeichnung „Anlegung" ist richtig verstanden rechllich nichts zu erinnern. Dagegen kann die Bezeichnung „Dar­ lehen" in § 26 der Grundbestimmungen irre führen. **) S. dazu die allerdings nach ihrem Zweck hier nicht ohne

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I. Gemeindeordnung.

erzielung im einzelnen Fall tatsächlich nicht erreicht wird. Auch ist es unerheblich, ob abgesehen von dem Hauptzweck der Ertragserzielung ein Nebenzweck läuft, nämlich durch den Betrieb gemein­ nützigen Zwecken (z. B. der Gesundheit der Einwohner, der Förderung des Verkehrs, Lehrzwecken) zu dienen. Unter die Be­ triebe, die werbenden Zwecken dienen, fallen zweifellos die An­ stalten und Einrichtungen zur Versorgung mit Wasser, Gas, Kraft und Licht, dann Straßenbahnen, Kleinbahnen, Hafenbetrieb, Lager­ häuser, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und zur Gewinnung von Bodenschätzen (Steinbrüche). Dagegen dienen nicht werbenden Zwecken und sind keine werbenden Betriebe die Anstalten, Unter­ nehmen und Einrichtungen, die ohne Rücksicht auf Ertragserzie­ lung zu gemeinnützigen Zwecken ins Leben gerufen sind. Darunter fallen zweifellos Kranken- und Siechenhäuser, Erholungs-, Alter- und Kinderheime, Sport- und Spielplätze, weiter die Einrichtungen, die der Kunst, Wissenschaft und sonstigen Mldungszwecken dienen (z. B. Theater, Schulen, Büchereien, Bolkslesehallen usw.), dann vor allem alle Straßen. Ein Erwerbs­ unternehmen (Art. 611 Z. 3) ist stets ein Unternehmen zu werbendem Zweck; ein „Versorgungsbetrieb" nach der gleichen Bestimmung, eine Einrichtung, die die Versorgung der Bevöl­ kerung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs bezweckt, kann ein Unternehmen zu werbendem Zwecke sein, es kann dies aber auch nicht der Fall sein. 4. Ausgaben für Einrichtungen von dauerndem Nutzen. Damit sind getroffen alle Ausgaben für Anstalten, Unter­ nehmungen und Einrichtungen, die der örtlichen Gemeinschaft dauernd zu dienen bestimmt sind, einerlei, ob sie (vgl. vorstehende Anm. le) zur Erfüllung von Pflichtaufgaben oder freiwilligen Aufgaben der G. dienen. Diesen Zweck erfüllen insbesondere die in vorstehender Anm. 3 genannten Einrichtungen für gemein­ nützige Zwecke. Ob Notstandsarbeiten**) solchen Einrich­ tungen dienen, bemißt sich nach dem Gegenstand des Unternehmens.

weiteres verwendbare B. v. 21. Juli 1923 zur Ausführung des § 60 des FAG. in der Fassung der Bekanntmachung v. 23 Juni 1923 (RGBl. I, 731; auch bei Markull, Kommentar zum FAG. S. 563) und diesen Kommentar S. 483. *) Über deren Förderung s. die Vorschriften über die wertschaffende Arbeitslosenfürsorge in § 139 des RG. über Arbeitsvermitllung und Arbeitslosenversicherung v. 16. Juli 1927, RGBl. I, 203 und dazu die Richtlinien des Berwaltungsrats der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung v. 28. März 1928, Reichsarbeitsblatt I, 87. über die verstärkte Förderung (Darlehen und Zinszuschüsse aus Haushaltmitteln des Reichs und des Landes) s. die B. v. 29. März 1928, RGBl. I, 126.

Die Förderung und verstärkte Förderung eines Unternehmens, die ja zu dem Zweck erfolgt, die Arbeitslosigkeit zu verringern, macht ein Unternehmen noch nicht zu einer Einrichtung von dauerndem Nutzen. 5. Nicht ausreicht. Anleihen sind zwar Deckungsmittel für außerordentliche Be­ dürfnisse, doch ist mit der bisherigen Praxis nicht zu fordern, daß alle irgend gegebenen Einnahmemöglichkeiten der G. erschöpft sein müssen, bevor die G. zu einer Anleihe schreiten darf. Das ergibt sich auch aus der Stellung des Art. 42 in der Reihe der gesetz­ lichen Vorschriften. Auch die Einnahmen aus Anleihen sind „sonstige Einnahmen der G." für den Bedarf der G. im Sinne des Art. 431. Ist der Fall der Zulässigkeit einer Anleihe gegeben, so steht es im Ermessen der G., von der Möglichkeit einer Anleihe Gebrauch zu machen, wenn die zuvor zur Verfügung stehenden Deckungsmittel aus sonstigen Einnahmen und Abgaben im weiteren Sinne nicht ausreichen. Wird keine Anleihe ausgenommen, so muß der Bedarf im Wege des Art. 43 oder 44 gedeckt werden, soweit die gesetzliche Möglichkeit gegeben ist. 6. Tilgung. Das Gesetz fordert, daß die Schuldaufnahme getilgt werden kann. Wie Stumpf (BGBZ. 1925, 851) mit Recht sagt, müssen die laufenden Einkünfte (die Wirtschaftsmittel) der folgenden Jahre die Bereitstellung der zur Tilgung der Schuldverpflichtung erfor­ derlichen Beträge ermöglichen. Die Tilgung muß nach einem festgestellten Plan erfolgen. Davon kann abgewichen werden, wenn die Staatsaufsichtsbehörde es zuläßt. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn das Darlehen aus einer bestimmt anlaufenden außerordentlichen Einnahme (z. B. einem außerordentlichen Holz­ hieb) erfolgt (Stumpf a. a. £).). Die Aufstellung von T^ilgungs-Plänen ist überflüssig bei den Landeskulturrentendarlehen, da die zu tilgenden Beträge sich ohne weiteres aus der zum Vollzug des Gesetzes über die Landeskulturrentenanstalt erlassenen MB. (GBBl. 1908, 367ff.; 1924, 201 ff.) entnehmen lassen. Es genügt hier die Bezugnahme auf diese Bestimmungen. Hier ist deshalb die Ausstellung von besonderen Tilgungsplänen ausdrücklich erlassen (§ 14 Abs. V der BollzAnw/z. SVG., GVBl. 1925, 161; Ziff. 1 der MB. v. 4. April 1928, GVBl. S. 190). Tilgungspläne sind (vgl. vorstehende Anm. 2 c), falls nicht die Staatsaufsichtsbehörde nach Abs. III eine Abweichung zuläßt, notwendig für die Schuldaufnahme nach Abs. I, deren Aufnahme innerhalb des Gesetzes im freien Ermessen der G. steht, wie für Schuldaufnahmen nach Abs. IV, zu deren Rechtswirksamkeit eine Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde erforderlich ist. Die Bemessung der Zeit hängt von der Lage des Geldmarktes und den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen wie von der besonderen wirtschaftlichen Lage der G. ab. Für bestimmte An-

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I. Gemeindeordnung.

lagen, nämlich für die Schuldaufnahmen zur Befriedigung wie­ derkehrender Bedürfnisse, gibt das G. in Abs. II Satz 2 eine allerdings nicht zwingende Ordnungsvorschrift, die schon zuvwr durch die erwähnte MB. v. 11. Okt. 1907 (MABl. S. 484) den G.n als Rat erteilt war, daß nämlich die Anleihe bis zur Wiederkehr des Bedürfnisses getilgt oder durch Rücklagen ausgeglichen sein solll. Die Tilgung binnen angemessener Zeit ist gesetzliche Ver­ pflichtung der G. (vgl. die vorstehende Anm. 2 c). Es kann des­ halb auch die Staatsaufsichtsbehörde nachprüfen, ob die TiLgungszeit den Verhältnissen angemessen ist. Bei der Prüfung ist die Einhaltung der Ordnungsvorschrift des Abs. II S. 2 zu be­ achten (nachfolgende Anm. 7). Doch muß die Staatsaufsichts­ behörde, da sie nur die Gesetzmäßigkeit der Schuldaufnahme nach­ zuprüfen hat, eine Anleihe mit einer Tilgungszeit hinnehmen, die zwar der erwähnten Ordnungsvorschrift nicht gerecht wird, aber der allgemeinen Geldmarktslage und den besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen der G. entspricht. 7. Mederkehrende Bedürfnisse.

Vgl. die vorstehende Anm. 6. Als Beispiel wiederkehrender Bedürfnisse ist in der erwähnten MB. v. 11. Okt. 1907, MABI. S. 484, die Anleihe für Straßenpflasterungen genannt. Weiter kommt hier insbesondere die Erneuerung der Einrichtung und zeitgemäße Umänderung eines werbenden Betriebs (z. B. der Maschinen eines Elektrizitätswerks, des Rohrstranges einer Wasser­ leitung) in Frage. Das Gesetz weist deshalb auf die Mldung von Rücklagen für diese Zwecke (Zweckvermögen im Sinne des Art. 30, s. die Anm. 3 zu Art. 30)* ausdrücklich hin. Dagegen kann von einer Wiederkehr des Bedürfnisses nicht gesprochen werden, wenn nicht die gleiche Anlage zu erneuern ist, sondern, wenn infolge der Mehrung der Bevölkerung eine weitere gleiche Ein­ richtung z. B. ein weiteres Schulhaus nötig ist. 8. Vorlage der Tilgungspläne.

Der Zweck der Vorschrift, ist, die Staatsaufsichtsbehörde in Kenntnis zu setzen zur Prüfung, ob nicht die Schuldaufnahme zusammen mit anderen Schuldaufnahmen die Summe des Abs. IV überschreitet und deshalb genehmigungspflichtig wird, weiter ihr die Nachprüfung zu ermöglichen, ob der gesetzlichen Berpflichtupg der G. nach Abs. II S. 1 entsprochen ist, vgl. die nachfolgende Anm. 17, dann Adam in BVBl. 1925, 210. S. Ausnahmen.

a) Die Einhaltung der in Abs. I und II S. 1 gegebenen Vor­ schriften ist eine gesetzliche Verpflichtung der G. (vgl. die vorstehende Anm. 2 c). Es fragt sich, ob die Zulassung von Ausnahmen durch die Staatsaufsichtsbehörde nur das nusspricht, was ohnehin rechtens ist, daß nämlich die Staatsaufsichtsbehörde aus wichtigen Gründell davon absehen kann, einzuschreiten, wenn eine G. eine gesetzliche Verpflichtung nicht erfüllt. Es fragt sich, ob nicht die

Zulassung der Ausnahme durch die Staatsaufsichtsbehörde eine besondere Bedeutung hat, nämlich für die Frage, welche Rechts­ folgen eintreten, wenn die G. eine Schuldaufnahme für Zwecke rechtsgeschäfMch betätigt, für die nach Abs. I eine Anleihe nicht ausgenommen werden darf, oder wenn die G. entgegen der Pflicht in Abs. II S. 1 bei dem Abschluß des Darlehenvertrags oder der Anleihe keine angemessene Tilgung vorgesehen hat*). Sieht man in der Zuwiderhandlung nur eine Verletzung des Gesetzes, ohne daß diese Verletzung zugleich auch als Zuwiderhandlung gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB. anzusehen ist, so kann das aufsichtliche Vorgehen der Stautsaufsichtsbehörde das einmal abgeschlossene Rechtsgeschäft in seinem Bestand nicht mehr berühren, ist also sachlich, was den Bestand des Rechts­ geschäfts betrifft, tvirkungslos. Gleichwohl ist auch dann die Gewährung einer Ausnahme nach Abs. III durch die Staatsaufsichtsbehörde nicht bedeutungs­ los. Wohl wird durch diese Gewähr einer Ausnahme der Rechts­ bestand des Rechtsgeschäftes nicht betroffen, da das Rechtsgeschäft zwar gesetzwidrig aber nicht nichtig ist, aber die Ausnahme heilt den Mangel der Gesetzwidrigkeit des Rechtsaktes. Das gegen das Gesetz verstoßende Rechtsgeschäft wird erlaubtes Rechtsgeschäft. Das ist insbesondere für die bürgerliche und dienststrafrechtliche Haftung der Mitglieder des G.rats von Bedeutung. Die Gewäh­ rung einer Ausnahme steht also durchaus nicht dem erwähnten Falte gleich, daß die Staatsaufsichtsbehörde von einer Einschreitung ab sieht, wenn eine G. eine gesetzliche Verpflichtung nicht er­ füllt. Hier verlangt das Gesetz, damit der Mangel geheilt, die Ordnungswidrigkeit beseitigt wird, ausdrücklich ein Handeln der Staatsaufsichtsbehörde. Die Rechtslage steht der Veräußerung von Grundstockvermögen nach Art. 30 nicht gleich. Dort ist die Veräußerung nicht schlecht­ hin verboten, sondern nur die Rechtswirksamkeit der unentgelt­ lichen Veräußerung, wie hier die Schuldaufnahme über eine be­ stimmte Summe hinaus, von der Mitwirkung der Staatsaufsichts­ behörde abhängig gemacht, im übrigen ist nur in Art. 3011 die Rechtsfolge gegeben für den Fall, daß Grundstockvermögen ver­ äußert wird. In Art. 421 und II S. 1 dagegen kann ein gesetzliches Verbot erblickt werden, für andere als im Gesetz vorgesehene Zwecke eine Anleihe aufzunehmen. Denn Gesetz im Sinne des BGB. ist nach Art. 2 EG. BGB. auch das im Kreis der Zu­ ständigkeit erlassene öffentlich-rechtliche Landesgesetz (vgl. dazu insbesondere RG. 2. Mai 1923, Jurist. Wochenschrift 1924, 96). Dagegen muß folgendes geltend gemacht werden: Zuzugeben ist, daß das Rechtsgeschäft der Anleihe oder des Darlehens (anders im

*) Auf die schwierige Frage kann in dieser Handausgabe nur kurz eingegangen werden.

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I. Gemeindeordnung.

Zweifel die Schuldverschreibung auf den Inhaber) kein abstriaktes, von der Zweckvereinbarung losgelöstes Rechtsgeschäft ist (vergl. (Enneccerus, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, I. Bd. 2. Abteilung, 23. bis 27. Auflage, 1927 S. 586). Wer der Gläu­ biger kann hier nicht nachprüfen, für welche Zwecke der Schuldner (die G.) den Betrag der Anleihe oder des Da.rlehens, dessen Geldbetrag wie jede anbere Einnahme der G. in die G.kasse fließt, verwendet. Ist die Zweckvereinbarung verboten, so wäre das Rechtsgeschäft ungültig. Es ist nicht an zu neh­ men, daß der Gesetzgeber von 1925 und 1927 diese Folge beabsichtigt hat und daß er deshalb hier ein gesetzliches Verbot aufgestellt hat. Anderseits ist sicherlich keine „Sollvor­ schrift", sondern eine gesetzliche Verpflichtung der G. geschaffen worden. Die Verletzung steht der Verletzung der zwingenden Ord­ nungsvorschriften nach Art. 22, 23, 24 (siehe hier S. 300) gleich. Die Verletzung führt zwar nicht zur Rechtsunwirksamkeit des Rechtsgeschäftes. Die Staatsaufsichtsbehörde kann jedoch einschrei­ ten. Ihr Einschreiten berührt aber nicht den Rechtsbestand des Rechtsgeschäftes, sondern kann sich nur sonst, insbesondere gegen die verantwortlichen Mitglieder des G.rats, auslösen. Sieht man dagegen, was wohl nicht anzunehmen ist, in Art. 42 I und II S. 1 ein gesetzliches Verbot, so ergibt sich fol­ gende Rechtslage: Das Rechtsgeschäft der 'Schuldaufnahme ist in solchen Fällen nichtig, wenn nicht aus dem Gesetz, hier dem maß­ gebenden öffentlichen Recht, sich „Anderes ergibt". Ein „Anderes ergibt sich", wenn die Staatsaufsichtsbehörde wie z. B. bei Schuld­ aufnahmen bei der Landeskulturrentenanstalt allgemein die Auf­ stellung eines Schuldenplanes erlassen hat. Dann liegt z. B. bei einer Unterlassung der Aufstellung eines Tilgungsplanes eine Zuwi­ derhandlung gegen ein gesetzliches Verbot nicht mehr vor,.dadiezustän^ dige Behörde auf Grund gesetzlicher Ermächtigung das gesetzliche Ver­ bot aufgehoben hat. Im übrigen hängt über den gegen das gesetzliche Verbot abgeschlossenen Schuldaufnahmeverträgen eine unentschie­ dene schwebende Nichtigkeit (vgl. Enneccerus, Lehrbuch des bür­ gerlichen Rechts, 25.-29. Auflage I, 513). Das Rechtsgeschäft ist nichtig, solange nicht die Staatsaufsichtsbehörde den Mangel heilt. Durch die Zulassung der Ausnahme seitens der Staatsaufsichtsbehörde kann zwar das nichtige Rechtsgeschäft nicht nach­ träglich gültig werden. Die Staatsaufsichtsbehörde nimmt viel­ mehr in ihrer Zulassung einen neuen (jetzt rechtsgültigen) Abschluß des Rechtsgeschäftes vor. Die Schuldaufnahme kann „erst von dieser Bestätigung oder vielmehr erneuten Vornahme an wirken" (Enneccerus a. a. O.)*).

*) Die Rechtslage ist hier anders wie bei der Genehmigung nach Abs. III. Hier hängt die Rechtswirksamkeit des Darlehens­ oder Anleihevertrags von der Genehmigung der Staatsaufsichts-

Art. 42.

Genehmigung.

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Die Entscheidung der Frage über die Rechtswirkung des Abs. I und II S. 1 kommt als Entscheidung über den Rechtsbestand «eines Vertrags des bürgerlichen Rechts, wenn sie nicht ^wischenpnnkt des öffentlichrechtlichen Verfahrens ist, den bürgerlichen Ge­ richten zu. Der öffentlichrechtliche Rechtsakt der Anleihe ist zugleich ein Rechtsgeschäft des bürgerlichen Rechts, über dessen Rechtswirksam­ keit insoweit ausschließlich die bürgerlichen Gerichte zu entscheiden haben. Die Entscheidung dagegen, ob eine Ausnahme nach Abs. HI .zugelassen ist, ist eine reine Berwaltungsangelegenheit und da es sich um ein Verfügen nach Verwaltungsermessen handelt, kann eine uevwaltungsgerichtliche Zuständigkeit nicht gegeben sein (s. die nach­ folgende Anm. 9 b). b) Ein wichtiger Grund kann in einer besonderen vor­ übergehenden Notlage der G. gegeben sein, die sie zwingt, gegen die Grundsätze der Finanzwirtschaft laufende Ausgaben zum Teil ^rus einer Anleihe zu decken. Ein wichtiger Grund kann auch gegeben sein, von dem Tilgungsplan abzusehen (s. hierüber die vorstehende Anm. 6 a). Ob die Staatsaufsichtsbehörde einen wich­ tigen Grund annehmen will, steht ausschließlich in ihrem Pflicht­ mäßigen Ermessen. Die Staatsaufsichtsbehörde kann eine Aus­ nahme zulassen, die G. hat jedoch darauf keinen Rechtsanspruch. Deshalb ist der Verwaltungsrichter zur Nachprüfung unzuständig. Es ist nur die Möglichkeit der Anrufung der höheren StaatsÄUfsichtsbehörde gegeben.

10. Genehmigung. a) über den Unterschied der Stellung der Staatsaufsichts­ behörde gegenüber den Anleihen der G. allgemein s. die vor­ stehende Anm. 2c. Die Deckung ihres Bedarfs durch Anleihen oder Darlehen ist, soweit nicht ein Fall des Abs. IV vorliegt, innerhalb der Gesetze eigene Angelegenheit der G. (vorstehende Anm. 2d). Die staatliche Behörde steht hier der G. nur in der Ausübung der Staatsaufsicht gegenüber. Ihr kommt nur die Prüfung der Gesetzmäßigkeit zu (s. hier S. 144). über die Bedeutung der Zulassung von Ausnahmen in solchen Fällen s. vorstehende Anm. 9. Nur in den Fällen des Abs. IV tritt eine Mitwirkung des Staates ein (vorstehende Anm. 2e), die durch die Befugnis der Staatsaufsichtsbehörde zur Genehmigung ausgeübt wird. b) Die Befugnis zur Genehmigung ist Ausfluß der Schutz­ gewalt (Kuratel) des Staates. Ein solches Mitwirkungsrecht des Staates ist heute nur in ganz bestimmten ausdrücklich im Gesetz aufgezählten Fällen gegeben (s. hier S. 139). Die wichtigsten Fälle sind in Art. 42 und 61 aufgezählt. Einerlei, ob man, bürgerlichrechtlich betrachtet, für das Rechtsverhältnis im An­ schluß an die rechtsgeschichtliche Entwicklung (s. hier S. 126) das

Behörde ab. Die Genehmigung wirkt aber auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zurück (§ 184 BGB).

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I. Gemeindeordnung.

Bormundschaftsrecht (§§ 108 ff. BGB.), oder die §§ 183 ff. BGB. nur für sich heranzieht, ergibt sich, daß die Genehmigung, auch wenn sie nachträglich erteilt wird, auf den Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts zurückwirkt (§ 184). Anderseits ist bis zur Genehmigung das Rechtsgeschäft unwirksam, sowohl öffentlichrochtlich (vgl. Kahr TL, 75 ff.; Seydel II, 22; Seydel-Piloty S. 523 Anm. 28), wie bürgerlichrechtlich,, über die Pflicht der G., das ohne Rechtsgrund Erlangte herauszugeben und die Haftung der G. und der Mitglieder ihrer Organe für den Schaden, der dem Ver­ tragsgegner durch das rechtsunwirksame Rechtsgeschäft entstanden ist, s. Adam in BVBl. 1925, 234. Die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine Staatswillenserklärung*). Ihre rechtliche Natur, die Prüfung ihrer Rechtswirksamkeit wie die Möglichkeit ihrer Abänderung bemißt sich nach dem öffentlichen Recht**). Sie kann jedenfalls nicht mehr widerrufen werden, auch von der höheren Staatsaufsichtsbehörde nicht, sobald die Genehmigung ordnungsgemäß eröffnet ist und Rechts Wirkungen des bürgerlichen Rechts ein getreten sind. Ist die Genehmigung „nachträgliche Zu­ stimmung" (echte Genehmigung) eines bereits abgeschlossenen Ver­ trags (§ 184 BGB.), dann kann sie überhaupt nicht zurückgenommen werden, sobald der Bertragsgegner der G. ordnungs­ gemäß Kenntnis erlangt hat. Ist sie vorherige Einwilligung (§ 183) zu einem erst abzuschließenden Vertrag, so ist sie solange wider­ ruflich, bis das Rechtsgeschäft des bürgerlichen Rechts rechtswirk­ sam abgeschlossen wird. Danach beantwortet sich die Frage, ob die Genehmigung „in stets widerruflicher Weise" erteilt werden kann. b) Die Genehmigung hängt vom freien pflichtgemäßen Er­ messen der Staatsaufsichtsbehörde ab. Diese ist dabei an keine Schranken gebunden und kann Erwägungen aller Art in Betracht

*) Wie auch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, s. Kipp im Lehrbuch des bürgerlichen Rechts von Enneccerus, 15.-17. Auflage, II. Bd., II. Abtg. S. 476. Auf nähere Aus­ führungen muß in dieser Handausgabe verzichtet werden. **) Auf die vielumstrittene Frage der Rechtskraft von Staats­ akten, insbesondere des Widerrufs von Staatswlllenserklärungen kann im Rahmen dieser Handausgabe nicht eigegangen werden. Bon neuerem Schrifttum muß hier insbesondere auf die Dar­ legungen von Schön über den Widerruf der Verfügungen nach der Rechtsprechung des preußischen OBG. in der Festausgabe zur Feier des 50 jährigen Bestehens des preußischen OBG. S. 118 ff. insbesondere S. 136; dann aus Fleiner, Institutionen, 3. Auflage, insbesondere S. 185 ff.; Kormann, Rechts geschäftliche Staatsakte, S. 88, 323 ff.; Coester, Die Rechtskraft der Staatsakte insbe­ sondere S. 34 ff. verwiesen werden.

ziehen, soweit sie sich aus der Schutzgewalt für die G. ergeben *). Gegen die Versagung der Genehmigung ist nur die Anrufung der Überordnungsgewalt der höheren Staats­ aufsichtsbehörde möglich. Der BGH. kann zwar zur Rechtsfrage Stälung nehmen, ob überhaupt eine Genehmigung der Staats­ aufsichtsbehörde notwendig ist (z. B. hinsichtlich der Frage, ob die Umwandlung einer Schuld einer neuen Genehmigung bedarf), aber die „Versagung kann keinen Gegenstand verwaltungsrechllicher Prüfung bilden" (BGH. 27, 28). Die G. hat keinen im verwaltungsgerichllichen Verfahren verfolgbaren Einspruch auf Erteilung der Genehmigung (BGH. 6. April 1925 Nr. 401, 25). e) Da die Genehmigung vom freien pflichtmäßigen Ermessen abhängt, kann die Staatsaufsichtsbehörde den ganzen Inhalt des Schuldübernahmevertrags (Personen des Vertrags, Vertragsbedingungen, insbesondere Zinssatz, Höhe und Zeit der Tilgung, sonstige Nebenvergütungen) in Würdigung ziehen und von der vorherigen Änderung die Erteilung der Genehmigung abhängig machen. Auch die Setzung einer Bedingung oder Auflage ist zulässig. Bei bedingt im Vor­ aus erteilter Genehmigung kann die Schuldaufnahme erst nach Eintritt der Bedingung vorgenommen werden oder es muß die Schuldaufnahme unter Aufnahme der Bedingungen in den Ber­ tragsinhalt ,des Rechtsgeschäftes der Anleihe oder des Darlehens abgeschlossen werden. Dies gilt öffentlichrechtlich, wie bürgerlich­ rechtlich. Zum Letzteren siehe Kipp in Enneccerus, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts II. Bd. 2. Abteilung, 5. Auflage 1925 S. 478 Fußnote 43. Zweckmäßiger ist es jedoch, für den Fall der Notwen­ digkeit von Bedingungen die Genehmigung nicht zu erteilen, sie jedoch in Aussicht zu stellen, wenn die namentlich zu bezeichnenden Änderungen vorgenommen werden. Falls die Schuldaufnahme durch Bestellung einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld dinglich gesichert werden soll, so ist nach Art. 61 Z. 4 zu dieser Belastung der gemeindlichen Grundstücke stets die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde erforderlich, da es sich hier nicht um Kausichillingsreste handelt, vergl. die Vorst. Anm Id. < ., d) Wird einem öffentlichen Verband, dem die G. angehört, die Genehmigung zur Aufnahme einer Anleihe gegeben, z. B. dem bayerischen Sparkassen- und Giroverband durch das StMdJ., so ist nicht etwa noch eine Genehmigung an die Gewährträger not­ wendig, weil diese gesamtverbindlich für die Anleihe haften. An­ derseits benötigt eine sogenannte gemischtwirtschaftliche *) S. jedoch die bedeutsame, aus der Praxis des badischen MdI. geschöpfte Abhandlung von Walz über die Grenzen des freien Ermessens bei Handhabung der Staatsaufsicht in der DIZ. 1927,

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I. Gemeindeordnung.

Unternehmung (eine Handelsgesellschaft des bürgerlichen Rech­ tes, die ganz oder zum Teile von öffentlichen Körperschaften ge­ bildet wird) zu einer Schuldaufnahme keine Genehmigung, weil an 'ihr Körperschaften des öffentlichen Rechtes beteiligt sind. Denn die Rechtsverhältnisse dieser Gesellschaften bemessen sich im Ver­ hältnis zu Dritten ausschließlich nach den Grundsätzen des bür­ gerlichen Rechtes. Eine Genehmigung zur Aufnahme einer An­ leihe durch eine solche Gesellschaft ist deshalb z. B. auch dann nicht nötig, wenn der gesamte Aktienbesitz in der Hand einer G. ist. Bei diesen gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen liegt die Genehmigung zur 5)aftungsübernahme in der Genehmigung nach Art. 61 I Z. 1 zur Teilnahme an der Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes (siehe die nachfolgende Anm. 16a am Ende). e) Wird der Vertragsinhalt der Schuldaufnahme nachträglich in wesentlichen Dingen z. B. durch Verlängerung der Laufzeit, durch Erhöhung des Zinsbetrags geändert, so ist, wenn die Schuldausnahme genehmigungspflichtig war, auch zur Abänderung die Genehmigung der Staatsaussichtsbehörde notwen­ dig. Andernfalls ist die Abänderung rechtsunwirksam.

11. Voraussetzungen der Genehmigungspflicht. Auszugehen ist vom Betrag der aufzunehmenden Schuld. Ist dieser Betrag allein oder zusammen mit anderen Beträgen seiner genehmigungsfreien Anleihe oder eines genehmi­ gungsfreien Darlehens, Bürgschaftsvertrags oder sonstigen im Sinne des Abs. 5 verwandten Rechtsgeschäfts oder eines genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfts dieser Artf, ist also die gesamte Schuldverpflichtung einer G., im gleichen Rechnungsjahr höher als die Grenzsumme des Abs. IV, so ist das Rechtsgeschäft genehmigungs­ pflichtig. Anderseits ist z. B. bei einer G. von 50001 bis 100 000 Einwohnern ein Bürgschastsvertrag mit einer Bürgschafts­ summe von 200000 RM. genehmigungsfrei. Da hier kein Til­ gungsplan in Frage steht, ist nur Anzeige an die Staatsaufsichts­ behörde zu erstatten (Abs. V S. 2). Wird eine Schuld um g e­ wandelt (konvertiert), so ist eine Genehmigung nur erforderlich, wenn die Vermehrung der Schuldenlast infolge der Schuld­ umwandlung allein oder zusammen mit anderen Schuldverpflich­ tungen des gleichen Rechnungsjahres die Grenzzahlen des Abs. IV übersteigt. Der Betrag der alten Schuldlast scheidet also für die Bemessung, ob eine Genehmigungspflicht gegeben ist, aus (VGH. 27, 27). Will jedoch die G. im gegebenen Beispiel neben der erwähnten Bürgschaftsverpflichtung im gleichen Rechnungs­ jahr 150 000 RM. durch Darlehen oder Anleiheaufnahme, nicht etwa nur einen Betriebskredit in dieser Höhe, aufnehmen, so ist nicht etwa der Betrag von 50000 RM.*), sondern das ge*) Der über die hier entscheidende Grenzsumme von 300 000 Mk.

hinaus geht.

samte Darlehensgeschäft von 150000 RM. genehmigungspflichtig. Maßgebend ist die Hauptschuld, es können nicht etwa auch die Beträge der Zinsen und Tilgungsbeträge hinzugerechnet werden. Das Rechnungsjahr ist der Zeitraum vom 1. April bis zum 31. März. Maßgebend ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, nicht etwa der Zeitpunkt der Auszahlung der Bertragssumme. 12. Einwohnerzahl. Für die Einwohnerzahl entscheidet das Ergebnis der letzten allgemeinen Volkszählung, s. die Anm. 5 zu Art. 13, S. 196. Maßgebend ist die vom Statistischen Landesamt ermittelte „Wohn­ bevölkerung" (vgl. § 144 der Wahlordnung, GVBl. 1928, 150). Mit der Bezeichnung „bis zu 1000 Einwohner" wird die Zahl 1000 noch mitumfaßt (s. die Anm. 2 zu Art. 14, S. 207). 18. Ausländer. a) Ist der Vertragsgegnör des Rechtsgeschäftes (der Anleihe, des Darlehens, des Bürgschaftsvertrags oder verwandten Rechts­ geschäfts), ein Ausländer, so ist das Rechtsgeschäft ohne Rücksicht auf seine Höhe genehmigungspflichtig. Für die natürliche Person entscheidet die Staatsangehörigkeit. Ausländer ist jeder, der nicht die Reichsangehörigkeit mittelbar oder unmittelbar besitzt. Bei juristischen Personen (z. B. Gesellschaften des Handelsrechts) ist der Hauptsitz maßgebend. Eine Zweigniederlassung im Inland ist unerheblich. Geldgeber ist aber nicht nur der Bertrags­ gegner des Rechtsgeschästes. Es ist derjenige, der das Kapital zur Verfügung stellt, auch wenn er der G. nicht unmittel­ bar als Vertragsgegner gegenübertritt (ebenso Stumpf BGBZ. 1925, 882). Es kommt nach dem Zweck der Vorschrift nicht auf die juristische GestMung, sondern auf die wirtschaftlichen Grund­ verhältnisse an, denn maßgebend ist für diese Vorschrift vor allem die Rücksicht auf 'die Kreditpolitik des Reiches. Entscheidend ist das RG. v. 21. März 1925 (RGBl. I, 27). Darnach ist für „Aus­ ländsanleihen" grundsätzlich die Zustimmung des Reichsfinanz­ ministers erforderlich. Dies gilt nicht, wenn wie in Bayern die Aufnahme einer „Ausländsanleihe" der staatsaufsichtlichen Geneh­ migung unterliegt. Die Länder haben sich dem Reich gegenüber am 23. Dez. 1924 verpflichtet, bei der Genehmigung von Aus­ ländsanleihen nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren und das im allgemeinen bindende Gutachten einer bei dem Reichs­ finanzministerium gebildeten Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen, (über den Inhalt bet Richtlinien s. Stumpf a. a. O., Adam BBBl. 1925, 231; der Wortlaut des Abkommens der Länder mit dem Reich vom 23. Dezember 1924 ist im Ministerialblatt für die preußische innere Verwaltung 1925, 131 abgedruckt). Hier hat der in der Dorst Anm. 3 erörterte Begriff der werbenden Zwecke eine besondere Bedeutung. Auslandsdarlehen dürfen grundsätzlich nur für werbende Anlagen ausgenommen und verLaforet-v.Ian-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

30

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I. Gemeindeordnung.

wendet werden, die aus sich (aus ihren Erträgnissen) die Berzingrtfl und Tilgung des Kapitals gewährleisten, ohne daß sonstige ittel der G. benötigt werden. Durch Ws. III der BollzAnw. zu Art. 14 SB., GBBl. 1925, 161, die sachlich durch die GO. nicht berührt und durch die MB. v. 4. April 1928, GBBl. S. 190, aufrecht erhalten ist, sind sämtliche Staatsaufsichtsbehörden ange­ wiesen, alle Gesuche um Erteilung der Genehmigung von Aus­ ländsanleihen dem StMdZ. vorzulegen. 14. Erfüllung in ausländischer Währung. Die Voraussetzung ist nur gegeben, wenn die Hauptschuld oder die Nebenforderungen der Arüeihe oder des Darlehens in ausländischer Währung gezahlt werden müssen. Die Dollar- oder Pfundklausel schafft keine Erfüllung in ausländischer Währung. Hier wird nur die Verpflichtung swie bei der Goldklausel (Berech­ nung auf ein Pfund Feingold) nach dem Marktwert des Goldes^ nach einer ausländischen Währung berechnet. Die Beträge sind aber in deutscher Währung zu zahlen (ebenso Adam in BBBl. 1925, 233). 15. Richtlinien. Solche Richtlinien haben die Bedeutung einer Rechtsverord­ nung. Sie schaffen also eine gesetzliche Verpflichtung der G. im Sinne des Art. 601. 16. Gleichstehende Rechtsgeschäfte. a) über den gesetzgeberischen Grund der Vorschrift s. die vor­ stehende Anm. 2, b. über den Unterschied zwischen einer An­ leihe und einem Darlehen s. die gleiche Anm. Entscheidend für die Auslegung der Bestimmung ist, ob durch das Rechtsgeschäft eine Verpflichtung der G. geschaffen wird, die einer Anleihe oder einem Darlehen wirtschaftlich gleichsteht (vgl. die in vorstehender Anm. 1 angeführten Verhandlungen des Landtags 1924/25, Beil. Bd. I, 663). Entscheidend ist, wie Stumpf (BGVZ. a. a. O. S. 854, 881) zutreffend ausführt, die Inanspruchnahme der Kre­ ditfähigkeit der G. Den Anlaß zur Abänderung des Gesetzes im Jahre 1925 haben insbesondere die Bürgschaften (fälschlich manch­ mal „Garantien" genannt) von G.n und G.verbänden für Rechts­ persönlichkeiten des bürgerlichen Rechts mit wirtschaftlichen Zwecken gegeben, die geleistet wurden, auch wenn sich die G. oder der G.verband an diesen „gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen"^ z. B. zur Erzeugung und Berteilung von elektrischer Kraft für die Versorgung mit Licht und Kraftstrom, schon nach dem Gesellschaftsvertrag beteiligt hatten. Entscheidend ist für die Bemessung der Beträge die Höchstsumme, mit der die G. in Anspruch ge­ nommen werden kann. Unter diese Rechtsgeschäfte fasst die Bürg­ schaft, sowohl die Bürgschaft nach § 765 BGB., wie die Bürg­ schaft unter Ausschluß der Einrede der Borausklage durch Ver­ bürgung als Selbstschuldner nach § 7731 Z. 1. Verwandte

Art. 42. Sparkafsenverkehr.

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Rechtsgeschäfte find (s. Stumpf a. a. O. S. 854, dann insbeson­ dere Adam in BBBl. 1925, 211) vor allem der „Garantiever­ trag" d. i. die Verpflichtung einer G., für einen bestimmten tat­ sächlichen und rechtlichen Erfolg einzustehen z. B. einen etwaigen Fehlbetrag eines Unternehmens zu decken, dann die Schaffung eines Gesamtschuldverhältnisses, die bestärkende (kumulative) Schuldübernahme nach § 421 BGB. die befreiende Schuldüber­ nahme (§§ 414—418 BGB.), die Wechselverpflichtung, auch die Ersüllungsübernahme (§ 329 BGB.). Über die Wirkung der Gleichstellung siehe die Vorst. Anm. 11. Wie weit die Beteiligung einer G. an einer Gesellschaft des Handelsrechts (z. B. einer Aktiengesellschaft, einer Genossenschaft mit beschränkter und unbeschränkter Haftung, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung) an die Genehmigung der Staatsaus­ sichtsbehörde gebunden ist, ist nach Art. 61 zu beurteilen. Be­ zweckt die Gesellschaft die Versorgung der Bevölkerung mit Ge­ genständen des täglichen Bedarfs und beteiligt sich die G. wesent­ lich an dieser Gesellschaft, so ist die Genehmigungspflicht nach Art. 611 Z. 3 gegeben. Nach der Anschauung des VGH. (47, 75) bedarf darüber hinaus die G. nach Art. 611 Z,. 1 (der dem bis­ herigen Art. 151 Z. 1 SBG. entspricht) zu jeder Beteiligung an einer Handelsgesellschaft ohne Rücksicht auf die Haftsumme oder das wirtschaftliche Risiko der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde. Vgl. dazu die vorst. Anm. 10 d. b) Sparkassenverkehr. Einlagen in die Sparkasse sind, wie in vorsteh. Anm. 2 g aus­ geführt, nichts anderes als Darlehen an die G., wenn sie auch einem ausgeschiedenen Bestandteil des allgemeinen G.vermögen zugeführt werden. Auch beim Abrechnungsverkehr (Kontokorrent­ verkehr) der Sparkassen liegt in der Anerkennung oder Ermitte­ lung der Saldos zugunsten der gemeindlichen Sparkasse ein einem Darlehen verwandtes Rechtsgeschäft*), eine Schuldver­ pflichtung der G. mit gleicher wirtschaftlicher Bedeutung der Be­ lastung des gemeindlichen Kredits. In der Begr. (S. 74) war zudem darauf hingewiesen worden, daß nach tatsächlichen Vor­ fällen die Gewährung von Darlehen sich zur Vermeidung staats­ aufsichtlicher Genehmigung auch in die Form einer Sparkassen­ einlage kleiden kann, weiter daß durch die Fassung des Gesetzes ausgeschlossen werden müsse, daß nicht jede Sparkasseneinlage eines Ausländers (im Hinblick auf Abs. IV S. 2 und V des Ent-

*) ohne daß es hier auf die bestehenden Streitfragen an­ kommt (s. darüber vor allem Enneccerus, Lehrbuch des bürger­ lichen Rechts, I. Bd., 2. Abteilung, Recht der Schuldverhältnisse, 23. bis 27. Auflage S. 234, 235), ob das Abrechnungsge­ schäft eine Novation enthält oder nicht, oder welche Forderung dem Gläubiger hier überhaupt zusteht.

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Wurfs) der Genehmigung bedarf. Es war deshalb im RegE. (dem dortigen Abs. VI) die Bestimmung vorgesehen, daß die Entgegen­ nahme von Sparkasseneinlagen des gleichen Einlegers der Geneh­ migung der Staatsaufsichtsbehörde nur bedarf, wenn die Summe seiner Einlagen im gleichen Rechnungsjahr den in Abs. IV be­ zeichneten Betrag überschreitet. Im Abrechnungsverkehr (Kontokorrentgeschüft) einer Sparkasse wäre darnach die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde der G. erforderlich gewesen, wenn das Guthaben eines Kunden im gleichen Rechnungsjahr die Grenz­ summen des Abs. IV überschritten hätte. Die Genehmigung hätte auch allgemein für alle etwa in Betracht kommende Fälle einer Sparkasse erteilt werden können. Im BerfA. (I, 419 ff.) wurde zunächst von den sämtlichen Rednern übersehen, daß die Geneh­ migungspflicht der erwähnten Schuldaufnahmen, auch wenn sie durch Einlage oder Kontokorrentsaldi entstehen, sich aus Abs. V, der auch im Gesetz unverändert geblieben ist, ergibt und daß der Abs. VI des Entwurfs nur die Einlagen (nicht den Saldo des Kontokorrentverkehrs) grundsätzlich von der Genehmigungs­ pflicht befreien wollte. Man war sich weiter nicht klar (vgl. die Ausführungen BerfA. I, 422 ff.), ob man zwar die Einlagen ge­ nehmigungspflichtig machen, den Saldo des Abrechnungsverkehrs aber von der Genehmigungspflicht befreien solle oder ob man beide Arten von Rechtsgeschäften, also den ganzen Sparkassenverkehr auf diesen Geschäftsgebieten überhaupt besonders regeln und eine Anwendung der Bestimmungen des Art. 42 auf diese Rechtsge­ schäfte einer Sparkasse ausschließen wolle, überwiegend kann das Letztere als Meinung des BerfA. angesehen weroen. Es wurde nun nicht etwa im Sinne dieser letzteren Anschauung zu Abs. V ein Antrag in der Art gestellt, daß für die Geschäfte der Spar­ kasse, sei es im Einlagen- oder im Abrechnungsverkehr, der Abs. V nicht gelten soll. Vielmehr wurde, nachdem StM. Dr. Stützel im Gegensatz zu früheren Ausführungen (BerfA. I, 420, 423) dann (I, 423) erllärt hatte, daß die Bestimmung in Abs. VI (Be­ freiung der Einlagen) „eine sehr große Bedeutung überhaupt nicht besitze und er auf diese Bestimmung keinen besonderen Wert lege"", der Abs. VI (über die Befreiung der Einlagen) auf Antrag des Ber. und Mitber. gestrichen. Durch diese Art von Sachbehandlung wurde im Wortlaut des Gesetzes das Gegenteil dessen erreicht, was die Redner ausgeführt hatten. Denn nach dem Worllaut des Gesetzes ist nunmehr nicht nur jeder Überschuß im Abrechnungsverkehr, wenn er die Grenzen des Abs. IV über­ schreitet, sondern jede Geldeinlage eines Ausländers bei der Sparkasse an die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde ge­ bunden. Es fragt sich nun, ob der Mangel des klaren Aus­ drucks für den gesetzgeberischen Willen dazu zu führen hat, den ge­ setzgeberischen Willen überhaupt außer Betracht zu lassen- Will man dies nicht, so ist nach dem Willen des Gesetzgebers über die

Auslegung der Worte „Darlehen" und „verwandte Rechtsgeschäfte" in Abs. V dort der Zusatz zu lesen: „Satz 1 gilt nicht für die Ge­ schäfte der Sparkassen bei der Entgegennahme von Einlagen und im Abrechnungsverkehr". Darnach entfällt eine Genehmigungs­ pflicht für alle diese Sparkassengeschäfte, einerlei, wie hoch die Ein­ lagen sind und wer der Einleger ist und im Abrechnungsverkehr, einerlei, wie hoch die einzelnen Gutschriften und Einzahlungen zu­ gunsten eines Kunden oder wie hoch der Saldo sich beläuft. 17. Anzeige. Bei Bürgschaftsverträgen und verwandten Rechtsgeschäften kann hinsichtlich der Verpflichtung der G. ein Tilaungsplan nicht in Frage kommen. Der Aufsichtsbehörde soll jedoch (s. Abs. II der BollzAnw. v. 25. Juni 1926, GBBl. S. 161, MB. v. 4. April 1928, GBBl. 190) „jederzeit Einsicht in den Schuldenstand der G. und G.verbände" gegeben sein. Deshalb sind, wie nunmehr im Gesetz bestimmt ist, auch bei genehmigungsfreien Anleihen nach Abs. I die Tilgungspläne vorzulegen, und es ist über die Verpflichtung der G. nach Abs. V wie über die Aufnahme von Betriebskrediten Anzeige (Abs. VI S. 2) zu erstatten, auch wenn eine Genehmigung nach Abs. IV, V, VI nicht erforderlich ist (vgl. Abs. II der erwähnten VollzAnm.).

18. Betriebskredite. a) Die G. kann die ungestörte Fortführung des G.haushalts bei vorübergehenden Einnahmestockungen zunächst durch einen Betriebsfonds erreichen, der in manchen G.n auch eiserner Bestand heißt, s. darüber die Anm. 3 zu Art. 30. Die G. kann dieses Ziel auch dadurch erreichen, daß sie einen Betriebskredit aufnimmt. Nach dem Gesetz ist die Aufnahme eines Betriebskredtts als besondere Verwaltungsmaßnahme selb­ ständig zu würdigen. Die Frage, ob hier staatsaufsichtliche Ge­ nehmigung erforderlich ist, ist unabhängig von sonstigen Schuld­ aufnahmen der G. nach Abs. I, IV u. V zu beurteilen. Eine G. mit mehr als 50000 bis einschließlich 100000 Einwohner kann also im gleichen Jahr für Zwecke nach Abs. I ein Darlehen von 300000 RM. und außerdem einen Betriebskredit in der gleichen Höhe aufnehmen, ohne daß sie zum einen oder anderen Rechts­ geschäfte der staatsaufsichtlichen Genehmigung bedarf. Dies ist in Abs. VI des § 14 der BollzAnw. zum SBG. (GBBl. S. 161) ausdrücklich klargestellt. Die Begr. S. 74 und die MB. v. 4. April 1928, GBBl. S. 190 nehmen darauf Bezug. b) Das Gesetz gibt selbst eine Bestimmung des Begriffes des Betriebskredits. Er muß bestimmungsgemäß, also nach der Bestimmung durch die G. wie nach der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung mit dem Kreditgeber, längstens innerhalb eines Jahres nach der Aufnahme zurückbezahlt werden. Es muß bei der

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I. Gemeindeordnung.

Art der Verwendung dieses Kredits Sicherheit gegeben fein, daß die Rückzahlung auch tatsächlich innerhalb dieser Frist erfolgen kann. Es liegt also, wie Adam, BBBl. 1925, 233 zutreffend ausführt, nur dann ein Betriebskredit im Sinne des Gesetzes vor, wenn der Kredit als vorübergehender Ersatz für an sich feststehende, im Augenblick aber noch nicht fällige ordentliche Einnahmen in An­ spruch genommen werden soll. Auch darin ist Adam (a. a. O.) zu­ zustimmen, daß die Aufnahme von Vorschüssen in der Absicht, sie durch ein langfristiges Darlehen abzudecken, kein Betriebskredit in diesem Sinne ist, sondern ein Darlehen, dessen Genehmigungs­ pflicht sich nach Abs. I, IV, V bemißt. Die ME. v. 10. Jan. 1928 „(Gemeindehaushalt" im „Bürgermeister" 1928, 14) gibt folgende Stellungnahme, die neben ihrer Eigenschaft als Rat an die G. rechtlich eine Äenstanweisung an die Staatsauflichtsbehörden für den Vollzug des Art. 42 enthält. „An größere Unternehmungen, die nicht aus vorhandenen Mitteln gedeckt werden können, darf nur herangegangen werden, wenn der erforderliche Aufwand ein­ schließlich der Inneneinrichtung durch langfristiges Geld gefichert ist". „Ganz ausgeschlossen ist es, die Finanzierung solcher Unter­ nehmungen mit Finanzwechseln durchführen zu wollen; für lei­ stungsschwache G.n ist der Wechsel überhaupt nicht geeignet". IS. Voraussetzungen der Genehmigungspflicht.

Betriebskredite sind genehmigungspflichtig ohne Rücksicht auf die Höhe des Kredits, wenn der Geldgeber ein Ausländer ist (s. vorst. Anm. 13) oder wenn die Verpflichtung der G. ganz oder tellweise in ausländischer Währung zu erfüllen ist (f. vorst. 14). Im übrigen sind Betriebskredite genehmigungspflichtig, wenn der Höch st betrag aller solchen im gleichen Rechnungsjahr, also zwischen 1. April und 31. März zum Betrieb der gemeindlichen Wirtschaft aufgenommenen Kredite, soweit sie nicht schon ab gedeckt sind, die in Abs. IV bezeichnete Grenzzahl übersteigt. Der leitende Gedanke ist, daß die G. mit einer höheren Kreditlast als den in Abs. IV genannten Beträgen nur mit staatsaufsichtlicher Geneh­ migung belastet werden soll. Es ist also nicht jeder einzelne Kredit ins Auge zu fassen, sondern die Saldobelastung der G. im Ganzen. Betriebskredite, die im vergangenen Rechnungsjahre begründet worden sind, kommen also insoweit in Betracht, als sie noch nicht abgedeckt sind. 20. Anzeige der Betriebskredile.

Auch hier soll, wie in Anm. 8 und 17 ausgeführt, die Anzeige der Betriebskredite der Staatsauflichtsbehörde den Überblick über die Belastung der G. ermöglichen, wie die Prüfung, ob nicht wegen der Art der Kreditaufnahme oder der Überschreitung der Höchstgrenze staatsaufsichüiche Genehmigung nötig ist. Daß für Betriebskredite kerne Tilgungspläne in Frage kommen, bedarf keiner näheren Ausführung.

Art. 43.

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Steuerrecht.

Art. 43. 11 Soweit die sonstigen Einnahmen der Gemeinde für den Bedarf der Gemeinde nicht ausreichen? ist dieser durch Umlagen? örtliche Verbrauchssteuern4 und örtliche Ab­ gaben zu decken. "Für die Überweisung von Reichs- und Landessteuern6 an die Gemeinden, für die örtlichen Abgaben und Steuern aller Art^ gelten die besonderen Gesetze. Dabei ist auf die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Gemeinden« Rücksicht zu nehmen. 111 Zur Erhebung von örtlichen Verbrauchssteuern? so­ weit diese durch Gesetz und Staatsvertrag zugelassen und nicht anderweit4« geregelt sind, sowie zur Erhebung von Pflaster-, Wego- und Brückenzöllen44 ist die Genehmigung der Kreisregierung erforderlich. Das Staatsministerium des Innern ist befugt, im Einvernehmen mit dem Staats­ ministerium der Finanzen bindende Richtlinien4« zu er­ lassen. RefE. Art. 43; 178 ff., 268.

R-gE. Art. 43;

BerfA. I, 424ff.;

II, 42;

StenBer.

1. Vorbemerkungen. a) Die Rechtsgrundlagen des Steuerrechls. Nach § 1 FAG. sind die G. und G.verbände (wie die Länder) berechtigt, Steuern nach Landesrecht zu erbeben, soweit nicht die RB. und die gemäß der RV. erlassenen rerchsrechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Es besteht also eine auf Grund des Art. 8 S. 1 RB. gegebene reichsrechtliche Schranke. Im übrigen ist in § 1 FAG. auf das Landesrecht verwiesen. Die Verfassungsurkunde hat den G.n und G.verbänden in 8 221 S. 3 das Recht gewährt, „ihren Bedarf durch öffentliche Abgaben im Rahmen der Gesetze zu decken". Hier ist das Wort „Abgaben" wie im Sinne der Reichsabgabenordnung (RAO.) zu verstehen. Es werden also damit die Steuern wie die Gebühren umfaßt. Für den Begriff der Steuer kann die Bestimmung des ß 1 der RAO. zugrunde gelegt werden. Steuern sind darnach einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von der G. zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz (Reichsgesetz, Landesgesetz, gesetzgemäße Satzung der G.) die Leistungspflicht knüpft. Gebühren sind die einmaligen oder laufenden Geldleistungen, die eine Gegenleistung des Pflichtigen für eine besondere Leistung der G. darstellen.

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I. Gemeindeordnung.

In § 7411 VU. ist bestimmt, daß „keine Abgabe oder Steuer" ohne gesetzliche Anordnung erhoben werden darf. Es kann dahin gestellt bleiben, was die VU., die ja namentlich in der Verwendung von Grundbegriffen juristischen Anforderungen sehr wenig ent­ spricht, unter „Abgaben oder Steuern" hier verstanden haben will. Gemeint ist jedenfalls mit den beiden Worten zusammen, das was als „Abgabe" in § 22 VU. gemeint und was darunter im vorher ausgeführten reichsrechtlichen Sinn zu verstehen ist. Die GO. gibt in Art. 43 und 44 im Vollzug dieser Bestimmung der VU. die näheren grundsätzlichen gesetzlichen Vor­ schriften. b) Die Steuergesetze. In der Begr. S. 74 ist als „Nachteil unserer heutigen gesetzlichen und wirtschaftlichen Entwicklung" betont, „daß der wesentliche Teil der Einkünfte der G.n, die Überweisungen aus Reichs- oder Landessteuern, dann die örtlichen Abgaben aller Art nicht in der GO. geregelt werden können". Bei der heutigen engen Verknüpfung des Abgabenrechts von Reich, Staat und öffenUichen Verbänden kann der bayerische Gesetzgeber nur im Anschluß und auf der Grundlage von Reichsgesetzen eine Regelung treffen. Bei dem ungeheuren Steuerbedarf aller öffentlichen Verbände wird um die Anteile der in ihrer Höhe durch die Steuermöglichkeit begrenzten Steuererträgnisse, über den „Finanzausgleich" in die­ sem Sinne, ständig gekämpft*). Würden die Bestimmungen in der GO. selbst eingefügt, so würde jede Abänderung der zugrunde­ liegenden Reichsgesetze eine Abänderung der GO. nötig machen. Im Anschluß an die Begr. S. 74 ist deshalb davon Abstand genommen, das Steuerrecht der G. im einzelnen in der GO. insoweit zu regeln, als der Gegenstand mit den entscheidenden Reichsgesetzen oder Landesgesetzen unmittelbar zusammenhängt und in diesen Gesetzen (zurzeit insbesondere im FAG. und im VG. FAG.) eine Regelung getroffen ist. Die GO. verweist auf diese Gejetze (Abs. II), gibt jedoch in Art. 431 und III und 44 eine Regelung des Steuerrechts der G.n, soweit sie von den Reichs­ und Landesgesetzen unabhängig getroffen werden kann. c) Steuerhoheit nach Maßgabe der Reichsgesetze. Die G. hat Steuerhoheit, soweit ihre Gebietshoheit (s. hier S. 150) reicht. Sie hat jedoch Steuerhoheit nur nach Maßgabe der Gesetze. Das gilt sowohl für Steuern im engeren Sinn (s. vorstehende Anm. la) wie für die Gebühren zur *) S. darüber vor allem G. von Schanz im Finanzarchiv, 44. Jahrg. 1927, 2. Bd. S. 206 ff.; 45. Jahrg. 1928, 1. Bd. S. 338 ff.; Stenger, Der Finanzausgleich zwischen dem Reich, Bayern und den bayerischen G.n, Bezirken und Kreisen, 3. Auf­ lage, 1928, insb. S. 2 ff., 99 ff.; auch meinen Bortrag v. 25. April 1928 im „Bürgermeister" 1928, 110.

Art. 43. Steuerhoheit. Reichsrecht.

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Benützung ihres Eigentums, ihrer Anstalten, Unternehmungen und Einrichtungen (Art. 441). Das Recht der G. zur Erhebung von Umlagen, örtlichen Verbrauchssteuern und örtlichen Abgaben nach Art. 431 GO., und was die örtlichen Mgaben nach Art. 2 VG. FAG. im besonderen betrifft, wie das Recht auf Erhebung von Gebühren (Art. 44 GO.) entfällt, wenn eine reichs- oder landesgesetzliche Schranke gegeben ist. Die erste reichsrechtliche Schranke ist tu § 21 FAG. gegeben. „Die Inanspruchnahme von Steuern für das Reich schließt die Erhebung gleichartiger Steuern durch die Länder und G.n (G.verbänden) aus, wenn nicht reichsgesetzlich ein anderes vorgeschrieben ist". Der 8 21 FAG. gründet sich auf Art. 8 RB. In Art. 8 RB. werden „Abgaben und sonstige Einnahmen", also die „Abgaben" i. S. der vorstehenden Anm. 1 a erfaßt. Das gleiche gilt für § 21 FAG.; auch hier ist das Wort Steuer im Sinne von „Abgabe" „Einnahmequelle" nach vorstehender Anm. 1 a zu ver­ stehen, insbesondere dann, wenn es bei der Gebühr sich nicht um eine Abgabe für die Verrichtung einer Amtshandlung, sondern für die Benützung einer öffentlichen Unternehmung und Einrich­ tung handelt (vgl. dazu Markull S. 127, 142). Der Begriff „Steuer" im Sinne des §21 FAG., wie im Sinne des Art. 8 RB., „umfaßt alle Arten von Abgaben und Einnahmen, die den gleichen Steuergegenstand als Quelle, aus der die Steuer geschöpft wird, betreffen" (BGH. 25. April 1928, Nr. 44 1/27; vgl. die Anm. V a zu Art. 28 S. 356, jedoch auch die Anm. 9 zu Art. 29 S. 381). Ist ein Gegenstand sonach vom Reich steuerlich erfaßt, so kann die G. auch in der Form der Gebühr sich daraus keine Ein­ nahmequelle verschaffen, es sei denn, daß reichsrechtlich eine Aus­ nahme oder Ermächtigung gegeben ist, z. B. schließt die reichs­ rechtliche Steuer für die Benützung von Kraftfahrzeugen zum Be­ fahren öffentlicher Wege (§1 des Kraftfahrzeugsteuerges. v. 21. De­ zember 1927) die Erhebung einer Gebühr der G. für die Benützung ihrer Straßen und Wege nach Art. 44 GO. aus, soweit das Reich nicht eine Ausnahme zuläßt (BGH. 25, April 1928, Nr. 44 1/27). Dies ist nicht mehr der Fall. Die Ausnahmen sind (s. Anm. 11 Va zu Art. 28, S. 356) mit Wirkung vom 1. April 1928 entfallen. Es ist deshalb ein Wegezoll (Brückenzoll, Bahnzoll, Pflasterzoll), soweit Kraftfahrzeuge in Frage kommen, seit diesem Zeit­ punkt rechtlich unzulässig. Die wichtigste weitere reichsrechtliche Einschränkung der Steuer­ hoheit der G.n ist in § 2 II FAG. gegeben*). Darnach ist die

*) Die §§ 3 und 4 FAG. haben, da in Bayern gemeindliche Steuern nur nach Maßgabe der Landesgesetze oder als örtliche Abgaben nur mit staatlicher Genehmigung erhoben werden dürfen, im wesentlichen nur die Bedeutung einer Bindung des Staates und seiner Behörden.

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I. Gemeindeordnung.

Erhebung von Zuschlägen zu Reichssteuern den Ländern und G.n (G.verbände) nur auf Grund reichsgesetzlicher Ermächtigung ge­ stattet. Für die wichtigsten nicht vom Reich selbst bewirtschafteten Steuern (Grund- und Gebäudesteuern, sowie die Gewerbesteuer) sind reichsrechttich in 88 8 ff. FAG. teils bindende Rechtssätze, teils Grundsätze gegeben. Den Ländern ist es überlassen, ob sie Steuern den G.n ganz oder teilweise überlassen wollen. Das wird nie völlig der Fall sein; selbst wenn aber dies geschehen sollte, ist die Steuerhoheit der G.n reichsrechttich wesentlich einge­ schränkt, da die Steuerordnungen der G. und G.verbände der staatlichen Genehmigung bedürfen (8 81 S. 3 FAG.). Im übrigen hat das Reich teils bestimmte Steuern den Ländern und nach deren Anordnung den G.n freigegeben, anderseits die Erhebung besttmmter Steuern den G.n auferlegt oder verboten. Ist dies der Fall, so liegen gesetzliche Verpflichtungen der G.n nach Art. 601 GO. vor*). *) Es sind dies die wichtigsten Fälle, in denen das Reich, und zwar im Hinblick auf Art. 8 RB. grundsätzlich zu Recht, nicht nur die Länder verpflichtet hat, ihren G.n Vorschriften zu geben, sondern selbst für die Gemeinden unmittelbar wirkende Bestimmungen gegeben hat. Dazu gehört die Verpflichtung zur Vergnügungssteuer nach 8 14 FAG. und den nach 8 141 dieses Gesetzes vom Reichsrat erlassenen Aus­ führungsbestimmungen (RGBl. 1926, 262), die Rechtsverordnun­ gen sind, also gleichfalls eine gesetzliche Verpflichtung der G. im Sinne des Art. 60 GO. I enthalten. Weiter kommt hier in Be­ tracht die reichsrechtliche Beschränkung der gemeindlichen Ge­ tränkesteuern, die nur mehr von Bier und auch hier nur nach Maßgabe der abgeänderten 8 15 FAG. (RGBl. 1927 I, 91) erhoben werden dürfen (s. dazu die Erläuterungen von Stenger, Finanzausgleich, S. 30ff.; dann Koch im Ergänzungsband zu seinem Kommentar über das Finanzausgleichsgesetz S. 33. ff.). Endlich müssen die G.n nach Reichsrecht Steuern vom Wertzuwachs bei der Ver­ äußerung von Grundstücken erwerben, deren Veräußerer das Eigen­ tum (durch einen sog. Jnflationskauf nämlich) in der Zeit vom 1. Jan. 1919 bis zum 31. Dez. 1924 erworben haben. Die nach Art. 3 des VG. FAG. über die Zuwachssteuern erlassene Muster­ satzung v. 9. Febr. 1926, GVBl. S. 206 ff., ist Rechtsverordnung und gesetzliche Verpflichtung nach Art. 601 GO. über den Sonderfall, wonach hier die Kreisregierung, K. d. I., mit Ausschluß des Berwaltungsrechtsweges befugt ist, eine gemeindliche Steuer niederzuschlagen, weil „sie das Fortkommen des Steuer­ pflichtigen gefährden oder sich für ihn als eine unbttlige Härte oarstetten würde", siehe den 8 3311 der Mustersatzung, GBBk. 1926, im übrigen s. zur Mustersatzung die Erläuterungen darüber von Griebel in seiner „Zuwachssteuer-Mustersatzung" 1926.

Art. 43. Steuerhoheit. Landesrecht.

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Eine Einschränkung der Steuerhoheit der G. sowohl hinsichtlich der eigenüichen Steuern, wie der Gebühren kann sich auch aus anderen reichsrechtlichen Bestimmungen ergeben. Hier ist insbeson­ dere auf die Einschränkungen hinsichtlich der Abgaben für den Ge­ brauch natürlicher und künstlicher Wasserstraßen nach Art. 99 RB., dann auf § 66 GewO. (s. die Anm. 3 zu Art, 44) zu ver­ weisen. Auch das RG. über die gegenseitigen Besteue­ rungsrechte des Reichs, der Länder und der G.n v. 10. Aug. 1925, RGBl. I, 252 gibt gesetzliche Verpflichtungen der G. nach Art. 601.

d) Steuerhoheit nach Maßgabe des LandesrechiS. Auch durch das Landesrecht ist die Steuerhoheit der G.n erheblich eingeschränkt. Soweit Gegenstände steuerlich vom Lande erfaßt sind, ist eine Steuer der G. nur noch soweit zulässig, als das BG. FAG. dazu die Berechtigung gibt. Hierzu wird auf die Art. 4—21 BG. FAG. und die Erläuterungen dazu von Bleyer, Hammer und Stenger Bezug genommen. Soweit dagegen Gegen­ stände von landesgesetzlichen Steuern nicht erfaßt sind, können die G.n örtliche Abgaben erheben (Art.2 VG.FAG.). Die ört­ lichen Abgaben im Sinne dieses Art. sind nach der Neufassung des G.rechts streng zu scheiden von den Gebühren nach Art. 44. Hier hat der Verpflichtete eine einmalige oder laufende Geldleistung für eine gewisse Leistung der G. dieser zu geben. Die ört­ lichen Abgaben dagegen sind nunmehr durch die Heraus­ hebung der Gebühren in Art. 44 reine Steuern im Sinne des § 1 der Reichsabgabenordnung, die von der G. zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zu­ trifft, an den die gemeindliche Satzung der Leistungspslicht knüpft. Zur Rechtsgültigkeit der örtlichen Abgabe ist eine gemeindliche Satzung (Art. 26) erforderlich. Satzungen dieser Art haben im Gegensatz zu Satzungen nach Reichs- oder Landesgesetzen, die nur den Vollzug eines solchen Gesetzes für das G.gebiet der G. bezwecken, selbständige Bedeutung. Im übrigen gelten für die Bekanntmachung, das Inkrafttreten und die Bindung der G., die hier in Anm. 3—5 zu Art. 26 (S. 319) gegebenen Aus­ führungen. Die Satzung, — „der Beschluß über die Erhebung" nach Art. 2 VG. FAG. — bedarf bei der Anordnung örtlicher Abgaben in allen Fällen der Genehmigung der Regierung, K. d. I. Die Kreisregierungen können durch Anweisungen der übergeord­ neten Staatsministerien gebunden werden. Was die Genehmigung selbst betrifft, so kann der Ausdruck im Gesetz irre führen. Es heißt dort: „Die Genehmigung kann nur versagt werden, soweit reichs- oder landesgesetzliche Vorschriften, oder allgemeine, ins­ besondere volkswirtschaftliche oder steuerliche Interessen des Lan­ des entgegenstehen". Liegen diese Gründe nicht vor, so „muß die Genehmigung erteilt werden" (s. § 4 der Bollz.-Anw. z. LStG. v.

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I. Gemeindeordnung.

5. April 1922, GBBl. S. 228, die mit Ausnahme ihrer Ziff. 4*) durch die MB. v. 4. April 1928, GBBl. ausdrücklich aufrechterhalten ist). Die Gründe, die zur Versagung führen, lassen jedoch einer derartig weiten Auslegung Raum, daß von einer wirk­ samen Steuermöglichkeit nach Ermessen der G. keine Rede sein kann. Als Beispiel für die Gründe der Versagung sind in dem erwähnten § 4 der Aussührungsanweisung z. LStG. die Fälle aufgezählt, „wenn die Erhebung der örtlichen Abgaben den Ein­ gang staatlicher Steuern beeinträchtigt, wenn die Abgabe eine ungerechte Belastung einzelner Bevölkerungsklassen darstellt oder wenn die Erhebungskosten unverhältnismäßig hoch fütb". Die er­ wähnte MB. hat die Kreisregierungen angewiesen, die Genehmi­ gung zwar in unwiderruflicher Weise zu erteilen. Der Widerruf ist jedoch möglich, sobald die Kreisreaierung oder das StMdJ^ nach reinem Berwaltungsermessen die Voraussetzungen nicht mehr als gegeben erachten. Gegen den ablehnenden Beschluß der Kreis­ regierung ist nur eine rechtswirksame Beschwerde, nämlich die Berwaltungsbeschwerde an das StMdJ. gegeben, das im Be­ nehmen mit dem StMdFin. oder dem etwa sonst beteiligten StM. (StM. für Landwirtschaft oder für Handel, Industrie und Gewerbe) entscheidet (Art. 2II S. 3). Die G. kann zwar gegen den Beschluß der Kreisregierung den BGH. anrufen mit der Begründung, daß ihr Selbstverwaltungsrecht verletzt werde (Art. 60 VI). Das Er­ messen der Kreisregierung ist jedoch hier reines Verwaltungs­ ermessen; der BGH. ist deshalb nach Art. 13 BGG. zur Nach­ prüfung, ob die Genehmigung mit Recht oder mit Unrecht versagt worden ist, nicht zuständig. Beispiele der örtlichen Abgabe s. § 4 der erwähn­ ten Ausführungsanweisung z. LStG. (GBBl. 1922, 226), dann bei Bleyer S. 57 Anm. 2h; Stenger, Finanzausgleich S. 78. In Frage kommerr insbesondere die Beherbergungssteuer (Wohnsteuer bei vorübergehendem Aufenthalt), Hocker-(übersitz)steuer, Feuer­ schutzabgabe, Reklamesteuer (s. dazu BGH. 44, 33). Eine Stadt ist auch auf eine Katzensteuer gekommen. Eine örtliche Abgabe dieser Art ist auch die Kurförderungsabgabe zur Aufbringung der Geld­ mittel, die zur Werbetätigkeit für einen Kurort nötig sind, s. dar­ über BGH. 48, 111 im Gegensatz zur Kurtaxe, die „für die Her­ stellung und Unterhaltung der zu Kurzwecken getroffenen Ver­ anstaltungen" erhoben wird. Die Kurtaxe ist, soweit sie vom Staat, wie soweit sie mit Genehmigung des StMdJ. von einer G. er­ hoben wird, eine Gebühr eigener Art für die Benützung des EigeLtums, der Einrichtungen und Anstalten des Staates oder der 0,

*) Hier war angeordnet, daß dem zuständigen Landesfinanzamt von der Einführung neuer örtlicher Abgaben Mitteilung za machen sei. Diese Ziff. 4 ist durch die erwähnte MB. v. 4. April 1928, GBBl. S. 190, außer Kraft gesetzt.

Art. 43. Steuerhoheit. Landesrecht.

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Sie wird ohne Rücksicht auf die tatsächliche Benützung der für die Kurzwecke geschaffenen einzelnen Einrichtungen erhoben, sobald ein Kuraufenthalt (also nicht nur ein kurzer vorübergehender Auf­ enthalt) begonnen wird. Auch soweit eine G. diese Kurtaxe erheben will, gilt hier nicht der Art. 441, sondern die lex specialis des des Art. 179 KostenG. (GBBl. 1921, 180). Die G. bedarf stets der Genehmigung des StMdJ. oder, falls die Befugnis den Kreis­ regierungen übertragen werden sollte, der Genehmigung der Kreis­ regierung. Die Erteilung der Genehmigung steht (Art. 1791 S. 2 KostenG.) im freien Ermessen. Die Herstellung einiger öffentlicher Anlagen oder Ruhebänke ist keine Veranstaltung, die zu einer Kur­ taxe die Grundlage gibt. Es müssen ganz besondere Aufwendungen für Kurzwecke gegeben sein, über die Verwaltung der örtlichen Ab­ gaben f. § 4 Ziff. 6 der erwähnten Bollzugsanw. GBBl. 1922,228. Eine örtliche Abgabe eigener Art ist die Verwal­ tungskostenabgabe nach Art. 7 BG.FAG. (GVBl. S. 285). Dieser Abgabe (hinsichtlich deren Vorbild in Württemberg auf G. von Schanz, Finanzarchiv 44. Jahrgang 1927 2. Bd. S. 235 verwiesen wird) liegt der Gedanke zugrunde, daß jedermann, der un der Einrichtung der G.verwaltung Teil hat, gleichgültig ob er Umlagen zahlt oder nicht, auch unmittelbar zu den Kosten der G.verwaltung beizutragen hat. Insoweit könnte man diese Abgabe uls eine Gebühr nach Art. 44 ansprechen. Sie ist jedoch nicht als Gebühr nach dieser Vorschrift, sondern als selbständige Steuer ge­ staltet, die allerdings durch die Verknüpfung an den Wohnsitz (f. insbes. Art. 7 II S. 2) also an die dadurch bedingte Teilnahme den gemeindlichen Einrichtungen eine gebührenähnliche Art erhalten hat. Dagegen ist eine echte Steuer, wenn auch Abgabe genannt, die Hundeabgabe nach dem Ges. v. 23. August 1922 (GVBl. S. 616) mit der Bollzugsanweisung vom 3. Febr. 1923 (MABl. 'S. 5) und den bewehrenden oberpolizeilichen Vorschriften vom L. Febr. 1923 (GVBl. S. 20). Hierüber wird auf die Erläute­ rungen von Adam über „das bayerische Hundeabgabegesetz^ 1923, Bezug genommen. e) Die Regelung im Gemeinderecht. Die GO. verweist in Art. 4311 hinsichtlich der Überweisung von Reichs- und Landessteuern (also der Erträgnisse dieser Steuern) und hinsichtlich der von der G. selbst zu bewirtschaftenden ört­ lichen Abgaben und Steuern aller Art auf die beson­ deren Gesetze, also auf das FAG. i. d. F. d. B. v. 27. April 1926 darum handelt, tätigen oder untätigen Widerstand zu brechen. Der Zwang darf jedoch nicht weiter gehen, als der Zweck es erheischt. Diese Folgerungen ergeben sich un­ mittelbar aus dem Begriff der obrigkeitlichen Gewalt. Sie sind kraft der Rechtsüberzeugung, also kraft Gewohnheitsrecht, Rechtssätze geworden und eine Einschränkung besteht nur, so­ weit das geschriebene Gesetz im Wege steht und sachlich die Bildung eines Gewohnheitsrechts hinderte. Die Frage ist also allein, ob das Gesetz, insbes. die VU. von 1818 und die RV. diese obrigkeitliche Gewalt begrenzt haben oder nicht. Soweit das Eigentum in Frage steht, ist die Begrenzung und Regelung, soweit es sich um förmliche Entwehrung handelt, durch das Zwangsonteignungsrecht gegeben. Soweit das Rechtsgut der Freiheit in Frage steht, ist das Recht der bewehrten Polizeivorschristen durch das PStGB. und ein Einzelfall der vorbeugenden Polizei in Art. 102 AG.StPO. geregelt. Im übrigen ist, wie dies Eichner, Präventivpolizei S. 49 ff., Dittmann, BVBl. 1928, 183 genügend dargelegt haben, keine Begrenzung durch Gesetze, insbesondere auch nicht durch die VU. von 1818 eingetreten. Was die RV. betrifft, so gibt Art. 114 RV. gewiß bie entscheidende Schranke, daß eine Be­ einträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt nur auf Grund von Gesetzen zulässig ist. Als Gesetz im Sinne des Art. 114 RV. ist jedoch (wie Anschütz S. 319 Anm. 4 mit Recht betont) jede Rechtsnorm anzusehen, auch wenn sie überhaupt nicht geschrieben steht, sondern von der rechtsbilden­ den Macht der Gewohnheit getragen wird. Insbesondere gilt dies für die in den einzelnen Ländern geltenden allgemeinen (teils ge­ setzlich festgelegten, teils gewohnheitsrechtlichen) Grundsätze über Be­ griff und Aufgaben der Polizei; es muß auch für die aus den Aufgaben sich ergebenden Mittel gelten, soweit sie vom Gewohn­ heitsrecht getragen sind. Danach sind die von Seydel entwickelten erwähnten Grundsätze als Rechtsnormen anzusehen, die unmittel­ bar aus dem Begriff der obrigkeitlichen Gewalt folgen und kraft Gewohnheitsrecht auch in Bayern gelten. Die allgemeine Ermächti­ gung auch hinsichtlich der Mittel zum Vollzug gilt „innerhalb der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung*). Der vom Landtag am 2. Febr. 1927 (s. BVBl. 1927, 83) angenommene Antrag des Grafen v. Pe♦) Rechtspolitisch gedacht war die Theorie in den letzten Jahr­ zehnten entsprechend der früheren Staatsform fast nur auf die Erwägung und deren rechtliche Begründung eingestellt, wie der einzelne Staatsbürger in seiner Persönlichkeit gegen über-

stalozza v. 20. Jan. 1927 (Beil. 2637 der Landtagsverh. 1926/27) sagte ganz richtig „im Rahmen des geltenden Rechts". Damit ist das Gesetzesrecht und das Gewohnheitsrecht umfaßt. Die Polizei ist also nur soweit eingeschränkt, als das „geltende Recht" eine Einzel­ regelung und ausdrückliche Beschränkung gegeben hat. Aber auch soweit eine ausschließlich auf Aeschriebenes Recht zu gründende Beweisführung gefordert wird, wird sowohl durch Eichner, Präventivpolizei S. 5 ff., wie von Jan in BBBl. 1927, 209 ff. geltend gemacht, daß die Polizei durch eine Reihe von Anordnungen (die nicht nur Zuständigkeitsabgrenzungen seien) aus der Zeit vor 1818 die allgemeine Ermächtigung nicht nur zu den Aufgaben der Polizei im erwähnten Sinne, sondern auch zur Anwendung der Mittel erhalten habe, wie sie im Sinne der erwähn­ ten Ausführungen von Seydel liegen. Mit dieser Ermächtigung sei insbesondere Bayern in den Verfassungsstaat eingetreten. Weder durch die BU. v. 1818, noch durch spätere Gesetze sei hinsichtlich der persönlichen Freiheit diese Ermächtigung verloren gegangen. Gegen diese Beweisführung lassen sich die Bedenken erheben, daß die in Frage kommerrden Anordnungen der damaligen Staatsgewalt den erwähnten Rechtswillen nicht eindeutig und zweifelfrei wieder­ geben. Aber auch diese Anordnungen sind ein Beweisbehelf, daß die allgemeine Ermächtigung der Polizei zu Aufgaben und Mitteln mit der erwähnten Beschränkung auch in Bayern von jeher kraft Rechtsüberzeugung, kraft des Gewohnheitsrechts, besteht**). Danach ist auch für Bayern folgende Rechtslage gegeben: Aufgabe der Polizei ist, einerlei, ob es sich um ihren Vollzug

griffe des Staates und seiner Organe zu schützen ist. Bei der ver­ änderten Staatsform und deren Auswirkungen muß heute oft genug die Erwägung in den Vordergrund treten, wie die All­ gemeinheit, die Volksgemeinschaft, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gegen Willkür der Staatsbürger (der Einzel­ persönlichkeiten wie ihrer Bereinigungen) zu schützen ist. *) Politisch, wenn auch nicht verfassungs- und verwaltungsrechtlich entscheidend ist, daß der Bayerische Landtag (s. die Wiedergabe von Eichner, BBBl. 1927, 81 ff., auch die ME. v. 9. Mai 1927 Nr. 2015 a 1 über die Rechtsgrundlagen der Präventivpolizei) im Verfassungsausschuß am 20. und 21. Jan. 1927 und in der Vollsitzung v. 3. Febr. 1927 den Rechtsstandpunkt der Staatsregierung über die allgemeine Ermächtigung der Polizei, sowohl was die Aufgabe wie die Mittel inner­ halb der Gesetze betrifft, gebilligt hat. Gleichwohl ist es, wie dies auch Dittmann, BBBl. 1928, 185 und Wintrich, dort S. 182 mit Recht betonen, eine vordringliche Aufgabe des Gesetz­ gebers, jetzt, nachdem das G.recht geregelt ist, ein Polizeigesetz zu schaffen, das einerseits die Befugnisse der Polizei klarstellt,

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durch die staatlichen Behörden oder durch, die G.n handelt, die Auf­ rechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Im Vollzug dieser Aufgabe ist die Polizei in einer Anzahl von Ge­ bieten durch einzelne Gesetze, z.B.dasZwangsenteignungsG., WasserG., BergG., an bestimmte im Gesetz bezeichnete Wego und Mittel gebunden. Auch ist der Polizei hinsichtlich aller be­ wehrten (mit gerichtlicher Strafe bedrohten) Polizeivorschriften durch den im PStGB. ausgesprochenen Grundsatz der Sonderermächtigung eine Schranke gescht. Im übrigen sind der Polizei zwar in einzelnen Gesetzen [j. B. in der zweiten Abteilung des PStGB. über Bollzugsmaßregeln und vorläufige Einschreitung (Art. 16—22), in Art. 102 AG.StPO.) Mittel an die Hand ge­ geben. Diese Mittel sind jedoch nicht erschöpfend ge­ regelt. Die Polizei hat die allgemeine Ermächtigung, zu ihrem Vollzug innerhalb der Gesetze so zu handeln, wie es der Zweck unumgänglich erfordert, es sei denn, daß eine Maßnahme der in Frage stehenden Art der Polizei ausdrücklich durch besondere Vor­ schrift entzogen ist. Das aufgewandte Mittel muß im sachgemäßen Verhältnis zu der angewandten Maßnahme stehen. Der Zwang darf nicht weiter ergehen, als der Zweck es erfordert. Darum kommt das gewählte Mittel der Festnahme, von ganz besonderen Fällen abgesehen, nur in der Sicherheitspolizei (s. die nachfolgerrde Anm. 5 b), nicht in der Berwaltungspolizei in Frage. Anderseits ist auch über den Fall des Art. 102 AG.StPO. hinaus (zu dessen Auslegung auf Eichner, Polizei 1928, 33 ff., 80 ff. verwiesen wird), also auch wenn nur mittelbare Gefahr einer strafbaren Hand­ lung besteht, die Festnahme (Polizeihaft) zulässig, wenn kein an­ deres Mittel besteht, den polizeilichen Zweck zu erreichen. Die Po­ lizei wendet sich nicht nur gegen den Störer der öffentlichen Ord­ nung selbst. Soweit es sich z. B. um die Verhütung unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer einer Versamm­ lung handelt, kann die Polizei auch Maßnahmen gegen Personea treffen, die nur durch eine Gefahr bedroht sind, ohne daß sie als Veranlasser einer Störung in Frage kommen (RegErklärung v. 20. Jan. 1927, BVBl. 1927, 83).

4. Den Gemeinden obliegt. Damit wird den G.n eine Pflicht im Sinne des Art. 60 I übertragen, aber auch das Recht zur Betätigung. In dec polizeilichen Tätigkeit ist für die G. nicht nur wie für jede unter­ anderseits im einzelnen den klar bezeichneten Rechtsschutz geger Polizeimaßnahmen gewährt. ♦) Dabei stellt (s. Anm. 1 zu Art. 53) der Art. 53 GO. kla^ welche verfassungsmäßigen Organe der G.n Behörden der innerer Verwaltung im Sinne der Art. 21 und 22 PStGB. sind und regelt einen Teil des Beschwerdeverfahrens.

Art. 51. föedjt der Betätigung.

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gebens Behörde die Grenze gezogen, daß die übergeordnete Be­ hörde ohne zwingenden Grund nicht in die zunächst gegebene Zu­ ständigkeit der unteren Behörde eingreifen und deren Tätigkeit selbst in Anspruch nehmen soll, sondern der G. ist die Befugnis zur Ortspolizei durch das Gesetz zugewiesen, wenn sie diese Befugnis, soweit es sich um die Handhabung handelt, auch nur nach den Sachweisungen der staatlichen Behörden ausüben kann. Die Ortspolizei ist (Begr. S. 77) kraft der Bestimmung des Gesetzes ein Recht der G-, dessen Entziehung, ohne daß einer der Ausnahmefälle der Art.51III S. 2, 52, 55 vorliegt, eine Ver­ letzung des gesetzlichen Selbstverwaltungsrechts dar­ stellt, wie dies schon bisher (Seydel-Piloty S. 530 Anm. 4Kahr II, 20; BGH. 44, 43) anerkannt war. Dies ergibt sich aus dem Gesetz selbst, denn die erwähnten Fälle, in der die Staats­ behörde an Stelle der G. die Ortspolizei ausüben kann, sind im Gesetz als Ausnahmefälle ausdrücklich bezeichnet. Der Staat, der diese Regelung auch hätte anders treffen können, hat sich im Ge­ setz selbst Beschränkungen auferlegt, die er auch im übertragenen Wirkungskreis bestimmen kann*). ö. Ruhe, Ordnung und Sicherheit. a>) Mit den Worten „Sorge für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit" ist (f. die vorst. Anm. 1 b) eine Bestimmung des Begriffs der Polizei gegeben. Der Inhalt dieser Pflicht kann nicht durch Einzelangaben ausgelöst werden, er ist örtlich und zeitlich verschieden. Ein Teil der Auswirkungen dieser Pflicht ist (vergl. die vorst. Anm, 1 a, die nachfolg. Anm. 29a und die Anm. 11TVc zu Art. 28, S. 352) in Art. 28 hervorgehoben. Damit ist, da es im Einzel­ falle sehr zweifelhaft ist, ob die Einrichtung mehr der Wohl­ fahrtspflege (vgl. vorst. Anm. le) oder der Gefahrwehr dient, entschieden, daß die Obliegenheit**), auch wenn sie als Teil der *) Die gleiche Rechtslage ist bei den Jugendämtern gegeben. Obwohl auch hier nach ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes (Art. 1 II S. 2) eine Angelegenheit des übertragenen Wirkungs­ kreises vorliegt, haben die Bezirke und kreisunmittelbaren Städte kraft der Bestimmungen des Gesetzes ein Äecht auf Ausübung der Jugendwohlfahrt nach dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz und Ju­ gendamtsgesetz. **) So z. B. die Herstellung und Unterhaltung der erforder­ lichen Feuerlöschanstalten und Löschgeräte, die Herstellung und Unterhaltung der nötigen Biehverscharrungsplätze, soweit deren Beschaffung und Unterhaltung nicht zur Gefahrabwehr zwecks Auf­ rechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, son­ dern zur Wohlfahrtspflege gehört, über die Herstellung und Unter­ haltung der nötigen Sicherheitsvorrichtungen und Warnungstafeln an öffentlichen Wegen s. die nachf. Anm. 7.

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I. Gemeindeordnung.

Sorge für öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erscheinen kann, einschließlich allen Aufwands für diese Ein­ richtung schlechthin der G. und zwar im eigenen Wirkungskreise zukommt. Diese Pflicht der G. zur Tragung des Kostenaufwandes wirkt (vgl. insbes. Anm. 11IV e zu Art. 28 S. 352 und die nachf. Anm. 29 a) auch dann, wenn der Staat, wie in den Fällen des Art. 52 die Ausübung der Ortspolizei über­ nommen hat und ihm die Tragung der Kosten der Ortspolizei zukommt oder wenn es sich um die Übertragung der Sicherheits­ polizei nach Art. 55 handelt und die Kosten dann nach Art. 55IV vorbehaltlich des Teilrückersatzes nach dieser Vorschrift den Staat treffen würden, über die Pflicht zur Beleuchtung als Teil der Wegebaupflicht, nicht der Polizei s. Anm. 11IV e zu Art. 28, S. 352. über die Gefahrabwehr, ohne daß die polizeiliche Ge­ walt sich gegen einen bestimmten Dritten wenden kann s. vorst. Anm. la. b) Die Polizei wird herkömmlich in die Sicherheitspolizei und in die Berwaltungspolizei geschieden. Die Scheidung ist für die Anwendung des Gesetzes z. B. Art. 51III S. 2; 54IV S. 1; 55) wichtig. Sicherheitspolizei ist die Polizei, welche die Erhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit im allgemeinen und im eigentlichen Sinne bezweckt.*) Sie ist die Abwehr dec Gefahren gegen den Bestand des Staates, seiner zum Schutze der Staatsbürger gegebenen Rechtsordnung und Einrichtungen, damit insbesondere die Abwehr aller Gefahren und Störungen, dis unmittelbar Leib und Leben oder denr Eigen­ tum durch Personen drohen. Berwaltungspolizei ist jegliche Tätigkeit der Verwaltung im Vollzug ihrer Auf­ gaben, die zum Zwecke der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit Gefahren abwehrt, die sich ins­ besondere in Zwang und Befehl äußert und nicht zur Sicherheitspolizei im vorerwähnten Sinne gehört. Auch die Ber­ waltungspolizei ist Sorge für Ruhe, Ordnung und Sicherheit, woll sie wie z. B. die Bau- und Feuerpolizei, das Wohnungs­ mangelrecht und die Wohnungsaufsicht, die Wasserpolizei (soweit sie nicht wie die Strompolizei Sicherheitspolizei ist), die Lebens-

*) In der Begründung zum Gesetz zur Abänderung der GO. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 281, ist (Bell. Bd. XI der Land­ tagsdrucksachen 1922/23 S. 679) als Sicherheitspolizei bezeichnet, „die polizeiliche Tätigkeit, die sich mit dem Schutze der Personer, des Vermögens und der Staatsordnung gegen gewaltsame Ein­ griffe oder Schädigungen, mit der Verfolgung und Verhütung strafbarer Handlungen, sowie mit der Fürsorge für Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs aus öffentlichen Bevkehrswegen befaßt".

Art. 51. Sicherheitspolizei und Verwaltungspoli-ei.

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Mittelpolizei, Marktpolizei u. A. m. diesem Zwecke mittel­ bar dient. Zur Sicherheitspolizei gehört (vergl. die B. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 282) die Verhütung und polizei­ liche Verfolgung strafbarer Handlungen, der Vollzug der Bestim­ mungen über den Verkehr mit Waffen und Sprengstoffen, die Presse-, Vereins- und Bersammlungspolizei, der Vollzug der Be­ stimmungen über die Veranstaltung von Lustbarkeiten, über das Lichtspielwesen und die Polizeistunde, die Fremdenpolizei mit Ein­ schluß der Vorschriften über das Paß- und Meldewesen, die Ver­ kehrspolizei und die Sittenpolizei. Zur Sicherheitspolizei ge­ hört (Art. 7911) auch der Feld- und Waldschutz (vergl. die nachf. Anm. 33 und 34). 6. Vollzug.

Dia Ortspolizei ist (s. vorst. Anm. 2), soweit ihre Hand­ habung in Frage steht, Angelegenheit des übertragenen Wir­ kungskreises. Die G. hat also insoweit nicht nur alle Gesetze und Rechtsverordnungen, sondern auch alle Verwaltungs­ verordnungen (Dienstvorschriften) zu vollziehen, welche die staatliche Behörde hinsichtlich der Handhabung der Polizei erlas­ sen. Die G. ist zuständig, soweit die Gesetze nichts anderes be­ stimmen oder auf Grund des Gesetzes die Aufgabe einer anderen Behörde zugewiesen ist (s. darüber die nachf. Anm. 7). Hier­ her gehört vor allem der Vollzug der gerichtlichen Polizei (der Tätigkeit der Polizei nach geschehener Straftat). Die Beamten des „Polizei^ und Sicherheitsdienstes" sind nach näherer Bestimmung der Landesregierungen, also soweit dies die MB. v. 31. Aug. 1879, MABl. S. 367 bestimmt hat, Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft und in dieser Eigenschaft verpflähtet, den Anordnungen der Staats­ anwaltschaft ihres Bezirks und der dieser vorgesetzten Beamten Folge zu leisten, über die Befugnis und Verpflichtung des 1. B. in der gerichtlichen Polizei im besonderen s. Anm. 3e zu Art. 17 S. 238. 7. Im Semeindebezirk.

Die Ortspolizei ist öffentlichrechtliche Gewalt. Diese kann die G. nur innerhalb ihrer Gebietshoheit ausüben, vergl. Anm. 1« zu Art. 1, S. 152. Anderseits kommt deshalb, soweit die Awgelegenheit nicht als solche der höheren Polizei (Bezirkspolizei) der G. entzogen ist, der G. die Sorge für die öffentliche Ruhe Ordnung und Sicherheit aus allen öffentlichen Wegen im G^ezirk zu, einerlei, welcher öffentlichen Körperschaft der Bau und die Unterhaltung des öffentlichen Weges obliegt. Dies gilt für die Teile, die innerhalb des zusammengebauten OrtsteikeS liegen, die Ortstraversen, auch wenn sie noch nicht Ortsstraßen (s. hier S. 364) sein sollten, wie kür die Teile, welche außerhalb des zusammengebauten Ortsteiles durch die Markung der G. zie­ hen. Bon dieser polizeilichen Sorge für die öffentliche Ruhe,

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Ordnung und Sicherheit ist die in Art. 28 GH., Art. 2 Z.1, 2 BezO. geregelte Wegebaulast, die auch die Herstellung und Unterhaltung der nötigen Sicherheitsvorrichtungen und War­ nungstafeln umfaßt, scharf zu trennen. Die Polizeihoheit der G. kann andere öffentliche Körperschaften, welche auf anderen, wenn auch verwandten Gebieten öffentliche Aufgaben zu erfüllen haben, auf diesen Gebieten nicht erfassen und verpflichten.*) Die G. kann sonach dem Staat oder dem Bezirk hinsichtlich der Er­ füllung der Wegebaulast keinerlei Polizerbefehl geben, aber die Polizeihoheit der G, auf Grund der Ortspolizeigewalt richtet sich gegen alle Persorren, die im G.bezirk wohnen und verkehren. Da­ nach kommen auch die für die Bevölkerung zu erlassenden polizei­ lichen Vorschriften über die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicher­ heit aus den Bezirksstraßen, soweit nicht vom Bezirksamt b^irkspolizeiliche Vorschriften erlassen werden, der G., also dem G.rat zu. Die polizeilichen Vorschriften über die Benützung (die Abwehr von Schäden am Straßenkörper) der Bezirksstraßen, ihrer Bestandteile und Zugehörungen (S. 352) dagegen sind vom B^irke (Art. 29 VI BezO.) und zwar vom Bezirkstag zu geben, da diesem auch die Aufstellung der Satzung zukommi (Art. 211, Z. 6 BezO.). 8. Anderweite Regelung. Dio Ortspolizei ist nur zuständig, soweit nicht die Gesetze anderes bestimmen, insbesondere soweit nicht auf Grund des Ge­ setzes die Aufgabe einer anderen Behörde zugewiesen ist. Das Gesetz scheidet die Polizei in untere Polizei (Ortspolizei) und in höhere Polizei (Bezirkspolizei). Die Zugehörigkeit eher Angelegenheit zur Bezirkspolizei schließt die Krständigkeit Ler Ortspolizei aus. (S. dazu die Anm. 9 zu Art. 54.) Nur in ien kreisunmittelbaren Städten ist die Tätigkeit der Ortspolizei vnd der Bezirkspolizei in der Hand der G. vereinigt (Art. 5411). Wie­ weit die uniformierte Staatspolizei (Schutzpolizei nnd Gendarmerie, § 1 d. V. v. 12. April 1928, GVBl. S. 197) zu Verrichtungen des Ortspolizeidienstes zuständig ist, bemißt sich nach den auf Grund der Gesetze gegebenen besonderen Vorschriftrn. Hinsichtlich der Gendarmerie bestimmt § 13 d. MB. v. 25. Gkpt. 1919 über die Einrichtung der Gendarmerie (GVBl. S. 639), daß die Verrichtungen des Ortspolizeidienstes der Gendarmecre rmr insoweit obliegen, als es in der Dienstvorschrist (s. §§ 20 und 40 dieser Vorschrift v. 18. Juli 1922, MABl. S. 223) „arsdrücklich vorgeschrieben ist oder in dringenden Mllen durch Brordnung der Dienstbehörde bestimmt ist". „Außerdem besteht döse Pflicht, wenn ein sofortiges Änschreiten nötig ist, namentlich m Gefahr im Verzug, dann auf Ersuchen der Ortspolitzeibehörten

*) Mit dieser Auslegung ist den Ausführungen des BGH. II, 110 zuzustimmen.

oder der Beamten des ortspolizeilichen Dienstes, wenn hierzu ein erheblicher Anlaß besteht". In der gleichen MB. ist die Gen­ darmerie auf die „Aufrechterhaltung eines' aus gegenseitiger Un­ terstützung beruhenden Einvernehmens mit den Ortspolizeibehör­ den" hingewiesen. Das Reichskriminalpolizeigesetz v. 21. Juli 1922, RGBl. I, 593 ist bis heute nicht in Vollzug gesetzt worden. Über den seit dem 1. Jan. 1928 eingeführten Landeskriminal­ polizeidienst, der von den Polizeidirektionen München und Nürnberg-Fürth ausgeübt wird, s. die MB. v. 24. Dez. 1927 Nr. 2010 g, abgedruckt in Polizei 1928, 2 und über die Zusammen­ arbeit der Ortspolizeibehörden mit den Behörden des Landeskriminalpolizeidienstes f, Eichner, Polizei 1928, 4. Die Stellen der Reichsbahngesellschaft haben nach 8 17 des Reichsbahngesetzes v. 30. Aug. 1924 (RGBl. H, 272; Ziegler, Sammlung I, 443) die öffentlich-rechtlichen Befugnisse in gleichem Umfange, wie sie bisher den Stellen der deutschen Reichs­ bahn zustanden. Diese Stellen haben also aus dem Verkehrsge­ biete der deutschen Reichsbahngesellschaft die Bahnpolizei nach Maßgabe der §§ 74 ff. der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung in der Fassung durch die B. der Reichsregierung vom 17. Juli 1928, RGBl. H, 541 ff., insbes. S. 578. Die V. ist auf Grund des Art. 91 RB. mit Zustimmung des Reichsrats erlassen. Die Neu^ ordnung ist seit 1. Okt. 1928 in Kraft getreten (Art. 2 der angef. B.). 9. Ortspolizei. S, die vorst. Anm. Id. 19. Die zuständigen Staatsbehörden. Wer zuständige Staatsbehörde ist, das bestimmt die Vertei­ lung der Zuständigkeit unter den staatlichen Behörden. Maßge­ bend sind die Organisationsverordnungen im Sinne des § 46 BU. mit ihren Bollzugsvorschriften. Die unmittelbare Sachauf­ sicht über die mittelbaren G.n in der Ortspolizei wird danach von den Bezirksämtern, über die kreisunmittelbaren Städte von den Regierungen, K. d. I., ausgeübt. Es vereinigen sich also, was die Handhabung der Polizei betrifft, in den unteren und mittleren Behörden Sachaufsicht und Staatsaufsicht. Aus der Überordnungsgewalt folgt jedoch, daß auch die der unmittelbaren Sachaufsichtsbehörde übergeordneten Stellen zur Sachaus­ sicht, somit zur Sachweisung, befugt sind. Oberste Sachaufsichts­ behörde ist nach § 74 der Form. B. v. 9. Dez. 1825 (Döllinger II, 351; Weber II, 261) das StMdJ. Ihm kommt die „gesamte Staats- unb Landespolizei" zu. Nach den heutigen FormationsVerordnungen kann die Befugnis geteilt sein, insoweit auch ein anderes Staatsministerium (z. B. in den Angelegenheiten des Wohnungsmangelrechts das StM. f. Landwirtschaft und Arbeit

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in seiner Abteilung Arbeit) auf einzelnen Sachgebieten an der Polizeigewalt beteiligt ist. In grundsätzlichen (organisatorischen) BerMgungen ist eine Anordnung oder Entscheidung vom zustän­ digen Staatsministerium (§ 58III, S. 1 VU.) jedoch nur ergangen, wenn das StMdJ. mitgewirkt hat.

11. Handhabung. Handhabung der Ortspolizei ist deren Betäti­ gung,*) nicht etwa (s. vorst. Anm. 2 b) die Aufbringung des persönlichen und sächlichen Bedarfs für die Einrichtung und deren vermögensrechtliche Verwaltung und Vertretung. Die Polizei steht in ihrer gesamten Betätigung unter der SachaufsichL der über­ geordneten staatlichen Behörden. Zur Handhabung gehört die Einzelmaßnahme im Vollzug (z. B. in der Hand­ habung ortspolizeilicher Vorschriften über die Regelung des Frem­ denverkehrs s. VGH. 43, 88, in der gemeindlichen Vermittlungstätigkeit und in der Zuweisung von Wohnungen im Vollzug des Wohnungsmangelrechts s. VGH. 41, 9; 42, 102). Es gehört hier­ zu aber auch die allgemeine Dienstanordnung in der Ortspolizei, soweit sie nicht die Aufbringung des persönlichen und sächlichen Bedarfs und die vermögensrechtliche Verwaltung und Vertretung betrifft, also insbesondere die Dienstanweisung der Dienstvorgesetzten an die unterstellten Beam­ ten. Zur Betätigung gehört nicht die Gesetzgebung der G. in Pottzeiangelegenheiten (s. Ws. II und die nachf. Anm. 15); hier ist die Sonderregelung der Art. 6 ff., 12—14 PSLGB. maß­ gebend. Die Eigenschaft der Polizei als einer Staatsangelegen­ heit zeigt sich jedoch auch hier (s. Anm. Id zu Art. 1 S. 135), denn hier ist den Sachaufsichtsbehörden (s. die angeführte Anm.) eine Befugnis zur Einwirkung gegeben, die bei den Satzungen der G.n, die ja im Kreise der eigenen Angelegenheiten der G. er­ gehen, grundsätzlich nicht in Betracht kommen kann. 12. überwachen. Das Recht der Staatsbehörden, die Handhabung der Orts­ polizei zu überwachen, ist selbstverständlich. Dieser Beisatz im Ge­ setz ist nur dadurch zu erklären, daß man sich im VerfA. (f. ins­ besondere I, 449, 453) zum Teil über die verschiedene rechtliche Natur der Polizei als einer Angelegenheit des übertragenen Wir­ kungskreises und der Aufbringung des sächlichen und persönlichen Bedarfs als einer Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises nicht genügend klar war. Die Klarheit über den Gesetzgebungs­ willen ist (vergl. vorst. Anm. 2) durch Annahme des Antrags *) Das frühere Recht und auch der RegE. (Art. 51III) spra­ chen in diesem Sinne von „Verwaltung" der Polizei. Der Aus­ druck hat sich in Art. 581 S. 2 auch in der neuen GO. erhalten.

Art. 51. Handhabung der Polizei.

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des Abg. Th. Auer, auch durch Wlehnung des BerfA.I, 457 ge­ nannten gegensätzlichen Antrags gegeben worden; gleichwohl be­ ließ man den überflüssigen Satz. Das Gesetz enthalt infolgedessen hier eine unnötige Wiederholung einer der Befugnisse der Sach­ aufsichtsbehörden, die sich aus Art. 501 ohnehin Ergeben.

13. Weisungen zu erteilen. über die Bedeutung dieser Worte, die den Kern der Sache er­ fassen, s. Vorst. Anm. 2 a. Die Weisungen der Sachaufsichtsbehörde ergehen grundsätzlich an den verfassungsmäßigen Vertreter der G.; nur in Ausnahmefällen kann sich die Sachaufsicht unmittelbar an die einzelnen Beamten der G. richten, s. darüber die Anm.5e zu Art. 50 und die nachf. Anm. 22 a und 24. Die Weisung kann im Einzelfall, sie kann auch durch allgemeine Dienst­ anweisung, z. B. durch das StMdJ. an alle Polizeibehörden, ergehen. Auch eine über ein einzelnes Sachgebiet hinausgehende allgemeine Dienstanweisung an alle Polizeibehörden der G.n über die Handhabung der Ortspolizei und Bezirkspolizei ist zulässig.

14. Ortspolizeiliche Vorschriften. a) Unter „ortspolizeiliche Vorschriften" sind hier nur die poli­ zeilichen Anordnungen zu verstehen, die „Polizeivorschriften mit Strafandrohung" nach den Art. 3ff. PStGB.*) sind, nicht etwa sonstige polizeiliche Anordnungen (Polizeibefehle). Die letzteren gehören zu den „übrigen ortspolizeilichen Geschäften" nach Art. 51 lU S. 1. Über die Zwangsbefugnis des G.rats und des I.B. zum Vollzug u n b e w e h r t e r Polizeiarwrdnungen („deren Übertretung nicht mit Strafe bedroht ist") s. Art. 53. b) Das Gesetz stellt entsprechend dem RegE. (vgl. BerfA. I, 457) klar, daß zur Erlassung nur der Gemeinderat (nicht etwa, auch nicht in Notfällen, der 1. B.) zuständig ist. Die Über­ tragung an einen beschließenden Ausschuß ist nur in kreisunmittel­ baren Städten zulässig (s. die abweichende Fassung des Gesetzes in Art. 54 in). 16. Nach Maßgabe der Gesetze. a) Der dem RegE. entsprechende Ausdruck „nach Maßgabe der Gesetzt gibt die Rechtslage besser wieder als die vom BerfA. (s. I, 457) mit Recht abgelehnte, in den Verhandlungen vorgeschlagene Fassung „in den Schranken der Gesetze". Die letztere Fassung ent­ hält allerdings auch den wesentlichen Kern, daß die G. in Polizei*) Für Art. 3 und 4 PStGB. gilt seit 25. Aug. 1923 die Fassung nach Art. 2 des G. zur Abänderung der GO. für die Landesteile r. d. Rh. und des PStGB. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 281, mit der Änderung durch Art. 155 der neuen GO., durch welche die nunmehr maßgebenden Vorschriften der GO. eingesetzt sind.

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angelegenheiten keine unbeschränkte Gesetzgebungsgewalt hat. Für die ortspolizeilichen Vorschriften wie für alle bewehrten Rpolizoianordnungen gilt (vgl. Anm. 3, auch die Anm. ID zu Art. 44 S. 499) in Bayern seit dem PStGB. von 1861 ider Grundsatz der Einzelermächtigung (Sp^ialdelegatiion), d. h. es kann durch eine polizeiliche Vorschrift nur dann eine wom Richter zu erkennende (also gerichtliche) Strafe angedroht wertden, wenn eine besondere Vorschrift in einem Gesetze dcazu die Grundlage gibt. Als Gesetze kommen insbesondere das RStGB., das PStGB., wie zahlreiche sonstige Gesetze in Betrcacht. Ob die Gemeinde befugt ist, auf Grund des Ermächtigumgsgesetzes („Blankettgesetzes") eine ortspolizeiliche Vorschrift zu geLen, bemißt sich danach, ob das Gesetz (z. B. Art. 2 PStGB.) oder leine Verordnung (Art. III PStGB.) die Zulässigkeit der ortspwlizeilichen Vorschrift vorgesehen hat. Welche gerichtliche Strafe angedroht werden kann, bestimmt das Ermächtigungsgesetz. Doch ist zu beachten, daß kraft Art. I u. XIV Abs. III der B. über Bermögensstrafen und Bußen v. 6. Febr. 1924 (RGBl. I, 44) für das ReLchsund Landesrecht der Höchstbetrag der Geldstrafe einheitlich aus 150 M festgesetzt ist, soweit nicht künftig, also nach dem 6. Kebr. 1924, durch das Landesrecht etwas Abweichendes bestimmt ist. Da­ mit ist der Strafrahmen aller Bestimmungen des PStGB., auch soweit sie eine geringere GeldHöchststrafe androhen, aus 150 M erweitert (ObLG. 2. Strafsenat, 22. Nov. 1926 Nr. 452/1926, vgl. hier S. 230). Hinsichtlich der übrigen Beschränkungen der G.n bet der Erlassung von Polizeigesetzen s. Anm. 1 b zu Art. 1 S. 135. Die G. kann anderseits zur Erlassung einer ortspolizei­ lichen Vorschrift nicht gezwungen werden. Den öffentlichen Be­ langen kann bei der Ablehnung des G.rats, eine ortspoltzeiliche Vorschrift zu erlassen, nur im Wege des Art. 5 PStGB., also nur in mittelbaren G.n, dagegen in kreisunmittelbaren G.n nur im Wege des Art. 52 GO. (s. Anm. 7 zu Art. 52) und des Art. 55 GO. Ster zugleich für benachbarte mittelbare G.n, s. Anm. 6e zu rt. 55), entsprochen werden. Eine G. kann weiter nicht ver­ hindert werden, ortspolizeiliche Vorschriften, die sie erlassen hat, gänzlich aufzuheben. Die Aufhebung wirkt dann vom Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung ab. Werden dadurch die öffentlichen Belange geschädigt, so bleibt auch hier in mittelbaren G.n der Weg des Art. 5 PStGB., in kreisunmittelbaren G.n der Weg der Art. 52 und 55 GO.

b) Dio ortspolizeiliche Vorschrift bedarf wie jedes Gesetz zu ihrer Rechtswirksamkeit für die Einwohner der öffentlichen Bekanntmachung (Art. 111 PStGB.). über die Art der Be­ kanntmachung s. die auf Grund des Art. HUI PStGB. erlassene B. v. 26. Juli 1922, GBBl. S. 372. Von jeder ortspolizeilichen

Art. 51. Ortspylizeiliche Vorschriften. •

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Vorschrift ist eine amtlich beglaubigte Fertigung den Strafgerichten mitzuteilen, welche die bedrohten Übertretungen im ersten und zweiten Rechtszug abzuurteilen haben (Art. 111 PStGB.). Die Rechtswirksamkeit der ortspolizeilichen Vorschrift ist zwar durch die Mitteilung an die Gerichte nicht bedingt (RG. in Reger 19, 273; Entscheidung des bayer. Obersten Gerichtshofs in Straf­ sachen 3, 486), die G. verletzt jedoch bei Unterlassung eine gesetzt liche Pflicht und kann durch die Staatsaufsichtsbehörde mit den Mitteln des Art. 60 zur Erfüllung angehalten werden. In be> stimmten Sachgebieten sind vor der Beschlußfassung des G.rats Sachverständige zu hören. So müssen vor der Erlassung von orts­ polizeilichen Vorschriften über Gegenstände der landwirtschaftlichen Polizei die Feldgeschworenen und, wenn in der G. ein Grundbesitzeraüsschuß besteht, dieser vernommen werden (Art. 3II PStGB.). Vor Erlassung von ortspolizeilichen Vorschriften zur Abwehr schäd­ licher Tiere und Pflanzen sind nach Art. 120 UL PStGB. entweder die zur Vertretung der landwirtschaftlichen Interessen berufenen Organs (die Bezirksbauernkammern) oder Sachverständige zu ver­ nehmen. Ob die Einhaltung dieser (allerdings im Gesetz gegebenen) Ordnungsvorschrift vom Strafrichter nachgeprüft werden kann, ist bestritten. Die Frage ist zu verneinen, da die Einhaltung nicht zu den wesentlichen Vorschrrften über das Verfahren, also nicht zu den wesentlichen Bedingungen der RechtsgülLigkeit *) der Polizei­ vorschrift gehört. Doch hat die Kreisregierung, K. d. I., vor der Vollziehbarkeit nach Art. 6 PStGB. die Einhaltung zu über­ wachen. über die Wirksamkeit der ortspolizeilichen Vorschriften bei Änderungen im G.bezirk (Eingemeindungen) s. Art. 9 und die Erläuterungen dort S. 177. IS. Die übrigen ortspolizeilichen Geschäfte. Darunter fallen alle Geschäfte der Ortspolizei mit Ausnahme der Erlassung ortspolizeilicher Vorschriften, also mit dieser Aus­ nahme alle Anordnungen und Verfügungen auf dem Gebiete der Ortspolizei, einerlei ob sie allgemeine Verfügungen an die Be­ völkerung enthalten oder als Polizeibefehle allgemeiner Art sich an bestimmte Personengruppen (z. B. die Besucher eines Fest­ platzes) wenden oder als Polizeibefehle im engeren Sinne (nach Art. 21 PStGB., s. Anm. 3 zu Art. 53) an bestimmte Per­ sonen gerichtet sind; einerlei ob sie zur Auslösung der Zwangsbesugnü nach Art. 53 führen oder nicht; einerlei ob sie eine Beschränkung der Freiheit enthalten oder eine Erlaubnis er­ teilen oder verweigern**). Hinsichtlich dieser ortspolizeilichen Ge*) Vgl. Fleiner, Institutionen, 8. Aufl. S. 204 und hier Anm. 4d zu Art. 60. ♦♦) Eino Erlaubnis dieser Art ist z. B. die Verlängerung der Polizeistunde. Die Fälle, in denen eine Erlaubnis auf dem Gebiete

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I. Gemeindeordnung.

schäfte unterscheiden sich die mittelbaren und kreisunmittelbaren G.n wesentlich. Während in kreisunmittelbaren G.n diese Geschäfte soweit sie auf dem Gebiete der Berwaltungspolizei und nicht der Sicherheitspolizei liegen und, soweit es sich nicht um dringende Fälle handelt, dem Stadtrat oder einem beschließenden Ausschuß zukommen (Art. 54IV), ist in mittelbaren G.n der 1. B. „die Ortspolizeibehörd^. Stets muß es sich jedoch um die „Handhabung" der Ortspolizei handeln (s. Vorst. Anm. 11). Ob der 1. B. zu Handlungen befugt ist, die zum sächlichen und persönlichen Bedarf der Ortspolizei gehören (Abs. IV), be­ mißt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 171 S. 4 u. 5 (s. die Anm. 11 und 12 zu Art. 17 S. 244 f.).

17. Bon dem ersten Bürgermeister. Bgl. die Vorst. Anm. 16. Der 1.93. ist also hier (vgl. Anm. 2d zu Art. 17 S. 226) verfassungsmäßiges Organ der G. Er übt nicht etwa eine vom G.rat abgeleitete 93erwaltungsmacht aus, sondern handelt kraft eigenen Rechts, aber auch ihn allein trifft die Ver­ antwortung. Das gilt selbst dann, wenn der 1. 93. etwa zu seiner „politischen Deckung" eine Angelegenheit dem G.rat Vorträ­ gen und dessen Beschluß herbeiführen würde. Ein solcher 93eschluß des G.rats hat keinerlei rechtliche Bedeutung. Maßgebend ist allein die Rechtshandlung des 1. 93. 18. Persönlich oder unter seiner Leitung und Verantwortung durch Gemeindebeamte. Der 1. 93. kann unmöglich in größeren G.n selbst die Geschäfte betätigen, die ihm gemäß Abs. III Satz 1 zukommen. Er kann jedes Geschäft selbst vornehmen und, auch wenn er es einem G.beamten übertragen hat, es jeder Zeit wieder an sich ziehen. Er kann aber auch die Geschäfte durch G.beamte erledige lassen, je­ doch unter seiner Leitung und Verantwortung. Da­ mit ist nicht nur das Recht der Sachweisung gegeben, wie es sich aus Art. 171 S. 1 ergibt (s. Anm. 7 d zu Art. 17, S. 236), sondern eine besondere Verantwortung für alle Hand­ lungen und Unterlassungen der G.beamten, denen er die Erledi­ gung der Geschäfte der Polizei übertragen hat. Der 1. 93. hat also in allen polizeilichen Geschäften eine weitergehende Pflicht der Überwachung, als sie ihm aus Art. 171 S. 1 in anderen Arbeitsgebieten zukommt. Er kann sich nicht damit begnügen, in der Geschäftsverteilung den oder die nach seiner Überzeugung richtigen Beamten ausgewählt zu haben und ihnen seine Weisun­ gen allgemein oder im besonderen gegeben zu haben, sondern er muß der Tätigkeit dieser Beamten stets besonderes Augenmerk des Gewerbe-, Wasser- und Jagdrechts oder eine baupolizeiliche Genehmigung erteilt wird, kommen hier nicht in Betracht, da diese Befugnisse nur der Bezirkspolizei zustehen (Art. 54IV) zustehen.

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Art. 51. Stellung des 1. Bürgermeisters.

schenken. Er muß die Zügel der Politzer in seiner Hand behalten (wiederkehrende, grundsätzlich tägliche Berichte; Sonderberichte über alle wichtigen Gegenstände, Entgegennahme des Vortrags zur Entscheidung in besonderen wichtigen Ange­ legenheiten). Dies gilt sür die Sicherheitspolizei auch in den kreisunmittelbaren Städten, soweit diese Aufgabe nicht nach Art. 55 staatlichen Behörden übertragen ist, da nach Art. 54IV S. 1 der 1. B. auch in diesen Städten für die Handhabung der Sicherheitspolizei allein zuständig und verantwortlich ist. Die Verletzung dieser besonderen Pflicht macht den 1. B. dienststraftechtlich (Art. 102) verantwortlich. Die besondere Pflicht ist weiter von besonderer Bedeutung, wenn ein Dritter die Haf­ tung der G. bei Ausübung der Hoheitsgewalt in Anspruch nimmt. Wenn auch hier (s. Anm. 4b vor Art. 13, S. 188) dem Dritten im Außenverhältnis nur die G., nicht der 1. B. haftet, so ist die besondere Pflicht des 1. B. auch für seine Verpflichtung zum Er­ satz des Schadens wichtig, tvelcher der G. aus der Berle^ng der Amtspflicht des 1. B. als G.beamten entsteht. Berufsmäßige G.ratsmitglieder stehen hier sonstigen G.beamten gleich. Dies gilt für die Sicherheitspolizei schlechthin auch in den kreisunmittel­ baren Städten, da auf diesem Gebiete dem G.rat niemals eine Zuständigkeit zukommt und deshalb das hier S. 205 und 237 er­ örterte Recht der freien Beratung und Abstimmung des berufs­ mäßigen G.ratsmitglieds nie ausgelöst wird. Auch der Beamte, der unter der Leitung und Verantwortung des 1. B. ortspolizeiliche Geschäfte versieht, ist, wenn der 1. B. ihn damit beauftragt, zur Zeichnung für den 1. B. als OrtsPolizeibehörde befugt. Er hat „im Auftrage" (i. A.) zu zeichnen.

IS. Stellvertretung des 1. Bürgermeisters. a) Für die allgemeine Stellvertretung gilt die Re­ gel des Art. 181. Der 1. B. wird also zunächst von den weiteren Bürgermeistern in ihrer Reihenfolge vertreten. Die allgemeine Stellvertretung greift Platz, wenn die Stelle des 1. B. vorüber­ gehend nicht besetzt sein sollte oder wenn der 1. B. durch Krank­ heit, Urlaub usw. verhindert ist. Hierzu wird auf Anm. 2 zu Art. 18 S. 251 Bezug genommen. Im Falle der allgemeinen Stellvertretung scheidet in deren Umfang der 1. B. vollständig aus der Verantwortung aus (Anm. 6 zu Art. 18, S. 254). Der 2. B. zeichnet in allgemeiner Stellvertretung „i. B.". b) Die Übertragung einzelner Befugnisse, die be­ sondere Stellvertretung nach Art. 1811 ist, abgesehen von der Sicherheitspolizei, auch hinsichtlich der polizeilichen Geschäfte mög­ lich. Durch diese Übertragung wird der 1. B. von seiner Verant­ wortung nicht völlig entlastet; es bleibt ihm die Pflicht der Über­ wachung, ob seine Befugnisse ordnungsgemäß vom besonderen Stellvertreter ausgeübt werden (s. Anm. 6 zu Art. 18, S. 254). Laforet-v. Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

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Die Sachweisungen des 1. B. sind deshalb hier, einerlei ob sie nur eine innerdinistliche Wirkung haben oder nicht, von beffonderer Wichtigkeit. Der RegE. hatte in Art. 1811 vorgesehen, Laß der I.B. in der Sicherheitspolizei sich zwar eines anderen GL.beamten bedienen darf (vgl. Vorst. Anm. 17), seine Befugnisse jedoch nicht, auch nicht zum Teil, übertragen könne, da diese Befugmisse ein besonderes Recht, aber auch eine besondere Pflicht des 1..B. seiender er sich nicht entziehen könne(Begr.S.64).Das Gesetz ist nach den Beschlüssen des BerfA. diesem Vorschlag nicht gefolgt, hat aber bestimmt, daß eine solche Übertragung nur mit Geneh­ migung der Staatsaufsichtsbehörde möglich ist. Ob diese die Genehmigung erteilen will, steht in ihrem freien Er­ messen. Auch in den Fällen der besonderen Stellvertretung hat der Stellvertreter mit i. B. zu zeichnen.

20. Aufgaben der Sicherheitspolizei.

Über den Begriff der Sicherheitspolizei s. Vorst. Anm. 6b. Der 1. B. kann danach auf dem Gebiete der Sicherheitspolizei z. B. im Vollzug der nichtsteuerlichen Bestimmungen über die Ver­ anstaltung von Lustbarkeiten, über das Lichtspielwesen und die Polizeistunde einen G.beamten mit den Geschäften beauftragen. Dann kommt dem 1. B. nach wie vor die volle Verantwortung zu (s. Dorst. Anm. 18). Zum selbständigen, wenn auch innerdienst­ lich und nach den Grundsätzen über die öffentlichrechtliche Bertretungsmacht auch mit Wirkung nach außen an die Weisungen des 1. B. gebundenen Stellvertreter auf diesen Gebieten kann er jedoch auch ein berussmäßiges G.ratsmitglied nur mit Genehmi­ gung der Staatsaufsrchtsbehörde bestellen. 21. Gefahr im Verzüge s. nachf. Anm. 22 b. 22. Eingreifen der Staatsbehörden. a) Wie in botst. Anm. 4 erörtert, hat die G. auch auf dem Gebiete der Ortspolizei ein Recht zur Betätigung. Nur ausnahms­ weise (Art. 61III S. 3, 52 und 55) kann die übergeordnete Staats­ behörde an Stelle der G. die Ortspolizei ausüben. Diese Aus­ nahmen scheidet das Gesetz (vgl. Begr. zu Art. 55 des RegE. S. 78) in das Eingreifen der übergeordneten Polizeibehörden in Einzelfällen (Art. 51 HI S. 3) und in die Fälle des vor­ übergehenden oder dauernden Übergangs der örtlichen Polizeigewalt auf die Staatsbehörden (Art. 52 und 55). Wie in Anm. 5e zu Art. 50 erörtert, kann sich die Sachaufsichtsbehörde nur in Ausnahmefällen, die das Ges^ (Art. 61III S. 3; 52, 64II S. 2; 55III S. 3) ausdrücklich bezeichnet hat, statt an den verfassungsmäßigen Vertreter der G., unmittelbar an die einzelnen Beamten richten und diesen eine Sachweisung (Dienstbefehl) geben. Einer dieser Ausnahmefälle ist hier gegeben.

Art. 51. Eingreifen der Staatsbehörden.

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b) Das Eingreifen der übergeordneten Polizeibehörde (Sach­ aufsichtsbehörde) und die Befugnis zur unmittelbaren Sachweisung ist nur zulässig, wenn Gefahr im Verzüge ist. Das ist dann der Fall, wenn die Einhaltung des Weges der Regel*) eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit mit sich bringen würde. Der Grund kann darin liegen, daß die Zeit zu einer solchen Sachlveisung an das verfassungsmäßige Organ der G. nicht mehr gegeben ist; er kann auch in vorhergehenden Ver­ säumnissen der Ortspolizeibehörden liegen, die einen Zustand ge­ schaffen haben, der nur mehr durch unmittelbares Eingreifen der übergeordneten staatlichen Polizeibehörde gefahrlos werden kann. Ob die Voraussetzungen vorliegen, ist von den Sach­ aufsichtsbehörden nach pflichtgemäßer Würdigung zu ent­ scheiden. Gegen die Handlung oder Unterlassung der unmittel­ baren Sachaufsichtsbehörde kann, wenn auch ohne ausschiebende Wirkung, sowohl von der G. wie auch von Dritten, die Über­ ordnungsgewalt der höheren Sachaufsichtsbehörde angerufen werbeiT. Da es sich um Angelegenheiten der Handhabung der Poli­ zei, also um Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskrei­ ses handelt, entscheidet über diese Verwaltungsbeschwerde die vorgesetzte Sachaufsichtsbehörde nach reinem Berwaltungsermessen. Ein Anspruch auf Bescheid ist nicht gegeben, über die „Gegen­ vorstellung" s. Anm. 5d zu Art. 50. Der BGH. ist, da der G. im übertragenen Wirkungskreise keine Selbstverwaltung zusteht, zur Prüfung nicht zuständig, ob Gefahr im Verzüge gegeben ist (Kahr II, 20 Anm. d). Es ist denkbar, daß der BGH. angerufen wird, wenn die Sachaufsichtsbehörde gleichzeitig als Staatsauf­ sichtsbehörde nach Art. 60III handelt. Dann kann der BGH. nur soweit prüfen, als er feststellt, daß das Eingreifen der Staats­ aufsichtsbehörde das gesetzliche Selbstverwaltungsrecht der G. nicht verletzt, weil die übergeordnete Sachaufsichtsbehörde das Recht der Sachweisung besitzt und dem Recht der G. auf unmittelbare Hand­ habung der Polizei das Gesetz den Ausnahmefall gegenübergestellt hat. Handelt die übergeordnete Polizeibehörde nur als Sachauf­ aufsichtsbehörde, so ist der BGH. überhaupt nicht zuständig, da die Voraussetzungen des Art. 60III und VI nicht gegeben sind (vgl. Anm. 5d zu Art. 50). Es gibt also keine Beschwerde der G. an den BGH. gegen Einzelmaßnahmen, welche die über­ geordnete Polizeibehörde im Vollzug des Art. 51III S. 3 trifft. c) Erfaßt wird hier die Ortspolizei in ihrem ganzen Umfange, auch die Berwaltungspolizei (vorst. Anm. 5b), also z. B. auch die Bau-- und Wasserpolizei, das Wohnungsmangel*) Nämlich der Sachweisung an den verfassungsmäßigen Ver­ treter der G., also bei mittelbaren G.n und hinsichtlich der Sicherheitspolizei in allen G.n an den 1. B., bei kreisunmittel­ baren Städten hinsichtlich der Verwaltungspolizei an den Stadtrat.

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recht und die Lebensmittelpolizei. Erfaßt wird die Ortspolizei so­ wohl in den mittelbaren G.n und in den kreisunmittelbaren Städten und der gleiche Rechtsgedanke ist in diesen Städten durch Art. 54II S. 2 auch auf die Bezirkspolizei ausgedehnt. 23. Matznahmen zu treffen. Welche Maßnahmen zu treffen sind, ist Tatfrage. Polizeiliches Handeln kann in Einzelbefehle und Regeln nicht aufgelöst werden. Es entscheidet der Zweck der Abwehr der Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. 24. Anordnungen an die Polizeibeamten der Gemeinde. S. Vorst. Anm. 22 a. Die Sachaufsichtsbehörde ist weder in der Auswahl noch in der Zahl der Polizeibeamten der G. einge­ schränkt, an die sie ihre Dienstbesehle richtet. Im Regelfälle» werden nur die Polizeibeamten in Frage kommen können, die nach der Geschäftsverteilung des 1. B. mit den in Frage stehen­ den Dienstaufgaben betraut sind. Auch die Form dies Dienstbefehles ist im Gesetz nicht vorgeschrieben. Es kann also sehr wohl auch mündlich ein Dienstbefehl gegeben werden. 25. Folge zu leisten, Um alle Zweifel auszuschließen, ist die Verpflichtung der G.beamten, den Dienstbefehl zu vollziehen, im Gesetz ausdrücklich ausgesprochen. Die Zuwiderhandlung stellt ein Dienstvergehen nach Art. 102 dar. In solchen Fällen geht nach Art. 107II das Dienststrafrecht der G. auf die Staatsaufsichtsbehörde über. 26. Verständigung des 1. Bürgermeisters. Das Gesetz gibt hier eine eigentlich selbstverständliche Bestim­ mung. Wenn die Sachaussichtsbehörde unmittelbar eingreist, muß der 1. B. verständigt werden, „damit er weiß, was los ist und er nicht in Konslikt mit seinen eigenen Beamten kommt" (Mitber. Ackermann, VersA. I, 452). Die Verständigung hat unverzüglich, d.i. ohne schuldhafte Verzögerung zu erfolgen, „sofort oder gleich nachher" (Mitber. a. a. O.). 27. Verpflichtet s. nachf. Anm. 28 a. 28. Kosten der Ortspolizei. a) Wie in vorst. Anm. 2 b erörtert, hat Art. 51IV selbstän­ dige Bedeutung. Diese Pflicht ist von der Pflicht der Handhabung der Polizei völlig getrennt und in besonderem Absätze hervor­ gehoben. Die Aufbringung des persönlichen und säch­ lichen Bedarfs für die Polizei ist keine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises, sondern eine eigene (Selbstver­ waltungs-) Angelegenheit der G. (vgl. Vervier, „Deutsche Verwaltungskarthotek" VI). Diese Pflicht stellt sich neben an­ dere, insbesondere in Art. 28 ausdrücklich aufgestellte Pflichten auf bestimmte Leistungen; sie ist eine gesetzliche Pflicht nach

Art. 51. Kosten der Ortspolizei.

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Art. 601. Sie umfaßt den sächlichen Bedarf der Ortspolizei (Be­ reitstellung der erforderlichen Anstalten und Betrieb der erforder­ lichen Einrichtungen) wie den persönlichen Bedarf (Anstellung der notwendigen Beamten und sonstigen Kräfte). b) Der G. kommt also nicht nur als eigene Aufgabe die ver­ mögensrechtliche Verwaltung und Vertretung der Einrichtungen der Ortspolizei, einschließlich der Deckung der hier­ für notwendigen Ausgaben zu. Es gehört auch zu den Selbst­ verwaltungsaugelegenheiten der G., wie sie die Verpflichtungen des Gesetzes und der staatlichen Anforderungen (Sachweisungen) er­ füllt, die auf Grund des Gesetzes hinsichtlich der Handhabung (des Vollzuges) der Polizei ergehen. Die staatlichen Sachaussichtsbehürden können auf Grund ihres überordnungsrechtes über die Hand­ habung der Polizei Sachweisungen erteilen, welche Leistungen von der Ortspolizei im Einzelfalle zu erfüllen sind. Es kommt jedoch der G. zu, nicht nur zu bestiinmen, wie sie die Ausgaben hierfür deckt, sondern auch welche Wege sie nach den örtlichen Verhältnissen einschlägt, um diese Leistungen herbeizuführen, wie sie den „polizeilichen Apparat" gestaltet. Zu den Kosten der Ortspolizei gehören beispielsweise die Maß­ nahmen im Gebiete der Lebensmittelversorgung, wie sie insbeson­ dere auf Grund der früheren Zwangswirtschaft (z. B. der Bewirt­ schaftung der Milch und des Verkehrs mit Milch) zu treffen waren und die Ausgaben hierfür konrmen den G.n zu (VGH. 40, 56), oder die G.n sind verpflichtet, die Schreibhilfen zum öffentlichen Jmpfgeschäft zu stellen und die Kosten hierfür zu tragen (BGH. 33, 195 insbes. S. 201). Wie jedoch die G. die hier auf Grund des Ge­ setzes geforderten Leistungen nach ihrer sächlichen und persönlichen ErMlung betätigt, ist zunächst Sache ihrer Selbstverwaltung. Sie kann für die Zwecke des Verkehrs mit Milch eine eigene Abteilung errichten oder nur bestimmte Bearnte mit den Aufgaben betrauen. Sie kann als Hilfskraft für das öffentliche Jmpfgeschäft einen Be­ amten oder einen Angestellten abordnen. Sie muß jedoch die Lei­ stung erfüllen, die ihr durch das Gesetz oder aus Grund des Ge­ setzes (Art. 501) durch die Sachweisung aufgetragen ist, und diese Leistung so erfüllen, daß der Zweck der Leistung ord­ nungsgemäß erreicht wird. c) Erfüllt die G. ihre, durch das Gesetz oder die Weisung der Sachaufsichtsbehörde gegebene Pflicht nicht, so ist sie von der Staatsaufsichtsbehörde dazu anzuhalten. Zur Durchführung ist der Weg des Art. 60 gegeben. Ist die Sachaufftchtsbehörde nicht die gleiche Behörde wie die Staatsaufsichtsbehörde, kommt z. B. wie im Wohnungsmangelrecht die Sachaufsicht in der obersten Lei­ tung zunächst dem Staatsministerium für Landwirtschaft und Ar­ beit, Abteilung Arbeit, zu, so muß sich die Sachaufsichtsbehörde an die Staatsaufsichtsbehörde wenden und diese um staatsaussichtliches Vorgehen ersuchen.

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d) Entsteht Streit darüber, ob die G. verpflichtet ist, einen bestimmten Aufwand als Kosten der Ortspolizei zu tragen, so kann hierüber nur die Staatsaufsichtsbehörde im Verfahren nach Art. 60 entscheiden. Das gleiche gilt, wenn Streit errtsteht, ob die Art, wie die G. die vom Gesetz oder von der Sach­ aufsichtsbehörde geforderte Leistung erfüllt, dem Gesetz oder der Sachweisung entspricht. Gegen den Beschluß der Staats­ aufsichtsbehörde steht der G. die Beschwerde zum VGH. nach Art. 60 VI S. 1 frei. Der VGH. hat darüber zu entscheiden, ob die Staatsaufsichtsbehörde von der G. eine im Gesetz begründete Leistung fordert und ob nicht das Selbstverwaltungsrecht der G. verletzt ist. Der VGH. hat hierbei zu prüfen, ob die Sachaufsichts­ behörde auf Grund des Gesetzes und ihres auf dem Gebiete des übertragenen Wirkungskreises durch Art. 501 gegebenen Rechtes zur Sachweisung befugt war, eine Einzelweisung mit dem in Frage stehenden Inhalt zu erteilen und ob die G. die Kosten des Auf­ wands für diese Einzelweisung zu tragen hat. Der VGH. kann je­ doch nicht nachprüfen, ob die Erteilung dieser Einzelweisung der Sachaufsichtsbehörde, die von der Staatsaufsichtsbehörde gebilligt wird, nach ihrem Inhalt notwendig und zweckmäßig ist, ob die Staatsaufsichtsbehörde zweckmäßig handelte, als sie die von der G. zur Erfüllung verwendeten Kräfte beanstandete, als sie eine größere Anzahl von Beamten oder die Anstellung einer tauglichen Kraft an Stelle der beanstandeten Kraft forderte, wie endlich, ob die G. genügend fähig ist, die geforderte Leistung zu erfüllen. Da­ gegen kommt es dem VGH. zu, zu Prüfen, was nach den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen „erforderlich" und „notwendig" ist, ob durch den von der G. eingeschlagenen Weg die vom Gesetz oder von der Sachaufsichtsbehörde geforderte Leistung erfüllt ist ober nicht, ob die von der G. nach dem Gesetz oder der Sachweisung gefor­ derten, von der G. verwendeten Kräfte der Zahl nach genügen, nach ihrer Persönlichkeit geeignet und tauglich sind. Diese Wür­ digung ist (vgl. Anm. 3 zu Art. 28 S. 330) zwar eine Würdigung tatsächlicher örtlicher Verhältnisse, aber keine Tätigkeit des Ver­ waltungsermessens, sondern des richterlichen Ermessens^). *) Wie dies bereits S. 330 unten ausgeführt, weicht diese Stellungnahme von der Rechtsprechung des VGH. ab. Nach VGH-. 2, 301 insb. S. 306 kann der VGH. zwar die „Gesetzlichkeit" der angesonnenen Leistung, nicht aber ihren Umfang nachprüfen und ist z. B. nicht zuständig zur Entscheidung der Frage, ob eine oder zwei Personen für den Forstschutz einer bestimmten G. notwendig sind. Nach VGH. 4, 157 insb. S. 459; 26, 391 ff. insb. S. 393 ist es eine Frage des Verwaltungsermessens und es ist deshalb die Entscheidung dem VGH. entzogen, ob der von der G. (in der Er­ füllung der Pflicht der Ortspolizei) aufgestellte Polizei- oder Flur­ diener tauglich und genügend verlässig ist oder nicht.

Art. 51. Anstalten und Einrichtungen.

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2S. Die erforderlichen Anstalten und Einrichtungen.

a) Damit ist der G. die Verpflichtung auferlegt, die Anstalten bereitzustellen und die erforderlichen Einrichtungen zu treffen, die zur Durchführung der Ortspolizei nach den örtlichen Ver­ hältnissen jeweils erforderlich sind und den Aufwand hierfür zu tragen. Was erforderlich ist, bestimmt das Gesetz und seine Anwendung. Auch die Sachaufsichtsbehörden können, da es sich bei der Handhabung der Polizei um Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises handelt, auf Grund des Gesetzes (Art. 501) fordern, welche Leistungen im Einzelfalle (z. B. bei einem größeren Volksfest, zur Zeit von Unruhen, Seuchen) zu er­ füllen sind. Auch in dieser Richtung ist, soweit es sich darum han­ delt, ob die G. die geforderte Leistung ordnungsmäßig erfüllt ober nicht, die Möglichkeit der Nachprüfung durch den BGH. gegeben (s. vorst. Anm. 27 d am Ende). Soweit Auswirkungen der Orts­ polizei der G. durch Art. 28 als selbständige Verpflich­ tungen auferlegt sind, entscheidet Art. 28. Dies ist nament­ lich deshalb wichtig, weil die Pflicht zur Tragung dieser Kosten auch dann der G. zufällt, wenn der Staat nach Art. 52 die Orts­ polizei übernommen hat oder wenn es sich um die Übertragung der Sicherheitspolizei nach Art. 55 handelt, (s. darüber die vorst. Anm. 5 a). b) Zu den Anstalten gehören insbesondere die Räume zur Unterbringung der Polizeikräfte, auch die Haft­ räume, soweit es sich um den Vollzug der Ortspolizei und nicht etwa um die Unterbringung von Festgenommenen handelt, die außerhalb der G. aufgegriffen worden sind (vgl. Begr. zum ResE. S. 118, 119). Die Strafvollstreckung ist nicht Sache der Polizei. Für Aufwendungen für diesen Zweck gilt Art. 50III S. 2. Eine Verpflichtung der G. könnte nur durch Gesetz geschaffen werden. Leichenhäuser sind Einrichtungen für die Durchführung der Gesundheitspolizei, also eines Teiles der Verwaltungspolizei; sie werden von der Verpflichtung der G. zur Herstellung und Unter­ haltung der nötigen Begräbnisplätze nach Art. 28 nicht umfaßt (Begr. S. 67). Die G.n sind dazu (Begr. a. a. O.) nur verpflichtet, wenn die Verbringung der Leichen in ein Leichenhaus polizeilich vorgeschrieben ist. Wie dies in Anm. 8o zu Art. 28, S. 336, erörtert ist, sind die Einrichtungen für die Berbringung der Leichen vom Sterbehaus zum Friedhof und für die Beisetzung selbst (z. B. Totengräber, Leichenwärter, Leichenwagen) Maß­ nahmen zur Durchführung der Gesundheitspolizei als eines Tei­ les der Verwaltungspolizei. Welche Einrichtungen erforderlich sind, bemißt sich (vorst. Anm. 29 a) nach den örtlichen Verhält­ nissen. Die etwaige Pflicht des Baues eines Leichellhauses, die Pflicht zur Bestellung von Totengräbern, Leichenwärtern usw. kommt also ebenso wie die Regelung ihrer Dienstverhältnisse der

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Gemeinde zu, auch wenn es sich um Friedhöfe von Kirchenstiftungen und Kirchengemeinden (S. 334) handelt. Zu den Einrichtungen gehören weiter insbes. die für Durchführung der Seuchenpolizei (abgesehen von den in Art. 28 gen. Biehverscharrungsplätzen) und der Fleischbeschau (§ 5 d. RG. v. 3. Juni 1900, Ziegler, Sammlg.I, 171) notwendigen Maßnahmen, die Maßnah­ men auf dem Gebiete der Baupolizei, Feuerpolizei, Marktpolizei wie alle Einrichtungen der Zwangswirtschaft im Lebensmittelver­ kehr, z. B. bei der öffentlichen Bewirtschaftung der Milch und der Regelung des Verkehrs mit Milch, wie sie früher bestand (BGH. 40, 56). Zu den Einrichtungen gehört auch die Feuerwehr, falls die freiwillige Feuerwehr nicht ausreicht (s. Anm. le zu Art. 41 S. 440), die Abhaltung besonderer Wachen im Falle der erheb­ lichen Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, falls die von der G. beruflich verwendeten Kräfte nicht genügen (s. Anm. 2 zu Art. 41 S. 443).

30«. Die notwendigen Beamten und sonstigen Kräfte. a) Damit ist der G. die Pflicht auferlegt, den gesamten persönlichen Aufwand der Ortspolizei zu tragen. Anderseits kommt aber der G. die Anstellung aller Polizeibeamten und sonstigen für Angelogerrheiten der Polizei verwendeten Kräfte ebenso zu, wie dies für alle anderen Kräfte der G. gilt. Gemäß Art. 79II sind die G.n verpflichtet, die Personen als Gemeinde­ beamte in Dienst zu nehmen, die mit der Handhabung der Sicherheitspolizei, ausschließlich des Feld- und Wuldschutzes, nicht nur vorübergehend oder aushilfsweise beschäftigt sind. Auch die einzelnen Polizeibeamten sind durch Art. 7 AG.StPO. geschützt. Die Übertretung nach dieser Bestimmung kann sowohl durch Stö­ rung ihrer Dienstverrichtung wie durch Achtungs­ verletzung begangen werden (ObLG. 30. Sept. 1926 in BBBl. 1927, 344). b) Darüber, welche Kräfte zur Einrichtung der Polizei notwendig sind, entscheidet die G., da es sich um eine eigene Angelegenheit der G. handelt. Die G. hat jedoch die gesetzliche Pflicht zu erfüllen und alles zu tun, was nach den ört­ lichen Verhältnissen zur Erfüllung der Pflicht erforderlich ist. Entzieht sich die G. der Verpflichtung, sind die von der G. auf­ gestellten Kräfte ungenügend oder unzuverlässig, so hat die Staatsaufsichtsbehörde nach Art. 60 vorzugehen. Die Staatsaufsichtsbehörde kann mehr oder anderes fordern, als die G. jetzt leistet. Sie kann z. B. verlangen, daß die G. die Zahl ihrer Schutzmänner für den äußeren Polizeidienst um 4 vermehrt, wenn sie der Anschauung ist, daß zu dessen ordnungsmäßiger Er­ ledigung nicht 8 sondern 12 Kräfte nötig sind. Sie kann nach Art. 60III beschließen, daß die G. verpflichtet ist, 4 weitere ge­ eignete Kräfte für den äußeren Polizeidienst anzustellen. Bei Be-

Art. 51. Die Polizeibeamten.

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schwerde nach Art. 60 VI ist der VGH. zur Prüfung zuständig, ob die G. zu der angesonnenen Leistung verpflichtet ist, weil die örtlichen Verhältnisse zur Erfüllung der vom Gesetze (Art. 511, IV) der G. gegebenen Verpflichtung es erfordern, die Polizeikräfte in der geforderten Zahl zu vermehren. Der B>GH. ist allgemein zur Prüfung zuständig, ob bei Beschwerden nach Art. 60 VI die von der G. verwendeten Kräfte zur Erfüllung der vom Gesetz ge­ forderten Leistung der Zahl nach genügen, nach ihrer Persönlich­ keit geeignet und tauglich sind (s. die vorst. Anm. 28 d am Ende). Welche der vorhandenen Kräfte dagegen bei der Hand­ habung der Polizei im einzelnen Berwendungsfalle einzu­ setzen sind, hat gleichfalls zunächst die G. zu bestimmen. Hier kann jedoch die Sachaufsichtsbehörde (die übergeordnete Polizeibehörde) über den Mnsatz der Kräfte sowohl nach Art wie Maß eine Sachweisung geben.

31. OrtSführer. Das Gesetz will hier Vorkehrungen für den Fall schaffen, daß die G. aus mehrerengetrennt liegenden Siedelungen (Orten) besteht. Es braucht sich nicht um mehrere Ortsschaften im Rechtssinne (Art. 62) zu handeln, es genügen (Begr. S. 77) „größere An­ siedelungen", auch wenn diese nicht Ortschaften smd, weil sie diese Eigenschaft nie besaßen oder durch Art. 28 SBG. verloren haben (vgl. Anm. 7 zu Art. 2 S. 155). Von ganz besonderen Fällen abgesehen, wird der 1. B. nur in einer dieser größeren Ansiedelun­ gen seinen Wohnsitz haben, weil er sich nur hier ständig nieder­ gelassen hat. (Seine unmittelbare Einwirkung ist also sachlich auf die Ansiedelung (den Ort) beschränkt, in der er seinen Wohnsitz hat. Die Vorschrift will im Anschluß an das bisherige Recht (Art. 139n rrh. GO.; 73H pf. GO. v. 1869) ermöglichen, daß in jenen Orten, in denen der 1. B. seinen Wohnsitz nicht hat, ein Gehilfe für ihn bestellt wird. Ob dies geschehen soll, steht im Ermessen des G.rats. Die Aufstellung bedarf eines ord­ nungsmäßigen Beschlusses. Der Beschluß kann jeder Zeit zurück­ genommen werden. Bestellt kann nur eine Persönlichkeit werden, die nach Art. 64 zu G.ämtern wählbar ist, einerlei, ob sie Mitglied des G.rats ist oder nicht. Das Amt endigt mit Ablauf der Wahl­ zeit des G.rats (s. Anm. 6 zu Art. 13 S. 197). Doch hat der Ortsführer, auch wenn er nach Ablauf der Wahlzeit nicht wiedergewählt wird, sein Amt solange weiter zu führen, bis der vom neuen G.rat Gewählte sein Amt übernommen hat (Art. 67II). Die Wahl kann nur aus den Gründen des Art. 73 abgelehnt wer­ den. Für die Niederlegung des Amtes ist Art. 112, für die Frage des Verlustes des Amtes Art. 113 entsprechend anzuwenden. „Um einen Mißbrauch auszuschließen, ist die Genehmigung der Staats­ aufsichtsbehörde vorgeschrieben" (Begr. S. 77). Die Genehmi­ gung kann nach freiem pflichtmäßigen Ermessen erteilt oder ver-

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I. Gemeindeordnung.

weigert werden und ist stets widerruflich.. Gegen die Versagung der Genehmigung ist nur die Möglichkeit der Anrufung der über­ geordneten Staatsaufsichtsbehörde gegeben. 32. Befugnisse des Ortsführers.

Der Ortsführer ist „Gehilfe" des 1. B. Wenn das neue Recht auch nicht ausdrücklich diese Bezeichnung aus dem früheren Rechte übernommen hat, ist darin sachlich gegenüber dem früheren Rechte keine Änderung eingetreten. Der Ortsführer hat grundsätz­ lich nach den Weisungen des 1. B. zu handeln. Er ist, soweit er dies tut, auch nicht verantwortlich. Er ist jedoch befugt, in drin­ genden Fällen, wenn die Entscheidung des 1. B. nicht eingeholt werden kann (vgl. dazu BGH. 32, 35), selbständig zu seiner Stelle zu handeln. Dann handelt er als gesetzlicher Vertreter des 1. B. und übt öffentliche Gewalt aus (BGH. 32, 34). Gegen ihn kann dienststrafrechtlich vorgegangen werden, soweit dazu der Art. 117 die Möglichkeit gibt, also wenn der Ortsführer Mitglied des G.rats (weiterer Bürgermeister oder G.ratsmitglied) ist und mit der in Art. 1171 S. 2 gegebenen Beschränkung. Deshalb ist es im Regelfall zweckmäßig, wenn die Staatsaufsichtsbehörde ihre Ge­ nehmigung zur Aufstellung eines Ortsführers nur erteilt, wenn und solange dieser weiterer Bürgermeister oder wenigstens G.­ ratsmitglied ist. 33. Feld- und Waldschutz.

Der Feld- und Waldschutz ist unbestritten grundsätzlich ein Teil der Ortspolizei und von der G. zu leisten (Begr. S. 77). In den Verhandlungen dex Vorberatung des Gesetzentwurfes war jedoch die Frage zu entscheiden, ob die G. den Aufwand für diese Aufgabe endgültig zu tragen hat oder ob es in das Ermessen der G. gestellt werden soll, den Aufwand auf die Eigentümer der be­ teiligten Grundstücke (getrennt von sonstigen gemeindlichen Steu­ ern) umzulegen oder ob sogar eine Pflicht der G. zu einer solchen Umlegung geschaffen werden soll, weil dieser Aufwand aus den allgemeinen Mitteln der G. nicht gedeckt werden dürfe. Während der RefE. den Feldschutz schlechthin als Teil der Ortspolizei er­ achtete und nur beim Waldschutz (Art. 31 H RefE.) die Abwälzung der Last auf die beteiligten Eigentümer der forstwirtschaftlichen Grundstücke vorsah, ist der RegE. und ihm folgend das Gesetz so­ wohl für den Feld- als für den Waldschutz einem in Art. 40 der Pf. GO. gegebenen Grundgedanken gefolgt, daß die G. nicht ver­ pflichtet ist, den Aufwand aus den allgemeinen Mitteln der G. zu tragen (Begr. S. 77). Die G. muß vielmehr diesen Auf­ wand (wie den Aufwand für die Unterhaltung der Feldwege) auf die Beteiligten umlegen. Die Heranziehung der Grundstückseigentümer soll (wie bei den Lasten für die Unter­ haltung der Feldwege) nur entfallen können, wenn der Pachtschilling für die G.jagd in der G.kasse verbleibt. Für den Wald-

Art. 51. Feld- und Waldschutz.

603

schütz ist es jedoch, entsprechend einer Anregung der Landes­ bauernkammer (s. Dr. Marquart in Stenogr. Ber. über die Ver­ handlungen der Landesbauernkammer Band EI, 163 zu Art. 31II des RefE.) dem Eigentümer eines großen Waldbe,itzes gestattet, selbst eine Kraft zu bestellen, mit der Wirkung, daß er dann auf Antrag von den Leistungen an die G. zum Wald­ schutz befreit werden muß. 34. Aufstellung der notwendigen Kräfte. a) Der Feld- und Waldschutz ist ein Teil der Orts­ polizei und zwar der Sicherheitspolizei, wie sich dies auch aus Art. 79II ergibt. Während die G. jedoch grundsätzlich die Personen, die mit der Handhabung der Sicherheitspolizei nicht nur vorübergehen? oder aushilfsweise befaßt sind, als Ge­ meindebeamte in Dienst nehmen muß, ist hier der F^ldund Waldschutz ausdrücklich ausgenommen. Die G. kann also solche Kräfte, auch wenn sie hauptamtlich in dauernder Verwendung stehen, als Angestellte nach bürgerlichem Recht in Dienst nehmen. Auch dann sind jedoch solche Kräfte während der Ausübung ihres Dienstes als Beamte im Sinne des RStGB., insbesondere des § 113 RStGB., anzusehen, da sie im Dienste der öffentlichen Gewalt sicherheitspolizeiliche Geschäfte vornehmen (vgl. Begr. zu Art. 78 S. 93). Nach dem ausdrücklich ausgesprochenen Willen des Gesetz­ gebers (f. die Äußerung des Vorsitzenden des BerfA. und des Reg.Vertr. ORR. Dr. Bohl, BerfA.II, 107, 108) hat die Ver­ pflichtung auf die Gültigkeit der Amtshandlungen und auf die Verantwortlichkeit wegen Pflichtverletzung keinen Einfluß. Sind die verwendeten Kräfte G.beamte, so sind sie nach Art. 84 vom 1. B. zu verpflichten. Sind sie nur Angestellte nach bürgerlichem Recht, so ist eine Verpflichtung unter entsprechender Anwendung dieser Bestimmung vorzunehmen. Die Verpflichtung der Flurwächter ist deshalb notwendig, weil sie im Dienste der öffent­ lichen Gewalt sicherheitspolizeiliche Geschäfte wahrnehmen und weil sowohl Art. 115 rrh. Forstg. (Ziegler Sammlung I, 377; Bleyer Sammlg. I Bd. Justizges. S. 124), wie Art. 43 pf. Forststrafg. (Bleyer a. a. O. I, 49; Geib I, 713) auch die Flurwächter, wenn auch nur mit Zuständigkeit für Forstpolizeiübertretungen und Forstfrevel (s. Ganghofe^, Forstg. S. 377 Anm. 1t zu Art. 121). unter den Hilfspersonen zur Handhabung der Forstpolizei (Hilfs­ personen der Forststrafgerichtsbarkeit) aufführen, die nach Art. 121 rrh. Forstg. zu verpflichten sind. Soweit eine Verpflichtung nach Art. 84 GO. erfolgt ist, ersetzt sie die Verpflichtung nach Art. 21 d. rrh. Forstg., da die „Erfüllung der Obliegenheiten" nach Art. 84 GO. auch die Obliegenheiten nach dem Forstg. umfaßt; sollte da­ gegen ein Flurwächter in der Pfalz auch mit Aufgaben des Forstschutzes betraut werden, so gilt, da das Gesetz hier eine

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I. Gemeindeordnung.

Verweisung auf die allgemeine Verpflichtung nicht ausgenommen hat, für seine Betätigung im Forstschutz die nachf. Anm.d. Die Flurwächter müssen dort, abgesehen von der Verpflichtung für den Flurdienst nach Art. 84 GO. noch vom Amtsgericht sür den Forst­ dienst verpflichtet werden. b) Soweit es sich um den Forst schütz (Waldschutzl handelt, sind die aufgestellten Kräfte „Hilfspersonen zur Handhabung der Forstpolizei" nach Art. 115 des rrh. Forstg. und „Hilsspersonen der Forststrafgerichtsbarkeit" nach Art. 43 des Pf. Forststrafg. Ihre Verpflichtung int rechtsrheinischen Bayern regelt Art. 121 des rrh. Forstg. Sie sind danach, soweit nicht schon eine Verpflichtung nach Art. 84 GO. erfolgt ist, vom Amtsgericht des „Wohnorts" (Wohnsitzes) nach dem erwähnten Art. 121 zu ver­ pflichten. Für die Pfalz bestimmt Art. 451 des Pf. Forststrafg., daß zum Forstschutz nur volljährige unbescholtene Personen aufgestellt werden sollen. Die Aufstellung bedarf der Bestätigung des Be­ zirks- und Forstamts (Art. 45II S. 1 dieses Ges.). Werden die Kräfte als G.beamte angestellt, so hat seit 1. April 1928 ihre Verpflichtung durch den 1. B. zu erfolgen; der Art. 84 GO. hat als späteres Gesetz den Art. 46 des Pf. Forststrafg. geändert. Der Vorbehalt in Art. 31 GO. betrifft nur die Bewirtschaftung der G.waldungen. Dagegen ist Art. 46 des Pf. Forststrafg. auch jetzt noch für die zum Forstschutz verwendeten Kräfte anzuwenden, wenn sie nur nach dem bürgerlichen Recht angestellt sind. Dann hat das Amtsgericht ihre Verpflichtung nach dieser Bestimrnung vorzunehmen. „Nach erfolgter Bestätigung und Verpflichtung" stehen auch solche Personen „in Beziehung auf Glaubwürdigkeit" wie nach ihren durch das Forststrafg. gegebenen Befugnissen den „öffentlich angestellten Forstdienern" also den gemeindlichen Be­ amten gleich (Art. 45II S. 2 des Pf. Forststrafg.). c) Die G. ist zur Aufstellung verpflichtet, also zur Anstellung der notwendigen Kräfte, zur Zahlung der Bezüge aus der G.kasse, zur Tragung des Aufwands für etwaige Berufsausrüstung dieser Kräfte. Der Feld- und Waldhüter steht also nur in einem Dienstverhältnis zur Gemeinde, nicht etwa Lu den Grundstückseigentümern und muß nicht allenfalls mit dem Emp­ fang seiner Bezüge warten, bis die nach Satz 2 umgelegten Bei­ träge der Grundstückseigentümer in die G.kasse geflossen sind. d) Über die Frage, wer darüber zu entschieden hat, welche Kräfte notwendig sind, ob die Aufstellung int Ne­ benberuf genügt usw. s. d. borst. Anm. 28. 35. Pflicht der Umlegung des Aufwands. Die G. ist (s. borst. Anm. 33) grundsätzlich verpflichtet, den Aufwand auf die beteiligten Grundstückseigentümer um­ zulegen (bergt Anm. 2dl zu Art. 29 S. 377). Ihr Selbstver-

waltungsrecht ist also hier durch das Gesetz eingeschränkt. Die G. kann grundsätzlich nicht darauf verzichten, den Aufwand umzulegen, und ihn grundsätzlich nicht aus allgemeinen G.mitteln be­ streiten. Eine Ausnahme ist nur gegeben, wenn der Pachtschilltng für die G.jagd in der G.kasse verbleibt (s. darüber Anm. 8 zu Art. 29, S. 380). Der Aufwand ist auf die Eigentümer der beteiligten land- und forstwirtschaftlichen Grund­ stücke umzulegen. Beteiligt sind die Grundstücke, deren Schutz die aufgestellten Kräfte dienen. Darunter fallen im Gegensatz zu Art. 59 (s. Anm. 4 a dort S. 379) auch die gärtnerisch benutzten Grundstücke. Wie im Vollzug des Art. 29 (s. a. a. O.) können nur Grundstücke herangezogen werden, die in der Markung der G. liegen. Der Maßstab für die Umlegung ist das Verhältnis der für die Grundstücke zu entrichtenden Grundsteuer. Es heißt nicht „ent­ richteten" Grundsteuer. Maßgebend ist also (vgl. Anm. 6 zu Art. 29 S. 380) die Veranlagung. Trotz der Mweichung im Aus­ druck ist deshalb wohl auch hier der Staat verpflichtet, für seine Grundstücke, die vom Feld- und Waldschutz erfaßt sind und zur Grundsteuer veranlagt sind, die treffenden Beiträge zu entrichten. Hinsichtlich der Streitigkeiten über die Pflicht zu Beiträgen s. Abs. Vin (nachf. Anm. 39).

36. Koftenübernahme auf die Gemeinde. S. darüber die Anm. 8 zu Art. 29 S. 380. 37. Bestellung einer Sonderkrast. a) Die Bestimmung entspricht (s. vorst. Anm. 33) einer An­ regung der Landesbauernkammer. Die Aufstellung einer Sonder­ kraft ist nur für den Waldschutz, nicht für den Feldschutz zu­ lässig. Gefordert ist ein zusammenhängender Waldbesitz von minde­ stens 100 ha. Doch braucht die Fläche nicht in der gleichen G.markung zu liegen. Liegen die Waldgrundstücke in mehreren G.n, so muß jede G. den Waldbesitzer für den entsprechenden Anteil nach Abs. VII S. 2 befreien. Auch hier ist, wie dies in Art. 2II des Jagdg. gesagt ist, anzunehmen, daß Straßen und Wege, sowie Flüsse und Bäche den Zusammenhang des Grundbesitzes nicht un­ terbrechen. Die Rechtsprechung zu diesem Gesetz kann auch hier verwertet werden. Der Waldbesitzer kann sich eine besondere Kraft bestellen, er muß es aber nicht. b) Im rechtsrheinischen Bayern sind die vom Waldbesitzer auf­ gestellten Kräfte nach Art. 115 des rrh. Forstg. „Hilfspersonen zur Handhabung der Forstpolizei". Sie sind vom Amtsgericht ihres Wohnorts (Wohnsitz) nach Art. 121 dieses Ges. zu verpflich­ ten. Für die Pfalz bestimmt Art. 451 des pf. Forststrafg., daß nur volljährige unbescholtene Personen aufgestellt werden sollen und Art. 46II dieses Ges., daß die Aufftellung der Bestätigung des Bezirks- und Forstamts bedarf. Weiter ist der Privatwald­ hüter dort vom Amtsgericht nach Art. 46 zu verpflichten. „Nach

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erfolgter Bestätigung und Verpflichtung" stehen die Privatwaldhüter „in Beziehung auf Glaubwürdigkeit" wie nach ihren durch das Forststrafg. gegebenen Befugnissen den „öffentlich angestellten Forstdienern" gleich (Art. 54II S. 2 dieses Ges.). c. Auch bei Aufstellung solcher Sonderkräfte (Privatwaldhüter) können die Polizeibehörden (je nach ihrer Zuständigkeit die 1. B., in den kreisunmittelbaren Städten die Stadträte oder deren beschließende Ausschüsse, wie die zuständigen staatlichen Behörden) nach wie vor alle ihnen zukommenden polizeilichen Befug­ nisse auch in den Waldungen ausüben, für die ein Privatwaldhüter aufgestellt ist (Begr. S. 77).

38. Befreiung. Bestellt der Waldbesitzer eine Kraft für den Waldschutz, so hat er einen Anspruch auf Befreiung von den Leistungen zum Waldschutz. Anderseits muß die G. ihn nicht von amtswegen von den Beiträgen frei lassen, sondern es bedarf eines förmlichen An­ trags. Für Streitigkeiten gilt Abs. VIII. 39. Streitigkeiten. In Frage steht nicht etwa das staatsaufsichtliche Verfahren, wenn die G. entgegen ihrer Pflicht nach Abs. VI S. 2 die Umle­ gung unterläßt; erfaßt werden vielmehr einerseits die Streitig­ keiten zwischen der G. und den von ihr nach Abs. VI S. 2 und 3 herangezogenen Personen über die Leistung oder Zurückerstattung der Beiträge, anderseits der Anspruch des Eigentümers des zu^ sammenhängenden Waldbesitzes gegen die G. nach Abs. VII auf Befreiung von diesen Beiträgen. Nach Art. 143II S. 1 gelten für das Verfahren die Vorschriften des BGG. über Berwaitungsrechtssachen. Zur Entscheidung zuständig ist nach Art. 143IIS. 2, 59 im ersten Rechtszug bei mittelbaren G.n das Bezirksamt, bei kreisunmittelbaren G.n die Regierung, K. d. I., im zweiten Rechtszug entscheidet in allen Fällen der BGH.

Art. 52? 'Aus Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit kann das Staatsministerium des Innern anordnen,' daß die Polizei­ gewalt' in Gemeinden^ vorübergehend' ganz oderteilweise durch staatliche Beamte' ausgeübt' wird. Die Polizei­ beamten der Gemeinde sind verpflichtet, den Anordnungen der mit der Ausübung der Polizeigewalt betrauten staatlichen Beamten Folge zu leisten.' "Bei Gefahr im Verzüge' kann die Staatsauffichtsbehörde der Gemeinde die gleichen Anordnungen treffen;

Art. 52. Ausübung durch staatliche Beamte.

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sie ist verpflichtet, unverzüglich die Entscheidung des Staats­ ministeriums des Innern einzuholen?o m Erstreckt sich die Ausübung der Polizeigewalt durch staatliche Beamte nach Maßgabe der Abs. I und II auf länger als ein Jahr, so ist eine gesetzliche Regelung" des Zustandes notwendig. RefE. Art. 178ff.; 269.

55; RegE.

Art.

55; BersA. I, 461 f.;

II, 57;

StenBer.

1. Ausübung der Ortspolizei durch staatliche Beamte. a) Der Art. 52 entspricht, abgesehen von kleinen sprachlichen Än­ derungen, dem Art. 98 a der rrh. GO. v. 1869, wie er dort durch G. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 281, eingefügt worden ist. Nun­ mehr gilt diese Vorschrift auch für die Pfalz. Es handelt sich hier um eine „organisatorische Maßnahme, zu der als letztem Mittel dann gegriffen werden soll, wenn sich auf andere Weise ein befriedigendes Arbeiten der gemeindlichen Polizeiverwaltung, ins­ besondere ein Zusammenarbeiten mit der etwa bestehenden staat­ lichen Polizeibehörde nicht herbeisühren läßt" (Begr. S. 78). Bon der Vorschrift soll „nur im äußersten Falle", „in ernster Lage" Gebrauch gemacht werden (StM. Dr. Stützel, BersA. 1, 462). Auf den Grund der ernsten Lage kommt es nicht an, insbesondere darauf nicht, ob die Ortspolizeibehörde eine Schuld daran trifft. Während Art. 51III S. 3 (s. Anm. 22 a zu Art. 51) ein Ein­ greifen der Sachaufsichtsbehörde in Einzelfällen vorsieht, ist in Art. 52 ein vorübergehender, aber längere Zeit dauernder Übergang der örtlichen Polizeigewalt auf die Staatsbehörden durch organisatorische Ver­ fügung vorgesehen. Die Polizeigewalt kann ganz übertragen wer­ den oder auch nur zum Teil. Art. 52 erfaßt alle G.n und (s. nachf. Anm. 3) die gesamte Polizeigewalt, die Sicherheitspolizei und die Berwaltungspolizei. Soweit die Berwaltungspolizei (abgesehen von Geschäften im Sinne des Art. 551 S. 2) tn Frage steht, und soweit es sich um die Sicherheits­ polizei in mittelbaren G.n handelt, die nicht unter Art. 55 II fallen, kann (s. Abs. HI und nachf. Anm. 5) nur eine vorübergehende, wenn auch über Einzelfälle hinausgehende Rege­ lung getroffen werden. Dagegen kann die Sicherheitspolizei in kreisunmittelbaren Städten und in den benachbarten mittelbaren G.n sowohl nach Art. 52 vorübergehend wie nach Art. 55 auf die Dauer (mit der dauerden Schaffung besonderer Behörden) übertragen werden. Bei vorüber­ gehender Übertragung nach Art. 52 erfolgt die Anordnung durch das StMdJ.; ja bei Gefahr im Verzüge kann die Staatsaufsichts­ aufsichtsbehörde die Anordnung treffen. Bei dauernder über-

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I. Gemeindeordnung.

tragung nach Art. 55 dagegen ist eine organisatorische Verordnung der Staatsregierung (des Gesamtministeriurns) nötig. b) Die Ortspolizei wird durch staatliche Beamte aus ge­ übt, sie geht nicht über. Sie wird nrcht wie in Art. 55 übertragen. Die staatlichen Beamten handeln hier als staatlich bestimmte Organe der Ortspolizei. Für ihre Handlungen hastet Dritten gegenüber jedoch nicht die G., sondern der Staat (bestritten). Anderseits sind die staatlichen Beamten nur ihren staatlichen Behörden verantwortlich und können nur von diesen Sachweisungen erhalten. 2. Anordnung durch das Staatsministerium des Innern.

Die Anordnung erfolgt durch einfachen Berwaltungsakt (Ent­ schließung). Bei Gefahr im Verzug kommt auch (s. Ms. II) der Staatsaufsichtsbehörde (Art. 59) diese Anordnung zu; doch ist die Staatsaufsichtsbehörde verpflichtet, unverzüglich die Entscheidung des StMdJ. einzuholen. Gegen die Anordnung des StMdJ. oder dessen Entscheidung, die eine Bestätigung der Anordnung der Staatsaufsichtsbohörde enthält, gibt es kein Rechtsmittel. 3. Polizeigewalt.

Da das Gesetz von der Polizeigewalt schlechthin spricht, wird sowohl die Sicherheitspolizei wie die Berwaltungspolizei erfaßt. Es muß nur nach den Eingangsworten dieses Artikels der Grund der Anordnung in der Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit liegen. Für die Sicherheitspolizei und ihre verwandten Geschäfte in kreisunmittelbaren Städten im besonderen gilt weiter Art. 55. Auch soweit es sich um die Gesetzgebungsgewalt der G. handelt, werden die staatlichen Beamten zuständig, s. nachs. Anm. 7. 4. In Gemeinden.

Sowohl in kreisunmittelbaren wie in mittelbaren G.n. 6. Vorübergehend.

Es ist nicht notwendig, die Anordnung auf eine bestimmte Zeit zu erlassen. Es kann auch nur angeordnet werden, daß die Polizeigewalt ganz oder in bestimmter Umgrenzung, z. B. im Ge­ biete der Sicherheitspolizei „bis auf weiteres" durch bestimmte staatliche Beamte ausgeübt wird. Doch ist Ws. IH zu beachten. 6. Staatliche Beamte.

Welche staatliche Beamte bestellt werden, ob eigene Beamte ab­ geordnet werden oder ob der Vorstand oder bestimmte Beamte einer Behörde oder Stelle, z. B. des Bezirksamts oder der Kreis­ regierung bestimmt werden, steht im Ermessen des StMdJ. 7. AuSgeübt.

Die Polizeigewalt der G.n wird also nur durch staatliche Be­ amte aus geübt. Sie ist nach wie vor Ortspolizei und ihre Kosten

Art. 52. Ausübung durch staatliche Beamte.

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würden deshalb nach wie vor gemäß Art. 50IV die G. treffen. Art. 7 des durch Art. 154 GO. geänderten Gesetzes über die Lei­ stungen der G.n für die staatliche Polizeiverwaltung v. 22. Nov. 1923 iGBBl.S.378) bestimmt jedoch, daß die Kosten dem Staat zur Last fallen. Die G.n sind nur verpflichtet, zu den Auf­ wendungen des Staates für diese Tätigkeit seiner Beamten Bei­ träge insoweit zu zahlen, „als mit diesen Aufwendungen eine fi­ nanzielle Entlastung der G.n verbunden ist". Dio Folgerung, daß in solchen Fällen [— anders wie in den Fällen des Art. 51III S. 3 —] die Polizeigewalt in vollem Um­ fang von den staatlichen Beamten ausgeübt wird, ist auch hinsicht­ lich der Gesetzgebungsgewalt der G. durch Art. 31 und III, 4 H des PStGB. in der Fassung des G. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 281, gezogen. Die staatlichen Beamten sind danach zur Er­ lassung von ortspolizeilicherl Vorschriften für den Ortspolizeibezirk (f. Anm. 14 und 15 zu Art. 51) befugt. Auch diese ortspolizeilichen Vorschriften bedürfen der Vollziehbarkeitserklärung durch die Kreisregierungen (s. Anm. 1 zu Art. 1 S. 135). Sie wirken erst nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung (f. Anm. 15 zu Art. 51). Bor der Erlassung sind die beteiligten G.räte einzuvernehmen, s. Art. 3III PStGB. in der erwähnten Fassung. Die Einvernahme ist eine (allerdings im Gesetz gegebene) Ordnungsvorschrift, feine wesentliche Form. Die Rechtsgültigkeit hängt also nicht von der Einvernahme ab. Der Strafrichter hat nicht nachzuprüfen, ob die Einvernahme erfolgt ist oder nicht (vgl. Anm. 15 am Ende zu Art. 51). Alle diese Ausführungen gelten auch für die kreisunmittelbareil Städte und dort auch für die Bezirkspolizei (Art. 4II PStGB. in der erwähnten Fassung). 8. Pflicht der Polizeibeamten. S. Anm. 25 zu Art. 51. Ob in solchen Füllen der l.B. von den an die einzelnen Polizeibeamten gegebenen Dienstbefehlen zu verständigen ist (vgl. Anm. 26 zu Art. 51), ist Taktfrage. Gegen­ über dem Falle des Art. 51III S. 3 besteht hier der grundsätzliche Unterschied, daß hier dem 1. B., soweit die Polizeigewalt vorüber­ gehend durch staatliche Beamte ausgeübt wird, keinerlei Befugnis mehr zukommt, während sie ihm in den Fällen des Art. 51 III S. 3 nach wie vor zusteht. Die Möglichkeit eines Doppelbefehls besteht rechtlich nicht. Auch hier geht bei Verfehlungen der G.beamten das Dienststrafrecht der G. auf die Staatsaufsichts­ behörde über (Art. 107II). S. Gefahr im Verzug. Die Staatsaufsichtsbehörde ist dann zur selbständigen Anord­ nung befugt, wenn mit dem Zeitverlust zur Einholung der An­ ordnung des StMdJ. eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ord­ nung und Sicherheit verbunden wäre. Die Staatsaufsichtsbehörde kann anordnen, daß die Polizeigewalt vorübergehend ganz oder Laforet-v.Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

3t)

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I. Gemeindeordnung.

teilweise durch von ihr bestimmte staatliche Beamte ausgeübt wird; sie kann die Polizeigewalt auch ganz oder teilweise an sich nehmen. Gegnr die Anordnung steht der G- die Anrufung der Überord­ nungsgewalt der höheren Staatsaufsichtsbehörde frei. Die Möglich­ keit der Anrufung des BGH. ist nicht gegeben.

10» Erholung der Entscheidung des Staatsministeriums des

Innern.

Die Entscheidrmg ist unverzüglich, also ohne schuldhafte Ver­ zögerung zu erholen. Bis zur Entscheidung des StMdJ. bleibt die Anordnung in Kraft, soweit sie nicht von der höheren Staatsaufsichtsbehörde aufgehoben wird, wie dies gegenüber Anordnun­ gen der Bezirksämter durch die Kreisregierungen möglich ist.

11. Gesetzliche Regelung. Das StMdJ. ist danach verpflichtet, dem Landtag einen Ge­ setzesentwurf über die notwendige Regelung zu unterbreiten. Da­ gegen tritt seine Anordnung nicht etwa ohne weiteres mit Ablauf des Jahres nach der Erlassung außer Kraft. Die Frist von einem Jahr bemißt sich nach jeder einzelnen Anordnung. Wird eine An­ ordnung aufgehoben, später aber neu erlassen, so läuft die Frist von der Neuanordnung an.

Zwangsbefugniffe?

Art. 53.

1 Der Gemeinderat und der erste Bürgermeister2 können die Durchführung von Verfügungen,2 die sie innerhalb ihrer Zuständigkeit^ zum Vollzüge von Gesetzen und Verordnungen, deren Übertretung nicht mit Strafe bedroht ist,6 an bestimmte Personen erlassen und diesen eröffnet6 haben, unter An­ wendung der Art. 21 und 22 des Polizeistrafgesetzbuchs er­ zwingen? "über Beschwerdenb entscheidet die Staatsaufsichts­ behörde ; bei Gemeinden, die der Staatsaufsicht des Bezirks­ amts unterstehen, entscheidet im Falle der weiteren Be­ schwerde die Kreisregierung endgültig. R^E. Art. 52; RegE. Art. 52; BerfA. I, 458; II, 54/55; 57; Sten.» Ber. 178 ff.; 269.

1. Zwangsbefugnisse. Das Gesetz gibt hier (entsprechend Art. 99, 143 d. rrh. GO., Art. 77 d. pf. GO. v. 1869) zur Klarstellung den zur Hand­ habung der Polizei berufenen verfassungsmäßigen Organen der G. für das Sachgebiet der Polizei*) die Befugnisse, die sich aus *) Der Art. 53 ist wie Art. 21 und 22 PStGB., wenn alle diese Vorschriften auch das Wort Polizei nicht enthalten, schon

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I. Gemeindeordnung.

teilweise durch von ihr bestimmte staatliche Beamte ausgeübt wird; sie kann die Polizeigewalt auch ganz oder teilweise an sich nehmen. Gegnr die Anordnung steht der G- die Anrufung der Überord­ nungsgewalt der höheren Staatsaufsichtsbehörde frei. Die Möglich­ keit der Anrufung des BGH. ist nicht gegeben.

10» Erholung der Entscheidung des Staatsministeriums des

Innern.

Die Entscheidrmg ist unverzüglich, also ohne schuldhafte Ver­ zögerung zu erholen. Bis zur Entscheidung des StMdJ. bleibt die Anordnung in Kraft, soweit sie nicht von der höheren Staatsaufsichtsbehörde aufgehoben wird, wie dies gegenüber Anordnun­ gen der Bezirksämter durch die Kreisregierungen möglich ist.

11. Gesetzliche Regelung. Das StMdJ. ist danach verpflichtet, dem Landtag einen Ge­ setzesentwurf über die notwendige Regelung zu unterbreiten. Da­ gegen tritt seine Anordnung nicht etwa ohne weiteres mit Ablauf des Jahres nach der Erlassung außer Kraft. Die Frist von einem Jahr bemißt sich nach jeder einzelnen Anordnung. Wird eine An­ ordnung aufgehoben, später aber neu erlassen, so läuft die Frist von der Neuanordnung an.

Zwangsbefugniffe?

Art. 53.

1 Der Gemeinderat und der erste Bürgermeister2 können die Durchführung von Verfügungen,2 die sie innerhalb ihrer Zuständigkeit^ zum Vollzüge von Gesetzen und Verordnungen, deren Übertretung nicht mit Strafe bedroht ist,6 an bestimmte Personen erlassen und diesen eröffnet6 haben, unter An­ wendung der Art. 21 und 22 des Polizeistrafgesetzbuchs er­ zwingen? "über Beschwerdenb entscheidet die Staatsaufsichts­ behörde ; bei Gemeinden, die der Staatsaufsicht des Bezirks­ amts unterstehen, entscheidet im Falle der weiteren Be­ schwerde die Kreisregierung endgültig. R^E. Art. 52; RegE. Art. 52; BerfA. I, 458; II, 54/55; 57; Sten.» Ber. 178 ff.; 269.

1. Zwangsbefugnisse. Das Gesetz gibt hier (entsprechend Art. 99, 143 d. rrh. GO., Art. 77 d. pf. GO. v. 1869) zur Klarstellung den zur Hand­ habung der Polizei berufenen verfassungsmäßigen Organen der G. für das Sachgebiet der Polizei*) die Befugnisse, die sich aus *) Der Art. 53 ist wie Art. 21 und 22 PStGB., wenn alle diese Vorschriften auch das Wort Polizei nicht enthalten, schon

Art. 53. Awangsbefugnisse.

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Art. 21 und 22 PStGB. für alle Behörden der inneren Verwal­ tung auf diesem Gebiete ohnehin ergeben. Damit wird gesagt, daß sowohl der 1. B. wie der G.rat innerhalb ihrer vom Gesetz gegebenen polizeilichen Befugnisse Behörden der inneren Verwaltung im Sinne des Art 201 PStGB. sind. Zur Ergänzung der Art. 21 und 22 wird außerdem in Ms. II für diese „Behörden der inneren Verwaltung" ein Teil des Beschwerdeversahrens geregelt**). In Frage steht eines der Mittel zur Erzwingung von Polizeibefehlen im engeren Sinn, die zum Vollzug von Gesetzen und Verordnungen gegeben werden, deren Übertretung nicht mit einer gerichtlichen Strafe bedroht ist. Ist die Übertretung des Gesetzes oder der Verordnung mit einer ge­ richtlichen Strafe bedroht, so gilt Art. 20 PStGB.; in einzelnen Fällen greifen auch die Art. 16—19 PStGB. ein.

Art. 20. In Fällen, welche mit Strafe gesetzlich bedroht sind, ist die zuständige Polizeibehörde, vorbehaltlich der spä­ teren Strafverfolgung, soweit nötig, zur vorläufigen Einschreitung befugt. II. In allen Fällen, in welchen die Einziehung einzelner Sachen gesetzlich zulässig ist, hat sie das Recht, letztere mit vorläufigem Beschlage zu belegen. I.

durch die Einfügung in die Vorschriften über Polizei (also die Verwaltung, dre sich zum Zwecke der Aufrechterhaltung der öffent­ lichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit grundsätzlich in Zwang und Befehl äußert), auf das Sachgebiet der Pol>izer (Sicher­ heitspolizei und Berwaltungspolizei) begrenzt. In der Wohl­ fahrtspflege und in der vermögensrechtlichen Verwaltung ist die Vorschrift nicht anwendbar. Doch hat das Gesetz (auch abgesehen von den steuerrechtlichen Vorschriften und den Schutzvorschriften nach Art. 4411) auch in der vermögensrechtlichen Verwaltung Zwangsbefugnisse besonderer Art (z. B. Art. 44III, IV) ge­ geben. *) Es konnte nicht Aufgabe der GO. sein, die dringend nö­ tige Neufassung der Art. 16—22 PStGB., die ja vor allem für die staatlichen Polizeibehörden gelten, vorzunehmen. Im VerfA.I, 462; II 54/55 hat man deshalb mit Recht der Bestimmung (Art. 52 RegE.) keine besondere Beratung gewidmet. Die Neu­ fassung dieser Vorschriften des PStGB. muß dem künftigen neuen Polizeigesetz überlassen werden. Es wird deshalb auch hier von eingehender Stellungnahme zu den Streitfragen über die Aus­ legung der Art. 20, 21 und 22 PStGB. Abstand genommen. Auf die Kommentare z. PStGB. von Schiedermair, StaudingerSchmitt und Weinisch muß verwiesen werden.

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I. Gemeindeordnung.

in. Sie hat die Befugnis, in jenen Mllen, in welchen die Gesetze bestimmen, daß die Schließung einer Anstalt im Strafurteile auszusprechen ist oder für zulässig erklärt wer­ den kann, diese Schließung als vorläufige Maßregel zu ver­ fügen, darf jedoch dieselbe nicht über acht Tage fortsetzen, wenn der Richter nicht die Fortdauer als zulässig erklärt hat. IV. Unterläßt jemand, dasjenige zu tun, was ihm unter Strafe gesetzlich zu tun geboten ist, so steht der Polizeibe­ hörde die Befugnis zu, diese Handlung statt seiner vorläufig vornehmen zu lassen. Der dadurch verursachte Kostenaufwand kann jedoch von dem Ungehorsamen nur auf Grund eines richterlichen Urteils beigetrieben werden. V. War die vorläufig getroffene Maßregel nicht gerecht­ fertigt, so bleibt dem Freigesprochenen der allenfallsige An­ spruch auf Schadenersatz Vorbehalten. 2. Der Gemeinderat und der 1. Bürgermeister.

Genannt sind hier die verfassungsmäßigen Organe der G., denen nach Art. 51 III, 54 II, IV die Handhabung der Polizei­ gewalt zukommt. Die staatlichen Polizeibehörden, zu denen auch die Lokalbaukommission München (Art. 55 V) trotz ihrer Sonder­ regelung zu rechnen ist, haben die gleichen Befugnisse auf Grund der Art. 21, 22 PStGB. ohnehin. Die Stellvertreter des 1. B. nach Art. 18, 51III S. 2, wie der Ortsführer nach Art. 51V nehmen Rechte des 1. B. wahr. Ihnen kommt deshalb im Rah­ men ihrer Bertretungsmacht auch diese Befugnis zu. 3. Verfügungen.

Die Polizei kann (vgl. Anm. 16 zu Art. 51) auf Grund ihrer Zwangsgewalt Polizeibefehle allgemeiner Art an be­ stimmte Personengruppen (z. B. die Besucher eines Festplatzes, die in einem Saale anwesenden Personen) geben. Um diese Polizei­ befehle allgemeiner Art handelt es sich hier nicht, sondern um die Polizeibefehle im engeren Sinne, also die Polizei­ befehle, die „an bestimmte Personen erlassen und diesen eröffnet werden" (Art. 211 PStGB.). Ebensowenig wie nach Art. 211 liegt nach Art. 52 ein Polizeibefehl im enge­ ren Sinne vor, wenn die polizeiliche Verfügung sich an die All­ gemeinheit oder an einzelne Teile der Bevölkerung z. B. an be­ stimmte Berufe oder an die Besucher eines Festplatzes richtet oder wenn die polizeiliche Verfügung nur in öffentlicher Bekannt­ machung erlassen wird. Der Polizeibefehl im engeren Sinne mit der Wirkung des Art. 21 erfordert die Erlassung und Er­ öffnung an „bestimmte Personen". 4. Zuständigkeit.

Der Polizeibefehl ist nur rechtswirksam, wenn er von der zuständigen Stelle ergangen ist (vgl. Art. 211 PStGB ), also im

Art. 53. PolizeiLefehle.

613

Rahmen des G.rechts, wenn er von dem verfassungsmaßi!icn Organ der G. ausgegangen ist, dem das Gesetz Art. 51, 54) die Befugnis zugewiesen hat. S. Nicht mit Strafe bedroht ist.

S. Vorst. Anm. 1. 6» Erlassen und eröffnet.

S. Vorst. Anm. 3. 7. Gemäß Art. 21 zwingen.

und 22 des Polizeistrafgesetzbuches er­

Die Vorschriften lauten: Art. 21. 1 Die Behörden der inneren Verwaltung sind befugt, Verfügungen, die sie innerhalb ihrer Zuständigkeit zum Voll­ zug von Gesetzen, deren Übertretung nicht mit Strafe be­ droht ist, an bestimmte Personen erlassen und diesen eröffnet haben, durch Anwendung gesetzlicher Zwangsmittel zur Aus­ führung zu bringen. 11 Zu diesem Zwecke sind jene Behörden insbesondere berechtigt, die Nichtbefolgung einer Verfügung der in Abs. I bezeichneten Art mit Ungehorsamsstrafen zu bedrohen und diese im Falle des Ungehorsams für verwirkt zu erklären, und zwar ... *) 111 Wird nach der Verhängung der Ungehorsamsstrafe *) Hier ist zu lesen: „von 1 bis 1000 W‘. Auch für diese Ungehorsams st rasen gilt nunmehr, da durch das Landes­ recht nach Art. VIII Abs. II der B. über Bermögensstrafen und Bußen vom 6. Febr. 1924 (RGBl. I, 44) bis jetzt Abweichendes nicht bestimmt ist, nach Art. HI Abs. I Z. 2 und Art. II Abs. I dieser V. der Strafrahmen von 1 Goldmark Mindeststrafe bis 1000 Goldmark Höchststrafe. Gemäß 8 2 der V. v. 12. Dez. 1924 (RGBl. I, 775) trat die Reichsmark an die Stelle der Gold­ mark. Damit ist die frühere Scheidung in Art. 21II PStGB. gegen­ standslos geworden und das Gesetz sachlich geändert. Wie die Zwangsbeitreibung dieser Ungehorsams­ strafen zu erfolgen hat, ist zweifelhaft. Die Ungehorsamsstrafen sind keine G.gefälle nach Art. 20 BG.FÄlG., da diese nur die Ab­ gaben, wenn auch im weitesten Sinne dieses Wortes (s. hier S. 471), umfassen. Sie sind auch nicht Kostenaufwand im Sinne des Art. 21IV PStGB. Gleichwohl wird in der Praxis, da für die Erhebung des Kostenaufwands nach Art. 21IV PStGB. nach die­ ser Vorschrift die Bestimmung über die Beitreibung der G.gefälle (also jetzt 19 BG.FAG., GBBl. 1927, 287) anzuwenden ist, auch für die Zwangsbeitreibung der Ungehorsamsstrafen der Art. 19 BG.FAG. angewendet.

614

I. Gemeindeordnung. der erneuerten Verfügung der Behörde nicht Folge geleistet, so ist diese befugt, die nach Abs. II zulässige Ungehorsams^ strafe wiederholt anzudrohen und in angemessener Frist als verwirkt zu erklären, sofern weder die in Abs. IV vorgesehene Bollstreckungsmaßregel, noch ein sonstiges Zwangsmittel zur Durchführung des Vollzugs anwendbar ist. IV Unterläßt jemand innerhalb der dafür bestimmten Frist dasjenige zu tun, was ihm durch eine Verfügung der in Abs. I bezeichneten Art durch die zuständige Behörde auf­ erlegt ist, so ist letztere befugt, diese Handlung auf Kosten des Ungehorsamen vornehmen zu lassen und den von ihr gestell­ ten Kostenaufwand, vorbehaltlich der Verpflichtung zum Scha­ denersätze, nach den gesetzlichen Bestimmungen über Beitrei­ bung von Untersuchungskosten bzw. Gemeindegefällen *), in der Pfalz auf dem Wege des administrativen Zwangsvollzuges**), zu erheben. Gegen die Androhung oder Vorkehrung der nach Maß­ gabe des gegenwärtigen Artikels zulässigen Bollzugsmaß­ regeln ist Beschwerde an die höheren Stellen zulässig. In dringenden Fällen haben solche Beschwerden keine aufschiebende Wirkung. ^Die von einer Gemeindebehörde verfügterr Ungehor­ samsstrafen fließen in die Kasse der betreffenden Gemeinde***). vn Enthält ein Spezialgesetz eine Mehrheit von Anord­ nungen, und ist in demselben nur die Übertretung eines Teiles der getroffenen Anordnungen unter Strafe gestellt, so findet der gegenwärtige Artikel auf die nicht mit Strafe bedrohten Anordnungen dieses Gesetzes Anwendung.

Art. 22. 1 Für die Anwendung des Art. 21 sind den Gesetzen nicht allein die zur Zeit bestehenden gültigen Verordnungen, sondern auch diejenigen Verordnungen gleichgestellt, welche künftig zu einem Gesetz auf dem Grund eines in diesem -ent­ haltenen Vorbehaltes erlassen werden. »Dasselbe gilt von Verordnungen, welche künftig zum Zwecke der Revision einer bestehenden gültigen Verordnung *) Art. 19 BG. FAG-, GVBl. 1927, 287, s. dazu Bleyer S. 101 ff.- Stenger, Finanzausgleich S. 131 ff. **) Die G.n wenden zweckmäßig auch hier den erwähnten Art. 19 VG.FAG. an. ***) Die Ungehorsamsstrafen sind Verwaltungsstrafen und „sonstige Einnahmen" nach Art. 431 (vgl. Anm. 2 a zu Art. 13 S. 478).

erlassen werden, insoweit diese letztere nicht unter Zustim­ mung des Landtags zustande gekommen ist, oder sonst die Na­ tur eines Gesetzes an sich trägt. m Enthält in Fällen, in denen das gegenwärtige Ge­ setz auf Verordnungen Bezug nimmt, eine Verordnung eine Mehrheit von Anordnungen und ist in der betreffenden Ver­ ordnung nur die Übertretung eines Teiles der getroffenen Anordnungen unter Strafe gestellt, so findet Art. 21 auch auf die Übertretungen der übrigen Anordnungen keine An­ wendung. & Beschwerden. a) Wie in vorst. Anm. 1 gesagt, regelt Art. 53II für die An­ wendung der Art. 21 und 22 PStGB. durch die G.behörden einen Teil des Beschwerdeverfahrens, insofern als es die Beschwerde­ behörden bezeichnet. Es handelt sich insbesondere um die Be­ schwerden gegen die Erlassung von Polizeibefehlen nach Art. 211 und II mit oder ohne Androhung von Ungehorsamsstrafen, um die Erklärung, daß die Ungehorsamsstrafe verwirkt ist (Art. 21II), um die erneute Verfügung wiederholter Androhung der Ungehor­ samsstrafe und die Erklärung, daß diese erneute Ungehorsams­ strafe verwirkt ist (Art. 21 in), endlich um die Ersatzvornahme nach Art. 21IV in allen Fällen. Wie dies sich auch aus Art. 21V PStGB. ergibt, steht hier ein gesetzlich geregeltes VerwaltungsVerfahren in Frage, das dem Beschwerdeführer den Anspruch auf Bescheid gewährt. Eine Beschwerdefrist ist ebnrsowenig wie im PStGB. gegeben. Doch gilt als Gewohnheitsrecht, daß diese Frist 14 Tage beträgt. Für den Lauf der Frist gilt Art. 143III S. 2. Die Beschwerde kann nach Art. 143II S. 1 sowohl bei der Stelle eingereicht werden, welche die angefochtene Verfügung er­ lassen hat, wie bei der für die Bescheidung der Beschwerde zu­ ständigen Stelle. Aus Art. 21V S. 2 ergibt sich, daß die Be­ schwerde „in dringenden Fällen" keine aufschiebende Wirkung hat. b) Das Gesetz hat nicht die Sachaufsichtsbehörden als Beschwerdestellen bezeichnet, sondern die der gemeindlichen Ge­ schäftsführung unmittelbar nahestehenden Staatsaufsichts­ behörden. Weiter ist (s. Begr. S. 77) auch hier der Rechts­ gedanke zum Ausdruck gekommen, daß über Beschwerden nur in zwei Rechtszügen entschieden werden soll. Bei kreisunmittel­ baren G.n entscheidet also im ersten Rechtszug die Regierung, K. d. I. (Art. 59, 1431), im zweiten Rechtszug das StMdJ., auch wenn die Sachaufsicht im einzelnen Gebiete zunächst einem an­ deren Staatsministerium zukommt. Bei mittelbaren G.n entscheidet im ersten Rechtszug das Bezirksamt (Art. 59), im Falle der wei-teren Beschwerde entscheidet nach ausdrücklicher Bestimmung des Art. 5311 die Kreisregierung (also die Regierung, K. d.J.) end­ gültig. In Fällen dieser Art nimmt zwar, da es sich auch hier um

616

I. Gemeindeordnung.

Staatsverwaltungsgeschäfte (Angelegenheiten des übertragenen Wir­ kungskreises) handelt, die Praxis an, daß gegen die Entscheidun­ gen der Beschwerdestellen die Anrufung der Überordnungsgewalt der höheren Staatsaufsichtsbehörde (also des StMdJ.) gegeben sei. Ein Anspruch auf Bescheid ist jedoch keinesfalls gegeben. Die G. selbst hat kein Beschwerderecht. Sie wird hier nur als Behörde tätig. Es gibt keine Rechtsmittel der unter­ geordneten Behörde gegen die Entscheidung der vorgesetzten Be­ hörde. Da es sich hier stets um Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises handelt, ist gemäß Art. 60 der BGH. niemals zur sachlichen Nachprüfung einer Beschwerde, welche die Gemeinde auf die Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechtes stützen wollte, zu­ ständig (BGH. 3, 480 insb. 483). KreiSunmittelbare Gemeinde«.

Akt. 54.

1 Kreisunmittelbare Gemeinden1 sind die Gemeinden, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes' der Kreisregierung un­ mittelbar untergeordnet' sind. Das Staatsministerium des Innern kann einer Gemeinde auf Antrag des Gemeinde­ rats die Kreisunmittelbarkeit verleihen;^ dies soll in der Regel nur geschehen, wenn die Gemeinde wenigstens 10000 Ein­ wohner' zählt. Kreisunmittelbare Gemeinden können mit ihrer Zustimmung dem Verwaltungsbezirk eines Bezirks­ amts zugeteilt werden.' "Die kreisunmittelbaren Gemeinden haben für den Ge­ meindebezirk die Zuständigkeit des Bezirksamts' (Bezirks­ verwaltung,' Bezirkspolizei"), soweit die Gesetze nichts an­ deres bestimmen." Für die Bezirkspolizei gilt Art. 51 Abs. I Satz 2 und Abs. III Satz 3 bis 5 entsprechend?' "'Die orts- und bezirkspolizeilichen Vorschriften erläßt in den kreisunmittelbaren Gemeinden der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuß (Senat)." IV Die übrigen orts- und bezirkspolizeilichen Geschäfte18 versieht in diesen Gemeinden der Gemeinderat oder ein be­ schließender Ausschuß (Senat)" mit der Einschränkung, daß für die Handhabung der Sicherheitspolizei" der erste Bürger­ meister allein zuständig und verantwortlich" ist. Der erste Bürgermeister ist außerdem berechtigt und verpflichtet," in allen dringenden Fällen18 die dem Gemeinderate nach Satz 1

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I. Gemeindeordnung.

Staatsverwaltungsgeschäfte (Angelegenheiten des übertragenen Wir­ kungskreises) handelt, die Praxis an, daß gegen die Entscheidun­ gen der Beschwerdestellen die Anrufung der Überordnungsgewalt der höheren Staatsaufsichtsbehörde (also des StMdJ.) gegeben sei. Ein Anspruch auf Bescheid ist jedoch keinesfalls gegeben. Die G. selbst hat kein Beschwerderecht. Sie wird hier nur als Behörde tätig. Es gibt keine Rechtsmittel der unter­ geordneten Behörde gegen die Entscheidung der vorgesetzten Be­ hörde. Da es sich hier stets um Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises handelt, ist gemäß Art. 60 der BGH. niemals zur sachlichen Nachprüfung einer Beschwerde, welche die Gemeinde auf die Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechtes stützen wollte, zu­ ständig (BGH. 3, 480 insb. 483). KreiSunmittelbare Gemeinde«.

Akt. 54.

1 Kreisunmittelbare Gemeinden1 sind die Gemeinden, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes' der Kreisregierung un­ mittelbar untergeordnet' sind. Das Staatsministerium des Innern kann einer Gemeinde auf Antrag des Gemeinde­ rats die Kreisunmittelbarkeit verleihen;^ dies soll in der Regel nur geschehen, wenn die Gemeinde wenigstens 10000 Ein­ wohner' zählt. Kreisunmittelbare Gemeinden können mit ihrer Zustimmung dem Verwaltungsbezirk eines Bezirks­ amts zugeteilt werden.' "Die kreisunmittelbaren Gemeinden haben für den Ge­ meindebezirk die Zuständigkeit des Bezirksamts' (Bezirks­ verwaltung,' Bezirkspolizei"), soweit die Gesetze nichts an­ deres bestimmen." Für die Bezirkspolizei gilt Art. 51 Abs. I Satz 2 und Abs. III Satz 3 bis 5 entsprechend?' "'Die orts- und bezirkspolizeilichen Vorschriften erläßt in den kreisunmittelbaren Gemeinden der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuß (Senat)." IV Die übrigen orts- und bezirkspolizeilichen Geschäfte18 versieht in diesen Gemeinden der Gemeinderat oder ein be­ schließender Ausschuß (Senat)" mit der Einschränkung, daß für die Handhabung der Sicherheitspolizei" der erste Bürger­ meister allein zuständig und verantwortlich" ist. Der erste Bürgermeister ist außerdem berechtigt und verpflichtet," in allen dringenden Fällen18 die dem Gemeinderate nach Satz 1

Art. 54. Kreisunmittelbare Gemeinden.

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zustehenden polizeilichen Befugnisse auszuüben. Für die Stellvertretung des ersten 5Bärgetmeifter819 gilt Art. 51 Abs. in Satz 2. v£)ie kreisunmittelbaren Gemeinden sind verpflichtet, die Kosten der Bezirkspolizei zu tragen und die dazu er­ forderlichen Einrichtungen zu treffen.81 Sie erhalten hierzu Zuschüsse,88 deren Höhe jeweils im Staatshaushalte be­ stimmt wird. RefE. Art. 53; StenBer. 178 ff., 269.

RegE.

Art. 53:

BerfA. I,

458ff.; II, 54/55f, 57;

1. KreiSttnmittelbirre Gemeinden. a) Während die Verfassung (vgl. hier S. 184) für alle G.n gleich ist, sind die G.n hinsichtlich ihrer Zuständigkeit im über­ tragenen Wirkungskreise, dann ihrer verfassungs­ mäßigen Organe auf dem Gebiete der Polizei nach zwei Gruppen in kreisunmittelbare und in mittelbareG.ngeschie­ de n. Die kreisunmittelbaren G.n sind die in ihren Befugnissen den Be­ zirksämtern gleichgestellten staatl. Verwaltungsbehörden der unteren Stufe. Sie haben für den G.bezirk die Zuständigkeit des Bezirksamts in der Bezirksverwaltung und Bezirkspolizei, damit auch die Eigen­ schaft des Berwaltungsgerichtes des ersten Rechtszuges. Dies letz­ tere bedingt die Sondervorschrift des Art. 151 (s. hier die Anm. 3 zu Art. 15 S. 212). Vor allem scheidet die G.n in die gleichen Gruppen die Unterstellung unter die Behörden der Staatsaufsicht. Diese Unterstellung hat auch der grundsätzlichen Scheidung den Namen gegeben. Wir haben zu scheiden in kreisunmittelbaro Städte, welche der Staatsaufsicht der Kreisregierungen *) un­ mittelbar unterstellt sind, und in mittelbare G.n, welche dieser Staatsaufsicht nur mittelbar unterstehen, während die unmittel­ bare Staatsaufsicht von den Bezirksämtern geführt wird. Das Gesetz kennt zwar den Ausdruck „mittelbare G.n" nicht, es spricht hier stets von G.n, welche der Staatsaufsicht des Bezirksamts unterstehen. Doch ist die Bezeichnung „mittelbare G." (vgl. S. 226 unten) in der Praxis allgemein üblich und aus Gründen der Kürze weiter zu verwenden. b) Bon der Frage der Kreisunmittelbarkeit ist völlig zu trennen die Frage der Zugehörigkeit einer G. zur wei*) Die Kreisregierungen waren früher die eigentlichen Träger der Verwaltung. Sie waren (vgl. § 16 der FormB. v. 17. Dez. 1825, Döllinger II, 431; Weber II, 279; Binder, Formations­ verordnungen S. 33) „in der Regel befugt, aus eigener Kompetenz und ohne weitere Anfrage selbständig zu handeln und zu ver­ fügen".

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I. Gemeindeordnung.

Leren Gebiets körper sch ast, dem Bezirke (die Be­ zirkszugehörigkeit). Eine G. kann nunmehr auch im rechts­ rheinischen Bayern, wie dies der bisherigen pfälzischen Regelung und dem Art. 17 SVG. entspricht, die Sonderstellung der Kreis­ unmittelbarkeit erhalten, gleichwohl aber im Bezirksverbaild ver­ bleiben. Durch Art. 43 UI S. 1 BezO. ist die Zugehörigkeit der kreisunmittelbaren Städte der Pfalz zu den Bezirken grundsätzlich (wenn auch mit der Möglichkeit der Ausscheidung) aufrechterhalten. Wird einer G. des rechtsrheinischen Bayerns nach Art. 541 GO. die Kreisunmittelbarkeit verliehen, so hat das StMdJ.- zu bestiyrmxn, ob und unter welchen Bedingungen die G. gleichzeitig aus dem Bezirk auszuscheiden hat (Art. 391 BezO.). Es kann also sehr wohl die Kreisunmittelbarkeit verliehen, die Zugehörigkeit zum Bezirk jedoch aufrechterhalten werden. Nur wenn kreisunmittel­ bare G.n nach Art. 541 S. 3 (— dazu ist ihre Zustimmung not­ wendig —) dem Verwaltungsbezirk eines Bezirksamts zugeteilt werden, treten sie damit ohne weiteres in den Bezirksverband, denn der Bezirk umfaßt den Bezirksamtssprengel, also außer den abgesonderten Markungen (Art. 4) das Gebiet aller G.n, welche der Staatsaufsicht des Bezirksamts unterstehen. Dagegen kann anderseits sehr wohl eine G. die Eigenschaft der Kreisunmittelbar­ keit behalten und gleichwohl mit ihrer Zustimmung in den Bezirk ausgenommen werden (Art. 3911 BezO.). 2. Bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. Entscheidend für die Eigenschaft der Kreisunmittelbarkeit ist also der Stand nach dem 1. April 1928. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Bayern 59 kreisunmittelbare Städte. Auch der pfälzischen Stadt St. Ingbert ist durch Notverordnung v. 7. Dez. 1918 (GBBl. S. 1252) und MB. v. 18. Dez. 1919 (GBBl. S. 838- vgl. dazu Roesch, Selbstverwaltungsgesetz 2. Aufl. S. 164) die Kreisunmittelbar­ keit verliehen worden. Da die Verleihung jedoch nach dem 11. Nov. 1918 liegt, dem Tage, an dem die Verwaltung des Saargebiets vorübergehend auf den Völkerbund übergegangen ist (s. hier S. 132), wird diese Verleihung erst mit der Beendigung dieser Verwaltung für Bayern wirken. Die Eigenschaft der Kreisunmittelbarkeit ist im rechtsrheinischen Bayern auf die geschichtliche Entwicklung (s. Kahr II, 7 ff.) insbesondere vielfach auf die frühere Reichsunmittel­ barkeit, dann auf die dem heutigen Art. 541 S. 1 entsprechende Festlegung in Art. 155 d. rrh. GO. v. 1869, endlich auf Ver­ leihungen nach Art. 17 SVG. und § 3 des Staatsvertrags v. 14. Febr. 1920 zwischen Bayern und Coburg*) (GBBl. 1920,336)

*) In Ziff. III Abs. I des Schlußprotokolls zum Staatsvertrag über die Bereinigung Coburgs mit Bayern (GBBl. 1920, 341) ist Vorbehalten, der Stadt Rodach die Kreisunmittelbarkeit zu ent­ ziehen, falls sie nicht binnen 15 Jahren nach dem Tage der Ber-

Art. 54. Verleihung der Kr eisunmittelb ar kett.

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zurückzuführen. In der Pfalz beruht sie (vgl. Roesch, Selbstver­ waltungsgesetz 2. Ausl. S. 166) für Landau auf dem pfälzischen Städteverfassungsgesetz v. 15. Aug. 1908 (Kreisunmittelbarkeit seit 1. Jan. 1910), für die übrigen kreisunmittelbaren Städte auf der zum Vollzug des Art. 17 SBG. ergangenen MB. v. 18. Dez. 1919, GBBl. S. 838 (Kreisunmittelbarkeit seit 1. März 1920). Kreis­ unmittelbar sind in Oberbayern: Freising, Ingolstadt, Landsberg, München, Rosenheim, Traunstein; in Mederbayern: Deggendorf, Landshut, Passau, Straubing; in der Pfalz: Frankenthal, Kaisers­ lautern, Landau i. d. Pf., Ludwigshafen a. Rh., Neustadt a. d. Haardt, Pirmasens, Speyer, Zweibrücken (wozu noch das erwähnte St. Ingbert treten wird); in der Oberpfalz: Amberg, Neumarkt i. d. Opf., Regensburg, Schwandorf, Weiden; in Oberfranken: Bamberg, Bayreuth, Coburg, Forchheim, Hof i. Bay., Kulmbach, Marktredwitz, Neustadt b. Coburg, Rodach, Selb; in Mittelfranken: Ansbach, Dinkelsbühl, Eichstätt, Erlangen, Fürth, Nürnberg, Ro­ thenburg ob der Tauber, Schwabach, Weißenburg i. B.; in Unterfranken: Aschaffenburg, Bad Kissingen, Kitzingen, Schweinfurt, Würzburg; in Schwaben: Augsburg, Dillingen, Donauwörth, Günzburg, Kaufbeuren, Kempten, Lindau (Bodensee), Meinmingen, Neuburg a.d.D., Neuulm, Nördlingen. 3. Unmittelbar untergeordnet sind. Es handelt sich um Städte, über welche die Kreisregierungen (die Regierungen K. b. I.) unmittelbar die Staatsaufsicht führen und die im übertragenen Wirkungskreis den Kreisregierungen unmittelbar untergeordnet sind. 4. Verleihung der Kreisunmittelbarkeit. S. hierzu die borst. Anm. 1. Die G. hat keinen Rechtsanspruch auf Verleihung der Kreisunmittelbarkeit, sie kann aber auch nicht kreisunmittelbar werden, wenn ihr G.rat nicht einen dahingehen­ den Antrag stellt. Die Verleihung wird wirksam entweder, wie dies bisher geschehen ist, mit dem in der ME. bezeichneten Zeit­ punkt oder mit der Eröffnung der E. an den G.rat. Das StMdJ. ist in der Frage der Verleihung durch die Rücksicht auf die Zahl der Einwohner, wenn auch unerheblich, eingeschränkt (s. nachf. Anm. 5). Ob das StMdJ. dagegen die Verleihung vom Ausscheiden aus dem Bezirksverband abhängig machen will oder nur gewähren will, wenn die G. im Bezirksverband verbleibt, ist völlig seinem Ermessen anheimgegeben. Hierbei ist jedoch folgendes wichtig: Die

einigung (1. Juli 1920) die in Bayern geltenden Voraussetzungen für die Verleihung der Kreisunmittelbarkeit (nunmehr Art. 541 S. 2) erfüllt. Eine ausschließende feste Grenzzahl wie in Art. 171 SVÄ. und Art. 521 des RegE. enthält jedoch Art. 541 S. 2 nach seiner Fassung durch die Vollversammlung des Landtags (s. nachf. Anm. 5) nicht mehr.

620

I. Gemeindeordnung.

Verleihung der Kreisunmittelbarkeit ist die Verleihung eines Status, aus dem sich allerdings bestimmte Rechte und Pflichten ergeben. Die Verleihung eines Status kann von einer Be­ dingung oder Auflage nicht abhängig gemacht wer­ den. Dagegen kann das StMdJ. erklären, daß die Verleihung der Unmittelbarkeit nur erfolgt, wenn sich zuvor die G. zu bestimmten Handlungen, Leistungen oder Unterlassungen verpflichtet hat. Durch diesen Beschluß übernimmt die G. eine Verpflichtung im Sinne des Art. 601, die staatsaufsichtlich erzwungen, auch nur mit Einwilligung dessen, zu dessen Gunsten die Verpflichtung.er­ folgt ist oder wenn die Verpflichtung gegenüber der Staatsregie­ rung erfolgt ist, mit deren Einwilligung geändert werden kann*). Dagegen stellt die Zugehörigkeit zum Bezirk ein Gemeinschastsverhältnis dar. Dessen Lösung kann von einer Be­ dingung abhängig gemacht werden oder mit einer Auflage be­ schwert werden. Wird die Bedingung nicht erfüllt, so tritt die Rechtsänderung nicht ein. Für die Erzwingung von Auflagen und deren nachträgliche Aufhebung gilt, was für die Berpflichtllng vor der Verleihung der Kreisunmittelbarkeit ausgeführt ist. Die Kreisunmittelbarkeit kann nur mit Willen des G.rats gemäß Art. 541 S. 3 (s. nachf, Anm. 6) verloren werden. Die Einwohnerzahl, auch wenn sie erheblich unter die Grenzzahl der Richtlinie des Art. 54 I S. 2 sinkt, ist unerheblich. ö. Wenigstens 10000 Einwohner.

Während der RegE. (auch unter Hinweis auf die Regelung in anderen deutschen Staaten, s. Begr. S. 78) für die Kreis­ unmittelbarkeit zwingend forderte, daß die G. mindestens 10000 Einwohner habe, hat die Vollversammlung des Landtags (s. Sten.Ber. S. 269) entgegen den Beschlüssen des BerfA. dem Gesetz eine Fassung gegeben, die dem StMdJ. nur mehr eine Richtlinie stellt. Die Kreisunmittelbarkeit soll in der Regel nur verliehen werden, wenn die G. wenigstens 10000 Einwohner zählt. Ob eine Aus­ nahme gewährt werden soll, steht im freien Ermessen des StMdJ. Für die Einwohnerzahl ist maßgebend die Wohnbevölkerung, wie sie vom Etat. Landesamt bei der letzten allgemeinen Volkszählung ermittelt ist (s. hier Anm. 5 zu Art. 13 S. 196, 197 und 1144 der Wahlordnung, GBBl. 1928, 150). 6. Zuteilung zum Verwaltungsbezirk eines Bezirksamts.

Durch eine solche Zuteilung, die nur mit der Zustimmung des G.rats erfolgen kann, erlischt die Kreisunmittelbarkeit. Die Stadt wird vom Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zuteilung ab auch dem Bezirke eingegliedert (s. vorst. Anm. 1 b).

*) Vgl. dazu Walz im Archiv des öffentlichen Rechts (1928) Band 53, 223 (neue Folge Band 14, 223).

7. Zuständigkeit des Bezirksamts.

Der kreisunmittelbaren G. sind für die G.markung durch das Ge­ setz die gleichen Befugnisse übertragen, wie sie der unteren Stufe der staatlichen Verwaltungsbehörden, dem Bezirksamt, für den Bezirks-amtssprengel zustehen. Die kreisunmittelbare G. wird also wie das Bezirksamt als untere Stufe des staatlichen Verwaltungsbehördebaus tätig. Das Gesetz hebt ausdrücklich die beiden Sachgebiete Bezirks­ verwaltung (nachf. Anm. 8) und Bezirkspolizei (nachf. Anm.9) hervor. Die verfassungsmäßigen Organe der kreisunmittelbaren G.n (je nach ihrer Zuständigkeit die G.räte und der 1. B.) sind also Bezirksver­ waltungs- und Bezirkspolizeibehörden. „In dieser Tätigkeit besorgen die G.n staatliche Aufgaben wie die Bezirksämter" (Begr. S. 77). Sie unterstehen also in dieser Tätigkeit in vollem Umfang der Sach aufsicht der übergeordneten staatlichen Stellen, über die Folgerungen daraus s. Anm. 5 zu Art. 50. Da die untergeordnete Behörde niemals ein Beschwerderecht gegen Sachweisungen der übergeordneten Behörde hat, gibt es keine eigentliche Beschwerde der G. gegen Sachweisungen der Sachaufsichtsbehürden. Über die „Gegenvorstellung" s. Anm. 5ä zu Art. 50. Da es sich um An­ gelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises handelt, gibt es keine sachliche Zuständigkeit des BGH. nach Art. 60. Der BGH. kann im Falle seiner Anrufung nach Art. 60 nur feststellen, daß es sich um Auswirkungen der Sachaufsicht im übertragenen Wirkungs­ kreis handelt und daß er deshalb zur sachlichen Prüfung unzustän­ dig ist. 8. Bezirksverwaltung.

a) Sie ist die dem Bezirksamt als unterer Stufe der staat­ lichen Verwaltungsbehörden zukommende innere Verwaltung fAnm. 12 zu Art. 50), soweit sie nicht Polizei ist. Damit ist (f. Anm. 11 zu Art. 50) ein für allemal der Aufgabenkreis der kreisunmittelbaren Städte auf diesem Gebiete durch den Auf­ gabenkreis der Bezirksämter bestimmt. Es bedarf, wenn den Bezirksämtern z. B. auf dem Gebiete des Vollzugs der RBO. (Bersicherungsämter) oder der Jugendwohlfahrt (Jugendämter) eine neue Aufgabe zugewiesen wird, nicht etwa einer besonderen Zuweisung an die kreisunmittelbaren Städte. Damit ist aber auch entschieden, daß die kreisunmittelbaren G.n die Kosten zu tragen haben, welche durch die Dienstaufgaben der Bezirksämter jeweils entstehen. Diese Aufgaben sind ihnen jeweils durch das Gesetz (Art. 54II S. 1) und „auf Grund des Gesetzes" zugewiesen (siehe Anm. 11 b zu Art. 50 und VGH. 43, 14 und 15). b) Welches Organ der G. zur Ausübung der Be­ zirksverwaltung zuständig ist, das bestimmen die Art.16, 17, 22 und die etwa sonst gegebenen Zuständigkeitsvorschriften. Auch der 1. B. ist im Rahmen seiner selbständigen Befugnisse

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I. Gemeindeordnung.

(s. S. 226) wie kraft besonderer Ermächtigung (s. S. 246) zu Handlungen der Bezirksverwaltung zuständig. c) Als Bezirksverwaltungsbehörde ist der Stadtrat der kreis­ unmittelbaren Stadt auch Berw a l tun gs gericht erster Rechts stufe, s. Anm. 3 zu Art. 21 S. 278 ff. Die Stadträte können diese Ausgabe nach ihrem Ermessen in der Vollversamm­ lung erfüllen. Die Aufgabe kann jedoch und wird regelmäßig in beschließenden Ausschüssen (Senaten) erfüllt werden. Das Nähere s. in Anm. 4 und 9 zu Art. 22 S. 289 und 294.

9. Bezirkspolizei. Wie in Anm. 8 zu Art. 51 erörtert, scheidet das Gesetz die Polizei in die untere Polizei (Ortspolizei) und in die höhere Polizei (Bezirkspolizei). Die Zuständigkeit einer Angelegenheit zur Bezirkspolizei schließt die Zuständigkeit der Ortspolizei aus. Ob die höhere Polizei oder die untere Pol^ei zu Einzeltätigkeiten zuständig ist, ist in vielen Gesetzen und deren Ausführungsvorschriften näher bestiinmt.*) Fehlt eine ausdrück­ liche Regelung oder bestehen Zweifel, so entscheidet die Zuweisung des Sachgebiets. Ist das Sachgebiet (z. B. auf dem Ge­ biete der Sicherheitspolizei die Polizei bei größeren Unruhen, die Presse-, Versammlungs-, Vereins-, Theater-, Lichtspielpolizei) nach der grundsätzlichen Regelung Gegenstand der Bezirkspoli­ zei, so sind auch die einzelnen Maßnahmen, wenn sie nicht ausdrücklich durch die Zuständigkeitsvorschriften der Orts­ polizei zugewiesen sind, Aufgabe der höheren Polizei (der Bezirkspolizei). Ist eine Zuweisung des Sachgebiets jedoch nicht erfolgt, so ist jede für den Bezirk der G. auszuübende Polizei grundsätzlich Aufgabe der Ortspolizei? Ist eine Auf­ gabe als Angelegenheit der Bezirkspolizei den Bezirksämtern zugewiesen, so wird sie ohne weiteres (vergl. Vorst. Anm. 8) auch Ausgabe der kreisunmittelbaren Städte und diese treffen die Kosten.

*) Dies gilt insbesondere für die Gewerbepolizei, Bau- und Feuerpolizei; nunmehr auch z. B. für den Verkehr mit Schuß­ waffen und Munition. So ist „höhere Verwaltungsbehörde" und „Polizeibehörde" im Sinne des RG. über Schußwaffen und Mu­ nition v. 12. April 1928, RGBl. I, 143 und der AusfB. v. 13. Juli 1928, RGBl.I, 198 gemäß Ziff. I der BollzB. v. 31. August 1928, MABl. S. 77, grundsätzlich die Bezirkspolizeibehörde, nur für die Wstempelung und Bestätigung der Waffen- und Waffenhandelsbücher nach § 101 S. 2 und 5 der erwähnten AusfB. ist die Ortspolizeibehörde zuständig, über das Genehmigungsverfahren zur Erteilung der Herstellung von Schußwaffen und Munition im besonderen s. Reich in Polizei 1928, 138; Münsterer, Bürger­ meister 1928, 229ff.; Weigand, BGBZ. 1928, 842ff.

10. Soweit die Gesetze nicht anders bestimmen.

Die Vermutung spricht also für die Zuständigkeit der kreis­ unmittelbaren G. Andere Bestimmungen des Gesetzes sind ins­ besondere in Art. 55, dann aber auch in Art. 51 HI S. 3 (Ein­ zelmaßnahmen der übergeordneten Staatsbehörden), in Art. 52 (vorübergehender Übergang) gegeben. 11. gelten entsprechend.

Damit wird zunächst klargostellt, daß die übergeordneten staatlichen Behörden (die Sachaufsichtsbehörden) zur Sach Wei­ sung an die G. befugt sind (Art. 511 S. 2, s. Anm. 13 zu Art. 51). Dio weitere Verweisung auf Art. 51 UI Satz 3 bis 5 ist, wie dies bereits für Art. 39 Schlußsatz (s. Anm. 8 zu Art. 39, S. 435) gesagt ist, gesetzestechnisch falsch. Die Halbsätze in Satz 3 sind als zwei getrennte Sätze behandelt. Es muß nach allgemei­ ner Übung heißen „Satz 3 und 4". Die Verweisung sagt, daß un­ mittelbare Einzelmaßnahmen der übergeordneten Staatsbehörden, wie auf dem Gebiete der Ortspolizei, so auch auf dem Gebiete der Bezirkspolizei zulässig sind. Bei Gefahr im Verzug (Anm. 21 zu Art. 51) sind die zuständigen Staatsbehörden (Anm. 22 zu Art. 51) berechtigt, die auf dem Gebiete der Bezirkspolizei er­ forderlichen Maßnahmen selbst zu treffen (Anm. 23 zu Art. 51) und Anordnungen an die Polizeibeamten der kreisunmitelbaren Städte (Anm. 24 zu Art. 51) zu richten. Diese sind verpflichtet, den Anordnungen Folge zu leisten (Anm. 25 zu Art. 51). Die Staatsbehörde hat den 1. B. von diesen Maßnahmen und Anord­ nungen unverzüglich zu verständigen (Anm. 26 zu Art. 51). 12. Orts- und bezirkspolizeiliche Vorschriften.

S. hierzu die Anm. 14 und 15 zu Art. 51. Nach dem Auf­ bau des PStGB. ist zwischen ortspolizeilichen Vorschriften und distriktspolizeilichen (jetzt bezirkspolizeilichen Vorschriften) zu un­ terscheiden. In bestimmten Fällen können nach Art 1 und 2 PStGB. ortspolizeiliche oder bezirkspolizeiliche Vorschriften er­ gehen. Tritt der Stadtrat als Bezirkspolizeibehörde an die Stelle des Bezirksamts, so hätte er danach nicht ortspolizeiliche, sondern bezirkspolizeiliche Vorschriften zu erlassen. Die Sprach­ weise des PStGB. nennt jedoch die bezirkspolizeilichen Vorschrif­ ten, die in solchen Fällen ergehen, wohl weil sie nur für einen G.bezirk erlassen werden, nicht bezirkspolizeiliche Vorschriften, sondern ortspolizeiliche Vorschriften und danach bestimmt Art. 4 (auch in seiner durch Art. 2 des G. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 281 und Art. 155 der neuen GO. geänderten Fassung), daß die Stadträte berechtigt sind, „ortspolizeiliche" Vorschriften zu er­ lassen, wenn die Bezirksämter nach Art. 41 zu bezirkspolizeilichen Vorschriften befugt sind. Der Unterschied in der Bezeichnung hat hier keinerlei sachliche Bedeutung. Einerlei ob für die kreis­ unmittelbaren Städte polizeiliche Vorschriften auf Grund der

624

I. Gemeindeordnung.

Zuständigkeitsbestimmung erlassen werden, die ortspolizei­ liche Vorschriften vorsehen, oder ob es sich um bezirkspoli­ zeiliche Vorschriften handelt, die von einem verfassungsmäßigen Organ der G. nur erlassen werden, weil die kreisunmittelbare Stadt die Zuständigkeit des Bezirksamts hat, ist für die Erlassung nur der G.rat (auch nicht in Notfällen der 1.93.) oder ein beschließender Ausschuß (Senat) zuständig. Die Abweichung gegenüber den mittelbaren G.n liegt darin, daß hier nicht nur die Vollversammlung des G.rats, sondern wenn die Erledigung nach Art. 2211 S. 1 einem beschließenden Aus­ schuß zugewiesen ist, auch dieser die Vorschrift erlassen karm. Auch hier gelten Art. 22III S. 2 und 3 (Nachprüfung der Beschlüsse des Ausschusses durch den Stadtrat (s. hierüber die Anm. 4c und 8 zu Art. 22 S. 290, 293). Ändert die Vollversammlung des Stadtrats den Beschluß seines Ausschusses sachlich ab, nachdem die von diesem erlassenen polizeilichen Vorschriften für vollziehbar erklärt und öffentlich bekannt gemacht sind, so wirken die vom Ausschuß erlassenen Vorschriften so lange, bis die von der Voll­ versammlung beschlossenen Vorschriften in ihrer abgeänderten Fassung vollziehbar erklärt und öffentlich bekannt gemacht sind. Hebt die Vollversammlung dagegen polizeiliche Vorschriften des Senats schlechthin auf, so wirkt dieser Beschluß, da eine Erklä­ rung der Vollziehbarkeit hier nicht in Frage kommt und (vergl. Anm. 15 a am Ende zu Art. 51) eine G. nicht gehindert ist, er­ lassene polizeiliche Vorschriften zurückzunehmen, vom Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung an. Eine dem Art. 5 entspre­ chende Vorschrift, die es der übergeordneten Kreisregierung er­ lauben würde, an Stelle der kreisunmittelbaren Stadt orts- oder bezirkspolizeiliche Vorschriften zu erlassen, ist nicht ge­ geben. Dagegen sind nach Art. 4II PStGB. (in der Fassung des Art. 2 d. G. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 282 und Art. 155 der neuen GO.), abgesehen von den Polizeidirektionen auch die nach Art. 55 GO. errichteten sonstigen staatlichen Polizeibehörden und die nach Art. 52 GO. mit der vorübergehenden Ausübung der Polizeigewalt betrauten staatlichen Beamten befugt, im Rahmen der durch Art. 55 und 52 gegebenen Zuständigkeit „ortspolizei­ liche" Vorschriften (richtiger gesagt: bezirkspol. und ortspol. Vor­ schriften) — für den Bezirk der kreisunmittelbaren Stadt zu er­ lassen. 13. Die übrigen orts- und bezirkspolizeilichen Geschäfte.

S. Anm. 16 zu Art. 51. 14. Der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuß.

Hier liegt also ein wesentlicher Unterschied in her, Zuständig­ keit gegenüber den mittelbaren G.n vor. Während dort der 1. B. schlechthin, einerlei ob es sich um Sicherheitspolizei oder um Berwaltungspolizei handelt, Ortspolizeibehörde ist, ist dies in den

625

Art. 54. Sicherheitspolizei.

kreisunmittelbaren Städten hinsichtlich der Verwal­ tungspolizei (sowohl für die Ortspolizei, wie für die B^irkspolizei) der Stadtrat oder ein beschließender Aus­ schuß*). Doch ist nach Art. 54IV S. 2 auch hier der 1. B. berech­ tigt und verpflichtet, in allen dringenden Fällen zu handeln (nachf. Anm. 18). Die Sicherheitspolizei dagegen steht sowohl als Orts- wie als Bezirkspolizei, soweit sie nach Art. 55 nicht auf staat­ liche Behörden übergegangen ist, auch in den kreisunmittel­ baren Städten allein dem 1. Bürge t meist er zu.

IS. Handhabung der Sicherheitspolizei. S. Anm. 5 b und insb. 17 zu Art. 51. Es handelt sich hier um die Handhabung der Sicherheitspolizei (Anm. 11 zu Art.51), einerlei ob sie Ortspolizei oder Bezirkspolizei ist. Ob der 1. B. zu Handlungen befugt ist, die zum sachlichen und persönlichen Bedarf der Orts- und Bezirkspolizei gehören, bemißt sich (vgl. Anm. 16 am Ende zu Art. 51) nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 171 S. 4 und 5.

16. Zuständig und verantwortlich. S. Anm. 17 zu Art. 51. Die Sachweisung der übergeordneten Polizeibehörden hat sich also wie bei den mittelbaren G.n all­ gemein an den 1. B. zu richten und dieser hat die Sachweisungen als untergeordnete Behörde zu vollziehen. Tut er es nicht, so kann die Staatsaufsicht gegen die Gemeinde einsetzen, da der 1. B. hier verfassungsmäßiges Organ der G. ist (vgl. BGH. 44,42). Gegen den 1. Bürgermeister kann jedoch (auch int Hinblick auf Art. 27II) auch ohne weiteres dienstaufsichtlich und dien st strafrechtlich vorgegangen werden. 17. Berechtigt und verpflichtet. Die Ausübung der Befugnis in der Verwaltungspolizei, z. B. in der Baupolizei, Feuerpolizei ist also in dringenden Fällen nicht nur ein Recht, sondern auch eine besondere Pflicht des 1. B. 18. Dringende Fälle. Sie liegen vor, wenn die Zeit nicht gegeben ist, den Stadtrat oder den beschließenden Ausschuß (Polizeisenat) mit der Angelegen­ heit zu befassen. Der 1. B. wird hier aus eigenem Rechte tätig, er übt hier die Polizeigewalt für die G. (den G.rat oder be­ schließenden Ausschuß) kraft des Gesetzes aus. Ob ein dringender Fall vorliegt, hat der 1. B. nach pflichtmäßigem Ermessen zu prüfen. Ob er befugt war, kann unter Umständen auch von den Gerichten, Berwaltungsgerichten und Disziplinargerichten gewür­ digt und sachlich entschieden werden. Auch hier erstreckt sich die Be*) Dies entspricht (vgl. Begr. S. 78) der bisherigen Regelung im rechtsrheinischen Bayern. Laforet-v.Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

44)

626

I. Gemeindeordnung.

fugnis des 1. B. nur auf die orts- und bezirkspolizeilichen Ge­ schäfte nach Abs. IV S. 1, nicht auf die Gesetzgebungsgewalt mach Abs. m.

19. Stellvertretung des 1. Bürgermeisters. Für die Stellvertretung des 1. B. gilt also Art. 18 mit der Einschränkung, daß Aufgaben der Sicherheitspolizei nur mit Ge­ nehmigung der Staatsaufsichtsbehörde (also der Reg., K. d. I.) übertragen werden sönnen; s. dazu die tont. 19 und 20 zu tot 51.

20. Kosten der Bezirkspolizei. Auch Abs. V hat eine selbständige Bedeututtg. Diese Pflicht ist von der Pflicht der Handhabung der Bezirkspolizei völlig getreNnt und in besonderem Absatz hervorgehoben. Auch die Aufbrin­ gung des persönlichen und sachlichen Bedarfs der Bezirkspolizei ist im Gegensatz zur Handhabung der Bezirikspolizei eine eigene (Selbstverwaltungs-)Angelegenheit der G. Im einzelnen s. die tont. 28 zu Art. 51.

21. Einrichtungen zu treffen. Die Bezeichnung erfaßt sowohl den sachlichen wie den persön­ lichen Aufwand, s. hierzu die tont. 29 und 30 zu Art. 51. 22. Zuschüsse. a) Durch die Fassung des Gesetzes ist klargestellt, daß die in Frage kommettden G.n einen Rechtsanspruch auf Zuschüsse haben. Es handelt sich dem Grunde nach nicht um eine freiwillige Zu­ wendung des Staats, sondern um eine dem Grunde nach im Gesetz gegebene Verpflichtung, also um eine gesetzliche Verpflichtung nach § 79 m VU. Nach ihrer Höhe ist allerdings die Verpflichtung weder nach oben noch nach unten begrenzt, „um der Bewilligung des Landtags bei der Beratung des Staatshaushalts nicht vorzu­ greifen" (Begr. S. 78). Ist jedoch der Betrag vom Landtag haushaltsmäßtg bewilligt, so kann er, da es sich nicht um freiwillige Zuschüsse oder um Verwaltungsmaßnahmen, sondern um eine Er­ füllung einer gesetzlichen Verpflichtung handelt, ohne Abänderung des Haushalts, also durch die Staatsregierung allein nicht mehr gekürzt werden. Die Verteilung der Zuschüsse kommt allein dem StMdJ. zu (§ 74 der FormB. v. 9. Dez. 1825, Döllinger II, 351; Weber II, 261). Die Art der Verteilung steht in freiem Ermessen dieses StM. b) Für G.n, in denen die Polizei nach Art. 55 durch staat­ liche Polizeibehörden ausgeübt wird, gilt Abs. V nicht. (Art. 2II des durch Art. 55IV S. 2 aufrechterhaltenen G. über Leistungen der G.n für die staatliche Polizeiverwaltung v. 22. Nov. 1923, GBBl. S. 377, in seiner durch Art. 154 Ziff.2 geänderten Fassung.)

Art. 55? 'Die Staatsregierung ist befugt? die Sicherheitspolizei' in den kreisunmittelbaren Städten^ ganz oder teilweise' staatlichen Behörden zu übertragen' und deren Zuständig­ keit durch Verordnung^ festzusetzen. Sie kann diese Behörden auch mit der Besorgung sonstiger Polizei- und Bezirksverwaltungsgeschäfte? die zur Handhabung der Sicherheits­ polizei unbedingt erforderlich sind? betrauen. Für benach­ barte kreisunmittelbare Städte10 kann eine gemeinschaftliche staatliche Polizeibehörde bestellt werden. "Die Zuständigkeit der staatlichen Polizeibehörden in kreisunmittelbaren Städten kann auf benachbarte Gemein­ den," die der Staatsaufsicht des Bezirksamts unterstehen, ganz oder teilweise erstreckt werden, wenn dies aus Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit erforderlich ist?' ""'Die staatlichen Polizeibehörden und die Gemeinde­ behörden haben sich in ihrer Tätigkeit gegenseitig zu unter­ stützen." Im Falle einer Gefährdung oder Störung" der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit haben die Ge­ meindebehörden zu deren Erhaltung oder Wiederherstellung nach den Weisungen der staatlichen Polizeibehörde" mit­ zuwirken?' Zu diesem Zwecke ist der Leiter der staatlichen Polizeibehörde oder sein Beauftragter" berechtigt, bei Ge­ fahr im Verzug" Anordnungen an die Polizeibeamten der Gemeinde" zu richten; diese sind verpflichtet, den Anord­ nungen Folge zu leisten." Die staatliche Polizeibehörde hat den ersten Bürgermeister von diesen Anordnungen unver­ züglich zu verständigen." ,v®ie Kosten der staatlichen Polizeibehörden und ihrer Verwaltung treffen den Staat." Das Gesetz über Leistungen der Gemeinden für die staatliche Polizeiverwaltung" vom 22. November 1923 (GVBl. Seite 377) bleibt unberührt. v$)te der Polizeidirektion München" und der Lokal­ baukommission München" bisher zugewiesenen besonderen Zuständigkeiten bleiben unberührt, soweit sie nicht durch Verordnung geändert werden." «efr.Nrt.L4; «ege. Art. 54; BeifA. 1,461; H, 56 f. 122 f. StcnBer. 178 ff., 269.

40*

628

I. Gemeindeordnung.

1. überttagung der Sicherheitspolizei in kreisunmittelbaren Städten.

Dio Vorschrift übernimmt im wesentlichen den Art. 98 rrh. GO. in seiner Fassung durch das G. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 281. Die Bestimmung gilt nunmehr auch für die Pfalz. Die Vorschrift gilt nur für die kreisunmittelbaren Städte und (nach Maßgabe des Abs. II) für die diesen Städten benach­ barten G.n. Wie in Anm. 1 zu Art. 52 erörtert, kann nach dieser Vorschrift eine vorübergehende, wenn auch über Einzelfälle (Art. 51 HI S. 3) hinausgehende Regelung sowohl für das Gebiet der Verwaltungspolizei wie der Sicherheitspolizei getroffen wer­ den; der Art. 55 dagegen sieht für die Sicherheitspolizei in kreis­ unmittelbaren Städten und in benachbarten mittelbaren G.n eine dauernde Übertragung der ganzen Sicherheitspolizei oder ihrer Teile auch mit der dauernden Schaffung besonderer Behörden vor. 2.

Befugnis der Staatsregierung.

Zuständig tzst also das Gesamt Ministerium (§§ 621, 57 BU.), das nach §641 S. 1 VU. über die Sicherheit des Staates zu wachen hat. Zu Anordnungen nach Art. 52 dagegen ist das StMdJ. zuständig. Ob die Staatsregierung von ihrer Befugnis Gebrauch macht, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Im Einzelfalle entscheidet (§ 63 VU.) die Stimmenmehrheit der im Ministerrat anwesenden Minister. 3.

Die Sicherheitspolizei.

S. Anm. 5 b zu Art. 51. Erfaßt wird die Sicherheitspolizei in ihrem ganzen Umfange, sowohl als untere Polizei (Ortspolizei) wie als höhere Polizei (Bezirkspolizei). Nach Satz 2 (s. nachf. Anm. 8) kann die Übertragung sich jedoch auch auf Teile der VerwaltungsPolizei und der Bezirksverwaltung erstrecken. 4.

In den kreisunmittelbaren Städten.

Über den Begriff s. Anm. 1 zu Art. 54. Die Übertragung kann sich nach Ws. n (s. nachf. Anm. 11) auch auf G.n der un­ mittelbaren Umgebung der kreisunmittelbaren Städte erstrecken. 5.

Ganz oder teilweise.

Der Umfang der Übertragung steht ausschließlich im Ermessen des Gesamtministeriums (vorst. Anm. 2). 6.

Übertragung an staatliche Behörden.

a) Die Befugnis kann vorhandenen staatlichen Be­ hörden zu bereit sonstigen Aufgaben übertragen werden. Hierzu braucht die Staatsregierung keinerlei Zustimmung des Landtags, denn mit der Übertragung einer neuen Befugnis an das Bezirksamt oder an die Kreisregierungen tritt keine Veräüde-

Art. 55. Übertragung an staatliche Behörden.

629

rung im Sinne des § 46 VU.*) ein. Die Übertragung kann jedoch auch an neu zu schaffende Stellen geschehen. Dann liegt dio Einrichtung einer neuen Behörde nach § 46 BU. vor und die Verordnung im Sinne des § 46 BU. (die Organisationsverord­ nung) ist dem Landtag zur Genehmigung vorzulegen (8 46 S. 1) oder in dringenden Fällen unter Vorbehalt der nach­ träglichen Genehmigung des Landtags zu erlassen (§ 46 S. 2). Dazu tritt, soweit es sich um die Geldausgabe für die Besoldungen der Beamten insbesondere um die Schaffung neuer Stellen im Ausweis der Besoldungen der Beamten handelt, das Recht des Landtags, über den vom Gesamtministerium alljährlich vorzulegen­ den Haushaltsplan zu beschließen (§ 48 BU.). b) Aufgaben der Sicherheitspolizei an staatliche Behörden, die diese Aufgaben neben anderen Aufgaben erfüllen, sind über­ tragen worden für das rrh. Bayern durch" die MB. v. 29. Juni 1869, RegBl. S. 1099; Weber VIII, 216, auf die in Ziff. 5 d. BollzBorschr. v. 4. April 1928, GBBl. S. 491, verwiesen wird. Danach haben in den rrh. kreisunmittelbaren Städten besondere „Staatsbeamte" (wenn auch neben ihren sonstigen Dienstaufgaben) dis den Bezirkspolizeibehörden „vorbehaltenen Befugnisse in b^ug auf die Presse, sowie die sicherheitspolizeilichen Zuständigkeiten in Fällen bedrohter oder gestörter öffentlicher Ruhe" auszuüben. Es handelt sich hier um die höhere Sicherheitspolizei gegenüber Unruhen, bei Aufläufen und sonstigen erheblichen Störungen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die Ausübung dieser Befugnisse erfolgt in den Kreishauptstädten (den kreisunmittelbaren Städten mit Sitz einer Kreisregierung), durch ein vom Regierungs­ präsidenten bestimmtes Mitglied der Kreisregierung (Regierung, K. d. I.), in den anderen Städten durch die Bezirksämter und, wenn mehrere Bezirksämter in der gleichen Stadt ihren Dienstsitz haben, durch das vom StMdJ. bestimmte Bezirksamt. Die Be­ amten führen hierbei nach Ziff. IV der angef. MB. v. 29. Juni 1869, Weber VIII, 216 die Dienstbezeichnung eines „Kommissärs" der betreffenden Stadt (Stadtkommissärs). Diese Übertragung kommt nur in Betracht, wenn die Übertragung der Sicherheits­ polizei auf besondere staatliche Behörden (s. nachf. Anm. 2 c) nicht erfolgt ist. Da die erwähnte MB. v. 29. Juni 1869 nur für die Landesteile rechts des Rheins ergangen ist, erstreckt sie sich nicht ohno weiteres auf die pfälzischen kreisunmittelbaren G.n. Dio Vorschrift kann jedoch durch Anordnung des Gesamt­ ministeriums (s. vorst. Anm. 6 a) ohne weiteres auf diese G.n ausgedehnt werden. c) Art. 55 ist aber auch in anderen kreisunmittelbaren Städten als der Landeshauptstadt München, für welche die bisher der bot*

*) Unter §46 VU. fallen nur wesentliche Veränderungen (ebenso Rothenbücher S. 18). Die Ausführungen des RegBertr. BerfA. II, 123 sind nur zum Teil richtig.

630

I. Gemeindeordnung.

Ligen Polizeidirektionen zugewiesenen besonderen Zuständigkeiten durch Art. 55V ausdrücklich aufrechterhalten sind, die Rechts­ grundlage der Polizeidirektionen. Eine solche besteht zur Zeit nur (und zwar als gemeinschaftliche staatliche Polizei­ behörde nach Art. 551 S. 3) seit 1. Nov. 1923 (B. v. 29. Okt. 1923, GBBl. S. 369) für die Städte Nürnberg und Fürth. Die zum Teil von der Zuständigkeit der Polizeidirektion München ab­ weichenden Befugnisse dieser „Polizeidirektion Mrnberg-Fürth" sind durch die B. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 282, gegeben, auf die in Ziff. 5 der BollzBorschr. v. 4. April 1928, GBBl. S. 191 verwiesen wird. Nach dem Entwurf der B. des Gesamtministeriums, der mit Beil. 195 der Landtagsdrucksachen 1928/29 dem Landtag vorgelegt ist, soll auch in den Städten Augsburg, Würzburg, Re­ gensburg und Hof die Handhabung der Sicherheitspolizei staatlichen Polizeibehörden übertragen werden. Für die Zuständigkeit soll die erwähnte B. über die Errichtung einer Polizeidirektion NürnbergFürth vom 24. August 1923, GBBl. S. 282, maßgebend sein. Selb­ ständige staatliche Behörden sollen jedoch nur für die Städte Augsburg, Würzburg und Regensburg geschaffen werden. In Hof soll die übertragene Handhabung der Sicherheitspolizei vom Be­ zirksamt Hof übernommen werden. d) Die Polizeidirektionen sind den Kreisregierungen untergeordnete Bezirkspolizeibehörden besonderer Art (vgl. Art. 4II PStGB. in d. F. d. Art. 2 d. G. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 281). Sie sind (s. Begr. S. 78) den 1. B. und Stadt­ räten in deren Ausübung der Bezirkspolizei und Bezirksverwal­ tung nicht übergeordnet, sondern gleichgestellt. Um je­ doch in den in Frage kommenden kreisunmittelbaren Städten „die Einheitlichkeit der Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffent­ lichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu getvährleisten" (Begr. S. 78) ist der staatlichen Polizeibehörde im Falle einer Gefähr-^ düng oder Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicher­ heit die Befugnis zur Sachweisung an die G.behörden und dem Leiter der staatlichen Polizeibehörde und seinem Beauftragten bei Gefahr im Verzüge sogar die Befugnis zu unmittelbaren Anord­ nungen an alle Polizeibeamten der G.n gegeben (Art. 55 HI S. 2 und 3, s. nachf. Anm. 19 bis 22). e) Wird die Sicherheitspolizei nach Art. 55 übertragen, so geht auch die Gesetzgebungsgewalt im Umfange der Über­ tragung von den Stadträten auf die staatlichen Behörden (Stadt­ kommissäre, Polizeidirektion München, sonstige Polizeidirektionen) über. Diese find nach Art. 3 1, 4 II PStGB. t. d. F. d. G. v. 24. Aug. 1923, GBBl. S. 281, zu ortspolizeilichen Vorschriften*) *) die, da es sich sowohl um Auswirkungen der Ortspolizei wie der Bezirkspolizei handelt, richtiger ortspolizeiliche und be­ zirkspolizeiliche Vorschriften heißen würden.

Art. 55. Polizeidirektionen.

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für den Stadtbezirk befugt. Gehören mehrere G.n zum Bezirk einer Polizeidirektion (Art. 55II), so können ortspolizeiliche Vor­ schriften (auch in der Ausübung der Bezirkspolizei) auch für den B^irk der einzelnen G.n erlassen werden (Art. 31 S. 2 PStGB.). Vor der Erlassung solcher Vorschriften ist (einerlei, ob es sich um Auswirkungen der Ortspolizei oder der Bezirkspolizei handelt) den beteiligten G.räten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Art. 3III PStGB.). Die Einvernahme ist keine Bedin­ gung der Rechtsgültigkeit der Vorschriften, ihre Einhaltung ist vom Strafrichter nicht nachzuprüfen (vergl. Anm. 7 zu Art. 52). f) Wird die Ausübung der Sicherheitspolizei unter Er­ richtung neuer Behörden (Polizeidirektionen) auf diese übertragen, so gelten gemäß Art. 55IV S. 2 die nachfolgenden Vorschriften des Ges. v. 22. Nov. 1923, GBBl. S. 378, in seiner Fassung durch Art. 154 der neuen GO.: Art. 4. In den Gemeinden, in denen die Ausübung der Polizei gemäß Art. 55 der GO. staatlichen Behörden übertragen wird, gehen bewegliche Sachen und Einrichtungen, die vor der Verstaatlichung ausschließlich oder überwiegend Zwecken der verstaatlichten Polizei gedient haben, vom Zeitpunkt der Ver­ staatlichung an gegen angemessene Entschädigung in das Eigentum des Staates über. Art. 5. 1 Gemeinden, in denen die Ausübung der Polizei gemüß Art. 55 der GO. staatlichen Behörden übertragen wird, haben ihnen gehörige Gebäude, Räume und Grundstücke, die vor der Verstaatlichung ausschließlich oder überwiegend Zwecken der verstaatlichten Polizei gedient haben, vom Zeitpunkt der Verstaatlichung an dem Staate gegen angemessene Entschädi­ gung zum Gebrauche für polizeiliche Zwecke zu überlassen*).

*) Während die beweglichen Gegenstände (Art. 4) „mit der Verstaatlichung", also dem vom Gesamtministerium bestimmten Zeitpunkt der Wirksamkeit der Neuregelung ab, in das Eigentum des Staates übergehen, bleiben die GrundMcke (einerlei ob Ge­ bäude auf ihnen errichtet sind oder nicht), „wenn sie nur zuvor ausschließlich oder überwiegend Zwecken der verstaatlichten Poli-zei gedient haben", zwar im Eigentum der Stadt, sind aber dem Staate für polizeiliche, also nicht etwa auch für andere Zwecke zum Gebrauch zu überlassen. Es handelt sich um eine gesetzliche Pflicht nach Art. 601. Für den Gebrauch, die Unterhaltung, etwaige Änderungen und die Entschädigung gelten die in Art. 5 (s. oben) bestimmten Rechtssätze. Zu ihrer Ergänzung werden die Vorschriften des BGB. über den Nießbrauch an Sachen (881030 ff.) entsprechend anzuwenden sein.

632

I. Gemeindeordnung. " Der Staat hat diese Gebäude, Räume und Grundstücke ordnungsgemäß zu unterhalten. Er trägt die mit ihnen ver­ bundenen Lasten. Er ist befugt, Änderungen an ihnen inso­ weit vorzunehmen, als sie nicht eine erhebliche Wertver­ minderung zur Folge haben. mDie Entschädigung für die Überlassung der Gebäude, Räume und Grundstücke wird im Streitfälle durch den Berwaltungsgerichtshof im schiedsrichterlichen Verfahren*) festgesetzt. Art. 6.

r Soweit Sachen und Einrichtungen der G. neben den Zwecken der auf den Staat übertragenen Polizei vor der Verstaatlichung überwiegend anderen Zwecken gedient haben, sind die G.n verpflichtet, der staatlichen Polizeibehörde ihre Mitbenützung für polizeiliche Zwecke gegen angemessene Ent­ schädigung zu gestatten. H Art. 5 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung**). Für die Beamten der G., die bisher mit Angelegenheiten der nunmehr verstaatlichten Sicherheitspolizei beschäftigt waren, trifft das Gesetz keine Regelung. Sie können nicht gezwun­ gen werden, in den Staatsdienst überzutreten. Auch ist der Staat nicht verpflichtet, sie in seinen Dienst zu übernehmen. Geschieht dies nicht, so kann die G., wenn es sich um widerrufliche Beamte handelt, das Dienstverhältnis nach Art. 88 lösen***). Andernfalls bleiben sie Beamte der G. Der 1. B. (Art. 171 S. 1) wird ihnen nun andere Dienstaufgaben zuweisen. Werden sie in den Staats­ dienst übernommen, so erklärte StM. Dr. Stützel im BerfA. I, 461 es für „selbstverständlich, daß die wohlerworbenen Rechte der be*) Art. 11 VGG. Die schiedsrichterliche Entscheidung erfolgt nach Billigkeit und freier Beurteilung der Sach- und Rechtslage. (Dyroff S. 486 Anm. 9; Klee-Hechtel S. 214 Anm. 1). Die Ent­ scheidung ist, wenn sie von der G. beantragt ist, gebührenpflich­ tig (vgl. Klee-Hechtel S. 217 Anm. öd). **) Festsetzung der Entschädigung im schiedsrichterlichen Ver­ fahren, s. vorst. Anm. *♦*) Wohlerworbene Rechte werden dadurch nicht verletzt. In den ersten drei Dienstjahren kann das Dienstver­ hältnis nach Art. 88II S. 1 jeder Zeit gelöst werden. Nur ist dann eine Kündigungsfrist von drei Monaten einzuhalten. Hat der G.beamte drei Dienstjahre als vollbeschäftigter Beamter der Dienst-G. zurückgelegt, so darf das Dienstverhältnis gelöst werden, weil die Verstaatlichung der Polizei ein wichtiger Grund int Sinne des Art. 88 HI S. 1 ist. Da jedoch in diesem Falle der wichtige Grund nicht in der Person des G.beamten liegt, so ist eine angemessene Wfindung zu gewähren (Art. 88III S. 2). Nur die unwiderruf-

Art. 55. Fragen des Beamtenrechts.

633

treffenden Beamten gewahrt werden". Dieser Erklärung kann nur eine politische, keine rechtliche Bedeutung zukommen**), über die Wahrung der Rechte s. Anm. 2 zu Art. 10 S. 182. 7. Verordnung.

Zur Übertragung und zur Festsetzung der Zuständigkeit ge­ nügt also (vgl. vorst. Anm. 2) eine Entschließung des StMdJ., wie im Falle des Art. 52, nicht. Es ist eine Verordnung des Gesamtministeriums notwendig. Ob die Verordnung dem Landtag zur Genehmigung vorzulegen ist, hängt davon ab, ob eine Organisationsverordnung nach Art. 46 BU. vorliegt, ob also eine Behörde neu eingerichtet oder wesentlich verändert wird. Dies ist nicht der Fall, wenn einer vorhandenen Behörde eine neue Besugrüs (auch eine Befugnis nach Art. 55 GO.) zugewiefen wird, die die Behörde in ihrer Art nicht wesentlich ändert (s. vorst. Anm. 6a; die Ausführungen des Abg. Dr. HögnerBersA.I, 461 sind nur mit dieser Einschränkung zutreffend). 8. Besorgung geschäfte.

sonstiger

Polizei-

und

BezirksverwattungS-

Geschäfte der Berwaltungspolizei wie der Verwaltung kön­ nen in so engem Zusammenhang mit Geschäften der Sicherheits­ polizei stehen, daß die Grundsätze der Einheitlichkeit und der Ge­ schäftsvereinfachung erfordern, die Erledigung der GeschLfte bei einer Stelle zu vereinigen. Dazu kommt, daß der Umkreis der Sicherheitspolizei im Gegensatz zur Verwaltungspolizei (Anm. 5b zu Art. 51), ja die Mgrenzung der Polizei von der Verwaltung (s. Anm. le zu Art. 51, Anm. 8 zu Art. 54) bestritten ist. Es sind Zweifel möglich, wohin ein Gegenstand gehört. Aus Grün­ den der Einheitlichkeit und Geschäftsvereinfachung, weiter um bei Zweifel für die Praxis eine klare Grundlage zu schaffen, ist der Staatsregierung die Befugnis gegeben, auch solche Geschäfte liehen Beamten sind im Bestand ihres Dienstverhältnisses voll ge­ schützt. Hier ist die Lösung des Dienstverhältnisses wider den Willen des G.beamten ausgeschlossen. Geschützt ist jedoch nur das Dienstverhältnis als solches. Es gibt keinen Rechtsanspruch des Be­ amten auf Beschäftigung in einem bestimmten Dienstzweig (BerfA. I, 268 r). *) Eine rechtliche Bindung wäre nur eingetreten, wenn (wie auch von der G.beamtenkammer gewünscht) im Gesetz ausdrück­ lich bestimmt worden wäre, daß die im Dienste der G. erworbe­ nen Rechte auch bei diesem Wechsel des Dienstherrn gewahrt werden müssen. Die Bezugnahme des Mg. Dissinger (BerfA. I, 461) „auf die Verfassung" (wohl Art. 129 Satz 3 RB.) ist rechtlich unzutreffend. Dagegen werden die wohlerworbenen Rechte der G.beamten gegen die Gemeinde durch die Ver­ staatlichung der Polizei nicht berührt und gemindert.

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I. Gemeindeordnung.

der Berwaltungspolizei und der Verwaltung den staatlichen Be­ hörden zu übertragen, „die zur Handhabung der Sü^erheitspolizei unbedingt erforderlich sind", und zwar „ganz gleichgültig, ob das Bezirkspolizeigeschäfte oder Ortspolizeigeschäfte sind, wenn nur die Handhabung dieser Geschäfte zur Handhabung der Polizei unbedingt erforderlich ist" (RegBertr. ORR. Dr. Bohl, BerfA. II, 122). Das ist dann der Fall, wenn ein wirksamer Vollzug der Sicherheitspolizei ohne gleichzeitige Erledigung dieser Geschäfte nicht möglich ist. So dient z. B. das Meldewesen, das nach der hier ver­ tretenen Anschauung überwiegend dem Zwecke der Aufrechterhal­ tung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dient*) und deshalb in Anm. 5 b zu Art. 51 ohne weiteres zur Sicherheits­ polizei gerechnet ist, auch Zwecken der inneren Verwaltung aus an­ deren Gebieten**) und der Finanzverwaltung des Reichs, des Staates und der G. und könnte deshalb als Angelegenheit der son­ stigen Verwaltung angesprochen und seine Einbeziehung in die Po­ lizei abgelehnt werden. Diese Zweifel werden durch die hier in Frage stehende Befugnis (vgl. BerfA. II, 122) für die Praxis gegen­ standslos. Auch für bestimmte Gebiete der Berwaltungspolizei, ins­ besondere der Gesundheits- und Nahrungsmittelpolizei ist die Vor­ schrift wichtig. Hierher gehören weiter (vgl. Bell. Bd. XI der Landtagsdrucksachen 1922/23 S. 680) aus Gründen der Einheit­ lichkeit und der Geschästsvereinfachung auch Befugnisse in der verwaltungsgerichtlichen Tätigkeit z. B. die Zuwei­ sung von Streitigkeiten nach Art. 8 Ziff. 1 BGG. (Erwerb und Besitz der Staatsangehörigkeit), nach Art. 8 Ziff. 3 (Freizügig­ keit und Aufenthalt) wegen des Zusammenhangs mit der Frem­ denpolizei, die Zuweisung der Befugnis zur Entziehung der Rechtsfähigkeit eines Vereins, weil dieser nach dem öffentlichen Bereinsrecht unerlaubt ist und verboten werden kann (§ 61 II BGB. Art. 4 AG.BGB.) wegen des Zusammenhangs mit der Vereinspolizei. Der Einspruch gegen die Eintragung in das Bereinsregister aus diesem Grunde (s. dazu Klee-Hechtel S.'294) da­ gegen ist eine rein polizeiliche Tätigkeit der höheren Sicherheits­ polizei. 9. Unbedingt erforderlich sind. S. vorst. Anm. 8. Es heißt hier „unbedingt erforderlich" im Gegensatz zu Abs. II, der nur von „erforderlich" spricht. Es muß also eine besondere Dringlichkeit gegeben sein. Ob dies der Fall ist, entscheidet das Gesamtministerium. 19. Benachbarte treisunmittelbare Städte. So ist für die kreisunmittelbare Stadt Nürnberg und Fürth *) Dio Polizei muß wissen, wer sich innerhalb ihres Polizei­ bereiches aufhält. **) Man denke an die Zeit der Zwangswirtschaft.

eine gemeinschaftliche staatliche Behörde, die Polizeidirektion Nürn­ berg-Fürth gebildet, so Vorst. Anm. 6 c. 11. Benachbarte Gemeinden. Mittelbare G.n der unmittelbaren Umgebung der kreis­ unmittelbaren Städte können in derartig innigem Zusammenhang mit der Stadt stehen, daß die Einheitlichkeit in der Führung der höheren und niederen Sicherheitspolizei das Handeln von einer Stelle aus erfordert. Man braucht hier nicht nur gn das Fest­ setzen von asozialen Personen in den Bororten (vgl. Beil. Bd.IX, 680 d. LandtDrucks. 1922/23) zu denken. Es gilt dies vor allem uuch für die höhere Sicherheitspolizei gegenüber größeren Un­ ruhen. Das kann auch für mittelbare G.n zutreffen, welche die Be­ zeichnung „Stadt" (s. Anm. 5 zu Art. 2 S. 155) tragen. Ist dies der Fall, so kann die für die kreisunmittelbare Stadt gegebene Übertragung der Zuständigkeit auf staatliche Behörden (sei es auf dem Gebiete der Sicherheitspolizei wie der verwandten Geschäfte nach Art. 551 S. 2) nach Ermessen des Gefamtministeriums auch auf benachbarte mittelbare G.n ausgedehnt werden. Damit wird nicht nur die Zuständigkeit des Bezirksamts der mittelbaren G. als Sachaufsichtsbehörde der mittelbaren G. eingeengt, sondern kraft gesetzlicher Befugnis das Recht der Betätigung der mittel­ baren G. auf Handhabung der Ortspolizei (Anm. 4 zu Art. 51) eingeschränkt. 12. Erforderlich ist. Es heißt hier „erforderlich", nicht wie in Abs. I S. 2 (s. Vorst. Anm. 9) „unbedingt erforderlich". Ob es erforderlich ist, entscheidet das Gesamtministerium. 13. Staatliche und baren Städten. Der Abs. III erfaßt Er hat nicht etwa eine G.n; s. jedoch die nachf.

gemeindliche Behörden in kreisunmittelnur die Fälle der Vorst. Abs. I und II. selbständige Bedeutung gegenüber allen Anm. 14.

14. Unterstützen. Der Satz ist selbstverständlich. Er gilt für die polizeiliche Tä­ tigkeit aller G.n, nicht nur der hier (in Art. 55III) getroffenen G.n, für die eine Übertragung nach Ws. I und II erfolgt ist. In allen G.n können deren Sachaufsichtsbehörden (die den G.n im übertragenen Wirkungskreis übergeordneten Polizeibehörden) Sach­ weisungen erteilen, welche Leistungen von der gemeindlichen Po­ lizei im Einzelfalle auch zur Unterstützung der polizeilichen Tätig­ keit anderer Polizeibehörden zu erfüllen sind (s. Anm.28 zu Art. 51). IS. Gefährdung oder Störung. S. nachf. Anm. 16 b.

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I. Gemeindeordnung.

1H. Weisungen der staatlichen Polizeibehörde. a) Wie in Vorst. Anm. 6d erörtert, ist die staatliche Polizei­ behörde (z. B. der Stadtkommissär, die Polizeidirektion) dem 1. B. und dem Stadtrat in der Ausübung der Bezirkspolizei nicht über­ geordnet, sondern gleichgestellt. Es bedurfte also einer auSdrüLlichen Vorschrift des Gesetzes, ihr in bestimmten Fällen das Recht der Sachweisung gegenüber dem 1. B. und Stadlrat in Ausgaben der Ortspolizei und Bezirkspolizei, wie gegenüber den 1. B. et­ waiger G.n nach Art. 5511 in Aufgaben der Ortspolizei zu er­ teilen.'In solchen Fällen nimmt also die sonst gleichgeordnete staatliche Behörde die Stellung einer übergeordneten Polizeibehörde ein. Sie kann bestimmen, sie trifft aber auch allein die Verantwortung. Da die untergeordnete Behörde niemals ein Rechtsmittel gegen die Sachweisung der übergeordneten Be­ hörde hat (vgl. Anm. 5 ä zu Art. 50), kann auch hier kein Rechts­ mittel, insbesondere kein Beschwerderecht gegeben sein. Die G.behörde hat die Sachweisung zu vollziehen. Sie kann jedoch sofort oder nachträglich, wenn sie geltend machen will, daß hier ein Miß­ brauch der öffentlichen Gewalt vorliege, die Dienstaufsichtsstelle des tätigen Beamten anrufen zur Prüfung, ob der Beamte sich einer Überschreitung seiner Dienstbefugnisse schuldig gemacht hat, als er diese Sachweisung erteilte. Die Anrufung der Dienstaufsicht hemmt die Pflicht zum Vollzug der Sachweisung nicht. Das Dienstaufsichts­ verfahren spielt sich nur zwischen dem Beamten und seiner Dienst­ aufsichtsstelle ab. Diese kann die G. vom Ergebnis ihrer Prüfung verständigen, sie muß es aber nicht, da die G. zwar die Anregung zu diesem Verfahren geben kann, jedoch nicht Beteiligte dieses Ver­ fahrens ist. b) Dieses Sachweisungsrecht ist nur gegeben im Falle einer Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Dies kann nach dem Zweck der Vorschrift dann nicht der Fall sein, wenn es sich um unerhebliche Übertretungen oder Vergehen handelt, sondern nur dann, wenn durch das Handeln einer oder mehrere Personen eine Gefahr für einen wei­ teren Personen kreis droht oder ein getreten ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, entscheidet die staatliche Behörde. Hat ihr zuständiger Vertreter in der Handhabung gefehlt, mit Unrecht eine erhebliche Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit angenommen, so gilt das in borst Anm. 16 a Ge­ sagte. c) über das Recht des unmittelbaren Dienstbefehles an die Polizeibeamten der G. s. nachf. Anm. 18 und 20.

17. Mitwirken. Das Mitwirken ist hier ein Tätigsein im Vollzug der Sach­ weisung einer vom Gesetz übergeordneten Behörde.

Art. 55. Weisungen der staatlichen Polizeibehörden.

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18. Der Leiter der staatlichen Polizeibehörde oder sein Beaufttagter. Abs. JI! S. 3 gibt zur wirksamen Durchführung der in Satz 2 gegebenen Besugnisse das Recht des unmittelbaren Dienstbesehls an die Polizeibeamten der G. Dieses Recht steht dem Leiter der staatlichen Polizeibehörde zu, der die Anordnungen zum Schutze der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu treffen hat, wie bei seiner Verhinderung seinem berufenen Stellvertreter. Der Leiter der staatlichen Polizeibehörde kann jedoch mit dieser Befug­ nis auch die Personen beauftragen, denen er die Aufgabe der Abwehr einer erheblichen Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, sei es allge­ mein, sei es in einem einzelnen Falle sz. B. dem Füh­ rer einer Abteilung der eingesetzten uniformierten Staatspolizei (Schutzpolizei oder Gendarmerie, §111 d. B. v. 12. April 1928, GBBl. S. 197)] üb ertragen hat. Die Befugnis kann nach ihrem Inhalt nur an einen höheren Beamten, nicht etwa an einen Beamten mit ganz untergeordneten Dienstaufgaben übertragen werden.

19. Gefahr im Verzug. S. Anm. 21 zu Art. 51. 20. Anordnungen an die Polizeibeamten der Gemeinde. S. Anm. 24 zu Art. 51. 21. Folge zu leisten. S. Anm. 25 zu Art. 51. In solchen Fällen geht nach Art. 107II das Dienststrafrecht der G. auf die Staatsaufsichtsbehörde über. 22. Verständigung des 1. Bürgermeisters. S. Anm. 26 zu Art. 51. Der Eingriff erfolgt ja auf einem Gebiete, in dem der 1. B. nach wie vor, wenn auch bedingt durch die Sachweisungen der staatlichen Behörden zuständig ist. 23. Die Kosten treffen den Staat. Hiernach hat also der Staat sowohl die Kosten der Ortspolizei wie der Bezirkspolizei auch dann zu tragen, wenn die Pflicht im übrigen nach Art. 51IV, 54 V S. 1 der G. zufällt. S. jedoch nachf. Anm. 24. 24. Leistungen der Gemeinden für die staatliche Polizeiver­ waltung. Die einschlägigen Vorschriften dieses Gesetzes nach ihrer durch Art. 154 gegebenen Fassung lauten: Art. 1. r Gemeinden, in denen die Polizei auf Grund des Art. 55 der GO. durch staatliche Polizeibehörden ausgeübt wird, sind

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I. Gemeindeordnung. verpflichtet*) zu den Kosten der staatlichen Polizeiverwaltung einen jährlichen Beitrag zu leisten. H Der Beitrag beträgt die Hälfte des gesamten Person^ lichen und sachlichen Aufwandes, der dem Staate in dem be­ treffenden Jahre durch die Ausübung der spolizei in der G. erwachsen ist. Er wird durch das StMdJ. im Benehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen festgesetzt**). m Besteht für mehrere G.n eine gemeinschaftliche staat­ liche Polizeibehörde, so hat jede G. den nach dem Verhält­ nisse der Bevölkerungszahl***) auf sie treffenden Teil des Beitrags zu leisten. Würde nach dieser Berechnung der Bei^ trag einer mittelbaren G. größer sein als der durchschnitt­ liche Aufwand, den G.n gleicher Größe für die Verwaltung der Ortspolizei in dem vom Staate übernommenen Umfang aufzuwenden haben, so kann der Beitrag durch das SMdJ. im Benehmen mit dem StM. d. Finanzen entsprechend herab­ gesetzt werden f). Art. 2. 1 SBei der Berechnung des gemeindlichen Beitrags sind von den durch die Ausübung der Polizei erwachsenden Ge­ samtaufwendungen vorweg abzuziehen: 1. die Kosten für polizeiliche Dienstleistungen, die über den Rahmen der regelmäßigen Tätigkeit einer Ortspolizeiund Bezirksverwaltungsbehörde hinausgehen; 2. die Zuschüsse, die dem Staate vom Reiche für die Besol­ dungen der Beamten gewährt werden; 3. die Einnahmen, die dem Staate durch die Ausübung der Polizei zufließen und nicht zu besonderen Zwecken verwen­ det werden. "Auf G.n, die zur Leistung eines Beitrags gemäjß Art. 1 verpflichtet sind, findet Art. 54 Abs. V Satz 2 der GO. keine Anwendung ff).

*) Es handelt sich um eine gesetzliche Pflicht nach Art. 601. Wird sie nicht erfüllt oder die vorläufige Leistung nach Art. 3 dieses Gesetzes nicht betätigt, so ist der Weg des staatsaufsichtlichen Vorgehens nach Art. 60III—V gegeben. **) Ein Rechtsmittel gegen diese Festsetzung ist nicht gegeben. ***) Maßgebend ist die vom Stat. Landesamt bei der letzten allgemeinen Volkszählung ermittelte „Wohnbevölkerung" (vgl. 8 144 der Wahlordnung, GBBl. 1928, 150). f) Diese Vorschrift trifft nur mittelbare G.n nach Art. 5511. Ein Rechtsanspruch auf Herabsetzung ist nicht gegeben. ff) Sie sind also an den Zuschüssen des Stuates nach dieser Vorschrift (s. Anm. 22 zu Art. 54) nicht beteiligt.

Art. 55. Beiträge der Gemeinden.

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Art. 3. xJn allen Gemeinden der Bürgermeisterei ist der erste Bürgermeister1 Vorsitzender des Gemeinderats2 und übt die ihm gesetzlich zustehenden Befugnisse3 aus. Er kann in den Gemeinden außerhalb seines Wohnortes die Polizeiverwal-

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I. Gemeindeordnung.

tung* und die Erledigung einzelner Angelegenheiten ° den weiteren Bürgermeistern9 dieser Gemeinden übertragen. "Bei Abwesenheit oder Verhinderung wird der erste Bürgermeister durch den weiteren Bürgermeister der in Frage kommenden Gemeinde vertreten? ul Die Gemeinderäte können zu gemeinschaftlicher Sitzung^ vereinigt werden, um den Dienstbezug des ersten Bürger­ meisters festzustellen,' um über Anstellung und Bezüge von gemeinschaftlichen Beamten und sonstige gemeinsame Ver­ waltungsausgaben" zu beschließen und um ortspolizeiliche Vorschriften für sämtliche Gemeinden" zu erlassen. Für diese Sitzungen gelten die Vorschriften für den Gemeinde­ rat entsprechend. Der gemeinschaftliche Aufwand wird nach einem von den Gemeinden vereinbarten Maßstab auf die Gemeinden umgelegt." Kommt keine Vereinbarung zustande, so entscheidet die Staatsaufsichtsbehörde" endgültig. ResE. Art. öS: RegE. Art. 58; BersA. 1,463; 11,57; StenBer. 178 ff., 269.

1. Der gemeinschaftliche 1. Bürgermeister. a) Wie in Anm. 1 zu Art. 56, Anm. 1 zu Art. 57 gesagt, liegt das Besondere der Bürgermeisterei als einer Berwaltungsgemeinschaft vor allem darin, daß alle G.n den 1. B. gemeinsam haben. Damit wird auch dessen Rechtsstellung und Aufgabe be­ stimmt, falls Gegensatze zwischen einzelnen G.n der Bür­ germeisterei auftreteil sollten. Sie geht dahin, in den Sitzungen der einzelnen G.räte auf einen Ausgleich hinzuwirken. Auch im Falle solcher Gegensätze ist die Befugnis des 1. B. in keiner Weise, ins­ besondere nicht etwa auf den G.rat seines Wohnsitzes beschränkt. Über die Frage der gemeinsamen G.schreiberei s. Anm. 9a zu Art. 15 S. 215. b) Der allgemeine Stellvertreter des 1. B. bei dessen Abwesenheit oder sonstiger Verhinderung (Art. 181) ist stets der 2. B. der G., in der irgendein Rechtsakt oder Berwaltungsakt vorzunehmen ist (Art. 5811, s. dazu für die ge­ meinschaftlichen Sitzungen die nachf. Anm. 8 d). Hinsichtlich der be­ sonderen Stellvertretung in einzelnen Befugnissen im Sinne des Art. 18II trifft Art. 581 S. 2 eine besondere Regelung für die G.n, in denen der 1. B. seinen Wohnsitz nicht hat. Währerrd für die besondere Stellvertretung am Wohnsitz (Wohnort) des I.B. der Art. 18II ohne Änderung gilt, kann der 1. B. in den G.n außer­ halb seines Wohnsitzes sowohl die Erledigung der Geschäfte der Ortspolizei (Art. 51 HI S. 1) wie sonstiger einzelner Angelegen­ heiten den weiteren B. in diesen G.n in ihrer Reihenfolge (also

Art. 58. Der gemeinschaftliche 1. Bürgermeister.

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zunächst dem 2. B., und, wenn der 2. B. weggefallen oder dieser verhindert ist, dem 3. B.) übertragen. Dagegen rann er seine Be­ fugnisse als 1. B. für den ganzen Bezirk der Bürger­ meisterei nicht an einen weiteren B. einer der G. über­ tragen, die zur Bürgermeisterei gehören, auch nicht dem 2.B. der einen G. zu seinem besonderen Stellvertreter für einzelne An­ gelegenheiten in einer anderen G. bestellen.

2. Vorsitzender des Gemeinderats. Der 1. B. hat also auch in den G.n, in denen er seinen Wohn­ sitz nicht hat, die Sitzungen des G.rats einzuberufen (Art. 19II S. 1) und die Beratungsgegenstände für die Sitzungen des G.rats vorzuberaten (Art. 171 S. 2). Er führt überall den Borsitz (Art. 171 S. 2) und hat volles Stimmrecht. Er handhabt die Ordnung in den Sitzungen (Art. 23II). Die Sitzungen des G.ratS haben in den einzelnen G.n stattzufinden (Kahr I, 649 Anm. b). Doch kann der G.rat beschließen, daß die Sitzungen am Wohnsitz. des 1. B. abgehalten werden. 8. Die gesetzlich zustehenden Befugnisse. Der 1. B. hat in allen G.n seiner Bürgermeisterei die Rechts­ stellung, welche die GO. dem 1. B. zuweist. Wichtig ist hierbei vor allem die Befugnis zur Leitung und Verteilung der Geschäfte, zur Erlassung dringender Anordnungen und zur Erledigung unauf­ schiebbarer Geschäfte, zur Besorgung einfacher Geschäfte der lau­ fenden Verwaltung und solcher Geschäfte, die sich zur Behandlung im G.rat nicht eignen (Art. 171). Der 1. B. ist in allen G.n die Ortspolizeibehörde (Art. 51III S. 1). Er führt die Dienstaufsicht über die G.beamten (Art. 1011 S. 1) und hat die Befugnis zur vorläufigen Dienstenthebung nach Art. 1111 S. 1. Zustellun­ gen an eine der G.n der Bürgermeisterei müssen deshalb, wenn nicht der 1. B. nach Art. 581 S. 2 ausdrücklich die Befugnis zur Erledigung solcher Angelegenheiten an den 2. B. der in Frage kommenden G. übertragen hat, stets an den 1. B. an dessen Wohn­ sitz erfolgen, über den Dienstbezug des 1. B. nach Art. 114 s. nachf. Anm. 9.

4.

Übertragung der Polizeiverwaltung. a) S. zunächst borst Anm. 1 b. Das Gesetz gebraucht hier noch den Ausdruck „Polizeiverwaltung" und bezeichnet damit (s. die Anm. unten zu Art. 51 Anm. 11) die Betätigung der ortspolizei­ lichen Geschäfte im Sinne dieser Anm. 11, also „die Handhabung der Ortspolizei" nach Art. 51III S. 1. Als lex specialis geht Art. 58 dem Art. 51 III S. 2 vor. Die Einschränkung, daß zur Übertragung von Aufgaben der Sicherheitspolizei die Ge­ nehmigung der Staatsaufsichtsbehörde erforderlich ist, ist deshalb hier nicht gegeben. Gerade für die Sicherheitspolizei kann es erwünscht sein, daß die entscheidende Persönlichkeit im Orte selbst

650

I. Gemeindeordnung.

ihren Wohnsitz hat. Der 1. B. kann die Angelegenheiten der Sicherheitspolizei auf den 2. B. der betreffenden G. nach seinem Ermessen übertragen, er muß es aber nicht, überträgt er sie, so scheidet er aus der Verantwortung aus; als verantwortlich tritt der 2. B. der betreffenden G. ein. b) Diese Ausnahme von Art. 51III S. 2 gilt jedoch nur für die G.n außerhalb des Wohnsitzes des 1. B., nicht etwa auch für die G.n, in der der 1. B. seinen Wohnsitz hat. Hier können die Aufgaben der Sicherheitspolizei vom 1. B. nur mit Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde übertragen werden. 5. Die Erledigung einzelner Angelegenheiten. S. zunächst vorst. Anm. 1b. Als Angelegenheiten dieser Art kommt z. B. die Erlassung dringender Anordnungen, die Er­ ledigung von unaufschiebbaren Geschäften, die Besorgung ein­ facher Geschäfte der laufenden Verwaltung und solcher Geschäfte, die sich zur Handhabung im G.rat nicht eignen, in Betracht. Nur seine öffentlichrechtliche Verfügungsmacht im Ganzen kann der 1. B. nicht übertragen. Auch hier liegt eine lex specialis gegenüber dem Art. 18II vor. Die Vorschrift gilt nur für die G.n außerhalb des Wohnsitzes des 1. B. Für die G.n, in der der 1. B. seinen Wohnsitz hat, gilt Art. 18 H.

v. Den weiteren Bürgermeistern dieser Gemeinden. Hier wurde schon im RegE. übersehen, ent sprechend. Art. 181, ausdrücklich zur Klarstellung die Worte „in ihrer Reihenfolge" beizusetzen. Die Übertragung kann nur an den 2. B. erfolgen, und nur wenn kein 2. B. vorhanden oder dieser verhindert ist, ist die Übertragung an ben 3. B. möglich. Wie in Anm. 4 zu Art. 57 ausgeführt, muß in jeder G. einer Bürgermeisterei ein 2. B. vorhanden sein. Es ist erwünscht, daß ein 3. B. vorhanden ist, wenn der 1. B. von Art. 581 S. 2 Gebrauch gemacht hat. Die Übertragung ist nur an den 2. B. der betreffenden G., nicht etwa an den 2. B. einer anderen G. der Bürgermeisterei möglich (s. vorst. Anm. 1b am Ende). 7. Allgemeine Stellvertretung. S. vorst. Anm. 1b. 8. Gemeinschaftliche Sitzungen. a) In einer gemeinsamen Verwaltungsausgabe für sämtliche G.n der Bürgermeisterei kann entweder dadurch eine rechtserheblicho Willenserklärung ermittelt werden, daß jeder G.rat getrennt für sich einen Beschluß faßt. Es können aber nach Ermessen des 1. B. auch sämtliche G.räte zu einer gemeinschaftlichen Sitzung vereinigt werden. Wenn nicht in einer gemeinschaft­ lichen Sitzung anders beschlossen ist, hat der 1. B. den Ort und die Zeit dieser Sitzungen zu bestimmen.

Art. 58. Gemeinschaftliche Sitzungen.

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b) In der gemeinschaftlichen Sitzung hat, abgesehen vom 1. B. als Leiter der Sitzung, jedes Mitglied des G.rats jeder der beteiligten G.n (also die weiteren B. und die G.ratsMitglieder- eine Stimme. Es wird nach gemeinsamer Bera­ tung gemeinsam abgestimmt, (nicht etwa stimmt jeder G.rat für sich ab). Es darf bei der weit nach unten gehenden Ab­ stufung der Zahl der G.ratsmitglieder gemäß Art. 131 angenom­ men werden, daß die Zahl der G.ratsmitglieder der Größe der G. entspricht. Gleichwohl können Unbilligkeiten dadurch entstehen, daß eine G. nicht entsprechend ihrer Einwohnerzahl vertreten ist. Dies ist dann der Fall, wenn ihr G.rat nicht zu den Höchstzahlen nach Art. 131 gegriffen hat. Es ist aber auch dann der Fall, wenn Mitglieder des G.rats einer G. in der gemeinschaftlichen Sitzung fehlen. Der RegE., dem das Gesetz folgte, hat die Mög­ lichkeit solcher Unbilligkeiten nicht verkannt, sah jedoch davon ab, hier eine verwickelte Regelung zu treffen, die der Bedeutung der Sache nicht entsprechen würde (Begr. S. 79). über die Beschluß­ fähigkeit und die Rechtsgültigkeit der Beschlüsse s. d. nachs. Anm. 13. c) Die Gegenstände der Beratung und Abstimmung sind er­ schöpfend im Gesetz (s. die nachf. Anm. 9 bis 13) bezeichnet. d) Den Borsitz führt der 1. B. Ist er verhindert, so kann gleichwohl eine gemeinschaftliche Sitzung stattfinden. Allgemei­ ner Vertreter des 1. B. ist (s. vorst. Anm. lb) der 2. B. der G., in der irgend ein Berwaltungsakt vorzunehmen ist. Die Stell­ vertretung des 1. B. für die gemeinschaftlichen Sitzungen geht also an den 2. B. der G. übein der die gemeinschaftlicher Sitzungen stattftnden. Die Frage des Vorsitzes hat besondere Be­ deutung, wenn der Dienstbezug des 1. B. nach Art. 1141 zu regeln ist. Hier wird (s. hier S. 266) der 1. B. nach Art. 201 S. 1 dann verhindert sein, an der Beratung und Abstimmung teilzunehmerr, wenn nicht etwa schlechthin für den jeweiligen 1. B. der Bürgermeisterei, sondern mit Rücksicht auf die besonderen Verhält­ nisse für den zurzeit im Amt befindlichen 1. B. der Dienstbezug fest­ zusetzen ist. In solchen Fällen hat zwar der 1. B. der Bürgermeisterei bie gemeinschaftliche Sitzung einzuberufen. Den Vorsitz in dieser Sitzung hat jedoch dann für diesen Beratungsgegenstand der 2. B. der G. zu übernehmen, in deren Markung die gemeinschaftliche Sitzung stattfindet (vgl. vorst. Anm. 8 a). Ist der 1. B. verhindert eine Sitzung einzuberufen, so ist sein allgemeiner Stelkvertreter der 2. B., in deren Markung nach dem Beschluß der vereinigten G.räte, oder wenn ein solcher Beschluß nicht ergangen ist, nach der Bestimmung des 1. B. die gemeinschaftlichen Sitzungen stattzufinden haben. 9. Feststellung des Dienstbezuges des 1. Bürgermeisters. S. Art. 1141 und die Erläuterungen dazu, auch vorst. Anm. 8 d. Der Anspruch richtet sich an alle G.n der Bürgermeisterei. Sie

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I. Gemeindeordnung.

hasten als Gesamtschuldner (vgl. Anm. 1 zu Art. 56). Die Umlegung des Aufwands hat nach Art. 58III S. 3 und 4 zu erfolgen.

10. Anstellung und Bezüge von gemeinschaftlichm Beamten. Darunter fallen insbesondere die gemeinschaftlichen Polizeibeamten. Darüber, ob für die G.schreiberei ein Beamter aufzu­ stellen ist, s. tont. 9 zu Art. 15, S. 215. Die Anstellung und die Bemessung der Bezüge eines gemeinschaftlichen Angestellten oder Arbeiters fallen unter die sonstigen gemeinsamen Berwaltungsaufgaben, s. nachf. tont. 11. 11. Sonstige gemeinschaftliche Verwaltungsausgaben... Darunter fallen insbesondere die Verwaltung etwaiger Ge­ bäude und Grundstücke, die für Zwecke der Bürgermeisterei ver­ wendet werden (s. dazu die tont. 1 zu Art. 56), die Beschluß­ fassung über die Aufbringung des Sachbedarfs für die gemein­ schaftliche G.schreiberei (Geschäftsstelle), die Anstellung der gemein­ samen Kräfte für den G.dienst (der sog. G.diener), der gemein­ samen Kräfte für den Feld- und Waldschutz, alles für den Fall, daß diese Kräfte keine Beamten, sondern Angestellte oder Arbeiter find, und die Regelung der Verträge mit ihnen.

12» Ortspolizeiliche Vorschriften für sämtliche Gemeinden. Jeder G.rat kann für seinen G.bezirk ortspolizeiliche Vor­ schriften nach Art. 51II geben. Das Gesetz erlaubt jedoch auch gemeinsame ortspolizeiliche Vorschriften für sämt­ liche G.n der Bürgermeisterei zu erlassen. Geschieht dies, so „tre­ ten alle entgegenstehenden ortspolizeilichen Vorschriften der einzel­ nen G.n außer Kraft" (Kahr l, 950 tont. 4 a). 13. Sitzungen. Für die Sitzungen gelten also die Art. 19 bis 25 entsprechend. Als G.rat gilt die Bereinigung aller Mitglieder des G.rats aller einzelnen G.n einschließlich des 1. B.; danach bemißt sich die Beschlußfähigkeit (Art. 19III). Es müssen sämtliche Mit­ glieder ordnungsgemäß geladen sein und es muß die Zahl der unbeteiligten Anwesenden (also nicht wegen „nächster Beteiligung" nach Art. 201 S. 1 von der Beratung und Abstimmung Ausge­ schlossenen) größer sein als die Hälfte der überhaupt gewählten Mitglieder*). Angenommen, es sind außer dem 1. B. einschließ­ lich der weiteren Bürgermeister in den 3 G.n einer Bürger­ meisterei 12 + 8 + 8 = 28 Mitglieder der Gräte gewählt, so

*) Da hier wohl nie berufsmäßige G.ratsmitglieder in Betracht kommen, die nur für einzelne Beratungsgegenstände Stimmrecht haben, sind sämtliche Mitglieder der beteiligten G.räte im Sinne des Art. 19 m S. 1 allgemein (also ohne Rücksicht auf die per­ sönliche Beteiligung) stimmberechtigt.

Art. 58. Umlegung des Aufwands.

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müssen, da 15 mehr als 14i/2 (der Hälfte von 28+1= 29) ist, 15 — (außer dem 1. B. noch 14) — Mitglieder der verschiedenen G.räte anwesend sein, die nicht Nächstbeteiligte nach Art. 201 S. 1 sind. Darauf, in welcher G. diese Mitglieder des G.rats gewählt sind, kommt es dagegen nicht an. Das Gleiche gilt für die Rechtsgültigkeit der Beschlüsse. Ein Beschluß ist (vgl. S. 257) nur gültig, wenn die vereinigten G.räte, wie vorher ausgeführt, beschlußfähig sind, wenn kein Mitglied eines der G.räte trotz nächster Beteiligung an der Beratung und Wstimmung teilgenommen hat und wenn die Mehrheit der Ab­ stimmenden in offener Wstimmung sich für eine bestimmte Mei­ nung ausgesprochen hat. Die Zahl der für einen Antrag Stim­ menden muß also um eine Person*) größer sein als die Zahl der Personen, die gegen den Antrag gestimmt haben. Bei 15 an der Abstimmung teilnehmenden Mitgliedern der beteiligten G.räte muß (da 8 um 1 mehr ist als 7) ein Antrag 8 Stimmen aus sich vereinigt haben (vgl. hier S. 275). Wie diese Mehr­ heit sich aus Mitgliedern der einzelnen G.räte zu­ sammensetzt, ist unerheblich. Es ist deshalb ohne Belang, ob die Mehrheit der Mitglieder der einzelnen G.räte an der gemeinschaftlichen Sitzung teilgenommen und wie sie abge­ stimmt haben. Die Mitglieder der einzelnen G.räte bilden also nicht etwa für sich einen selbständigen Bestandteil in der ge­ meinschaftlichen Sitzung, so daß zur Annahme eines Antrags etwa auch die Mehrheit der erschienenen Mitglieder der einzelnen G.räte notwendig wäre. 14. Umlegung des gemeinschaftlichen Aufwandes. a) Gemeinschaftlich ist der Aufwand, der in der gemeinschaft­ lichen Verwaltung entsteht; dazu gehört sowohl der Sachaufwand (Unterhaltung gemeinschaftlicher Gebäude, Bestreitung der Sach­ ausgaben für die G.schreiberei u. a. m.) wie der persönliche Auf­ wand (für den Dienstbezug des 1. B. und die Bezüge der gemein­ schaftlichen Beamten und Angestellten). b) Dieser Aufwand ist von den einzelnen G.n der Bürger­ meisterei anteilsmäßig zu tragen. Damit wird aber nur das Jnnenverhältnis berührt. Nach außen sind (s. Anm. 1 zu Art. 56) sämtliche in der Bürgermeisterei vereinigten G.n Gesamtschuldner. c) Die Festsetzung des Maßstabes ist einer der wichtigsten Gegenstände der Bürgermeisterei. Das Gesetz bestimmt deshalb, daß der Maßstab nicht in gemeinschaftlicher Sitzung nach Art. 58III S. 1 festgesetzt werden kann. Hier könnten die in Vorst. Anm. 8b erörterten Unbilligkeiten sich besonders aus-

*) Anders ist es, wie oben erwähnt, bei der Beschlußfähig­ keit. Hier genügt es, wenn von 29 Mitgliedern der vereinigten G.räte 15, also mehr als 14i/2 (nicht etwa um eins mehr als 14i/2) anwesend sind. ! ,

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I. Gemeindeordnung.

wirken. Der Maßstab muß vielmehr unter den G.n vereinbart werden. Er kann also nur durch getrennte Beschlüsse der einzelnen G.räte festgelegt werden. Gelingt dies nicht, so setzt die Staatsaufsichtsbehörde endgültig den Maßstab fest (Art. 68III Schlußsatz, s. folg. Anm. 15).

IS. Entscheidung der Staalsaufsichtsbehörde. S. Vorst. Anm. 14 b). Die Staatsaufsichtsbehörde entscheidet endgültig. Es gibt also keine Möglichkeit, den BGH. sachlich mit der Angelegenheit zu befassen. Staatsaufsichtsbehörde ist (Art. 59) das Bezirksamt. Es heißt nicht, daß die „unmittelbar vorgesetzte Staatsaufsichtsbehörde endgültig entscheidet", wie z. B. in Art. 45 m. Gegen die Entscheidung kann deshalb die höhere Staatsaussichtsbehörde angerufen werden. Gewohnheitsrechtlich ist für diese sog. Verwaltungsbeschwerde eine Frist von 14 Tagen ein­ zuhalten. StaatSaufficht.

Art. 59.

Die Staatsaufsicht1834561 wird unter der Leitung des StaatSministeriums des Innern über die kreisunmittelbaren Gemeinden von den Kreisregierungen, über die übrigen Ge­ meinden von den Bezirkämtern geführt. gtef$.Art.59; R-gE.Art.59; VersA. 1,465ff.; II,57;StenBer. 178ff.,269.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Begriff und Inhalt, Die Organe, Der Gegenstand, Die Auslösung, Die Mittel, Dio Nachprüfung der Maßnahmen, Die Berfassungsbeschwerde.

1. Begriff und Inhalt der Staatsaufsicht. a) „Staatsaufsicht ist die Befugnis des Staates darüber zu wachen, daß die G.n sowohl auf dem Gebiete der Selbstverwaltung wie des übertragenen Wirkungskreises ihre Pflichten erfüllen, und die Befugnis, mit der Staatsgewalt einzugreifen, wenn eine G. sich auf dem Gebiete der Selbstverwaltung tote des übertragenen Wirkungskreises pflichtwidrig verhält" (Begr. S. 79). Staatsauf­ sicht ist also die Befugnis staatlicher Behörden, die Gesetz­ mäßigkeit im Verhalten der G. zu überwachen, für den Fall der Verletzung des Gesetzes die G. zur Beachtung aufzufordern und wenn diese Aufforderung erfolglos ist, selbst an Stelle der G. das zu tun, was die Gesetzmäßigkeit erfordert. Im übertragenen Wirkungskreis hat die G. nach dem Gesetz bestimmte Obliegenheiten zu verrichten, und die Pflicht, dabei den Sachweisungen der über­ geordneten Staatsaufsichtsbehörde (Sachauffichtsbehörde) zu ent-

654

I. Gemeindeordnung.

wirken. Der Maßstab muß vielmehr unter den G.n vereinbart werden. Er kann also nur durch getrennte Beschlüsse der einzelnen G.räte festgelegt werden. Gelingt dies nicht, so setzt die Staatsaufsichtsbehörde endgültig den Maßstab fest (Art. 68III Schlußsatz, s. folg. Anm. 15).

IS. Entscheidung der Staalsaufsichtsbehörde. S. Vorst. Anm. 14 b). Die Staatsaufsichtsbehörde entscheidet endgültig. Es gibt also keine Möglichkeit, den BGH. sachlich mit der Angelegenheit zu befassen. Staatsaufsichtsbehörde ist (Art. 59) das Bezirksamt. Es heißt nicht, daß die „unmittelbar vorgesetzte Staatsaufsichtsbehörde endgültig entscheidet", wie z. B. in Art. 45 m. Gegen die Entscheidung kann deshalb die höhere Staatsaussichtsbehörde angerufen werden. Gewohnheitsrechtlich ist für diese sog. Verwaltungsbeschwerde eine Frist von 14 Tagen ein­ zuhalten. StaatSaufficht.

Art. 59.

Die Staatsaufsicht1834561 wird unter der Leitung des StaatSministeriums des Innern über die kreisunmittelbaren Gemeinden von den Kreisregierungen, über die übrigen Ge­ meinden von den Bezirkämtern geführt. gtef$.Art.59; R-gE.Art.59; VersA. 1,465ff.; II,57;StenBer. 178ff.,269.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Begriff und Inhalt, Die Organe, Der Gegenstand, Die Auslösung, Die Mittel, Dio Nachprüfung der Maßnahmen, Die Berfassungsbeschwerde.

1. Begriff und Inhalt der Staatsaufsicht. a) „Staatsaufsicht ist die Befugnis des Staates darüber zu wachen, daß die G.n sowohl auf dem Gebiete der Selbstverwaltung wie des übertragenen Wirkungskreises ihre Pflichten erfüllen, und die Befugnis, mit der Staatsgewalt einzugreifen, wenn eine G. sich auf dem Gebiete der Selbstverwaltung tote des übertragenen Wirkungskreises pflichtwidrig verhält" (Begr. S. 79). Staatsauf­ sicht ist also die Befugnis staatlicher Behörden, die Gesetz­ mäßigkeit im Verhalten der G. zu überwachen, für den Fall der Verletzung des Gesetzes die G. zur Beachtung aufzufordern und wenn diese Aufforderung erfolglos ist, selbst an Stelle der G. das zu tun, was die Gesetzmäßigkeit erfordert. Im übertragenen Wirkungskreis hat die G. nach dem Gesetz bestimmte Obliegenheiten zu verrichten, und die Pflicht, dabei den Sachweisungen der über­ geordneten Staatsaufsichtsbehörde (Sachauffichtsbehörde) zu ent-

Art. 59. Begriff der Staatsaufsicht.

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sprechen. Die Sachauffichtsbehörde wie die Staatsaufsichtsbehörde haben das Recht, die Erfüllung dieser Pflichten zu überwachen. Die Staatsaufsichtsbehörde hat außerdem die Befugnis (von fich aus oder auf Ersuchen der Sachaufsichtsbehörde) die Erfüllung der Pflichten zu erzwingen. Im eigenen Wirkungskreis hat die G. gesetzliche Verpflichtungen zu erfüllen und die Schranken des Ge­ setzes einzuhalten (s. nachf. Sinnt. 1 c). In diesem Kreis der Selbst­ verwaltungsangelegenheiten kommt es dem Staate nach der von ihm getroffenen Regelung nur zu, durch die Staatsaufsichtsbehörden darüber zu wachen, ob die G. diejenigen Aufgaben erfüllt, deren Erfüllung ihr ein Gesetz zur Pflicht macht und ob sie in der Er­ füllung dieser, wie anderer Aufgaben, die sie sich selbst gestellt hat, die Schranken der Gesetze einhält (s. S. 143 und 144 und die nachf. Sinnt, le) und die Einhaltung zu erzwingen. Die Staatsaufsicht scheidet sich scharf von der Sachgufficht im übertragenen Wirkungskreis (s. darüber die Sinnt. 5 zu Art. 50), und von der Dienstaufsicht (s. die gleiche Sinnt.). b) Die Begr. zu Art. 23 des sog. Entwurfs Brettreich-Roesch (des Entwurfs eines G. über die Änderungen der Gemeindeord­ nungen, des Distriktratsg. und des Verwaltungsgerichtsg. vom 26. Juli 1918, Beilage 2584 Drucksachen der KdAbg. IV Session 1917/18 S. 23)*) schied die Staatsaufsicht „in drei Teile: l. Die Rechtsaufsicht, daß die gesetzlichen Schranken eingehalten werden; 2. die Pflichtaufsicht, daß die gesetzlichen Aufgaben erfüllt werden; 3. das Mitwirkungsrecht der Staatsaufsichtsbehörde durch Ertei­ lung der Genehmigung und zwar gesetzlich beschränkt auf be­ stimmte Fälle". Der RefE. und RegE. zur neuen GO., dessen Wortlaut mit unerheblicher Änderung in das Gesetz überging, nahm (s. Begr. S. 79) die Ziff. 1 und 2 dieser Dreiteilung im Anschluß an Art. 13II SÄG. in Art. 601 auf. „D asm Biff- 3 aufgeführte Mitwirkungsrecht der Staatsaufsichtsbehorde durch Ertei­ lung der Genehmigung" dagegen ist keine „Staatsaufsicht im Sinne des Entwurfs" und desGesetzes. Es ist (s.Begr. S. 79) ein Mitwirkungsrecht des Staates, das allerdings aus Gründen der Zusammenfassung in einer Hand, einerlei, ob es sich um Gegenstände des übertragenen oder des eigenen Wirkungskreises handelt, nur von der „Staatsaufsichtsbehörde", also auch in Gegenständen des übertragenen Wirkungskreises nicht „von der für den Gegenstand zuständigen Sachaufsichtsbehörde ausgeübt wird".

*) Das SBG. hat (s. hier S. 128) in vielen seiner brauch­ baren Teile diesen Entwurf in sich ausgenommen und so ging auch diese Rechtsaufsassung sachlich in das SBG. über (s. darüber Roesch SBG. 2. Slufl. S. 60).

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I. Gemelndeordnung.

Dieses Mitwirkungsrecht des Staates ist also von der eigentlichen Staatsaufsicht sachlich scharf zu trennen. Es handelt fich hier (vgl. Anm. 10 zu Art. 42 S. 461, dann Bervier, Deutsche Berwaltungskarthotek VI) um einen Ausfluß der Schutzgewalt (Kuratel) des Staates (vgl. hier S. 126), die nunmehr auf ganz be­ stimmte, im Gesetz bezeichnete Fälle beschränkt ist. Die wichtigsten*) Fälle sind in Art. 42 und 61 aufgeführt. Da, wie erwähnt, dieses Mitwirkungsrecht niemals von der für den Gegenstand zuständigen Sachaufsichtsbehörde, sondern von der Staatsaufsichtsbe­ hörde ausgeübt wird, sind die nicht im Anschluß an einen Sach­ gegenstand (z. B. die Schuldaufnahme des Art. 42) an anderen Stellen erwähnten Fälle der Schutzgewalt in einem Art. 61 zu­ sammengefaßt, der unmittelbar den Bestimmungen über die Staats­ aufsicht folgt. Staatsaufsicht und Mitwirkungsrecht des Staates (Ausübung der Schutzgewalt) sind jedoch nach dem Inhalt der Be­ griffe, wie in der rechtlichen Bedeutung völlig verschieden, vgl. Anm. 1 d zu Art. 61. c) Nach § 22II BU. überwacht der Staat die Erfüllung der Pflichten der G.n und die Gesetzmäßigkeit ihrer Verwaltung. Mit den Worten „Gesetzmäßigkeit ihrer Verwaltung" ist die Rechts­ aufsicht, mit den Worten „Erfüllung der Pflichten der G.n" die Pflichtenaufsicht**) gegeben***). Die Rechtsaufsicht überwacht, ob die G. nicht Rechtshandlungen vornimmt, die dem Gesetz wider­ sprechen, und kann solche Rechtshandlungen soweit aufheben, als sie gesetzwidrig sind. Die Pflichtenaufsicht überwacht, ob die G. die gesetzlichen und übernommenen Verpflichtungen erfüllt, und ist befugt, wenn dies nicht der Fall ist, die ErMllung zu er­ zwingen, sei es, daß die Staatsauffichtsbehörde die G. zur Änderung ihres Willens veranlaßt oder, wenn die G. sich dazu nicht be-

*) In S. 139 Anm. 1VI Zeile 6 ist vor dem Worte „Fälle" im Drmck das Wort „wichtigste" nicht mitaufgenommen und ein­ zusetzen. **)Wie Fr. van Calker in seinem „Grundriß des deutschen Berwaltungsrechtes" S. 24 mit Recht sagt, ist der meist übliche Ausdruck „Pflichtaufsicht" mißverständlich. Es handelt sich hier nicht um die „Pflicht zur Aufsicht" im Gegensatz zu einer „Recht-aufsicht" als einem „Rechte zur Aufsicht^. Die Rechtsaufsicht ist nicht das Recht zur Aufsicht, sondern die Aufficht über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der G. Sie wacht darüber, ob die G. innerhalb des Rechtes bleibt. Die Pflichtenaufsicht ist die Aufsicht, ob die G. die vom Gesetz zugewiesenen Pflichten erfüllt. (Darüber, wieweit die Staatsauffichtsbehörde eine Pflicht zu aufsichtlichen Maßnahmen hat, s. die nachf. Anm. 4.) ***) Mit beiden wird die Aufgabe der Staatsaufsicht erfaßt, „daß sie den Berwaltungskörper"' (die G.) „in der Bahn des Rechtes halte" (Otto Mayer II, 396).

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Art. 59. Rechtsaufsicht. Pflichtenaufsicht.

stimmen läßt, als Aufsichtsvertreter an Stelle der G. handelt (Art. 601). Zur. Durchführung dieser Aufgaben geben die Abs. II bis V des Art. 60 der Staatsaufsichtsbehörde die notwendigen Mittel (vgl. BerfA. I, 465, Ber. Dr. Samer) mit dem Ziele, daß „der staatsaufsichtliche Zwang gegen die G. den Willen der Allgemeinheit, des Staates, soweit dies möglich ist, rasch und wirk­ sam zur Durchführung bringt" (Begr. S. 79). Der Abs. VI des Art. 60 gibt der G. entsprechend § 22IV BU. anderseits die Be­ fugnis und den Weg, die entscheidenden Berwaltungsakte der Staatsaufsichtsbehörde (Beschlüsse) mit Klage an den BGH. anzufechten, mit der Wirkung, daß der unabhängige Berwalwaltungsrichter zu entscheiden hat, ob die Verwaltung hier „gesetz­ mäßig gehandelt" und nicht „die Grenzen überschritten" hat, „die den Aufsichtsbehörden durch das Gesetz gezogen sind" (§ 22IV BU.). d) Die Staatsaufsicht hat zunächst den Zweck, zu verhindern, daß die G.n, „die Glieder des Staates sind", „sich nrcht gegen den Willen der Bolksgesamtheit, des Staates" (vgl. Begr. S. 79) auf­ lehnen. Die Staatsaufsicht kann also nur bestimmt werden von Gesichtspunkten des Staates als Trägers der Hoheits­ gewalt. Sie kann und darf nicht bestimmt werden durch Er­ wägungen aus Gebieten, in denen der Staat nicht als Träger der Hoheitsgewalt handelt, sondern als Inhaber vernnögensrechtlicher Rechte, als Fiskus, den Rechtspersönlichkeiten (natürlichen oder juristischen Personen) gleichsteht. Me Rücksicht auf den Staat als Fiskus scheidet damit für die Staatsaufsicht aus (vgl. Peters S. 221). Der Staatsbürger erhält seinen Rechtsschutz durch den Staat. Die Staatsaufsicht hat deshalb zu sorgen, daß die G. nicht die Rechte des G.einwohners verletzt; dies gilt jedoch nur mit Einschränkungen. Soweit es sich um Rechtsverletzungen auf Gebieten handelt, in denen die G. anderen Rechtspersönlichkeiten gkeichsteht, in denen die G. eine bürgerlichrechtliche Betätigung auSübt (vgl. hier S. 151), hat der Verletzte den Weg der bürger­ lichen Gerichte einzuschlagen (Otto Mayer II, 397). Nur soweit (s. nachf. Anm. 1k) eine liquide Verbindlichkeit der G. vorliegt, kann eine Einwirkung der Staatsaufsichtsbehörde in Frage kom­ men*), wieder Staatsaussichtsbehörde auch in bestimmtem Umfang (wegen Geldforderungen, s. hier S. 136) die Zwangsvollstreckung gegen die G. aus den Rechtsansprüchen Dritter zukommt. Aber auch soweit es sich um bestrittene Ansprüche und Verbindlichkeiten der G. auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts handelt, wo­ bei die G. dem Dritten in Ausübung ihrer anvertrauten Hoheits­ gewalt gegenübersteht, hat der Dritte zur Durchsetzung des von der G. bestrittenen Anspruchs grundsätzlich den vom Gesetz gegebenen Weg des Berwaltungsstreitverfahrens oder Berwaltungsverfahrens ein*) Dieser Grundsatz ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen, so z. B. iin Art. 40 durchbrochen. Lakoret-v. Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

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I. Gemeindeordnung.

zuschlagen. Nur soweit über den Kreis der Interessen eines Ein­ zelnen hinaus ein Mißbrauch der anvertrauten Hoheitsgewalt oder eine Verletzung öffentlicher Interessen außer Zweifel steht, kann auch der Schutz des einzelnen, insbesondere ein vorläufiger Schutz (Otto Mayer II, 397) durch die Staatsaussichtsbehörde im Wege der Staatsaufsicht über die G. in Betracht kommen*). e) Die Staatsaufsicht kann nur die Gesetzmäßigkeit des Verhaltens der G. (s. frorst. Anm. 1 c) nachprüfen, dagegen im eigenen Aufgabenkreis der G. nicht die Zweckmäßigkeit des Verhaltens der G. Zur Gesetzmäßigkeit gehört die Erfüllung aller Obliegenheiten und Verpflichtungen, die das Gesetz der G. aus­ erlegt. Unter den Begriff des Gesetzes**) fällt (vgl. hier S. 144) das vom Reich wie vom Land gegebene Gesetzesrecht einschließlich der Rechtsverordnungen und der auf Grund der Gesetze ergan­ genen bezirkspolizeilichen und oberpolizeilichen Vorschriften, dann das Gewohnheitsrecht, soweit dies im öffentlichen Recht wirksam werden kann, auch das fron der G. selbst gesetzte Recht, ihre Satzungeir und polizeilichen Vorschriften. Zu den Verpflichtungen der G.

*) Hensel führt in seinem sehr wertvollen kleinen Buch über Kommunalrecht und Kommunalpolitik, 1928 (S. 34), aus, daß die Staatsaufsicht sich nicht erschöpfe mit der Wahrung der übergeord­ neten Rechtsordnung und der Wahrung der Interessen der Staats­ bürger, „wenn diese Gefahr laufen, von der G. vergewaltigt zu werden". Aufgabe der Staatsaufsicht sei es nicht minder, „die Kom­ munen in ihren eigenen Jnteresserl gegen ihr schlechteres Selbst zu schützen". „In dieser Beziehung gleicht die Staatsaufsicht der Tutel, der Vormundschaft." Das ist für das Verhältnis von Staat und G. auch im eigenen Wirkungskreis, gesetzespolitisch betrachtet, richtig. Für das bayerische Recht muß jedoch beachtet werden, daß die Wahrung der Einzelinteressen der Staatsbürger gegenüber der G. grundsätzlich in dem Verfahren zu betätigen ist, das der Staat für die Durchsetzung von Rechtsansprüchen je nach ihrer Zugehörig­ keit zum bürgerlichen oder öffentlichen Recht gegeben hat. Endlich ist, wie erörtert, in Bayern die Schutzgewalt, das staatliche Mit­ wirkungsrecht bei Rechtshandlungen der G., soweit eS in ganz be­ stimmten Fällen besteht, keine Staatsaufsicht int Sinne des Ge­ setzes. Treffend ist jedoch auch für die Rechtsaufsicht und die Pflichtenaufsicht in Bayern der von Hensel betonte Gedanke, daß die Auslösung der Staatsaufsicht und ihr Handeln nicht nur be­ stimmt werden darf durch die Rücksicht auf die Bolksgesamtheit (den Staat), sondern gerade durch die Rücksicht auf die Wahrung des „besseren Selbst" der Gemeinde. **) Der Begriff der „Gesetzwidrigkeit" in Art. 601 deckt sich (vgl. die Fußnote S. 247) mit dem Begriffe der „Rechtswidrige tat" in Art. 17II.

gehört nicht nur die Erfüllung der Aufgaben und Obliegenheiten, welche der G. im Gesetz oder auf Grund des Gesetzes, sei es im eigenen (s. insbes. Anm. 3 a und c zu Art. 28 S. 326, 328), sei es im übertragenen Wirkungskreis (s. Anm. 2 b zu Art. 50) als Pflicht auferlegt find, es gehört dazu auch der Vollzug der Weisungen der Sachaufsichtsbehörde (vorst. Anm. 1 a, dann insbes. Anm. 2 a zu Art. 50), endlich aber auch (vgl. S. 144) die Sorge für den ordnungsmäßigen Gang der Geschäfte und das Treffen der dazu erforderlichen EinrichMngen (Art. 27). Es gehört dazu auch die Er­ füllung von zwingenden Ordnungsvorschriften und zwar selbst dann, wenn von deren Einhaltung die Rechtswirksamkeit der Rechtsakte nicht abhängig ist, wie dies z. B. in Art. 22, 23, 24 (s. Anm. 1b zu Art. 23 S. 300) oder in Art. 421 (s. Anm. 9 a zu Art. 42 S. 460) der Fall ist. Dagegen hat die Staatsaufsichts­ behörde (abgesehen von der Darlegung der Anschauung und des Rates, s. darüber die nachf. Anm. 5) keine Befugnis in Aus­ übung ihrer Staatsaufsicht, der G. im eigenen Wirkungs­ kreis in Ermessensfragen, in Fragen der Zweckmäßigkeit hineinzureden oder hier eine Verfügung zu treffen, die über einen für die G. unverbindlichen Rat hinausgeht (s. hier S. 144, 145). Dies gilt sowohl für die Frage, ob sich die G. einer bestimmten freiwilligen Aufgabe widmen will oder nicht (vgl. Anm. 2 zu Art. 28 S. 324), wie auch für die Frage, in welcher Art die G. diese freiwillige Aufgabe erfüllt, wenn die G. nur (s. die erw. Anm.) die Schranken des Gesetzes einhält und diese Aufgabe in ordnungsmäßigem Gang der Geschäfte betätigt. Es gilt weiter für die Frage, in welcher Art eine G. eine Pflichtaufgabe erfüllt, wenn der von der G- eingeschlagene Weg nur den vom Gesetz (s. Anm. 3 zu Art. 28 S. 328, 329) geforderten Zweck erreicht und die Art der Erfüllung der Aufgabe tnt ordnungsmäßigen Gang der Geschäfte erfolgt. Das Gesetz sagt in mehreren Fällen, daß Bestimmtes geschehen soll, so in Art. 221 S. 2, daß in G.n mit mehr als 3000 Ein­ wohnern ein vorberatender Ausschuß bestellt werden soll und daß bestimmte Gegenstände dort vorberaten werden sollen, in Art. 791, daß die im G.dienst verwendeten Kräfte unter gewissen Voraus­ setzungen als G.beamte angestellt werden sollen, in Art. 95, daß Bewerber, die erheblich kriegsbeschädigt sind oder mehr als zwei Jahre Kriegsdienst in der vorderen Linie geleistet haben, bevor­ zugt werden sollen. Beachtet die G. eine solche Sollvorschrift nicht, so liegt kein Verstoß gegen eine gesetzliche Pflicht vor. Die Staatsaufsichtsbehörde kann die Einhaltung einer Sollvor­ schrift nicht erzwingen. Doch ist es nicht ausgeschlossen (vgl. S.288), daß die Nichtbeachtung solcher Sollvorschriften in Zusammen­ hang mit anderen Umständen zur Prüfung der Staatsauf­ sichtsbehörde zu führen hat, ob der Gang der Geschäftsführung der G. „ordnungsmäßig" im Sinne des Art. 271 ist.

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I. Gemeindeordnung.

f) Hur Gesetzmäßigkeit in dem hier in Frage stehenden Sinne gehört jedoch endlich auch gemäß Art. 601 die Erfüllung über­ nommener Verpflichtungen, also solcher Verpflichtungen, welche der G. nicht durch das Gesetz oder auf Grund Gesetzes auf­ erlegt sind, sondern deren Erfüllung die G. freiwillig übernommen hat. Dies kann durch Vertrag oder durch Verpflichtung besonderer Art geschehen sein. Die Verpflichtungen können aus dem Rechtsgebiete des bürgerlichen Rechts wie des öffentlichen Rechts liegen. Für das Gebiet des bürgerlichen Rechts gilt (s. Dorst. Anm. 1 d) schlechthin der Grundsatz, daß für den Fall des Streites der Weg einzuschlagen ist, den das Gesetz zur Austragung des Rechtsstreites gegeben hat, also der Weg zu den bürgerlichen Gerichten. Soweit die G. sich auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts bewegt, unterliegt sie grundsätzlich keiner Staatsaufsicht (Kahr II, 36; Roesch S.3I1, dann mit Verweisung auf BGH. 6, 83; 19, 188 und 39, 89; VGH. vom 28. Sept. 1927, Nr. 361/27, auch BGVZ. 1928, 17). Nur soweit solche Ansprüche des bürgerlichen Rechts liquid, also wenn sie von der G. unbestritten oder durch die bürgerlichen Gerichte rechtskräftig festgestellt sind, ist ein staatsaussichtliches Verfahren möglich, wie dies auch StM. Dr. Stützel (BerfA. I, 465) erklärt hat. Auch hier besteht nur ein Recht der Staatsaufsichtsbehörde, keine Pflicht (s. nachf. Anm. 4 d), doch berührt sich dieses Recht der Staatsauf­ sichtsbehörde hier mit der in Art. 9II AG.ZPO. und KO. ge­ gebenen Pflicht, auf Antrag eines Dritten dessen rechtskräftige Geldforderung zu vollstrecken. Handelt es sich um Verpflichtungen des öffentlichen Rechts und wird der Anspruch von einem Dritten erhoben, so hat auch hier der Dritte grundsätzlich den Weg einzuschlagen, den das Gesetz zur Austragung des Streites gegeben hat. Nur soweit über den Kreis der Interessen eines einzelnen hinaus das öffentliche Interesse es erfordert, hat die Staatsaufsichtsbehörde einzugreifen (s. borst. Anm. Id). Eine Pflicht der G., den Aufwand für bestimmte Anstalten, Unternehmungen und Einrichtungen zu tragen, die sie als frei­ willige Aufgabe betätigt, mit der Ergänzung, daß zur Änderung eine Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde erforderlich wäre, wie dies in Art. 2 Z. 2, 37 KrO. und Art. 2 Z. 1, 34 Z.5 BezO. bestimmt ist, besteht nicht. Es gibt bei der G. keine frei­ willigen Aufgaben, die, einmal übernommen, eine dauernde, ohne Genehmigung der Staatsaussichtsbehörde nicht mehr lösbare Ver­ pflichtung begründen würden, s. jedoch für den Fall der Auflassung freiwilliger Aufgaben die Anm. 2 zu Art. 28 S. 326. g) Die Staatsaufsicht wendet sich an die verpflichtete G. Der Bezirksfürsorgeverband und die kreisunmittelbare Stadt, der Ortsfürsorgeverband und die dem Bezirksamt unter­ stellte G. sind eine Rechtspersönlichkeit (vgl. Anm. 3 zu Art. 1 S. 146). Auch die Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiete der

Art. 69. Organe der Staatsaufsicht.

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Fürsorge ist eine Verbindlichkeit im Sinne des Art. 601 (BGH. 46, 22; 47/28; 49, 87; Klee-Hechtel S. 193). Für den Vollzug des Art. 60 III ist nur zu beachten, daß verfassungsmäßige Organe der G. int Sinne der nachf. Anm. 3 die S. 146, 147 erörterten Sonder­ vertretungsorgane sind*). h) Keine Staatsaufsicht gibt es in der Ausübung der ver­ waltungsgerichtlichen Tätigkeit der G., soweit es sich um die Rechtsfindung selbst handelt, sei es, daß diese von der BoNversammlung des G.rats oder von einem beschließenden Ausschuß geschieht (s. Anm. 4 a am Ende und Anm. 9 zu Art. 22 S. 289, 294). Die Entscheidungen der G.organe in ihrer verwaltungsgerichtlichen Tätigkeit können nur nach den Vorschriften über das verwaltungSgertchtliche Verfahren nachgeprüft werden Dagegen hat die Staatsuufstchtsbehörde zu überwachen, daß die G. die verwaltungsgerichtlrche Tätigkeit überhaupt ausübt. Sie hat weiter, ohne auf die Rechtsfindung im einzelnen Fall bestimmend eingreifen zu kön­ nen, zu überwachen, daß die Verwaltungs gerichtliche Tätigkeit im allgemeinen sich in den Formen der Gesetze vollzieht.

2. Die Organe der Staatsaufsicht. a; Den Vorschriften über die Aufgaben und die Mittel der Staatsaufsicht und die Rechtsmittel gegen die Maßnahmen der Staatsaufsichtsbehörde in Art. 60 hat das Gesetz in Akt. 69 die Vorschrift vorausgeschickt, welche Behörden zur Staatsauf­ sicht zuständig sind. Nach der Anschauung des Entwurfs (s. Begr. S. 80), dem das Gesetz gefolgt ist, kann die Staatsaufsicht, „wie dies auch die Eingangsworte des Art. 13 SBG. ausgesprochen haben, insbesondere bei der heutigen Zersplitterung der Staatsver­ waltung in der obersten Leitung, nur von einer Stelle aus einheitlich ausgeübt werden, und zwar von dem Staatsminister^.um, dem die Angelegenheiten der G.n in ihrer Gesamtheit anvertraut sind", also vom Staatsministerium des Innern. Ist ein anderes Ministerium an der Angelegenheit beteiligt, so erläßt das StMdJ. seine Entscheidung im Benehmen mit diesem Ministerium (vgl. Begr. S. 80). Nach außen tritt jedoch nur das StMdJ. her­ vor; dieses allein ist verantwortlich.

b) Nach § 57III VU. handhabt „das Ministerium" ,^ruch in den gesetzlichen Schranken die Oberaufsicht über die Selbstverwal*) Die Zuständigkeit des VGH. erstreckt sich nach dessen Meinung nicht darauf, ob die Hilfsbedürfügkeit gegeben ist. Diese Frage ist nach der Beurteilung des BGH. eine Frage des Berwaltungsermessens gemäß Art. 13 I Z. 3 BGG. (BGH. 49, 86; und Zu­ sammenstellung bei Brigel, Bayer. Fürsorgeblätter 1928, 440). Die Erörterung, ob das richttg ist, muß anderer Stelle Vorbehalten werden.

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I. Gemeindeordnung.

tung der G.n und G.verbände"*). Die Bestimmung steht in g 57, der vom Gesamtministerium handelt und man muß deshalb fragen, ob denn nicht nach dieser Bestimmung der BU. das Gesamt­ ministerium (der Ministerrat) die oberste Stelle der Staats­ aufsicht über die G.n sei, wie dies Nawiasky S. 218, 219 annimmt. Demgegenüber ist zu sagen, daß die BU. gegenüber §571 und II, wo vom „Gesamtministerium" gesprochen wird, in Abs. III den Aus­ druck wechselt und die Bezeichnung „Ministerium" wählt, das dem Worte „Ministerien" im Gegensatz zum „Gesamtministerium" in § 61 BU. entspricht. Die BU. gibt, den Umständen ihrer Entstehung entsprechend**), in vielen wichtigen Punkten zu Zweifeln Anlaß. Die Zweifel können nur durch den Zusammenhalt der Bestimmun­ gen gelöst werden. Die grundlegende Bestimmung hat die BU. in § 58 HI S. 1 und 2 gegeben, wonach jeder Minister einen be­ stimmten Geschäftskreis zu verwalten hat und die Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze vom Gesamtministerium unter die Ministerien zu verteilen sind. Staatsministerium für G.angelegenheiten ist je­ doch das StMdJ. (§ 75 der FormationsB, v. 9. Dez. 1825, Döllin­ ger II, 351, Weber II, 261, Binder, Formationsverordnungen S. 12). Den Bedenken, die jedoch mit Rücksicht auf das Wort „auch" in § 57 III BU. gleichwohl bestehen, ist entgegenzuhalten, daß die GO. (s. hier S. 130) und damit auch der § 59 GO., der als oberste Stelle der Staatsaufsicht das StMdJ. bestimmt, vom Landtag mit 90 gegen 26 Stimmen angenommen worden ist, daß sonach auch die gemäß § 92 BU. zu einer Änderung der Ber­ fassung erforderliche Zweidrittelmehrheit der gesetz­ lichen Mitgliederzahl des Landtags (damals 129) gegeben war. 3. Der Gegenstand der Staatsaufsicht. Die Staatsaufsicht wendet sich stets an die Gemeinde als öffentliche Körperschaft (anders die Dien st aufsicht, die sich gegen die einzelnen Personen im Dienste der G. richtet, s. Anm. 5 a zu Art. 50, S. 564). Gegenstand der Staatsaufsicht ist stets das Verhalten (Tun oder Unterlassen) der verfassungsmäßigenOrganederG. Das ist grundsätzlich der G.rat, es können dies aber (s. S. 184), soweit ihnen die verfassungsmäßige Bertretungs-

*) Mit dem Ausdruck „Oberaufsicht" kann wohl nur die „Auf­ sicht in der obersten Stelle" gemeint sein. Auch die Kreisregierun­ gen führen über die mittelbaren G.n die „Oberaufsicht". **) Den Verhandlungen im BerfA. (s. Beilage 324 der Land­ tagsdrucksachen 1919 S. 175 = Beil. Bd. II, 247) ist Sachdienliches nicht zu entnehmen. Die Beratung des BerfA. über diese Bestim­ mung (§ 68 des Entwurfs) erfolgte am 9. Juli 1919. Unmittel­ bar zuvor, am 22. Mai 1919, war vom damaligen Minister­ rat der Entwurf des SBG. zum Gesetz erhoben worden und in diesem Gesetz war in Art. 131 bestimmt, daß die Staatsaufsicht „unter der obersten Leitung des StMdJnn ern ausgeübt wird".

Art. 59. Auslösung der Staatsaufsicht.

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macht für die G. zusteht, auch der 1. B. im Rahmen seiner selbstän­ digen Befugnis nach Art. 171 sein (BGH. 44,42; StM. Dr. Stützel, BerfA. I, 466), weiter die Stellvertreter des 1. B. nach Art. 18, auch ein beschließender Ausschuß (Senat) nach Art. 221 (vgl. dazu die Anm. 16d zu Art. 60), auch ein Sondervertretungs­ organ, s. Anm. 3 und 4 zu Art. 1 S. 146 ff. und vorstehende Anm. 1 g.

4. Die Auslösung der Staatsaufsicht. a) Für das Wirken der Staatsaufsicht ist ihre allgemeine Aufgabe und ihre Auslösung zu einzelnen Maßnahmen zu scheiden. Die Staatsaufsicht besteht ohne Rücksicht auf ihre An­ rufung, sie wird von Amts wegen betätigt und das Recht und die Pflicht zur Überwachung besteht ununterbro­ chen*). Staatsaufsicht ist jedoch Verwaltung reinster Ausprägung **), bei der grundsätzlich (s. die nachf. Anm. 4d) das Ermessen ent­ scheidet, ob eingegriffen wird und tn welcher Art, „ob und in welchem Umfang und in welcher Weise von dem Rechte der Staatsaufsicht innerhalb der Grenze der gesetzlichen Zulässigkeit Ge­ brauch zu machen ist" (Klee-Hechtel S. 191). Die Staatsaufsicht ist in ihren Mitteln durch das Gesetz (Art. 60) gebunden. Welches der zulässi­ gen Mittel sie jedoch anwendet, steht in ihrem pflichtmäßigen Berwaltungsermessen. Deshalb kann auch die der unteren Staatsaussichts­ behörde übergeordnete höhere Verwaltungsbehörde nachprüfen, ob es zweckmäßig war, aus der Befugnis der Staatsaufsicht einzelne Maßnahmen auszulösen und ob gerade das von den verschiedenen Mitteln gewählte. Mittel zweckmäßig war. Die Frage, ob das staatsaufsichtliche Einschreiten und das gewählte Mittel nötig und zweckmäßig ist, ist ebenso eine Frage des Berwaltungsermessens, wie die Würdigung, ob die G. genü­ gend leistungsfähig ist, die von der Staatsaufsichtsbehörde angesonnene, der G. nach dem Gesetze zukommende Obliegenheit zu erfüllen, s. darüber die Anm. 3e zu Art. 28, S. 329 und ins­ besondere die Fußnote dort. Daß die Zulässigkeit des staatsauf­ sichtlichen Einschreitens nicht von der Leistungsfähigkeit der G. ab­ hängt, ist auch im BerfA. I, 465 durch Unterlassung jeder Be­ schränkung im Gesetz klargestellt worden. Was für die Auslösung *) Wie dies zutreffend Fleiner, Institutionen, 8. Aufl. S. 116, mit den Worten sagt: „Die zuständigen Staatsbehörden haben diese Aufsicht ununterbrochen und von Amts wegen, nicht etwa erst auf Beschwerde hin, zu betätigen." **) „Für alle Staatsaufsicht" gilt, „daß sie nur dann eine lebensfördernde Einrichtung ist, wenn sie als Berwaltungskunst be­ handelt wird" (Luther, Die Stadt als Teil des neuen Staates, in Luther-Mitzlaff-Stein, Die Zukunftsaufgaben der deutschen Städte S. 57).

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I. Gemeindeordnung.

der Staatsaufsicht gilt, gilt auch für das angewandte Mittel. Insbesondere steht es rein im Berwaltungsermessen, ob die Staatsaufsichtsbehörde eine vorläufige Anordnung nach Art. 60IV trifft und vom Zwangsvollzug (Art. 60 V) absieht oder nicht. Da es sich in der Handhabung der Staatsaufsicht um reine Verwaltungsmaßnahmen handelt, kann die übergeordnete Staatsaufsichtsbehörde an die unterstellten Staatsauffichtsbehörden Dienstanweisungen geben über die Art der Führung der Staatsaufsicht, z. B. über die Art^ Häufigkeit, den Umfang der Besichtigungen, auch über die jeweils anzuwendenden Mit­ tel (s. Anm. 13 zu Art. 60, weiter insbes. die Fußnote bei S. 329, 330.). Aus dem gleichen Grund kann gegen die Maß­ nahme der unteren Staatsaufsichtsbehörde die Überordnüngsgewalt der höheren Staatsaufsichtsbehörde angerufen werden. Diese Anrufung ist an keine Frist gebunden. Sie kann jeder Zeit und zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens erfolgen, sie kann aber, wenn nicht die übergeordnete Staatsaufsichtsbehörde dies verfügt, den Fortgang des ein geleite ten staatsaufsichtlichen Verfahrens nicht hemmen. Anderseits ist die übergeord­ nete Staatsaufsichtsbehörde befugt, jeder Zeit, auch ohne Anrufen der G. in das staatsaufsichtliche Verfahren einzu­ greifen, das Verfahren zu hemmen, zu beendigen und die un­ tere Staatsaufsichtsbehörde mit bindender Weisung zu versehen. Dies gilt für die Auslösung und den Fortgang des Verfahrens, wie für das angewandte Mittel. Hebt die übergeordnete Staats­ aufsichtsbehörde eine staatsaufsichtliche Verfügung, ins­ besondere einen Beschluß nach Art. 60III auf, so ist der Staats­ akt nicht mehr vorhanden und die Anfechtungsklage der G. nach Art. 60VI hat ihre Grundlage verloren. Das kann auch in der Zeit erfolgen, in der diese Anfechtungsklage beim BGH. anhängig ist. Dann ist dieses Verfahren beendigt und es sind vom BGH. nur die Akten zurückzugeben. b) Das staatsaufsichtliche Einschreiten wie das angewandte Mittel muß gesetzmäßig sein. Ob dies der Fall ist, hat zunächst die Staatsaufsichtsbehörde zu prüfen. Auch in dieser Richtung, in der Frage der Gesetzmäßigkeit des Verhaltens der Staatsaufsichtsbehörde (nicht nur hinsichtlich der in vorst. Anm. a erörterten Zweckmäßigkeit) ist die Anrufung der ttberordnungsgewalt der höheren Staatsaufsichtsbehörde zulässig. Auch hier gilt für die Art und Frist der Anrufung, das selb­ ständige Eingreifen der höheren Staatsaufsichtsbehörde, für die Befugnis zur Sachweisung an die untergebene Behörde und die Wirkung für den Fall der Aufhebung der staatsaufsichtlichen Ver­ fügung das, was in vorst. Anm. a hinsichtlich der Zweckmäßig­ keit der Maßnahmen ausgeführt ist. c) Die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Staatsaufsichtsbehörde kann jedoch nicht nur von der übergeordneten Staatsauf-

Art. 69. Berwaltungsermessen.

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sichtsbehörde nachgeprüft werden. Der G. ist im Rahmen des Art. 60 VI der Weg gegeben, die Wirksamkeit der Maßnahme der Staatsanfsichtsbehörde durch Klage zum unabhängigen Berwaltungsr ich ter anzufechten. Der VGH. kann aber nur über die Rechtmäßigkeit (borst. Anm. b), nicht über die Zweck­ mäßigkeit (borst. Anm. a) entscheiden. Das Nähere siehe in Anm. 43 zu Art. 60. d) Die Staatsaufsichtsbehörde hat das Recht zur Staats­ aufsicht und zu staatsaufsichtlichen Maßnahmen. Der Art. 59 gibt der Staatsaufsichtsbehörde mit dem Rechte auch die allge­ meine Pflicht. Dagegen besteht keine Pflicht der Staatsaufsichts­ behörde zu einer bestimmten Auslösung dieser Ob­ liegenheit, zu bestimmten einzelnen Maßnahmen zu­ gunsten eines Dritten. Die Handhabung der Staatsaufsicht steht im Berwaltungsermessen, das allerdings nicht durch Willkür, sondern durch das allgemeine pflichtmäßige Verhalten bestimmt wird, wie es alle Behörden zu betätigen haben, denen eine Aufgabe der Verwaltung übertragen ist. Die Staatsaufsichtsbehörde kann, wie dies Art. 60 I sagt, ihre Staatsaufsicht zu einzelnen Maß­ nahmen auch zugunsten eines Dritten auslösen, sie m u ß aber nicht. Kein Dritter, auch kein G.angehöriger, hat einen Rechtsanspruch auf die Staatsaufsicht überhaupt oder einen Anspruch auf eine bestimmte Auslösung der Rechts- oder Pflichtenaufsicht. Ein solcher Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Tätiawerden der Staatsaufsichtsbehörde ist nur gegeben, wenn ihn das Gesetz besonders bestimmt hat. Das ist nur hinsichtlich der Zwangsbollstreckung wegen Geldforderungen durch Art.9 AG.ZPO. und KO. der Fall.*) Im übrigen ist das Berwaltungs­ ermessen der Staatsaufsichtsbehörde uneingeschränkt. „In der Handhabung dieser Amtspflicht" ist „die Staatsaufsichtsbehörde nur dem Staate und den borgesetzten Dienststellen gegenüber verantwortlich" (BGH. 29, 14). Der Dritte kann die Aus­ lösung der Staatsaufsicht anregen (bgl. Kahr II, 49 Anm. 14 g, II, 120 zu Fußnote 29), er kann sie jedoch nicht o^rlangen.**) DaS Vorbringen des Dritten kann die Staatsaufsichtsbehörde „veranlassen und bielleicht auch ihr Anhaltspunkte bieten" (BGH. 12, 142), das staatsaufsichtliche Verfahren einzuleiten. Aber der *) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Maßnahme der Zwangsbollstreckung eine staatsaufsichtliche Maßnahme im eigent­ lichen Sinne des Begriffs ist. Das Gesetz hat jedoch die Boll­ streckungshandlungen gegen die G. wegen Geldforderungen den Staatsaufsichtsbehörden zugewiesen und zur Durchführung die An­ wendung der Mittel der Staatsaufsicht angeordnet. ♦*) Er hat keinen Rechtsanspruch auf die Auslösung, deshalb kann man auch streng genommen nicht bon einem „Antrag" des Dritten, sondern nur bon einer „Anregung" des Dritten sprechen-

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I. Gemeindeordnung.

Anregende hat kernen Rechtsanspruch auf Beginn und Fortgang wie auf das anzuwendende Mittel, er ist in dem verwaltungs­ gerichtlichen Verfahren, das sich allein zwischen der Staatsaufsichtsbehörde und der G. abspielt, unbeteiligt (BGH. 29, 14 s. Anm. 43 a zu Art. 60). Darum haben auch Dritte niemals ein Beschwerderecht zum BGH. gegen einen in diesem Verfahren nach Art. 60III ergehenden Beschluß der Staatsaufsichtsbehörde (s. Anm. 43 b zu Art. 60). Darum kann (s. BGH. 27. Dez. 1926 Nr. 129 III/26, BVBl. 1927, 139) der Landesfürsorgeverband keine Beschwerde zum BGH. (wohl jedoch zum Staatsministerium des Innern) einlegen, weil die Kreisregierung in der Staats­ aufsicht über die Bezirke es bescheidsgemüß abgelehnt hat, den Bezirk als Bezirksfürsorgeverband zu einer bestimmten Leistung für verpflichtet zu erklären. Endlich kann niemals ein Dritter aus dem Tun oder Unterlassen der Staatsaufsichtsbehörde einen Anspruch auf Schadenersatz nach §839 BGB. ableiten; denn ihm (dem Dritten) gegenüber wird nie eine Amtspflicht verletzt (im Ergebnis ebenso BGH. 29, 14). Die Staatsaufsichtsbehörde ist für ihr Handeln und Unterlassen im Vollzug der Staatsaufsicht dem Staat und denihrübergeordneten Dienststellen verantwortlich. Diesen gegen­ über besteht eine Pflicht der Behörde, deren Umfang und Auslösung durch die Pflicht der Verwaltung zur Wahrung der öffentlichen Interessen bestimmt wird. Dies gilt sowohl für den Vollzug der Landesgesetze wie der Reichsgesetze. Die Reichsgesetze werden grundsätzlich durch die Landesbehöroen ausgeführt, soweit nicht die Reichsgesetze etwas anderes bestimmen (Art. 14 RV.). Der Reichsregierung steht zwar eine unmittelbare Einwirkung auf die einzelne Landesbehörde für den einzelnen Fall nicht zu, da eine Ein­ wirkung der Reichsregierung (also nur des Reichskabinetts), abge­ sehen von den aUgemeinen Anweisungen und abgesehen von Beauf­ tragten, die mit Zustimmung der Landeszentralbehörden zu den unteren Behörden abgeordnet werden, nach Art. 15 RB. nur auf die Landesregierung (also das Gesamtministerium) zulässig ist. Aber die Landesbehörden haben die Reichsgesetze und die auf Grund der Gesetze ergangenen Verordnungen, wie die allgemeinen Berwaltungsvorschnften nach Art. 77 RB. zu vollziehen und sie sind zum Handeln verpflichtet, soweit ein öffentliches Interesse besteht. Ver­ letzt also z. B. eine Gemeinde die ihr durch Reichsgesetze, z. B. das Reichswahlgesetz, das RG. über die Wahl des Reichspräsidenten, das RG. über den Volksentscheid (vgl. Anm. 3 zu Art. 50) gegebenen Verpflichtungen, so ist, soweit das öffentliche Interesse und der sach­ gemäße Vollzug der Reichsgesetze es erfordert fund das wird hier grundsätzlich stets der Fall fein] die Staats aufsichtsbehörde zum Handeln verpflichtet. e) Die Auslösung der Staatsaufsicht ist im allgemeinen zeitlich nicht begrenzt (BGH. 33, 50; Kahr N, 32). Die

Staatsaussichtsbehörde kann handeln, wann ihr der Zeitpunkt gegebm erscheint, die Staatsaufsicht auszulösen und das nach ihrem Ermessen gebotene Mittel anzuwenden. Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz enthält Art. 46 III S. 4; s. darüber die Anm. 17 b zu Art. 46 S. 527 ff. I) Die Kosten der Tätigkeit der Staatsaufsichts­ behörde fallen grundsätzlich, soweit es sich um den allgemeinen Aufwand hierfür handelt, endgültig dem Staat zur Last (vgl. für die Prüfung der Kassen- und Rechnungsführung die ME. v. 28. Juni 1870, Weber 8, 630, zusammen mit der ME. v. 28. Mai 1870, Weber 8, 575). Dagegen fallen die besonderen Kosten (Auslagen), wenn es sich um außerorden tliche M aßn ahmen handelt/die durch das Verschulden einer G. notwendig geworden find, der G. zur Last. Dazu zählen in solchen Fällen sowohl Kosten (Auslagen), die notwendig geworden sind, um der Staatsauffichtsbehörde für ihre staatsaufsichtlichen Maßnahmen die Grundlage zu geben, wie solche Kosten (Auslagen), die zum Vollzug staatsauffichMcher Beschlüsse und vorläufiger Anordnungen (vgl. Anm. 41 unten zu Art. 60) erforderlich sind. Unter die Fälle der ersteren Art sind die Kosten besonderer örtlicher Untersuchungen einzureihen, wie z. B. die Kosten einer durch den Prüfungsverband öffentlicher Kassen vor­ genommenen besonderen örtlichen Prüfung, die durch das Verhalten einer G. in der Führung ihrer Sparkasse notwendig geworden und durch die Staatsaufsichtsbehörde angeordnet worden ist. Diese Aus­ lagen können unter Art. 163 I Ziff. 3, 4 oder 6 des Kostenges. (GBBl. 1921, 174) fallen und sind nach Art. 163 II dieses Gesetzes geschuldet, selbst wenn das staatsaufsichtliche Verfahren nach Art. 3 dieses Gesetzes gebührenfrei ist. Doch können nach Art. 163 II dieses Gesetzes auch in solchen Fällen die Post- und Telegraphengebühren, sowie die Borlade- und Zustellgebühren (Art. 1631 Ziff. 1 und 5) nicht erhoben werden. Für die Entscheidung der Streitigkeiten gel­ ten, sowohl wenn die Kreisregierungen (Reg. K. d. I.) wie wenn die Bezirksämter als Staatsaufsichtsbehörden tätig sind, die Art. 173 II, V, VI des Kostenges. Die Zuständigkeit des VGH. nach Art. 173III dieses Gesetzes ist nicht ausgeschlossen. Alle Maßnahmen, auch die Beschlüsse nach Art. 60 III, find gebührenfrei, soweit sie „unabhängig von dem Verschulden einer Par­ tei im öffentlichen Interesse von Amts wegen gepflogen werden" (Art. 3 Ziff. 1 des KostenGes. v. 16.Febr.1921, GBBl. S. 134). Eine ganz andere Sache ist es, daß die Entscheidungen des VGH. über die Anfechtungsklage nach Art. 60 VI, wenn sie die Klage abweisen, aebührenpflichtig sind. Der BGH. ist keine Staatsaufsichtsbehöroe, auch wird er nur auf Klage der Partei (der G.) tätig, s. hierzu die Anm. 43 i zu Art. 60. 5. Die Mittel der Staatsaufsicht. ä) Wie dies auch vom Ber. VevfA. I, 465 richtig gesagt ist, sind die Mittel der Staatsaufsicht in Art. 6011—V gegeben. Dort

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ist die in der Begr. S. 80 erwähnte Darlegung der An­ schauung und der Rat als selbstverständlich nicht genannt,*) wenn auch gerade der Rat und die Hilfe für die Tätigkeit der Be­ zirksämter als Staatsaufsichtsbehörden gegenüber der allergrößten Zahl der ihnen unterstellten mittelbaren G.n**) eine besondere Bedeutung haben. Die Genehmigung als Voraussetzung der Wirksamkeit eines össentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Rechts­ aktes, das staatliche Mitwtrkungsrecht, ist (s. vorst. Anm. Id) in Bayern kein Teil der Staatsaufsicht. Weiter kennt die GO.***), wie das SVG., keine Befugnis der Staatsaufsichtsbehör­ den zur Bestätigung der leitenden Amtsträger der G., ins­ besondere der Bürgermeister, wie dies nach früherem Rechte (hinsichtlich der Bürgermeister und der rechtskundigen Magistrats­ räte nach Art. 78 rrh. GO. von 1869 und hinsichtlich der Bür­ germeister und Adjunkten nach Art. 57 Pf. GO. von 1869) der Fall war f). Auswirkungen der Staatsaufsicht im weiteren Änne, jedoch von der Staatsaufsicht im engeren Sinne nach Art. 59 und 60 zu trennen, sind auch die Befugnisse der Staatsaufsichtsbehörde nach Art. 2011 und III, wenn der G.rat beschlußunfähig wird. Eine Zwangsauflösung des G.rats durch die Staatsaufstchtsbehörde-fl-) dagegen kennt die GO. auch im Falle schwerer Pflichtverletzung der Mitglieder des G.rats nicht.

*) Die neue Gemeinde- und Kreisordnung für Thüringen v. 8. Juli 1926 hat (s. Knauth im Archiv des öffentlichen Rechts 1928, Bd. 53, neue Folge Bd. 14 S. 112, auch „Deutsche Berwaltungskarthotek" XII S. 2) den Staatsaufsichtsbehörden das Recht der Beratung für alle Fragen des kommunalen Le­ bens ausdrücklich eingeräumt. Das bayerische Gesetz führt in Art. 60 nur die Mittel auf, die sich auch gegen den Willen der G. durchsetzen. **) Zwischen denen, wie Hensel, Kommunalrecht und Kommu­ nalpolitik in Deutschland, S. 45 treffend sagt: „der latente Kriegs­ zustand, wie er zwischen größeren kommunalen Körperschaften und dem Staat nicht wegzuleugnen ist, sehr viel weniger Platz gegrif­ fen hat". ***)Das ist dagegen nach anderen Gesetzen der Fall z. B. nach § 4 II, III des Personenstandsgesetzes, über die Zweifelfragen hier­ über s. Sauer, Personenstandsg. S. 14f. Auch die Bestellung der Stellvertreter des 1. B. als Vorsitzenden des städtischen Bersicherungsamts bedarf nach § 39 II RBO. der Zustimmung des Ober­ versicherungsamts. t) Die Verwahrung gegen die Wahl nach Art. 76 ist rechtlich etwas ganz anderes, s. Vordem, zu Art. 76 der „Wahl­ rechtlichen Bestimmungen" S. 105. ft) Wie sie auch neuerlich noch die Gemeinde- und Kreisord­ nung für Thüringen v. 8. Juli 1926 Vorsicht.

Art. 59. Die Mittel der Staatsaufsicht.

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b) Ob die Staatsaufsichtsbehörde ein bestimmtes der in Art. 60 II—IV genannten Mittel anwendet und welches, steht in ihrem pflichtmäßigen Ermessen (f. Vorst. Sinnt. 4 a und nachf. Sinnt. 11). Die Staatsaufsichtsbehörde hat (auch nach Weisung der übergeordneten Staatsaufsichtsbehörde) zu entscheiden, welche Beamte sie zur Ausübung verwenden will. Es ist ihrem Ermessen anheim gegeben, zu entscheiden, wie sie sich die sachlichen Grundlagen zur Aus­ übung der Staatsaufsicht verschaffen will (BGH. 28. Dez. 1927 Nr. 42 1/27). Die Staatsaufsichtsbehörde kann auch Sach­ verständige beiziehen. Sie kann z. B., wenn nach ihrem Ermessen zur Beurteilung der Tätigkeit einer gemeindlichen Sparkasse eine besondere längere technische Prüfung notwendig ist, den Prüfungs­ verband öffentlicher Kassen damit betrauen, ihr die Unterlagen zur aufsichtlichen Würdigung zu beschaffen, über die Kostensrage s. Vorst. Sinnt. 4 k. H. Die behörden.

Nachprüfung der

Maßnahmen der Staatsaufsichts­

über die Stellungnahme der höheren Staats­ aufsichtsbehörden zu den Maßnahmen der ihnen untergebenen Behörden und Stellen s. vorst. Sinnt. 4a und b, über die Anfechtungsklage nach Art. 60VI s. vorst. Sinnt. 4 c und die Sinnt. 43 zu Art. 60. 7. Die BerfassungSbeschwerde..

a) Die G. ist im Sinne des §931 S. 1 BU. eine juristische Person, die in Bayern ihren Sitz hat. Wie dies auch die Be­ gründung zum Entwurf des Ges. über den Staatsgerichtshof sagt, sind damit sowohl die juristischen Personen des bürgerlichen Rechts, wie des öffentlichen Rechts umfaßt. Die G. hat deshalb das Recht der Beschwerde an den Staatsgerichtshof, wenn sie glaubt, durch die Tätigkeit einer Behörde in ihrem Rechte un­ ter Verletzung der bayerischen Verfassung geschädigt zu sein. Als Behörde in diesem Sinne kann auch die Staatsaufsichtsbehörde oder Sachaufsichtsbehörde in Betracht kommen. Denn die VU. gewährlei­ stet in §221©. lu. 2 das Selbstverwaltungsrecht nach Maßgabe der Gesetze. Denkbar ist auch eine Berfassungsbeschwerde wegen Ver­ letzung des in §22IS.3 den G.n gewährleisteten Rechtes, ihren Be­ darf durch öffentl. Abgaben im Nahmen der Gesetze zu decken, oder eine Verfassungsbeschwerde unter Bezugnahme auf § 22 V, weil Ver­ mögen der G. zum Staatsvermögen gezogen wird. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn das StMdF. eine oder alle G.n in Steuer­ an teilen kürzen würde, die einer oder allen G.n nach den Ge­ setzen zustehen. b) Die Berfassungsbeschwerde ist nach § 931 S. 2 nur zu­ lässig, wenn vorher ohne Erfolg beim „Ministerium" Abhilfe nachgesucht oder der Rechtsweg erschöpft ist. über die Formvoraussetzungen der Beschwerde und über das Verfahren

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s. §§ 42—48 des Ges. über den Staatsgerichtshos v. 11. Juni 1920 (GBBl. S. 323, von Jan S. 235ff.; Kratzer S. 300ff.). Nach der ständigen Rechtsprechung des StGH. (s. von Jan Anm. 10 zu § 93, S. 174) ist eine Berfassungsbeschwerde gegenüber rechts­ kräftigen Entscheidungen der Bertpaltungsgerichte un­ zulässig. Hat also in einer Anfechtungsklage nach Art. 60 VI der BGH. entschieden, so kann der StGH. im Falle einer Berfas­ sungsbeschwerde nur noch prüfen, od über das Recht, dessen Ver­ letzung behauptet wird, in der Entscheidung des BGH. schon ent­ schieden ist oder ob ungeachtet dieser Entscheidung für die Ent­ scheidung der Frage der Berfassungsverletzung noch Raum ist (ebenso von Jan a. a. £).). Anderseits kann der StGH. nur ent­ scheiden, wenn der RechtsweL erschöpft ist, also wenn die G. gegen die staatsaufsichtliche Verfügung das Rechtsmittel des Art. 60 VI GO. ergriffen hat, soweit dieses Rechtsmittel nach die­ ser Bestimmung gegeben ist. Weiter ergibt sich aber aus §931 S. 2 VU. für alle staatsaufsichtlichen Verfügungen, daß die Berfassungsbeschwerde nur zulässig ist, wenn vorher ohne Erfolg beim StMdJ.*) „Abhilfe nach gesucht", also gegen die staatsauf­ sichtliche Verfügung die Überordnungsgewalt dieses StM. (vgl. borst. Anm. 4 a und b) angerufen worden ist. Der Staatsgerichtshos hat nur zu prüfen, ob die Tätigkeit einer Staatsbehörde unter Verletzung der Verfassung ein Recht geschädigt hat. Ob die Behörde von ihrem Ermessen richtigen Gebrauch gemacht hat**), hat der Staatsgerichtshos nicht zu würdigen, dagegen kann (E. b. StGH. v. 27.Juli 1924 bei von Jan Anm. 6 zu § 93) vom Staatsgerichtshos im Rahmen seiner Zuständigkeit geprüft werden, ob der Behörde (im besonderen der Staats- oder Sachaufsichtsbehörde) eine Entscheidung nach freiem Berwaltungsermessen zustand. Gefordert ist endlich in § 931 S. 2 VU., daß eine Rechtsschädigung eintrat und daß die Verletzung der bayerischen VU. für diese Rechtsschädigung kausal war, s. dazu von Jan Anm. 8 S. 173 und Kratzer Anm. 9 S. 231. c) Wird einer Berfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist nach § 47II des Ges. über den Staatsgerichtshos im Beschluß dieses Gerichtshofs festzustellen, „welche Verfassungsbestimmung verletzt wurde, durch welche behördliche Tätigkeit die Verletzung erfolgt ist

*) Wie in § 57 III VU. (vgl. Vorst. Anm. 2 b) ist in § 931 S. 3 BU. unter „Ministerium" nicht das Gesamtministerium nach § 571 und II VU., sondern das „zuständige Ministerium" nach § 58III BU. zu verstehen, wie dies auch § 42III S. 1 des Ges. über den Staatsgerichtsh-of ausspricht. **) Die gleiche Rechtslage ist für den Staatsgerichtshos des Deutschen Reichs gegeben MGZ. 122 (1925), Anhang S. 1 ff.; vom 9. Juli 1928, DIZ. 1928, 1430 (Drews)).

Art. 59. Verfassungsbeschwerde. Art. 60.

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und welches Recht des Beschwerdeführers geschädigt wurde". Wie von Jan S. 238 zutreffend sagt, hat der Staatsgerichtshof nur die Rechtslage festzu st e l len. Der Beschluß des Staats­ gerichtshofs kann eine staatsaufsichtliche Verfügung weder aufheben noch abändern. Dies kommt in Staatsaufsichtsangelegenheiten dem StMdJ., bei Angelegenheiten der Sachaufsicht dem für die Sach­ aussicht zuständigen StM., bei sonstigen Staatsakten dem nach § 58 m BU. zuständigen StM. zu. Sie sind an die Entscheidung des Staatsgerichtshofes gebunden.

Art. 60. 'Die Staatsaufsichtsbehörde1 kann" gesetzwidrige3 Be­ schlüsse 4 ändern oder aufheben3 und die Erfüllung3 der gesetzlichen1 und übernommenen3 Verpflichtungen der Ge­ meinde erzwingen. "DieStaatsaufsichtsbehörde10 sonn11 znr Durchführung ihrer Befugnisse" Anstalten und Einrichtungen der Ge­ meinde besichtigen,13 die Geschäfts- nnd Kassenführung prüfen14 sowie Berichte nnd Akten einfordern.13 »l13 Verweigert11 die Gemeinde13 innerhalb einer ihr gesetzten Frist" die Änderung oder Zurücknahme33 gesetz­ widriger Beschlüsse,31 so ändert die Staatsaufsichtsbehörde diese Beschlüsse oder hebt sie auf.33 33 Bestreitet die Gemeinde34 innerhalb einer ihr gesetzten Frist35 die gesetzliche Verpflich­ tung 33 oder gibt sie innerhalb dieser Frist keine Erklärung ab31 oder verweigert sie die Erfüllung der unbestrittenen Verpflichtung,33 so beschließt33 die Staatsaufsichtsbehörde. IV Die Staatsaufsichtsbehörde kann30 in den Fällen des Abs. III31 vorläufige Anordnungen33 treffen, insbesondere in dringenden Fällen33 ihre Beschlüsse vor eingetretener Rechtskraft34 vollziehen.33 Zur Erfüllung der endgültig festgesetzten Verpflich­ tungen 36 oder zum Vollzüge der vorläufigen Anordnungen31 kann33 die Staatsaufsichtsbehörde an Stelle der Gemeinde33 den notwendigen Aufwand in den Voranschlag einstellen43 oder die sonst erforderlichen Verfügungen treffen41 und rechtserhebliche Erklärungen abgeben.43 V143 Gegen den Beschluß nach Abs. III44 ist binnen vier Wochen43 Beschwerde43 zum Verwaltungsgerichtshofe41 zu-

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I. Gemeindeordnung.

lässig, wenn die Gemeinde behauptet/^ daß der Beschluß ihr gesetzliches Selbstverwaltungsrecht verletze" oder sie mit einer gesetzlich nicht begründeten Leistung belaste." Gegen vorläufige AnordnungenM oder gegen Verfügungen zum Vollzüge der Verpflichtungen^^ ist binnen gleicher Frist''' Beschwerde" zur nächsthöheren Staatsaufsichtsbehörde" zulässig. Ist diese die Kreisregierung, so entscheidet sie end­ gültig." Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung." RejE. Art. 60; 178 ff., 269.

RegE. Art. 60;

BersA. I, 465ff.,

n. 57f.;

Sten.-

1. Staatsirufstchtsbehörde. Über Begriff und Inhalt der Staatsaufsicht s. Anm. 1 zu Art. 59, über die O r g a n e der Staatsaufsicht dort dre Anm. 2. 2. kann. über Recht und Pflicht zur Staatsaufsicht s. Anm. 4ä zu Art. 59. 3. gesetzwidrig. S. Anm. 1 e zu Art. 59. Die Begriffe der „Rechtswidrigkeit" und „Gesetzwidrigkeit" decken sich. Insbesondere ist (s. S. 247, Fuß­ note) der Begriff der Gesetzwidrigkeit nach Art. 601 gleich dem Be­ griff der Rechtswidrigkeit nach Art. 17 II. Hinsichtlich der rechts­ ungültigen (nichtigen) Rechtsakte und Berwaltungsakte s. nachf. Anm. 4b. 4. Beschlüsse. a) Der RegE., dem das Gesetz folgt, hat sich im allgemeinen an den Wortlaut des Art. 13 SVG., so hier an den Wortlaut des Art. 13II angeschlossen. Das Wort „Beschluß" ist jedoch, hier wie dort, im Sinne von „Rechtsakt" und „Verwaltungsatt" zu verstehen. Gemeint ist der „Rechtsakt" oder „Verwaltungsakt" eines verfassungsmäßigen Organs der G. (s. Anm.3 zu Art.59). Ist er „gesetzwidrig" (s. Anm. 1 e zu Art. 59), so kann die Staats­ aussichtsbehörde ihn aufheben oder abändern. b) Ein Rechtsakt oder Verwaltungsakt der G. kann aber nicht nur „gesetzwidrig" („rechtswidrig") sein, ,er kann rechtsungültig (nichtig) sein, weil er die im Berwaltungsrecht geforderten „wesent­ lichen Elemente" (Fleiner, Institutionen, 8. Aufl. S. 203) eines rechtsgültigen Rechtsaktes oder Verwaltungsaktes nicht besitzt. Dazu gehört ♦) 1. daß das Organ der G. zu einem Rechtsakt oder Berwaltungsakt dieser Art sachlich oder örtlich überhaupt zu-

*) Ich folge hier im wesentlichen Fleiner a. a. O. Fleiner rech­ net noch dazu, daß die „Verfügung" (der Rechts- oder Berwaltungsakt) „etwas anordnet, was tatsächlich und rechtlich unmöglich

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Art. 60. Nichtige Rechtsakte.

ständig war, einen Rechts- oder Berwaltungsakt dieser Art überhaupt vornehmen konnte**), und daß alle rechtlichen Voraus­ setzungen erfüllt sind, welche das Gesetz für einen Rechts- oder Ber­ waltungsakt der vorliegenden Art als unerläßlich**) erachtet, 2. daß der Rechts- oder Verwaltungsakt in die vom Gesetz zwingend vorgeschriebenen Form gekleidet ist und daß die vom Gesetz geforderten wesentlichen Vorschriften über das Verfahren eingehalten worden sind***), 3. daß der Rechtsakt oder Verwaltungsakt nicht einem ge­ setzlichen Verbot zuwiderläuftl-). Ist ein Rechts- oder Berloaltungsakt eines der Organe der G. deshalb nichtig, weil er diese „wesentlichen Elemente" nicht be­ sitzt, so ist es nicht notwendig, um die Rechtswirksamkeit zu be­ seitigen, daß die Staatsaufsichtsbehörde diesen Rechtsakt oder Ber­ waltungsakt ausdrücklich äufhebt. Er ist a u ch o h n e d i e s e st a a t s-

ist". Dann ist der Rechts- oder Berwaltungsakt gleichfalls ungültig (nichtig). Auch hier ist ihm zuzustimmen, doch sind diese Fälle ohne große Bedeutung. *) Danach sind ortspolizeiliche Vorschriften (also bewehrte Polizeianordnungen), zu denen eine Einzelermächtigung im Blankettgesetz (s. Anm. 15a zu Art. 51) nicht gegeben ist, als solche rechtsungültig (nichtig). Die Vorschriften können jedoch gleich­ wohl als unbewehrte Polizeivorschriften rechtliche Bedeutung haben. Rechtsungültigkeit liegt vor, wenn der G.rat einer mittel­ baren G. ortspolizeiliche Vorschriften erlassen würde, während (s. die erwähnte Anm. 15 a) das Gesetz oder die danach erlassene Verordnung nur eine bezirkspolizeiliche Vorschrift gestattet, oder wenn ein G.rat eine orts- oder bezirkspolizeiliche Vorschrift mit Wirkung für ein Gebiet außerhalb seiner Markung erlassen würde, über das er keine Gebietshoheit ausüben kann (Anm. 7 zu Art. 51). Bon diesen Fällen, in denen das handelnde Organ üoerhaupt und schlechthin („absolut") unzuständig ist, ist streng zu scheiden das Handeln ohne Bertretungsmacht (s. darüber für das G.recht insb. die Anm. 10 e zu Art. 17 S. 242 ff.). **) Fleiner führt im Anschluß an die Rechtsprechung des RG. (Reger 40, 231) und des Preuß. OVG. (78, 251) den auch für das bayerische G.recht bedeutsamen Fall an, daß bei der Anstellung eines Beamten nach Art. 87, 971 S. 2 GO. oder der Entlassung aus dem Dienst aus Ansuchen (Art. 911 S. 1) der Antrag und das Nachsuchen des Beamten nicht gegeben war. ***) S. hiezu insbesondere hinsichtlich der Rechtsgültigkeit der Beschlüsse des G.rats (des Formzwangs) die Anm. 1 ä zu Art. 19 S. 257 ff. und anderseits die Anm. 1 d zu Art. 23 S. 300. t) S. hiezu für das G.recht insbesondere die Ausführungen zu Art. 421 S. 459, 460 und anderseits die Anm. 2 und 9 zu Art. 30 S. 388, 392. Laforet-v.Jan-Schadenfroh, Gemeindeordnung.

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I. Gemeindeordnung.

aufsichtliche Verfügung rechtlich nicht vorhanden. Die Staatsaufsichtsbehörde hat in einem solchen Falle, tvenn fie eingreift, nur auszusprechen, daß der Beschluß nichtig ist. Eine gleich­ wohl erfolgende „Aufhebung" hätte nur deNaratorische, nicht aber konstitutive Bedeutung. Doch hat die ausdrückliche förmliche Kraftloserklärung des Rechts- oder Verwaltungsakts durch die Staats­ aufsichtsbehörde für die G. die Bedeutung, daß der G. damit die Grundlagegeschaffen werden kann, gegen die Rechtsaufsassung der Staatsauffichtsbehörde den BGH. anzurufen. S. ändern oder aufheben. Diese Befugnis der Staatsaufsichtsbehörde ist (|. Anm. 1 e zu Art. 59) die Rechtsaufsicht. Die Beschlüsse sind soweit auf­ zuheben, als sie rechtswidrig (gesetzwidrig) sind. Das kann hinsicht­ lich ihres ganzen Umfanges oder nur einzelner Teile sein. Diese Begrenzung liegt schon im Begriffe der Aufhebung. Der VerfA. hat jedoch zur Klarstellung ausdrücklich neben dem Begriff der Aufhebung den der Änderung aufgeführt. Ob die Staatsaufsichts­ behörde neben der negativen Aufhebung oder Änderung eines Rechts- oder Verwaltungsaktes auch positiv handelt, insbesondere eine Verpflichtung ausspricht, die sie dann selbst in der Aufsichtsvertretung vollziehen kann, hängt vom Gegenstand ab. Liegt keine gesetzliche Verpflichtung der G. zu einer Leistung vor, verstößt der Beschluß nur gegen die Gesetzmäßigkeit, so ist der rechtswidrige Beschluß nur aufzuheben*). Liegt dagegen eine gesetz­ liche Verpflichtung zu irgendeiner Obliegenheit zugrunde, die von der G. nach der Vorschrift des Gesetzes vorzunehmen ist und hat die G. diese gesetzliche Verpflichtung bestritten und die Leistung ab­ gelehnt, so verbindet sich mit dem Handeln der Staats­ aufsichtsbehörde nach Abs. III S. 1 eine Maßnahme nach Abs. III S. 2. Die Staatsaufsichtsbehörde beschließt dann nicht nur, daß der rechtswidrige, die Erfüllung der Obliegenheit ablehnende Beschluß aufgehoben wird, sondern daß die G. zur an­ gesonnenen Leistung verpflichtet ist (s. nachf. Anm. 29). Hier ver­ bindet sich also die Rechtsaufsicht mit der Pflichtenaufsicht**). In jedem Falle muß der Änderung oder Aufhebung

*) Z. B. der G.rat würde beschließen, einem Verein, der die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet und deshalb nach § 21 des Bereinsgesetzes aufgelöst ist, besondere Mittel zu­ zuwenden. **) Z. B. der G.rat würde beschließen, die Beiträge, welche die G. als Arbeitgeberin von Arbeitern und Angestellten nach §§ 143 ff. des RG. über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu zahlen verpflichtet ist, grundsätzlich nicht zu zahlen, da der G.rat in dieser Einrichtung eine erhebliche Schädigung der Landwirte er­ blicke und dazu nicht mitwirke. ES ist auch denkbar, daß ein Beschluß zwar an sich rechtmäßig

Art. 60. Verpflichtung Dritter.

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des Rechts- oder Verwaltungsakts der G. der Hinweis vorausgehen, daß der Beschluß rechtswidrig ist, und die Aufforderung, den Rechts­ und Berwaltungsakt innerhalb einer bestimmten Frist zurückzuneh­ men, und, wenn gleichzeitig die Verpflichtung zu einer Leistung aus­ gesprochen werden soll, muß auch die Aufforderung vorausgehen, die Erfüllung der Leistung zu beschließen (Art. 60III).

6. Erfüllung der Verpflichtungen. a) Diese Befugnis der Staatsaufsichtsbehörde ist die Pflich­ ten aufficht (s. Anm. le zu Art. 59). Das Gesetz gibt hier in Abs.I den leitenden Gedanken. Die Mittel zur Durchführung dieser Aufgabe sind insbesondere in Abs. III bis V gegeben. Das Gesetz führt (vgl. Anm. 1k zu Art. 69) neben den gesetzlichen Verpflichtungen (f. Anm. Io zu Art. 59) die übernommenen Verpflichtungen (s. Anm. 1k zu Art. 59) auf. b) Das staatsaufsichtliche Verfahren vollzieht sich zwischen der Staatsaufsichtsbehörde und der Gemeinde; Dritte sind S|. Anm. 4ck zu Art. 69) hier nicht beteiligt. Es kann also auch in iesem Verfahren keine Entscheidung gegen Dritte ergehen, wenn die G. geltend macht, daß nicht sie, sondern ein Dritter zu der von der Staatsaufsichtsbehörde angesonnenen Leistung ver­ pflichtet sei. Es erhebt sich dte Frage, ob das staatsaufsichtliche Verfahren durchgeführt werden kann, wenn dieser Einwand erhoben wird. Rechtlich besteht (vgl. Anm. 23 zu Art. 28 S. 373) kein Hin­ dernis, das staatsaufsichtliche Verfahren durchzuführen und nur in den Gründen zu würdigen, ob der Einwand der G., daß ein Dritter verpflichtet sei, rechtlich begründet ist oder nicht. Hierfür spricht auch das öffentliche Interesse, das unter Umständen ein wirksames Einschreiten der Staatsaufsichtsbehörde mit Bollzugshandlungen «nach Art. 60IV erfordert und es nicht der G. überlassen kann, durch den Einwand, daß ein Dritter verpflichtet sei, jedes staatsaufsichtltche Verfahren so lange zu hemmen, bis in lang­ wierigem Streit diese Frage auszutragen ist. Die herrschende Meinung ist anderer Anschauung. In über­ wiegender, allerdings durchaus nicht gleicher Rechtsprechung (s. Dyrofs S. 414 Anm. 4, S..423 Anm. 9, und neuerlich insbesondere BGH. 49, 75 und 77, s. auch hier Anm. 11VI d zu Art. 28 S. 362) nimmt der BGH. an, daß das staatsaufsichtliche Verfahren nicht durchgeführt, ja wohl, daß keine staatsaufsichtliche Maßnahme er­ griffen werden kann, wenn die G. den Einwand erhebt, daß ein ist, aber gleichwohl im ganzen genommen dem Gesetz widerspricht, weil damit nur ein Teil dessen erfüllt wird, was das Gesetz fordert. Hier hat, soweit dies im öffentlichen Interesse notwendig ist, die Pflichte naufsicht einzusetzen, mit dem Ziel, die Erfüllung der gesamten Verpflichtung durchzusetzen.

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Dritter zur angesonnenen Leistung verpflichtet sei*). Dyroff(S.414 Anm. 4) hält die Verweisung auf ein besonderes Verfahren nur dann für erforderlich, wenn „die Möglichkeit" „der Verweisung auf einen besondereir Rechtsweg" gegeben ist, wenn ein „hierfür bestimm­ ter und geregelter administrativer Jnstanzenzug besteht". Der herrschenden Anschauung ist zuzugeben, daß es bei zweifel­ hafter Rechtslage (wie im Falle der EVGH. 49, 75) zweckmäßig sein kann, von der Einleitung eines staatsaufsichtlichen Verfahrens zunächst Abstand zu nehmen oder das Verfahren auszusetzen und die Austragung des Streites über die Verpflichtung dem beson­ deren hierfür gegebenen Verfahren zuzuweisen, wenn dieser Ein­ wand erhoben wird. Es steht im Berwaltungsermessen der Staatsaufsichtsbehörde, ob sie zunächst von einem staatsaufsicht­ lichen Verfahren nach Art. 60III ab sieht oder dieses aussetzt, weil die G. diesen Einwand erhebt. Der VGH. ist (vgl. hier S. 373) zweifellos befugt, die Entscheidung über die Anfechtungsklage nach Art. 60 VI bis zur Entscheidung des im besonderen Verfahren aus­ zutragenden Streites über die öffentlichrechtliche Verpflichtung eines Dritten auszusetzen. Es kann jedoch nicht zugegeben werden, daß auch in den Angelegenheiten des öffentlichen Rechts — (anders s. Anm. 1 k zu Art. 59 in Angelegenheiten des bürgerlichen Rechts) — ein staatsaufsichtliches Verfahren schon bei Beginn oder in seinem Fortgang mit dem Einwand unmöglich gemacht oder auf unbestimmte Zeit hinaus gehemmt werden kann, daß ein Dritter verpflichtet fei. Der Fall steht hier dem anderen Falle gleich, daß die G. ihre Verpflichtung überhaupt bestreitet (s. nachf. Anm. 6 c), und es ist nur folgerichtiA, wenn auch für solche Fälbe gefordert wird, daß über die Verpflichtung einer G. erst in dem jeweils gegebenen Verfahren entschieden werden muß, bevor irgendeine Maßnahme des staatsaufsichtlichen Verfahrens er­ griffen werden kann, vorausgesetzt daß für diese Verpflichtung ein irgendwie geregeltes Verfahren, sei es das verwaltungs­ gerichtliche Verfahren oder das Verwaltungsverfahren gegeben ist. Dieser Einwand ist kein rechtliches Hindernis, das staatsaufsichtliche Verfahren einzuleiten und durchzuführen. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen. Vorsorgliche Maßregeln find (vergl. hier S. 361, Anm. 11 VI a) nur soweit zulässig, als eine besondere gesetzliche Bestimmung sie vorsieht. Eine *) Besonders klar ist der Fall des BGH. 49, 75 und 77. Die Staatsaufsichtsbehörde hatte wegen der Instandsetzung eines G.verbindungsweges das staatsaufsichtliche Verfahren gegen die Ge­ meinde eingeleitet. Diese wendete ein, daß ein Dritter (der Be­ zirk) nach öffentlichem Recht wegebaupflichtig sei. Der BGH. hat entschieden, daß das staatsaufsichtliche Verfahren auszusetzen und zunächst über die Verpflichtung nach Art. 8 Z. 34 BGG. im ver­ waltungsrechtlichen Verfahren entschieden werden muß.

Art. 60. Bestreitung der Verpflichtung.

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solche gesetzliche Bestimmung ist in Art. 60 IV gegeben. Danach kann die Staatsaufsichtsbehörde in den Fällen des Art. 60III (also int staatsaussichtlichen Verfahren) eine vorläufige Anordnung treffen, auch wenn die G. den Einwand erhebt, daß sie gesetzlich nicht verpflichtet sei. Sie kann durch diese vorläufige Anordnung die öffentlichen Interessen wahren, bis die endgültige Verpflich­ tung im besonderen Verfahren ausgetragen ist. Es ist nicht einzu­ sehen, warum dies anders sein soll, wenn die G. ihre gesetzliche Verpflichtung deshalb bestreitet, weil ein Dritter verpflichtet sei. Wäre der Beginn oder der Fortgang des staatsaufsichtlichen Ver­ fahrens unzulässig, sobald die G. ihre Verpflichtung überhaupt bestreitet oder den Einwand der Verpflichtung des Dritten erhebt, so wäre gerade der Zweck dieser vom öffentlichen Interesse gebote­ nen, vom Gesetz ausdrücklich eingeführten, vorläufigen Anordnun­ gen vereitelt und diese mit dem erwähnten Einwand der G. so­ fort unmöglich gemacht. Es ist jedoch im Regelfall zweckmäßig, wenn auch nach einer vorläufigen Anordnung nach Art. 60IV, das staatsaufsichtliche Verfahren auszusetzen, wenn die Ver­ pflichtung eines Dritten glaubhaft gemacht wird, und die Verpflichtung des Dritten die Verpflichtung der G. ausschließt. Keinesfalls würde die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Bescheids nach Art. 60 VI unmittelbar gegen den Dritten wirken. Der Bescheid des BGH. nach Art. 60 VI ergeht nur im Verhält­ nis des Staates zur G. hinsichtlich der Ausübung der Staatsauf­ sicht und stellt fest, ob die staatsaufsichtliche Maßnahme gesetz­ mäßig ist oder nicht. Die Gesetzmäßigkeit beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Erlassung der staatsaufsichtlichen Verfügung. Wird durch eine spätere rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entschei­ dung, die über die Pflicht zur Leistung selbst ergeht, ausgespro­ chen, daß ein Dritter zur Leistung verpflichtet ist, so ist die etwaige Entscheidung des BGH. nach Art. 60 VI im Wiederauf?nahmeverfahren nach Art. 26 BGG. aufzuheben. c) Die G. kann gegenüber der von der Staatsaufsichts­ behörde angesonnenen Verpflichtung aber nicht nur geltend machen, daß ein Dritter verpflichtet sei, sondern daß eine Verpflichtung zu einer solchen Maßnahme überhaupt nicht besteht. Sie kann die angesonnene Verpflichtung schlechthin bestreiten. Es fragt sich wie im Falle der Dorst. Anm. 4 b, ob das staatsaufsicht­ liche Verfahren dann beginnen oder durchgeführt werden kann, wenn die G. diesen Einwand erhebt und wenn für die Austragung der Verpflichtung ein besonderes Verfahren, insbesondere das ver­ waltungsgerichtliche Verfahren besteht. Auch hier (vgl. VGH. 31, 124; 40, 59) ist zu sagen, daß die Bestreitung der Verpflichtung weder den Beginn noch den Fortgang des staatsaufsichtlichen Ver­ fahrens unmöglich macht. Gerade für solche Fälle ist der Weg der im öffentlichen Interesse zu treffenden vorläufigen

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I. Gemeindeordnung.

Anordnung nach Art. 60IV gegeben. Es ist jedoch zweck­ mäßig, in solchen Fällen (auch vielleicht nach einer vorläufigen Anordnung gemäß Art. 60IV) das staatsaufsichtliche Verfahren auszusetzen und zunächst in dem über die Verpflichtung zur Lei­ stung selbst gegebenen Berwaltungsstreitverfahren (verwaltungs­ gerichtlichen Verfahren) oder Berwaltungsverfahren zu erkennen. Wird in diesem Verfahren entschieden, daß eine Verpflichtung der G. nicht besteht, so verlieren die im staatsaufsichtlichen Verfahren getroffenen Maßnahmen der Staatsaufsichtsbehörde ihre Recht­ mäßigkeit und sind aufzuheben. Werden sie nicht aufgehoben, so besteht der Weg nach Art. 60 VI. 7. Gesetzliche Verpflichtungen. In Frage stehen die öffentlichrechtlichen Verpflichtungen, die durch das Gesetz oder auf Grund des Gesetzes der G. auferlogt sind s. darüber die Anm. 1 e zu Art. 59.

8. übernommene Verpflichtungen. S. darüber d ie Anm. 1 f zu Art. 59.

9. erzwingen. a) Das Gesetz stellt hier (vgl. Anm. 1 o zu Art. 59) die Be­ fugnis der Staatsaufsichtsbehörde klar, die Gesetzmäßigkeit im Verhalten der G. rechtlich*) zu erzwingen. Die nähere Bestim­ mung dieses Zwangs geben Art. 60IV und V. Es kann also die Staatsaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Befugnisse an Stelle des jeweils zu dem in Frage stehenden Rechts- oder Verwaltungs­ akte berufenen Organs der G. s e l b st handeln. Die Staats­ aufsichtsbehörde kann sowohl zur Erfüllung der endgültig fest­ gestellten Verpflichtungen, wie zum Vollzug der vorläufigen An­ ordnungen (Art. 60IV) „nicht nur an Stelle der G. den notwen­ digen Aufwand in den Voranschlag einstellen", sondern auch „die sonst erforderlichen Verfügungen treffen und rechtserhebliche Erklärungen ab geben". Die Staats­ aufsichtsbehörde ersetzt durch ihr Handeln den Rechtsakt des verfassungsmäßigen G.organs (des G.rats, des be­ schließenden Ausschusses, des 1. Bürgermeisters); sie vertritt hierbei die G. Ihr Handeln ist gesetzliche „Aufsichtsver­ tretung".

*) Die dem Gesetz entgegengesetzte Meinung, die eine Erzwingbarkeit ablehnte, wollte nur eine „politische Verantwortung" der Organe der G. geschaffen wissen. „Die G.bürger können Neu­ wahlen einleiten" (s. VerfA. I, 365, Abg. Dr. Högner). Daß diese Anschauung jede Staatsaufsicht verneinen muß, aber auch im Falle ihrer Anerkennung durch das Gesetz zur Willkür und Verant­ wortungslosigkeit eines G.rats führen würde, bedarf keiner län­ geren Ausführung.

b) Zur Aufsichtsvertretung ist die Staatsaufsichtsbehörde be­ fugt, wenn ihr staatsauffichtlicher Beschluß nach Art. 60 III die Rechtskraft beschritten hat, wenn also dieser Rechtsakt durch die G. innerhalb der Frist von 4 Wochen nicht angefochten worden ist oder wenn der BGH. mit der Abweisung der Beschwerde der G. sachlich entschieden hat, daß der Rechtsakt gesetzmäßig ist. Die Staatsaufsichtsbehörde ist aber, wenn sie einen Beschluß nach Art. 60III erläßt, auch befugt, eine vorläufige Anordnung damit zu verbinden und alsdann (s. die nachf. Anm.32a) sofort in Aufsichtsvertretung zu handeln. Ja sie ist (s. nachf. Anm. 32a) zu dieser Aufsichtsvertretung auch befugt, bevor sie den Beschluß nach Abs. III gefaßt hat, wenn sie nur zuvor die Aufforderung an die G. (s.nachf. Anm. 15d) fruchtlos erlassen hat und das öffentliche Interesse eine besondere vorläufige Anordnung erfordert. Ihre Aufsichts­ vertretung ist allerdings in diesen Fällen so lange auflösend bedingt, bis der Rechtsakt nach Art. 60III im Sinne der nachf. Anm. 43 h rechtskräftig wird, bis die „Verpflichtung endgültig festgesetzt" (Art. 60 V) ist. 10. Die Staaisaufiichtsbehörde. über die Befugnisse der Sachaufsichtsbehörde anderseits s. die Anm. 8—10 zu Art. 50, auch die nachf. Anm. 13—15. 11. kann. Der Abs. I gibt der Staatsaufsichtsbehörde zur Durchführung ihrer Befugnisse Mittel, die im wesentlichen der Überwachung dienen, sich aber auch, anders wie die Darlegung der Anschauung und der Rat (hierüber s. Anm. 5 zu Art. 59), in Zwang äußern können. Ob die Staatsaufsichtsbehörde ein bestimmtes Mittel an­ wendet und welches, steht in ihrem pflichtmäßigen Berwaltungsermessen (s. Anm. 4 a zu Art. 59).

12. Zur Durchführung ihrer Befugnisse. Die Mittel dienen der Staatsaufsicht im Sinne des Gesetzes, s. Anm. la mit c zu Art. 59. Die Mitwirkung des Staates zu Rechtshandlungen der G. (s. Anm. 1 b zu Art. 59) fäUt nicht un­ ter Abs. n. Hier kann die Staatsaufsichtsbehörde ohnehin alle Be­ helfe von der G. anfordern, die sie zur Bildung ihres Willens be­ nötigt, s. Anm. 1 g zu Art. 60. 18. Besichtigung der Anstalten und Einrichtungen!. Es macht keinen Unterschied, ob es sich hierbei um Anstalten, Unternehmungen und Einrichtungen handelt, die dem eigenen oder dem übertragenen Wirkungskreis der G. angehören. Für die Staatsaufsichtsbehörde gibt es (anders wie bei der Sachauf­ sichtsbehörde s. Anm. 8 zu Art. 50) keine sachliche Begren­ zung. Wie in Anm. 4e ausgeführt, gibt es, soweit eine Besieh-

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I. Gemeindeordnung.

tigung in Frage steht, auch keine zeitliche Begrenzung. Die Besichtigungen können also jeder Zeit wiederholt werden. Es steht im Ermessen der Staatsaufsichtsbehörde, ob sie die G. vor­ der Besichtigung davon verständigt oder nicht. Das StMdJ. kann nach seinem Ermessen (vgl. Anm. 4 a zu Art. 59) bestimmen, wann und wie solche G.besichtigungen vorzunehmen sind. Zur Zeit gilt für die mittelbaren G.n die ME. v. 7. Nov. 1893, Weber 22, 307. Sie unterscheidet „eingehende Visitationen" und „kursorische Besichtigungen". Gefordert ist in Ziff. 3 dieser ME., daß „jede G. wenigstens einmal im Jahre zur kursorischen Besichtigung be­ sucht werde". Für die kreisunmittelbaren Städte s. die Ziff. 9 der ME. v. 3. Juni 1853, Weber 4, 575 und dazu die ME. v. 12. Juli 1853, Weber 4, 575 unten. Die ME. v. 24. Febr. 1886 (Weber 17, 661) fordert hinsichtlich der kreisunmittelbaren Städte, daß die Verwaltung des G.- und Stiftungsvermögens und die ge­ samte Kassen- und Rechnungsführung „in einem Zeitraum von 5 Jahren einmal" „einer Visitation unterworfen" werde. Die er­ wähnten Vorschriften sind zum Teil veraltet und werden wohl neu gegeben werden. Hinsichtlich der Kosten der Besichtigungen s. Anm. 4 k zu Art. 59. 14. Prüfung der Geschäfts- und Kassenführung.

a) Zur Geschäftsführung gehört die Prüfung der gesamten Verwaltungstätigkeit der G. Sie erstreckt sich soweit, als die Staatsaufsicht reicht (s. Anm. 1 zu Art. 59), sie umfaßt auch den ordnungsmäßigen Gang der Geschäfte (Art. 27, s. Anm. 16 zu Art. 59, und die Anm. 1 zu Art. 27 S. 320, 321). Diese Befugnis der Staatsaufsichtsbehörde ist also sachlich und zeitlich unbegrenzt. Die Befugnis der Sachaufsichtsbehörde dagegen ist (s. Anm. 9 zu Art. 50) sachlich begrenzt. b) über das Recht und die Pflicht zur Prüfung der Kassen­ führung s. Anm. 8 zu Art. 47, S. 536, über die bei mittelbaren G.n sich außerdem ergebende Pflicht der Staatsaufsichtsbehörde zur rech­ nerischen Prüfung s. Anm. 9 zu Art. 47, S. 536. 15. Einforderung von Berichten und Akten.

a) Der Bericht kann sowohl über tatsächliche Vorgänge ein­ gefordert werden, wie als gutachtliche Äußerung der G. zu irgend­ welchen die G. allgemein oder im besonderen berührenden Fragen. Es kann auch (s. Anm. 4 zu Art. 48) gefordert werden, daß der Bericht in der Form von Übersichten oder Ausweisen über die Einnahmen und Ausgaben zu erstatten ist. b) Die Staatsaufsichtsbehörde hat die Befugnis, in die gesam­ ten Akten der G. Einsicht zu nehmen. Sie ist aber weiter befugt, Akten, die sie nach ihrem Ermessen zu irgendeiner staatsaufsicht­ lichen Tätigkeit bedarf, von der G. einzu fordern, also die Zu­ sendung der vollständigen Akten und Aktenstücke zu fordern. Werden vor der Vorlage aus den Akten Aktenstücke entfernt, so gilt, was

Art. 60. Zwangsmittel.

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in Anm. 10 zu Art. 50 ausgeführt ist. Zum ordnungsmäßigen Gang der Geschäfte gehört auch die Ordnung der Akten. Diese Pflicht der G. muß sich insbesondere gegenüber ihrer Staatsauf­ behörde auswirken. Die G. hat deshalb vor der Vorlage die Akten zu ordnen und fortlaufend zu numerieren. c) Auch hier gibt es (anders bei der Sachaufsichtsbehörde, s. darüber Anm. 10 zu Art. 50) keine sachliche und zeitliche Be­ grenzung.

IS. Zwangsmittel im engeren Sinne. a) Die Ws. m und IV geben die Zwangsmittel der Staats­ aufsichtsbehörde im engeren Sinne. Abs. HI S. 1 das entscheidende Mittel für die Rechtsaufsicht (vgl. vorst. Anm. 5), Abs. IH Satz 2 das entscheidende Mittel für die Pflichtenaufsicht (vgl. vorst. Anm. 6 und 9). Die Ws. IV und V regeln fcie Aufsichtsvertretung. Ob sich mit der negativen Tätigkeit nach Ws. III S. 1 ein positives Han­ deln nach Ws. III S. 2 verbindet, hängt vom Gegenstand ab, s. darüber die vorst. Anm. 5. b) Die Anwendung aller Zwangsmittel im engeren Sinne ist an eine gesetzliche Bedingung gebunden, nämlich (s.vorst. Anm.5j daran, daß die Staatsaufsichtsbehörde vorihrerMaßnahme nach Abs. III die G. auf die Verletzung der Gesetz­ mäßigkeit hinweist und die G. auffordert, zunächst selbst entsprechend dem Gesetz zu handeln, über den Inhalt der Aufforderung, wenn es sich um den Vollzug der Pflichtenaufsicht handelt, s. die nachf. Anm. 29. Wenn es sich um den Vollzug der Rechtsaufsicht allein handelt, so ist die G. zur Änderung oder Zurücknahme des Beschlusses aufzufordern. Zn der Aufforderung ist eine Frist zu setzen (s. nachf. Anm. 19). Erst wenn diese Frist fruchtlos abgelaufen ist, kann der staatsaufsicht­ liche Verwaltungsakt ergehen, der den Rechtsakt oder Berwaltungsakt des verfassungsmäßigen Organs der G. ersetzt. Es gibt also keine Ersetzung des Willens der G., ohne daß dewen verfassungs­ mäßiges Organ aufgefordert wird, zunächst selbst zu handeln. Hin­ sichtlich der rechtsungültigen (nichtigen) Rechts- und Berwaltungsakte s. vorst. Anm. 4b. e) Die Staatsaufsichtsbehörde wendet sich an das jeweils zum Rechts- oder Berwaltungsakt verfassungsmäßig berufene Organ der G. Das kann (s. Anm. 3 zu Art. 59) der G.rat, der 1. B., auch ein beschließender Ausschuß sein. Ist der 1. B. aus­ schließlich zuständig, so hat sich die Staatsauffichtsbehörde an diesen zu wenden, da der G.rat in der Angelegenhüt nicht handeln kann. Hat ein beschließender Ausschuß in seiner Zuständigkeit einen gesetz­ widrigen Beschluß gefaßt, so kann die Staatsaufsichtsbehörde ihren Hinweis und ihre Aufforderung nach vorst. Anm. b sowohl an den schließenden Ausschuß, als an den G.rat richten. Auch der G.rat kann ja (s. Anm.4ä zu Art. 22 S. 291) den beanstandeten Beschluß des be-

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schließenden Ausschusses ♦) ändern. An wen sich die SLaatsaufsichtsbehörde wendet, steht in ihrem Ermessen. Hat ein Stellvertreter (z. B. der 2. B. an Stelle des 1. B.) gehandelt, so ist der Hinweis und die Aufforderung nicht etwa an den handelnden Stellvertreter, sondern an den zunächst berufenen Vertretenen zu richten, voraus­ gesetzt, daß dieser zum Handeln imstande ist. d) Gegen die Aufforderung ist nur die Anrufung der übergeordneten Staatsaufsichtsbehörde zulässig. Diese Anrufung hemmt jedoch den Fortgang des Verfahrens nicht. Dagegen ist gegen diese Aufforderung die Anfechtungsklage zum BGH. nach Art. 60 VI nicht gegeben, sie ist nur zulässig gegen den in nachf. Anm. 29 erörterten staatsaufsichtlichen Beschluß. 17. Verweigerung der Zurücknahme. Das Gesetz gibt (s. vorst. Anm. 16 a) in Satz 1 das entscheidende Mittel dagegen in der Rechtsaussicht. Die Anwendung des Mittels ist an die vorgängige Aufforderung nach vorst. Anm. 16 d gebunden. 18. Die Gemeinde. S. vorst. Anm. 16 c. 19. gesetzte Frist. S. vorst. Anm. 16 b. Der VerfA. hat es (I, 465) abgelehnt, im Gesetz die Rechtsbcdingung zu stellen, daß die Frist „angemessen" sein muß. Die Bemessung der Frist kommt deshalb der Staats­ aufsichtsbehörde nach ihrem Verwaltungsermessen zu. Der BGH. hat nicht nachzuprüfen, ob die Frist angemessen war (s. SIM. Dr. Stützel, VerfA. I, 465). Die Frist muß so lange sein, daß das ver­ fassungsmäßig berufene Organ der G., wenn auch unter Umstanden in einer besonders einzuberufenden Sitzung, zur Aufforderung nach vorst. Anm. 16 b Stellung nehmen kann. 20. Änderung oder Zurücknahme. Die G. muß ihren Beschluß in die Schranken der Gesetzmäßig­ keit zurückführen. Daraus kann sich ergeben, daß die G. den gan­ zen Beschluß aufheben oder daß sie ihn nur abändern muß. Was zu geschehen hat, hat die SLaatsaufsichtbehörde in ihrer Aufforde­ rung nach vorst. Anm. 16 b zu sagen. 21. gesetzwidrige Beschlüsse. S. die Anm. 1 6 zu Art. 59. 22. Änderung oder Aufhebung. S. vorst. Anm. 5. 23. Vollzug der Pflichtenaufsicht. a) Das Gesetz gibt (vgl. vorst. Anm. 16 a) in Satz 2 das ent­ scheidende Mittel in der Pflichtenaufsicht. Seine Anwendung ist *) S. 291 Anm. d Zeile 13 ist ein Druckfehler zu berichtigm. ES muß heißen: „den beanstandeten Beschluß des beschließenden Ausschusses" (nicht den beanstandeten Beschluß des G.rats).

Art. 60. Vollzug der Staatsaufsicht.

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(s. botst. Anm. 16 b) an die vorgängige Aufforderung gebunden, binnen einer bestimmten Frist, dem Gesetz zu entsprechen. In der Pflichtenaufsicht wird von der G. ein Tun gefordert, das vom Gesetz (s. Anm. l e und f zu Art. 59) befohlen und der G. durch die Staatsaufsichtsbehörde vor Augen geführt wird. Der Art. 60 DI S. 2 beachtet die drei Möglichkeiten, wie die G. gegenüber dieser Aufforderung sich verhalten kann. Sie kann die gesetzliche Verpflich­ tung überhaupt bestreiten, sie kann die Frist verstreichen lassen, ohne überhaupt zu handeln, und sie kann zwar zugeben, daß eine gesetzliche Verpflichtung besteht, die Erfüllung aber ablehnen. Um alle Zweifel zu beseitigen, die nach der Fassung des Art. 13III SVG. erhoben werden konnten, ist im Gesetz selbst klargestellt, daß das Verhalten der G. in jedem Falle die gleiche Wirkung auslöst. b) Diese gleiche Wirkung besteht darin, daß die Staatsauf­ sichtsbehörde „beschließt". Damit wird (vgl. vorst. Anm. 9a) ge­ sagt, daß die Willenserklärung der G. durch die Staats­ aufsichtsbehörde ersetzt wird. Die Staatsaufsichtsbehörde vertritt in der Willenserklärung die G-, sie handelt als die für diesen Fall vom Gesetz bestimmte Vertreterin der G.; ihr Handeln ist (s. die erwähnte Anm. 9 a) „Aufsichtsvertretung". Das Nähere s. in nachf. Anm. 29. c) Weder für die staatsaufsichtliche Verfügung (den Beschluß) nach Satz 1, noch nach Satz 2 ist eine bestimmte Form vorge­ schrieben (ebenso für das frühere Recht BGH. 42, 112). Es muß nur der Wille der Staatsaufsichtsbehörde, daß sie als solche handelt, ebenso zu erkennen sein, wie der Inhalt der von ihr ausgesprochenen staatsaussichtlichen Verfügung. Diese hebt entweder in der Rechtsaufsicht einen Beschluß ganz oder teilweise auf oder sie spricht in der Pflichtenaufstcht eine bestimmte Verpflichtung aus. Sie kann auch (s. vorst. Anm. 5) eine negative und positive Er­ klärung verbinden. Die Verfügung ist mit Gründen zu ver­ sehen. Das ergibt sich aus der für diese Verwaltungsakte üblichen Bezeichnung des „Beschlusses" im Gesetz. Das Gesetz nennt die Ver­ waltungsakte Beschlüsse, einerlei, ob sie vom Bezirksamt, von der Kreisregierung, oder (s. Art. 34, 35 KrO.) vom StMdJ. ausgehen. Wie dies zutreffend Klee-Hechtel S. 188 Anm. 5 ausführen, muß in der staatsaufsichtlichen Verfügung der Wille der Staatsaufsichtsbehörde zu erkennen sein, durch Ausübung der Rechtsauf­ sicht oder Pflichtenaufstcht von dem Aufsichtsrechte Gebrauch zu machen. Ist dies sachlich der Fall, so liegt trotz vielleicht irriger Sachbehandlung (vgl. BGH. 40, 109) ein staatsauf­ sichtlicher Beschluß nach Ms. III vor. Es kann deshalb in einer dem BGH. zugeführten Streitsache (vgl. neuerlich die BGHE. v. 17. Okt. 1928, Nr. 20 1/28) eine Berwaltungsrechtssache nach Art. 8 BGG. nicht gegeben sein und dem BGH. aus diesem Grunde die Zuständigkeit zur Sachentscheidung fehlen. Der Beschluß des Be-

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zirksamts kann aber sachlich, wenn damit ein bestimmter Streitstoff erledigt werden will (vgl. Klee-Hechtel a. a. O.), eine staats­ aufsichtliche Verfügung nach Art. 60III enthalten. Dann ist die Zuständigkeit des BGH. nach Art. 60 VI gegeben. d) Der Vollzug von Willenserklärungen in der Auf­ sichtsvertretung ist der Staatsaufsichtsbehörde nicht völligfrei­ gegeben. Sie kann ihre Willenserklärung, die den Beschluß oder die Verfügung des verfassungsmäßigen Organs der G. ersetzt, sofort vollziehen, soweit sie eine vorläufige Anordnung triffr (Abs. V). Hiervon abgesehen muß sie mit dem Vollzug (mit der Vollstreckung) warten, bis feststeht, ob ihr staatsaufsicht­ licher Verwaltungsakt von der G. angefochten wird oder nicht, und wenn dieser Verwaltungsakt angefochten wird, bis entschieden ist, ob der Verwaltungsakt gesetzmäßig war oder nicht (vgl. vorst. Anm. 9 b und die nachf. Anm. 57. 24. Die Gemeinde.

S. vorst. Anm. 16 c. 25. gesetzte Frist.

S. vorst. Anm. 16 b und 19. 26. Bestreiten der gesetzlichen Verpflichtnng.

a) Das Bestreiten kann mit dem Inhalt erfolgen, daß die G. erklärt, die von der Staatsaufsichtsbehörde angesonnene Verpflich­ tung*) bestehe überhaupt nicht, oder sie bestehe nicht, weil die von der Staatsaufsichtsbehörde angesonnene Einzelmaßnahme**) zwar unter den Pflichtenkreis der G. falle, jedoch im Interesse der All­ gemeinheit nicht notwendig sei (s. Anm. 3 e zu Art. 28 S. 328). Das Gesetz stellt (vgl. vorst. Anm. 6 c) hier ausdrücklich klar, daß trotz dieses Bestreitens das staatsaufsichtliche Verfahren fortgesetzt, insbesondere ein staatsaufsichtlicher Beschluß erlassen werden kann, auch wenn für die Austragung der Verpflichtung ein besonderes Verfahren, z. B. nach Art. 8 Ziff. 34 BGG. das Verwaltungs gericht­ liche Verfahren besteht. Es kann jedoch zweckmäßig sein, das staatsaufsichtliche Verfahren auszusetzen (s. die erw. Anm.). b) Die G. kann aber auch geltend machen, daß ein Dritter verpflichtet sei. Auch dieser Einwand (s. vorst. Anm. 6 b) hemmt rechtlich das staatsaufsichtliche Verfahren nicht. Es kann jedoch ge­ rade hier zweckmäßig sein, das staatsaufsichtliche Verfahren auszu­ setzen (s. die erw. Anm.).

*) Z. B. zur Herstellung eines Haftraumes für die Unterbrin­ gung von Häftlingen, die außerhalb des G.bezirks aufgegrisfen werden, vgl. Anm. 29 b zu Art. 51, S. 599. **) Z. B. die Herstellung einer öffentlichen Uhr, vgl. Anm. 17 zu Art. 28 S. 367.

27. Unterlassung einer Erklärung.

Eine Erklärung ist nur abgegeben, wenn sie innerhalb der fest­ gesetzten Frist bei der Staatsaussichtsbehörde im ordnungsmäßi­ gen Geschäftsweg einläuft. Es wäre jedoch denkbar, daß zwar der G.rat innerhalb der gesetzten Frist beschlossen hat, der Beschluß jedoch noch nicht vorgelegt ist, wohl aber innerhalb der Frist fernmündlich angezeigt wird, daß ein Beschluß erlassen worden ist und einen bestimmten Inhalt hat. Entspricht dieser Beschluß dem Gesetz, so wäre es unzweckmäßig, wenn die Staatsaufsichts­ behörde von ihrer Befugnis Gebrauch machen würde, die staatsaufsichtliche Verfügung deshalb zu erlassen, weil der Beschluß des G.rats nicht rechtzeitig einlief. Denn ihre Verfügung wird gegen­ standslos, sobald, wenn auch nach Ablauf der Frist, die G. dem Gesetz gEäß das Notwendige beschlossen hat. Die Unterlassung einer Erklärung kann auch darin ihren Grund haben, daß wegen Stimmengleichheit ein Beschluß des G.rats nicht zustande gekommen ist (s. Anm. 6 zu Art. 21, S.282). Dann hat die Staatsaufsichtsbehörde, soweit notwendig, zu handeln. 28. Verweigerung der Erfüllung.

Die G. kann erklären, daß sie zwar die Verpflichtung nicht bestreitet, aber wegen ihrer Leistungsfähigkeit zur Erfüllung außerstande ist. Die Leistungsfähigkeit ist (vgl. S. 329 unten und Anm. 4a zu Art. 59) keine Voraussetzung der Zulässigkeit des sta-atsaufsichtlichen Einschreitens (BGH. 43, 6). Die Staatsauf­ sichtsbehörde kann, um für etwaige Zwangsmaßnahmen nach Art. 60IV die Grundlage zu gewinnen, den staatsaufsichtlichen Be­ schluß nach Art. 60III S. 2 erlassen. Es steht in ihrem Berwaltungsermessen (s. S. 329 unten), ob und wie lange sie dann vom Zwangsvollzug nach Art. 60IV (von der Vollstreckung des staats­ aufsichtlichen Beschlusses) Abstand nehmen will. Auf jeden FaN hat die Staatsaufsichtsbehörde durch ihre Aufforderung nach Art. 60III S. 1 und die Weigerung der G. die Rechtsgrundlage zu einer vor­ läufigen Anordnung nach Art. 60III gewonnen. Ob sie davon Gebrauch macht, oder zunächst keinen Gebrauch macht und erst später, wenn das öffentliche Interesse es unerläßlich macht, eine vorläufige Anordnung erläßt und handelt, steht in ihrem pflichtmäßigen Er­ messen. 29. Beschluß der Staatsaufsichtsbehörde.

a) Der Beschluß der Staatsaufsichtsbehörde ersetzt (s. borst. Anm. 23b und 9a) die Willenserklärung des verfassungsmäßigen Organs der G. Soweit es sich um die positive Forderung einer bestimmten Leistung (nicht nur um die negative Aufhebullg rechts­ widriger Beschlüsse) handelt, ersetzt der Beschluß die Abgabe der nach dem Gesetz notwendigen Willenserklärung, aber auch deren Inhalt. Er ersetzt den Inhalt der Willenserklärung, soweit er

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zur Betätigung d.er vom Gesetz geforderten Handlung notwendig ist. Der staatsaufsichtliche Beschluß muß also die Leistung bezeichnen, die das Gesetz im Einzelfalle oder in einem bestimmten Sachgegenstand fordert. Die Verpflichtung kann „zifsermäßig" sein, sie muß es aber nicht (BGH. 40, 59). Dio Staatsaufsichtsbehörde spricht in ihrem Beschluß aus, daß die G. zu diesem vom Gesetz geforderten, im Beschlusse näher zu be­ zeichnenden Tun (zu der näher zu bezeichnenden Leistung) ver­ pflichtet ist. Diesem Inhalt des Beschlusses muß aber auch schon die Aufforderung nach Anm. 16b entsprechen. Es muß (BGH. 25, 77 insb. 79) der G. dargelegt werden, welche Leistung nach Art und Umfang vom Gesetz gefordert wird. Weigert sich die G. gleichwohl, dem in der Aufforderung dargelegten Willen des Gesetzes zu entsprechen, so begibt sie sich ihres Selbstbestimmungsrechtes im Umfang ihrer Weigerung. Das Bestimmungsrecht geht auf die Staatsaufsichtsbehörde über. Ist z. B. nach den örtlichen Verhältnissen die Errichtung eines Hauses für die Feuerlöschgeräte notwendig, so wird die G. von der Staatsaussichts­ behörde aufgefordert, zu beschließen, ein Haus für die Feuerlösch­ geräte zu errichten. Es kann aber auch sein, daß für dieses Ge­ bäude bestimmte Pläne und ein Kostenvoranschlag vorliegen. Dann kann die Aufforderung und der Beschluß der Staatsaufsichtsbehörde auch dahin ergehen, ein Haus für die Feuerlöschgeräte nach den vorliegenden Plänen und dem erstellten Kostenvoranschlag zu errichten. Rechtlich ist es zulässig, daß die Staatsaufjichtsbehörde die vom Gesetz geforderte Leistung in ganz bestimmter Art fordert, wenn nach der Sachlage nur diese Art den vöm Gesetz geforderten Zweck erfüllt und die öffentlichen Interessen eine weitere Verzöge­ rung nicht gestatten. Gleichwohl wird die Staatsaufsichtsbehörde sowohl bei ihrer Aufforderung wie bei ihrem Beschluß nach Art. 60III S. 2, wenn nicht öffentliche Interessen den sofortigen Vollzug in einer bestimmten Art erfordern, dem Ermessen der G. über die Art der Erfüllung der Einzelmaßnahme freie Hand lassen, um das Selbstbestimmungsrecht der G. wenigstens in der Art des Vollzugs noch entscheiden zu lassen. Dies kann dazu führen, daß die G. zwar die Verpflichtung zur Leistung bestreitet, aber für den Fall der Verpflichtung sich bereit erklärt, die Leistung in einer bestimmten Art vorzunehmen. Erfüllt diese Art den Zweck der Leistung, der vom Gesetz gefordert wird, so ist die Staatsaufsichtsbehörde in der Forderung der Art der Leistung darin gebunden. Denn sie kann nur soweit den Willen der G. er­ setzen, als er sich dem Gesetz entgegengestellt hat. Es ist deshalb weiter denkbar, daß die Staatsaufsichtsbehörde in ihrem staats­ aufsichtlichen Beschluß eine bestimmte Art der Leistung ausge­ sprochen hat, daß die G. jedoch nachträglich sich bereit erklärt, die Leistung in einer anderen Art zu bewirken. Wird auch damit der

Art. 60. Beschluß.

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Htveck der Leistung ordnungsmäßig erfüllt, so muß die StaatsaufstchtSbehörde dies hinnehmen, um auch hier soweit wie möglich daS Selbstbestimmungsrecht der G. entscheiden zu lassen. b) über die Form des Beschlusses s. Vorst. Anm. 23c. Das dort Ausgeführte gilt auch, wenn die Staatsaufsichtsbehörde nur in der Ausübung der Rech t sauf sicht (s. Vorst. Anm. 5 u. 16 a) handelt. Auch wenn nur ein rechtswidriger Rechts- oder Berwaltungsakt der G. aufzu heben ist, ohne daß gleichzeitig die Verpflichtung zu einer Leistung ausgesprochen wird, muß diese Aufhebung in einem mit Gründen versehenen Beschluß ergehen. c) Gegen den Beschluß der Staatsaufsichtsbehörde kann die G. nach Maßgabe des Art. 60VI Satz 1 Beschwerde zum BGH. ergreifen. Auf diese Anfechtungsklage hin hat der BGH. über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses zu entscheiden. Das Nähere s. in der nachf. Anm. 43. d) Der Beschluß hat eine Beschwerdebelehrung zu enthalten. Unterlassung der Beschwerdebelehrung, unvollständige oder unrich­ tige Beschwerdebelehrung hat zur Folge, daß die Beschwerdefrist insoweit nicht in Lauf gesetzt wird, als der Mangel reicht (BGH. Plenum 41, 72, das Nähere s. bei Klee-Hechtel S. 237 f.). SO. kann. S. Anm. 4ä zu Art. 59. Ob die Staatsaufsichtsbehörde eine vorläufige Anordnung erläßt, insbesondere ob sie in dringenden Fällen ihren Beschluß vor eintretender Rechtskraft vollzieht, steht in ihrem pflichtmüßigen Berwaltungsermessen.

81. in den Fällen des Abs. III. Erfaßt wird also die Rechtsaufsicht (Abs. IN S. 1), wie die Pflichtenaufsicht (Abs. III. S. 2). Auch b.ei der. R.echtsal;fsicht ist eine vorläufige Anordnung möglich. Wenn ein G.rat gesetzwidrig eine Ausgabe beschlossen hat, so kann z. B. die vorläufige Anord­ nung an den 1. B. als das zum Vollzug des Beschlusses des G.ratS zuständige Organ des G. ergehen, jede Zahlungsanweisung zu unterlassen. 82. vorläufige Anordnungen. a) Wie in Dorst. Anm. 23 d erörtert, muß die Staatsaufsichtsbehörde mit dem Vollzug ihres Beschlusses nach Abs. Hl (vorst. Anm. 29) die Rechtskraft dieses Beschlusses abwarten, wenn sie nicht eine vorläufige Anordnung erläßt. Welchen Inhalt die vorläufige Anordnung enthält, ist im Gesetz nicht be­ stimmt, es ist nur mit dem Worte „insbesondere" ein Beispiel ge­ geben, welchen Inhalt die vorläufige Anordnung haben kann, nämlich den Inhalt, daß der Vollzug des staatsaussichtlichen Be­ schlusses vorläufig angeordnet wird. Diese allgemeine vor-

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läufige Anordnung, durch die der Beschluß nach Abs. III in vollem Umfang vorläufig vollzogen wird, setzt nicht nur die Auf­ forderung int Sinne der Vorst. Anm. 16 b, sondern auch den staats­ aufsichtlichen Beschluß selbst voraus. Sie kann nur in dringenden Fällen ergehen, s. dazu die nachf. Anm. 33. In Art. 60 V ist ausdrücklich klargestellt, daß auch zum Vollzug einer solchen all­ gemeinen vorläufigen Anordnung nicht nur die Zwangseinsetzung in den Voranschlag zulässig ist, sondern daß jede sonst erforderliche Verfügung getroffen und daß rechtserhebliche Erklärungen abge­ geben werden können. Es kann also im Vollzug dieser allgemeinen vorläufigen Anordnung, hinsichtlich derer auch auf die nachf. Anm. 41 Bezug genommen wird, z. B. der Auftrag an den 1. B. erfolgen, in bestimmter Art zu handeln oder bestimmte Rechts- und Berwaltungsakte z. B. eine Zahlungsanweisung zu unterlassen, die Be­ stellung eines besonderen Vertreters für die G., die Anweisung an einzelne Beamte der G. außer dem 1. B., z. B. des leitenden Be­ amten des Kassen- und Rechnungsdienstes u. a. m. Den Gegensatz der allgemeinen vorläufigen Anordnung bildet die besondere vorläufige Anordnung, durch die eine Einzelmaßnahme vorläufig getroffen wird. Sie kann sowohl nach der Erlassung des Beschlusses nach Abs. III (auch vor dessen Rechtskraft) geschehen. Sie kann aber auch getroffen werden, bevor der Beschluß nach Art. 60III erlassen wird, so­ bald nur die Aufforderung an die G. nach dieser Vorschrift (f. vorst. Anm. 16b) fruchtlos ergangen ist, sobald also ent­ weder die G. innerhalb der vorgesetzten Frist die angesonnene Än­ derung oder Zurücknahme ihres Beschlusses verweigert oder inner­ halb der Frist keine Erklärung abgegeben hat, oder, soweit es sich um die Pflichtenaufsicht handelt, innerhalb der vorgesetzten Frist die Erfüllung der angesonnenen Verpflichtung bestritten oder inner­ halb der Frist keine Erklärung abgegeben oder die Erfüllung der unbestrittenen Verpflichtung verweigert hat. Das sind ja „die Fälle des Abs. III", auf die der Abs. IV Bezug nimmt und eine vor­ läufige Anordnung gestattet. Als besondere vorläufige Anordnungen dieser Art, im Gegensatz zur allgemeinen vorläufigen Anordnung, können alle einzelnen Maßnahmen getroffen werden, die zur Durch­ führung des Gesetzes in dem hier in Frage stehenden Fall im öffent­ lichen Interesse notwendig sind. Beispiele geben die Maßnahmen, wie sie zuvor als Einzelhandlungen im Vollzug der allgemeinen vorläufigen Anordnung erwähnt sind, wie die in nachf. Anm. 41 genannten Maßnahmen. Solche besondere (einzelne) vorläufige An­ ordnungen können sogar sowohl vor der Erlassung des Beschlusses nach Art. 60 III — [Wenn nur die erwähnte Aufforderung an die G. fruchtlos ergangen ist] —, wie nach der Erlassung des Beschlusses ergehen, auch wenn nichtein dringender Fall vorliegt. Stets muß jedoch ein erhebliches öffentliches Interesse bestehen, die einzÄne vorläufige Anordnung zu treffen.

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Art. 60. Vorläufige Anordnung.

b) Gegen die vorläufige Anordnung wäre ohne besondere ge­ setzliche Bestimmung wie bei allen Berwaltungsakten die fristlose Anrufung der Überordnungsgewalt der höheren StaatsaufsichtSbehörde zulässig. Das Gesetz hat jedoch hier eine besondere Beschwerde, wenn auch ohne aufschiebende Wirkung gegeben