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German Pages 344 [386] Year 2015
Claus Schmitz Die Bauinsolvenz
RWS-Skript 304
Die Bauinsolvenz 6. Auflage 2015
von Rechtsanwalt Dr. Claus Schmitz, München
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Köln
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Vorwort zur 6. Auflage Die für das Bauinsolvenzrecht seit dem Erscheinen der 5. Auflage im Jahr 2011 wichtigste Änderung liegt in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2012 – IX ZR 169/11. Im Hinblick auf dessen grundsätzliche Ausführungen lässt sich meine bisherige Auffassung nicht mehr aufrechterhalten, dass ein Besteller gemäß § 8 Abs. 2 VOB/B den Bauvertrag jedenfalls im Stadium vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens risikofrei (außerordentlich) kündigen und Schadensersatz verlangen könne. Vielmehr scheint mir – auch wenn überraschend viele Stimmen eine gegenteilige Auffassung vertreten – zwangsläufige Folge der Ausführungen des Bundesgerichtshofs, dass die Klausel des § 8 Abs. 2 VOB/B unter der Voraussetzung, dass später ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Auftragnehmers eröffnet wird, unwirksam ist (§§ 119, 103 InsO). Sämtliche Passagen habe ich mithin überprüft und neue Gewichtungen vorgenommen. Eine weitere wesentliche Neuerung ist das Kapitel zu vergaberechtlichen Fragen. Für die kompetente und bereitwillige Unterstützung, ohne die mir diese neuen Inhalte nicht möglich gewesen wären, bedanke ich mich bei den „Vergaberechtsspezialisten“ meiner Kanzlei, Frau Loni Goldbrunner und Herrn Bernhard Stolz. Ich hoffe sehr, dass diese Ergänzungen sowohl für (vorläufige) Insolvenzverwalter als auch für öffentliche Auftraggeber gerade in der Phase nach Insolvenzantragstellung eine Hilfe zur Bewertung der Rechtslage sind. Ansonsten war es auch für die 6. Auflage geboten, den reichhaltigen Strom an Veröffentlichungen und Entscheidungen, die zu Verfeinerungen und Verdeutlichungen verschiedener Probleme führten, einzuarbeiten. Dabei folge ich unverändert dem Prinzip, grundlegende Kenntnisse des allgemeinen privaten Baurechts und des allgemeinen Insolvenzrechts vorauszusetzen und zu versuchen, die spezifische Schnittmenge zwischen beiden Materien zu beleuchten, was nicht ausschließt, dass ich gelegentlich in knappen Exkursen oder Einführungen die größeren (allgemeinen) Zusammenhänge anspreche. Wiederholungen habe ich soweit als möglich vermieden, auch wenn ich ab und an wegen des gebotenen Sachzusammenhangs bestimmte Gedanken nochmals aufgegriffen habe. Ansonsten arbeite ich mit einem Verweisungssystem auf andere Stellen im Buch. Da das Werk dem Praktiker – gleich ob (vorläufigem) Insolvenzverwalter oder insolvenzbetroffenem Vertragspartner, Bürgen o. Ä. – ein größtmögliches Maß an Rechtssicherheit geben soll, steht eine etwa vorhandene (und mir bekannte) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Vordergrund. Im Einzelfall habe ich mir allerdings erlaubt, Aussagen des Bundesgerichtshofs, die mir nicht zweifelsfrei erscheinen, vertieft zu diskutieren und Gegenargumente darzustellen.
V
Vorwort zur 6. Auflage
Das Manuskript wurde im Januar 2015 abgeschlossen, sodass bis dahin veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur eingearbeitet ist. Stets dankbar bin ich für Hinweise auf Fehler, Ungereimtheiten und sonstigen Korrekturbedarf: [email protected].
München, im Januar 2015
VI
Claus Schmitz
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis .................................................................................... XIX A. Die Insolvenz des Unternehmers .............................................. 1 ........ 1 I.
Gesetzliche Insolvenzgründe ....................................................... 1 ........ 1 1. Zahlungsunfähigkeit ............................................................. 2 ........ 1 2. Überschuldung ...................................................................... 9 ........ 2
II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren (in der Phase nach Antragstellung bis zur Verfahrenseröffnung) .................. 1. Vertragsfortführung ............................................................ a) Ausgangsüberlegungen der Beteiligten ...................... b) Fortführung des ursprünglichen Vertrags ................. aa) Aufrechnungsverbote ......................................... bb) Leistungsstandsabgrenzung ............................... cc) Absicherung von Nachunternehmern, Lieferanten und sonstigen vom Unternehmer eingesetzten Baubeteiligten ................................ dd) Bauzeitfragen ...................................................... ee) Keine Bindung des späteren (endgültigen) Verwalters ............................................................ ff) Drohende Bestellerkündigung gemäß § 8 Abs. 2 VOB/B ............................................... gg) Umsatzsteuer ...................................................... c) Restabwicklungsvereinbarung als praxistaugliche Alternative .................................................................... 2. Vertragsbeendigung durch den Besteller ........................... a) Allgemeine Vorbemerkungen zu Kündigungs- und sonstigen Lösungsrechten des Bestellers ................... aa) „Nachschieben von Gründen“ ........................... bb) Behandlung einer der inhaltlichen Rechtfertigung entbehrenden außerordentlichen Kündigung ........................................................... cc) Darlegungs- und Beweislast ............................... dd) Adressat der Kündigungserklärung ................... ee) Formerfordernisse .............................................. b) Kündigungsklauseln der VOB/B ................................ aa) § 8 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 und 2 VOB/B ................ (1) Wortlaut .......................................................
10 10 10 20 21 42
........ 2 ........ 2 ........ 2 ........ 5 ........ 5 ...... 11
43 ...... 11 54 ...... 13 60 ...... 14 61 ...... 15 62 ...... 15 64 ...... 15 66 ...... 17 66 ...... 17 67 ...... 17
69 72 73 74 75 75 75
...... ...... ...... ...... ...... ...... ......
17 18 18 19 19 19 19
VII
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
(2) Tatbestand ................................................... 77 (3) Verstoß dieses Kündigungsrechts gegen § 134 BGB i. V. m. §§ 103, 119 InsO ......... 84 (4) AGB-rechtliche Prüfung von § 8 Abs. 2 VOB/B .................................... 101 bb) § 8 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B ... 106 cc) § 8 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B ... 113 dd) § 8 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 8 VOB/B .............. 113 c) Kündigungsmöglichkeiten nach BGB ...................... 114 aa) Außerordentliche Kündigung als berechtigte Reaktion auf eine Vertragslossagung des Unternehmers ................................................... 114 bb) § 281 Abs. 1, Abs. 4 BGB (§ 314 BGB analog, § 323 BGB) ...................... 119 cc) Kein allgemeines insolvenzbedingtes Kündigungsrecht ............................................... 130 d) Weitere Vertragsabwicklung nach Kündigung ........ 135 aa) Aufmaß und Abnahme ..................................... 135 (1) Aufmaß (Leistungsstandsabgrenzung) .... 137 (2) Abnahme .................................................... 146 bb) Fortbestehendes Mängelbeseitigungs„recht“ des Unternehmers ............................................. 149 cc) Fertigstellung des Werks .................................. 160 dd) Fälligkeit des Werklohns für das bis zur Kündigung erbrachte Teilwerk ........................ 167 (1) Allgemeine Regeln ..................................... 167 (2) Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung .... 170 (3) Bauabzugsteuer .......................................... 182 (4) Weitere Punkte .......................................... 190 ee) Gegenrechte des Bestellers ............................... 203
...... 19
III. Weichenstellungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Einsetzung des (endgültigen) Verwalters ........................ 1. Vertragsfortführung durch den Verwalter ....................... a) Vorüberlegungen (Umsatzsteuerrecht) ................... b) Rechtliche Grundlagen: §§ 103, 105 Satz 1 InsO .... aa) Tatbestand ......................................................... (1) § 103 Abs. 1 InsO ...................................... (2) § 105 Satz 1 InsO ...................................... bb) Funktionsweise von § 103 InsO nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ....................................................... cc) Erklärungsfrist .................................................. dd) Anforderungen an die Erfüllungswahl .............
VIII
204 204 204 214 214 214 231
...... 21 ...... ...... ...... ...... ......
25 26 28 28 29
...... 29 ...... 30 ...... ...... ...... ...... ......
32 33 33 33 35
...... 37 ...... 39 ...... ...... ...... ...... ...... ......
40 40 41 45 46 49
...... ...... ...... ...... ...... ...... ......
49 49 49 52 52 52 55
235 ...... 56 256 ...... 61 257 ...... 62
Inhaltsverzeichnis Rn.
2.
Damoklesschwert der jederzeitigen außerordentlichen Bestellerkündigung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B? .............................. d) Rechtsfolgen .............................................................. aa) Aufrechnungsverbote ....................................... bb) Leistungsstandsabgrenzung ............................. cc) Keine Erstreckung der Erfüllungswahl auf Mängel des Teilwerks ....................................... dd) Notwendige Mitwirkungshandlungen des Bestellers ............................................................ ee) Absicherung von Nachunternehmern und weiteren Baubeteiligten; Anwendbarkeit des BauFG ......................................................... ff) Bauzeitfragen .................................................... gg) Fälligkeit der auf die Teilleistung nach Verfahrenseröffnung entfallenden Forderung ...... (1) Abnahme .................................................... (2) Schlussrechnung ........................................ (3) Bauabzugsteuer .......................................... e) Restabwicklungsvereinbarung als Alternative ......... Zusammenfassende Betrachtungen zu einem nach Insolvenzantrag und nach Verfahrenseröffnung durchgehend fortgeführten Bauvertrag ...........................
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c)
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags ..................................................................................... 1. Vertragsbeendigung durch den Besteller ......................... a) § 103 Abs. 2 InsO ...................................................... b) Kündigung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B ............ c) Sonstige Vertragsbeendigungsgründe ...................... 2. Strukturelle Parallelität der Rechtsfolgen nach berechtigter, vor Verfahrenseröffnung erklärter Bestellerkündigung und nach Schadensersatzwahl des Bestellers gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO ............... 3. Forderung des Verwalters ................................................. a) Fälligkeit ..................................................................... b) Anforderungen an die Schlussrechnung ................... aa) Allgemeine Vorbemerkungen .......................... (1) Berechnungsgrundlagen für den Werklohn, der auf das bis Suspendierung erstellte Teilwerk entfällt .......................... (2) Behandlung der noch nicht eingebauten Bauteile ....................................................... (3) Pflicht des Geschäftsführers zur Erstellung von Schlussrechnungen ...........
269 280 280 284
...... ...... ...... ......
65 68 68 69
286 ...... 70 332 ...... 82
339 ...... 84 343 ...... 85 345 346 347 348 349
...... ...... ...... ...... ......
85 85 86 86 86
351 ...... 86 365 365 365 366 367
...... ...... ...... ...... ......
90 90 90 90 90
368 375 375 380 380
...... ...... ...... ...... ......
90 92 92 94 94
380 ...... 94 384 ...... 95 386 ...... 96
IX
Inhaltsverzeichnis Rn.
4.
X
(4) Eigenaufstellung der Schlussrechnung durch den Besteller .................................... bb) Folgen für den Einheitsvertrag ........................ cc) Folgen für den Pauschalpreisvertrag ................ dd) „Nachtragsforderungen“ (Ansprüche wegen geänderter und zusätzlicher Leistungen und wegen veränderter Bauzeit) .............................. c) Bauabzugsteuer .......................................................... d) BauFG ........................................................................ Aufrechenbare Gegenforderungen des Bestellers (aus demselben Vertrag) ................................................... a) Allgemeine Vorbemerkungen ................................... aa) Notwendigkeit der Aufrechnung; keine automatische Verrechnung ............................... bb) Nichtanwendbarkeit von § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO auf die Aufrechnung des Bestellers mit im (engen) Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Ansprüchen .................... b) Ansprüche wegen Mängeln ....................................... aa) Kein gegen den Verwalter durchsetzbarer Nacherfüllungsanspruch; kein Leistungsverweigerungsrecht ........................................... bb) Mängelbedingter Schadensersatzanspruch ...... cc) Darlegungs- und Beweislast ............................. dd) „Selbstvornahme“ ............................................. ee) Verjährung ......................................................... ff) Kein Leistungsverweigerungsrecht wegen abstrakter Mängelsorgen .................................. gg) Aufrechnungsmöglichkeiten des Bestellers im formalen Anwendungsbereich des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO .................................... c) Restfertigstellungsmehrkosten ................................. aa) Besondere Relevanz in der Bauinsolvenz ........ bb) Schlüssige Darlegung des Schadens ................. cc) Abgrenzung Restfertigstellungsmehrkosten/ Schadensersatzanspruch wegen Mängeln ........ dd) Anspruch des Verwalters auf Restfertigstellungsmehrkostenaufstellung ...................... ee) Verknüpfung der Abrechnung des vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrags und der Restfertigstellungsmehrkosten ........................ ff) Weitere Details zu diesem Rechnungsposten zugunsten des Bestellers ................................... d) Vertragsstrafe/Verzugsschaden ................................ e) Sicherheitseinbehalt ...................................................
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388 ...... 96 390 ...... 97 391 ...... 97
415 .... 102 419 .... 103 420 .... 103 422 .... 104 422 .... 104 422 .... 104
427 .... 105 434 .... 106
434 437 451 463 476
.... .... .... .... ....
106 107 110 113 117
480 .... 118
481 483 483 486
.... .... .... ....
118 119 119 120
499 .... 123 501 .... 123
508 .... 124 515 .... 127 521 .... 129 529 .... 131
Inhaltsverzeichnis Rn.
5.
Architektenkosten im Hinblick auf die Restfertigstellung ....................................................... Gegenforderungen des Bestellers aus anderen Vertragsverhältnissen – Zulässigkeit und Grenzen der Aufrechnung (§§ 94 ff. InsO) ................................... a) Aufrechnung des Bestellers mit einer Gegenforderung aus einem anderen Bauvertrag gegen eine dem Verwalter aus einem Bauvertrag zustehende Werklohnforderung ............................... b) Exkurs: Aufrechnung des Bestellers mit einer Gegenforderung aus einem insolvenzbedingt beendeten Vertrag gegen Forderungen des Verwalters aus anderen Vertragsverhältnissen ......... c) Exkurs: Aufrechnung des Bestellers mit sonstigen Gegenforderungen gegen eine Hauptforderung des Verwalters ............................................................ d) Kritische Bewertung ..................................................
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f)
549 .... 135
559 .... 137
560 .... 138
567 .... 141
577 .... 143 584 .... 146
V. Der von einer Seite zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits vollständig erfüllte Bauvertrag ..................................... 593 .... 148 1. Vollständige Erfüllung durch den Schuldner .................. 594 .... 148 2. Vollständige Erfüllung durch den Besteller ..................... 600 .... 149 VI. Insolvenz und Vergaberecht .................................................... 1. Insolvenz eines Unternehmens im laufenden Vergabeverfahren .............................................................. a) Fakultativer Ausschluss insolventer Unternehmen ............................................................ aa) Einzelfallbezogene Prognose .......................... bb) Ermessensentscheidung über den Ausschluss ......................................................... cc) Prüfungs- und Dokumentationspflichten ....... dd) Insolvenz nach Abschluss der Angebotsprüfung, aber vor einer endgültigen Vergabeentscheidung ........................................ b) Besonderheiten bei Insolvenz eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft .......................................... 2. Neuvergabe von Restleistungen nach insolvenzbedingter Beendigung des Vertrags mit dem zuerst beauftragten Unternehmer ..............................................
610 .... 151 611 .... 151 611 .... 151 613 .... 152 615 .... 153 618 .... 154
620 .... 155 621 .... 156
623 .... 156
VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt .................................................................. 629 .... 157 1. Wirksamkeit eines (verlängerten) Eigentumsvorbehalts ......................................................... 629 .... 157 2. Das Aussonderungsrecht des Lieferanten beim einfachen Eigentumsvorbehalt (§ 47 InsO) .................... 643 .... 160 XI
Inhaltsverzeichnis Rn.
3. 4. 5.
6.
Ersatzaussonderungsrecht des Lieferanten aufgrund einfachen Eigentumsvorbehalts (§ 48 InsO) ................... Absonderungsrecht des Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts (§ 51 Nr. 1 InsO) .... Schadensersatzansprüche gegen den (vorläufigen) Verwalter bei schuldhafter Verletzung von Aus- oder Absonderungsrechten (§§ 60 f., 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO) ... a) Haftung des Verwalters (§§ 60 f. InsO) .................. b) Haftung des vorläufigen Verwalters (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO i. V. m. §§ 60 f. InsO analog) ................ Ansprüche des Lieferanten aus Bereicherungsrecht ......
VIII. Sonderprobleme in der Insolvenz des Architekten oder Ingenieurs ............................................................................... 1. Abrechnung des bis zur vorzeitigen Vertragsbeendigung erbrachten Teilwerks .................................... 2. Durchsetzung von Forderungen mit Haftpflichtversicherungsbezug ........................................................... a) Absonderungsrecht des Bestellers gemäß § 110 VVG .................................................................. aa) Allgemeines ....................................................... bb) Durchsetzung von Ansprüchen ....................... (1) Direktanspruch/-klage .............................. (2) Weitere Möglichkeiten der Anspruchsverfolgung .................................................. cc) Kooperation zwischen Haftpflichtversicherer und Verwalter .................................................... dd) Freigabe des Deckungsanspruchs durch Insolvenzverwalter ............................................ b) Verjährung .................................................................
Seite
649 .... 162 654 .... 163
675 .... 168 675 .... 168 679 .... 169 682 .... 169 683 .... 170 683 .... 170 687 .... 170 687 687 690 690
.... .... .... ....
170 170 171 171
694 .... 172 703 .... 175 709 .... 176 713 .... 177
B. Insolvenz des Bestellers .......................................................... 720 .... 179 I.
Vorbemerkung .......................................................................... 720 .... 179
II. Gesetzliche und vertragliche Absicherungsmöglichkeiten des Unternehmers .................................................................... 1. Gesetzliche Möglichkeiten ............................................... a) § 648a BGB ................................................................ b) § 648 BGB .................................................................. 2. Vertragsgestaltung ............................................................
721 721 721 723 724
.... .... .... .... ....
179 179 179 180 180
III. Handlungsmöglichkeiten des Unternehmers im Eröffnungsverfahren (dem Zeitraum nach Antragstellung und vor Verfahrenseröffnung) ................................................. 727 .... 180 1. Vertragsfortführung .......................................................... 728 .... 181 a) Fortführung des ursprünglichen Vertrags ............... 728 .... 181
XII
Inhaltsverzeichnis Rn.
2.
b) Restabwicklungsvereinbarung .................................. Leistungsverweigerung und Vertragsbeendigung ........... a) Leistungsverweigerung und Rücktritt gemäß § 321 BGB .................................................................. b) Leistungsverweigerung und Kündigung gemäß § 648a BGB ................................................................ c) Zurückbehaltung weiterer Leistung und Kündigung wegen nicht bezahlter Abschlagsrechnungen .......... d) Kündigung wegen unterlassener Mitwirkung des Bestellers .............................................................. e) Allgemeines insolvenzbedingtes Kündigungsrecht? ......................................................
IV. Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ............... 1. (Unterbliebene) Erfüllungswahl durch den Verwalter ... 2. Mängelbeseitigungsverlangen des Verwalters ................. a) Vom Besteller vollständig erfüllter Vertrag ............. b) Beiderseits nicht vollständig erfüllter Bauvertrag .... 3. Höhe des dem Unternehmer nach Vertragsbeendigung zustehenden Anspruchs und ordnungsgemäße Forderungsanmeldung ...................................................... a) Differenzierte Anspruchshöhe je nach Vertragsbeendigungstatbestand ................................ b) Behandlung eines wirksam zugunsten des Bestellers vereinbarten Sicherheitseinbehalts .......... c) Bauabzugsteuer .......................................................... d) Formale Anforderungen an die Forderungsanmeldung .................................................................. 4. Behandlung der vom Unternehmer gestellten Bürgschaften ......................................................................
Seite
729 .... 181 730 .... 181 731 .... 181 741 .... 184 742 .... 184 747 .... 185 748 .... 185 749 749 754 754 756
.... .... .... .... ....
186 186 188 188 189
768 .... 191 768 .... 191 774 .... 192 779 .... 193 784 .... 194 795 .... 196
V. Besonderheiten für den Nachunternehmer in der Insolvenz des Generalunternehmers als Bestellers .................................. 805 .... 199 1. Direktzahlungen des Bauherrn an den Nachunternehmer des insolventen Unternehmers .................. 805 .... 199 2. Mängelansprüche des Verwalters gegen den Nachunternehmer ...................................................................... 814 .... 201 C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts .... 823 .... 205 I.
Einleitung .................................................................................. 823 .... 205
II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers ............. 829 .... 206 1. Zahlungen auf Abschlagsrechnungen und auf die Schlussrechnung ................................................................ 829 .... 206
XIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
2.
3. 4. 5. 6.
7.
8.
9.
Abtretungen und Direktzahlungen des Bauherrn an den Nachunternehmer des Schuldners/Generalunternehmers ..................................................................... a) Abtretungen ............................................................... b) Direktzahlungen des Bauherrn ................................. c) Keine Ergebniskorrektur durch § 648a BGB ........... d) Ergebniskorrektur durch baurechtliche Nebengesetze, die eine Bürgenhaftung des Generalunternehmers begründen? ......................................... Kauf von werthaltigen Gegenständen des Bestellers und anschließende Aufrechnung ...................................... Exkurs: Krisenmanagement in der offenen Krise des Bestellers ............................................................................ Sonstige atypische Befriedigungen ................................... Exkurs: Fehlende Gläubigerbenachteiligung bei auf Rückgewähr von Baugeld gerichtetem Anfechtungsanspruch? ........................................................................... Erlangung von Sicherheiten, insbesondere Bürgschaften ...................................................................... a) Von Anfang an vertraglich eingeräumter oder aus § 648a BGB folgender Anspruch auf Sicherheit ...... b) Erlangung einer Sicherheit aufgrund nachträglicher vertraglicher Abrede .................................................. c) Gläubigerbenachteiligung ......................................... d) Weitere Tatbestandsmerkmale einer Insolvenzanfechtung .................................................................. e) § 648 BGB .................................................................. Verknüpfung einer notwendigen Leistung im Eröffnungsverfahren mit der Befriedigung von Insolvenzforderungen ....................................................... Anfechtung unentgeltlicher Zuwendungen im DreiPersonen-Verhältnis ..........................................................
845 845 859 869
.... .... .... ....
209 209 212 214
877 .... 216 882 .... 217 891 .... 219 919 .... 225
927 .... 226 933 .... 228 933 .... 228 939 .... 229 943 .... 230 955 .... 233 959 .... 234
976 .... 238 988 .... 240
III. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Unternehmers .... 992 1. Vertragsgestaltung (insbesondere § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B) ................................................................... 992 2. Unangemessener Vergleich ............................................ 1006 3. Entgegennahme von Leistungen des Schuldners in der Krise und anschließende Aufrechnung gegen hieraus resultierende Forderungen ............................................. 1014 4. Exkurs: Anfechtung gegenüber dem Globalzessionar .... 1017 5. Die Anfechtung von Bauabzugsteuern .......................... 1028 6. „Überleitung“ von Werklohnforderungen auf Dritte ..... 1034 7. Direktzahlungen .............................................................. 1039
XIV
Seite
.... 241 .... 241 .... 245
.... .... .... .... ....
246 247 250 250 251
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
D. Besonderheiten der Bauträgerinsolvenz ............................. 1040 .... 253 I.
Die Sicherung des Eigentumsübertragungsanspruchs am Grundstück durch eine Vormerkung (§ 106 Abs. 1 InsO) .... 1040 .... 253
II. Die Grenzen des durch die Vormerkung vermittelten Schutzes ................................................................................... 1064 .... 258 III. Vorrangige Grundpfandrechte der finanzierenden Banken ..................................................................................... 1073 .... 260 IV. Freistellungsansprüche des Erwerbers wegen Erschließungs- und Anliegerbeiträgen .................................. 1080 .... 262 E.
Prozessuale Fragen ................................................................ 1087 .... 265
I.
Bindung des Verwalters an eine Schiedsgerichtsvereinbarung ............................................................................ 1087 .... 265
II. Prozessunterbrechung ............................................................ 1090 .... 266 1. Verfahren vor den ordentlichen Gerichten ................... 1090 .... 266 2. Schiedsgerichtsverfahren ................................................ 1094 .... 266 III. Sonderprobleme des selbstständigen Beweisverfahrens ....... 1. Der Schuldner als Antragsgegner in einem vor Verfahrenseröffnung eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren .............................................................. a) Keine Unterbrechung des Verfahrens .................... b) Insolvenzrechtlicher Status der dem selbstständigen Beweisverfahren zugrunde liegenden Ansprüche (inkl. etwaiger Kostenerstattungsansprüche) ............................................. c) Kostenerstattungsanspruch des Verwalters ........... d) Gegenstandswert ..................................................... 2. Vom Schuldner als Antragsteller vor Verfahrenseröffnung eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren .......................................................................... a) Keine Unterbrechung des Verfahrens .................... b) Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Antragsgegner durch den Verwalter ....................... c) Kostenerstattungsansprüche des Antragsgegners und der Justiz ........................................................... d) Gegenstandswert ..................................................... 3. Nach Verfahrenseröffnung gegen den Verwalter eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren ............... a) Insolvenzrechtlicher Status der verfahrensgegenständlichen Ansprüche .................................. b) Zulässigkeit ohne vorhergehende Forderungsanmeldung ................................................................
1100 .... 267
1101 .... 267 1101 .... 267
1105 .... 269 1115 .... 271 1126 .... 273
1130 .... 274 1130 .... 274 1132 .... 275 1133 .... 275 1137 .... 276 1138 .... 276 1138 .... 276 1139 .... 277 XV
Inhaltsverzeichnis Rn.
4.
c) Kostenerstattungsansprüche des Antragstellers .... d) Kostenerstattungsansprüche des Verwalters ......... e) Gegenstandswert ..................................................... Verwalter ist Antragsteller eines nach Verfahrenseröffnung eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahrens ........................................................................ a) Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Antragsgegner durch den Verwalter ....................... b) Kostenerstattungsansprüche des Antragsgegners ... c) Gegenstandswert .....................................................
IV. Sonstige ausgewählte Probleme ............................................. 1. Feststellungsstreit des Insolvenzgläubigers gegen den Verwalter (§§ 87, 180 ff. InsO) ............................... 2. Aufnahme von Aktivprozessen durch den Verwalter (§ 85 InsO) ...................................................................... 3. Fristenprobleme ..............................................................
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1141 .... 277 1144 .... 278 1145 .... 278
1146 .... 278 1146 .... 278 1147 .... 279 1148 .... 279 1149 .... 279 1149 .... 279 1157 .... 281 1167 .... 283
F.
Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz ............... 1170 .... 285
I.
Einleitung ................................................................................ 1170 .... 285
II. Durchsetzung von Ansprüchen in der Insolvenz des Hauptschuldners ..................................................................... 1172 .... 285 1. Sicherungsfall .................................................................. 1172 .... 285 2. Darlegungs- und Beweislast ........................................... 1176 .... 286 III. Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren durch den bürgschaftsgesicherten Gläubiger und den Bürgen ....... 1. Verbot der Doppelanmeldung ........................................ 2. Zahlung des Bürgen an den Bürgschaftsgläubiger nach Insolvenzverfahrenseröffnung ............................... 3. Behandlung aufschiebend bedingter Forderungen bei der Schlussverteilung ................................................ IV. Die Abwicklung des zwischen Schuldner und Bürgen bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrags ........................... 1. Erlöschen des Avalkreditvertrags mit Verfahrenseröffnung ......................................................................... 2. Auswirkungen des Erlöschens des Avalkreditvertrags auf Prämienansprüche des Bürgen ................................. 3. Auswirkungen des Erlöschens des Avalkreditvertrags auf Regressansprüche des Bürgen .................................. a) Regress gemäß § 774 Abs. 1 BGB i. V. m. der Hauptforderung ....................................................... b) Regress gemäß §§ 675, 670 BGB ............................
XVI
1179 .... 287 1179 .... 287 1183 .... 288 1188 .... 290 1194 .... 292 1194 .... 292 1195 .... 292 1198 .... 293 1198 .... 293 1200 .... 294
Inhaltsverzeichnis Rn.
4.
Praktische Abwicklungsprobleme zwischen Bürgen und Verwaltern im Fall der Inanspruchnahme von Bürgschaften .................................................................... a) Einleitung ................................................................. b) AGB der Bürgen zur erleichterten Durchsetzung von Regressansprüchen ........................................... c) Avalmanagement .....................................................
Seite
1207 .... 295 1207 .... 295 1212 .... 298 1220 .... 300
V. Wiederaufleben von Bürgschaften nach Rückgewähr des anfechtbar Erlangten (§ 144 InsO) ....................................... 1223 .... 301 G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) .... 1225 .... 303 I.
Einleitung ................................................................................ 1. Definitionen .................................................................... 2. Vertragsgrundlagen ......................................................... 3. Die Rechtsnatur der ARGE ............................................
II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE .................................................... 1. Ausscheiden eines Partners aufgrund seiner Insolvenz ......................................................................... a) Eigeninsolvenzantrag .............................................. b) Insolvenzantrag eines Dritten gegen einen Partner ...................................................................... c) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Partners ........................................ 2. Anwachsung .................................................................... 3. Die aufgrund des Ausscheidens des insolventen Partners gebotene Aufstellung der Auseinandersetzungsbilanz ................................................................. a) Vorbemerkung ......................................................... b) Einzelprobleme ........................................................ aa) Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz durch die kaufmännische Geschäftsführung, hilfsweise durch den verbliebenen Gesellschafter .................................................. bb) Stichtagsprinzip und Einfluss nachträglicher Erkenntnisse .................................................... cc) Bewertung der bis zum Ausscheiden des insolventen Partners „ausgeführten Arbeiten“ ......................................................... dd) Finanzielle Verhältnisse des Bestellers .......... ee) Angemessene Bewertung des „Risikos wegen Mängelhaftung“ ................................... ff) Bewertung sonstiger Risiken .......................... gg) Schwebende Geschäfte ...................................
1225 1225 1228 1237
.... .... .... ....
303 303 303 304
1241 .... 305 1242 .... 305 1242 .... 305 1247 .... 306 1249 .... 307 1252 .... 307
1261 .... 309 1261 .... 309 1265 .... 310
1265 .... 310 1266 .... 310
1273 .... 312 1276 .... 313 1278 .... 313 1284 .... 315 1286 .... 315 XVII
Inhaltsverzeichnis Rn.
4.
hh) Isolierte Behandlung von besonderen Positionen ........................................................ c) Zustellung und Feststellung der Bilanz .................. aa) Zustellung ........................................................ bb) Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz durch bloßen Fristablauf ................................ cc) Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz durch Einigung oder gerichtliche Klärung .... dd) Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz und §§ 174 ff. InsO ......................................... d) Handlungsmöglichkeiten des Verwalters bei Nichterstellung der Auseinandersetzungsbilanz durch den verbliebenen Partner .............................. e) Fälligkeit des Anspruchs auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens oder eines Verlustausgleichsanspruchs ..................................... Sicherheiten zugunsten des verbliebenen ARGE-Partners ............................................................... a) Bürgschaften ............................................................ aa) Unterbürgschaften .......................................... bb) Ausschüttungsbürgschaften ........................... cc) Übergang von zugunsten des Bestellers hingegebenen Sicherheiten ............................. b) Pfandrecht an den vom ausgeschiedenen Partner überlassenen Geräten und Stoffen .......................... aa) Entstehungsvoraussetzungen ......................... bb) Abgesicherte Ansprüche ................................ cc) Verwertung ......................................................
III. Die Auswirkungen des insolvenzbedingten Ausscheidens des Schuldners aus der ARGE für die Rechtsbeziehungen der ARGE zu Dritten, insbesondere zum Besteller ............. 1. Fortbestehende gesamtschuldnerische Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters .................................... 2. Kein Kündigungsrecht des Bestellers aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B gegenüber der ARGE insgesamt bei Insolvenz eines ARGE-Partners .................................... 3. Auswirkung auf laufende Prozesse ................................
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1292 .... 316 1297 .... 317 1297 .... 317 1300 .... 318 1306 .... 319 1310 .... 320
1313 .... 321
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1361 .... 333 1361 .... 333
1367 .... 334 1372 .... 335
Stichwortverzeichnis ................................................................................... 339
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XLI
A. Die Insolvenz des Unternehmers I. Gesetzliche Insolvenzgründe Das Insolvenzverfahren ist ein Antragsverfahren, wobei antragsberechtigt 1 der Schuldner ist bzw. dessen Organe (Letztere sind häufig auch antragsverpflichtet [z. B. § 15a Abs. 1 InsO]), daneben auch seine Gläubiger sind. Der nach einem zulässigen Insolvenzantrag eingesetzte Gutachter, der regelmäßig zum vorläufigen Verwalter (§§ 21 f. InsO) bestellt wird, hat vor allem zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). 1. Zahlungsunfähigkeit Ein Eröffnungsgrund ist die (drohende) Zahlungsunfähigkeit (§§ 17 f. InsO). 2 Der Bundesgerichtshof, BGHZ 163, 134 = ZIP 2005, 1426 (m. Bespr. Hölzle, ZIP 2006, 101) = ZVI 2005, 408, dazu EWiR 2005, 767 (Bruns); weiterführend Kayser, Rn. 5, 11 ff.,
gibt der Praxis folgende Regeln an die Hand: Eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit be- 3 heben lässt, ist lediglich eine Zahlungsstockung. Eine solche stellt noch keinen Eröffnungsgrund dar und ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die Mittel zu beschaffen, die sie zum Ausgleich der gegen sie bestehenden fälligen Verbindlichkeiten benötigt. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Beträgt dagegen eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Li- 4 quiditätslücke des Schuldners 10 % (oder mehr) seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Anders verhält es sich nur, wenn ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Umgekehrt: Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 %, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Der Bundesgerichtshof will mit diesen prozentualen Schwellenwerten (und 5 den daraus ableitbaren widerlegbaren Vermutungen) der Praxis handhabbare Vorgaben liefern, ohne eine starre zahlenmäßige Grenze einzuführen, deren Überschreitung automatisch dazu führt, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt. BGHZ 163, 134 = ZIP 2005, 1426, 1430 (m. Bespr. Hölzle, ZIP 2006, 101) = ZVI 2005, 408.
1
A. Die Insolvenz des Unternehmers
6 Dem Urteil lässt sich folgende Formel zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit entnehmen: (liquide Mittel + Zahlungseingänge innerhalb von drei Wochen): (fällige + innerhalb von drei Wochen fällig werdende Zahlungspflichten) < 90 % Knolle/Tetzlaff, ZInsO 2005, 897, 901.
7 „Fällig“ i. S. v. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist eine Forderung – abweichend vom allgemeinen Zivilrecht –, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt, wofür grundsätzlich schon die Übersendung einer Rechnung genügt. Demnach kann aber eine Forderung, wegen derer der Gläubiger mit einer nachrangigen Befriedigung einverstanden ist, nicht zur Begründung einer Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 Abs. 1 InsO herangezogen werden. BGH ZIP 2007, 1666 Rn. 12, 18 f. = ZVI 2007, 462, dazu EWiR 2007, 665 (Schröder).
8 Vermutet wird die Zahlungsunfähigkeit regelmäßig, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Eingehend nunmehr BGH ZIP 2006, 2222 Rn. 12 ff. (m. Bespr. Hölzle, ZIP 2007, 613) = ZVI 2006, 577, dazu EWiR 2007, 113 (Wagner).
2. Überschuldung 9 § 19 Abs. 2 InsO definiert diesen Insolvenzgrund wie folgt: Das Vermögen des Schuldners deckt die bestehenden Verbindlichkeiten nicht (mehr). Weiterführend zu dieser zuletzt ständig geänderten Norm etwa Kayser, Rn. 6 ff.
II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren (in der Phase nach Antragstellung bis zur Verfahrenseröffnung) 1. Vertragsfortführung a) Ausgangsüberlegungen der Beteiligten 10 Ein Insolvenzantrag des Unternehmers veranlasst beim Besteller Überlegungen, ob er gleichwohl den Vertrag mit dem Unternehmer (unter Einbindung des vorläufigen Verwalters) fortführen oder ihn auf einer dann ausfindig zu machenden, als rechtssicher zu beurteilenden Grundlage fristlos kündigen soll. 11 Folgende Aspekte sprechen aus Sicht eines Bestellers dafür, den Vertrag mit dem Unternehmer trotz dessen Insolvenzantrags fortzuführen: x
2
Verbleiben bewährter, qualifizierter Kräfte auf der Baustelle,
II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
x
befriedigende Qualität der bisher erbrachten Leistung (Mängelfreiheit, Einhaltung von Vertragsfristen),
x
„Alternativlosigkeit“ des Unternehmers, der sich in einer Spezialbranche betätigt, sodass der Besteller ihn nur schwer auf die Schnelle durch einen gleichwertigen Zweitunternehmer ersetzen kann,
x
baldiger Abschluss der Arbeiten,
x
drohende finanzielle Risiken (hohe Restfertigstellungsmehrkosten durch die Einschaltung eines Zweitunternehmers und den damit verbundenen Zeitverlust durch Verhandlungen, neue Baustelleneinrichtung usw., wenn der Besteller diese Kosten nicht verlässlich durch vom Unternehmer gestellte Sicherheiten und durch Aufrechnung gegen den noch nicht ausgezahlten Werklohn ausgleichen kann),
x
Professionalität, „Bauerfahrung“ und gute Erreichbarkeit des vorläufigen Verwalters als faktischen Entscheidungsträgers, sodass das weitere Vorgehen schnell feststeht und die Baustelle nicht lange stillliegt.
Einige der Faktoren, die einen Besteller zur Aufrechterhaltung des Vertrags 12 veranlassen können (Qualität der bisher erbrachten Leistung, baldiger Abschluss der Arbeiten, Verbleiben bewährter, qualifizierter Kräfte auf der Baustelle), machen auch für den vorläufigen Verwalter die Vertragsfortführung interessant, da sie zu einer wichtigen Risikobegrenzung führen. Soweit ich vom vorläufigen Verwalter spreche, ist folgende Klarstellung ver- 13 anlasst: Juristisch haben der Insolvenzantrag und die Einsetzung des vorläufigen Verwalters durch das Insolvenzgericht nicht zur Folge, dass die Entscheidungsgewalt auf den vorläufigen Verwalter übergeht; § 80 Abs. 1 InsO gilt erst mit Verfahrenseröffnung. Dennoch ist in der Praxis so gut wie ausgeschlossen, dass der Unternehmer 14 im Eröffnungsverfahren ohne Einbindung des vorläufigen Verwalters Entscheidungen etwa über die Fortführung von Bauvorhaben trifft. Juristisch lässt sich dies durch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen bewirken, wie sie in einem Regelkatalog § 21 Abs. 2 InsO auflistet. Dabei ist in Bauinsolvenzen die Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO; Einsetzung eines „starken“ vorläufigen Verwalters) äußerst selten, weil sie für den vorläufigen Verwalter wegen § 55 Abs. 2 InsO große Haftungsrisiken begründet. Durch den regelmäßig angeordneten Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO; Einsetzung eines „schwachen“ vorläufigen Verwalters) erreicht aber das Insolvenzgericht, dass alle wirtschaftlich relevanten Entscheidungen des Schuldners nur im Konsens mit dem vorläufigen Verwalter getroffen werden. Rudimentär ist diese Rechtslage Bestellern bekannt, weshalb sie meist den 15 direkten Kontakt zum vorläufigen Verwalter suchen. Rechtlich verantwortliches Subjekt bleibt aber nach außen – von der in der Praxis vernachlässig-
3
A. Die Insolvenz des Unternehmers
baren Fallgruppe des „starken“ vorläufigen Verwalters abgesehen – der Unternehmer, dessen Handlungen eben der Zustimmung des vorläufigen Verwalters bedürfen. 16 Aus Sicht des vorläufigen Verwalters sprechen u. a. folgende vertragsbezogenen Aspekte für eine Fortführung: x
„Fairness“ des Bestellers in der bisherigen Vertragsabwicklung, ablesbar z. B. am Zahlungsverhalten,
x
beherrschbare Komplexität der Baustelle,
x
auskömmlich kalkulierte Preise,
x
erhöhte Zahlungsbereitschaft des Bestellers, soweit es um noch nicht beglichene Abschlagsrechnungen für die bereits erbrachte Teilleistung geht, wenn der Besteller erwarten kann, dass der Vertrag bruchlos fortgeführt wird,
x
Möglichkeit, die Baustelle vollständig oder ganz überwiegend mit eigenem Personal des Schuldners (unter Inanspruchnahme von vorfinanziertem Insolvenzgeld) und mit allenfalls geringem Fremdmaterialeinsatz abzuwickeln (während bei starker Abhängigkeit von Nachunternehmern und Lieferanten die Risiken deutlich ansteigen),
x
ausreichende Liquidität, um die mit dieser Baustelle verbundenen Kosten verlässlich bezahlen zu können.
17 Losgelöst vom einzelnen Vertrag können Sonderfaktoren die Bereitschaft des vorläufigen Verwalters erhöhen, das Risiko der Baustellenfortführung auf sich zu nehmen: x
Hinreichend konkrete Aussicht, den schuldnerischen Betrieb oder wenigstens Teile mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens übertragen zu können („übertragende Sanierung“) bzw. ein Insolvenzplanverfahren durchzuführen, was wiederum in der Regel u. a. davon abhängt, dass der vorläufige Verwalter im Eröffnungsverfahren einen gewissen Auftragsbestand aufrechterhält,
x
Engagement/Beiträge eines Dritten, z. B. einer Bank oder eines Kreditversicherers, der anderenfalls befürchten muss, aus seinen Bürgschaften – für die er keine hinreichenden insolvenzfesten Rückgriffssicherheiten hat – in großem Umfang erfolgreich von den Bürgschaftsgläubigern/Bestellern in Anspruch genommen zu werden.
18 Im Kern geht es für den Unternehmer/vorläufigen Verwalter einerseits, den Besteller andererseits, zur hier nicht vertieften Sichtweise weiterer Beteiligter (Bürgen usw.) instruktiv Bomhard, in: Nicklisch, S. 87 ff.; weitere allgemeine – nicht auf Bauverträge bezogene – Hinweise bei Schluck-Amend/Seibold, ZIP 2010, 62,
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
ausschließlich um eine nüchterne Bewertung der absehbaren wirtschaftlichen Folgen, die sich nach einer Entscheidung zur „Kooperation“ (Vertragsfortführung) positiver darstellen müssen als nach einer „konfrontativen“ Vorgehensweise (Bestellerkündigung oder Verweigerung weiterer Vertragserfüllung durch den Unternehmer/vorläufigen Verwalter). Oft gibt es diese notwendige Interessenkongruenz nicht, sodass eine Vertragsfortführung ausscheidet. Erschwerend kommt hinzu: Jeder Tag Verzögerung löst gerade bei privaten 19 Bauvorhaben beträchtlichen Schaden aus, sodass äußerst schnelle Entscheidungen geboten sind. Zugleich wird der vorläufige Verwalter in den ersten Tagen nach Amtseinsetzung mit einer Vielzahl von Informationen überschüttet und muss erst im schuldnerischen Unternehmen die qualifizierten und vertrauenswürdigen Wissensträger ausfindig machen, sodass es ihm schwerfällt, sofort die bei ex-ante-Betrachtung fortführungsfähigen und -würdigen Bauvorhaben herauszufiltern. Der Besteller wiederum sieht sich möglicherweise erstmals mit einer Bauinsolvenz konfrontiert und benötigt daher geraume Zeit, bis er die insolvenzrechtlichen Besonderheiten nachvollzogen hat. b) Fortführung des ursprünglichen Vertrags Scheinbar am einfachsten ist es, ohne große Umstände auf Grundlage des be- 20 stehenden Vertrags die Bauarbeiten zügig fortzuführen. Indes muss der vorläufige Verwalter die komplexen Vorgaben des Bauinsolvenzrechts im Auge behalten und parallel zur restlichen Baustellenabwicklung die notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen. aa) Aufrechnungsverbote Vertretbar ist eine (ohne Abstimmung mit dem Besteller erfolgende) Fort- 21 führung des Vertrags für den vorläufigen Verwalter nur, wenn mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass später über das Vermögen des Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Nur dann gelten die Vorschriften des Insolvenzanfechtungsrechts und die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote. Dabei kommt es entscheidend auf die Kombination von § 96 Abs. 1 Nr. 3 22 InsO i. V. m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 (§ 131 Abs. 1) InsO an. Nach der ersten Norm ist die Aufrechnung ausgeschlossen, „wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat“. Was mit der „durch eine anfechtbare Rechtshandlung“ erlangten Aufrech- 23 nungsmöglichkeit gemeint ist, wird deutlich an folgendem
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
Beispiel: Besteller B hat am 1.3.2006 mit Unternehmer U einen Bauvertrag geschlossen. B erfährt am 1.7.2006, dass U an diesem Tag Insolvenzantrag gestellt hat. U erbringt mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters ab 5.7.2006 bis Ende Juli 2006 die noch offenen Restarbeiten zur Fertigstellung des Bauvorhabens, wodurch er einen anteiligen Werklohnanspruch von 15.000 € erarbeitet. Nach Verfahrenseröffnung am 20.8.2006 verlangt der Verwalter von B Zahlung. Diese verweigert B, der gegen den Werklohnanspruch mit einer Gegenforderung in gleicher Höhe aufrechnet. Diese stammt aus einer Überzahlung, die B im Jahre 2004 zu einem anderen Bauvertrag an U geleistet hat. 24 Mit der Gegenforderung ist B „Insolvenzgläubiger“ i. S. v. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Im Verfahren kann er hierauf nach Feststellung zur Tabelle nur quotale Befriedigung erwarten. Die Forderung ist angesichts der geringen bis oft gar nicht gegebenen Quoten in Bauinsolvenzen (nahezu) vollständig wertlos. Sie erfährt durch die Aufrechnung (wenn diese wirksam wäre) eine enorme Aufwertung. Anstatt den zuletzt „aufgefüllten“, so prägnant Kreft, in: Berger u. a., S. 10; dazu, dass es darauf ankommt, ob der Besteller die Leistung des Schuldners in Anspruch nimmt, auch G. Fischer, ZIP 2004, 1679, 1683 r. Sp.,
bzw. „werthaltig“, so die vom Bundesgerichtshof zuletzt ständig verwendete Formulierung, etwa: BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, Rn. 3; BGH ZIP 2011, 1523 Rn. 11, 13, dazu EWiR 2011, 577 (Eckardt); BGH, Urt. v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588 Rn. 12 f., dazu EWiR 2013, 325 (Krüger),
gewordenen Werklohn für die nach Insolvenzantrag erbrachten Arbeiten zu bezahlen (die den B bei Einschaltung eines anderen Unternehmers ebenso mindestens 15.000 € gekostet hätten), rechnet B auf und will erreichen, dass seine reine Insolvenzforderung zu 100 % erfüllt wird. Daraus, dass der Bundesgerichtshof zutreffend auf das Werthaltigmachen des Werklohns abstellt, folgt, dass es auf formale (und manipulierbare) Aspekte wie den Zeitpunkt der Rechnungstellung nicht ankommt. BGH, Urt. v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588.
25 Diese Möglichkeit der Aufrechnung hat B in anfechtbarer Weise erlangt: Anfechtbare Rechtshandlung ist die Entgegennahme der Restleistung des U durch B nach dem 5.7.2006. B kannte zur Zeit dieser Arbeiten den Insolvenzantrag des U (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Die für jede Anfechtung notwendige Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) liegt darin, dass der Insolvenzmasse nicht der anteilige Werklohn von 15.000 € zufließt, was durch die
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
Tilgung der rein quotal zu befriedigenden, praktisch wertlosen Gegenforderung nicht kompensiert wird. Zu keinem anderen Ergebnis kommt man, wenn der Besteller vor dem weiteren 26 Werthaltigmachen des Werklohns (in der ihm bekannten Krise des Unternehmers) bereits Abschläge auf Grundlage desselben Bauvertrags gezahlt hatte. Sofern/soweit diesen keine gleichwertige Leistung des Unternehmers gegenüberstand, hat der Besteller nur einen als einfache Insolvenzforderung zu behandelnden Rückerstattungsanspruch, der ebenso wie jedwede andere Insolvenzforderung nicht zur Aufrechnung gegen den nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO „aufrechnungsresistenten“ Werklohnteilbetrag berechtigt. Darauf, ob die zur Aufrechnung gestellte Insolvenzforderung im selben Vertrag wurzelt oder ob sie aus einem anderen Vertragsverhältnis stammt, kommt es nicht an. Unzutr. daher (insoweit) OLG Hamburg IBR 2013, 79; ebenfalls abl. zu diesem Urteil Froehner, NZI 2012, 1007.
Anwendbar ist im obigen Beispiel § 130 InsO, weil B die weitere Leistung 27 des U auf Grundlage eines Vertrags entgegennahm, den er mehr als drei Monate vor dem Insolvenzantrag des U mit diesem abgeschlossen hatte, also außerhalb der kritischen Zeit (wie sie die durchgehend in §§ 130 – 132 InsO vorgesehenen letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag bestimmen). Derartige „rechtzeitig“ abgeschlossene Verträge führen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass die hieraus erlangte Befriedigung kongruent ist und damit nur § 130 InsO zur Anwendung langt. BGHZ 147, 233 = ZIP 2001, 885, 888, dazu EWiR 2001, 883 (Wagner) l. Sp.; vgl. auch OLG München ZIP 2010, 638; inkonsistent dazu der zum Urteil des OLG München ergangene Beschluss des BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, Rn. 2, der Inkongruenz mit dem Argument bejaht, dass der Anfechtungsgegner/ Besteller Anspruch auf Begleichung von Steuerschulden durch Zahlung, nicht aber auf Befriedigung durch Aufrechnung habe, und der den mehr als drei Monate vor Insolvenzantrag geschlossenen Bauvertrag, der Grundlage für die kongruente Entgegennahme weiterer Arbeiten war, nicht berücksichtigt.
Der vorläufige Verwalter muss daher im Anwendungsbereich des § 130 28 Abs. 1 InsO vor Fortführung der Arbeiten sicherstellen, dass der Besteller nachweisbar vom Insolvenzantrag des Unternehmers Kenntnis hat (der alternative Vortrag, der Besteller habe während der Entgegennahme der Leistung die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers gekannt, wird regelmäßig viel schwerer beweisbar sein). Ist der Besteller/spätere Anfechtungsgegner eine juristische Person des öffent- 29 lichen Rechts, kommt es für deren anfechtungsrelevante Kenntnis nicht allein auf den Wissensstand der den Bauvertrag betreuenden Behörde an, sondern ist ab dem Zeitpunkt, in dem mehrere Behörden dieser juristischen Person bei der Bezahlung einer Rechnung durch Aufrechnung zusammenwirken, die
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
Kenntnis einer dieser Behörden den anderen an der Aufrechnung beteiligten Behörden zuzurechnen. BGH ZIP 2011, 1523 Rn. 14 ff.
30 Verschärft hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung in der Folge mit der Aussage, dass die „aufgabenbezogene Handlungs- und Informationseinheit“ ab dem Zeitpunkt entsteht, „ab dem eine Behörde von der Möglichkeit der Wissensbeschaffung bei anderen Behörden desselben Rechtsträgers Gebrauch macht“. Demnach „genügt [es] für die Wissenszurechnung, dass die Möglichkeit bestand, die Informationen im maßgeblichen Zeitpunkt innerhalb der Organisation zusammenzuführen. Die Wissenszurechnung findet deshalb auch statt, wenn die zuständige Behörde erst zu einem späteren Zeitpunkt – vorliegend erst im Prozess über die eingeklagte Bauforderung – prüft, ob sie mit rückständigen Steuerforderungen aufrechnen kann.“ BGH ZIP 2014, 1497 Rn. 2.
31 Angesichts dessen bedarf es der nicht nachvollziehbaren Konstruktion, der Besteller erhalte eine inkongruente Deckung, BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, Rn. 2,
nicht mehr; da der Bundesgerichtshof diesen Beschluss in seinen weiteren zu diesem Themenkreis ergangenen Entscheidungen nicht mehr zitierte, darf die darin geäußerte Rechtsauffassung als aufgegeben gelten. 32 Kann der Verwalter im späteren Prozess die subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 130 Abs. 1 InsO nicht beweisen, kann der Verwalter die vom Besteller auf Gegenforderungen, die nur den Charakter von Insolvenzforderungen haben, gestützte Aufrechnung gegen den nach Insolvenzantrag aufgefüllten Werklohn nicht verhindern. OLG Stuttgart IBR 2006, 28.
33 Komfortabler ist für den Verwalter die Situation, wenn § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anwendbar ist. Eine inkongruente Deckung i. S. d. § 131 Abs. 1 InsO ist gegeben, wenn der Unternehmer aufgrund eines Vertrags arbeitet, der in der kritischen Zeit (also in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag) geschlossen wurde, da der Besteller keinen Anspruch darauf hat, mit dem Schuldner neue Verträge abzuschließen. BGHZ 147, 233 = ZIP 2001, 885, 888, dazu EWiR 2001, 883 (Wagner) l. Sp., BGH ZIP 2001, 2055, 2056 f., dazu EWiR 2002, 107 (Rigol), (die Frage, ob eine kongruente oder inkongruente Deckung vorliegt, wurde in dieser zur GesO ergangenen Entscheidung offengelassen); BGH ZIP 2004, 1160 (zur umgekehrten Konstellation – Aufrechnung des Unternehmers), dazu EWiR 2004, 977 (Eckardt);
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren OLG Hamm BauR 2004, 89; zum Ganzen auch Kreft, in: Berger u. a., S. 8 ff.
Das OLG Hamm,
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OLG Hamm BauR 2004, 89, 91 r. Sp.,
formuliert zutreffend, dass der damit losgelöst von subjektiven Merkmalen eintretende Aufrechnungsausschluss für den Besteller „eine überraschende Belastung darstellen“ mag. Das obige Beispiel suggeriert allerdings eine Leichtigkeit der Abwicklung, die 35 tatsächlich nur selten gegeben ist. Verwalter werden, um eine Forderung schlüssig darzulegen und mit Erfolgsaussicht einklagen zu können, die im Beispiel ohne weitere Problematisierung zugrunde gelegten 15.000 € sauber darlegen müssen. Nicht entscheidend ist dabei, welchen Aufwand der Schuldner betreiben 36 musste. Es kommt also nicht darauf an, ob z. B. die Lohnkosten (inkl. Nebenkosten) und die Zahlungen an Lieferanten und Nachunternehmer, die sich auf deren Leistungen im maßgeblichen Zeitraum beziehen, in der Summe 15.000 € ergeben. Dieser Aufwand entspricht in der Regel nicht dem mit dem Besteller vereinbarten Werklohn. Allein Letzerer, dessen Bezahlung der Besteller durch seine Aufrechnung entgehen will, ist der ihm zufließende, anfechtungsrechtlich relevante Vorteil. OLG Dresden ZIP 2005, 2167, 2170 l. Sp., dazu EWiR 2006, 691 (Neußner).
Der richtige (und entsprechend aufwendige) Berechnungsweg ergibt sich viel- 37 mehr aus allerdings sehr knappen Andeutungen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass für die Ermittlung des anteiligen Werklohns, der auf ein bis zur Insolvenzverfahrenseröffnung erbrachtes Teilwerk des Schuldners entfällt, dieselben Grundsätze anzuwenden sind, wie sie für die Ermittlung des Werklohns für ein bis zur Kündigung eines Bauvertrags erbrachtes Teilwerk gelten. BGH ZIP 2002, 1093, 1096 r. Sp., dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot).
Soweit in einer früheren Entscheidung der Bundesgerichtshof eine Minde- 38 rungsformel anwendete und dies in einer späteren Entscheidung bestätigte, BGH ZIP 2001, 1380, 1383, dazu EWiR 2001, 1107 (Tintelnot); BGH, Beschl. v. 16.2.2006 – IX ZR 183/05, Rn. 2 (zu OLG Dresden ZIP 2005, 2167, 2170),
liegt dem offensichtlich – wie der „harmonisierende“ Verweis auf diese frühere Rechtsprechung in der 2002 ergangenen Entscheidung (ZIP 2002, 1093, 1096 r. Sp.) belegt – die Vorstellung zugrunde, dass beide Berechnungswege zum
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
selben Ergebnis führen, was bei genauer Betrachtung nicht vollkommen zutreffend ist. 39 Jedenfalls hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich festgehalten, dass für die Berechnung der Wertschöpfung die vom Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 17 KO, § 103 InsO entwickelten Grundsätze auf das Anfechtungsrecht zu übertragen sind. BGH, Beschl. v. 16.2.2006 – IX ZR 183/05, Rn. 2.
40 Damit kann der Rechtsanwender auf die fein ziselierte Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Abrechnung eines Bauvertrags nach Kündigung zurückgreifen (siehe Rn. 390 ff.), die zu differenzierteren Ergebnissen führt als die etwas grobschlächtige Anwendung der Minderungsformel. Der Verwalter ist damit aber mit all den Problemen konfrontiert, die diese Judikatur in ihrer praktischen Umsetzung gerade für Pauschalpreisverträge aufwirft (siehe Rn. 391 ff.). Die Anfechtung ist daher nur erfolgreich, wenn er auf eine genaue beweiskräftige Dokumentation (Bautagebuch des Schuldners, gemeinsame oder wenigstens zeitnah vom Schuldner genommene Aufmaße u. Ä.) zurückgreifen kann. Praxistipp: Im Hinblick auf eine etwa später notwendige Anfechtung muss der vorläufige Verwalter die Mitarbeiter des Schuldners instruieren, minutiöse Feststellungen – nach Möglichkeit zusammen mit bevollmächtigten Vertretern des Bestellers – zeitnah zu treffen. Entschärft wird die Problematik, wenn der Besteller auf die weitere Leistung des Schuldners in dieser Phase aufgrund zeitnah gestellter Abschlagsrechnungen zügig Zahlungen leistet.
41 Besondere Probleme bereitet es, den maßgeblichen Betrag zu berechnen, wenn in dieser Phase nur noch Mängel beseitigt werden, um ein Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers aufzuheben. Dazu folgendes Beispiel: Ein Besteller behält im Stadium vor dem Insolvenzantrag des Unternehmers nach Abnahme wegen eines scheinbar nur mit erheblichem Aufwand zu beseitigenden Mangels 30.000 € ein. Nach dem – dem Besteller bekannten – Insolvenzantrag des Unternehmers lässt der vorläufige Verwalter durch einen besonders kompetenten Mitarbeiter, der aufgrund seiner Spezialisierung die Mangelursache schnell herausfindet und beseitigt, nacherfüllen. Dabei laufen für die vorläufige Insolvenzmasse Lohn- und Materialkosten usw. von lediglich 1.500 € auf. Der Besteller rechnet nun gegen den einredefrei fälligen Werklohn mit einer im eröffneten Insolvenzverfahren als Insolvenzforderung zu behandelnden Gegenforderung (aus einem anderen Bauvorhaben) von 28.500 € auf und zahlt lediglich 1.500 € aus. Der oben befürwortete Berechnungsweg versagt in diesem Fall. Die Bauleistung als solche war abgeschlossen sowie abgenommen und damit einer – fiktiven –
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
Kündigung nicht mehr zugänglich. Es ist auch nicht möglich, auf kalkulierte Nacherfüllungskosten abzustellen, weil ein Unternehmer solche nicht kalkuliert. Für die Zulässigkeit der vom Besteller vorgenommenen Aufrechnung könnte sprechen, dass er objektiv zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags und der bei ihm dadurch eingetretenen Bösgläubigkeit bereits ein – wenn auch mangelhaftes – Werk erhalten hatte und es naheliegt, dieses Werk rechnerisch mit dem noch offenen Werklohn abzüglich der dem Unternehmer noch entstehenden Mangelbeseitigungskosten zu bewerten. Damit wäre dem Besteller, der diese Werkleistung vor seiner anfechtungsrechtlichen „Bösgläubigkeit“ erhielt, die Aufrechnung möglich. Dagegen könnte sprechen, dass der Besteller den Mangel für gravierend hielt und deshalb 30.000 € einbehielt, von denen er jedenfalls einen Gutteil hätte aufwenden müssen, wenn er einen Zweitunternehmer im Wege der Selbstvornahme eingeschaltet hätte. Die dogmatisch am ehesten befriedigende Lösung lässt sich durch den Rückgriff auf eine entsprechende Anwendung der Minderungsformel gewinnen. Die ansonsten bestehenden Bedenken gegen deren Heranziehung können zurücktreten, weil die vorzugswürdige Anwendung der Grundsätze zum gekündigten Bauvertrag für die Mangelbeseitigungskosten nicht weiterführt. Demnach ist der noch verdiente, gegen eine Aufrechnung immunisierte Restwerklohn so zu ermitteln, dass man die Differenz zwischen dem Wert des mangelfreien Bauwerks und des mangelhaften Bauwerks bildet (in Anlehnung an BGH ZIP 2001, 1380, 1382). Dies wird eher zu der vom Besteller angenommenen Zahl führen (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt für das eröffnete Insolvenzverfahren Rn. 310 ff.). bb) Leistungsstandsabgrenzung Der spätere endgültige Verwalter muss darlegen, welche Leistung in der kri- 42 tischen Zeit (und während der anfechtungsrechtlichen „Bösgläubigkeit“ des Bestellers) der Unternehmer erbracht hat. Dies setzt eine genaue Erfassung der in der kritischen Zeit erbrachten Leistung voraus. Nachträglich ist deren Feststellung nur mit erheblichem Zusatzaufwand möglich. Unklarheiten und Beweislücken fallen dem Verwalter zur Last. cc) Absicherung von Nachunternehmern, Lieferanten und sonstigen vom Unternehmer eingesetzten Baubeteiligten Soweit die Leistungen Dritter benötigt werden, verspüren diese aufgrund der 43 Gesamtumstände ein spezielles Sicherungsbedürfnis. Wie der vorläufige Verwalter sich einerseits insolvenzrechtlich korrekt verhalten und andererseits eine allein zielführende schnelle Weiterarbeit ohne Verzögerungen erreichen kann, ist zuletzt Gegenstand intensiver Diskussion gewesen. Hat das Insolvenzgericht ausnahmsweise einen vorläufigen Verwalter einge- 44 setzt, auf den die Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen überge-
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
gangen ist, so erwachsen aus Bestellungen und Aufträgen des vorläufigen Verwalters im Zeitraum vor Verfahrenseröffnung später Masseverbindlichkeiten (§§ 55 Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 1 InsO), deren Nichtbezahlung eine Eigenhaftung des Verwalters (§ 61 InsO) begründen kann. Regelmäßig werden dem vorläufigen Verwalter jedenfalls in den besonders komplexen Bauinsolvenzen derart weitreichende Befugnisse nicht eingeräumt – und von ihm auch gar nicht gewünscht. Anders scheint die Praxis im Saarland zu sein. 45 Wegen einer denkbaren späteren Masseunzulänglichkeit kann im Übrigen auch in solchen Konstellationen der Dritte ein Bedürfnis nach Absicherung haben: So kann er für weitere Werkleistungen Sicherheit gem. § 648a BGB fordern und bei nicht fristgerechter Stellung seine Leistung verweigern; der Baustofflieferant und -verkäufer kann gem. § 320 BGB auf Zahlung Zug um Zug gegen Übereignung der Ware bestehen. Damit ist es für den vorläufigen Verwalter unverzichtbar, hinreichend liquide Mittel zur Verfügung zu haben (oder von Banken/Bürgen durch Bürgschaften o. Ä. unterstützt zu werden). 46 Wird dagegen nur ein „schwacher“ vorläufiger Verwalter eingesetzt, so resultieren aus dessen Bestellungen und Aufträgen keine Masseverbindlichkeiten. Dies hat der Bundesgerichtshof, BGH ZIP 1997, 1551, 1552, dazu EWiR 1997, 851 (Uhlenbruck),
schon für die alte Rechtslage (Aufträge eines Sequesters gem. § 106 Abs. 1 KO) ausdrücklich festgehalten und für das Recht der Insolvenzordnung bestätigt. BGH ZIP 2002, 1625 (m. Bespr. Prütting/Stickelbrock, S. 1608) = ZVI 2002, 250, dazu EWiR 2002, 919 (Spliedt).
47 Er hat den Dritten darauf verwiesen, angemessene Sicherheiten zu erlangen. In Betracht kommen Vorauskasse, Abtretungen, Bürgschaften und Einzahlungen auf ein Treuhandkonto. BGH ZIP 1997, 1551, 1553 l. Sp.; Kind, ZAP Fach 14, S. 323, 332; Bähr, ZIP 1998, 1553; Bork, ZIP 2003, 1421; Werres, ZInsO 2005, 1233, insb. 1235 ff.; abl. zum Treuhandkontomodell AG Hamburg ZIP 2003, 1809, dazu EWiR 2003, 1091 (Tetzlaff).
48 Der Dritte wird darauf zu achten haben, dass die weitere Vertragsabwicklung den Kriterien des Bargeschäfts (§ 142 InsO) genügt. Andernfalls droht später eine Insolvenzanfechtung. 49 Treuhandkonten hat der vorläufige Verwalter als Treuhänder zugunsten der bei Anlegung zu benennenden Dritten mit Zustimmung des Insolvenzgerichts einzurichten. Er muss dieses Konto für den Abschnitt der vorläufigen Verwaltung abrechnen.
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
Ferner kann das Insolvenzgericht den „schwachen“ vorläufigen Verwalter 50 dazu ermächtigen, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zulasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen, soweit dies für eine erfolgreiche Verwaltung nötig ist. BGH ZIP 2002, 1625, 1629 (m. Bespr. Prütting/Stickelbrock, S. 1608) = ZVI 2002, 250, dazu EWiR 2002, 919 (Spliedt).
Derartige Einzelermächtigungen können sich z. B. auf Bauvorhaben beziehen, 51 die die Schuldnerin unter Zustimmung des vorläufigen Verwalters fortführen soll, wobei die maßgeblichen Nachunternehmer, Lieferanten usw. – ggf. gruppenweise – zu benennen sind. Praktikable Ergebnisse lassen sich nur erzielen, wenn das zuständige Insolvenzgericht flexibel u. U. auch wiederholt Einzelermächtigungen erteilt. In der Praxis können solche Gestaltungen zu Verzögerungen führen, die den 52 Sinn der Baufortführung insgesamt in Frage stellen. Im Einzelfall kann es daher deutlich effektiver sein, wenn der Ruf des vorläufigen Verwalters so gut ist, dass Dritte dessen Erklärung, die Bezahlung ihrer Leistungen aus der vorläufigen Insolvenzmasse sei gesichert, als ausreichend akzeptieren, und der Austausch Leistung/Zahlung so erfolgt, dass ein bedenkenfreies Bargeschäft i. S. v. § 142 InsO vorliegt. Fällt gleichwohl der Dritte mit seinen Ansprüchen auf Zahlung aus, können 53 entsprechende Erklärungen eine persönliche Haftung des vorläufigen Verwalters begründen. Zwar führen derartige Erklärungen im Regelfall nicht zu einer Garantiehaftung des vorläufigen Verwalters, aber möglicherweise zu einer Haftung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen. Der Anspruch richtet sich dann auf den Ersatz des negativen Interesses, sodass der Gewinn nicht zu ersetzen ist. Instruktiv OLG Frankfurt/M. ZInsO 2007, 548; zum Ganzen auch Bähr/Hermann, Rn. 63 ff.; krit. zu Zahlungsversprechen des vorläufigen Verwalters, wenn die Zahlung erst nach Verfahrenseröffnung wie auf eine Masseverbindlichkeit erfolgt, Bork, ZIP 2003, 1421, 1423.
dd) Bauzeitfragen Die Problematik wird deutlich an folgendem Beispiel:
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Der Bauvertrag zwischen Besteller und Unternehmer sieht einen Fertigstellungstermin zum 1.6. vor. Wirksam vereinbart ist weiter, dass der Unternehmer eine Vertragsstrafe von 0,1 % je Kalendertag der schuldhaften Überschreitung, maximal 5 % des Werklohns, schuldet. Der Unternehmer stellt am 1.6. Insolvenzantrag; die Bauleistung ist noch nicht fertiggestellt, was auf Verschulden des Unternehmers beruht. Die noch offene Restleistung könnte der Unternehmer in etwa 30 Kalendertagen erbringen und dadurch noch ca. 3 % der Gesamtvergütung erwirtschaften.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
55 Könnte der Besteller gegen den durch die Weiterarbeit erwirtschafteten, abzugrenzenden Vergütungsanspruch mit dem parallel zwangsläufig in gleicher Höhe auflaufenden Vertragsstrafenanspruch aufrechnen, wären eine Weiterarbeit und die damit verbundene Investition von Mitteln der vorläufigen Insolvenzmasse offensichtlich sinnlos. Dies kann schwerlich richtig sein. Daher können die ursprünglichen Vertragsfristen und -strafen nicht mehr maßgebend sein. Dies kann allerdings keinen Freibrief für den vorläufigen Verwalter und den Unternehmer bedeuten, die noch geschuldete Teilleistung zögerlich zu erbringen. 56 Der nötige Schutz des Bestellers kann mit der Rechtsprechung des VII. Senats des Bundesgerichtshofs erreicht werden. Danach ist bei Fehlen bestimmter/ bestimmbarer Fristen § 271 BGB anwendbar. Somit hat der Unternehmer im Zweifel alsbald nach Vertragsschluss mit der Herstellung zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen. Dabei ist die für die Herstellung notwendige Zeit in Rechnung zu stellen. Mit Ablauf der angemessenen Fertigstellungsfrist tritt Fälligkeit ein. BGH ZfIR 2001, 450 r. Sp. (m. Anm. Schwenker, S. 451), dazu EWiR 2001, 365 (Siegburg).
57 Unter Orientierung an dieser Rechtsprechung sind Umstände aus dem ursprünglichen Vertrag heranzuziehen, um die dem Unternehmer einzuräumende Zeit für die Erbringung der aus insolvenzrechtlichen Gründen verselbstständigten Restleistung zu bestimmen. Dabei ist Bemessungsgrundlage für die Vertragsstrafe nunmehr der Werklohnanteil, der auf die Restleistung entfällt. Zum Teil abw. T. Wellensiek, BauR 2005, 186, 198 f.; Bopp, S. 210 ff., 246 ff.
58 Die praktische Umsetzung dieser Grundsätze ist aber gerade in der Hektik nach Insolvenzantragstellung äußerst schwierig und streitträchtig. Rechtsprechung zu diesem Problemkreis, anhand derer der vorläufige Verwalter die drohenden Risiken genauer bewerten kann, existiert – soweit ersichtlich – nicht, und die zur Vertragsabwicklung nach Verfahrenseröffnung und Erfüllungswahl ergangene Rechtsprechung wirft – so kritikwürdig sie sein mag (vgl. Rn. 343) – für den vorläufigen Verwalter erhebliche Risiken auf. 59 Daher sollte der Schuldner/vorläufige Verwalter die Weiterarbeit in einer Restabwicklungsvereinbarung mit dem Besteller regeln und in dieser neue Fristen und eine dazu passende Vertragsstrafe vereinbaren. ee) Keine Bindung des späteren (endgültigen) Verwalters 60 Auch wenn der vorläufige Verwalter faktisch die Fortführung der Arbeiten vorantreibt, sie formaljuristisch durch seine Zustimmung zu den Aktivitäten des Unternehmers absegnet und er später zum (endgültigen) Verwalter bestellt wird, ist er in dieser Funktion an die früheren Entscheidungen nicht
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
gebunden. Vielmehr hat er wegen § 103 InsO das Recht, neu über die Erfüllung des Vertrags nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu befinden. ff) Drohende Bestellerkündigung gemäß § 8 Abs. 2 VOB/B Diese regelmäßig von erfahrenen Bestellern in den Vertrag aufgenommene 61 Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung ist nach hiesiger Auffassung zwar aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht mehr wirksam ausübbar (vgl. Rn. 84 ff.). Es besteht aber eine gewisse Rechtsunsicherheit, weil die gegenteilige Auffassung weiterhin vertreten wird. Ein vorläufiger Verwalter läuft daher Gefahr, dass er Gelder und Anstrengungen auf bestimmte Baustellen konzentriert und parallel Verpflichtungen gegenüber zur Weiterarbeit benötigten Dritten eingeht, um doch mit einer etwa wirksamen Kündigung des Bestellers gem. § 8 Abs. 2 VOB/B konfrontiert zu werden. Ob der Besteller das Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen § 242 BGB oder nach dem Rechtsgedanken des § 626 Abs. 2 BGB verliert, wenn er in Kenntnis des Insolvenzantrags über eine längere Zeit die Weiterarbeit des Unternehmers widerspruchslos akzeptiert, ist – soweit ersichtlich – bisher nicht Gegenstand von Rechtsprechung gewesen. gg) Umsatzsteuer Gemäß § 55 Abs. 4 InsO, der am 1.1.2011 in Kraft getreten ist,
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BFH ZIP 2014, 2451 (m. Bespr. Kahlert, ZIP 2015, 11), dazu EWiR 2015, 19 (Schmittmann),
gelten Verbindlichkeiten des Schuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Verwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Verwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Damit muss der (endgültige) Verwalter anders als nach der bisherigen Rechts- 63 lage einkalkulieren, dass er die Umsatzsteuer im eröffneten Verfahren an den Fiskus in voller Höhe abführen muss, wenn er bereits vor Verfahrenseröffnung eine (Abschlags-)Zahlung des Bestellers vereinnahmt hat. c) Restabwicklungsvereinbarung als praxistaugliche Alternative Ein in Bauinsolvenzen erfahrener vorläufiger Verwalter muss angesichts der 64 Risiken, die mit einer einseitig betriebenen Weiterarbeit verbunden sind, darauf achten, wesentliche rechtliche und tatsächliche Eckdaten mit dem Besteller verbindlich festzulegen. Hierfür hat sich in der Praxis der Begriff „Restabwicklungsvereinbarung“ eingebürgert. Üblicherweise, vgl. auch Vogel, in: Partner im Gespräch 72, S. 47, 72 ff.,
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
enthält eine solche Vereinbarung folgende Punkte: x
Festlegung eines Stichtags für die Abgrenzung der bis zu diesem Tag vom Schuldner und der ab diesem Tag auf Kosten der vorläufigen Insolvenzmasse vom Schuldner unter Billigung durch den vorläufigen Verwalter erbrachten Leistung;
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Bewertung des bis zum Stichtag erarbeiteten Leistungsstands und des hierauf entfallenden anteiligen Werklohnanspruchs des Unternehmers;
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Regelung, dass und in welcher Weise der Besteller fällige Abschlagsforderungen des Unternehmers (wenigstens teilweise) begleicht und dass ggf. der vorläufige Verwalter diese Zahlungen treuhänderisch verwahrt und zunächst nur zur Finanzierung der weiteren Bauabwicklung einsetzen darf;
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Einigung über bis zum Stichtag aufgelaufene Gegenansprüche des Bestellers und deren Aufrechnung gegen einen etwa bis dato noch offenen Restwerklohnanspruch; falls eine abschließende Einigung nicht möglich ist: Vorbehalt des Bestellers;
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Verzicht des Bestellers auf die Aufrechnung gegen den anteiligen Vergütungsanspruch, der ab dem Stichtag erarbeitet wird, mit Gegenforderungen, die vor dem Stichtag begründet wurden und den Status (künftiger) einfacher Insolvenzforderungen haben; meist empfiehlt sich die Klarstellung, dass Gegenrechte des Bestellers, die mit der weiteren Leistung ab dem Stichtag zusammenhängen (etwa wegen deren Mangelhaftigkeit oder wegen Verzugs), unberührt bleiben;
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Klarstellung, dass der wirksam vereinbarte Anspruch des Bestellers auf Mängelanspruchssicherheit auch hinsichtlich der ab dem Stichtag zu erbringenden Leistung gilt, wobei sich der Betrag nur aus der anteiligen Werklohnforderung berechnet, die ab dem Stichtag erarbeitet wird;
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(Vorsorglicher) Verzicht des Bestellers auf das etwa doch wirksame Kündigungsrecht des § 8 Abs. 2 VOB/B, jedoch mit der Klarstellung, dass andere außerordentliche insolvenzunabhängige (gesetzliche oder vertragliche) Kündigungsrechte des Bestellers unberührt bleiben, falls die weitere Vertragsabwicklung ab dem Stichtag eine solche außerordentliche Bestellerkündigung rechtfertigt;
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Festlegung von verbindlichen Vertragsfristen/-terminen für die Restleistung und u. U. Regelung, dass eine bisher wirksam vereinbarte Vertragsstrafe fortgilt, zu berechnen allerdings nur aus dem „Auftragswert“ der noch offenen Restleistung.
65 Schließen der Besteller und der Unternehmer – unter Zustimmung des vorläufigen Verwalters – eine solche Vereinbarung und gelingt die ordnungsgemäße Abwicklung, ist nicht ersichtlich, dass der Besteller eine etwa schon
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
vor dem Stichtag ihm zugegangene Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch nehmen könnte. Eine solche Restabwicklungsvereinbarung reduziert mithin das Haftungsrisiko des Bürgen. Die Anwendung des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB ist daher fernliegend. Wer als Besteller auf Nummer Sicher gehen will, wird allerdings die Restabwicklungsvereinbarung unter die aufschiebende Bedingung stellen, dass der Bürge hierzu die uneingeschränkte Forthaftung der Bürgschaft erklärt. Das Gleiche sollte der Unternehmer/vorläufige Verwalter wegen einer etwa vom Besteller beigebrachten Zahlungsbürgschaft tun. 2. Vertragsbeendigung durch den Besteller a) Allgemeine Vorbemerkungen zu Kündigungsund sonstigen Lösungsrechten des Bestellers Das BGB gewährt mit § 649 dem Besteller das Recht, sich jederzeit von einem 66 Werkvertrag zu lösen (ebenso § 8 Abs. 1 VOB/B). Eine solche „freie“ Bestellerkündigung ist nicht attraktiv, da der Besteller dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung – abzüglich dessen ersparter Aufwendungen und dessen anderweit erzielten oder erzielbaren Verdiensts – bezahlen muss. Daher behandeln die nachfolgenden Ausführungen nur solche Vorschriften und Vertragsbestimmungen, die speziell wegen der Insolvenz des Unternehmers oder aufgrund typischerweise mit seiner Insolvenz verbundener Begleitumstände dem Besteller die sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses für die Zukunft ermöglichen könnten. Kennzeichnend für solche Normen und Regelungen ist es, dass dem Besteller nach Kündigung ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zusteht. aa) „Nachschieben von Gründen“ Dem Besteller ist es nicht verwehrt, in der späteren Auseinandersetzung mit 67 dem Unternehmer bzw. dessen Verwalter Gründe zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung nachzuschieben, auf die er seinerzeit die Kündigung nicht gestützt hat. BGHZ 163, 274 = ZIP 2005, 1561, 1562 r. Sp. (m. w. N.) = ZfIR 2005, 707 (LS).
In diesem Urteil bestanden Zweifel, ob § 8 Abs. 2 VOB/B – auf den sich der 68 Besteller primär stützte – überhaupt anwendbar war. Darauf kam es nicht an, weil die außerordentliche Kündigung aus anderen Gründen gerechtfertigt war. bb) Behandlung einer der inhaltlichen Rechtfertigung entbehrenden außerordentlichen Kündigung Liegen Umstände, die eine außerordentliche Kündigung oder sonstige be- 69 rechtigte Vertragslossagung rechtfertigen, nicht vor, behandelt die neuere
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
Rechtsprechung die Erklärung des Bestellers im Zweifel als „freie“ Bestellerkündigung mit den unerfreulichen Rechtsfolgen der § 649 BGB, § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B. So BGHZ 156, 82 = ZIP 2004, 724 (LS) = ZfIR 2003, 936 (m. Anm. Schwenker, S. 939); zutr. zurückhaltend demgegenüber: BGH NZBau 2001, 621, 622 l. Sp.; BGH ZIP 2000, 539, 540, dazu EWiR 2000, 519 (Bröcker).
70 Erfahrene Besteller formulieren deshalb in ihren Kündigungsschreiben, dass die Kündigung nur als außerordentliche gewollt sei und eine Behandlung als „freie“ Kündigung ausscheide. Das ändert indes nichts an der Berechtigung des Unternehmers, seinerseits wegen der in der unberechtigten (außerordentlichen) Kündigung liegenden Vertragsverletzung den Vertrag jedenfalls nach einem fruchtlosen Angebot an den Besteller, die Arbeiten fortzuführen, oder einer Weigerung des Bestellers, sich von seiner unberechtigten Kündigung zu distanzieren, außerordentlich und berechtigt zu kündigen. BGH BauR 2009, 1736 Rn. 26; Kniffka/Koeble, 8. Teil Rn. 33 m. w. N.
71 Hinzuweisen ist auf einen Extremfall, über den 1987 das OLG Oldenburg, OLG Oldenburg BauR 1987, 567,
zu befinden hatte: Der Besteller kündigte den Werkvertrag gem. § 8 Abs. 2 VOB/B mit Schreiben vom 6.6.1985, dem Verwalter am darauf folgenden Tag zugegangen. Jedoch hatte das Landgericht bereits mit Beschluss vom 4.6.1985 den Konkurseröffnungsbeschluss des Amtsgerichts aufgehoben. Damit war das Konkursverfahren rückwirkend beseitigt. Dennoch erklärte der Besteller im Prozess, dass er die Kündigung aufrechterhalten wolle. Deshalb deutete das Oberlandesgericht die unwirksame Kündigung des Bestellers auf Grundlage des § 8 Abs. 2 VOB/B in eine ordentliche Kündigung gem. § 8 Abs. 1 VOB/B um und verurteilte den Besteller gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/ B zur Werklohnzahlung. cc) Darlegungs- und Beweislast 72 Da der Besteller aus einer außerordentlichen Kündigung für sich günstige Rechtsfolgen ableitet, hat er die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsmerkmale. OLG Oldenburg BauR 1987, 567, 568 l. Sp. (zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B).
dd) Adressat der Kündigungserklärung 73 Im Eröffnungsverfahren ist § 80 Abs. 1 InsO nicht anwendbar. Die Kündigung muss daher dem Unternehmer, bei juristischen Personen deren Organen, zu-
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
gehen. Ein „schwacher“ vorläufiger Verwalter ist der falsche Adressat. Es ist aber sinnvoll, ihm parallel die Kündigungserklärung abschriftlich zuzuleiten. Anders ist es wegen § 22 Abs. 1 InsO indessen, wenn das Insolvenzgericht ausnahmsweise einen „starken“ vorläufigen Verwalter einsetzt. Dieser ist der richtige Adressat für die Kündigung. ee) Formerfordernisse Dem BGB sind keine besonderen Formvorgaben für vertragsbeendigende 74 Erklärungen zu entnehmen. Die VOB/B enthält in § 8 Abs. 5 ein Schriftformerfordernis, dessen AGB-rechtliche Wirksamkeit angesichts des gesetzlichen Leitbilds zweifelhaft ist. Da aber häufig der Besteller die VOB/B im AGB-rechtlichen Sinn „verwendet“, ist er an diese selbst gemachte Vorgabe gebunden. In der Praxis erfolgen vertragsbeendigende Erklärungen regelmäßig in der vereinbarten Schriftform und werden entweder persönlich gegen Quittung übergeben oder als Einschreiben/Rückschein zugeleitet. b) Kündigungsklauseln der VOB/B aa) § 8 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 und 2 VOB/B (1) Wortlaut Die VOB/B (2006) enthielt eine Änderung hinsichtlich der 2. Alternative, 75 die nun zwei Varianten beinhaltet. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B (2006; unverändert 2009) enthält auf der Tatbestandsseite vier Alternativen und lautet wie folgt: „Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, von ihm oder zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger das Insolvenzverfahren (§§ 14 und 15 InsO) bzw. ein vergleichbares gesetzliches Verfahren beantragt ist, ein solches Verfahren eröffnet wird oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird.“
Zwei dieser Alternativen betreffen den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenz- 76 verfahrens und sind daher Gegenstand der anschließenden Ausführungen (zur 3. Alternative vgl. Rn. 269 ff.). (2) Tatbestand Eine „Zahlungseinstellung“ des Unternehmers im Sinne der 1. Alternative ist 77 anhand der unter Rn. 8 dargestellten Grundsätze zu überprüfen. Im Einzelfall können die dem Besteller zur Kenntnis gelangten Tatsachen mit hinreichender Verlässlichkeit den Schluss zulassen, dass der Unternehmer seine Zahlungen eingestellt hat, so, wenn er die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und gleich mehrere Gläubiger wegen erheblicher Forderungen die Zwangsversteigerung sowohl des Betriebsgrundstücks als auch des Wohnhauses des Unternehmers betreiben. OLG Köln (18. Senat) BauR 1996, 257.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
78 Dagegen sollen selbst die zweimalige Ableistung der eidesstattlichen Versicherung und der Erlass eines Haftbefehls gegen den Unternehmer weder konkreten Aufschluss über die Dauerhaftigkeit eines Mangels an Zahlungsmitteln noch über ein allgemein vorliegendes Leistungsunvermögen, das für die beteiligten Kreise offenkundig wurde, geben. OLG Köln (11. Senat) BauR 2006, 1903, 1904 (sehr fraglich).
79 Dagegen kommt es für die 1. Alternative auf den weiteren allgemeinen Insolvenzgrund bei juristischen Personen, die Überschuldung (§ 19 InsO), nicht an – dies schon deshalb, weil ein Außenstehender den hierfür nötigen Einblick nicht hat. 80 Aufgrund der geschilderten Beweisprobleme hat in der Praxis mit Abstand die größte Bedeutung die 1. Variante der 2. Alternative, nämlich dass der Unternehmer selbst Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen stellt. Unerheblich ist, ob er dies aufgrund (drohender) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung tut. Praxistipp: Vor Kündigungserklärung muss der Besteller überprüfen, ob ein Eigenantrag des Unternehmers vorliegt. Nachfragen beim Insolvenzgericht werden nicht immer zum Erfolg führen, sodass der Besteller parallel zuverlässige Ansprechpartner beim Unternehmer befragen sollte.
81 Die 2006 neu eingefügte 2. Variante, die auf einen vom Besteller selbst oder von einem Dritten „zulässigerweise“ gegen den Unternehmer gestellten Insolvenzantrag abhebt, wird für sorgfältig agierende Besteller kaum Anlass sein können, den Bauvertrag zu kündigen. Damit ein von einem Dritten gestellter Insolvenzantrag i. S. v. § 14 Abs. 1 InsO zulässig ist, muss der Antragsteller seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft machen und ein – dann regelmäßig anzunehmendes – rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dartun. Einem Gläubiger des Unternehmers wird es regelmäßig schwerfallen, den Eröffnungsgrund – die Zahlungsunfähigkeit oder gar die Überschuldung – glaubhaft zu machen. Wegen der Forderung ist zwar nicht der Vollbeweis für deren Bestehen erforderlich, aber doch die überwiegende Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen. Schmidt-Linker, InsO, § 14 Rn. 6 ff.
82 Bestreitet der Unternehmer die – nicht titulierte – Forderung und ist deren Bestand ernstlich zweifelhaft, ist für die Klärung der Streitfragen im Insolvenzeröffnungsverfahren kein Raum. BGH ZIP 2006, 1456 Rn. 13 = ZVI 2006, 503.
83 Selbst wenn ein Gläubiger-Insolvenzantrag zulässig ist, kann ein Besteller dies nur verlässlich prüfen, wenn ihm die eingereichten Unterlagen vorliegen, was selten der Fall ist.
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
(3) Verstoß dieses Kündigungsrechts gegen § 134 BGB i. V. m. §§ 103, 119 InsO Bereits unter der Geltung von § 17 KO war heftig umstritten, ob der damalige 84 § 8 Nr. 2 VOB/B gegen dieses zwingend dem Verwalter eingeräumte Wahlrecht verstieß. Die Diskussion wurde nach dem vollständigen Inkrafttreten der InsO fortgeführt, wobei Bezugspunkt § 119 InsO war. Dabei ging es nicht um die Kündigungsmöglichkeit als solche – ist doch eine solche als „willkürliche“ oder „freie“ mit entsprechend ungünstigen Rechtsfolgen dem Besteller wegen § 649 BGB nicht abzusprechen –, sondern um den in § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B dem Besteller zugewiesenen umfassenden Schadensersatzanspruch. Gemäß § 119 InsO sind Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwen- 85 dung der §§ 103 – 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam. Das im Zeitraum nach Antragstellung dem Besteller mit der 1. und 2. Alternative eingeräumte Kündigungsrecht führt dazu, dass der Verwalter mit späterer Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Wahlrecht gem. § 103 InsO hat, da nach Kündigung allenfalls noch Mängel des bis zur Kündigung erstellten Teilwerks zu beseitigen sind, nicht aber mehr der Vertrag als solcher zu erfüllen ist. Nach der lange Zeit die Diskussion prägenden Entscheidung des VII. Zivil- 86 senats des BGH, BGHZ 96, 34 = ZIP 1985, 1509, dazu EWiR 1986, 87 (Kilger),
konnte der Besteller selbst im Zeitraum nach Verfahrenseröffnung und Erfüllungswahl des Verwalters den Bauvertrag auf Grundlage von (damals) § 8 Nr. 2 Abs. 1 Alt. 3 VOB/B kündigen, ohne dass zwingendes Konkursrecht (damals § 17 KO) entgegenstand. Ich vertrat in der Vorauflage Rn. 86 ff.
eine am Wortlaut haftende, durchaus als formalistisch kritisierbare Auslegung von § 119 i. V. m. § 103 InsO des Inhalts, dass diese Normen den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung nicht betreffen und § 119 i. V. m. § 103 InsO vielmehr ein eröffnetes Verfahren voraussetzen. Ebenso etwa OLG Karlsruhe IBR 2006, 398; OLG Brandenburg IBR 2010, 210.
Diese den Anwendungsbereich von § 119 i. V. m. § 103 InsO einschränkende 87 Auslegung lässt sich nach einem Grundsatzurteil des IX. Zivilsenats des BGH vom 15.11.2012 nicht mehr aufrechterhalten. BGHZ 195, 348 = ZIP 2013, 274 (m. Bespr. Huber, S. 493 u. Bespr. Jacoby, ZIP 2014, 649), dazu EWiR 2013, 153 (Marotzke).
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
88 Dieses Urteil hat – mag es auch zu einem Energielieferungsvertrag ergangen sein, unter der weiteren Voraussetzung, dass später ein Insolvenzverfahren eröffnet wird – die insolvenzrechtliche Unwirksamkeit der Alternativen 1 – 3 des § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B zur Folge, da diese als unwirksame insolvenzabhängige Lösungsklauseln zu behandeln sind. Allein eine Kündigung auf der Grundlage der in der Praxis wenig weiterführenden 4. Alternative (Fallgruppe, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird) ist insolvenzrechtlich bedenkenfrei möglich. 89 Dies ergibt die Subsumtion unter die abstrakt-allgemeinen Aussagen des BGH in seinem vorzitierten Grundsatzurteil: Ein noch in Abwicklung befindlicher Bauvertrag – nur dann ist eine Kündigung dogmatisch überhaupt möglich – ist ein Vertrag i. S. v. § 103 InsO (siehe Rn. 216 ff.). 90 Nach Rn. 9 des Urteils liegt eine vom BGH so bezeichnete „insolvenzabhängige Lösungsklausel“ vor, „wenn einer der Parteien für den Fall der Zahlungseinstellung, des Insolvenzantrages oder der Insolvenzeröffnung das Recht eingeräumt wird, sich vom Vertrag zu lösen […], oder wenn der Vertrag […] unter der auflösenden Bedingung des Eintritts dieser insolvenzbezogenen Umstände steht“.– Genau an diese Umstände knüpfen die Alternativen 1 – 3 des § 8 Abs. 2 Nr. VOB/B an. 91 Eine klare Absage erteilt der BGH in Rn. 17 des Urteils der oben referierten, früher u. a. von mir vertretenen Auffassung: „Zu Unrecht wird vertreten, dass § 119 InsO bei vor der Verfahrenseröffnung liegenden Anknüpfungsumständen nicht eingreife, weil die Norm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetze. […] Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO könnte leicht unterlaufen werden, wenn sich der Vertragspartner des Schuldners ein Kündigungsrecht oder eine automatische Vertragsauflösung für den Fall ausbedingen könnte, dass ein Insolvenzantrag gestellt oder ein Insolvenzeröffnungsverfahren eingeleitet wird.“ 92 Die nach Rn. 15 des Urteils veranlasste Prüfung, ob es eine § 8 Abs. 2 VOB/ B entsprechende gesetzliche Lösungsmöglichkeit gibt, fällt negativ aus. Zwar ermöglicht der bereits angesprochene § 649 BGB es dem Besteller jederzeit, einen Bauvertrag auch ohne Grund zu kündigen. In diesem Fall wird aber – abgesehen davon, dass er das Bauwerk nicht errichtet und damit kein „Referenzobjekt“ vorweisen kann – der Unternehmer wirtschaftlich so gestellt, als ob der Vertrag abgewickelt worden sei. Weitergehend Jacoby, ZIP 2014, 649, 650.
93 Mit den Worten des BGH: „§ 649 Satz 1 BGB gestattet es dem Besteller, den Werkvertrag jederzeit zu kündigen. Die Zubilligung dieses ‚freien‘ Kündigungsrechts beruht auf der gesetzgeberischen Überlegung, dass vorzugsweise der Besteller an der Aus-
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
führung der Werkleistungen und der Erreichung des Werkerfolges interessiert ist und er deshalb die Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag für den Fall erhalten soll, dass dieses Interesse entfällt. Dem in erster Linie auf die Vergütung gerichteten Interesse des Werkunternehmers trägt § 649 Satz 2 BGB dadurch Rechnung, dass ihm der Anspruch auf die Gegenleistung im Ausgangspunkt auch für diejenigen Leistungen verbleibt, die er wegen der Kündigung des Vertrages nicht mehr erbringen muss […]. Dementsprechend ist der Besteller zur Kündigung des Werkvertrages nach § 649 Satz 1 BGB unabhängig davon berechtigt, welcher Art die versprochenen Werkleistungen sind und innerhalb welchen Zeitraums der Unternehmer diese Leistungen zu erbringen hat.“ BGH, Urt. v. 27.1.2011 – VII ZR 133/10 Rn. 11.
Die § 649 BGB „entsprechende“ Klausel der VOB/B ist § 8 Abs. 1 VOB/B; 94 die dortige Rechtsfolge ist mithin für den Verwalter und die Gläubiger akzeptabel. § 8 Abs. 2 VOB/B bestimmt hingegen in seiner Nr. 2 Satz 2 das genaue Gegenteil des Gesetzes, weil der Unternehmer bzw. der Verwalter nicht nur keine (um ersparte Aufwendungen und anderweitigen Verdienst gekürzte) Vergütung für den „weggekündigten“ Teil erhält, sondern außerdem mit einem Schadensersatzanspruch belastet wird. Die aktuelle Literatur, die die Folgen des neuen BGH-Grundsatzurteils für 95 die insolvenzrechtliche Wirksamkeit von § 8 Abs. 2 VOB/B diskutiert, vertritt überwiegend die Auffassung, dass – wenn man die Leitaussagen des BGH heranzieht – § 8 Abs. 2 VOB/B gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Althaus, in: Althaus/Heindl, Teil 6 Rn. 103 ff.; Franz, in: Leinemann, VOB/B, 5. Aufl. 2013, § 8 Rn. 105; Jacoby, ZIP 2014, 649, 656 (der anders als der BGH eine Lösung über § 133 InsO befürwortet, aber „vom Ausgangspunkt des BGH“ die Annahme eines Verstoßes gegen § 119 InsO für „allein konsequent“ hält); von Kiedrowski, BauR 2013, 1325; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 7. Teil Rn. 34; Schmitz, BauR 2013, 772; Wegener, ZInsO 2013, 1105; Wittler/Kupczyk, NJW 2013, 1854, 1856.
Andere Stimmen halten das BGH-Urteil für nicht einschlägig und gehen da- 96 von aus, dass § 8 Abs. 2 VOB/B unverändert wirksam sei. Begründet wird dies u. a. damit, dass der BGH keine Aussagen über den speziellen Fall des Energielieferungsvertrags hinaus habe treffen wollen, die Interessen der beteiligten Parteien eine schnelle Lösung des Bestellers vom Vertrag ermöglichen müssten, um Schäden zu vermeiden, und die Parteiautonomie zu beachten sei. Huber, ZIP 2014, 493, 499 f.; ders., NZI 2014, 49; Wellensiek/Scharfenberg, DZWIR 2013, 317.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
97 All dies überzeugt nicht bzw. nur, wenn man einen von den Überlegungen des BGH abweichenden Lösungsansatz verfechten möchte. So handelt es sich bei dem Urteil vom 15.11.2012 um eine in BGHZ aufgenommene Grundsatzentscheidung, deren allgemeine, auf die Subsumtion anderer Sachverhalte angelegte Aussagen weit über den engen Bereich des in Rede stehenden Energielieferungsvertrags hinausgehen. Folglich zitiert der BGH (in Rn. 11) auch (von ihm abgelehnte) Literaturstimmen, die sich zur Wirksamkeit von § 8 Abs. 2 VOB/B äußerten, und (in Rn. 10) das unter Ägide von § 17 KO ergangene Urteil des VII. Zivilsenats aus 1985, das zu § 8 Nr. 2 VOB/B die konkursrechtliche Wirksamkeit bejaht hatte. Eine derartige ausgreifende Darstellung des Meinungsstands wäre nicht veranlasst gewesen, wenn der BGH Aussagen nur für einen Energielieferungsvertrag hätte treffen wollen. Einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) aufgrund der abweichenden nunmehrigen Entscheidung bedurfte es nicht, weil das Urteil aus 1985 durch die Ersetzung der KO durch die InsO überholt ist. 98 Die „Interessenlage“ der Parteien liefert kein tragfähiges Argument gegen die Aussagen des Gesetzes, es sei denn, man würde von einer Verfassungswidrigkeit ausgehen, weil etwa die grundrechtlich geschützten Interessen des Bestellers in nicht akzeptabler Weise verletzt würden (was aber bis dato niemand behauptet). Bei genauerem Hinsehen geht es auch nicht um die Interessen beider Seiten, sondern nur um die Interessen des Bestellers an einer schnellen und risikofreien Lösungsmöglichkeit, was auf Kosten des (späteren) Schuldners/Verwalters und der Gläubigergesamtheit geht. 99 Die Parteiautonomie schließlich ist kein taugliches Argument, wenn zwingendes Gesetzesrecht tangiert ist. 100 Neuere Entscheidungen der Instanzgerichte haben teilweise obiter, teilweise ohne Diskussion der Auswirkungen (oder in deren massiver Verkennung), die die neue BGH-Rechtsprechung hat, die Wirksamkeit von § 8 Abs. 2 VOB/ B bejaht. OLG Celle, Urt. v. 5.3.2014 – 7 U 114/13 – (obiter); OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.8.2014 – 5 U 139/13 – (ohne jedwede Problemdiskussion, sodass unklar ist, ob das neue BGH-Urteil überhaupt bekannt war); OLG Koblenz, Urt. v. 5.5.2014 – 12 U 231/13 – (das kurioserweise sich für seine Auffassung auf das BGH-Urteil beruft); LG Wiesbaden, Urt. v. 7.2.2014 – 1 O 139/13, ZIP 2014, 386 = ZfIR 2014, 444 (m. Anm. Huber) – (mit der ausführlichsten Diskussion der Folgen des BGH-Urteils) (n. rkr.; Az. beim OLG Frankfurt/Main – 1 U 38/14).
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren Praxistipp: Die Bewertung der Klausel des § 8 Abs. 2 VOB/B als unwirksam setzt allerdings voraus, dass später tatsächlich ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers eröffnet wird. Kündigt der Besteller also vor endgültiger Entscheidung des Insolvenzgerichts, ob es ein Insolvenzverfahren eröffnet, mag er darauf hoffen, dass mangels Masse das Insolvenzgericht eine ablehnende Entscheidung trifft. Dann lässt es sich nicht rechtfertigen, aus dem gar nicht relevant gewordenen Wahlrecht eines – nicht eingesetzten – Verwalters die Unwirksamkeit der Klausel abzuleiten. Auf eine derartige Entwicklung zu spekulieren, wird aber für den Besteller wenig zweckmäßig sein, und zwar schon deshalb nicht, weil er regelmäßig mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers rechnen muss. Das Urteil des BGH vom 15.11.2012 zwingt daher Besteller dazu, auf den liebgewordenen, scheinbar risikofreien Rückgriff auf § 8 Abs. 2 VOB/B zu verzichten und stattdessen – falls sie eine sofortige Lösung vom Vertrag für unabdingbar erachten – nach anderen „stabilen“ Grundlagen für eine außerordentliche Kündigung zu suchen (siehe Rn. 106 ff.). Unternehmer als spätere Schuldner und deren (vorläufige) Verwalter müssen, wenn sich die hiesige Auffassung durchsetzt, nicht mehr befürchten, quasi am Tag des Insolvenzantrags (oder unmittelbar danach) mit einer Vielzahl von sofort ausgesprochenen, auf § 8 Abs. 2 VOB/B gestützten Kündigungen konfrontiert zu werden. Ihnen eröffnet sich daher die Möglichkeit, die laufenden Bauverträge zügig zu bewerten und ggf. fortzuführen bzw. mit dem Besteller über eine adäquate Anpassung zu sprechen. Unternehmer und vorläufige Verwalter sollten diese Bewertung schnell vornehmen und den Besteller über eine etwaige negative Bewertung rasch informieren, damit dieser durch eine dann regelmäßig unter dem Aspekt der Vertragslossagung gerechtfertigte sofortige Kündigung unnötigen Schaden vermeiden kann. Insgesamt werden damit die Chancen des (vorläufigen) Verwalters deutlich gestärkt, anhand fortbestehender und fortgeführter Bauverträge einen Betrieb insgesamt fortzuführen und zu sanieren.
(4) AGB-rechtliche Prüfung von § 8 Abs. 2 VOB/B Bejaht man – wie vorstehend geschehen – einen Verstoß der Klausel gegen 101 § 134 BGB i. V. m. §§ 119, 103 InsO, kommt es auf diese AGB-rechtliche Prüfung nicht mehr an (ebenso wenig auf die Prüfung, ob eine Insolvenzanfechtung durchgreift; siehe dazu im Zusammenhang Rn. 992 ff.). Gleichwohl seien hierzu die wesentlichen Argumente dargestellt: Eine AGB- 102 rechtliche Prüfung kommt nur in Betracht, wenn der Besteller als „Verwender“ der AGB anzusehen ist. Hat der Unternehmer sie in das Vertragsverhältnis eingeführt, kommt eine Kontrolle zu seinen Gunsten nicht in Betracht. Ferner setzt im kaufmännischen Geschäftsverkehr eine AGB-Kontrolle einzelner VOB/B-Klauseln voraus, dass eine vertragliche Abweichung von der VOB/B vorliegt und diese daher nicht als Ganzes vereinbart ist. BGH-Urteil vom 22.1.2004 – VII ZR 419/02, ZIP 2004, 511 = ZfIR 2004, 282 (m. Anm. C. Schmitz, S. 283), dazu EWiR 2004, 409 (Schwenker).
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
103 Der Bundesgerichtshof hat bisher nicht entschieden, ob § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B wirksam ist, wenn eine isolierte Inhaltskontrolle dieser Klausel stattfindet. Als nicht entscheidungserheblich offengelassen in BGHZ 96, 34 = ZIP 1985, 1509, 1510 l. Sp., dazu EWiR 1986, 87 (Kilger).
104 Instanzrechtsprechung hat diese Frage bejaht mit dem Argument, dass die Insolvenz des Unternehmers ein Geschehen ist, das seiner Sphäre zuzurechnen ist, und einen wichtigen Grund darstellt, der die Kündigung rechtfertigt, weil die vertraglichen Ansprüche des Bestellers zumindest erheblich gefährdet werden. OLG Celle ZIP 1985, 1013, 1014 r. Sp. (Vorinstanz zu BGHZ 96, 34 = ZIP 1985, 1509, dazu EWiR 1986, 87 [Kilger]); OLG Schleswig IBR 2012, 134; vgl. auch OLG Düsseldorf BauR 1982, 166, 167 r. Sp.; zweifelnd demgegenüber Koenen, BauR 2005, 202, 207 f.; Franke, BauR 2007, 774, 783 f.
105 Mit Peters, Peters, BauR 2014, 1218, 1221,
ist indessen zu konstatieren, dass § 8 Abs. 2 VOB/B selbst dann ein außerordentliches Kündigungsrecht und einen Schadensersatzanspruch des Bestellers gewährt, wenn losgelöst von der wirtschaftlichen Krise des Unternehmers, die per se keine Pflichtverletzung gegenüber dem Besteller beinhaltet, der Unternehmer sich gar keine oder nur geringfügige Pflichtverletzungen in der Bauabwicklung vor Insolvenz hat zuschulden kommen lassen. Das führt zur Unwirksamkeit der Klausel (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). bb) § 8 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B 106 Gemäß § 5 Abs. 3, Abs. 4 kann der Besteller, wenn eine der drei Alternativen vorliegt, die fristlose Kündigung vorbereiten, indem er dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzt und zugleich erklärt, nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag zu entziehen. Nach Fristablauf kann der Besteller die Kündigung gem. § 8 Abs. 3 Abs. 1 VOB/B aussprechen. Dieses zweistufige Vorgehen ist gegenüber § 8 Abs. 2 VOB/B etwas umständlicher und zeitraubender. Der Besteller muss zu einer solchen Kündigung den auslösenden Tatbestand sauber dokumentieren. 107 § 5 Abs. 4 Alt. 1 VOB/B verlangt einen verzögerten Ausführungsbeginn. Die Klausel ist daher nicht einschlägig, wenn der Unternehmer die Arbeiten aufgenommen, später eingestellt und danach erst verzögert (wieder) aufgenommen hat. OLG Celle IBR 2010, 132.
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Gemäß § 5 Abs. 4 Alt. 2 VOB/B ist eine außerordentliche Kündigung nur 108 gerechtfertigt, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Gesamtwerks in Verzug ist; die Nichteinhaltung einer Einzelfrist wird nach dieser Klausel nicht sanktioniert. OLG Celle IBR 2010, 132.
Nach § 5 Abs. 4 Alt. 3 i. V. m. § 5 Abs. 3 VOB/B muss „offenbar“ sein, dass 109 wegen der unzureichenden Baustellenbesetzung eine vereinbarte Einzel- oder Fertigstellungsfrist nicht eingehalten werden kann. Wann dies der Fall ist, lässt sich mangels weiterführender Rechtsprechung schwer abschließend beurteilen. Instruktiv zum Meinungsstand Kapellmann/Messerschmidt-Langen, § 5 B Rn. 85 ff. m. w. N.
AGB-rechtliche Bedenken sind gegen § 5 Abs. 4 Alt. 2 VOB/B nicht ersicht- 110 lich, weil die Klausel § 281 BGB im Wesentlichen entspricht. Dagegen bestehen AGB-rechtliche Bedenken gegen die 1. Alternative des § 5 Abs. 4 VOB/B, wenn der Besteller die VOB/B verwendet und eine Inhaltskontrolle stattfindet. Diese wurzeln darin, dass die Rechtsfolge einer Kündigung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B gemäß der dortigen Nr. 2 ungeachtet terminologischer Unschärfen, die den Charakter des Anspruchs nicht zu ändern vermögen, ein weitreichender Schadensersatzanspruch zugunsten des Bestellers ist. Ein Schadensersatzanspruch setzt aber Verschulden des zu seinem Ausgleich Verpflichteten voraus. „Verzögert“ lässt, wenn man den Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung, dazu etwa BGH, Urt. v. 5.5.2011 – VII ZR 179/10 Rn. 23,
berücksichtigt, nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen, dass der Unternehmer schuldhaft handeln muss. Hinzukommt, dass die Terminologie aus schwer nachvollziehbaren Gründen von der in der 2. Alternative abweicht, in der unmissverständlich von „Verzug“ die Rede ist. Auch dies spricht nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung dafür, dass „verzögert“ etwas anderes und Weitergehendes als „gerät er […] in Verzug“ ist und folglich der Unternehmer auch für einen nicht von ihm verschuldeten verspäteten Ausführungsbeginn und eine darauf aufbauende Kündigung durch den Besteller umfassend haften soll. Ähnliche Bedenken bestehen gegen § 5 Abs. 4 Alt. 3 i. V. m. § 5 Abs. 3 VOB/ 111 B. Allerdings deutet der konsekutive Anschluss „so […], dass“ in § 5 Abs. 3 VOB/B an, dass die Probleme auf Fehlleistungen des Unternehmers beruhen müssen, der Arbeitskräfte usw. nicht ausreichend vorhält. Ferner mag das im 3. Halbs. von § 5 Abs. 3 VOB/B verwendete „unverzüglich“ wegen § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB gerade noch genügen können, um das Verschuldenserfordernis auszudrücken.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers Praxistipp: Die AGB-rechtlichen Risiken lassen sich vermeiden bzw. reduzieren, wenn ein Besteller in seinen AGB § 5 Abs. 3 und 4 VOB/B leicht verändert einsetzt: „(3) Wenn Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile so unzureichend sind, dass die Ausführungsfristen offensichtlich nicht eingehalten werden können, muss der Auftragnehmer auf Verlangen unverzüglich Abhilfe schaffen. (4) Gerät der Auftragnehmer mit dem Beginn der Ausführung in Verzug, gerät er mit der Vollendung in Verzug oder kommt er schuldhaft der in Absatz 3 erwähnten Verpflichtung nicht nach, so kann der Auftraggeber bei Aufrechterhaltung des Vertrages Schadensersatz nach § 6 Absatz 6 verlangen oder dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe (§ 8 Absatz 3).“
112 Hingegen lässt sich nicht mit §§ 119, 103 InsO eine Unwirksamkeit begründen. Kündigungsgrund sind Tatsachen, aufgrund derer für den Besteller die Fortführung des Vertrags unzumutbar ist. Solche Tatsachen können auch außerhalb einer Insolvenz gegeben sein. Die Klausel ist daher insolvenzunabhängig. BGH ZIP 2006, 87 Rn. 26 = ZVI 2006, 158, dazu EWiR 2006, 119 (Bärenz); BGHZ 195, 348 = ZIP 2013, 274 (m. Bespr. Huber, S. 493 u. Bespr. Jacoby, ZIP 2014, 649), in beiden Urteilen allgemeine, nicht auf den Bauvertrag bezogene Aussagen.
cc) § 8 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B Diese – gleichfalls insolvenzunabhängige – Klausel ermöglicht es dem Besteller, (im Stadium vor Abnahme) einen Bauvertrag berechtigt zu kündigen, sofern der Unternehmer eine „während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig“ (§ 4 Abs. 7 Satz 1 VOB/B) erkannte Leistung nicht durch eine mangelfreie ersetzt hat, obwohl der Besteller dem Unternehmer hierfür eine angemessene Frist unter Androhung der Kündigung gesetzt hat. Diese uferlose Weite der Klausel, für deren Anwendung jeder noch so kleine „Mangel“ im Stadium vor Abnahme genügt, führt zwar dazu, dass ihr Tatbestand gerade gegenüber einem insolventen Unternehmer häufig erfüllt sein wird, zwingt aber auch dazu, sie – sofern eine AGB-Kontrolle eröffnet ist und der Besteller Verwender der Klausel ist – für unwirksam zu erachten (§ 307 Abs. 1 BGB). Kniffka/Schmitz, § 649 Rn. 189 ff.
dd) § 8 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 8 VOB/B 113 Keine AGB-rechtlichen Bedenken bestehen gegen diese – vereinfacht – an einem vertragswidrigen Nachunternehmereinsatz anknüpfende, ebenfalls insolvenzunabhängige Klausel. Ihr Anwendungsbereich in der Insolvenz des Unternehmers dürfte eher gering sein, weil es atypisch ist, dass ein wirt-
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
schaftlich schwacher Unternehmer neue, mit dem Besteller nicht abgestimmte Nachunternehmer zum Einsatz bringen kann. c) Kündigungsmöglichkeiten nach BGB aa) Außerordentliche Kündigung als berechtigte Reaktion auf eine Vertragslossagung des Unternehmers Auf die Wirksamkeit von § 8 Abs. 2 VOB/B kommt es nicht an, wenn der 114 Besteller berechtigt den Bauvertrag außerordentlich kündigen und Schadensersatz verlangen kann, weil der Unternehmer sich selbst vom Vertrag losgesagt hat. So ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt, wenn der Unternehmer die 115 Arbeiten endgültig eingestellt hat. Eine Frist mit Kündigungsandrohung muss der Besteller nicht mehr setzen, weil diese offenbar zwecklos ist. BGHZ 163, 274 = ZIP 2005, 1561, 1562 = ZfIR 2005, 707 (LS).
Ebenso kann der Besteller den Vertrag außerordentlich kündigen, wenn der 116 Unternehmer die Erfüllung des Vertrags endgültig und ernsthaft verweigert, indem er die Fortführung von veränderten Konditionen abhängig macht. Gibt derartige Erklärungen nicht der Unternehmer, sondern der „schwache“ vorläufige Verwalter ab, kann dieser zwar keine endgültigen Entscheidungen nach § 103 InsO treffen. Hängen aber Verfügungen des Unternehmers, der Insolvenzantrag gestellt hat, von der Zustimmung des vorläufigen Verwalters ab, steht fest, dass dem Unternehmer mangels Zustimmung des vorläufigen Verwalters die Erbringung irgendwelcher Arbeiten tatsächlich nicht möglich ist. OLG München BauR 2005, 1632, 1633 f.
Im Einzelfall hat die Rechtsprechung dem Besteller sogar Schadensersatz zu- 117 erkannt, obwohl eine Kündigungserklärung bzw. deren Zugang beim Unternehmer nicht nachweisbar war, so, wenn der Unternehmer seine Arbeiten einstellt und es sich nach den Umständen um eine von ihm zu vertretende endgültige Erfüllungsverweigerung handelt. OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 231, 231 r. Sp; OLG Celle, OLGR 2001, 113, 114 r. Sp. (für einen Bauträgervertrag auf Grundlage des BGB; sehr fraglich).
Allerdings hat das OLG Düsseldorf sodann wegen der Restfertigstellungsmehr- 118 kosten zugunsten des Bestellers § 6 Abs. 6 VOB/B (und nicht § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B) als Anspruchsgrundlage herangezogen.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers Praxistipp: Der Besteller kann nicht darauf vertrauen, dass er einen Schadensersatzanspruch durchsetzen kann, wenn er eine Kündigung und deren Zugang an den Unternehmer nicht beweisen kann. Insbesondere dann, wenn der Besteller durch einen anderen Unternehmer das Teilwerk vollenden lässt, ist eine schriftliche (§ 8 Abs. 5 VOB/B), dem Unternehmer nachweisbar zugehende Kündigungserklärung unverzichtbar.
bb) § 281 Abs. 1, Abs. 4 BGB (§ 314 BGB analog, § 323 BGB) 119 Für den BGB-Bauvertrag ist strittig, über welche Anspruchsgrundlage der Besteller die Rechtsfolge einer außerordentlichen berechtigten Kündigung herbeiführen kann. Neben § 281 Abs. 1, Abs. 4 BGB werden genannt § 314 BGB in analoger Anwendung und die Regelungen über den Rücktritt (§ 323 BGB). Zu dieser Diskussion etwa Kniffka/Koeble, 7. Teil Rn. 28.
120 Für diese Lösungswege – aus meiner Sicht ist am geeignetsten § 281 Abs. 1, Abs. 4 BGB – ist aber überwiegend nötig (zum Teil anders § 314 BGB), dass vor Vertragsbeendigung der Anspruch des Bestellers auf Fertigstellung des Bauwerks bereits fällig geworden ist und nach Fälligkeit der Besteller dem Unternehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt hat. 121 Für die Fälligkeit ist auf den für die Ablieferung des Gesamtwerks maßgeblichen Zeitpunkt abzustellen, sofern nicht eine Vereinbarung über eine frühere Fälligkeit von Teilleistungen getroffen worden ist. BGH BauR 1997, 1067, 1068.
122 Der Zeitpunkt, zu dem das Gesamtwerk abgeliefert werden muss, lässt sich gut bestimmen, wenn ein kalendermäßig bestimmter Termin im Vertrag festgehalten ist. Ebenso halten sich die Schwierigkeiten in überschaubaren Grenzen, wenn etwa der Unternehmer zusichert, das zu erstellende Gebäude innerhalb von 13 Monaten nach schriftlicher Baufreigabe durch den Besteller fertigzustellen. BGH BauR 2000, 1182, 1185 r. Sp.
123 Ohne eine solche vertragliche Vereinbarung ergibt sich die Fälligkeit aus § 271 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Zu würdigen sind der Vertragswortlaut und die Umstände des Einzelfalls, namentlich die dem Unternehmer erkennbare wirtschaftliche Bedeutung der Einhaltung einer Frist. Im Zweifel hat der Unternehmer nach Vertragsschluss mit der Herstellung alsbald zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen. Dabei ist die für die Herstellung notwendige Zeit in Rechnung zu stellen. Mit Ablauf der angemessenen Fertigstellungsfrist tritt Fälligkeit ein. BGH BauR 2001, 946 r. Sp.
124 Die Umsetzung dieser Leitaussagen bereitet in der Praxis einem Besteller erhebliche Schwierigkeiten und übersteigt auch die Kompetenz eines erfahrenen
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
Baurechtsanwalts. Von evidenten Fällen abgesehen wird ein verantwortungsbewusster Besteller nicht umhin können, die „für die Herstellung notwendige Zeit“ durch einen Sachverständigen bestimmen zu lassen. Immerhin weist die Rechtsprechung dem Unternehmer die Beweislast für 125 den maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt zu: Der Besteller braucht zur Fälligkeit der geltend gemachten Forderung nicht besonders vorzutragen. Vielmehr ist es Sache des Unternehmers, der sich auf das Fehlen der Fälligkeit beruft, darzulegen und zu beweisen, dass aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Festlegung oder der Umstände des Falls erst zu einem bestimmten anderen, späteren Zeitpunkt zu leisten war. BGH BauR 2004, 331, 332 r. Sp.
Nicht zumutbar ist es dem Besteller, den Eintritt der Fälligkeit abzuwarten, 126 wenn feststeht, dass der Unternehmer zu diesem Zeitpunkt nicht leisten wird. In diesen Fällen ist der Besteller bereits vorher berechtigt, Schadensersatz zu verlangen. BGH BauR 2000, 1182, 1185 f.
Dieser allgemeine Rechtsgedanke hat nun in § 323 Abs. 4 BGB seinen Nie- 127 derschlag gefunden. Zur Anwendung von § 323 Abs. 4 BGB vgl. instruktiv BGH, Urt. v. 14.6.2012 – VII ZR 148/10 Rn. 18 – 20.
Erfolgt allerdings die Kündigung durch den Besteller bereits einen Monat nach 128 Beginn der Arbeiten, obwohl die erste vertragliche Zwischenfrist erst nach weiteren drei Monaten abläuft, sind an den dem Besteller obliegenden Nachweis, dass dieser Zwischentermin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingehalten werden kann, hohe Anforderungen zu stellen. OLG Köln BauR 2008, 1145. Praxistipp: In derartigen Fällen kommt eine risikobegrenzende Maßnahme des Bestellers in Betracht: Zeigen sich erhebliche Verzögerungen, die der Unternehmer zu vertreten hat, kann aber der Unternehmer theoretisch noch durch konzentrierte Anstrengungen („Beschleunigungsmaßnahmen“) einen Verzugseintritt verhindern, sollte der Besteller zunächst in zugangssicherer Form den Unternehmer unter angemessener Fristsetzung befragen, durch welche Maßnahmen er die bereits eingetretenen Verzögerungen ausgleichen und den Vertrag fristgerecht abwickeln will. In diesem Schreiben sollte der Besteller auch androhen, dass er den Vertrag gem. § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB beendet, wenn der Unternehmer nicht oder nicht substantiiert antwortet. Verstreicht die gesetzte Äußerungsfrist ergebnislos oder ist die Antwort des Unternehmers nach jeder Betrachtungsweise unbrauchbar, kann der Besteller Schadensersatz gem. § 281 Abs. 4 BGB verlangen und das Vertragsverhältnis umgestalten (ähnlich BGH BauR 1983, 73, 75 f., allerdings zu einem VOB/B-Vertrag, worauf es jedoch wegen der Grundproblematik entscheidungserheblich nicht ankommen dürfte, sowie OLG Hamburg IBR 2011, 691; OLG Stuttgart BauR 2007, 1417, 1418 l. Sp.).
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
129 „Angemessen“ ist die Frist, die der Besteller dem Unternehmer zu setzen hat, wenn es dem Unternehmer unter größten Anstrengungen möglich ist, die geschuldete Leistung zu erbringen. OLG Hamm BauR 2007, 1717, 1738 r. Sp.
cc) Kein allgemeines insolvenzbedingtes Kündigungsrecht 130 Sind die oben dargestellten Voraussetzungen nicht gegeben, mag ein Insolvenzantrag des Unternehmers oder seine materielle Insolvenz Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit wecken. Dies rechtfertigt indes nicht die Anwendung von § 323 Abs. 4 BGB, da diese Norm nur solche Störungen des Vertragsverhältnisses erfasst, die sich spezifisch auf dieses beziehen und die Vertragsäquivalenz nachhaltig beeinträchtigen. Die vorgenannten Umstände berühren das gesamte Vermögen und daher alle Vertragspartner des Unternehmers, sodass sie nicht ein einseitiges Lösungsrecht einzelner Vertragspartner, sondern die Einleitung eines Insolvenzverfahrens rechtfertigen. Mossler, ZIP 2002, 1831, 1835.
131 Auch sonst lässt sich dem BGB kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass allein ein Insolvenzantrag oder die materielle Insolvenz des Unternehmers eine sofortige Vertragsbeendigung durch den Besteller rechtfertigt. 132 Mithin vermag die den späteren Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffende Auffassung des OLG Frankfurt/M., OLG Frankfurt/M. IBR 2003, 32,
dass der Besteller einen Architektenvertrag wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Architekten wirksam fristlos kündigen kann, nicht zu überzeugen. 133 Genauso wenig ist es zutreffend, allein aufgrund der Insolvenzreife des Unternehmers dem Besteller das Recht zur außerordentlichen Kündigung ohne Abmahnung mit dem Argument zu geben, eine Abmahnung verspreche angesichts der Überschuldung/Zahlungsunfähigkeit keinen Erfolg. So aber OLG Schleswig IBR 2013, 113.
134 Aus § 8 Abs. 2 VOB/B ließ sich noch nie – erst recht nicht nach dem Urteil des BGH vom 15.11.2012 – ein allgemeiner Rechtsgedanke ableiten, dass der Besteller unter den Voraussetzungen dieser Klausel den reinen BGB-Bauvertrag außerordentlich kündigen könnte. Auch begründen die maßgeblichen Verkehrskreise durch eine regelmäßig erfolgende Einbeziehung der VOB/B keine rechtlich relevante Abwicklungspraxis, die in Richtung Gewohnheitsrecht tendiert. Eine solche Auffassung verkennt, in welcher Weise die VOB/ B-Klauseln formuliert werden und dass sie unverändert überwiegend Interessen der – öffentlichen – Besteller widerspiegeln, ferner die Unvereinbarkeit dieser Klausel mit §§ 119, 103 InsO (siehe Rn. 84 ff.). A. A. Valerius/Gstöttner, NZBau 2008, 486.
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
d) Weitere Vertragsabwicklung nach Kündigung aa) Aufmaß und Abnahme § 8 Abs. 6 1. Halbs. VOB/B enthält zum Aufmaß und zur Abnahme nach 135 Kündigung eine ausdrückliche Regelung. Für den BGB-Bauvertrag ergibt sich die Verpflichtung zur Teilnahme am gemeinsamen Aufmaß aus der bauvertraglichen Kooperationspflicht. Auch die Abnahmepflicht beim vorzeitig beendeten Vertrag, wie in § 8 Abs. 6 VOB/B ausdrücklich geregelt, entspricht einem allgemeinen, auch für den BGB-Bauvertrag gültigen Rechtsgedanken. Unter den nachfolgend detailliert dargestellten Voraussetzungen kann mithin der Unternehmer die Abnahme des bis Vertragsbeendigung erstellten Teilwerks verlangen; außerdem hat er einen Anspruch auf Leistungsstandsabgrenzung (= Aufmaß). Zur Abnahme: BGH ZIP 2003, 672 = ZfIR 2003, 375 (m. Anm. Siegburg, S. 378), dazu EWiR 2003, 1017 (Schwenker) und Kniffka, § 640 Rn. 27, 79; zum Aufmaß: BGH ZfIR 2003, 693 (LS), dazu EWiR 2003, 789 (Schmitz).
§ 8 Abs. 6 VOB/B gewährt dem Unternehmer scheinbar ohne Differenzie- 136 rungen einen Anspruch auf Aufmaß und Abnahme „alsbald nach der Kündigung“. Tatsächlich ist zu differenzieren: (1) Aufmaß (Leistungsstandsabgrenzung) Das Aufmaß kann der Unternehmer stets verlangen, wobei er rasch handeln 137 muss, da sich wegen der Fortführung der Arbeiten durch einen Zweitunternehmer die tatsächlichen Grundlagen schnell verändern können. Insoweit kommt es entgegen einer missverständlichen, allerdings zum Leitsatz erhobenen Aussage des Bundesgerichtshofs, BGH ZIP 2003, 672 = ZfIR 2003, 375 (m. Anm. Siegburg, S. 378; zurückhaltender BGH ZfIR 2003, 693 (LS) = BauR 2003, 1207 („jedenfalls dann“; Ableitung aus der Kooperationspflicht beim Bauvertrag),
nicht darauf an, ob das erbrachte Teilwerk wesentliche Mängel aufweist, die den Besteller zur Abnahmeverweigerung berechtigen. Die rein tatsächliche (quantitative) Leistungsstandsabgrenzung („Aufmaß“) ist von der rechtsgeschäftlichen (qualitativen) Billigung („Abnahme“) des Teilwerks unabhängig. Im Grundsatz trägt der Unternehmer, der nach Kündigung des Bauvertrags 138 Werklohn für das erbrachte Teilwerk geltend macht, die Beweislast für den Umfang der bis zur Vertragsbeendigung erbrachten Teilleistung. Verlangt aber der Unternehmer Aufmaß der von ihm ausgeführten Leistung und widersetzt sich dem der Besteller (z. B. indem er ein Baustellenverbot erklärt), so kehrt sich grundsätzlich in späteren Streitigkeiten diese Beweislast zugunsten des Unternehmers um.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers BGH ZfIR 2003, 693 (LS) = BauR 2003, 1207, 1208 f.; OLG Naumburg BauR 2003, 115, 115 f., dazu EWiR 2002, 969 (C. Schmitz); ähnlich auch OLG Celle BauR 2002, 1863, 1864 f.
139 Allerdings hat hierzu der Bundesgerichtshof die notwendigen Differenzierungen vorgenommen: Das bloße Fernbleiben im Aufmaßtermin allein rechtfertigt keine prozessualen Konsequenzen zulasten des Bestellers. Er kann die Richtigkeit des einseitig genommenen Aufmaßes bestreiten, solange sich unter zumutbaren Bedingungen ein neues Aufmaß noch erstellen oder das einseitig genommene Aufmaß noch überprüfen lässt. Anderes gilt, wenn nach unberechtigtem Fernbleiben des Bestellers ein neues Aufmaß oder eine Überprüfung des einseitig genommenen Aufmaßes nicht mehr möglich ist, etwa weil das Werk durch Zweitunternehmer fertiggestellt worden oder durch nachfolgende Arbeiten verdeckt ist. Dann hat der Besteller vorzutragen und zu beweisen, welche Mengen zutreffen oder dass die vom Unternehmer angesetzten Mengen unzutreffend sind. BGH ZfIR 2003, 693 (LS) = BauR 2003, 1207, 1208 f.
140 Letzteres ist die Regel nach Kündigung eines Bauvertrags: Kein wirtschaftlich denkender Besteller kann es sich leisten, eine Bauruine jahrelang unverändert stehen zu lassen und damit enorme Verluste hinzunehmen. 141 Selbst wenn der Unternehmer nicht rechtzeitig das Aufmaß verlangt und/ oder die notwendigen Feststellungen getroffen hat, führt dies nicht zwingend dazu, dass der Werklohnanspruch für das erbrachte Teilwerk nicht mehr durchsetzbar ist. Der Unternehmer genügt seiner Verpflichtung zur prüfbaren Abrechnung, wenn er alle ihm zur Verfügung stehenden Umstände mitteilt, die Rückschlüsse auf den Stand der erbrachten Leistung ermöglichen. Es reicht daher, wenn er Tatsachen vorträgt, die dem Gericht die Möglichkeit eröffnen, ggf. mithilfe eines Sachverständigen den Mindestaufwand des Unternehmers zu schätzen, der für die Errichtung des Bauvorhabens erforderlich war. BGH BauR 2004, 1443.
142 Die Leistungsstandsabgrenzung ist für den Unternehmer und den vorläufigen Verwalter sehr wichtig, um die nötigen Beweise für eine etwaige spätere gerichtliche Auseinandersetzung zu sichern. Allgemein Kniffka, ZfBR 1998, 113, 113 r. Sp.
143 Doch liegt es auch im Interesse des Bestellers, ein Aufmaß zu nehmen: Zum einen ist es nicht sehr verlockend, schlimmstenfalls jahrelang später anhand der beiderseitigen Vermerke, Dokumentationen oder Zeugenaussagen über den Leistungsstand zur Zeit der Kündigung, der sich aufgrund des Weiterbaus nicht mehr zweifelsfrei durch einen Sachverständigen feststellen lässt, zu streiten. Darüber hinaus lassen sich unter Umständen die offenen Restleistungen einvernehmlich festlegen, was die spätere Abrechnung der Restfertigstellungsmehrkosten und damit die weitere Abwicklung mit dem Verwalter erleichtert. Zum anderen vermeidet der Besteller die sonst nach dem 34
II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
Gesetzeswortlaut drohenden Rechtsnachteile, soweit es um die Verjährung der mit ihm bereits bekannten Mängeln zusammenhängenden Ansprüche geht: Solange keine Abnahme erfolgt ist, ist – auch beim gekündigten Bauvertrag – der Anspruch auf Beseitigung von Mängeln ein Erfüllungsanspruch, der in der regelmäßigen Frist verjährt (drei Jahre gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB). Die Verjährung beginnt (spätestens) zu laufen, sobald der Besteller den Mangel gerügt hat, weil damit die Kenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB dokumentiert ist. Ohne Abnahme ist es nicht möglich, stattdessen zugunsten des Bestellers die – nunmehr längere – Frist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB anzuwenden. A. A. zum vor 2002 geltenden Recht BGH BauR 2010, 1778, allerdings mit der in Rn. 28 enthaltenen Einschränkung, dass über die Rechtslage anhand des seit 2002 geltenden Rechts noch separat zu entscheiden sein wird.
Dieses Dilemma kann der Besteller dadurch lösen, dass er das Werk abnimmt, 144 weil dann die fünf- (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB) bzw. vierjährige (§ 13 Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 VOB/B) Frist auch für die vor der Abnahme gerügten Mängel gilt. Ebenso BGH ZIP 2003, 672, Leitsatz 1, 674 (zum alten Recht) = ZfIR 2003, 375 (m. Anm. Siegburg, S. 378; Kniffka, in: Festgabe Kraus, S. 115, 118 (allerdings zähneknirschend und mit massiver Kritik an den Wertungswidersprüchen der nunmehrigen gesetzlichen Regelung).
Schließlich bietet eine Abnahme für den Besteller den Vorteil, dass das for- 145 male Vorgehen bei Mängelrügen vor Selbstvornahme klar ist, nämlich eine einfache Fristsetzung genügt und eine Teilkündigung nach vorhergehender erfolgloser Fristsetzung mit Kündigungsandrohung nicht erforderlich ist (dazu Rn. 152 ff.). (2) Abnahme Einen Anspruch auf Abnahme des bis zur vorzeitigen Vertragsbeendigung 146 erstellten Teilwerks hat der Unternehmer nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, BGH ZIP 2003, 672, Leitsatz 2 und 4, 674 = ZfIR 2003, 375 (m. Anm. Siegburg, S. 378), dazu EWiR 2003, 1017 (H.-C. Schwenker),
nur, wenn das Teilwerk keine wesentlichen Mängel i. S. v. § 12 Abs. 3 VOB/B aufweist. Der Umstand allein, dass das Teilwerk aufgrund der Kündigung zwangsläufig unvollendet ist, stellt keinen Mangel dar, der den Besteller zur Verweigerung der Abnahme berechtigen könnte. BGH BauR 1993, 469, 471.
Hingegen scheidet es aus, in der Kündigung selbst eine konkludente Ab- 147 nahme zu sehen oder eine fiktive Abnahme (§ 12 Abs. 5 VOB/B) in Betracht zu ziehen. BGH ZIP 2003, 672, Leitsatz 5, 674 = ZfIR 2003, 375 (m. Anm. Siegburg, S. 378).
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
148 Nimmt der Besteller trotz ihm gesetzter angemessener Frist das Teilwerk nicht ab, steht dies gem. § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB der Abnahme gleich – allerdings nur dann, wenn der Besteller „dazu [zur Abnahme] verpflichtet ist“. Mithin bleibt in diesen Fällen offen, ob das Werk wirklich abgenommen ist, bis die Mängelfrage – z. B. in einem Jahre später geführten Prozess – geklärt ist. Die gewollte Besserstellung des Unternehmers wäre dahin. Pause/ Vogel schlagen zu Recht vor, auf die konkrete Abnahmesituation abzustellen: „Es käme dann nicht auf die objektive Abnahmepflicht an, sondern darauf, ob der Besteller auf der Grundlage der beim Abnahmeverlangen des Unternehmers vorzunehmenden Beurteilung die Abnahme erklären müsste. Das würde bedeuten, dass die Abnahmefiktion eintritt, wenn der Besteller binnen der Frist bei vertragsgemäßem Verhalten die Abnahme erklärt hätte. Das wäre der Fall, wenn Mängel der Bauleistung nicht in Erscheinung getreten sind, das Bauwerk sich also seinem äußeren Erscheinungsbild nach als abnahmereif darstellt […] Deshalb kehrt sich die Beweislast für die Mängel um, wenn der Besteller innerhalb der gesetzten Frist nicht die Abnahme verweigert.“ Kniffka/Pause/Vogel, § 640 Rn. 65; vgl. auch PWW/Leupertz, § 640 Rn. 12, der eine Umkehr der Beweislast annimmt, wenn der Besteller innerhalb der Frist nicht reagiert oder keine konkreten Mängelrügen erhebt. Praxistipp: Der vorläufige Verwalter, der gerade in den Tagen nach Antragstellung eine Vielzahl ungefilterter Informationen erhält, und die Verantwortlichen beim Unternehmer stecken in einem Dilemma, wenn sie entscheiden müssen, ob sie zu gekündigten Bauvorhaben den Abnahme- und Aufmaßanspruch aus § 8 Abs. 6 1. Halbs. VOB/B zeitnah vehement verfolgen sollen: Ohne Aufmaß werden sie wegen der bestellerseitigen Fortführung des Baus durch Zweitunternehmer später vor schwer lösbaren Beweisproblemen stehen, und ohne Abnahme fehlt eine Fälligkeitsvoraussetzung für eine etwa später geplante Werklohnklage (sofern nicht nachträglich der Vertrag in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt wird). Lassen sie aber zu allen gekündigten Bauvorhaben ein gemeinsames Aufmaß nehmen und die Abnahme durchführen, binden sie wertvolles, dringend anderweitig benötigtes Personal oder verbrauchen – bei externer Hilfestellung z. B. durch Sachverständige – erhebliche Beträge aus der ohnehin meist geringen vorläufigen Insolvenzmasse. Ob sich diese Ausgaben jemals „amortisieren“, ist ex ante höchst fraglich, da bei vielen durch Kündigung beendeten Bauvorhaben Restfertigstellungsmehrkosten in einer solchen Höhe auflaufen, dass der Besteller nach Aufrechnung keine Zahlung mehr an die spätere Insolvenzmasse leisten muss. Sofern in der Kürze der Zeit detaillierte Bewertungen zu den einzelnen gekündigten Verträgen nicht möglich sind, kann als Faustregel gelten: Je mehr ein Bauvorhaben am Anfang steht, desto geringer wird der bis Kündigung erarbeitete Werklohn und desto höher werden die Restfertigstellungsmehrkosten sein. Aufgrund der dem Besteller möglichen Aufrechnung wird ein Ertrag für die Masse kaum denkbar sein (es sei denn, die schnell vorzunehmende juristische Prüfung ergibt, dass der Besteller den Vertrag gar nicht berechtigt kündigen konnte). Umgekehrt: Befand sich der gekündigte Bauvertrag in der Endabwicklung, mögen Chancen bestehen, trotz der dem Besteller zustehenden Schadensersatzansprüche (und der von ihm bereits geleisteten Abschläge) noch einen Anspruch für die Masse durchzusetzen. Dann empfehlen sich entsprechende, auf die Abnahme und die Leistungsstandsabgrenzung gerichtete Anstrengungen.
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren Unmittelbar wirtschaftlich betroffen sind Bürgen, die eine Vertragserfüllungsbürgschaft gestellt haben und deshalb für einen Schadensersatzanspruch des Bestellers haften. Deren spätere Verteidigungsmöglichkeiten durch Einsatz von personellen und finanziellen Mitteln der vorläufigen Insolvenzmasse zu verbessern, kann nicht die Aufgabe des vorläufigen Verwalters sein (es sein denn, es werden mit einer [Teil-]Enthaftung der Bürgschaft dem Bürgen für dessen Rückgriffsansprüche gewährte Sicherheiten frei); im Einzelfall sollte es zu für die Bürgen besonders risikoreichen Bauvorhaben möglich sein, zwischen vorläufigem Verwalter und Bürgen sehr kurzfristig zu vereinbaren, dass z. B. der Bürge die Kosten des Aufmaßes und der Abnahme(verhandlung) trägt und eine Rückerstattung aus der späteren Masse an ihn nur erfolgt, wenn noch eine Forderung beigetrieben werden kann.
bb) Fortbestehendes Mängelbeseitigungs„recht“ des Unternehmers Auch nach vorzeitiger Beendigung des Bauvertrags ist der Unternehmer grund- 149 sätzlich weiterhin dazu verpflichtet und „berechtigt“, Mängel des von ihm erstellten Teilwerks zu beseitigen. BGH BauR 1987, 689, dazu EWiR 1987, 1027 (Siegburg); BGH BauR 2001, 667, 668 r. Sp.
Diese Rechtslage – richtigerweise sollte man mit Voit von einer Abwendungs- 150 befugnis des Unternehmers sprechen –, Voit, BauR 2011, 392, 394,
ist auch im Verhältnis zum Unternehmer nach Insolvenzantrag und zum (endgültigen) Verwalter zu beachten. Daher hat ein Besteller dem Unternehmer bzw. ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Verwalter eine Frist zur Mängelbeseitigung zu setzen, bevor er den Mangel selbst beseitigt. Z. B. OLG Naumburg BauR 2003, 115, 116 r. Sp.; OLG Brandenburg BauR 2003, 1404, 1406; für Entbehrlichkeit der Fristsetzung KG IBR 2011, 135 (fraglich und nicht verallgemeinerungsfähig). Praxistipp: Es gehört zu den häufigsten Fehlern im privaten Baurecht – auch jenseits der Insolvenz –, dass diese klare Rechtsprechung missachtet wird. Nachträgliche Reparaturversuche – etwa: der Unternehmer habe endgültig und eindeutig jegliche Nachbesserung verweigert, sodass eine Fristsetzung fruchtlose Förmelei gewesen wäre – sind überwiegend zum Scheitern verurteilt. Das kann dazu führen, dass aus rein formalen Gründen tatsächlich aufgewendete Mängelbeseitigungskosten nicht berücksichtigt werden. Richtiger Adressat für Fristsetzungen ist vor Verfahrenseröffnung der Unternehmer, nicht der „schwache“ vorläufige Verwalter. Anders ist es, wenn das Insolvenzgericht ausnahmsweise einen „starken“ vorläufigen Verwalter eingesetzt hat; wegen § 22 Abs. 1 InsO sind Fristen diesem gegenüber zu setzen (vgl. Matthies, BauR 2012, 1005, 1006 r. Sp.).
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
151 Demnach darf – zur Vermeidung von Rechtsnachteilen – nach durchgeführter Abnahme des Teilwerks der Besteller Mängel erst beseitigen, wenn eine gem. § 13 Abs. 5 Abs. 2 VOB/B gesetzte angemessene Frist ergebnislos verstrichen ist. 152 Hat eine Abnahme des Teilwerks nicht stattgefunden, so vertreten einige Stimmen die Auffassung, es seien die Regelungen der VOB/B für den Zeitraum vor Abnahme anzuwenden. Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, 107, 134 f.; OLG Hamm OLGR 1998, 184, 184 f.; so wohl auch BGH BauR 1987, 689, 690 l. Sp.; nicht angesprochen, aber tendenziell angelegt auch in BGH ZIP 2003, 672, 674 = ZfIR 2003, 375 (m. Anm. Siegburg, S. 378).
153 Folgt man dem, hat der Besteller zunächst dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels zu setzen und zu erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag entziehe, um dann den Vertrag hinsichtlich der nicht erbrachten Mängelbeseitigung (nochmals) zu kündigen (§ 4 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B). Als weitere Komplikation kommt hinzu, dass dies möglicherweise nur als Teilkündigung zulässig ist, was eine in sich abgeschlossene Teilleistung voraussetzt. BGH BauR 2009, 1736 Rn. 15 ff.
154 Wenn der Besteller Verwender der VOB/B ist, ist zwingend, dass er das von ihm selbst in seinen AGB vorgegebene Verfahren im Stadium vor Abnahme einhalten muss. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass gegen § 4 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B erhebliche AGB-rechtliche Bedenken bestehen, wenn der Besteller deren Verwender ist und eine Inhaltskontrolle der VOB/B stattfindet: Ohne Begrenzung auf „wesentliche“, „besonders gravierende“ oder ähnlich qualifizierte Mängel lässt jedweder „Mangel“ im Stadium vor Abnahme nach Einhaltung der Formalien die fristlose Kündigung des gesamten Vertrags zu, was zu einem auf den gesamten Vertrag bezogenen Schadensersatzanspruch des Bestellers führt. Auch lässt sich eine derart unbegrenzte Interventionsmöglichkeit des Bestellers nicht damit vereinbaren, dass der Unternehmer erst zum Gesamtfertigstellungstermin ein mangelfreies Werk liefern muss und davor seine Dispositionsfreiheit grundsätzlich zu schützen ist. 155 Daher liegt eine Abnahme des Teilwerks unbedingt im Interesse des Bestellers, um auf das dann anwendbare, unbedenkliche Mängelanspruchssystem des § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B zugreifen zu können. 156 Liegt ein BGB-Vertrag vor, so ermöglicht § 637 Abs. 1 BGB dem Besteller, den Mangel auf Kosten des gekündigten Unternehmers zu beseitigen, wenn eine zur Nacherfüllung gesetzte angemessene Frist fruchtlos verstrichen ist. Unproblematisch ist dieses Vorgehen, wenn der Besteller das bis zur Kündigung erbrachte Teilwerk abgenommen hat.
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
Fehlt eine Abnahme, steht gleichwohl mit der Kündigung fest, dass der Un- 157 ternehmer eine weitere Leistung zur Fertigstellung nicht mehr erbringen muss. Daher kann ihm auch nicht vorgehalten werden, er habe das Gesamtwerk nicht zum Fälligkeitstermin fertiggestellt. Zugleich lässt sich aus der faktischen Beendigung der Leistungserbringung ein neuer Fälligkeitstermin für das bis zur Kündigung erbrachte Teilwerk ableiten, der nämlich – vorbehaltlich eines hierfür geltenden früheren Datums – (spätestens) mit dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wurde, identisch ist. Für die „Mängel“ beseitigung am Teilwerk sind dem Unternehmer angemessene Fristen zu setzen, sodass er hinreichend geschützt ist. Daher gestehen maßgebliche Stimmen dem Besteller ausnahmsweise auch ohne 158 Abnahme des Teilwerks die Mängelrechte des BGB nach Kündigung zu. Joussen, BauR 2009, 319; Kniffka/Krause-Allenstein, § 634 Rn. 17.
Ob dem zu folgen ist, ist fraglich. Dogmatisch stimmiger dürfte es sein, mangels 159 Abnahme zwar mit obigen Erwägungen von einem fälligen Anspruch des Bestellers auf Beseitigung der Schlechtleistung auszugehen, diesen aber den Rechtsgrundlagen zu unterwerfen, die vor Abnahme gelten, also insbesondere dem § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies würde die Flexibilität des Bestellers etwas einschränken, da er z. B. auf einen solchen Schadensersatzanspruch keinen Vorschuss verlangen kann, a. A. – zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/B – OLG Düsseldorf IBR 2009, 696 – Volltext unter II.3.2,
aber ansonsten im Wesentlichen zu gleichen Ergebnissen führen. cc) Fertigstellung des Werks Der Besteller kann ohne Einhaltung weiterer Formalien die Restfertigstellung 160 (durch eigene Mitarbeiter, regelmäßig aber durch einen Zweitunternehmer) betreiben, wenn er den Vertrag wirksam gekündigt hat. BGH BauR 1988, 82, 84 l. Sp. (zu § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B).
Geht es hingegen nicht um die Restfertigstellung, sondern um Mängelbe- 161 seitigung, muss er vorher dem Unternehmer mindestens eine fruchtlos ablaufende, angemessene Frist setzen (nach der weitergehenden Auffassung zum VOB/B-Vertrag sogar eine Teilkündigung aussprechen). Ein Besteller, der die obigen Formalien nicht beachtet hat, wird daher zu ar- 162 gumentieren versuchen, es habe sich nicht um Mängelbeseitigung (Selbstvornahme), sondern um die ohne weitere Fristsetzung zulässige Restfertigstellung gehandelt. Soweit ersichtlich, sind allseits akzeptierte Kriterien für die Abgrenzung zwischen „Mängelbeseitigung“ und „Restfertigstellung“ noch nicht entwickelt worden. Die Literatur stellt teilweise, Pause, NZBau 2002, 648, 651 l. Sp.,
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
auf die Dokumentation bei Abnahme bzw. die (hypothetische) Abnahmefähigkeit ab. 163 Hilfreich kann eine Abgrenzung nach der Lebensanschauung sein, „ob ein Mangel vorliegt, der nur durch einen actus contrarius wieder beseitigt werden kann[,] oder [nur eine] unvollständige Leistung“. Kniffka/Rintelen, § 632a Rn. 15.
164 Als Grundregel kann gelten, dass umso eher von einer (nicht erbrachten) Restleistung auszugehen ist, je mehr es sich bei natürlicher Betrachtung um etwas insgesamt noch Fehlendes, noch nicht einmal im Ansatz Vorhandenes handelt. Ähnlich Brügmann/Kenter, NJW 2003, 2121, 2125 r. Sp.
165 Ist dagegen bereits etwas erkennbar abgeschlossen erbracht, wenn auch mangelhaft oder mit einem Vervollständigungsbedarf, der jedoch im Hinblick auf das Erbrachte nur geringfügig ist, liegt ein Mangel vor, für den die strengen Formalien vor Selbstvornahme zu beachten sind. Beispiel: Vertragsgemäß sind in einen Schlüsselfertigbau 500 Glaselemente in die Fassade einzubringen: –
es fehlen 200 Glaselemente komplett
–
es fehlen zehn Glaselemente komplett
–
alle Glaselemente sind eingebaut, aber zehn Scheiben sind verkratzt
–
alle Glasscheiben sind eingebaut, es fehlen jedoch durchgehend/teilweise Fassadenanschlussteile usw.
166 In den beiden ersten Fällen liegt eine fehlende Teilleistung vor, sodass die Regeln über die Restfertigstellung anwendbar sind. Im dritten Fall ist die Teilleistung augenscheinlich vollständig, aber eben mangelhaft erbracht. Im vierten Fall ist die Abgrenzung sehr schwierig: Wenn die Fassadenanschlussteile funktional und kostenmäßig absolut untergeordnete Bedeutung haben, stellt ihr Fehlen einen Mangel dar; ansonsten gelten wieder die Regeln über die Restfertigstellung. dd) Fälligkeit des Werklohns für das bis zur Kündigung erbrachte Teilwerk (1) Allgemeine Regeln 167 Wird ein VOB/B-Vertrag ordnungsgemäß (ohne Insolvenzbezug) durchgeführt, so wird die Werklohnforderung des Unternehmers erst fällig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: x
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Abnahme der Bauleistung,
II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
x
prüfbare Schlussrechnung gemäß § 14 VOB/B,
x
Abschluss der Rechnungsprüfung durch den Besteller oder Ablauf der vom Zugang der Rechnung an laufenden Frist von 30 Tagen (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B; siehe aber auch die im dortigen Satz 2 angesprochene im Einzelfall längere Frist von 60 Tagen). Werner/Pastor, Rn. 1845 ff.
Für den BGB-Bauvertrag hängt dagegen nach der zutreffenden, am Gesetzes- 168 wortlaut orientierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BGH BauR 2011, 831 Rn. 18,
die Fälligkeit gem. § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB allein von der Abnahme des Werks ab. Nach einer im Schrifttum verbreiteten, abweichenden Meinung, die eingehend referiert und diskutiert wird von Werner, Werner/Pastor, Rn. 1836 ff.,
lässt grundsätzlich erst die Erteilung der Rechnung und nicht schon die Abnahme des Werks den Werklohn fällig werden. Diese Grundsätze werden modifiziert bei vorzeitiger Vertragsbeendigung 169 z. B. durch Kündigung einer Partei: (2) Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung Eine Abnahme nach der Kündigung war nach früherer Rechtsprechung nicht 170 Fälligkeitsvoraussetzung. BGH BauR 1987, 95, dazu EWiR 1986, 1251 (Lenzen).
Der Bundesgerichtshof hat im Mai 2006 seine Rechtsprechung geändert. 171 Nach Kündigung eines Bauvertrags wird die Werklohnforderung grundsätzlich erst mit der Abnahme der bis dahin erbrachten Werkleistung fällig. Der VII. Zivilsenat kann im Hinblick auf § 641 Abs. 1 BGB keinen rechtlich tragfähigen Grund dafür sehen, an die Fälligkeitsvoraussetzungen des für den erbrachten Leistungsteil geschuldeten Vergütungsanspruchs geringere Anforderungen zu stellen, als sie für den Fall des vollständig durchgeführten Vertrags bestehen. Anderenfalls würde der Unternehmer selbst in denjenigen Fällen bessergestellt, in denen er Anlass zur Kündigung gegeben hat. Der Abnahme der bis zur Kündigung erbrachten Bauleistung stehen keine durchgreifenden Bedenken entgegen, da es in der Regel um hinreichend abgrenzbare Teilleistungen geht, die der Überprüfung zugänglich sind, ob der Unternehmer sie vertragskonform erbracht hat (vgl. auch § 8 Abs. 6 1. Halbs. VOB/B). BGH ZfIR 2006, 631 (m. Anm. Schliemann, S. 634) = BauR 2006, 1294 Rn. 17 ff.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
172 Auf eine Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung kommt es nicht an in den Fällen, in denen ein „Abrechnungsverhältnis“ vorliegt. BGH ZIP 2005, 1561, 1562 r. Sp. = ZfIR 2005, 707 (LS); BGHZ 164, 159 = ZIP 2005, 1972 = ZVI 2005, 600, dazu EWiR 2006, 405 (Vogel); BGH ZfIR 2006, 631 (m. Anm. Schliemann, S. 634) = BauR 2006, 1294 Rn. 26.
173 Ein solches „Abrechnungsverhältnis“ ist zu bejahen, wenn der Besteller nicht mehr Erfüllung (Fertigstellung des Werks oder Beseitigung von Mängeln), sondern Minderung oder Schadensersatz (also auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche) verlangt. BGH ZIP 2005, 1561, 1562 r. Sp. = ZfIR 2005, 707 (LS); BGH ZIP 2005, 1972 r. Sp. (je m. w. N.) = ZVI 2005, 600, dazu EWiR 2006, 405 (Vogel); BGH ZfIR 2006, 631 (m. Anm. Schliemann, S. 634) = BauR 2006, 1294 Rn. 26.
174 Entbehrlich ist eine Abnahme nach dem Grundsatzurteil des Bundesgerichthofs auch dann, wenn der Besteller die Abnahme des Werks ernsthaft und endgültig ablehnt, BGH ZfIR 2006, 631 (m. Anm. Schliemann, S. 634) = BauR 2006, 1294 Rn. 26 mit Hinweis auf BGH NJW-RR 1998, 1027,
oder wenn der Besteller eine Selbstvornahme erfolgreich durchgeführt hat und sich daher nicht mehr darauf berufen kann, ursprünglich die Abnahme zu Recht verweigert zu haben. BGH ZfIR 2006, 631 (m. Anm. Schliemann, S. 634) = BauR 2006, 1294 Rn. 27 mit Hinweis auf Kniffka, ZfBR 1998, 113, 114.
175 Zusammenfassend hat der Bundesgerichtshof dargestellt, unter welchen Voraussetzungen die Abnahme für den Verjährungsbeginn entbehrlich ist. Die dortigen Ausführungen, BGH BauR 2010, 1778 Rn. 23 ff.,
gelten nicht nur für den Beginn der Verjährung, sondern beschreiben auch Fallgruppen, in denen der Werklohn ohne Abnahme fällig wird. 176 Aufgrund dieser neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Fälle denkbar, in denen die Forderungsdurchsetzung dem Verwalter faktisch unmöglich wird. Dazu folgendes Beispiel: Das vom Unternehmer/Schuldner bis zur berechtigten Bestellerkündigung, die eine Woche nach dem Eigeninsolvenzantrag erklärt wurde, erstellte Teilwerk ist mit 100.000 € zu bewerten. Abschläge hat der Besteller bisher an den Schuldner
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
nicht bezahlt. Der Aufforderung des Schuldners, das Teilwerk abzunehmen, entspricht der Besteller zu Recht nicht, da das Teilwerk wesentliche Mängel mit Beseitigungskosten von 20.000 € aufweist. Daneben bestehen andere, zur Aufrechnung geeignete Ansprüche des Bestellers in Höhe von 40.000 €. Der Besteller beseitigt die Mängel nicht im Weg der Selbstvornahme und fordert nach Verfahrenseröffnung auch den Verwalter nicht zur Mängelbeseitigung auf. Bei bloßer Saldierung „steckt“ mithin im Teilwerk noch ein Betrag von 40.000 € zugunsten der Masse. Wie kann der Verwalter diesen Betrag fällig stellen? Am einfachsten wäre es für den Verwalter, wenn er sich auf die im Urteil des 177 Bundesgerichtshofs mit „grundsätzlich“ ausgedrückte Einschränkung beziehen und für insolvenzbedingt gekündigte Bauverträge eine Ausnahme verlangen könnte. Indes meint das vom Bundesgerichtshof gewählte einschränkende Adverb nur, dass in bestimmten Fallgruppen aufgrund eines dem Besteller zurechenbaren Verhaltens eine Abnahme entbehrlich ist, um die Werklohnfälligkeit herbeizuführen. Es besteht daher kein Anlass zur Annahme, dass zugunsten eines Bauinsolvenzverwalters Sonderregeln gelten. So schon vor dem Urteil C. Schmitz, IBR 2004, 53; nun auch Thode, ZfBR 2006, 638, 640 l. Sp.
Ausgeschlossen ist es auch, mit der Fallgruppe eines insolvenzrechtlichen 178 „Abrechnungsverhältnisses“ zu argumentieren, wenn der Besteller eben gerade den Verwalter nicht zur Mängelbeseitigung aufgefordert und erst recht keine Schadensersatzwahl gem. § 103 Abs. 2 InsO getroffen hat. Allein die insolvenzbedingte Suspendierung des Bauvertrags führt nicht zu einem die Abnahme entbehrlich machenden Abrechnungsverhältnis (vgl. Rn. 236 ff. zur nun für § 103 InsO maßgeblichen Suspensivtheorie); ein die Abnahme entbehrlich machendes baurechtliches Abrechnungsverhältnis (vgl. Rn. 172 ff.) liegt gerade nicht vor. Unzutr. daher KG BauR 2007, 1746, 1747 r. Sp.
Da der Verwalter keine Möglichkeit hat, den Besteller zur Geltendmachung 179 von Schadensersatzansprüchen oder zur Selbstbeseitigung der Mängel zu zwingen – was die Abnahme entbehrlich machen würde –, bleibt ihm nur, selbst aktiv zu werden. Er muss die Mängel jedenfalls in einem solchen Umfang beseitigen lassen, dass anschließend ein abnahmefähiges Werk – frei von wesentlichen Mängeln – vorliegt. Darin liegt eine Erfüllungswahl gem. § 103 InsO, deren Reichweite (und Risiken) unklar sind (siehe Rn. 324 ff.), und dadurch begründet er in jedem Fall Verpflichtungen zulasten der Masse, was sich als sehr problematisch erweisen kann, wenn die Mängelbeseitigung nicht friktionsfrei klappt oder wenn bei Gelegenheit der Mängelbeseitigung neue Schäden entstehen, für die die Masse einstehen muss. Viele Verwalter werden daher nach nüchterner Analyse verständlicherweise nichts mehr unternehmen, sodass sie in „diese[r] unbefriedigende[n] Blockadesituation“, Thode, ZfBR 2006, 638, 640 l. Sp.,
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
keine Forderung für die Masse einziehen können. Allenfalls der Schuldner dürfte nach Abschluss des Verfahrens geneigt sein, die Mängel zu beseitigen, um einen Werklohn fällig zu stellen (der mangels Abnahme noch gar nicht fällig war und deshalb noch nicht verjährt ist). Praxistipp 1: Der Verwalter kann versuchen, die in einer Mängelbeseitigung liegenden Risiken dadurch zu begrenzen, dass er mit dem Besteller genau vereinbart, welche Mängel zu beseitigen sind und welcher Vergütungsteilbetrag im Gegenzug ungeschmälert ausgezahlt wird, ohne dass der Besteller weitere Gegenforderungen gegen den mit vollständiger Mängelbeseitigung fälligen Auszahlungsanspruch geltend machen kann. Zur hilfsweise denkbaren Geltendmachung einer Forderung aus einer Abschlagsrechnung siehe Rn. 198 ff. Besteller werden abwägen müssen, ob es nicht zu riskant ist, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit einem intelligent agierenden Schuldner konfrontiert zu sein, der die Mängel beseitigt und sodann den Werklohn einfordert. Mangels Fälligkeit des Werklohnanspruchs können die Besteller nämlich das Bauvorhaben nicht ad acta legen, sondern müssen für später noch drohende Auseinandersetzungen gerüstet sein. Ferner ist ein Besteller, der prima facie durch die Blockadesituation nur Vorteile hat, daran gehindert, die Mängel des Bauwerks selbst oder durch einen Zweitunternehmer zu beseitigen. Praxistipp 2: Die neue Rechtsprechung muss den Unternehmer/vorläufigen Verwalter dazu veranlassen, nach Möglichkeit die Abnahme des Teilwerks sofort nach Kündigung (während des Eröffnungsverfahrens) herbeizuführen, sofern auch nur im Ansatz zu erwarten ist, dass nach Aufrechnung des Bestellers mit Gegenforderungen ein Werklohnanspruch der (späteren) Masse besteht.
180 Die obige Meinung, dass der Verwalter keine Möglichkeit hat, trotz fehlender Abnahme (bzw. Abnahmesubstitute) den Werklohn nach Kündigung fällig zu stellen, ist nicht unbestritten. Bopp etwa führt § 271 BGB als Argument für die Fälligkeit ins Feld und ferner den Umstand, dass es dem Verwalter aufgrund der insolvenzrechtlichen Abwicklung des Vertrags nicht möglich ist, das Werk mangelfrei herzustellen. Damit ändert sich nach ihrer Auffassung der geschuldete Werkerfolg. Im Ergebnis kann der Verwalter die Zahlung der um die Mangelbeseitigungskosten geminderten Vergütung an die Masse verlangen. Bopp, S. 241 f., 284 ff.; ähnlich wohl Huber, ZInsO 2005, 449, 451.
181 Der Verweis auf § 271 BGB ist unbehelflich, weil diese Norm weitere Erfordernisse für die Fälligkeit – hier: Abnahme(substitut) – nicht zu ersetzen vermag, sondern vielmehr voraussetzt. Die weitere Argumentation stellt unter Bruch einerseits mit den baurechtlichen Grundlagen und andererseits mit der ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Suspensivtheorie (dazu Rn. 236 ff.) allein auf die Interessen des Verwalters ab, ohne die Entscheidungshoheit des Bestellers dazu, ob er die Umwandlung von auf Beseitigung 44
II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
gerichteten Mängelansprüchen in Zahlungsansprüche will, zu respektieren. Sie mag daher dazu dienen wollen, „ein Ergebnis, das aus Sicht des Insolvenzverwalters nicht zu rechtfertigen ist“, Bopp, S. 241,
zu vermeiden, überzeugt aber dogmatisch nicht. Weitere Lösungsansätze, die an § 103 InsO anknüpfen, werden wegen des gebotenen Zusammenhangs in Rn. 375 ff. erörtert. (3) Bauabzugsteuer Gemäß § 48 Abs. 1 EStG muss ein Besteller, der Unternehmer i. S. v. § 2 182 UStG oder juristische Person des öffentlichen Rechts ist und der im Inland erbrachte Bauleistungen vom Schuldner entgegengenommen hat, bei Zahlung einen Teilbetrag von 15 % (sog. Bauabzugsteuer) direkt an das für den Schuldner zuständige Finanzamt auf Rechnung des Schuldners abführen. Dies gilt jedoch gem. § 48 Abs. 2 und 3 EStG nicht, wenn der Schuldner eine gültige Freistellungsbescheinigung gem. § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG vorlegt oder wenn der Gesamtvergütungsbetrag im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich bestimmte (nicht allzu hohe) Beträge nicht übersteigt. Details und Materialien bei Beck/Girra, Die Bauabzugsteuer, 2001.
Auch der Verwalter, der mit Verfahrenseröffnung an die Stelle des Schuld- 183 ners tritt und die Zahlungsansprüche für die vom Schuldner erbrachte Bauleistung durchzusetzen versucht, muss diese Vorschriften beachten. Heidland, ZInsO 2001, 1095, 1096 f.
Mithin kann (und muss) der Besteller 15 % an das zuständige Finanzamt be- 184 zahlen. Diese Zahlung hat Erfüllungswirkung gegenüber der Insolvenzmasse. LG Cottbus BauR 2002, 1703.
Unterlässt der Besteller diese Teil-Direktzahlung an das Finanzamt, haftet er 185 selbst gegenüber dem Finanzamt für den nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Daher ist dem LG Leipzig, LG Leipzig, Urt. v. 25.7.2002 – 9 O 153/02, S. 14,
nicht zu folgen: Es meint, dass der Fiskus nur Insolvenzgläubiger ist und eine Zahlung des Bestellers direkt an ihn eine Umgehung der Insolvenzordnung darstellt. Damit vernachlässigt das LG Leipzig die Belange des Bestellers und übersieht die Handlungsmöglichkeiten des Verwalters: Zahlung in voller Höhe an die Insolvenzmasse kann der Verwalter erreichen, 186 wenn er dem Besteller eine aktuelle, auf ihn ausgestellte Freistellungsbescheinigung vorlegt. Der Praxis der Finanzverwaltung entsprach es anfangs, solche Bescheinigungen hinsichtlich der vor Verfahrenseröffnung vom Schuldner erbrachten Leistungen zu versagen. Dies wurde damit begründet, dass die 45
A. Die Insolvenz des Unternehmers
hierauf entfallenden Steuern Insolvenzforderungen sind und in der Regel ausfallen bzw. nur anteilig befriedigt werden. In diesen Fällen liegt daher regelmäßig eine Gefährdung des Steueranspruchs vor. Fin. Min. Saarland, Erl. v. 3.7.2002, B/1 – 2 – 178/2002 – S 0550, NZI 2002, 595, 596.
187 Diesem Versuch der Finanzverwaltung, sich auf diese Weise für einfache Insolvenzforderungen eine bevorzugte Befriedigung in Höhe von 100 % zu verschaffen, ist der Bundesfinanzhof entgegengetreten. BFH ZIP 2003, 173 = ZfIR 2003, 111.
188 Dem Verwalter ist auf seinen Antrag hin regelmäßig eine Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG zu erteilen. Im Übrigen regelt allein das Insolvenzrecht, in welchem Umfang Steuerforderungen gegen einen insolventen Steuerschuldner befriedigt werden. Demnach ist der Steuergläubiger mit Forderungen, die schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden, nur Insolvenzgläubiger, kann seine Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden und erhält hierauf nur quotale Befriedigung. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Besteller nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Bauabzugsteuer an das Finanzamt abgeführt hat. 189 An dieser zutreffenden Rechtsprechung orientiert sich nun (überwiegend) die Praxis der Finanzbehörden. OFD Hannover, Vfg. v. 22.4.2003 – S 2272 b – 9 – StO 223/S 2272 b – 2 – StH 216, NZI 2003, 429; BMF-Schreiben v. 4.9.2003 – IV A5 – S 2272b–20/03, ZfIR 2003, 840; praktische Hinweise bei Eisolt, ZInsO 2013, 1564.
(4) Weitere Punkte 190 Der Werklohnanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistung wird fällig mit Vorlage einer prüfbaren Schlussrechnung und spätestens nach Ablauf der 30-Tages-Frist des § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B, wobei gemäß dem Satz 2 die Frist sich auf 60 Tage verlängern kann, wenn dies „aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist und ausdrücklich vereinbart wurde“. 191 Etwa bestehende, jedoch noch nicht gem. § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B prüffähig abgerechnete Gegenansprüche des Bestellers berühren die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs des Unternehmers nicht. LG München II IBR 1998, 526.
192 Der Besteller ist auch im Stadium vor endgültiger Abrechnung seiner Gegenansprüche geschützt. Nach einer Meinung kann er einen Anspruch auf Vorschuss für die Restfertigstellungsmehrkosten geltend machen. OLG Frankfurt/M. IBR 2003, 668.
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II. Weichenstellungen im Eröffnungsverfahren
Dem dürfte nicht zu folgen sein, weil es der Anspruch auf Erstattung der 193 Restfertigstellungsmehrkosten der Sache nach ungeachtet der unscharfen Terminologie in § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (zutreffend aber die Formulierung in § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B) ein Schadensersatzanspruch ist. Dieser ist abschließend zu berechnen, ein Vorschuss auf ihn kann schwerlich verlangt werden. Der Besteller ist aber nicht gehindert, vor endgültiger Abrechnung den Anspruch anhand des mit dem Zweitunternehmer geschlossenen Vertrags und der dortigen Preise darzulegen. Demgegenüber hat nach Joussen/Vygen die nach Kündigung erstellte Schluss- 194 rechnung nur den Charakter einer Forderungsaufstellung „ohne endgültigen, duchsetzbaren Forderungswert“, zu der der Besteller eine abschließende Prüfung vornehmen muss, ehe erst eine Gesamtabrechnung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Zahlungsansprüche erfolgen kann. Gartz plädiert nach eingehender Diskussion der in Literatur und Rechtsprechung verfolgten Ansätze dafür, dem Besteller jedenfalls so lange ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber einer Vergütungsforderung des Unternehmers zuzugestehen, bis auch dem Besteller die Abrechnung seiner Gegenforderungen möglich ist und er insofern auch gem. § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B abrechnen muss. Joussen/Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 8 Abs. 6 B Rn. 32; Gartz, NZBau 2014, 267.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, da eine solche Rechtsfolge 195 sich dem Text der VOB/B nicht entnehmen lässt, sie dazu führen würde, dass der Besteller nach Belieben die Fälligkeit des Werklohnanspruchs hinausschieben könnte (z. B. indem er gar keine Restfertigstellung betreibt), und § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B in der Praxis keine Bedeutung hat (siehe dazu Rn. 501 ff.). Dem Unternehmer war es nach früherer Rechtsprechung nach Kündigung 196 verwehrt, aus früheren Abschlagsrechnungen klageweise vorzugehen. Aufgrund der Beendigung des Vertrags durch Kündigung hat der Unternehmer nunmehr die Möglichkeit, die Schlussrechnung zu stellen und seinen Zahlungsanspruch im Rahmen des Schlussabrechnungsverfahrens einheitlich zu verfolgen („Schlussrechnungsreife“). OLG Hamm BauR 1999, 776, 777; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 231, 231 r. Sp.; wohl auch BGH BauR 2004, 1146, 1147 l. Sp.
Diese Rechtsprechung ist so nicht mehr gültig. Aus der Rechtsprechungswende 197 des Bundesgerichtshofs, dass der Werklohn nach Bauvertragskündigung grundsätzlich erst nach einer Abnahme des Teilwerks fällig wird (siehe Rn. 171 ff.), folgt, dass die bloße Kündigung nicht die „Schlussrechnungsreife“ herbeiführt, sondern es zusätzlich der Abnahme(fähigkeit) des Teilwerks bedarf, sofern nicht ausnahmsweise die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung entbehrlich ist, weil ohnehin ein „Abrechnungsverhältnis“ o. Ä. vorliegt. Konsequenterweise hat der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden, dass der Anspruch auf Abschlagszahlung jedenfalls dann nicht mehr durch47
A. Die Insolvenz des Unternehmers
gesetzt werden kann, wenn die Bauleistung abgenommen ist und der Unternehmer eine Schlussrechnung gestellt hat oder wenn die Abnahme erfolgt, die Leistung des Unternehmers fertiggestellt und die Frist abgelaufen ist, binnen derer der Unternehmer gem. § 14 Abs. 3 VOB/B die Schlussrechnung einzureichen hat. BGH BauR 2009, 1724 Rn. 42 f.; vgl. auch Althaus/Usselmann, in: Althaus/Heindl, Teil 4 Rn. 52.
198 Klagt ein Unternehmer eine Forderung aus einer Schlussrechnung ein und kann er eine Abnahme oder deren unberechtigte Verweigerung nicht nachweisen, kann er im Prozess jedenfalls hilfsweise einen Anspruch auf Abschlagszahlung geltend machen. BGH BauR 2000, 1482, 1484.
199 Es spricht einiges dafür, dass diese Möglichkeit grundsätzlich auch dem Unternehmer eröffnet sein muss, der nach Kündigung des Bauvertrags Werklohn aus einer Schlussrechnung einklagt. Nach einer insolvenzbedingten Kündigung und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt sich allerdings für die klageweise Forderungsdurchsetzung durch den Verwalter das Problem, dass der Verwalter einerseits mit einem solchen Vorgehen die mangels Abnahme(fähigkeit) des Teilwerks bestehende Blockade aufbrechen und Werklohn zur Masse ziehen will, andererseits aber eine Erfüllungswahl scheut und ihm daher eine den allgemeinen baurechtlichen Regeln folgende Verurteilung im Hilfsantrag nicht weiterhilft. Diese würde nämlich den Inhalt haben, dass der Besteller zur Zahlung des nach Prüfung als zutreffend festgestellten Anspruchs aus der hilfsweise geltend gemachten Abschlagsrechnung verurteilt wird Zug um Zug gegen Beseitigung der im einzelnen festzustellenden Mängel. Da nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Besteller jedoch kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB mehr hat (Rn. 435), wäre aus insolvenzrechtlicher Sicht ein Abzug der Mängelbeseitigungskosten vom nominalen Werklohnanspruch naheliegend. Ein derartiger Abzug setzt aber eine auf § 103 Abs. 2 InsO basierende Schadensersatzwahl und Aufrechnung durch den Besteller voraus (siehe Rn. 438), was ohnehin zu einem die Abnahme entbehrlich machenden „Abrechnungsverhältnis“ führen würde und dem Besteller nicht gegen dessen Willen oktroyiert werden darf. 200 Hinzukommt das allgemeine Unbehagen, einen Besteller aufgrund Hilfsantrags auf Abschlagszahlung zu verurteilen, obwohl der klagende Verwalter vielleicht explizit erklärt, vielleicht auch nur den Eindruck erweckt, keinesfalls noch Mängel des Teilwerks zu beseitigen. Abschlagszahlungen sollen ein Ausgleich für die „Vorleistungspflicht“ des Unternehmers sein und lassen sich daher schwerlich rechtfertigen, wenn der Unternehmer erkennbar nicht mehr weiterarbeiten will. Dann erscheint es konsequenter, ihn auf die Durchsetzung allein einer Schlussrechnung zu verweisen. 201 Ein vertretbarer Mittelweg, der den beiderseitigen Belangen gerecht wird und im Einklang mit den grundsätzlichen Wertungen des Baurechts einerseits,
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
des Insolvenzrechts andererseits steht, wäre die Verurteilung des Bestellers dazu, die hilfsweise geltend gemachte Abschlagsrechnung zu bezahlen, jedoch – soweit der Verwalter nicht die Erfüllung des Vertrags wählt – in Höhe der objektiven Mängelbeseitigungskosten (in einfacher Höhe ohne Druckzuschlag) nur Zug um Zug gegen Beseitigung der jeweiligen Mängel. Damit wird eine ohne/gegen den Willen des Bestellers erfolgende Vertragsumgestaltung vermieden. Umgekehrt kann er in der eröffneten Insolvenz nicht von der ansonsten weitreichenden Wirkung des Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 BGB profitieren. Auf die vorstehenden Überlegungen kommt es nicht für die sich aus § 8 Abs. 3 202 Nr. 3 VOB/B ergebende Vergütungsforderung für die Nutzung von Geräten, Gerüsten, auf der Baustelle vorhandenen anderen Einrichtungen und angelieferten Stoffe und Bauteile an: Diese wird unabhängig von der Schlussrechnung fällig. BGH ZIP 2000, 2207, 2208 l. Sp. (m. Anm. Schmitz, S. 2211), dazu EWiR 2000, 1167 (Paulus).
ee) Gegenrechte des Bestellers In der Bauinsolvenz werden regelmäßig strukturell gleiche, zur Aufrechnung 203 geeignete Gegenforderungen des Bestellers relevant, unabhängig davon, ob der Besteller – wie bisher erörtert – den Vertrag im Eröffnungsverfahren gekündigt oder sonst beendet hat oder ob er erst im eröffneten Verfahren eine Forderung wegen Nichterfüllung geltend macht, nachdem der Verwalter die Erfüllung des Vertrags abgelehnt hat (§ 103 Abs. 2 InsO). Die denkbaren Gegenforderungen werden daher einheitlich im Kapitel behandelt, das sich mit dem eröffneten Verfahren befasst (Rn. 422 ff.). III. Weichenstellungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Einsetzung des (endgültigen) Verwalters 1. Vertragsfortführung durch den Verwalter a) Vorüberlegungen (Umsatzsteuerrecht) Der Verwalter hat im Wesentlichen dieselben Aspekte bei seiner Entschei- 204 dungsfindung, ob er die Fortführung eines Vertrags wünscht, zu würdigen wie der vorläufige Verwalter (Rn. 16 ff.). Hinzukommt die Frage, in welchem Umfang der Verwalter durch eine Ver- 205 tragsfortführung hinsichtlich der Umsatzsteuer Masseverbindlichkeiten begründet, falls nicht ohnehin über § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG die Umsatzsteuerschuld auf den Besteller verlagert ist (dazu Rn. 210 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BFH, KTS 1979, 208, 210 r. Sp.; Grundlage für OFD Hannover, Vfg. v. 7.2.2001 – S 7340 – 152 – StH 531 – S 7340 – 68 – StO 355, KTS 2001, 419, 426; BFH ZIP 2009, 1677 Rn. 14 ff., insb. 23 f.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers (m. Bespr. Onusseit, S. 2180) = ZVI 2009, 378; hierzu auch Braun-Kroth, InsO, § 105 Rn. 16 ff.,
ist nach einer Erfüllungswahl des Verwalters das Bauwerk insgesamt erst mit der Fertigstellung geliefert worden, sodass die auf dieser Lieferung beruhende Umsatzsteuer (für das gesamte Bauwerk) als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) zu befriedigen ist, soweit die Umsatzsteuer aus den Abschlagszahlungen nicht beglichen wurde. 206 In seinem jüngeren Urteil hat immerhin der Bundesfinanzhof zugunsten der Verwalter eine Erleichterung vorgenommen, indem er keine Masseverbindlichkeit annimmt, soweit der (spätere) Schuldner bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Entgelte (z. B. Abschlagszahlungen des Bestellers) vereinnahmt hat. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 UStG enthält einen selbstständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand. Die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom späteren Schuldner gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG zu versteuernden Anzahlungen sind deshalb von der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer, die nach Insolvenzeröffnung aufgrund der Fertigstellung des Bauwerks geschuldet ist, abzuziehen. Käme es für die vollständige Tatbestandsverwirklichung nur auf die Leistungsausführung an, hätte der Verwalter das für die nach Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen geschuldete Entgelt auch insoweit als Masseverbindlichkeit zu versteuern, als Anzahlungen für diese Leistungen bereits vor Verfahrenseröffnung vom späteren Schuldner vereinnahmt wurden, die Umsatzsteuer hierfür aber nicht vor Verfahrenseröffnung abgeführt worden ist. Dies würde zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung des Steuergläubigers gegenüber anderen Gläubigern führen. BFH ZIP 2009, 1677 Rn. 30 ff. (m. Bespr. Onusseit, S. 2180) = ZVI 2009, 378.
207 Damit dürfte – auch wenn der Bundesfinanzhof dies nicht explizit anspricht – wenigstens in diesem Punkt die ältere Rechtsprechung aufgegeben sein. Letztere, BFH, KTS 1979, 208, 210 r. Sp.,
war nämlich davon ausgegangen, dass der Verwalter nach Erfüllungswahl auch die Umsatzsteuer aus der Masse bezahlen müsse, die vor Verfahrenseröffnung der Besteller dem späteren Schuldner im Rahmen von Abschlagszahlungen bezahlte, die aber der spätere Schuldner nicht mehr an das Finanzamt abführte. 208 Diese Auffassung macht eine Fortführung von Bauvorhaben in den Fällen unverändert wirtschaftlich unlukrativ, in denen der Unternehmer gegenüber dem Besteller bereits für wesentliche, erbrachte Leistungsteile Abschlagsrechnungen vor Verfahrenseröffnung zusammen mit ausgewiesener Umsatzsteuer stellte, aber der Besteller diese nicht bezahlte. Der Verwalter muss in seinen Überlegungen, ob er den Vertrag fortführen will, einkalkulieren, dass
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
er diese Umsatzsteuerbeträge als Masseverbindlichkeit an den Fiskus abführen muss. Praxistipp: Aufmerksam zu verfolgen wird sein, ob diese grundsätzlich verwalterfreundlichere neue BFH-Rechtsprechung noch Bestand hat bzw. wie sie anzuwenden ist, wenn es um Sachverhalte geht, für die der am 1.1.2011 in Kraft getretene § 55 Abs. 4 InsO gilt (dazu Zimmer, ZInsO 2010, 2299, 2301 f.).
Der Bundesfinanzhof lehnt es im Übrigen ab, aufgrund der Erfüllungswahl 209 des Verwalters „Teilleistungen“ i. S. v. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG anzunehmen. Solche setzen voraus, dass das Entgelt für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung gesondert vereinbart wird. Sofern derartige gesonderte Entgeltvereinbarungen fehlen, ergeben sie sich auch nicht aus § 103 InsO und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. BFH ZIP 2009, 1677 Rn. 25 ff. (m. Bespr. Onusseit, S. 2180) = ZVI 2009, 378. Praxistipp: Gerade diese Urteilspassagen sollten Verwalter verstärkt zum Abschluss von Restabwicklungsvereinbarungen mit einer gesonderten Entgeltvereinbarung für die noch zu erbringende Teilleistung veranlassen, für die es auch viele andere gute Gründe gibt. Darin einen Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO zu erblicken, dürfte im Hinblick auf die referierten BFH-Aussagen und generell nicht begründbar sein (so nun auch FG Kiel ZIP 2011, 137, 139, da es für eine solche Vorgehensweise des Verwalters auch außersteuerliche Gründe wie die Vermeidung von Mängelansprüchen gibt; vgl. auch Onusseit, ZIP 2009, 2180, 2184 r. Sp.).
Gänzlich anders ist die Rechtslage in den Fällen, in denen es wegen § 13b 210 Abs. 2 Satz 2 UStG zu einer Verlagerung der Umsatzsteuerschuldnerschaft kommt. Der Leistungsempfänger wird zum Umsatzsteuerschuldner, wenn er selbst nachhaltig Bauleistungen i. S. v. § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt. Das ist anzunehmen, wenn bei ihm Bauleistungen im letzten Kalenderjahr 10 % des Umsatzes überstiegen haben oder er eine für den Zeitpunkt des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG vorlegt. Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 31.3.2004, Gz.: IV D 1 – S 7279 – 107/04, Tz. 14.
Klassisches Beispiel ist der Generalunternehmer, der regelmäßig einen über- 211 wiegenden Teil der von ihm gegenüber den jeweiligen Bauherren geschuldeten Leistungen durch gewerkespezifische Nachunternehmer erbringen lässt. Folglich kommt es auf die Umsatzsteuer nicht an, wenn der Verwalter über 212 das Vermögen des Nachunternehmers/Schuldners sich dazu entscheidet, einen Vertrag mit einem Generalunternehmer fortzuführen: Letzterer ist Umsatzsteuerschuldner, der Verwalter hat – ebenso wie vor Verfahrenseröffnung der
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
Schuldner – Rechnungen nur netto mit Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Bestellers/Generalunternehmers zu erteilen. Maus, ZIP 2004, 1580, 1583.
213 Umgekehrt aber muss der Verwalter eines insolventen Generalunternehmers, der den Vertrag mit dem Nachunternehmer fortführt, einkalkulieren, dass er ggf. aus der Insolvenzmasse die Umsatzsteuer in voller Höhe abführen muss, wenn der Nachunternehmer die Bauleistung erst nach Verfahrenseröffnung fertigstellt. Braun-Kroth, InsO, § 105 Rn. 19.
b) Rechtliche Grundlagen: §§ 103, 105 Satz 1 InsO aa) Tatbestand (1) § 103 Abs. 1 InsO 214 § 103 InsO betrifft nur gegenseitige Verträge i. S. d. §§ 320 ff. BGB, bei denen die Leistung und die Gegenleistung synallagmatisch verknüpft sind. Damit sind Verträge gemeint, aus denen jeder Teil dem anderen Teil eine Leistung schuldet und bei denen jede Leistung deshalb geschuldet wird, weil die andere geschuldet wird. Macht der Verwalter einen nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis wurzelnden Anspruch geltend, ist § 103 InsO unanwendbar. BGH ZIP 2009, 428 Rn. 15 m. w. N. = ZVI 2009, 155 = ZfIR 2009, 289 (m. Anm. Zimmer, S. 292, dazu EWiR 2009, 417 (Dahl).
215 Weiter setzt das Verwalter-Wahlrecht gem. § 103 Abs. 1 InsO einen gegenseitigen Vertrag voraus, der „zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt“ ist. 216 Während die Einordnung des Bauvertrags als eines „gegenseitige[n]“ (= vollkommen zweiseitig verpflichtenden) Vertrags unproblematisch ist, ist häufig die Beurteilung schwierig, ob der Vertrag beiderseits nicht vollständig erfüllt ist. 217 Ist der Bauvertrag auch nur von einer Seite vollständig erfüllt, so ist für die Anwendung des § 103 InsO kein Raum. So in den Fällen, in denen der Besteller den Werklohn des Unternehmers komplett bezahlt und das Werk abgenommen hat (siehe Rn. 600 ff.), aber auch dann, wenn der Unternehmer seine Leistung – inklusive der Beseitigung von nach Abnahme erkannten Mängeln – vollständig abgeschlossen hat (siehe Rn. 594 ff.). Vollständig erfüllt hat der Besteller den Werklohnanspruch des Unternehmers auch dann, wenn er vorinsolvenzlich gegen ihn mit einem berechtigten, auf Geldzahlung gerichteten Mängelanspruch aufgerechnet hat, z. B. mit einem Erstattungsanspruch nach Selbstvornahme oder mit einem Schadensersatzanspruch. Ebenso ist der Werklohn vollständig bezahlt, wenn der Besteller den Sicherheitseinbehalt nach Stellung einer Bürgschaft ausgekehrt hat. 52
III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters Bähr/Hermann, Rn. 83, 139: a. A. Huber, NZBau 2005, 177, 179 r. Sp.
Die gegenteilige Auffassung verkennt, dass der Unternehmer den Werklohn 218 vollständig erhalten hat und ein Rückgriffsanspruch des Bürgen gegen den Schuldner nicht das für § 103 InsO allein maßgebliche synallagmatische Vertragsverhältnis zwischen Besteller und Unternehmer betrifft, sondern das Avalkreditverhältnis zwischen Bürge und Unternehmer. Der Anwendungsbereich des § 103 InsO ist dagegen eröffnet, wenn der Un- 219 ternehmer die dem Besteller zustehenden, mit dem Werklohnanspruch synallagmatisch verknüpften Ansprüche einschließlich der primären und sekundären Mängelansprüche noch nicht erfüllt und der Besteller die Vergütung noch nicht vollständig bezahlt hat. Thode, ZfIR 2000, 165, 179 l. Sp.
Das Wahlrecht des Verwalters besteht insbesondere dann, wenn das Bau- 220 vorhaben noch nicht abgeschlossen ist und der Besteller allenfalls Abschläge, nicht aber den vollen Werklohn bezahlt hat. Das ist der „klassische“ Fall, in dem sich die Frage nach einer Vertragsfortführung durch den Verwalter stellt. Aber auch ein unerledigter Restfertigstellungsbedarf vor Abnahme oder offene 221 Mängelansprüche nach Abnahme begründen das Wahlrecht des Verwalters, BGH BauR 1979, 420, 425 l. Sp.; Thode, ZfIR 2000, 165, 179 l. Sp.; Kreft, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 387, 397,
wenn in der „Gegenrichtung“ auch noch so geringe Zahlungsrückstände des Bestellers vorliegen. Vollständig bezahlt ist die Vergütung auch dann nicht, wenn der Besteller den Sicherheitseinbehalt noch nicht ausbezahlt hat. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Behandlung von strittigen Mängel- 222 rügen im Zeitraum nach Abnahme. Hierzu folgendes Beispiel: Der Besteller hat das Werk förmlich und ohne Mängelvorbehalte abgenommen. Offen ist noch ein nominal unstrittiger Betrag von 20.000 €. Auf die Zahlungsaufforderung des Verwalters hin behauptet der Besteller, es seien (innerhalb laufender Verjährungsfrist) Risse hervorgetreten, deren Beseitigung 20.000 € kosten werde. Der Verwalter akzeptiert diese Mängelbehauptung nicht und lässt auch nicht nachbessern (ähnlicher Sachverhalt bei AG Witten ZInsO 2003, 479 mit zutreffender rechtlicher Bewertung auf S. 480 l. Sp.). Ob ein beiderseitig nicht vollständig erfüllter Vertrag vorliegt, kann das letz- 223 tendscheidende Tatsachengericht erst nach Auswertung der einzuholenden Sachverständigenäußerungen beurteilen. Erweist sich die Mängelrüge des Bestellers als unbegründet, so liegt tatsächlich kein Fall des § 103 InsO vor,
53
A. Die Insolvenz des Unternehmers
sondern vielmehr die Fallgruppe des (zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) vom Unternehmer vollständig erfüllten Vertrags. 224 Die generellen Probleme in diesem Zusammenhang resultieren aus der Divergenz zwischen der objektiven Sachlage und den subjektiven Erkenntnismöglichkeiten der Beteiligten, die ihre Rechtsverteidigung bestimmen. Objektiv muss, wenn ein Bauwerk mangelhaft ist, der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Fertigstellung/Abnahme vorhanden sein, sodass ein allwissender Beobachter bereits zu diesem Zeitpunkt ein abschließendes Urteil fällen könnte. Damit ist objektiv § 103 InsO anwendbar. Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, 107, 121.
225 Ansprüche – so nach fruchtloser Fristsetzung die Verteidigung mit einem Zahlungsanspruch – können die Beteiligten, insbesondere der Besteller, aus Mängeln jedoch erst ableiten, wenn sie den Mangel erkennen, etwa weil Mängelsymptome (z. B. eindringende Feuchtigkeit, abblätternder Putz) hervortreten. 226 Für zu weitgehend erachte ich die Auffassung Thodes, der – bei vereinbartem und noch nicht ausgezahltem Sicherheitseinbehalt – den Bauvertrag bis zum Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche generell als nicht erfüllt i. S. d. § 103 InsO ansieht, unabhängig davon, ob Mängel auftreten, weil der Einbehalt als Sicherheit für das Mängelrisiko während der Verjährungsfrist dient. Thode, ZfIR 2000, 165, 179 l. Sp.
227 Mögen auch größere Bauvorhaben regelmäßig jedenfalls kleinere Mängel im Rechtssinn aufweisen, was § 103 InsO anwendbar macht, so ist dies kein Naturgesetz, schon gar nicht für kleinere Standardbauarbeiten. 228 Die praktischen Unterschiede zwischen beiden Auffassungen sind vernachlässigbar, da auch in dem von Thode gebildetem Beispielsfall das (Prozess-) Ergebnis davon abhängt, ob der Besteller rechtzeitig einen konkret bestehenden Mangel rügt und sich dadurch seine Rechte am Sicherheitseinbehalt erhält (§ 17 Abs. 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B). 229 § 103 InsO ist in der Bauinsolvenz häufig anzuwenden. In Betracht kommt auch, dass eine im Eröffnungsverfahren geschlossene Restabwicklungsvereinbarung (die eine Modifikation des ursprünglich zwischen Schuldner und Besteller bestehenden Bauvertrags darstellt) zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht beiderseits vollständig erfüllt ist und der Verwalter nun deren Erfüllung wählt. Dies wird in der Regel dadurch geschehen, dass er die noch offenen Restarbeiten bruchlos erledigen lässt.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters Praxistipp: Es liegt in der Natur der Sache, dass der Verwalter und der Besteller oft weit auseinandergehende Vorstellungen von den beiderseits noch bestehenden, für § 103 InsO relevanten Forderungen haben. So werden Besteller gern argumentieren, schon durch vorinsolvenzlich erklärte Aufrechnungen mit berechtigten Gegenforderungen seien alle denkbaren Forderungen des Unternehmers erloschen, während der Unternehmer und später der Verwalter diese zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen zurückweisen und zahlreiche strittige Werklohnforderungen (etwa Mengendifferenzen, Nachträge) ins Felde führen. Die Kunst der auf beiden Seiten eingeschalteten Juristen besteht darin, derartige Sachverhalte vorsorglich zweigleisig zu prüfen – § 103 InsO anwendbar oder nicht – und stets, gerade wegen nötiger Fristsetzungen, den „sichersten Weg“ zu wählen.
Auch auf das Abwicklungsverhältnis zu Bauverträgen, welche die Besteller in 230 der Phase vor Verfahrenseröffnung gekündigt haben, ist § 103 InsO anwendbar. Derartige gekündigte Bauverträge sind beiderseits nicht vollständig erfüllt i. S. v. § 103 InsO, Jaeger/Henckel, KO, § 17 Rn. 28 (für die vergleichbare Fallgruppe der Rückabwicklungsschuldverhältnisse); offengelassen von BGH ZIP 2009, 428 Rn. 9 (m. w. N.) = ZVI 2009, 155 = ZfIR 2009, 289 (m. Anm. Zimmer, S. 292).
sofern bei Verfahrenseröffnung noch Mängel bestehen, die dem Unternehmer zur Last fallen, und der Besteller den auf das vor der Kündigung erbrachte Teilwerk entfallenden Werklohn noch nicht vollständig bezahlt hat. Indes kann sich § 103 InsO nur noch auf die dem an die Stelle des Unternehmers tretenden (§ 80 Abs. 1 InsO) Verwalter zu eröffnende Möglichkeit auswirken, die vom Schuldner verantworteten Mängel an der bis zur Kündigung erbrachten Leistung zu beseitigen. Die frühere vertragliche Verpflichtung des Schuldners, das Gesamtwerk fertig zu stellen, ist durch die Kündigung entfallen. (2) § 105 Satz 1 InsO „Teilbarkeit“ im Sinne dieser Norm ist zu bejahen, wenn sich die bis zu einem 231 bestimmten Stichtag erbrachten Teilleistungen des Schuldners feststellen und berechnen (also einem entsprechenden Vergütungsanteil zuordnen) lassen. Dieser Auffassung hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen. Für einen 232 noch nach der Konkursordnung zu beurteilenden Schiffsbauwerkvertrag führt er aus: Das Bauwerk ist in seinem jeweiligen Bauzustand als realer Teil des künftigen Schiffs körperlich vorhanden und hinreichend verselbstständigt. Ihm kann ein dem Grad der Fertigstellung entsprechender Teil des Werklohns zugeordnet werden, was bei vereinbarten Einzelpreisen erleichtert, aber nicht erst ermöglicht wird. Der anteilige Werklohn ist nach den Maßstäben zu ermitteln, die gelten würden, wenn der Bauvertrag im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung aus wichtigem Grund gekündigt worden wäre.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers BGH ZIP 2001, 1380, 1382 (noch mit abw. Aussagen zur Ermittlung des anteiligen Werklohns), dazu EWiR 2001, 1107 (Tintelnot); zur Beurteilung eines Bauvertrags nach GesO BGH ZIP 2001, 2055, 2056 f., dazu EWiR 2002, 107 (Rigol); BGH ZIP 2002, 1093, 1096 r. Sp. (auch zur Beweislast), dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot); für die Nutzung von Containern BGH ZIP 2000, 2207, 2209 r. Sp (m. Anm. Schmitz, S. 2211), dazu EWiR 2000, 1167 (Paulus); ebenso für die Abwicklung eines Mietvertrags BGH ZIP 2001, 1469, 1471 = ZfIR 2001, 728, dazu EWiR 2002, 395 (Flitsch/Herbst).
233 Dagegen deutet der Bundesgerichtshof an, dass die Teilbarkeit ausnahmsweise zu verneinen ist, wenn die Vollendung des Werks von der Person des konkreten Unternehmers abhängig ist, BGH ZIP 2001, 1380, 1382 l. Sp., dazu EWiR 2001, 1107 (Tintelnot),
was bei Bauverträgen kaum vorstellbar ist. 234 Für einen Sachverhalt ohne Bezug zum Baurecht, nämlich eine von der Bundesagentur für Arbeit als Gegenleistung für die Einstellung eines Arbeitnehmers geschuldete Fallpauschale, hat der Bundesgerichtshof die Teilbarkeit verneint, weil diese Pauschale sich nicht auf Einzelleistungen aufspalten lässt. BGH ZIP 2010, 238 Rn. 26, dazu EWiR 2010, 187 (Plagemann).
bb) Funktionsweise von § 103 InsO nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 235 Zur „Vorgängernorm“ des § 103 InsO, zu § 17 KO, hatte seit Ende der 1980er Jahre der Bundesgerichtshof eine Konzeption (in der Literatur häufig als „Er-löschenstheorie“ bezeichnet) entwickelt, wonach die Verfahrenseröffnung eine automatische Vertragsumgestaltung bewirkt. Z. B. BGH ZIP 1995, 926, 927, dazu EWiR 1995, 691 (Uhlenbruck); Kreft, ZIP 1997, 865.
236 Mit Urteil vom 25.4.2002 hat der Bundesgerichtshof, BGH ZIP 2002, 1093, 1094 f., dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot); bestätigt von BGH ZIP 2003, 1208, 1209 l. Sp., 1210 r. Sp., 1211 f., dazu EWiR 2003, 819 (Gundlach/Schmidt),
eine neue Funktionsweise des § 103 InsO dargelegt, die in der Literatur als „Suspensivtheorie“ bezeichnet wird: Mit der Eröffnung des Verfahrens verlieren die Ansprüche des Bestellers auf weitere Leistungen des Schuldners 56
III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
und die entsprechenden Gegenleistungsansprüche des Schuldners gegen den Besteller zunächst ihre Durchsetzbarkeit. Die Verfahrenseröffnung bewirkt indes keine materiell-rechtliche Umgestaltung des gegenseitigen Vertrags, sondern hat wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinreden der Vertragspartner (§ 320 BGB) nur zur Folge, dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche, soweit es sich nicht um Ansprüche auf die Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt, nicht durchsetzen können. Erst mit der Wahl des Verwalters, den Bauvertrag zwischen Schuldner und Besteller zu erfüllen, wird den Ansprüchen des Bestellers auf die noch ausstehenden Werkleistungen des Schuldners und dem Anspruch des Verwalters auf eine entsprechende Gegenleistung die Rechtsqualität von originären Masseverbindlichkeiten und -forderungen beigelegt. Dieses Urteil ist im Hinblick darauf, dass es die Aufgabe einer etwa 15 Jahre 237 durchgehaltenen Rechtsprechung darstellt, sehr knapp begründet. Die in der Folge ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs enthält 238 wenig Weiterführendes bzw. erscheint teilweise nicht konsequent. Das Urteil vom 17.12.2009, welches von der Bundesagentur für Arbeit als 239 Gegenleistung für die Einstellung von Arbeitnehmern geschuldete Fallpauschalen betrifft, enthält zum einen die Wiedergabe der 2002 gebildeten Leitaussagen. Zum anderen befasst es sich mit den Fallgruppen von Teilleistungen entweder des Schuldners oder seines Vertragspartners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens: x
Falls der Vertragspartner vor der Insolvenzeröffnung im Unterschied zu dem Schuldner eine Teilleistung bewirkt hat, steht dem Vertragspartner ein der Teilleistung entsprechender Anspruch auf die Gegenleistung als Insolvenzforderung zu. Der Verwalter kann einen Anspruch gegen den Vertragspartner nicht geltend machen. BGH ZIP 2010, 238 Rn. 12 m. H. a. MünchKomm-Kreft, InsO, § 103 Rn. 25, 28, dazu EWiR 2010, 187 (Plagemann); ebenso schon davor BGH, Beschl. v. 6.3.2007 – X ZR 58/06, Rn. 15.
x
Sofern der Schuldner vor Verfahrenseröffnung anders als sein Vertragspartner teilweise geleistet hat, kann der Verwalter grundsätzlich eine der tatsächlich bewirkten Leistung entsprechende anteilige Vergütung beanspruchen. BGH ZIP 2010, 238 Rn. 12 m. H. a. MünchKomm-Kreft, InsO, § 103 Rn. 32.
x
Von beiden Vertragspartnern vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte gleichwertige Teilleistungen werden in ihrer Wirksamkeit von der Insolvenzeröffnung nicht berührt. Haben beide Seiten bis zu diesem Zeitpunkt keine Teilleistungen erbracht, steht dem Verwalter mangels
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
eines Erfüllungsverlangens wegen der Einrede aus § 320 BGB kein durchsetzbarer Anspruch gegen seinen Vertragspartner zu. BGH ZIP 2010, 238 Rn. 12 m. H. a. MünchKomm-Kreft, InsO, § 103 Rn. 37, 17.
240 Unklarheiten bringen demgegenüber zwei zum Mietrecht ergangene Entscheidungen des IX. Zivilsenats mit sich. 241 So hat der Bundesgerichtshof in der Insolvenz des Mieters beweglicher Sachen angenommen, dass mangels Erfüllungswahl durch den Verwalter über das Vermögen des Mieters der Verwalter zur Herausgabe der Mietsache an den Vermieter verpflichtet ist und – falls er dem nicht nachkommt – der Vermieter von ihm entsprechend § 546a BGB für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete verlangen kann. BGH ZIP 2007, 778 Rn. 8 ff. = ZVI 2008, 79, dazu EWiR 2007, 727 (Tintelnot).
242 Sehr knapp und daher missverständlich ist aber die Aussage, dass es einer Kündigung nicht bedarf, wenn der Verwalter nicht die Erfüllung des Vertrags wählt. BGH ZIP 2007, 778 Rn. 12 = ZVI 2008, 79.
243 Das ist zwar für das Verhältnis Vermieter/Verwalter naheliegend, kann aber den Eindruck erwecken, dass es auch im Verhältnis Vermieter/Schuldner keiner Beendigungserklärung seitens des Vermieters bedarf. Letzteres wäre im Hinblick auf die Suspensivtheorie wenig konsequent, weil nach dieser auch nach einer Erfüllungsverweigerung des Verwalters der Vertragspartner die Möglichkeit hat, das Vertragsverhältnis mit dem Schuldner selbst intakt zu lassen und ggf. nach Beendigung des Insolvenzverfahrens fortzusetzen. Klarheit würde daher für dieses Verhältnis – auch im Hinblick auf ein eigenes Besitzrecht des Schuldners – erst ein Schadensersatzverlangen gem. § 103 Abs. 2 InsO schaffen. Aus einem solchen ergibt sich dann, dass der Vermieter den Vertrag mit dem Schuldner nicht mehr intakt lassen will. Dem BGH zustimmend dagegen MünchKomm-Huber, InsO, § 103 Rn. 177 mit dem Argument, dass wegen der Insolvenz des Besitzers dessen Besitzrecht „ebenfalls“ wegfällt.
244 Schwerlich vereinbar mit der Suspensivtheorie ist auch die Aussage zu einem Mietvertrag in der Insolvenz des Vermieters (auf den § 103 InsO anwendbar war, weil die Mietsache dem Mieter noch nicht überlassen war), dass infolge der vom Verwalter erklärten Ablehnung der Erfüllung der Mietvertrag zwar fort besteht, „jedoch nur noch als Abwicklungsschuldverhältnis“. BGH ZIP 2007, 2087 Rn. 37 = ZfIR 2008, 151 (m. Anm. Tintelnot, S. 155), dazu EWiR 2007, 729 (Eckert).
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Auch dies vernachlässigt wiederum die gemäß der Suspensivtheorie gesondert 245 zu betrachtende Beziehung zwischen Schuldner (= Vermieter) und Mieter, denn die Aussage des Bundesgerichtshofs suggeriert, allein die Ablehnung der Vertragserfüllung führe zu einem Abwicklungsverhältnis. Weitere Entscheidungen des IX. Zivilsenats zu § 103 InsO werden im Sach- 246 zusammenhang unter Rn. 376 ff. erörtert. Andere Senate des Bundesgerichtshofs haben ebenfalls explizit oder jeden- 247 falls der Sache nach in neueren Entscheidungen die Suspensivtheorie zugrunde gelegt. BGH ZIP 2010, 264 Rn. 30, dazu EWiR 2010, 181 (Grziwotz); BGH BauR 2011, 507 Rn. 25.
In sich geschlossene, alle denkbaren Probleme abstrakt ansprechende Über- 248 legungen lassen sich der grundlegenden, vom Bundesgerichtshof wiederholt zitierten Kommentierung zu § 103 InsO entnehmen, die Kreft, damals Vorsitzender Richter des zuständigen IX. Senats des Bundesgerichtshofs, erstmals Anfang 2002 vorgelegt und in der Folge ausgebaut hat. MünchKomm-Kreft, InsO, § 103, passim, insbesondere Rn. 14 ff.
Die neue Konzeption des Bundesgerichtshofs wird nicht zu grundsätzlich 249 neuen Ergebnissen führen. Insbesondere die Erwägungen zu Sinn und Zweck des § 103 InsO, wie sie bereits der Rechtsprechung zu § 17 KO zugrunde lagen, gelten nach wie vor. Demnach soll der Gegenwert für die aufgrund des Erfüllungsverlangens des Verwalters nach Verfahrenseröffnung mit Mitteln der Masse erbrachten Leistungen in vollem Umfange der Masse und damit der Gläubigergesamtheit zugutekommen. Einzelne Gläubiger sollen weder durch vorinsolvenzliche Abtretungen noch durch die Möglichkeit einer Aufrechnung mit vorinsolvenzlichen Forderungen bevorzugt werden. Dabei meint „vorinsolvenzlich“, dass vor Verfahrenseröffnung der Abtretungsvertrag zustande gekommen oder die Forderung werthaltig geworden („aufgefüllt“ worden) ist. Für die neue Konzeption spricht, dass sie augenscheinlich besser mit dem 250 Wortlaut des § 103 InsO vereinbar ist als die bisherige „Erlöschenstheorie“. Auch verfassungsrechtlich (Grundsatz der Privatautonomie) scheint es besser vertretbar, mit Kreft und Huber, MünchKomm-Kreft, InsO, § 103 Rn. 18, 22; MünchKomm-Huber, InsO, § 103 Rn. 176,
es der Entscheidung des Bestellers zu überlassen, ob er – nachdem er den Verwalter fruchtlos zur Erfüllung des Vertrags aufgefordert hat – den Vertrag mit dem Schuldner intakt lässt. Folge ist, dass der Besteller den Vertrag vorbehaltlich einer abweichenden Insolvenzplanregelung (§§ 221, 227 InsO) oder einer dem Schuldner gewährten Restschuldbefreiung (§ 301 InsO) nach Beendigung des Insolvenzverfahrens abwickeln oder Schadensersatz wegen 59
A. Die Insolvenz des Unternehmers
Nichterfüllung (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO) geltend machen kann. Zudem entspricht es dem BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, dass der fruchtlose Ablauf einer Frist für sich allein keine Vertragsumgestaltung bewirkt, sondern es hierzu noch einer weiteren Erklärung des Bestellers bedarf (§ 281 Abs. 1, Abs. 4 BGB). Schließlich können nunmehr die teilweise gekünstelten Konstruktionen zur Aufrechterhaltung akzessorischer Sicherheiten entfallen. 251 Allerdings führt Huber in einer möglicherweise nur missverständlichen Formulierung aus, dass die Mängelbeseitigungskosten schon bei der Berechnung der vor Verfahrenseröffnung erbrachten Teilleistung mindernd berücksichtigt werden. M. Huber, ZInsO 2005, 449, 451.
252 Sofern der Besteller einen Schadensersatzanspruch geltend macht, wenn der Verwalter die Mängelbeseitigung verweigert, ist das im Ergebnis richtig. Indessen geht Huber offenbar von einer automatischen Minderung aus und überspielt damit die autonome Entscheidung des Bestellers, die der Bundesgerichtshof mit der Suspensivtheorie schützen will. Seine Aussage liegt daher auf der Linie der vom Bundesgerichtshof gerade aufgegebenen Erlöschenstheorie. 253 Die Praxis darf davon ausgehen, dass der Bundesgerichthof die neue Konzeption in den nächsten Jahren beibehalten und verfeinern wird. 254 Zusammengefasst bedeutet der gegenwärtig erreichte Stand der Rechtsprechung für den Besteller Folgendes: x
Der Anwendungsbereich des § 103 InsO ist insbesondere dann eröffnet, wenn bei Verfahrenseröffnung noch ein intakter (ungekündigter) Bauvertrag mit beiderseits nicht vollständig erfüllten Pflichten besteht (Rn. 217 ff.). Soweit sich aufgrund vor Verfahrenseröffnung bereits erfolgter Kündigung nur noch ein Zahlungsanspruch und Mängelansprüche wegen des bis dahin erbrachten Teilwerks gegenüberstehen, ist § 103 InsO auf dieses Abwicklungsverhältnis (analog) anwendbar (Rn. 230).
x
Will der Besteller die nach den Grundsätzen des § 320 BGB mit Verfahrenseröffnung eintretende Blockade für die noch ausstehende Leistung des Unternehmers überwinden, muss er im ersten Schritt den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auffordern (§ 103 Abs. 2 Sätze 2 und 3 InsO).
x
Lehnt der Verwalter die Erfüllung ausdrücklich ab oder erklärt er sich nicht rechtzeitig (Rn. 256), steht (nur) fest, dass der Verwalter den Vertrag nicht erfüllen wird; nochmaliger Fristsetzungen bedarf es – abgesehen von Mängelrügen zu neu hervortretenden Symptomen (Rn. 468 ff.) – nicht mehr.
x
Der Besteller kann nun entweder den Vertrag in der Schwebe lassen, um ihn nach Verfahrensbeendigung mit dem Schuldner abzuwickeln (da Bau-
60
III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
vorhaben zügig fertiggestellt werden müssen, ist dies nur eine theoretische Möglichkeit, die aber in anderen Bereichen als beim Bauvertrag relevant sein kann), oder einen Schadensersatzanspruch als Insolvenzgläubiger geltend machen, was wirtschaftlich erhebliche Bedeutung erlangt, wenn er dadurch gegen einen Anspruch des Verwalters auf Werklohn für das bis zur Verfahrenseröffnung erbrachte Teilwerk wirksam aufrechnen (Rn. 428 ff.) und/oder den Sicherungsfall herbeiführen kann, um eine vom Schuldner gestellte Bürgschaft in Anspruch zu nehmen. Dass der Besteller seinen Schadensersatz als Insolvenzgläubiger geltend macht, 255 setzt ein Verhalten des Bestellers voraus, das verdeutlicht, dass er nach der vom Verwalter abgelehnten Vertragserfüllung das Vertragsverhältnis nicht für den Zeitraum bis nach Verfahrensabschluss in der Schwebe halten will. Weiter ist erforderlich, dass er dies gegenüber dem Verwalter kundtut. Das Beispiel von früheren Richtern des IX. Zivilsenats, MünchKomm-Kreft, InsO, § 103 Rn. 18, 22; G. Fischer, NZI 2002, 281, 284,
nämlich die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle, so nunmehr auch BFH ZIP 2007, 976, 977, dazu EWiR 2007, 695 (Dahl),
trifft zu, erfasst aber die denkbaren Sachverhalte keinesfalls abschließend. Ebenso kommt die Inanspruchnahme des Bürgen durch den Besteller wegen seiner Schadensersatzansprüche in Betracht, sofern der Besteller dieses Schreiben dem Verwalter wenigstens abschriftlich zuleitet. Genauso genügt es, wenn der Besteller das Teilwerk fertigstellt und den damit verbundenen Schaden nach Abschluss der Arbeiten dem Verwalter mitteilt. Auch reichen Aufrechnungserklärungen des Bestellers gegenüber dem Verwalter, der einen Vergütungsanspruch für das vom Schuldner erstellte Teilwerk geltend macht, übertragbar BGH ZIP 2001, 31, 32 r. Sp., dazu EWiR 2001, 737 (Tintelnot),
oder „Vorschussansprüche“ wegen Mängeln im Prozess, wobei das Gericht darauf hinzuweisen hat, dass nach fruchtloser Fristsetzung der Verwalter keine Erfüllung schuldet und daher nur ein Schadensersatzanspruch möglich ist. cc) Erklärungsfrist Da § 103 InsO keinen Zeitraum vorgibt, innerhalb dessen der Verwalter von 256 sich aus die Erfüllung wählen müsste, kann über längere Zeit Ungewissheit über das weitere Schicksal des Vertrags bestehen. Dem kann der Besteller entgegenwirken, indem er den Verwalter zur Ausübung des Wahlrechts auffordert. Der Verwalter hat sich dann „unverzüglich“ (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu erklären. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab oder äußert er sich nicht, so verliert er das Recht, auf der Erfüllung zu bestehen (§ 103 Abs. 2 Sätze 2,
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
3 InsO). Der Auffassung, in analoger Anwendung von § 107 Abs. 2 InsO müsse der Verwalter seine Erklärung erst unverzüglich nach dem Berichtstermin abgeben, M. Huber, NZBau 2005, 256, 260; wohl auch BGH ZIP 2007, 778 Rn. 13 („analog § 107 Abs. 2 InsO könnte er [der Verwalter] dazu berechtigt gewesen sein“) = ZVI 2008, 798, dazu EWiR 2007, 727 (Tintelnot),
vermag ich nicht zu folgen, da § 107 Abs. 2 InsO einen speziellen Tatbestand regelt und wegen des abweichenden Wortlauts von § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO auf diesen allgemeinen Tatbestand nicht übertragbar ist. dd) Anforderungen an die Erfüllungswahl 257 Die Erfüllungswahl des Verwalters erfolgt durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung i. S. v. §§ 130 – 132 BGB. Diese unterliegt den allgemeinen Regeln und muss dem Partner des zu erfüllenden Vertrags zugehen. Die Erfüllungswahl kann auch in einem schlüssigen Verhalten liegen. Für die Auslegung eines solchen Verhaltens ist maßgebend, welche Bedeutung ihm der Vertragsgegner nach der Verkehrssitte und den Gesamtumständen beimessen musste. Ein Verhalten des Verwalters löst deshalb die Rechtswirkungen der §§ 103, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur aus, wenn ihm der Vertragspartner entnehmen konnte und musste, dass der Verwalter die Erfüllung wählen wollte. BGH ZIP 1998, 298 r. Sp., dazu EWiR 1998, 321 (Undritz); BGH ZIP 2014, 736 Rn. 12, dazu EWiR 2014, 389 (Dahl/Schmitz).
258 Unproblematisch ist eine Erfüllungswahl zu bejahen, wenn Verwalter und Besteller die Fortführung des Bauvorhabens zu den bisherigen vertraglichen Grundlagen schriftlich regeln. Schriftliche, allerdings den Ursprungsvertrag modifizierende Vereinbarungen erfolgen oft als sogenannte Restabwicklungsvereinbarungen (Rn. 349 f.). Auf derartige Vereinbarungen ist indessen § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht anwendbar, sondern es handelt sich um die Neubegründung eines Vertrags mit den Rechtsfolgen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. 259 Ebenso liegt eine Erfüllungswahl darin, dass der Verwalter auf Mängelrügen des Bestellers hin erklärt, er sei bereit, berechtigte Mängel prüfen und beheben zu lassen, und später zur Absicherung des noch offenen Werklohnanspruchs vom Besteller eine Sicherheit gem. § 648a BGB fordert. OLG Düsseldorf BauR 2005, 572, 572 r. Sp./ 573 r. Sp.
260 Allerdings geht das Oberlandesgericht offenbar davon aus, dass diese Erfüllungswahl den Vertrag insgesamt erfasse, was zweifelhaft ist (vgl. Rn. 324 ff.).
62
III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Schwieriger ist es, wenn ausdrückliche Äußerungen des Verwalters fehlen. 261 Führen vom Verwalter beauftragte Dritte, OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1988, 1338,
oder Mitarbeiter des Schuldners mit Billigung und Wissen des Verwalters die Arbeiten auf der Baustelle fort, so liegt darin eine Erfüllungswahl des Verwalters. Arbeiten hingegen Dritte oder Mitarbeiter des Schuldners eigenmächtig weiter, etwa in der Erwartung, der Besteller werde sie nun direkt beauftragen und bezahlen, so liegt hierin kein dem Verwalter zurechenbares Verhalten; eine Erfüllungswahl ist also nicht gegeben. Ebenso T. Wellensiek, BauR 2005, 186, 191.
Der Verwalter wählt auch dann konkludent die Erfüllung des Vertrags, wenn 262 er nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die in der Phase der vorläufigen Insolvenzverwaltung vereinbarten und aufgenommenen Betonlieferungen für unverändert dieselbe Baustelle in gleicher Weise wie davor abruft, OLG Frankfurt/M. ZInsO 2007, 548, 550 l. Sp.,
oder wenn er zu einem Kaufvertrag die Lieferungen nach Verfahrenseröffnung fortsetzt. BGH ZIP 2013, 1729 Rn. 24, dazu EWiR 2013, 685 (Tintelnot).
Vertreten wird, Handlungen zur Forderungsdurchsetzung – sei es direkter, 263 sei es indirekter Art – hätten die Qualität einer Erfüllungswahl. OLG Celle IBR 2005, 18; Marotzke, in: HK-InsO, § 103 Rn. 129.
Dem ist nicht zu folgen, gleich ob ein außergerichtliches Mahnschreiben, Mahn- 264 bescheide oder Klagen vorliegen. Genauso wenig liegt in der Aufforderung des Verwalters, einen Sicherheitseinbehalt auf ein gemeinsames Sperrkonto einzubezahlen, oder in der Aufnahme eines zunächst gem. § 240 ZPO unterbrochenen Aktivprozesses des Schuldners durch den Verwalter eine (konkludente) Erfüllungswahl. Würde man dies anders beurteilen, wäre die Durchsetzung von Forderungen durch den Verwalter blockiert, da er immer damit rechnen müsste, dass hierin eine Erfüllungswahl erblickt wird. Dabei ist es unerheblich, ob der Verwalter die ihm zur Kenntnis gebrachte Verteidigung des Bestellers mit (objektiv gegebenen) Mängeln anerkennt und Abstriche an seiner Forderung von selbst vornimmt oder nicht. In letzterem Fall vertritt er eben die unzutreffende Rechtsauffassung, der Schuldner habe seiner Auffassung nach den Vertrag bereits voll erfüllt und der Anspruch hänge nicht von der Erbringung einer noch offenen Gegenleistung ab. Das führt spätestens im Prozess zur (Teil-)Klageabweisung, gibt aber mangels besonderer Anhaltspunkte keinen Anlass zur Annahme, der Verwalter wolle die vom Besteller ins Feld geführten Mängel beseitigen.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZR 39/05, Rn. 2; OLG Hamm NJW 1977, 768; OLG Stuttgart ZIP 2005, 588, 589; OLG Karlsruhe IBR 2006, 331 (Volltext unter III.2 der Gründe); OLG Karlsruhe IBR 2011, 1356; AG Witten ZInsO 2003, 479, 480 l. Sp.; C. Schmitz, EWiR 2000, 641, 642.
265 Keine Erfüllungswahl stellen insbesondere standardmäßige Zahlungsaufforderungen dar, die der Verwalter auf Grundlage von in der schuldnerischen Finanzbuchhaltung erfassten „offenen Posten“ verschickt, sofern sich aus solchen Schreiben erkennen lässt, dass der Verwalter von bereits vollständiger Vertragserfüllung durch den Schuldner ausgeht und nur noch die Zahlung des Vertragspartners anmahnt. Die gegenteilige Auffassung würde gerade in Großinsolvenzen die Verfahrensabwicklung unzumutbar erschweren. OLG Dresden ZIP 2002, 815, 816 f., dazu EWiR 2002, 441 (Tintelnot).
266 Eine andere Beurteilung – eine Erfüllungswahl ist zu bejahen – ist nur dann veranlasst, wenn der Verwalter gleichzeitig mit der Zahlungsaufforderung die Berechtigung der Einwendungen des anderen Teils anerkennt, z. B. indem er die Zahlung nur Zug um Zug gegen die Gegenleistung fordert. OLG Stuttgart ZIP 2005, 588, 589 = ZVI 2005, 211.
267 Eine Erfüllungswahl liegt auch nicht darin, dass der Verwalter sich als Antragsgegner an einem selbstständigen Beweisverfahren, welches der Besteller einleitet, aktiv beteiligt und anschließend Kostenanträge gem. § 494a ZPO stellt. Hierdurch verteidigt sich der Verwalter gegen aus seiner Sicht unberechtigte Mängelrügen und versucht anschließend, zur Schonung der Masse gesetzlich festgelegte Kostenerstattungsansprüche durchzusetzen. 268 Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass im Zusammenhang mit der Forderungsdurchsetzung der Verwalter Erklärungen abgibt, die eine Erfüllungswahl darstellen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Besteller erstmals während eines Prozesses Mängel rügt und der Bevollmächtigte des Verwalters in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts erklärt, die Mängel würden beseitigt. Praxistipp: Der Wortlaut des § 105 Satz 1 InsO legt nahe, dass der Verwalter ausdrücklich erklären muss, nur „wegen der noch ausstehenden Leistung“ Erfüllung zu verlangen. Dies wäre jedoch im Hinblick auf die dargestellte BGH-Rechtsprechung ungereimt, die zu § 17 KO stets angemessene Ergebnisse entwickelt hat, ohne dass einschränkende Erklärungen des Verwalters für erforderlich erachtet worden wären. Verwaltern mag gleichwohl bis zu einer höchstrichterlichen Klärung angeraten sein, solche Einschränkungen zur Vermeidung jeden Risikos (und jeden Irrtums beim insolvenzrechtlich nicht spezialisierten Erklärungsempfänger) kundzutun.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
c) Damoklesschwert der jederzeitigen außerordentlichen Bestellerkündigung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B? Ein Besteller könnte versucht sein, einer ihm unerwünschten Erfüllungswahl 269 entgegenzuwirken, indem er – nach Verfahrenseröffnung, selbst nach Erfüllungswahl – den Vertrag gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B außerordentlich kündigt und Schadensersatz beansprucht. Es wurde bereits eingehend dargestellt, dass die Alternativen 1 und 2 dieser Klausel im Hinblick auf das BGH-Urteil vom 15.11.2012 insolvenzrechtlich unwirksam sind (vgl. Rn. 84 ff.; zur Insolvenzanfechtung vgl. Rn. 992 ff.). Unter Geltung der Konkursordnung konnte der Besteller nach Auffassung 270 des Bundesgerichtshofs, BGH ZIP 1985, 1509 (VII. Senat); nach Inkrafttreten der InsO ebenso etwa OLG Bamberg IBR 2011, 87; OLG Düsseldorf BauR 2006, 1908, 1911 ff.,
den Bauvertrag gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B selbst dann noch kündigen, wenn das Verfahren eröffnet worden war und der Verwalter die Erfüllung des Bauvertrags gewählt hatte. Selbst wenn man sich nicht der hiesigen Auffassung anschließt, dass wegen 271 § 134 BGB i. V. m. §§ 119, 103 InsO die insolvenzabhängige Lösungsklausel des § 8 Abs. 2 VOB/B in ihren Alternativen 1 – 3 mit der bestellerfreundlichen Rechtsfolge gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 unwirksam ist, ist diese Rechtsprechung, die sogar noch nach Verfahrenseröffnung und Erfüllungswahl eine Kündigungsmöglichkeit gem. § 8 Abs. 2 VOB/B für wirksam erachtet, nicht zutreffend: Sie berücksichtigt nicht gebührend, dass der Verwalter durch die Erfüllungs- 272 wahl den ursprünglich bestehenden, vom Schuldner gesetzten Kündigungsgrund („Zahlungseinstellung“) beseitigt. Der Verwalter trifft die Entscheidung für die Fortführung gerade vor dem Hintergrund, dass er mit der Erfüllungswahl Masseverbindlichkeiten begründet (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und dass die ihm zur Verfügung stehende Masse ausreicht, um das Vertragsverhältnis korrekt abzuwickeln. Mithin bedürfte es eines neu vom Verwalter zu vertretenden Kündigungsgrunds, damit nunmehr nach Verfahrenseröffnung eine außerordentliche Kündigung zulässig wird, sei es auf Grundlage von § 8 Abs. 3 i. V m. §§ 4 Abs. 7, 5 Abs. 4 VOB/B, sei es auf Grundlage von § 8 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 VOB/B im Falle nachträglicher Masseunzulänglichkeit (§ 207 InsO). Gesteigerten Anlass zur Sorge, dass der Verwalter das Vertragsverhältnis (oder 273 nach Abnahme geltend gemachter Mängelansprüche) nicht ordnungsgemäß abwickelt und der Besteller entstehende Schäden nicht durchsetzen kann, hat der Besteller entgegen der Annahme des Bundesgerichtshofs (in seinem Urteil aus 1985) nicht: Will der Verwalter eine Eigenhaftung (§§ 60 f. InsO) ver-
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
meiden, muss er Rückstellungen bis zum endgültigen Eintritt der Verjährung von Mängelansprüchen bilden und kann vorher nicht das Verfahren abschließen. 274 Die Eigenhaftung des Verwalters aus §§ 60 f. InsO ist Gegenstand zahlreicher aktueller Entscheidungen. Grundlegend BGHZ 159, 104 = ZIP 2004, 1107 = ZVI 2004, 345, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender); zum Anspruchsumfang BGH ZIP 2005, 2265 (kein Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer) = ZVI 2005, 630, dazu EWiR 2006, 211 (Ferslev); OLG Hamm ZIP 2003, 1165, dazu EWiR 2003, 1093 (Pape); OLG Karlsruhe ZIP 2003, 267; OLG Celle ZIP 2003, 587, dazu EWiR 2003, 333 (Pape).
275 Dabei bestätigt sich zunehmend, dass die Haftungsrisiken des Verwalters gegenüber der Rechtslage unter der Konkursordnung zugenommen haben. Pape, EWiR 2003, 333.
276 Auch die Argumentation des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil aus 1985, dass der Besteller wegen der fehlenden Sachkunde des Verwalters in diesen kein Vertrauen entwickeln kann, geht fehl. Der Erfolg größerer Bauvorhaben hängt heutzutage primär von der Qualität der (Ober-)Bauleiter und der eingeschalteten Nachunternehmer ab, während es keine Rolle spielt, ob als Geschäftsführer des Unternehmers eine bauerfahrene Person fungiert oder ein nicht bauerfahrener Verwalter gem. § 80 Abs. 1 InsO das schuldnerische Unternehmen repräsentiert. 277 Vor allem aber sind in dieser Rechtsprechung nicht die katastrophalen wirtschaftlichen Folgen bedacht, die sich ergeben, wenn ein Besteller selbst nach Verfahrenseröffnung und Teilerfüllungswahl des Verwalters mit der Schadensersatzfolge des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B berechtigt kündigen kann. Hierzu ein Beispiel: Der Verwalter entscheidet sich unverzüglich nach Verfahrenseröffnung für die Erfüllung eines großen, auskömmlich kalkulierten Bauvertrags. Er sichert sich für die Restbauzeit von sechs Monaten die weiteren Dienste eines hoch qualifizierten, gut bezahlten Oberbauleiters, der aus Verbundenheit zum schuldnerischen Unternehmen ein anderweitiges lukratives Angebot ausschlägt. Außerdem verzichtet der Verwalter gegenüber zehn weiteren Mitarbeitern auf eine unverzügliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Ferner schließt er mit den benötigten Nachunternehmern teils neue Verträge, teils wählt er alte Verträge zur Erfüllung. Zwei Wochen nach Aufnahme der Arbeiten, bei denen sich der Verwalter und seine Erfüllungsgehilfen keine Fehler zuschulden haben kommen lassen, kündigt der Besteller aus heiterem Himmel gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Wollte man mit der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diese Kündigung mit den Folgen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B für wirksam erachten, so entstünde der Masse ein Schaden in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro wegen der weiter zu bezahlenden Löhne, obwohl die betroffenen Arbeitnehmer nicht nutzbringend eingesetzt werden können, und wegen der Ansprüche der Nachunternehmer, denen der Verwalter „frei“ kündigen muss, aus § 649 Satz 2 BGB. Dieses Ergebnis ist weder tragbar noch interessengerecht, übrigens auch dann nicht, wenn man den Schadensersatzanspruch des Bestellers aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B trotz vorhergehender Erfüllungswahl des Verwalters als einfache Insolvenzforderung behandelt (so Kreft, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 387, 401) oder dem Verwalter gegen den Schadensersatzanspruch des Bestellers die Insolvenzanfechtungseinrede gewährt (so MünchKomm-Kayser, InsO, § 129 Rn. 131 a. E.). Letztlich kommt es nicht einmal darauf an, ob der Besteller zu einem Zeit- 278 punkt nach Verfahrenseröffnung kündigt, zu dem der Verwalter bereits die Erfüllung des Vertrags gewählt hat oder nicht: Entscheidend für die Unwirksamkeit einerseits des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 279 VOB/B generell und andererseits jeder Kündigung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 und 2 VOB/B, die der Besteller erst nach Verfahrenseröffnung ausspricht, streitet nach jeder Betrachtungsweise § 119 InsO (i. V. m § 134 BGB). Nach dieser Vorschrift sind „Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 ausgeschlossen wird, […] unwirksam“. § 103 Abs. 1 InsO ist mithin selbst dann, wenn man die aus ihm und § 119 InsO vom BGH entnommene Vorwirkung (siehe Rn. 91) nicht teilt, vor einer Aushöhlung durch Vertragsgestaltungen geschützt, soweit er ab Verfahrenseröffnung dem Verwalter (und nicht dem Vertragspartner) das Recht gibt, über die Erfüllungswahl (und damit die weitere Abwicklung des Bauvertrags) zu entscheiden. Der Gesetzgeber hat für diese Phase des Geschehens in nicht abdingbarer Weise die Initiative dem Verwalter übertragen. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, vermag der Besteller die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B durch eine Schadensersatzwahl gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO herbeizuführen. Praxistipp: Die frühere, zur Konkursordnung ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nicht aufrechterhalten werden: § 8 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 VOB/B ist wegen Verstoßes gegen §§ 119, 103 InsO unwirksam. Aufgrund der gegenläufigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den 1980er Jahren verbleibt für den Verwalter ungeachtet des neuen BGH-Urteils vom 15.11.2012 ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit. Er wird daher geneigt sein, die Erfüllungswahl von einem expliziten Verzicht des Bestellers auf ein etwaiges Kündigungsrecht gem. § 8 Abs. 2 VOB/B (siehe Rn. 349 f. i. V. m. Rn. 64 f.) abhängig zu machen – oder bereit sein müssen, diese Streitfrage grundsätzlich gerichtlich klären zu lassen, wenn der Besteller trotz Erfüllungswahl gem. § 8 Abs. 2 VOB/B kündigen sollte.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
d) Rechtsfolgen aa) Aufrechnungsverbote 280 Gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, „wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist“. Sofern der Besteller Forderungen gegen den Schuldner hat, die vorinsolvenzlich begründet worden sind und damit nur quotal als Insolvenzforderungen zu bedienen sind, ist er Insolvenzgläubiger im Sinne dieser Vorschrift. Die Insolvenzforderung kann aus einem anderen Vertrag stammen. Nicht anders ist die Rechtslage, wenn die Forderung aus demselben Vertrag stammt. 281 „Etwas zur Insolvenzmasse schuldig“ wird der Besteller, wenn er nach Verfahrenseröffnung weitere Arbeiten – sei es aus einem neu mit dem Verwalter geschlossenen Vertrag, sei es eine „teilbare“ (§ 105 Satz 1 InsO) Bauleistung aus einem bereits mit dem Schuldner geschlossenen, vom Verwalter nach Erfüllungswahl fortgeführten Vertrag – entgegennimmt. Entscheidend ist nicht das Datum des Vertragsschlusses, sondern das der Leistungserbringung („Auffüllung“ bzw. „Werthaltigmachen“). Beispiel (Gegenforderung aus einem anderen Vertrag): Der Besteller entdeckt im Juni 2006 – als das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird –, dass dessen Leistung zu einem 2004 abgenommenen Vertrag mangelhaft ist. Die Mangelbeseitigungskosten belaufen sich auf 10.000 €. Der Verwalter lehnt die Mangelbeseitigung ab, da der Besteller den Werklohn für die 2004 abgenommene Leistung vollständig bezahlt hat und eine Mangelbeseitigung ohne Gegenleistung für die Insolvenzmasse insolvenzzweckwidrig wäre. Die Schadensersatzforderung von 10.000 € stellt eine einfache Insolvenzforderung dar. Dem Besteller ist es verwehrt, mit dieser gegen eine Hauptforderung des Verwalters aufzurechnen, die daraus resultiert, dass der Verwalter zu einem anderen Bauvertrag ab Juli 2006 noch Arbeiten durchführen lässt. Beispiel (Gegenforderung aus demselben Vertrag): Bei einem Einheitspreisvertrag hat der Schuldner vor Antragstellung 100.000 € (brutto) mit Abschlagsrechnungen verlangt und vom Besteller vor Antragstellung erhalten. Eine Bestandsaufnahme im Zeitraum nach Antragstellung ergibt, dass die Aufmaße des Schuldners nach unten zu korrigieren sind und tatsächlich nur eine Zahlung von 88.000 € begründet gewesen wäre. Im Übrigen bestehen noch kleinere Mängel der schuldnerischen Leistung mit Beseitigungskosten von 5.000 €. Da der Besteller das Vertragsverhältnis nicht förmlich kündigt, die Preise gut kalkuliert sind und Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, erklärt der Verwalter nach Eröffnung die Erfüllung hinsichtlich der ausstehenden Restleistung zu 25.000 €
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
(= dem Betrag, der nach den Vertragspreisen auf diese Restleistung entfällt). Nachdem diese erbracht ist, hat der Verwalter Anspruch auf ungeschmälerte Zahlung der 25.000 € gegen den Besteller unter der Voraussetzung, dass die nach Eröffnung erbrachten Leistung für sich betrachtet mangelfrei und auch sonst nicht einwendungsbehaftet ist. Wegen seiner Überzahlung vor Antragstellung (12.000 €) und seines Schadensersatzanspruchs wegen Mängeln (5.000 €) hat dagegen der Besteller nur eine Insolvenzforderung, die er zur Tabelle anmelden muss, mit der er aber nicht gegen die zuletzt erwirtschaftete Hauptforderung des Verwalters aufrechnen kann. In beiden Beispielen kann also der Besteller mit seiner Insolvenzforderung 282 gegen den anteiligen Werklohnanspruch, den der Verwalter mit Mitteln der Masse generiert, nicht aufrechnen. Dabei kommt es – anders als für das anfechtungsrechtlich aufgeladene, im 283 Eröffnungsverfahren relevante Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 InsO – nicht darauf an, ob und wann der Besteller vom Insolvenzantrag Kenntnis erlangt. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. bb) Leistungsstandsabgrenzung § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO führt also zu einer Aufspaltung des an sich einheit- 284 lichen Vertrags. Der Vertrag ist für den bis Verfahrenseröffnung erbrachten Teil der Leistung so abzurechnen, als ob er zu diesem Zeitpunkt gekündigt worden wäre (dazu Rn. 383, 390 ff.). Davon abzugrenzen ist der Werklohn, den der Verwalter durch die danach mit Mitteln der Masse erfolgende Leistungserbringung verdient. Der Verwalter muss daher, falls er sich nicht mit dem Besteller auf bestimmte 285 Zahlen einigen kann (Rn. 349 f. i. V. m. Rn. 64 f.), unbedingt diese Abgrenzung vornehmen (z. B. durch Fotodokumentationen, durch möglichst im Einvernehmen mit dem Besteller erfolgende Einzeichnungen in Pläne und sonstige Ausführungsunterlagen, durch ein gemeinsames Aufmaß usw.). Unterbleibt sie, wird es sehr schwer bis gänzlich unmöglich werden, nachträglich die relevanten Werte zu ermitteln. Anders ist es in den Fällen, in denen die Teilerfüllungswahl des Verwalters z. B. ein Nutzungsverhältnis gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B betrifft, etwa wegen der bei Verfahrenseröffnung auf der Baustelle befindlichen Container des Schuldners. Der Vergütungsanspruch des Verwalters für die Nutzung nach Verfahrenseröffnung – sei er mit dem Besteller der Höhe nach festgelegt, sei er gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B in angemessener Höhe im gerichtlichen Verfahren zu ermitteln – ist gem. §§ 105 Satz 1, 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegen eine Aufrechnung, Zurückbehaltungsoder Leistungsverweigerungsrechte des Bestellers „immunisiert“, wenn diese Gegenrechte aus vorinsolvenzlichen Vorgängen abgeleitet werden.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers BGH ZIP 2000, 2207, 2209 (m. Anm. Schmitz, S. 2211); LG Chemnitz ZIP 1997, 1798, 1800, dazu EWiR 1998, 39 (Jauch); LG München II IBR 1998, 526. Praxistipp: Für den Verwalter ist es wegen der damit verbundenen Ausschaltung von vorinsolvenzlich begründeten Gegenrechten des Bestellers vorteilhaft, wenn ein möglichst hoher Vergütungsanteil nach Erfüllungswahl erarbeitet worden ist. Deshalb fällt ihm hierfür die Beweislast zu (arg. e. BGH ZIP 2002, 1093, 1096 r. Sp., dazu EWiR 2003, 125 [Tintelnot]); die abweichende Beweislastverteilung zugunsten des Verwalters in mietrechtlichen Zusammenhängen – wie von BGH ZIP 2001, 1469, 1471 r. Sp. = ZfIR 2001, 728, dazu EWiR 2002, 395 (Flitsch/Herbst) vorgenommen – ist auf den Bauvertrag nicht übertragbar). Er muss daher den Leistungsstand an der Schnittstelle – Fortführung der Arbeiten nach Teilerfüllungswahl – äußerst sorgfältig dokumentieren.
cc) Keine Erstreckung der Erfüllungswahl auf Mängel des Teilwerks 286 Als Einstieg in diese außerordentlich schwierige, von der Rechtsprechung noch nicht ansatzweise geklärte Problematik soll folgendes Beispiel dienen: Der Unternehmer/Schuldner stellt ein luxuriöses Wohnhaus mit Außenanlagen für den Besteller B bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nahezu fertig. Lediglich die Außenanlagen, auf die nach Aufschlüsselung der Preisbildung vom vereinbarten Pauschalgesamtpreis von 1 Mio. € ein Teilbetrag von 25.000 € entfällt, sind noch herzustellen. Da der Schuldner bereits vor geraumer Zeit für dieses Gewerk den zuverlässigen Nachunternehmer N vertraglich zu pauschal 18.000 € gebunden hat und N dem Verwalter erklärt, weiterhin leistungsbereit zu sein, wählt der Verwalter gegenüber B die Erfüllung des Vertrags wegen der noch ausstehenden Arbeiten an den Außenanlagen. B, der bis dato 975.000 € an den Schuldner bezahlt hat, überweist nach beanstandungsfreier Fertigstellung der Außenanlagen und Abnahme des Gesamtwerks an den Verwalter den offenen Restbetrag von 25.000 €. Drei Monate später zeigen sich gravierende, von dem Schuldner (bzw. dessen hierfür zuständigen Nachunternehmer) zu verantwortende Mängel des Dachs, das komplett saniert werden muss. Die Dacharbeiten waren weit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen. Der bisher mit der Sache nicht befasste qualifizierte Dachdecker D bietet dem B die Sanierung für 80.000 € an. B verlangt unter Fristsetzung, dass der Verwalter die Mängel beseitige, und klagt nach dessen Weigerung 80.000 € gegen den Verwalter ein mit dem Argument, der Verwalter hafte aufgrund seiner Erfüllungswahl aus der Masse auf Schadensersatz in Höhe der hiermit als richtig unterstellten Kosten, die mit der Beauftragung von D anfallen (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO i. V. m. § 634 Nr. 4 BGB). 287 Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es darauf an, ob der Verwalter durch seine Erfüllungswahl alle mit dem Bauvertrag zusammenhängenden Mängelansprüche des B in den Rang von Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) erhebt. 70
III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Nach Kreft gilt: Weist das vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung erstellte 288 Teilwerk Mängel auf, ist auch insoweit der Bauvertrag noch nicht erfüllt. Aufgrund seiner Erfüllungswahl muss der Verwalter diese Mängel auf Kosten der Masse beseitigen. Zum gegen die Masse gerichteten Anspruch des Bestellers auf Fertigstellung des Werks zählt auch dieser Anspruch. Kreft, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 387, 399; ebenso wohl ders., in: Festschrift Kirchhof, S. 275, 284; Reul, in: DNotI, Zehn Jahre Deutsches Notarinstitut, S. 49, 55 f.; unklar Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 105 Rn. 30 a. E.; a. A. Heidland, Rn. 1035, 1056.
Dem vermag ich nicht zu folgen. Mängelansprüche gegen die Masse selbst 289 stehen dem Besteller nur zu, wenn die Mängel der Teilleistung anhaften, die der Verwalter nach Erfüllungswahl hat erbringen lassen. Daraus folgt weiter: Gegenrechte wegen Mängeln (insbesondere das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 Abs. 1 BGB) kann der Besteller nur dann dem nach Erfüllungswahl erwirtschafteten Vergütungsanteil entgegenhalten, wenn der Mangel aus der nach Erfüllungswahl erstellten Teilleistung – oder präziser: aus den Einwirkungen, die der Verwalter oder von ihm Beauftragte nach Erfüllungswahl auf das Bauwerk vorgenommen haben – resultiert. Stammt er aus dem davor liegenden Zeitraum, kann der Besteller mit einem daraus abgeleiteten Geldzahlungsanspruch nur gegen einen etwa noch offenen Vergütungsanspruch aufrechnen, der auf das vor Verfahrenseröffnung und Erfüllungswahl vom Schuldner erbrachte Teilwerk entfällt. Steht eine solche zur Aufrechnung geeignete Hauptforderung nicht zur Verfügung, hat der Besteller, falls er nicht über eine Bürgschaft o. Ä. verfügt, nur eine mängelbedingte Insolvenzforderung. Ebenso nunmehr T. Wellensiek, BauR 2005, 186, 197; M. Huber, ZInsO 2005, 449, 452 f., grundsätzlich für diese Fälle auch Rohrmüller, NZBau 2007, 145, 149.
Die Auffassung Krefts führt demgegenüber dazu, dass unter Verstoß gegen 290 den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz der Besteller für seine Rechte aus Mängeln, die – da auf Fehler des Schuldners zurückgehend – zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung schon angelegt waren und deshalb nur eine einfache Insolvenzforderung darstellen, zu 100 % befriedigt wird. Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel:
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Bezahlt ein Besteller bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Schuldner/ Unternehmer Abschläge in Höhe von 90.000 €, obwohl der Wert der nach dem vertraglichen Preissystem zu bewertenden Teilleistung des Schuldners nur 70.000 € beträgt, so liegt darin eine von Mängeln unabhängige Überzahlung (Differenz zwischen dem angenommenen und tatsächlich vorhandenen Wert der Bauleistung), die dem Besteller – wenn nunmehr der Schuldner die Schlussrechnung zu legen hat – einen vertraglichen Rückzahlungsanspruch gegen den Schuldner verleiht. 71
A. Die Insolvenz des Unternehmers
In der Insolvenz ist dieser faktisch wertlos, da nur quotal zu befriedigen, sodass sich zulasten des Bestellers das klassische Insolvenzrisiko verwirklicht. Ebenso ist es, wenn der Besteller vor Arbeitsaufnahme durch den Schuldner eine Vorauszahlung leistet (die er nicht durch eine Vorauszahlungsbürgschaft absichern lässt). 292 Nicht erkennbar ist, warum im oben gebildeten Beispielsfall (Rn. 286) der Besteller besser behandelt werden soll als alle anderen Gläubiger, zu deren Lasten sich das klassische Insolvenzrisiko – eine (ungesicherte) „Vorleistung“ im weitesten Sinn an den späteren Schuldner erbracht zu haben – verwirklicht. Daran ändert der Umstand nichts, dass im Bauwerk angelegte Mängel nicht automatisch den Werklohn um die notwendigen Nacherfüllungskosten schmälern, sondern der Besteller einen Nacherfüllungsanspruch hat, der erst nach fruchtloser Fristsetzung in einen zur Aufrechnung geeigneten Zahlungsanspruch übergeht, wobei der Besteller dann noch die Aufrechnung erklären muss. Wirtschaftlich betrachtet ist das vom Schuldner für den Besteller errichtete Teilwerk aufgrund der gravierenden Mängel am Dach 80.000 € weniger wert, sodass in dieser Höhe eine „Überzahlung“ im untechnischen Sinn vorliegt. 293 Allein diese strikte Trennung zwischen der vom Schuldner selbst erbrachten Leistung (inkl. ihr anhaftender Mängel) und der ab Erfüllungswahl vom Verwalter erbrachten Leistung entspricht der vom Bundesgerichtshof sehr konsequent durchgehaltenen Rechtsprechung zur Teilbarkeit der Leistung beim Bauvertrag. Diese Rechtsprechung veranlasst Kontrollüberlegungen, die dem durch sie faktisch erreichten Zustand Rechnung tragen, dass zwei voneinander getrennte Vertragsverhältnisse des Bestellers mit zwei unterschiedlichen Unternehmern als Vertragspartnern vorliegen, nämlich für das Teilwerk vor Verfahrenseröffnung und Erfüllungswahl mit dem Schuldner (mag auch die Beitreibung einer etwa daraus resultierenden Forderung gem. § 80 Abs. 1 InsO durch den Verwalter erfolgen) und für die Restleistung nach Erfüllungswahl mit dem Verwalter (mag dieser sich auch derselben Personen zur Bauausführung bedienen, die bereits im ersten Stadium auf der Baustelle waren) (zur oft sogar relevanten Dreiteilung siehe Rn. 351 ff.). Eine solche „Vertragsspaltung“ entnimmt auch Gottwald, NZI 2005, 588, 590, der von ihm kritisch bewerteten neueren Rechtsprechung; anders der Lösungsansatz von Rohrmüller, NZBau 2007, 145, 150 (was aber wohl nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen gegenüber den hier vertretenen führt).
294 Setzt man hierfür die Bezeichnungen „Unternehmer 1“ und „Unternehmer 2“ bzw. „Vertrag 1“ und „Vertrag 2“ (wobei die in Rn. 319 ff. erläuterte Bindung an den ursprünglich mit dem Schuldner vereinbarten Gesamtpreis zu beachten ist), ist diese – durch die insolvenzrechtlichen Normen der §§ 96 Abs. 1 Nr. 1, 103, 105 Satz 1 InsO vorgegebene – Trennung der Vertragsverhältnisse verdeutlicht und klar, dass mangels Gegenseitigkeit der Besteller nicht aus
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Forderungen aus dem „Vertrag 1“ mit dem „Unternehmer 1“ Einwendungen gegen die Ansprüche des „Unternehmers 2“ aus dem „Vertrag 2“ ableiten kann. Dass diese Überlegungen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung über- 295 einstimmen, zeigt sich an den Urteilspassagen, in denen der Bundesgerichtshof für die Fortführung des Bauvertrags durch den Verwalter die Abgrenzung so vornehmen lässt, als wäre der Bauvertrag zu diesem Zeitpunkt gekündigt worden (Rn. 232). Eine Kündigung führt aber – abgesehen von den noch zu erörternden Prüfungs- und Hinweispflichten des (fortführenden) Zweitunternehmers – zu einer Trennung der werkvertraglichen Einstandspflichten des vor Kündigung tätigen Erstunternehmers und des danach aktiven Zweitunternehmers. Dieser Betrachtungsweise steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof 296 zu einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters fortbestehenden Mietverhältnis den Anspruch des Mieters auf Herstellung eines mangelfreien Zustands der Mietsache als Masseverbindlichkeit qualifiziert hat, unabhängig davon, ob der mangelhafte Zustand vor oder nach Verfahrenseröffnung entstanden ist. BGH ZIP 2003, 854 = ZfIR 2003, 457, dazu EWiR 2003, 641 (Eckert).
Im Mietvertrag besteht nach Verfahrenseröffnung die Erhaltungspflicht des 297 Vermieters fort, die nun dem Verwalter obliegt. Sie ist vertragliche Gegenleistung für den vom Mieter weiter an die Masse zu zahlenden Mietzins. Der Mieter, der seine vollwertige Leistung weiterhin zur Masse erbringen muss, soll die dafür zu entrichtende volle Gegenleistung erhalten und nicht auf eine Insolvenzforderung beschränkt sein. BGH ZIP 2003, 854, 855 l. Sp = ZfIR 2003, 457.
Der Bauvertrag ist anders als der Mietvertrag kein Dauerschuldverhältnis. 298 Aufgrund seiner Erfüllungswahl steht dem Verwalter ausschließlich der ursprünglich zwischen Besteller und Schuldner vereinbarte anteilige Werklohn als Gegenleistung für die Restfertigstellung des Werks zu. Der UnternehmerVerwalter erhält keine dauerhafte, zeitlich zunächst nicht eingeschränkte Gegenleistung als Kompensation, wie es der Vermieter-Verwalter tut. Anders als der Vermieter-Verwalter profitiert der Unternehmer-Verwalter nicht davon, dass er die vom Schuldner vor Erfüllungswahl verursachten Mängel beseitigt, da das Werk auf fremdem Grund liegt und er an diesem Grund keine Rechte hat. Dagegen ist dem Vermieter-Verwalter an einem mangelfreien Zustand der in der Masse verbleibenden Mietsache deshalb gelegen, weil er einen höheren Verkaufserlös erzielen kann. Genauso wenig spricht gegen die hier vertretene Auffassung, dass nach dem 299 Bundesgerichtshof der Verwalter nicht ein Wahlrecht hat, einen beiderseits nicht vollständig erfüllten Vertrag – nur – in Teilen (weiter) zu erfüllen und
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
in den verbleibenden Teilen die Erfüllung abzulehnen. Der Verwalter kann die Erfüllung einseitig entweder nur im Ganzen oder gar nicht verlangen. BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZR 205/06, Rn. 2; BGH ZIP 2013, 1729 Rn. 24.
300 Wie sich aus der vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 8.10.2009 geprüften Berufungsentscheidung OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.11.2006 – 5 U 21/06
ergibt, waren nach dem bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens beiderseits nicht vollständig erfüllten Kaufvertrag vom Schuldner insgesamt 125 Fahrzeuge zu liefern. Der Verwalter konnte daher die Erfüllung des Vertrags nicht teilweise, nämlich lediglich hinsichtlich 21 Fahrzeugen, wählen. Mit der Problematik, ob eine Erfüllungswahl, die sich auf die ausstehende Restleistung aus dem Bauvertrag bezieht, auch die Mängel des davor vom Schuldner erbrachten Teilwerks erfasst, hat das nichts zu tun. 301 Erhebliche Schwierigkeiten bereitet es zu bestimmen, wer die Beweislast trägt, wenn nach Abschluss der Arbeiten durch den Verwalter unstrittig das nunmehr insgesamt fertiggestellte Bauwerk Mängel aufweist, aber strittig ist, ob diese vom Schuldner vor Erfüllungswahl oder vom Verwalter nach Erfüllungswahl verursacht worden sind, ob also der Besteller nur eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit hat. Pragmatisch ist der Vorschlag von Heidland, Heidland, Rn. 1036,
dies danach zu beantworten, ob der Besteller das zuletzt vom Verwalter fertiggestellte Bauwerk diesem gegenüber abgenommen hat oder nicht. Hat der Besteller die Abnahme noch nicht erklärt, muss demnach der Verwalter beweisen, dass der Mangel nicht auf der nach der Erfüllungswahl erbrachten Bauleistung beruht. 302 Dem dürfte beizupflichten sein, da verlässlichere und angemessenere Abgrenzungskriterien nicht ersichtlich sind. 303 Um derartige Schwierigkeiten besser in den Griff zu bekommen, empfiehlt sich mit BGH BauR 1987, 689, 691 l. Sp.
vor Fortführung der Arbeiten durch den Verwalter eine Abnahme(begehung) zu dem bis dato vom Schuldner erstellten Teilwerk in Anlehnung an § 8 Abs. 6 VOB/B durchzuführen. Damit – so die im dortigen Urteil auf das Verhältnis von gekündigtem Erstunternehmer und fortführendem Zweitunternehmer gemünzte, angesichts der tatsächlichen Abgrenzungsprobleme optimistische Feststellung des Bundesgerichtshofs – lässt sich der Bereich, für den der Schuldner Mängelansprüche zu befriedigen hat, von dem, für den der Verwalter verantwortlich ist, „klar abgrenzen“.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Die hier vertretene Auffassung, dass der Verwalter trotz seiner Erfüllungs- 304 wahl nicht aus der Masse für die vom Schuldner im früheren Stadium verursachten Mängel einstehen muss, ändert nichts an den Risiken, die sich für den Verwalter aus der baurechtlichen Prüfungs- und Hinweispflicht ergeben können: Zwar setzt § 4 Abs. 3 VOB/B – als Ausdruck eines allgemeinen, auch für den BGB-Bauvertrag geltenden Rechtsgrundsatzes – seinem Wortlaut nach nur voraus, dass die „Leistungen anderer Unternehmer“ geprüft und hierzu etwa notwendige Bedenken dem Besteller (schriftlich) mitgeteilt werden. Indes führen, wie oben erläutert, die insolvenzrechtlichen Besonderheiten zu 305 einer vollkommenen Verselbstständigung der vom Verwalter (= „Unternehmer 2“) nach Teilerfüllungswahl zu erbringenden Restleistung gegenüber der davor vom Schuldner (= „Unternehmer 1“) erbrachten Leistung. Da der Verwalter von dieser faktischen Aufspaltung des Vertrags nach Maßgabe obiger Ausführungen profitiert, muss er im Gegenzug konsequenterweise den Erfordernissen des § 4 Abs. 3 VOB/B genügen und sicherstellen, dass er bzw. die für ihn auf der Baustelle tätigen Personen die Teilleistung des Schuldners kritisch prüfen und etwa notwendige Bedenken rechtzeitig, substantiiert und schriftlich dem Besteller mitteilen. Ebenso Bopp, S. 303 ff.
Das ist angesichts der (Teil-)Identität der handelnden Akteure psychologisch 306 schwierig bis unmöglich. Für den Umfang der Prüfungs- und Bedenkenhinweispflicht kommt es nicht 307 auf ein etwaiges „Sonderwissen“ an, das der Schuldner (gehabt) hat oder (gehabt) haben müsste. Vielmehr zwingt die Abstraktion der vom Verwalter als „Unternehmer 2“ abzuwickelnden Restleistung von der, die der Schuldner als „Unternehmer 1“ erbrachte, dazu, allein auf objektive Maßstäbe abzustellen. Demnach gilt: Der Rahmen der Prüfungs- und Hinweispflicht und ihre 308 Grenzen ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie sie sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls darstellt. Es kommt in erster Linie auf das vom Unternehmer zu erwartende Fachwissen und auf alle Umstände an, die für den Unternehmer bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam erkennbar sind. Steht die Arbeit eines Unternehmers in engem Zusammenhang mit der Vorarbeit eines anderen Unternehmers oder ist sie aufgrund von dessen Planung auszuführen, muss er prüfen und ggf. auch geeignete Erkundigungen einziehen, ob diese Vorarbeiten, Stoffe oder Bauteile eine geeignete Grundlage für sein Werk bieten und keine Eigenschaften besitzen, die den Erfolg seiner Arbeit in Frage stellen können. BGH BauR 2008, 344 Rn. 24.
Teilt der Verwalter dem Besteller ordnungsgemäß Bedenken mit, muss der 309 Besteller auf eigene Kosten Abhilfe schaffen oder die Bedenken als unbe-
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
achtlich zurückweisen; den Verwalter trifft dann keine Verantwortung (§ 13 Abs. 3 VOB/B). Anderenfalls muss der Verwalter aus der Masse eine Haftung für den Mangel ganz oder teilweise übernehmen. Details zu § 4 Abs. 3 VOB/B: BGH BauR 2008, 344 Rn. 20 ff.; Oppler, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 4 Abs. 3 B Rn. 82 ff. Praxistipp: Solange der Bundesgerichtshof über diese wirtschaftlich eminent wichtigen Streitfragen nicht entschieden hat, müssen Verwalter nach Möglichkeit den „sichersten Weg“ gehen. Sie sollten daher versuchen, mit dem Besteller zu vereinbaren, dass sie aufgrund Erfüllungswahl nur die offene Restleistung gegen Zahlung des darauf entfallenden Werklohnanteils erbringen, nicht aber aus der Masse für etwaige Mängel einstehen, die dem vor Erfüllungswahl vom Schuldner errichteten Teilwerk anhaften (siehe Rn. 349 f. i. V. m. Rn. 64 f.; ähnlich Kreft, in: Festschrift Kirchhof, S. 275, 284; weitergehend Marotzke, in: HKInsO, § 103 Rn. 143, wonach der Verwalter sein Erfüllungsverlangen mit der Erklärung verbinden soll, dass er nur ganz bestimmte, näher zu bezeichnende Gegenleistungen als Masseverbindlichkeiten anerkenne, allerdings mit dem Hinweis, dass dann das Erfüllungsverlangen u. U. unwirksam ist). Da solche Vereinbarungen mit dem Besteller oft nicht oder nicht zeitnah gelingen, droht der sanierungs- und fortführungsfreundliche Aspekt der Rechtsprechung zu §§ 103, 105 Satz 1 InsO zu verpuffen.
310 Bereits die oben behandelten Beispiele zeigen, wie kontrovers verschiedene Stimmen in der Literatur die Rechtslage beurteilen. Noch größere Komplikationen entstehen in einzelnen Varianten des nachfolgenden Beispiels: Der Besteller B hat das Werk des Unternehmers U zwar abgenommen, aber – berechtigt – einzelne Mängelsymptome gerügt und deshalb einen bis dato ansonsten unstrittigen Werklohnrestbetrag von 20.000 € einbehalten (§§ 320 Abs. 1, 641 Abs. 3 BGB). Über das Vermögen des U eröffnet das zuständige Amtsgericht ein Insolvenzverfahren. Der Verwalter führt den Betrieb fort und befürchtet, dass durch eine nach fruchtloser Fristsetzung erfolgende Mängelbeseitigung durch B unverhältnismäßige Kosten entstehen. Da er die Mängelbeseitigungsarbeiten als überschaubar beurteilt, leitet er sie durch verbliebene Arbeiter des schuldnerischen Unternehmens am Bauvorhaben des B, der die Nacherfüllung trotz des Ablaufs der dem U vor Verfahrenseröffnung gesetzten Fristen akzeptiert, ein. Variante 1: Die Mängelbeseitigung in den von den Mängelsymptomen betroffenen Bereichen ist schnell und abschließend erfolgreich. B bezahlt deshalb die 20.000 € an die Insolvenzmasse. Während laufender Verjährungsfrist treten keine Mängel mehr hervor. Variante 2: Nach erfolgreichem Abschluss der Mängelbeseitigung verweigert B die Zahlung der 20.000 €. Er rechnet mit einem erstmals geltend gemachten, berechtigten Verzugsschadensersatzanspruch in Höhe von 20.000 € auf.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Variante 3: Die Mängelbeseitigung erweist sich entgegen der Annahme des Verwalters nicht als einfach und überschaubar. Im Gegenteil: Obwohl die Mitarbeiter des schuldnerischen Unternehmens die Nacherfüllung effizient und fachgerecht angehen und die richtigen Materialien einsetzen, entstehen der Masse Kosten von 40.000 €. Der Verwalter möchte nun von B diese 40.000 €. Der B bezahlt nur 20.000 € (also den ursprünglichen Einbehalt) und verweigert weitere Zahlungen mit dem Argument, der Verwalter habe die Nacherfüllung im Rahmen des von ihm zur Erfüllung gewählten Vertrags vollständig zu erbringen gehabt und könne keine Nachforderungen stellen. Im Übrigen hätte er, der B, keinesfalls die Nacherfüllung zugelassen, wenn er von diesen zusätzlichen Kosten gewusst hätte. Er hätte dann vielmehr eine provisorische Lösung durch einen anderen Unternehmer durchführen lassen und – da die Voraussetzungen für eine Beseitigung des Mangels durch ihn, den B, gegeben gewesen seien – mit diesen Kosten gegen den Restwerklohnanspruch des U bzw. des Verwalters aufgerechnet. Finanziellen Spielraum für zusätzliche Kosten habe er nie gehabt. Variante 4: Der Verwalter erkennt die sich in Variante 3 ergebenden Probleme im Vorfeld und weist den B darauf hin, dass die nach Abrechnung auf dem Preisniveau des Vertrags zwischen B und U entstehenden Mängelbeseitigungskosten deutlich über 20.000 € liegen werden, dass aber eine Erledigung durch ihn bzw. die schuldnerischen Mitarbeiter immer noch günstiger sei als die Einschaltung eines Zweitunternehmers im Weg der Eigenmängelbeseitigung. Da der B die Beseitigung des Mangels, der die Funktionstauglichkeit des Bauwerks dauerhaft zu beeinträchtigen droht, wünscht, vereinbart er mit dem Verwalter die Nacherfüllung durch die Insolvenzmasse und erklärt, nach erfolgreichem Abschluss der Mängelbeseitigung den Einbehalt von 20.000 € einredefrei auszuzahlen und sich mit einem Betrag von maximal 10.000 € an den 20.000 € übersteigenden, vom Verwalter konkret nachgewiesenen nötigen Kosten der Mängelbeseitigung zu beteiligen. Dabei legen der Verwalter und B fest, welche Stundensätze für die einzelnen Mitarbeiter des schuldnerischen Unternehmens anzusetzen sind. Variante 5: Die Mängelbeseitigung „läuft aus dem Ruder“, da die schuldnerischen Mitarbeiter unmotiviert sind, schlampig arbeiten und es an der notwendigen internen Aufsicht/ Anleitung fehlt. Vor allem wegen des überwiegend verfehlten Einsatzes teurer Materialien und der Beiziehung externer Fachleute laufen bis zum erfolgreichen Abschluss der Nacherfüllungsarbeiten beim Verwalter Kosten von 40.000 € auf, die er von B in voller Höhe erstattet haben will. Variante 6: Zunächst wie Variante 1, jedoch zeigen sich zwei Jahre nach Abschluss der Mängelbeseitigung durch den Verwalter innerhalb laufender Verjährungsfrist neue Mängelsymptome, 77
A. Die Insolvenz des Unternehmers
Untervariante a: die denselben Mangel, aber andernorts im Bauwerk (Beispiel: die vom Insolvenzverwalter durchgeführte Nacherfüllung bezog sich auf die fehlerhafte Abdichtung des Balkons im 1. OG; nun zeigen sich Mängelsymptome am Balkon im 2. OG) betreffen, Untervariante b: die einen anderen Mangel betreffen. In beiden Fällen begehrt B vom Verwalter Nacherfüllung auf Kosten der Masse, ohne hierfür etwas zahlen zu wollen, da der Verwalter mit der Nacherfüllung konkludent die Vertragserfüllung gewählt habe, hieran gebunden sei und deshalb wie bei jedem normalen Bauvertrag die weiter innerhalb der Verjährungsfrist festgestellten Mängel unentgeltlich zu beseitigen habe. 311 Nur die Variante 1 ist unproblematisch. Der Verwalter hat mit der Zahlung des B das gewünschte Ziel erreicht. Weitere Streitpunkte als die beseitigten Mängel gab es weder zum Zeitpunkt der Zahlung noch traten sie danach auf. 312 In der Variante 2 hatte sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulasten des B ein Insolvenzrisiko verwirklicht, da bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung dem von ihm vorgenommenen Einbehalt ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe gegenüberstand und außerdem das Werk mangelhaft war. Saldiert man dies, war der B zu diesem Zeitpunkt wegen der Kosten der Mängelbeseitigung einfacher Insolvenzgläubiger. So auch der Ausgangspunkt zur ähnlich gelagerten Fallgruppe verschiedener Mängel, deren Beseitigungskosten in der Summe den Einbehalt übersteigen, bei Rohrmüller, NZBau 2007, 145, 149.
313 B hätte gem. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen den restlichen Werklohnanspruch des U (= Einbehalt) mit seinem Verzugsschadensersatzanspruch aufrechnen können (siehe Rn. 527 f.). Hätte er dies getan, hätte er den Bauvertrag einseitig hinsichtlich seiner Zahlungspflichten vollständig erfüllt: § 103 InsO wäre mithin schon tatbestandlich nicht anwendbar gewesen; der Verwalter hätte keinen Anlass gehabt, insolvenzzweckwidrig eine einfache Insolvenzforderung durch Nacherfüllung auf Kosten der Masse zu befriedigen. 314 Die nachträglich – nach Abschluss der Mängelbeseitigung – erklärte Aufrechnung für beachtlich zu halten, würde den „die Masse schützenden Zweck“ der §§ 103, 105 Satz 1 InsO leerlaufen lassen. Übertragbar sind die zu § 17 KO ergangenen Überlegungen, dass der Masse für die von ihr erbrachte Leistung auch die Gegenleistung zustehen soll, wobei dies nur für den Teil der (teilbaren) Gegenleistung gilt, der auf die noch ausstehende und mit Mitteln der Masse zu leistende Vertragserfüllung entfällt. BGH ZIP 1995, 926, 927 r. Sp.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Dieser Grundsatz wird in der Folge mit u. a. Hefermehl,
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MünchKomm-Hefermehl, InsO, § 55 Rn. 14 f.,
als „Äquivalenzprinzip“ bezeichnet. Daher fällt im Ausgangspunkt dem B zur Last, dass er zu spät aufrechnete 316 und davor eine Leistung der Masse entgegennahm, die er keinesfalls hätte erhalten können, wenn er vor der Nacherfüllung aufgerechnet hätte. Dies rechtfertigt nicht, dass der Verwalter den Einbehalt in voller Höhe zur 317 Masse ziehen kann. Zu ermitteln sind vielmehr die ihm aufgrund der Mängelbeseitigung erwachsenen Kosten, für die er darlegungs- und beweispflichtig ist. Nur in dieser Höhe greift der Schutz der Masse über den das Äquivalenzprinzip ausprägenden § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Da in „normalen“ baurechtlichen Zusammenhängen jenseits der Insolvenz der Unternehmer dem Besteller ein dauerhaft mangelfreies Werk zu dem vereinbarten Werklohn schuldet, sind die vom Verwalter darzulegenden, ihm erwachsenen Kosten unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB kritisch darauf zu überprüfen, ob sie für eine effiziente und nachhaltige Mängelbeseitigung nötig waren. Erweisen sich in der Variante 2 von den vom Verwalter nachgewiesenen Kosten 318 der Mängelbeseitigung von insgesamt 8.000 € 7.000 € als erforderlich, so muss der B diesen Betrag an die Insolvenzmasse bezahlen, während im Übrigen – 13.000 € – die Aufrechnung durchgreift. Den verbleibenden Restbetrag von 7.000 € (also den nicht durch Aufrechnung erfüllten Teilbetrag der Schadensersatzforderung) kann der B als einfache Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden. Geht man von diesen Prinzipien aus, ergibt sich für die Variante 3 Folgendes: 319 Die in der Mängelbeseitigung liegende Erfüllungswahl ändert nichts daran, dass der noch offene Werklohnanspruch aus dem Vertrag zwischen B und U nur noch 20.000 € beträgt. Das Äquivalenzprinzip führt nicht dazu, dass ohne Verwurzelung im Ausgangsvertrag ein weiterer Vergütungsanspruch zugunsten der Masse entsteht. Eine derartige zusätzliche Belastung des B lässt sich nicht begründen. Zutr. Kesseler, RNotZ 2004, 176, 206 f.; ders., ZIP 2005, 2046, 2049 f., 2050 f.
Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich auf die in der Variante 3 er- 320 wähnten Begleitumstände und die Vermögenslage des B an. Die Rechtslage ist nicht anders, wenn der B in jedem Fall die Mängelbeseitigung gewünscht hätte und bereit und imstande gewesen wäre, einen anderen Unternehmer einzusetzen. Der Verwalter kann folglich nur die 20.000 € als letzten offenen Rest aus 321 dem Werklohnanspruch des U verlangen. Die darüber hinaus aufgewendeten
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
Kosten fallen der Masse zur Last, ohne dass sie Ausgleich von B fordern kann. Die Bewertungsschwierigkeiten treffen den Verwalter. 322 In der Variante 4 ist maßgeblich, was der Verwalter und B vereinbart haben. Es handelt sich um einen neuen Vertrag – ungeachtet der Berücksichtigung des Einbehalts aus dem Vertrag zwischen B und U – zwischen dem Verwalter und B, sodass der Verwalter zur Mängelbeseitigung, der B zur Zahlung (unter Verwendung des gegenüber U vorgenommenen, damit nun endgültig bezahlten Einbehalts) an die Masse verpflichtet war. Sind dem Verwalter von ihm nachzuweisende Nachbesserungskosten von maximal 30.000 € erwachsen, muss der B diesen Betrag aus dem Einbehalt gegenüber U und aus eigenen freien Mitteln vollständig bezahlen; die darüber hinausgehenden Kosten bleiben nach der Abrede mit B bei der Insolvenzmasse. 323 In der Variante 5 treffen die Negativfolgen der ausufernden Mängelbeseitigung allein die Masse. Die Zahlungspflicht des B beschränkt sich auf den Einbehalt von 20.000 €. 324 In der Variante 6 kommt es entscheidend darauf an, welche Reichweite die in der Nacherfüllung liegende konkludente Erfüllungswahl hat. Die an §§ 133, 157 BGB orientierte Auslegung der (konkludenten) Erklärung des Verwalters ergibt, dass er mit der Nachbesserung die Vertragserfüllung nur wegen des Mangels wählt, auf den sich das Mängelsymptom bezieht, das der B gerügt hat. C. Schmitz, ZIP 2001, 765, 768 f. m. w. N. auch zur Gegenauffassung; unklar BGH ZIP 2006, 1736 (einerseits Rn. 12 „Soweit das Erfüllungsverlangen gegenständlich reicht“; andererseits Rn. 13: „grundsätzlich keine […] nur einzelne Ansprüche oder Rechte betreffende Erfüllungswahl“) = ZfIR 2007, 113 (m. Anm. Blank, S. 115), dazu auch EWiR 2007, 63 (C. Schmitz).
325 In der Untervariante 6a) muss daher der Verwalter denselben, andernorts aufgetretenen, Mangel auf Kosten der Masse beseitigen, da er insoweit die Vertragserfüllung gewählt hat und hieran gebunden bleibt. Es ist auch gut vertretbar, dem Verwalter die Folgen der Fehlbewertung (Nichtberücksichtigung der künftig drohenden weiteren Mängelbeseitigungskosten) aufzuerlegen. Die konkrete Rüge des B hätte ihm Anlass sein müssen, generell kritisch zu hinterfragen, welcher Mangel dem gerügten Mängelsymptom zugrunde liegt. A. A. wohl Rohrmüller, NZBau 2007, 145, 149, wonach der Besteller darlegen muss, für welche Mängel er wegen der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ausstehenden Zahlungen Rechte geltend macht, und sich das Erfüllungsverlangen – konsequenterweise auch die Erfüllungswahl des Verwalters – auf diese bezieht.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
In der Untervariante 6b) hat der B nur eine Insolvenzforderung, da sich die 326 Teilerfüllungswahl des Verwalters auf diesen anderen Mangel, den das später erkannte Mängelsymptom erkennbar macht, nicht erstreckte. Es lassen sich zusammengefasst folgende Grundsätze für die Sachverhalte, in 327 denen der Verwalter einen mit/nach der Abnahme vorgenommenen mängelbedingten Einbehalt durch eine ihm mangels Fristablauf bzw. aufgrund Einwilligung des Bestellers mögliche Nachbesserung zur Masse ziehen möchte, festhalten: Der Verwalter trägt das Risiko, den mit der Mängelbeseitigung verbundenen 328 Aufwand für die Masse falsch einzuschätzen. Notwendige Nachbesserungskosten, die den freigewordenen Einbehalt übersteigen, berechtigen ihn nicht dazu, vom Besteller eine Zuzahlung über den offenen Restwerklohnanspruch aus dem Vertrag des Bestellers mit dem insolventen Unternehmer hinaus zu verlangen. Das Gleiche gilt, wenn der offene Restwerklohnanspruch im Streit steht (etwa wegen vom Schuldner geltend gemachter „Nachträge“ oder vom Besteller aus anderen Rechtsgründen erklärter Aufrechnungen, die der Schuldner und Verwalter zunächst als unberechtigt zurückweisen), der Verwalter annimmt, einen hohen Restbetrag durchsetzen zu können, er daher die Mängel beseitigt und sich später in der gerichtlichen Klärung erweist, dass die von Anfang an vom Besteller erhobenen Angriffe und Einwendungen zutreffen und der effektiv noch durchsetzbare Restwerklohn unterhalb des Betrags liegt, den der Verwalter zur Mängelbeseitigung einsetzen musste. Ein zusätzlicher – über den offenen Restwerklohnanspruch aus dem im 329 Rahmen von § 103 InsO die Rechte des Verwalters definierenden Ursprungsvertrag hinaus – Vergütungsanspruch für aufwendige Mängelbeseitigungsarbeiten steht der Masse nur zu, wenn dies mit dem Besteller vereinbart ist. Für einen Besteller kann eine solche Vereinbarung interessant sein, wenn hinreichend qualifizierte verbliebene Mitarbeiter/Nachunternehmer Gewähr dafür bieten, einen lästigen Mangel zu Kosten (unter Berücksichtigung des Einbehalts) zu beseitigen, die unterhalb der Kosten liegen, die der Besteller für einen anderen Unternehmer aufwenden müsste. Erstmals nach Mängelbeseitigung durch den Verwalter erfolgende Aufrech- 330 nungen und sonst geltend gemachte Gegenrechte, die nicht mit Mängeln zusammenhängen, ändern an der Zahlungspflicht in Höhe der nachweisbar dem Verwalter entstandenen notwendigen Mängelbeseitigungskosten nichts (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO), wobei die Zahlungspflicht wiederum maximal in Höhe des gegenüber dem Unternehmer vorgenommenen Einbehalts besteht. Eine unangemessene Belastung des Bestellers liegt darin nicht. Es ist ihm zumutbar, seine sonstigen Einwendungen frühzeitig vorzubringen, ehe er Leistungen auf Kosten der Insolvenzmasse entgegennimmt. Nachträgliche – nach Abschluss der Mängelbeseitigung erstmals erhobene – 331 Einwendungen wegen weiterer Mängelsymptome sind beachtlich, wenn es um denselben Mangel geht. Dann ist der Verwalter zur Nachbesserung auf 81
A. Die Insolvenz des Unternehmers
Kosten der Masse verpflichtet. Irrelevant sind hingegen Mängelsymptome, die sich auf einen anderen Mangel beziehen. Ihretwegen hat der Besteller nur eine einfache Insolvenzforderung. Praxistipp: Ein sorgfältig abwägender Verwalter wird nur in sehr überschaubaren Fällen (einfaches Gewerk, alltägliche und absehbar beherrschbare Mängel) den Versuch unternehmen, durch Mängelbeseitigung einen vom Besteller vorgenommenen Einbehalt zur Masse zu ziehen. Weitere Voraussetzung sollte sein, dass die gründlich bewerteten internen Mängelbeseitigungskosten absehbar unterhalb des einbehaltenen Betrags liegen und dass dieser der Höhe nach unstrittig ist (und nicht der Verwalter noch eine Vielzahl sonstiger, nicht offensichtlich unbegründeter Einwendungen des Bestellers bekämpfen muss). Daher wird zu komplexen Bauvorhaben, bei denen nicht nur die Mängelrügen des Bestellers, sondern auch die Werklohnhöhe im Streit stehen, eine Mängelbeseitigung durch den Verwalter schwerlich in Betracht kommen. Risikobegrenzend, angesichts der vielfältigen offenen Rechtsfragen fast unverzichtbar, ist für den Verwalter eine Vereinbarung mit dem Besteller, wonach der Verwalter den damit von ihm anerkannten Mangel vollständig beseitigt und nach Abschluss der Mängelbeseitigung der Besteller den mithin von ihm unstreitig gestellten Restwerklohn unter Verzicht auf alle denkbaren Einreden und Einwendungen an die Masse bezahlt.
dd) Notwendige Mitwirkungshandlungen des Bestellers 332 Aufgrund zu hoher Abschlagszahlungen des Bestellers im Stadium vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht sich zu seinen Lasten das Insolvenzrisiko. Infolgedessen ergeben die vom Schuldner bis zu diesem Zeitpunkt erbrachte Leistung und die vom Verwalter mit Erfüllungswahl für den offenen Restwerklohn, den der Besteller noch nicht bezahlt hat, zu erbringende Restleistung in der Summe nicht das vollständige vertragsgerechte Bauwerk. Vielmehr klafft zwangsläufig eine Lücke im Umfang der Bauleistung, die der vom Besteller geleisteten Überzahlung entspricht. Veranlassung, diese Lücke auf Kosten der Insolvenzmasse zu schließen, hat der Verwalter nicht, weil er damit insolvenzzweckwidrig unter Verstoß gegen die Gläubigergleichbehandlung dem Besteller das eingetretene Insolvenzrisiko nehmen würde. Diese Lücke kann dazu führen, dass der Verwalter seine Arbeit nicht sinnvoll erbringen kann. Dazu folgendes Beispiel (nach Kreft, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 387, 400 f.): Der Schuldner hat einen fünfstöckigen Rohbau zu errichten. Zum Zeitpunkt der Erfüllungswahl des Verwalters sind erst die Arbeiten bis inklusive des 1. Stocks abgeschlossen, während der Besteller Abschlagszahlungen an den Schuldner geleistet hat, die dem Leistungsstand inklusive des 2. Stocks entsprechen. Aufgrund des offenen Restwerklohns muss der Verwalter nach seiner Erfüllungswahl gem. §§ 103, 105 Satz 1 InsO noch die Restleistung für die Stockwerke 3 – 5 erbringen, was aber voraussetzt, dass das 2. Stockwerk abgeschlossen wird.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Nach einer Auffassung hat der Verwalter alle noch ausstehenden Arbeiten 333 (inkl. des 2. Stockwerks) zu erbringen. Im Gegenzug kann er für die mit Mitteln der Masse bewirkte Erfüllung den gesamten hierfür zwischen Schuldner und Besteller vereinbarten (anteiligen) Werklohn verlangen. Für den Besteller ist diese Rechtsfolge weder interessenwidrig noch unzumutbar, da sich hinsichtlich der Abschlagszahlungen das allgemeine Insolvenzrisiko verwirklicht hat und er bei Fertigstellung des Werks durch einen Zweitunternehmer die an den Schuldner geleistete Überzahlung (= Kosten für die Erstellung des 2. Stockwerks) nochmals (an diesen Zweitunternehmer) leisten müsste. Kreft, in: Festschrift Kirchhof, S. 275, 285.
Diese Lösung begegnet dem durchgreifenden Bedenken, dass sich aus §§ 103, 334 105 Satz 1 InsO nur eine Zahlungspflicht des Bestellers in der Höhe rechtfertigen lässt, die in der Summe (der an den Schuldner und der an den Verwalter aufgrund dessen Erfüllungswahl geleisteten Zahlungen) dem Werklohn entspricht, wie er zwischen dem Besteller und dem Schuldner vereinbart war. Die vom Besteller vorgenommene Überzahlung rechtfertigt es nicht, ihn gegen seinen Willen mit einer darüber hinausgehenden Zahlungspflicht zu belasten. Zutr. Kesseler, RNotZ 2004, 176, 206 f.; ders., ZIP 2005, 2046, 2049 f., 2050 f.; hieran nun deutliche Annäherung von MünchKomm-Kreft, InsO, § 105 Rn. 18 i. V. m Fn. 39.
Rechtlich begründbar ist eine solche Zahlungspflicht – im Beispielsfall wegen 335 der im Ergebnis doppelt zu bezahlenden anteiligen Kosten für das 2. Stockwerk – nur über eine separate Absprache zwischen dem Besteller und dem Verwalter, der im Gegenzug diese Arbeiten auf Kosten der Masse erledigt. Eine solche Vereinbarung ist regelmäßig naheliegend und zweckmäßig. So auch Rohrmüller, NZBau 2007, 145, 148.
Wählt der Verwalter Erfüllung wegen der Restleistung für den 3. – 5. Stock, 336 kommt aber eine solche Zusatzabrede für das 2. Stockwerk nicht zustande und lässt der Besteller das 2. Stockwerk auch nicht durch einen anderen Unternehmer erstellen, fehlt eine Vorleistung und liegt gleichzeitig eine Behinderung vor, da der Besteller die gebotene Mitwirkung unterlässt. Wegen der insolvenzrechtlich gebotenen Verselbstständigung der kraft Erfüllungswahl vom Verwalter zu erbringenden Leistung (des „Vertrags 2“) gegenüber der vom Schuldner erbrachten Leistung (dem „Vertrag 1“) fällt diese fehlende Vorleistung in die Verantwortung des Bestellers – unabhängig davon, dass sie durch die Insolvenz des Schuldners („Unternehmers 1“) und die wirtschaftliche Wertlosigkeit der gegen ihn bestehenden Rückzahlungsansprüche verursacht worden ist. Zutr. Rohrmüller, NZBau 2007, 145, 148.
Der Besteller kann folglich durch eine Verweigerungshaltung die Erfüllungs- 337 wahl des Verwalters faktisch ins Leere laufen lassen. Er riskiert allerdings, 83
A. Die Insolvenz des Unternehmers
dass der Verwalter ihn in Annahmeverzug setzt, Ansprüche wegen der Behinderung und der fehlenden Vorleistung geltend macht (§ 6 Abs. 6 VOB/B; § 642 BGB) und das durch die Erfüllungswahl begründete Vertragsverhältnis schließlich im Interesse der Rechtsklarheit kündigt (§ 9 Abs. 1a VOB/B; § 643 BGB). Ähnlich Rohrmüller, NZBau 2007, 145, 148; vgl. nun auch Bopp, S. 220 ff. (227 f.).
338 In krassen Fällen, vgl. etwa das von Kesseler, ZIP 2005, 2046, 2051 l. Sp. gebildete Beispiel,
dürfte es richtig sein, dass der Besteller den aus § 6 Abs. 6 VOB/B, § 642 BGB hergeleiteten Ansprüchen des Verwalters § 242 BGB entgegenhalten kann, etwa wenn er keine liquiden oder mit vertretbarem Aufwand beschaffbaren Mittel hat, um über den mit dem Schuldner ursprünglich vereinbarten Werklohn hinaus weitere Kosten zu tragen. ee) Absicherung von Nachunternehmern und weiteren Baubeteiligten; Anwendbarkeit des BauFG 339 Benötigt der Verwalter zur Vertragsfortführung die Zuarbeit von Nachunternehmern und anderen Baubeteiligten, so begründet er entweder durch eine Erfüllungswahl zu Verträgen, die der Schuldner mit diesen Baubeteiligten bereits abgeschlossen hatte (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO), oder durch den Abschluss neuer Verträge (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) Masseverbindlichkeiten. Anders als im Eröffnungsverfahren haben daher diese weiteren Baubeteiligten kein generelles Absicherungsbedürfnis. 340 Anders kann es sich verhalten, wenn Anhaltspunkte für eine spätere Masseunzulänglichkeit bestehen. Erkennen die weiteren Baubeteiligten diese Gefahr zu spät, wird sich die Frage nach einer verschuldensabhängigen Haftung des Verwalters stellen, wenn er die von ihm begründeten Verbindlichkeiten nicht erfüllt (siehe Rn. 273 ff.). Ansonsten können die weiteren Baubeteiligten die üblichen Sicherungsmechanismen nutzen (Unternehmer: § 648a BGB; Lieferanten: Übergabe und Übereignung der Baustoffe nur Zug um Zug gegen vollständige Kaufpreiszahlung gem. § 320 Abs. 1 BGB). 341 Hinzukommt, dass auch der Verwalter dem BauFG unterworfen ist, sofern er vom Besteller für die nach der Erfüllungswahl erbrachte weitere Leistung Zahlungen erhält, die als „Baugeld“ i. S. v. § 1 Abs. 3 BauFG zu qualifizieren sind. 342 Dagegen führt die Erfüllungswahl des Verwalters nicht dazu, dass er aus der bei Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse im Hinblick auf etwa früher an den Schuldner geflossenes Baugeld die Baugeldgläubiger bevorzugt bedienen müsste, es sei denn, der Schuldner hätte zu deren Gunsten das erhaltene
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Baugeld separiert (etwa durch zur Aussonderung gem. § 47 InsO berechtigende Treuhandkonten). Heidland, ZInsO 2010, 737, 742 f., 745 r. Sp. (allerdings widersprüchlich dazu und unzutreffend S. 746 r. Sp.).
ff) Bauzeitfragen Es stellen sich die gleichen Fragen wie im Eröffnungsverfahren (Rn. 54 ff.). 343 Hierzu hat nunmehr der VIII. (Kaufrechts-)Zivilsenat des Bundesgerichtshofs befunden, dass – wenn der Verwalter die Erfüllung eines Vertrags nach § 103 InsO wählt – die bestehenden Vereinbarungen etwa zu Lieferterminen unverändert fortgelten. BGH ZIP 2013, 1729 Rn. 36.
Dies erscheint im Hinblick auf die dem Verwalter in § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO 344 eingeräumte Überlegungszeit zu rigide: Wenn auch der Verwalter sich „unverzüglich“ zu erklären hat, so steht ihm gleichwohl eine gewisse Zeit zur Entscheidungsfindung zu (vgl. Rn. 256). Da er regelmäßig, nutzte er diese aus, aufgrund der nach dem VIII. Zivilsenat uneingeschränkt fortgeltenden Terminsvereinbarungen des Schuldners in Verzug geriete (und dadurch eine Masseverbindlichkeit zugunsten des Vertragspartners begründete), würde das dem Verwalter in § 103 InsO eingeräumte Wahlrecht regelmäßig leerlaufen bzw. wäre der Verwalter gehalten, stets die Erfüllung abzulehnen. Richtig dürfte es daher auch insoweit (vgl. auch Rn. 58 für das Stadium nach Antragstellung und vor Verfahrenseröffnung) sein, die Termine bzw. die nach § 271 BGB zu bemessende Fälligkeit der Leistung unter Berücksichtigung von § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO zu bestimmen. Vgl. Tintelnot, EWiR 2013, 686, 686.
gg) Fälligkeit der auf die Teilleistung nach Verfahrenseröffnung entfallenden Forderung Wie bereits wiederholt ausgeführt, geht es nur um die insolvenzrechtlich auf- 345 grund §§ 105 Satz 1, 103 InsO verselbstständigte weitere Leistungserbringung durch den Verwalter. (1) Abnahme Mit der Erfüllungswahl übernimmt der Verwalter die Pflicht, die entsprechende 346 Teilleistung vollständig und mangelfrei zu erbringen. Weist sie wesentliche Mängel auf, ist sie nicht abnahmefähig. Ohne Abnahme wird der Werklohn für die vom Verwalter erbrachte Teilleistung nicht fällig. Der Verwalter kann dann allenfalls aus Abschlagsrechnungen vorgehen, wenn solche vertraglich vereinbart sind.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
(2) Schlussrechnung 347 Ist die VOB/B Vertragsbestandteil, bleibt es beim Erfordernis, dass erst die nach Abnahme zu stellende prüfbare (bzw. wegen nicht rechtzeitiger Prüfbarkeitsrüge als prüfbar behandelte) Schlussrechnung die Fälligkeit des Werklohns auslöst. Beim reinen BGB-Werkvertrag kommt es hierauf nicht an (Rn. 168). (3) Bauabzugsteuer 348 Es gelten die Ausführungen zur Fälligkeit des im Eröffnungsverfahren erwirtschafteten Werklohns entsprechend (Rn. 182 ff.). e) Restabwicklungsvereinbarung als Alternative 349 Wie für das Eröffnungsverfahren dürfte in der gegenwärtigen Situation, in der viele Detailfragen durch die Rechtsprechung nicht geklärt sind, ein Verwalter es vorziehen, Rechtsklarheit durch eine Restabwicklungsvereinbarung zu erlangen. Allenfalls bei kleineren Arbeiten, die sehr kurzfristig zu erledigen sind, mag dies verzichtbar sein. Hinzukommt der Bedarf, notfalls im Weg der Schätzung (falls es um einen Pauschalpreisvertrag geht) die tatsächlichen Grundlagen konsensual festzuhalten, also vor allem den Wert der bis Verfahrenseröffnung erbrachten Teilleistung und die Höhe des auf die noch zu erbringende Restleistung entfallenden Vergütungsanspruchs. 350 Folglich sind dieselben Fragen regelungsbedürftig, wie sie unter Rn. 64 f. angesprochen sind. 2. Zusammenfassende Betrachtungen zu einem nach Insolvenzantrag und nach Verfahrenseröffnung durchgehend fortgeführten Bauvertrag Mit vielen Details C. Schmitz, ZInsO 2004, 1051; ferner T. Wellensiek, BauR 2005, 186, 196 ff.; aus der Rechtsprechung etwa BGH ZIP 2000, 2207 (m. Anm. Schmitz, S. 2211), äußerst lesenswerte Grundsatzentscheidung noch zur KO; OLG Hamm BauR 2004, 89; OLG Karlsruhe ZInsO 2004, 1036 (beide zu § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO); OLG Stuttgart IBR 2006, 28 (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 Abs. 1 InsO [mangels Kenntnis des Bestellers vom Insolvenzantrag erfolglose Anfechtung]).
351 Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen zunächst der Schuldner vor Insolvenzantrag, sodann – mit Billigung durch den vorläufigen Verwalter – der Schuldner nach Insolvenzantrag (und Kenntnis des Bestellers davon) und schließlich der Verwalter nach Verfahrenseröffnung Arbeiten erbringen, die sich auf dasselbe Bauvorhaben beziehen.
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
In solchen Fällen ist der Vertrag aufgrund der insolvenzrechtlichen Auf- 352 rechnungsverbote und des Insolvenzanfechtungsrechts u. U. dreizuteilen, wenn – wie üblich – der Besteller Gegenrechte aus demselben Vertrag oder aus anderen, vorinsolvenzlich abgeschlossenen Verträgen geltend macht. Die Notwendigkeit, die erste von der zweiten Phase abzutrennen, ergibt sich 353 für Bauverträge, die der Schuldner mehr als drei Monate vor dem Insolvenzantrag mit dem Besteller abgeschlossen hat, aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 InsO. Der Abgrenzungsstichtag ist der Tag, an dem der Besteller Kenntnis von dem Insolvenzantrag oder von der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers bzw. von Umständen, die zwingend hierauf schließen lassen, erlangt. Dieser Abgrenzungsstichtag ist daher keinesfalls zwingend mit dem Tag identisch, an dem der Unternehmer (oder einer seiner Gläubiger gegen ihn) Insolvenzantrag stellt. Er kann davor liegen, wenn z. B. der Besteller erfährt, dass Gläubiger gegen den Unternehmer beträchtliche Forderungen erfolglos zu vollstrecken versuchen. Er kann danach liegen, wenn der Insolvenzantrag des Unternehmers keine Resonanz in den Medien oder den Fachkreisen findet und der Unternehmer sowie der vorläufige Verwalter den Besteller nicht beweissicher informieren. Ein solches Unterlassen geschieht gelegentlich bewusst aus Sorge, anderenfalls werde der Besteller den Vertrag sofort kündigen. Diese Taktik ist aber wegen der dadurch dem Besteller verbleibenden Aufrechnungsmöglichkeiten gefährlich. In besonderen Fällen kommt es auf die für § 130 InsO relevanten subjek- 354 tiven Merkmale gar nicht an, nämlich dann, wenn der Unternehmer und der Besteller den Bauvertrag erst in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag geschlossen haben: Dann ist § 131 Abs. 1 InsO anwendbar. Die zweite Phase beginnt ab dem Stichtag, der die erste Phase beendet, und 355 endet mit der Verfahrenseröffnung. Die dritte Phase, die wegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO abzugrenzen ist, beginnt 356 mit der Verfahrenseröffnung. Die in den einzelnen Phasen jeweils erbrachte Bauleistung und der dadurch 357 „aufgefüllte“ (anteilige) Werklohn sind strikt voneinander abzugrenzen, wobei dies nach den Regeln zu geschehen hat, die für den gekündigten Bauvertrag gelten (dazu Rn. 232). Diese Aufgabe, die gewährleistet, dass die Insolvenzmasse an den ursprünglich zwischen Schuldner und Besteller vereinbarten Preis gebunden bleibt, stellt insbesondere bei komplexeren Pauschalpreisverträgen den Verwalter vor in der Kürze der Zeit kaum lösbare Bewertungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten. Daher ist jedenfalls bei komplexeren Bauverträgen eine Fortführung nach Insolvenzantrag und Verfahrenseröffnung praktisch so gut wie immer nur denkbar, wenn der (vorläufige) Verwalter und der konstruktiv mitwirkende, an der Vertragsfortführung interessierte Besteller die tatsächlichen Grundlagen einvernehmlich in einer Restabwicklungsvereinbarung festlegen, teilweise aufgrund von Schätzungen.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
358 Der in der zweiten Phase „aufgefüllte“ Werklohnanspruch ist aufgrund der Aufrechnungsverbote immunisiert gegen die Aufrechnung (oder sonstige Einwendungen) mit Insolvenzforderungen, die aus anderen Verträgen als aus demselben Bauvertrag (in seiner zweiten Phase) herrühren. Das Gleiche gilt für Einwendungen jedweder Art, die der Besteller aus der ersten Phase des Bauvertrags ableiten will. Dabei kommt es auf den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt nicht an – die Aussage gilt gleichermaßen für Rückforderungsansprüche, weil der Besteller auf den auf die erste Phase entfallenden Werklohn zu hohe Abschläge bezahlt hat, wie für Ansprüche wegen Verzugs oder wegen Mängeln, die aus der in der ersten Phase erbrachten Leistung herrühren. Gerade in letzterer Fallgruppe sind die Abgrenzungsschwierigkeiten groß und kann ein unterbliebener Bedenkenhinweis des Unternehmers zu der (von ihm selbst in der ersten Phase erbrachten) Leistung ein mängelbedingtes Gegenrecht des Bestellers begründen. 359 Der in der dritten Phase „aufgefüllte“ Werklohnanspruch wiederum ist wegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO immunisiert gegen Aufrechnungen und sonstige Einwendungen, die vorinsolvenzlichen Charakter haben, wobei es unerheblich ist, ob sie aus anderen Verträgen oder aus der ersten und zweiten Phase des fortgeführten Bauvertrags herrühren. Praxistipp: Auch wenn es im Hinblick auf die fortwährende Unternehmerstellung des in der dritten Phase durch den Verwalter repräsentierten Schuldners zum selben Bauvertrag nicht lege artis ist, hilft zur richtigen Lösung dieser Fälle die parallele Prüfung: Wie ist die Rechtslage, wenn die Phase 1 als „Vertrag 1“ des Bestellers mit dem „Unternehmer 1“, die Phase 2 als „Vertrag 2“ mit dem „Unternehmer 2“ und die Phase 3 als „Vertrag 3“ mit dem „Unternehmer 3“ – jeweils bezogen auf dasselbe Bauvorhaben – behandelt wird?
360 Insgesamt gehören die mit einer ohne Restabwicklungsvereinbarung erfolgenden Fortführung des Bauvertrags verknüpften Rechtsfragen zu den juristisch anspruchvollsten Themenkreisen im Bauinsolvenzrecht. Erst recht schwierig ist für (vorläufige) Verwalter die Erfassung der Tatsachengrundlagen, die überhaupt erst die Anwendung der dargestellten Normen ermöglicht. Angesichts des gegenwärtigen Stands der Diskussion empfiehlt es sich daher für Verwalter, die Grundfragen in einer Restabwicklungsvereinbarung zu klären. 361 Weitere, oben nicht diskutierte offene Fragen in diesem Zusammenhang seien noch angesprochen: Wie verhält es sich, wenn der Unternehmer nach dem Besteller bekannten Insolvenzantrag zunächst weiterarbeitet und einen Werklohn von 40.000 € in dieser zweiten Phase „auffüllt“, dann aber mit Verfahrenseröffnung der Verwalter die weitere Erfüllung des Vertrags ablehnt und dadurch dem Besteller ein Schaden (Restfertigstellungsmehrkosten und Verzug) ebenfalls von 40.000 € entsteht? Kann der Besteller hiermit aufrechnen oder steht dem § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO entgegen?
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III. Einsetzung des (endgültigen) Verwalters
Ich halte Letzteres für richtig. Das Risiko, dass der Unternehmer die Leis- 362 tung nicht vollständig erbringt, wurzelt im vorinsolvenzlich geschlossenen Vertrag. Deshalb begründet der von Anfang an mit Vertragsschluss angelegte Schadensersatzanspruch des Bestellers nur eine Insolvenzforderung. B ist folglich „Insolvenzgläubiger“ i. S. v. § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise: Hätte der Unternehmer bereits direkt nach dem Insolvenzantrag die Weiterarbeit verweigert, hätte der Besteller nach der gebotenen und berechtigten außerordentlichen Kündigung für alle noch offenen Arbeiten einen Nachfolgeunternehmer mit der Folge einsetzen müssen, dass er nach allen Erfahrungswerten hierfür mindestens denselben Betrag wie an den Unternehmer hätte bezahlen müssen. Ebenso nun T. Wellensiek, BauR 2005, 186, 200. Praxistipp: Wenn man vorstehender Rechtsauffassung folgt, hat dies erhebliche Praxisbedeutung: Selbst wenn ein mit dem vorläufigen Verwalter personenidentischer Verwalter nicht in der Lage oder bereit ist, den Vertrag nach Verfahrenseröffnung fortzuführen, geht er nicht des Anspruchs auf den in der zweiten Phase „aufgefüllten“ Werklohn verlustig. Der faktische Druck auf vorläufige Verwalter, einen Vertrag, der – u. U. wider Erwarten – in der zweiten Phase noch nicht abgeschlossen werden konnte, fortzuführen, entfällt. Dies dürfte die Bereitschaft von vorläufigen Verwaltern erhöhen, nach dem Insolvenzantrag geeignete Bauverträge fortzuführen.
Ferner stellt sich die Frage, ob die Trennung zwischen Phase 1 und der in 363 diesem Fall wegen § 131 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO mit dem Insolvenzantrag beginnenden Phase 2 auch dann erforderlich ist, wenn der Unternehmer und der Besteller den Bauvertrag in der kritischen Zeit (den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag) abgeschlossen haben und § 131 Abs. 1 InsO (i. V. m. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) einschlägig ist. Auf den ersten Blick erscheint eine Trennung entbehrlich, da der gesamte in der ersten und der zweiten Phase „aufgefüllte“ Werklohn gegen die Aufrechnung mit Gegenforderungen aus einem anderen Vertrag immunisiert ist. Dennoch kann eine Abgrenzung der beiden Phasen notwendig sein. Während die Leistungen in der Phase 2 nach Insolvenzantrag aus dem bereits unter Kontrolle des vorläufigen Verwalters stehenden Schuldnervermögen bezahlt werden und der Mitteleinsatz bei vorausschauender Bewertung im Interesse der (künftigen) Gläubigergesamtheit liegen muss, verhielt es sich mit der Mittelaufbringung vor Insolvenzantrag (also in der Phase 1) anders: Sie erfolgte aus dem insoweit nicht gebundenen Schuldnervermögen und wird lediglich nachträglich durch die bis drei Monate zurückwirkende gesetzgeberische Leitentscheidung in § 131 Abs. 1 InsO gegen die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen des Bestellers immunisiert. Denkbar ist nun, dass die Leistung in Phase 1 Mängel aufweist, die Beseiti- 364 gungskosten auslösen, die den in dieser Phase „aufgefüllten“ Werklohn übersteigen. Würde man es dem Besteller erlauben, mit dem „Überschuss“ auch
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
gegen den in Phase 2 „aufgefüllten“ Werklohn aufzurechnen, würden die nach Insolvenzantrag aufgewendeten Mittel nur dazu dienen, dem Besteller die Aufrechnung mit einer Insolvenzforderung zu ermöglichen. Jedenfalls dann, wenn der Besteller vom Insolvenzantrag Kenntnis erlangt hat und damit auch § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Anwendung kommt, halte ich es für richtig, ihm die Aufrechnung zu versagen. IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags 1. Vertragsbeendigung durch den Besteller a) § 103 Abs. 2 InsO 365 Liegen die Tatbestandsmerkmale des § 103 InsO vor, kann der Besteller den Verwalter dazu auffordern, sich zu erklären, ob er den Vertrag erfüllt. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab oder erklärt sich nicht unverzüglich, steht fest, dass der Verwalter den Vertrag nicht fortführt. Der Besteller kann – muss aber nicht – nunmehr den mit dem Schuldner noch bestehenden Vertrag beenden, indem er seine Forderung wegen Nichterfüllung geltend macht (detailliert Rn. 236 ff.). b) Kündigung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B 366 Nach Verfahrenseröffnung scheidet eine wirksame Kündigung auf Grundlage dieser Klausel nach meiner Auffassung seit jeher aus (detailliert Rn. 271 ff.). Davor ist wegen des BGH-Urteils vom 15.11.2012 eine wirksame Kündigung ebenfalls nicht möglich. c) Sonstige Vertragsbeendigungsgründe 367 Soweit Vorschriften des BGB und VOB/B-Klauseln dem Besteller die berechtigte Lösung vom Vertrag ermöglichen, setzen sie den fruchtlosen Ablauf einer dem Unternehmer/Verwalter gesetzten Frist voraus. Da der Besteller dadurch im Stadium nach Verfahrenseröffnung das zwingende Recht des § 103 InsO nicht überspielen kann, sind solche Fristsetzungen als Aufforderungen i. S. v. § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO zu bewerten. Eine gegenüber § 103 InsO eigenständige Bedeutung haben daher derartige Vorschriften des BGB und VOB/B-Klauseln nach Verfahrenseröffnung nicht (mehr). 2. Strukturelle Parallelität der Rechtsfolgen nach berechtigter, vor Verfahrenseröffnung erklärter Bestellerkündigung und nach Schadensersatzwahl des Bestellers gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO 368 Einigkeit über die in der Überschrift ausgedrückte Rechtslage besteht erst seit etwa 20 Jahren. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1963 hat dagegen noch der Bundesgerichtshof – ausgehend von einem gänzlich anderen Verständnis des § 17 KO – ausgeführt, dass sich die Rechtsfolgen bei einer Kündigung nach § 8 Abs. 2 VOB/B und einer insolvenzbedingten Vertragsumge90
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
staltung unterschieden. Für § 8 Abs. 2 VOB/B stellte der Bundesgerichtshof – seitdem wiederholt bekräftigt – fest, dass der Vertrag bestehen bleibt, soweit der Unternehmer seine Leistung erbracht hat. Das folgt aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 VOB/B i. V. m. § 6 Abs. 5 VOB/B, wonach die ausgeführten Teile nach den Vertragspreisen abzurechnen sind. Nur wegen des Rests steht dem Bauherrn ein Schadensersatzanspruch zu (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B). Für Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung, wie sie der Bundesgerichtshof damals für § 17 KO für maßgeblich ansah, ist daher nach der damaligen Auffassung des Bundesgerichtshofs kein Raum gewesen. BGH WM 1963, 964, 965 l. Sp.
Generell gilt: Gleich, ob der Besteller sich auf Grundlage von Klauseln der 369 VOB/B oder Normen des BGB berechtigt vom Vertrag (zu den in Betracht kommenden Tatbeständen siehe Rn. 75 ff.) gelöst hat, hat der Unternehmer Anspruch auf Vergütung des Teilwerks, das er bis zur Vertragsbeendigung ausgeführt hat. Dem Besteller steht wegen des nicht ausgeführten Rests ein Schadensersatzanspruch zu. Hingegen bedurfte es für die §§ 17 KO, 103 InsO für den Fall der Nichter- 370 füllungswahl durch den Verwalter einiger Zeit, bis die gleichen Rechtsfolgen als zutreffend erkannt wurden. Zunächst war es Seiter, die auf die Übereinstimmung auf der Rechtsfolgenseite hinwies. Seiter, BauR 1986, 336, 338 f.
Dem hat sich sodann der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil aus 371 dem Jahre 1995 angeschlossen. BGH ZIP 1995, 926, 927 f., dazu EWiR 1995, 691 (Uhlenbruck).
Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil wegen des die Masse schützen- 372 den Zwecks des § 17 KO differenziert zwischen den Arbeiten, die der Schuldner vor Konkurseröffnung erbringt, und dem Teil der (teilbaren) Gegenleistung, der auf die noch ausstehende und mit Mitteln der Masse zu leistende Vertragserfüllung entfällt. Er hat diese „Aufspaltung eines einheitlichen Vertragsverhältnisses“ auch mit der Parallele zu § 8 Abs. 2 VOB/B gerechtfertigt, wonach der gekündigte Bauvertrag in einen erfüllten Teil zerfällt, für den grundsätzlich die vereinbarte Vergütung zu zahlen ist, und in einen nicht ausgeführten Teil, für den an die Stelle des Erfüllungsanspruchs ein (vom Besteller gewählter) Schadensersatzanspruch tritt. Wenn auch diese Rechtsprechung zu einem Vertrag ergangen ist, dessen Er- 373 füllung der Verwalter gewählt hatte, sind die Ausführungen generell übertragbar auf die Abrechnung des Vertrags nach Nichterfüllungswahl des Verwalters. Thode, ZfIR 2000, 165, 178; Kreft, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 387, 398.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
374 Für die Vertragssuspendierung gem. § 103 InsO gilt nämlich nach neuerer Rechtsprechung, dass die Verfahrenseröffnung wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinreden der Vertragspartner (§ 320 BGB) nur zur Folge hat, dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche, soweit es sich nicht um Ansprüche auf die Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt, nicht durchsetzen können (siehe Rn. 236 ff.). Unberührt bleibt der Vergütungsanspruch des Schuldners, der auf das bis zur Verfahrenseröffnung bereits erbrachte Teilwerk entfällt, auch wenn dieser Anspruch im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht nach den bis dato geltenden Vorschriften (§§ 640 f. BGB) fällig war. Das vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilwerk des Schuldners ist nach den Regeln des gekündigten Bauvertrags abzurechnen. BGH ZIP 2002, 1093, 1096 r. Sp.; ebenso OLG Oldenburg IBR 2004, 141. Praxistipp: In der Praxis wird oft nicht hinreichend deutlich differenziert, ob wegen einer bestellerseitigen Kündigung § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 i. V. m. § 6 Abs. 5 VOB/B (oder eine andere Regelung der VOB/B oder des BGB, die die gleichen Rechtsfolgen für den Unternehmer und den Besteller hat) oder § 103 InsO Anspruchsgrundlage für den Verwalter ist. Wie bereits ausgeführt (Rn. 230), spielt nach einer bestellerseitigen Kündigung § 103 InsO allenfalls noch insoweit eine Rolle, als auf das bis zum Kündigungszeitpunkt erbrachte Teilwerk bezogene Mängelansprüche des Bestellers nicht erledigt sind und der Besteller hieraus einen Schadensersatzanspruch ableiten kann, wenn der Verwalter die Beseitigung verweigert.
3. Forderung des Verwalters a) Fälligkeit 375 Der Anspruch des nunmehr vom Verwalter repräsentierten Schuldners auf Vergütung für das Teilwerk, das der Schuldner bis zur insolvenzbedingten Vertragssuspendierung erstellte, unterliegt den gleichen Fälligkeitsregeln wie der Vergütungsanspruch nach Vertragskündigung, sodass sich für den Verwalter die gleichen Schwierigkeiten stellen, einen Werklohn für das Teilwerk durchzusetzen (Rn. 176 ff.). Praxistipp: Auch wenn der Verwalter sich dagegen entscheidet, die Erfüllung des Vertrags zu wählen, muss er in allen Fällen, in denen er noch einen Werklohn für die Masse beizutreiben hofft, auf Leistungsstandsabgrenzung und Abnahme des bis zur Nichterfüllungswahl erstellten Teilwerks drängen. Die obigen Ausführungen (Rn. 135 ff.) gelten entsprechend.
376 Ergänzend zu Rn. 176 ff. seien noch Ansätze neuerer BGH-Rechtsprechung referiert und kurz bewertet, mit denen sich möglicherweise eine Fälligkeit des auf das Teilwerk entfallenden Werklohns auch dann rechtfertigen lässt, wenn diese Leistung des Unternehmers weder abgenommen ist noch aufgrund eines 92
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
baurechtlichen Abrechnungsverhältnisses oder vergleichbarer Ausnahmetatbestände eine Abnahme entbehrlich ist. Das zu einer von einem Verwalter gekündigten Kapitallebensversicherung ergangene Urteil vom 1.12.2011 enthält allgemeine Ausführungen zu § 103 InsO. Die vom Bundesgerichtshof gewählten Formulierungen, dass „anders als etwa für die Vergütung aus einem aufgespaltenen Kauf- und Werkvertrag“ sich aus einem aufgespaltenen Versicherungsvertrag nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Versicherungsleistung ergibt und dass „die Masse […] einen Anspruch auf das Entgelt der vom Schuldner bis zur Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen [erhält], auch wenn der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung ablehnt“, BGH ZIP 2012, 34 Rn. 23, 38,
lassen nicht erkennen, dass der Bundesgerichtshof sich vertieft mit dem werkvertraglichen Abnahmeerfordernis befasst hätte, und können daher wegen der Ausrichtung dieser Entscheidung auf das Kapitallebensversicherungsrecht schwerlich als abschließende Äußerung verstanden werden. Wollte man das anders sehen, läge in ihnen ein dogmatisch schwer begründbarer Bruch mit werkvertraglichen Grundsätzen. In dem zu einem vom Verwalter nicht erfüllten Grundstückskaufvertrag er- 377 gangenen Urteil vom 7.2.2013 spricht der Bundesgerichtshof an, „[e]inen Rückzahlungsanspruch wegen Wegfalls des Interesses des Verwalters an der Durchführung des beiderseits nicht vollständig erfüllten Vertrages […] lediglich im Sonderfall der beiderseits teilbaren Leistungen der Vertragsparteien erwogen [zu haben], um dem Verwalter die Erfüllungsablehnung auch des insolvenzrechtlich grundsätzlich selbstständig zu behandelnden vollständig erfüllten Vertragsteils zu ermöglichen“. BGH ZIP 2013, 526 Rn. 10 = ZVI 2013, 232 = ZfIR 2013, 438 (m. Anm. Popp, S. 440), dazu EWiR 2013, 351 (Tintelnot).
Der Abgleich mit dem dort zitierten Urteil vom 26.10.2000,
378
BGH ZIP 2001, 31, 32 r. Sp.,
zeigt jedoch, dass der dortige Insolvenzgläubiger (der mit dem Schuldner einen Getränkebezugsvertrag geschlossen hatte) einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 17, 26 KO (= § 103 InsO) geltend machte. Überträgt man den dortigen Sachverhalt auf einen Bauvertrag, läge mithin ein baurechtliches Abrechnungsverhältnis vor, weil der Besteller nur noch auf Geldzahlung gerichteten Schadensersatz fordert und es folglich auf ursprünglich etwa noch vorhandene, eine Abnahmepflicht ausschließende Mängel nicht mehr ankommt. Mithin helfen diese Erwägungen des Bundesgerichtshofs dem Verwalter nicht 379 weiter, wenn der Besteller eben gerade keinen Schadensersatz wegen aller noch offenen Punkte aus dem Bauvertrag verlangt.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
b) Anforderungen an die Schlussrechnung aa) Allgemeine Vorbemerkungen (1) Berechnungsgrundlagen für den Werklohn, der auf das bis Suspendierung erstellte Teilwerk entfällt 380 In einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1977 hat der Bundesgerichtshof, BGH NJW 1977, 1345,
die seinerzeit in der Literatur und Rechtsprechung diskutierten Berechnungsgrundlagen referiert, sich selber aber nicht abschließend festgelegt. Nach der einen Ansicht kann der Verwalter den Wert der vom Schuldner erbrachten, dem Vertragsgegner verbleibenden Teilleistungen aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangen, weil infolge der Ablehnung der Vertragserfüllung der Rechtsgrund für eine Erfüllungsleistung nachträglich weggefallen ist. Nach der anderen Auffassung kann der Verwalter für die Teilleistungen eine restliche Vergütung aus dem ursprünglichen Vertrag verlangen, weil dieser insoweit tatsächlich erfüllt worden ist. 381 Erst 1995 hat – wie bereits oben erläutert – der Bundesgerichtshof, BGH ZIP 1995, 926, 928 l. Sp.,
die strukturelle Vergleichbarkeit zwischen der Rechtslage nach Kündigung eines Bauvertrags durch den Besteller gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B und nach Umgestaltung gem. § 17 KO herausgearbeitet. 382 Diesem Urteil und sonstiger neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich entnehmen, dass der Verwalter eine Abrechnung nach den vertraglichen Grundlagen vorzunehmen hat. Der Bundesgerichtshof hat nämlich wiederholt betont, dass der Anspruch des Verwalters auf Vergütung des vorinsolvenzlich vom Schuldner erstellten Teilwerks als vertraglicher Erfüllungsanspruch bestehen bleibt. BGH ZIP 1997, 688, 689 l. Sp., dazu EWiR 1997, 517 (Huber); BGH ZIP 1997, 1496, 1498 l. Sp., insoweit die Vorinstanz (OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1749, 1752 r. Sp., dazu EWiR 1996, 1039 [App]) ausdrücklich bestätigend, dazu EWiR 1997, 1125 (Prütting); BGH ZIP 1999, 199 l. Sp., dazu EWiR 1999, 269 (W. Schmitz); Thode, ZfIR 2000, 165, 179 r. Sp.; Kreft, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 387, 399.
383 Besonders deutlich ist die Aussage, dass das vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilwerk des Schuldners nach den Regeln des gekündigten Bauvertrags abzurechnen ist. BGH ZIP 2002, 1093, 1096 r. Sp., ebenso OLG Oldenburg IBR 2004, 141.
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
(2) Behandlung der noch nicht eingebauten Bauteile Vom Schuldner bereits vertragsgemäß hergestellte, aber noch in seinem Be- 384 trieb befindliche oder lediglich auf die Baustelle angelieferte Bauteile, die noch nicht eingebaut sind, haben gegenüber der bis Verfahrenseröffnung erbrachten, auf der Baustelle befindlichen Leistung ihr eigenes Schicksal. Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B kann der Besteller solche Bauteile für die Weiterführung der Arbeiten in Anspruch nehmen. Daraus leitet die Rechtsprechung zutreffend ab, dass es sich eben nicht um vergütungspflichtige, erbrachte Leistungen handelt. Auch bloße Vorbereitungshandlungen wie die Aufmaßnahme und die Planung zählen nicht zu den vergütungspflichtigen „ausgeführten Leistungen“. Eine Einbeziehung in die vom Verwalter für das bis Verfahrenseröffnung erbrachte Teilwerk zu stellende Schlussrechnung kommt nach Treu und Glauben nur in Betracht, wenn der Schuldner/Verwalter die bereits hergestellten Bauteile nicht selbst verwenden kann, diese für die Weiterführung des Bauvorhabens uneingeschränkt tauglich sind und ihre Verwendung dem Besteller unter Berücksichtigung aller Umstände zumutbar ist. Zu den vorstehenden Grundaussagen insgesamt BGH BauR 1995, 545; BGH BauR 2003, 877; OLG Köln BauR 1996, 257, 258.
Von diesen Voraussetzungen sind die erste fast immer und die weiteren bei- 385 den in der Insolvenz des Unternehmers manchmal erfüllt. Wer als Besteller in Kenntnis von Krise/Insolvenzantrag des Unternehmers oder gar nach Insolvenzverfahrenseröffnung derartige weitere Leistungen erhält, die er sonst bei Dritten hätte einkaufen müssen, muss die hierauf entfallende Vergütung, die der Verwalter separat abzurechnen hat, ungeschmälert von sonstigen Gegenansprüchen an die (vorläufige) Insolvenzmasse bezahlen (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 Abs. 1 InsO; § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO; siehe Rn. 351 ff.). Praxistipp: Wenn feststeht, dass der Schuldner/Verwalter das Werk nicht fertigstellt, aber speziell für dieses Bauvorhaben produzierte (und taugliche) Bauteile beim Schuldner vorhanden sind, liegt es im beiderseitigen Interesse, dass der Besteller diese Gegenstände im Rahmen eines eigenständigen Vertrags übernimmt: Der Besteller kann zwar nicht mit Schadensersatzansprüchen aus dem Bauvertrag aufrechnen, müsste aber regelmäßig den gleichen Preis (oder sogar deutlich mehr) an einen Dritten bezahlen und kann größeren Verzug, der mit einer Neubestellung bei einem Dritten einhergeht, verhindern. Der Verwalter wiederum hat für Spezialanfertigungen als einzigen denkbaren Abnehmer den Besteller – übernimmt nicht dieser die Teile, muss der Verwalter sie entweder zu Schleuderpreisen abgeben oder schlimmstenfalls sogar entsorgen. Der Eilbedürftigkeit in der Abwicklung und dem Liquiditätsbedürfnis der Insolvenzmasse wird meist dadurch Rechnung getragen, dass der Besteller Eigentum an den vorab von ihm auf Verwendbarkeit geprüften Teilen Zug um Zug gegen Zahlung eines deutlich abgesenkten Preises erlangt, wobei er auf sämtliche Nacherfüllungs- und verwandten Ansprüche verzichtet.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
(3) Pflicht des Geschäftsführers zur Erstellung von Schlussrechnungen 386 Dem Verwalter, der nicht weiß, ob er am Ende nach aufwendiger Schlussrechnungserstellung überhaupt noch eine Zahlung vom Besteller erlangen kann, und der deshalb zögert, ob er beträchtliche Kosten investieren soll, mag im ersten Zugriff ein Urteil des LG Bonn weiterhelfen. LG Bonn ZIP 2000, 747, 751, dazu EWiR 2000, 301 (von Gerkan).
387 Demnach ist bei einer GmbH als Schuldner der Geschäftsführer dazu verpflichtet, zu deren Bauleistungen Schlussrechnungen zu erstellen. Dies erscheint trotz der Generalklausel der §§ 101 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 2 InsO als zu weitgehend und wird dem Verwalter wenig helfen, wenn wegen Obstruktion, Desinteresse oder offensichtlicher Überforderung der Geschäftsführer zu einer qualifizierten Erledigung nicht imstande ist. Mit schlampig erstellten oder gänzlich unbrauchbaren Schlussrechnungen ist dem Verwalter nicht gedient. (4) Eigenaufstellung der Schlussrechnung durch den Besteller 388 Verzögert sich oder unterbleibt die Erstellung der Schlussrechnung durch den Verwalter, so wird eine etwaige Forderung aus einem VOB/B-Vertrag gar nicht fällig, sodass auch die maßgeblichen Verjährungsfristen nicht zu laufen beginnen. Falls der Besteller eine solche Verzögerung als ärgerlich empfindet, er durch die Darlegung, dass dem Verwalter keine Forderung mehr zusteht, die Rückgabe einer von ihm (dem Besteller) gestellten Zahlungsbürgschaft erreichen will oder als öffentlicher Auftraggeber eine abschließende Berechnung der Kosten der Baumaßnahme z. B. gegenüber Förderstellen benötigt, kann er dem Verwalter für die Erstellung der prüfbaren Rechnung eine angemessene Frist setzen und nach fruchtlosem Fristablauf die Rechnung selbst aufstellen (§ 14 Abs. 4 VOB/B). Die hiermit verbundenen Kosten haben nur den Rang einer einfachen Insolvenzforderung, da der Besteller nicht durch sein Verhalten Masseverbindlichkeiten begründen kann und der Kostenerstattungsanspruch im Kern im vorinsolvenzlichen Bauvertrag angelegt ist, also keinen anderen Rang erhalten kann. Jedoch kann der Besteller mit diesen Kosten gegen eine etwaige Werklohnforderung der Insolvenzmasse aufrechnen. OLG Düsseldorf BauR 1987, 336.
389 Problematisch ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des OLG Frankfurt, die zu einem insolvenzbedingt gekündigten Pauschalpreisvertrag ergangen ist. Zum einen nimmt das Oberlandesgericht fehlerhaft an, der Besteller könne den Verwalter auf Erstellung einer Schlussrechnung verklagen. Es übersieht dabei, dass dies ein schuldrechtlicher (aus dem Bauvertrag abgeleiteter) und damit gegen den Verwalter nicht durchsetzbarer Anspruch ist. Zum anderen hält das Oberlandesgericht dem Besteller vor, seine gem. § 14 Abs. 4 VOB/B erstellte Schlussrechnung sei unzulänglich, weshalb es die auf Rückgabe einer beim Verwalter noch befindlichen Zahlungsbürgschaft ge96
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
richtete Klage abwies. Dabei dürfte das Oberlandesgericht an den Besteller, der mit der Kalkulation des Unternehmers nicht in Detail vertraut ist bzw. sein kann, zu hohe Anforderungen stellen. OLG Frankfurt/M. NZBau 2009, 719, 720.
bb) Folgen für den Einheitsvertrag Die Abrechnung beim Einheitspreisvertrag bereitet keine besonderen Schwie- 390 rigkeiten: Der Verwalter muss zu den einzelnen Positionen des Vertrags die Mengen ordnungsgemäß aufmessen und diese Vordersätze mit den Einheitspreisen des Vertrags multiplizieren. Vom Schuldner eingeräumte Nachlässe und Ähnliches sind zugunsten des Bestellers in voller Höhe berücksichtigungsfähig. cc) Folgen für den Pauschalpreisvertrag Komplizierter ist die Rechtslage beim Pauschalpreisvertrag. Für die Ab- 391 rechnung dieses Vertragstyps nach Kündigung (wobei unerheblich ist, welcher Vertragspartner kündigt) gibt der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in ständiger Rechtsprechung, z. B. BGH BauR 1995, 691; grdl. Kniffka, Jahrbuch Baurecht 2000, 1; praxisorientierte Hinweise bei Rodemann, BauRB 2004, 22, 24,
folgende Grundsätze vor: Der Unternehmer muss – nach Aufmaß – die erbrachte Leistung und die dafür 392 anzusetzende Vergütung darlegen und von dem nicht mehr ausgeführten Teil der Leistung abgrenzen. Das bedeutet, dass er das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistung zum Gesamtpauschalpreis aufzuschlüsseln hat. Ohne dies in irgendeiner Weise auch nur zu problematisieren, hat der Bundes- 393 gerichtshof eine solche Vorgehensweise auch von einem Verwalter verlangt. BGH NZBau 2001, 138.
Auch das OLG Köln stellt nach insolvenzbedingter Vertragsbeendigung an 394 den Verwalter dieselben Anforderungen. OLG Köln ZIP 1999, 495, dazu EWiR 1999, 217 (C. Schmitz).
Die damit verbundenen Probleme sind offensichtlich: Einer der wenigen 395 heute noch erkennbaren Vorteile des Pauschalpreisvertrags für den Unternehmer ist es, dass er nicht kontinuierlich aufwendig aufmessen muss, sondern nach Fertigstellung den Pauschalpreis in Rechnung stellen kann. Eine Kündigung oder Vertragssuspendierung führt dagegen dazu, dass der Unternehmer sehr kurzfristig entsprechende Aufmaße nachholen muss. Dies lässt
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
sich jedenfalls für Pauschalpreisverträge, bei denen der Unternehmer im Nachhinein schwer quantifizierbare oder durch weitere Leistungen überdeckte Leistungen erbracht hat (z. B. Erdarbeiten), kaum bewerkstelligen. Bei Großbauvorhaben (z. B. Schlüsselfertigbau) wird man es dagegen genügen lassen, wenn der Unternehmer die erkennbar für sich vollständig fertiggestellten Gewerke (z. B. Rohbau, Elektroarbeiten usw.) entsprechend ausweist und lediglich wegen nur teilweise fertiggestellter Gewerke die notwendigen Differenzierungen durch genaues Aufmaß vornimmt. 396 Den Preisansatz für die erbrachte Teilleistung im Verhältnis zum Gesamtpauschalpreis kann der Unternehmer im Regelfall nur anhand einer aufgeschlüsselten Kalkulation darstellen. Wenn eine Urkalkulation fehlt und auch sonst zur Bewertung der erbrachten Leistungen Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertragsschluss nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind, muss der Unternehmer im Nachhinein im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus der vereinbarten Pauschale zu bewerten sind. Er kann hierfür auch Nachunternehmerrechnungen oder nachträglich erstellte Kalkulationen zugrunde legen. BGH BauR 1996, 846, 848 r. Sp., dazu EWiR 1996, 1019 (Kniffka); BGH ZIP 1999, 1600, BauR 1999, 1294, 1296 f., dazu EWiR 2000, 281 (Blank); BGH ZIP 2000, 1535, 1538 r. Sp., dazu EWiR 2000, 939 (Siegburg).
397 Deutlich günstiger stellt sich die Situation für den Unternehmer dar, wenn die Vertragspartner den Pauschalpreis auf der Grundlage eines nach Einheitspreisen aufgeschlüsselten Angebots des Unternehmers, insbesondere durch Abrundung, vereinbart haben. Dann kann dieses Angebot ein brauchbarer Anhaltspunkt sein, um die Vergütung für die bis zur vorzeitigen Vertragsbeendigung erbrachten Leistungen zu berechnen. BGH BauR 1996, 846, 848 r. Sp.
398 Der Unternehmer kann in solchen Fällen wie beim Einheitspreisvertrag abrechnen und muss lediglich die Auf- oder Abrundung berücksichtigen. 399 Zunächst zugunsten eines Verwalters, später generell gewährt der Bundesgerichtshof eine Erleichterung: Bei einem Pauschalpreisvertrag war das Bauwerk vom Schuldner nahezu vollständig fertiggestellt. Hier, so eine Nebenbemerkung des Bundesgerichtshofs, durfte der klagende Verwalter auf eine spezifizierte Einzelabrechnung verzichten; ihm wurde gestattet, vom Pauschalpreis auszugehen und davon die nicht geleisteten Arbeiten abzusetzen. BGH ZIP 1986, 382, 383 l. Sp., dazu EWiR 1986, 385 (Marotzke).
400 Generell formuliert der Bundesgerichtshof nun, dass – wenn nur noch geringfügige Leistungen nicht erbracht sind – eine Bewertung der nicht erbrachten Leistungen und deren Abzug vom Gesamtpreis ausreichen können. 98
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags BGH ZIP 2000, 1535, 1538 r. Sp.; BGH ZfIR 2014, 879 (LS) = IBR 2014, 728.
Sind allerdings Arbeiten wie Außenputz, Außenanlagen sowie Maler- und 401 Fliesenlegerarbeiten in einem Teil des Dachgeschosses noch nicht erledigt, so kann nach Auffassung des OLG Köln von einer nahezu vollständigen Fertigstellung nicht gesprochen werden. OLG Köln ZIP 1999, 495, 496 r. Sp.
Liegt der Umfang der noch zu erbringenden Arbeiten bei 2 % des Auftrags- 402 volumens, ist es hingegen ausreichend, wenn die damit verbundenen Kosten vom Pauschalpreis abgezogen werden. OLG Hamm IBR 2006, 383. Praxistipp: Die detailliert von Praun, jurisPR-PrivBauR 1/2015 Anm. 3, nachgewiesene Rechtsprechung der Instanzgerichte ist tendenziell eher streng, während der Bundesgerichtshof zuletzt (IBR 2014, 728) eher großzügig war und diese vereinfachte Abrechnung zuließ, obwohl der Wert der offenen Arbeiten immerhin, wenn man die Angaben des Unternehmers zugrunde legte, 4,56 % des gesamten Pauschalpreises ausmachte. Indessen handelte es sich um einen recht überschaubaren Werkvertrag, sodass eine Generalisierung dieser Relation nicht zweifelsfrei möglich ist.
Im Zusammenhang hiermit drängt sich die Frage auf, ob der Verwalter nicht 403 generell „von oben nach unten“ abrechnen darf, da bei einem solchen Vorgehen eine Schlechterstellung des Bestellers ausscheidet, können doch für die fehlenden Leistungen die nun aufzuwendenden Preise bei Zweitunternehmern eingesetzt werden. Da durch eine solche Vorgehensweise die Abrechnung des vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrags einerseits und der dem Besteller zustehende Schadensersatzanspruch wegen Restfertigstellungsmehrkosten andererseits abgehandelt werden, sei dies detailliert erst unter Rn. 508 ff. erörtert. Frei steht es Verwalter und Besteller, sich über andere Abrechnungsmodali- 404 täten zu einigen. Dies erklärt sich daraus, dass § 14 VOB/B und die Prüfbarkeit kein Selbstzweck sind und dass die Informations- und Kontrollinteressen des Bestellers die Anforderungen an die Prüfbarkeit einer Schlussrechnung begrenzen. BGH BauR 2000, 124, 125 r. Sp. (für Architektenvertrag).
Deshalb akzeptierte das OLG Schleswig den Abzug der vom Besteller ein- 405 vernehmlich erbrachten Eigenleistungen vom Pauschalpreis. OLG Schleswig IBR 2000, 11.
Im dortigen Fall war jedoch der Vertrag nicht vorzeitig beendet worden, 406 sondern hatte der Verwalter Erfüllung gewählt, jedoch abredegemäß einzelne Restleistungen nicht mehr erbracht und deshalb abgezogen.
99
A. Die Insolvenz des Unternehmers
407 Auch lässt der Bundesgerichtshof eine Berufung des Bestellers darauf, die Rechnung sei nicht prüffähig, nicht zu, wenn der Besteller oder ein Dritter, dessen Erkenntnisse sich der Besteller zu eigen macht oder zurechnen lassen muss, die Rechnung bereits geprüft hat. Dann ist nämlich klar, dass für den Besteller die Rechnung nachvollziehbar und überprüfbar war. BGH ZfIR 1998, 679 = BauR 1999, 63, 64 l. Sp., dazu EWiR 1998, 1139 (Wenner); BGH BauR 2000, 1485, 1485 f.; BGH BauR 2002, 468, 469; auch OLG Brandenburg BauR 2000, 583, 584 r. Sp.
408 Diese Rechtsprechung bedeutet im Ergebnis, dass ein Gericht keine Veranlassung hat, von sich aus mit dem Argument „fehlende Prüffähigkeit“ eine Klage als derzeit unbegründet abzuweisen, sondern allenfalls bei entsprechendem Vorbringen des Bestellers, welches dann auf seine Stichhaltigkeit im Hinblick z. B. auf die Informations- und Kontrollinteressen des Bestellers, seine eigene Fachkompetenz, sein vorgängiges Verhalten, vertragliche Abreden hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten, zu prüfen ist. 409 Beachtlich ist dieses Vorbringen indes nur, wenn der Besteller (vorgerichtlich) die Rüge der fehlenden Prüffähigkeit gegenüber dem Verwalter erhoben hat. Dies muss er binnen einer angemessenen Frist (spätestens zwei Monate nach Zugang der Schlussrechnung) und spezifiziert (unter Angabe der Rechnungsteile und der Gründe, aus denen sich die fehlende Prüffähigkeit ergibt) tun. BGH ZIP 2004, 512 (LS) = ZfIR 2004, 237 (m. Bespr. Schwenker, S. 232) = BauR 2004, 316, 319 f. (zum Architektenvertrag); dazu EWiR 2004, 559 (Wenner), BGH ZfIR 2005, 22 (m. Anm. Schwenker, S. 25) = BauR 2004, 1937, 1939 (zum VOB/B-Bauvertrag).
410 Die angemessene Frist von zwei Monaten bestimmte der Bundesgerichtshof anhand der damals gültigen Fälligkeitsfrist des § 16 Nr. 3 VOB/B. Im Hinblick auf die nunmehr in § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B enthaltene Frist von grundsätzlich „nur“ noch 30 Tagen liegt nahe, jedenfalls für unter Einbeziehung der neuen VOB/B-Fassung abgeschlossene Verträge diese Frist anzuwenden. Praxistipp: Verwalter können sich einerseits darüber freuen, dass aufgrund dieses Urteils die rein formale Rüge fehlender Prüfbarkeit seltener durchgreifen wird. Andererseits müssen sie aber bedenken, dass im Prozess eine endgültige Prüfung der materiellen Richtigkeit der Schlussrechnung erfolgt. Wenn ein Verwalter nicht in der Lage ist, die Forderung für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, kommt es zur endgültigen Klageabweisung. Eine „zweite Chance“ wie früher, als die erfolgreiche Rüge der fehlenden Prüfbarkeit nur zur Klageabweisung „als derzeit unbegründet“ führte, gibt es nicht mehr. Die Klage aus einer Schlussrechnung nach vorzeitiger Beendigung/Suspendierung eines Pauschalpreisvertrags ist daher sorgfältig vorzubereiten, da im laufenden Prozess selten genug Zeit zur Verfügung steht, alle Fragen erstmals zu durchdringen.
100
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Bei Verwaltern ist zu berücksichtigen, dass sie in der Regel nur eingeschränkt 411 die früheren Vorgänge beim Schuldner nachvollziehen können und ausschließlich auf Informationen früherer Mitarbeiter angewiesen sind. Deshalb sind überhöhte Anforderungen an die Darlegung einer Kalkulation, die letztlich nicht nur zu einer mangels prüfbarer Rechnung nicht fälligen Forderung, sondern faktisch zu einer dauerhaft nicht durchsetzbaren Forderung führen würden, nicht angebracht. OLG Dresden BauR 2001, 419, 420 f.; OLG Brandenburg, Urt. v. 27.8.2002 – 11 U 15/99, Volltext www.ibr-online.de; in BauR 2003, 542, nur auszugsweise abgedruckt (von BGH BauR 2004, 1443 bestätigt).
Selbst wenn eine prüffähige Schlussrechnung fehlt, darf das Gericht die Klage 412 nicht allein deshalb abweisen, weil deren Erstellung unmöglich geworden ist. In einer älteren Entscheidung stellte der Bundesgerichtshof dabei auf Umstände wie den Zeitablauf, den Übergang des Baus in andere Hände und den finanziellen Zusammenbruch des Bestellers als maßgebliche Faktoren ab. In solchen Fällen kann eine fehlende Schlussrechnung nicht dazu führen, dass der Unternehmer überhaupt nichts mehr bekommt, selbst wenn er einwandfrei das Bestehen einer Restforderung nachweisen kann. Beweisschwierigkeiten gehen jedoch zu seinen Lasten. BGH, Urt. v. 25.9.1967 – VII ZR 46/65, unter I.2 der Gründe, vollständig dokumentiert bei juris (unvollständig: NJW 1967, 2353); BGH ZfIR 2005, 22 (m. Anm. Schwenker, S. 25) = BauR 2004, 1937, 1939. Praxistipp: Insbesondere in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre diente die strenge BGHRechtsprechung den Tatsachengerichten als Mittel dazu, Vergütungsklagen aus einem vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrag ohne inhaltliche Prüfung als derzeit nicht begründet abzuweisen. Der Bundesgerichtshof hat in Reaktion hierauf zahlreiche Differenzierungen vorgenommen. Gleichwohl ist dringend anzuraten, dass Verwalter in einem Prozess obige Aspekte deutlich herausarbeiten, um einer Überraschungsentscheidung vorzubeugen und lange Instanzenzüge zu vermeiden. Das o. a. Urteil des OLG Brandenburg ist vor allem Verwaltern und deren Anwälten zur Lektüre zu empfehlen. Es zeigt, dass der Verwalter nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrags zur Überzeugung der Gerichte den Werklohnanspruch für das bis zur Kündigung erbrachte Teilwerk darstellen kann. Selbst wenn eine Schlussrechnung nicht mehr erstellt werden kann, mag im Einzelfall eine Forderungsdurchsetzung noch möglich sein. Der Verwalter bewegt sich allerdings auf sehr „dünnem Eis“.
Abschließend sei noch festgehalten, dass die Rechtsprechung nachfolgende 413 Abrechnungsmethoden nicht billigt: x
Abrechnung nach pauschal gegriffenen Prozentsätzen – etwa mit der Behauptung, das Werk sei zu 65 % fertiggestellt (anders, wenn der Besteller diese Festlegung akzeptiert, und zwar auch hinsichtlich der Vergütung, die dann ebenfalls mit 65 % anzusetzen ist); 101
A. Die Insolvenz des Unternehmers
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Abrechnung des Teilwerks zu üblichen Preisen i. S. d. § 632 Abs. 2 BGB (damit könnten Fehlkalkulationen des Schuldners überspielt werden);
x
Abrechnung gemäß einem vertraglichen Zahlungsplan (die dort vereinbarten Prozentsätze sind je nach der Verhandlungsmacht der Parteien bei Vertragsschluss entweder über- oder untersetzt und spiegeln nicht die Kalkulation und das Preisgefüge des Pauschalpreisvertrags wider);
x
Abrechnung aus – etwa vor Verfahrenseröffnung – vom Besteller geprüften Abschlagsrechnungen.
414 Dagegen hat der Bundesgerichtshof folgende Abrechnungsmethoden ausdrücklich gebilligt: Beispiel (BGH BauR 2002, 1403, 1404 f.): Der Unternehmer unterteilt die nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen in verschiedene Gewerke und bewertet diese auf Grundlage der dem Angebot zugrunde liegenden Kalkulation. Die Summe der den Teilleistungen zugeordneten Vergütungsteile ergibt unter Berücksichtigung der vereinbarten Änderungen und des gewährten Nachlasses den vereinbarten Pauschalpreis. Beispiel (BGH BauR 2002, 1588, 1589): Der Unternehmer hat für die beiden betroffenen Bauvorhaben den Pauschalpreis nachträglich in 23 Einzelgewerke zerlegt und diese wiederum mit Pauschalen bewertet, deren Summe den Pauschalpreis ergibt. Er hat sodann anhand der von ihm bzw. seinen Nachunternehmern nach der Kündigung gefertigten Aufmaße die Kosten errechnet, die bei vollständiger Fertigstellung der einzelnen Gewerke entstanden wären, und diejenigen, die tatsächlich entstanden sind. Das prozentuale Verhältnis dieser beiden Werte hat er auf die Pauschalen für die Einzelgewerke übertragen und auf diese Weise für jedes Gewerk den Teil des kalkulierten Preises bestimmt, der dem Anteil der tatsächlich erbrachten Leistung entsprach. Er hat die Aufmaße vorgelegt, die angesetzten Einheitspreise genannt und seine Aufstellungen schriftsätzlich erläutert. dd) „Nachtragsforderungen“ (Ansprüche wegen geänderter und zusätzlicher Leistungen und wegen veränderter Bauzeit) 415 „Nachtragsforderungen“ am Bau haben ihre rechtliche Grundlage überwiegend in Anordnungen des Bestellers gem. § 1 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 VOB/B und den korrespondierenden Vergütungsanpassungsklauseln des § 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B. Ungeachtet aller rechtlichen Fragezeichen und praktischen Abwicklungsprobleme, Kniffka, BauR 2012, 411,
leitet die gegenwärtig noch herrschende Meinung aus diesen Klauseln ab, dass das Vertragspreisniveau beizubehalten und der neue Preis aus den Elementen des alten Vertragspreises zu gewinnen sind. Der neue Preis kann
102
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
demnach quasi deterministisch aus der Kalkulation, die zu den Vertragspreisen führt, fortentwickelt werden. Etwa Kapellmann/Schiffers, Bd. 1, Rn. 1000.
Daneben sind am Bau verbreitet „Nachtragsforderungen“ wegen Behinde- 416 rungen, Bauzeitverlängerung und -änderung usw. Als Anspruchsgrundlage kommen in Betracht § 642 BGB, § 2 Abs. 5 oder § 6 Abs. 6 VOB/B. Die schlüssige Darlegung derartiger Forderungen stellt den Unternehmer vor hohe Anforderungen. Beispielhaft BGH ZfIR 2005, 496 (m. Anm. Hormann, S. 500) = BauR 2005, 857, 858 ff., und BGH ZfIR 2005, 500 (m. Kurzanm. Hormann, S. 503) = BauR 2005, 861, 863 ff.
All diese Anforderungen gelten auch für den in Insolvenz gefallenen Unter- 417 nehmer und den ihn nach Verfahrenseröffnung repräsentierenden Verwalter. Auf dieser Grundlage hat das LG Karlsruhe die Klage eines Verwalters auf 418 Mehrvergütung gem. § 2 Abs. 5 VOB/B als unschlüssig abgewiesen. Der Verwalter trug vor, dass die Urkalkulation in Papierform nicht mehr auffindbar sei und ihm im Hinblick auf seine Position Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugutekommen müssten. Das LG Karlsruhe sah indessen keine Veranlassung, aufgrund des Eintritts einer Firmeninsolvenz eine solche Verschiebung der Vortragslasten zum Nachteil des Bestellers anzunehmen. LG Karlsruhe IBR 2011, 7.
c) Bauabzugsteuer 419
Es gelten die Ausführungen zu Rn. 182 ff. entsprechend. d) BauFG
Selbst eine Erfüllungswahl des Verwalters führt nicht dazu, dass er aus der 420 bei Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse im Hinblick auf etwa früher an den Schuldner geflossenes Baugeld Baugeldgläubiger bevorzugt bedienen müsste. Anders ist es nur dann, wenn der Schuldner zu deren Gunsten das erhaltene Baugeld separiert hat (etwa durch zur Aussonderung gem. § 47 InsO berechtigende Treuhandkonten). Kann der Verwalter nach Verfahrenseröffnung Werklohnforderungen gegen 421 die Besteller für die vor Verfahrenseröffnung errichteten Teilwerke durchsetzen (für nach Verfahrenseröffnung erarbeitete und erlangte Zahlungen vgl. Rn. 341), die grundsätzlich als „Baugeld“ i. S. v. § 1 Abs. 3 BauFG zu qualifizieren wären, haben Baugeldgläubiger hieran keine Rechte. Dass erst der Verwalter diese Beträge im eröffneten Verfahren zur Masse zieht, ändert nichts daran, dass die Forderungen der vor Verfahrenseröffnung für den Schuldner tätigen Nachunternehmer und sonstigen potentiellen Baugeld-
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
gläubiger nur den Status einer einfachen Insolvenzforderung haben. Nur wenn der Schuldner selbst dieses Baugeld bereits vor Verfahrenseröffnung erlangt und einem insolvenzfesten, zur Aussonderung berechtigenden Treuhandkonto zugeführt hätte, wären der Verwalter daran gebunden und die Baugeldgläubiger privilegiert. 4. Aufrechenbare Gegenforderungen des Bestellers (aus demselben Vertrag) a) Allgemeine Vorbemerkungen aa) Notwendigkeit der Aufrechnung; keine automatische Verrechnung 422 In der Vergangenheit war es üblich, nach bestellerseitiger Kündigung und/ oder insolvenzbedingter (Vertragssuspendierung und) Schadensersatzwahl des Bestellers von einem Abrechnungsverhältnis zu sprechen. Zugrunde lag dem die Vorstellung von einer automatischen Verrechnung („Saldierung“) des dem Verwalter einerseits zustehenden Vergütungsanspruchs und der dem Besteller andererseits zustehenden Schadensersatz- und sonstigen Gegenansprüche. 423 Der für das private Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich im Urteil vom 23.6.2005 von der „Verrechnung“ gelöst: Ein solches Rechtsinstitut ist nicht gesetzlich vorgesehen für die Fälle, in denen sich nach der Gesetzeslage Werklohn und Anspruch wegen Nichterfüllung (oder andere Ansprüche wegen Schlechterfüllung des Vertrags) aufrechenbar gegenüberstehen. Vielmehr sind die vertraglichen und gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung und zu etwaigen Aufrechnungsverboten anzuwenden. 424 Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang angemerkt, dass eine inhaltliche Diskussion von Aufrechnungsverboten nicht umgangen werden kann, indem man von einer bereits tatbestandlich nicht unter solche Verbote fallenden „Verrechnung“ spricht. Stattdessen ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob gesetzliche Aufrechnungsverbote einschränkend auszulegen sind und ob vertragliche Aufrechnungsverbote wirksam vereinbart sind. BGH (VII. Senat) ZIP 2005, 1561, 1562 f.; zust. BGH (IX. Senat) ZIP 2006, 1740 Rn. 14.
425 Ungeachtet dessen findet sich auch in der neueren Rechtsprechung des VII. Zivilsenats der Begriff „Abrechnungsverhältnis“. Im Gegensatz zur früheren Judikatur, als damit eine „Verrechnung/Saldierung“ verknüpft war, fasst der VII. Zivilsenat darunter nun die Fälle, in denen der Unternehmer einen Vergütungsanspruch hat und dem Besteller allein auf Geldzahlung gerichtete, zur Aufrechnung gegen den Anspruch des Unternehmers geeignete Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung des Werks zustehen. Kennzeichnend für ein solches Abrechnungsverhältnis neuer Prägung ist daher, dass der Besteller keine Ansprüche auf Vertragserfüllung inkl. Mängelbeseitigung mehr hat.
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags BGH ZIP 2005, 1561, 1562 r. Sp. = ZfIR 2005, 707 (LS); BGH ZIP 2005, 1972 r. Sp. = ZVI 2005, 600; BGH BauR 2010, 1778 Rn. 23.
Gründe, die dagegen sprechen könnten, diese Erkenntnisse des VII. Zivil- 426 senats auf bauinsolvenzrechtliche Zusammenhänge zu übertragen, sind nicht ersichtlich. Nicht zufällig ist die Leitentscheidung vom 23.6.2005 zu einem Sachverhalt ergangen, in dem der Besteller nach einem Gesamtvollstreckungsantrag des Unternehmers den Bauvertrag außerordentlich kündigte und es um die Frage ging, ob der Besteller gegen den bis zur Kündigung verdienten Werklohnanspruch wirksam mit Restfertigstellungsmehrkosten aufrechnen kann. Praxistipp: Unschädlich ist es, wenn ein Besteller in Unkenntnis dieser Rechtsprechung im Prozess gegen die vom Verwalter eingeklagte Werklohnforderung nicht aufrechnet, sondern von einer automatisch eintretenden „Verrechnung“ ausgeht. Sofern der Besteller den Gegenforderungen zugrunde liegenden Sachverhalt spezifiziert vorträgt, wird meistens sein Vorbringen zwanglos als Aufrechnungserklärung auszulegen sein, vor allem dann, wenn er Klageabweisung beantragt (zu ähnlichen Fällen BGH BauR 2001, 1897, 1899 l. Sp.; OLG Frankfurt/M. IBR 2003, 668). Im Übrigen muss das Gericht gem. §§ 139, 278 ZPO Hinweise geben, wenn der Besteller Gegenrechte geltend macht, aber seine Erklärungen den dem Urteil vom 23.6.2005 zu entnehmenden Notwendigkeiten nicht genügen.
bb) Nichtanwendbarkeit von § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO auf die Aufrechnung des Bestellers mit im (engen) Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Ansprüchen § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO schließt, wenn man ihn wortlautgetreu auf synallag- 427 matisch verknüpfte Ansprüche aus ein- und demselben Vertrag anwendet, die Aufrechnung des Bestellers mit auf Geldzahlung gerichteten Ansprüchen gegen die vom Verwalter verfolgte Werklohnforderung aus, wenn die Umwandlung des Gegenanspruchs von einem Erfüllungs- in einen auf Zahlung gerichteten Anspruch erst nach der Fälligkeit des Anspruchs des Verwalters und nach Verfahrenseröffnung eingetreten ist. Mit dieser Argumentation hatte das LG Potsdam, LG Potsdam ZIP 2002, 1734,
einem Besteller die Aufrechnung mit einem mängelbedingten, aus demselben Vertrag herrührenden Zahlungsanspruch versagt. Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber zutreffend diese Norm teleolo- 428 gisch reduziert. Ihre Anwendung ist nicht veranlasst und geboten, wenn die Werklohnforderung des Schuldners (im Zeitraum nach Verfahrenseröffnung) vor der mängelbedingten Schadensersatzforderung des Bestellers fällig ist, der Schuldner sie indes wegen eines auf Mängeln gegründeten Leistungsverweigerungsrechts des Bestellers (§ 320 BGB) nicht (einredefrei) hätte durch-
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
setzen können. Es wäre unangemessen, den Besteller auf eine Insolvenzforderung zu verweisen, wenn er eine zwar fällige, aber mit einem Leistungsverweigerungsrecht behaftete Forderung nicht umgehend ausgleicht. BGH ZIP 2005, 1972, 1973 f. = ZVI 2005, 600.
429 In einem weiteren Urteil hat der Bundesgerichtshof klargestellt und generalisiert, dass ein wie auch immer abgeleitetes Aufrechnungsverbot nicht eingreift, wenn der Besteller gegenüber einer Werklohnforderung mit Ansprüchen aufrechnet, die dazu dienen, das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung herzustellen. Ausdrücklich nennt der Bundesgerichtshof die Forderung auf Zahlung von Mängelbeseitigungskosten und die auf Zahlung der Restfertigstellungsmehrkosten – also die beiden üblicherweise in der Insolvenz des Unternehmers nach vorzeitiger Vertragsbeendigung/-suspendierung wirtschaftlich besonders relevanten Positionen. BGH BauR 2006, 411, 412 f., zum Ganzen auch Kessen, BauR 2005, 1691, 1694 li. Sp.
430 Der offiziösen Darstellung von Kessen lässt sich entnehmen, dass die notwendige „enge“ synallagmatische Verknüpfung von Werklohnforderung und Gegenforderung, die eine teleologische Reduktion von Aufrechnungsverboten rechtfertigt, hinsichtlich Mängeln nur für die Kosten der Mängelbeseitigung selbst, nicht aber für mängelbedingte Folgeschäden gilt. Kessen, BauR 2005, 1691, 1694 l. Sp.
431 Damit sind wesentliche Streitfragen zu § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO zutreffend geklärt. 432 Ebenso ist die Aufrechnung als wirksam anzusehen, wenn der Besteller mit einem Schadensersatzanspruch gem. § 103 Abs. 2 InsO gegen den auf das davor erstellte Teilwerk entfallenden Werklohnanspruch des Verwalters aus demselben Vertrag aufrechnet. MünchKomm-Kreft, InsO § 103 Rn. 35.
433 Anders als in dem von Kreft zum Kaufrecht gebildeten Beispielsfall werden allerdings im Baurecht die allgemeinen Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO regelmäßig gar nicht vorliegen. Es ist nämlich schwer vorstellbar, wie der Werklohnanspruch für das Teilwerk fällig werden soll – was eine Abnahme des Teilwerks oder Abnahmesubstitute voraussetzt –, bevor der Besteller einen Schadensersatzanspruch nach § 103 Abs. 2 InsO geltend gemacht hat. b) Ansprüche wegen Mängeln aa) Kein gegen den Verwalter durchsetzbarer Nacherfüllungsanspruch; kein Leistungsverweigerungsrecht 434 Haften dem vom Schuldner erbrachten Teilwerk beseitigungsfähige Mängel an, so kann – falls nicht der Verwalter (auch insoweit) Erfüllung wählt – der
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Besteller von ihm keine Nacherfüllung in natura verlangen. Für einen Vorschussanspruch, der eine fortbestehende Nacherfüllungsverpflichtung des Unternehmers voraussetzt, OLG Brandenburg NZBau 2001, 325, 326 l. Sp.,
ist deshalb kein Raum. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil wohl verkannt. BGH BauR 2001, 789.
Auch § 320 BGB (und § 641 Abs. 3 BGB) gelangen nicht zur Anwendung. 435 Das Leistungsverweigerungsrecht soll den bisher mangelhaft oder unvollständig leistenden Unternehmer anhalten, seine Leistung ordnungsgemäß und vollständig zu erbringen und dadurch einen Vergütungsanspruch einredefrei zu stellen, der ein Mehrfaches der absehbaren Mängelbeseitigungskosten beträgt. Der Besteller kann kein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe der zweifachen Mängelbeseitigungskosten geltend machen, sondern lediglich mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe der einfachen Mängelbeseitigungskosten zu ortsüblichen Preisen aufrechnen. I. E. ebenso AG Witten ZInsO 2003, 479, 480.
Im Ergebnis übereinstimmend hat dies auch der Bundesgerichtshof,
436
BGH ZIP 1999, 199, 201 l. Sp.,
beurteilt: Wenn ein Verwalter Mängel nicht beseitigt, hat er keinen Anspruch auf denjenigen Teil des Werklohns, der dem Wert der Mängel entspricht. Der Besteller kann dann entsprechend § 638 Abs. 3 BGB mindern. Eine Zurückhaltung des Werklohns in Höhe des (nach damaliger Rechtslage) dreifachen Mangelwerts kommt nicht in Betracht, da ein derartig großzügig bemessenes Zurückbehaltungsrecht eine – gerade nicht gegebene – Verpflichtung des Verwalters zur Nacherfüllung voraussetzt. bb) Mängelbedingter Schadensersatzanspruch Soweit der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ausdrücklich auf ein 437 Minderungsrecht des Bestellers verweist, bedarf dies der vertieften Beleuchtung. In dem vom Bundesgerichtshof behandelten Fall war der Tatbestand des 438 § 103 InsO gegeben, weil dem offenen Werklohnanspruch ein Mängelbeseitigungsanspruch des Bestellers gegenüberstand. Wenn der Verwalter trotz Fristsetzung den Mangel nicht beseitigt, kann – muss aber nicht – der Besteller gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO eine „Forderung wegen der Nichterfüllung“ geltend machen. Alternativ kann aber der Besteller von der allein in seiner Macht liegenden Umgestaltung des Vertrags absehen und darauf setzen, dass aufgrund des unverändert aufrechterhaltenen Vertrags der Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens den Mangel beseitigen werde. MünchKomm-Kreft, § 103 Rn. 22.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
439 Entscheidet sich der Besteller – so wirtschaftlich unsinnig dies auch sein mag – für Letzteres, ist logische Konsequenz, dass er mängelbedingte Ansprüche nicht dem Verwalter entgegenhalten kann, der den Werklohn verfolgt. Der Besteller kann nämlich nicht einerseits sich seinen Erfüllungsanspruch gegen den später von den Fesseln des Insolvenzverfahrens „befreiten“ Schuldner erhalten und andererseits mit einem aus demselben Vorgang abgeleiteten Schadensersatzanspruch gegen eine vom Verwalter verfolgte Werklohnforderung aufrechnen. Das würde zu einer nicht gerechtfertigten „Anspruchsverdoppelung“ führen. 440 Allein lebensnah ist es, dass der Besteller nach erfolgloser Aufforderung an den Verwalter, hinsichtlich des Mangels Vertragserfüllung zu wählen, die „Forderung wegen der Nichterfüllung“ im Wege der Aufrechnung geltend macht. Die Rechtsnatur dieses Anspruchs ist streitig. Konsensfähig erscheint aber die Feststellung, dass die für Schadensersatzforderungen nach dem BGB geltenden Regeln auf diesen Anspruch anzuwenden sind. MünchKomm-Huber, § 103 Rn. 184.
441 Demnach erscheint es – entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs in ZIP 1999, 199, 201 – fernliegend, von einer Minderung zu sprechen. Richtiger erscheint die Einstufung als Schadensersatzanspruch, sodass die zu §§ 636, 249 ff. BGB geltenden Regeln maßgeblich sind. Allerdings sind die terminologischen Fragen – Schadensersatzanspruch oder Minderung? – nicht überzubewerten, da die Ergebnisse sich jedenfalls nach dem aktuellen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht unterscheiden: 442 In beiden Fällen berechnet sich der Anspruch des Bestellers regelmäßig nach dem Geldbetrag, der aufgewendet werden muss, um den Mangel zu beseitigen. Zum Schadensersatzanspruch: BGH BauR 2007, 1567, 1568 l. Sp. m. w. N.; zur Minderung: BGH BauR 1972, 242, 243 r. Sp.; BGH ZfIR 2007, 492 (m. Anm. Pause, S. 493) = BauR 2007, 113, 114 r. Sp.; für die Fortgeltung dieser zum alten Recht ergangenen Judikatur: Kniffka/Krause-Allenstein, § 638 Rn. 18.
443 Es wird allerdings mit sehr beachtlichen Argumenten in Zweifel gezogen, ob es zutreffend ist, einen mangelbedingten Schadensersatzanspruch auch dann nach den nötigen Kosten der Mangelbeseitigung zu berechnen, wenn der Besteller gar nicht den Mangel beseitigt (hat). Vorgeschlagen wird für solche Fälle, keine fiktiven Mangelbeseitigungskosten zu gewähren, sondern den Schadensersatz nach der Differenz zwischen dem (hypothetischen) Wert des Bauwerks ohne Mangel und dem (tatsächlichen) Wert des mangelhaften Bauwerks zu bemessen. Halfmeier, BauR 2013, 320.
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Über beide Anspruchsgrundlagen lässt sich das Problem des unverhältnis- 444 mäßigen Nachbesserungsaufwands bewältigen. Dieser Einwand des Verwalters wird nur selten durchgreifen, da der Verwalter für den regelmäßig vom Schuldner schuldhaft herbeigeführten Mangel vollumfänglich einzustehen hat. Dogmatischer Ansatzpunkt für diesen Einwand ist beim Schadensersatzanspruch § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB analog, BGH ZIP 2003, 1203 = ZfIR 2003, 552 (m. Anm. C. Schmitz, S. 553) = BauR 2003, 1209, 1211, dazu EWiR 2003, 691 (Schwenker); BGH ZfIR 2005, 595 (LS) = BauR 2005, 1014, 1015 l. Sp.; BGH ZfIR 2006, 618 Rn. 14 ff., 25 ff. (m. Anm. Thode, S. 621); Kniffka/Krause-Allenstein, § 636 Rn. 70,
bei der Minderung § 275 Abs. 2 BGB. Kniffka/Krause-Allenstein, § 638 Rn. 18.
Ist der Einwand ausnahmsweise relevant, hat der Besteller keinen Anspruch 445 auf Ersatz der vollen (unverhältnismäßig hohen) Nacherfüllungskosten, sondern ist auf einen Minderungsbetrag beschränkt: Hierunter fallen die Differenz zwischen der erbrachten und der geschuldeten Ausführung; der durch die vertragswidrige Ausführung verursachte etwaige technische Minderwert (zu bemessen anhand der Beeinträchtigung der Nutzbarkeit und damit des Ertrags- und Veräußerungswerts des Gebäudes); schließlich der merkantile Minderwert. BGH ZIP 2003, 724, 726 = ZfIR 2003, 279 (m. Anm. Schwenker, S. 281), dazu EWiR 2003, 391 (Siegburg).
Das vorgenannte Urteil ist zwar zum alten Recht ergangen, dürfte aber trotz 446 der nunmehr in § 638 Abs. 3 BGB enthaltenen Berechnungsformel weiterhin sowohl für den Schadensersatzanspruch als auch für die Minderung gelten. Sofern der Besteller zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kann er den Schaden 447 von vornherein nur nach den Nettomangelbeseitigungskosten berechnen. OLG Celle IBR 2004, 564.
Ist er dagegen nicht vorsteuerabzugsberechtigt, gewährte ihm die Rechtspre- 448 chung auch vor der Mängelbeseitigung einen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer als Schaden. Davon ist der Bundesgerichtshof nun abgegangen. Ein vor der Mängelbeseitigung geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Mängeln an einem Bauwerk umfasst nicht die auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten entfallende Umsatzsteuer. BGH BauR 2010, 1752.
Soweit der Bundesgerichtshof den Besteller darauf verweist, entweder einen 449 Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB geltend zu machen oder einer
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
drohenden Verjährung durch Erhebung einer Feststellungsklage zu begegnen, falls er sich die Möglichkeit einer späteren Mängelbeseitigung auf Kosten des Unternehmers erhalten will, BGH BauR 2010, 1752 Rn. 16,
hilft ihm das in der Insolvenz des Unternehmers nicht weiter: Ein Vorschussanspruch gegen den Verwalter, der hinsichtlich des Mangels nicht die Vertragserfüllung gewählt hat, besteht ebenso wie ein Anspruch auf Erstattung von Kosten einer Selbstvornahme nicht (Rn. 464 f.). Ein Feststellungsanspruch lässt sich weder gegen eine Werklohnforderung, die der Verwalter verfolgt, aufrechnen noch zur Insolvenztabelle anmelden. Im Bedarfsfall muss daher der Besteller den Mangel beseitigen und den Schaden auf Grundlage der konkreten Kosten mit Umsatzsteuer geltend machen (siehe Rn. 465) oder riskieren, dass seine Gegenforderung gekürzt wird. 450 Zusammengefasst: Im Stadium nach Abnahme der Bauleistung (zur Lage vor Abnahme siehe Rn. 152 ff.) kann (und sollte) der Besteller nach vorheriger fruchtloser Fristsetzung an den Verwalter gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO wegen vom Verwalter nicht beseitigter Mängel mit einem (Schadensersatz-)Anspruch in Höhe der notwendigen Mängelbeseitigungskosten aufrechnen. In allerdings nur unter besonderen Umständen anzunehmenden Ausnahmefällen ist dieser Anspruch der Höhe nach begrenzt, wenn es dem Schuldner/Verwalter unzumutbar wäre, die vom Besteller in nicht sinnvoller Weise geforderten Aufwendungen zu tragen. Umsatzsteuer erhält vor Mängelbeseitigung der nicht vorsteuerabzugsberechtigte Besteller nicht; eventuell werden künftig auch weitere Mängelbeseitigungsbegleitkosten kritisch beäugt. cc) Darlegungs- und Beweislast 451 Bei der Darlegungs- und Beweislast ist zu unterscheiden zwischen der Frage, ob das vom Schuldner erstellte Teilwerk mangelhaft ist, und der bejahendenfalls weiteren Frage, wie hoch die für den (Schadensersatz-)Anspruch des Bestellers maßgeblichen Mängelbeseitigungskosten sind. 452 Für die grundsätzliche Frage – liegen Mängel vor? – gelten die allgemeinen Regeln: Ist das Teilwerk abgenommen und hat sich der Besteller keine Mängelrechte bei Abnahme vorbehalten, liegt die Beweislast für Mängel beim Besteller. BGH BauR 1997, 129, 130 r. Sp.
453 Unterblieb eine Abnahme, hat der Unternehmer/Verwalter die Beweislast dafür, dass das Teilwerk mangelfrei ist. BGH BauR 1981, 577, 579 l. Sp. (st. Rspr.): BGH BauR 2009, 237 Rn. 14.
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Ebenso liegt die Beweislast für Mängelfreiheit insoweit beim Unternehmer/ 454 Verwalter, als sich der Besteller bei Abnahme wegen einzelner Mängel (symptome) seine Rechte vorbehalten hat. BGH BauR 1997, 129, 130 r. Sp; BGH BauR 2009, 237 Rn. 14.
In der Insolvenzpraxis häufig ist die Konstellation, dass vor der gerichtlichen 455 Auseinandersetzung der Besteller Mängel des Teilwerks beseitigt hat und daher der ursprüngliche Zustand des Teilwerks nicht mehr einer gerichtlichen Beweisaufnahme zugänglich ist. Dies ändert nichts an den oben dargestellten allgemeinen Regeln, sodass der Unternehmer/Verwalter die Beweislast für die Mängelfreiheit trägt, wenn das Teilwerk noch nicht abgenommen war. BGH BauR 1993, 469, 472; BGH BauR 2009, 237 Rn. 16.
Eine Beweislastumkehr oder wenigstens Beweiserleichterungen zugunsten 456 des Unternehmers/Schuldners kommen nur in Ausnahmekonstellationen in Betracht, etwa wenn in der Mängelbeseitigung durch den Besteller eine Abnahme des Werks zu sehen ist (was bei anhaltenden Mängelrügen des Bestellers zu verneinen ist), BGH BauR 1993, 469, 472,
oder wenn dem Besteller eine Beweisvereitelung zur Last fällt. Eine Beweisvereitelung liegt vor, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden. Eine Beweisvereitelung kann auch in einem fahrlässigen Unterlassen einer Aufklärung bei bereits eingetretenem Schadensereignis liegen, wenn damit die Schaffung von Beweismitteln verhindert wird, obwohl die spätere Notwendigkeit einer Beweisführung dem Aufklärungspflichtigen bereits erkennbar sein musste. BGH NJW-RR 1996, 883, 885 r. Sp.; BGH BauR 2009, 237 Rn. 19.
Die bloße Mängelbeseitigung durch den Besteller begründet nicht den Vor- 457 wurf der Beweisvereitelung, wenn der Unternehmer trotz einer Mängelrüge nicht seiner Pflicht nachkommt, die Mangelursache zu ermitteln und den Mangel zu beseitigen. Es bedarf vielmehr weiterer Umstände, etwa, dass der Besteller ausgetauschte Teile, die für die Beweisführung des Unternehmers von Bedeutung sind, nicht verwahrt. BGH BauR 2009, 237 Rn. 20.
Weitere Umstände, die den Vorwurf einer Beweisvereitelung rechtfertigen, 458 können darin liegen, dass der Besteller es dem Unternehmer nicht ermöglicht, sich an der Schadensfeststellung zu beteiligen, obwohl dieser darum
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
gebeten und der Besteller diese Bitte nicht zurückgewiesen hatte. Weiter gereicht es dem Besteller zum Nachteil, wenn er dem Unternehmer weitergehende Erkenntnisse nicht mitteilt, obschon der Besteller weiß, dass der Unternehmer sich des Umfangs der erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und damit auch der Notwendigkeit weiterer Feststellungen nicht bewusst ist. Schließlich kann unter Berücksichtigung der bauvertraglichen Kooperationspflichten der Besteller verpflichtet sein, dem Unternehmer den Beweis zu ermöglichen, dass der Mangel seines Werks sich auf einen bestimmten Bereich beschränkt, wenn der Umfang der Mängel erst im Zuge der Mängelbeseitigungsmaßnahmen sichtbar werden konnte. BGH BauR 2009, 237 Rn. 21.
459 Eine solche Beweisvereitelung kann zu einer Umkehr der Beweislast zulasten des Bestellers führen. Das ist gerechtfertigt, wenn der Besteller seine Kooperationspflicht dadurch verletzt, dass er dem Unternehmer weder eigene Feststellungen zu den behaupteten Mängeln ermöglicht noch eine Dokumentation erstellt, anhand derer das Vorliegen der angeblichen Mängel überprüft werden kann. BGH BauR 2009, 237 Rn. 22 ff.
460 Für die Höhe der Mängelbeseitigungskosten trägt der Besteller die Darlegungsund Beweislast. Der Bundesgerichtshof hat zwar für das „normale“ Baurecht jenseits der Insolvenz entschieden, BGH BauR 1997, 133, 134 l. Sp.,
dass der Besteller nicht beziffern muss, in welcher Höhe er seine Leistung wegen Mängeln zurückhält: Nach § 320 Abs. 1 BGB kann ein Besteller wegen eines Mangels die Zahlung des noch offenen Werklohns verweigern; das Gesetz sieht eine Beschränkung des Leistungsverweigerungsrechts auf einen dem noch ausstehenden Teil der geschuldeten Gegenleistung entsprechenden Teil grundsätzlich nicht vor. Vielmehr muss der Unternehmer dartun, dass der einbehaltene Betrag auch bei Berücksichtigung des Durchsetzungsinteresses des Bestellers unverhältnismäßig und deshalb unbillig ist. 461 Auch mehrfacher Änderung des § 641 Abs. 3 BGB in den letzten Jahren hat diese Entscheidung weiterhin Gültigkeit, da sich an ihren tragenden und interessengerechten Gründen, zu diesen Kniffka, IBR 1997, 14,
nichts geändert hat. 462 § 320 Abs. 1 BGB gelangt jedoch nach insolvenzbedingter Suspendierung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zur Anwendung, sodass die allgemeinen Regeln gelten und der geschädigte Besteller nach Schadensersatzwahl (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO) die mangelbedingte Schadenshöhe darlegen und beweisen muss. Helling, in: Baumgärtel u. a., § 249 BGB Rn. 17 ff.
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Hierzu folgende Beispiele: 1. Es ist unstreitig, dass bei einem größeren Bauvorhaben zahlreiche Fenster mangelhaft sind und ausgetauscht werden müssen. Gleichwohl klagt der Unternehmer den nominal unstrittigen Restwerklohn von 200.000 € gegen den Besteller ein, ohne vorher nachzubessern, weil er meint, der Besteller dürfe wegen der Fenster nicht den vollen Restwerklohn zurückhalten. Richtigerweise wird der Besteller die Klageforderung unter Verwahrung gegen die Kosten (§ 93 ZPO) anerkennen mit der Maßgabe, dass eine Verurteilung zur Zahlung (ohne Zinsen) nur Zug um Zug gegen Beseitigung der unstrittigen Mängel an den Fenstern erfolgt. 2. Erst wenn der Unternehmer die notwendigen Nacherfüllungskosten qualifiziert nachweist (sei es durch ein Gerichtsgutachten, sei es auf andere Weise), muss der Besteller überprüfen, ob er möglicherweise einen zu hohen Betrag zurückbehält und einen Teil sofort auszahlen muss. 3. Dagegen muss nach insolvenzbedingter Suspendierung des Vertrags der Besteller, der Schadensersatz geltend macht, die notwendigen Nacherfüllungskosten konkret beziffern. Beantragt er Klageabweisung mit der Behauptung, die Nacherfüllungskosten betrügen 200.000 €, und stellt der Sachverständige später verbindlich nur Nacherfüllungskosten von 30.000 € fest, so unterliegt der Besteller wegen des überschießenden Restbetrags und trägt anteilig die Kosten des Rechtsstreits. dd) „Selbstvornahme“ Ist es für den Besteller vertretbar, den Mangel wegen der noch nicht abge- 463 schlossenen Auseinandersetzungen mit dem Verwalter zunächst unverändert zu lassen, kann er im Rechtsstreit mit dem Verwalter nach dessen Weigerung, den Mangel zu beseitigen, mit einem Schadensersatzanspruch gegen den Vergütungsanspruch des Verwalters aufrechnen. Ein Gerichtsgutachter kann den Mangel vor Ort überprüfen. Sieht sich hingegen der Besteller gezwungen, Mängel vor abschließender Klärung mit dem Verwalter zu beseitigen, geben ihm jenseits der Insolvenz des Unternehmers § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/ B oder § 637 Abs. 1 BGB dieses Recht. Dazu muss er dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen. Erst nach deren fruchtlosem Ablauf kann der Besteller mit Recht die Mängel selbst beseitigen und vom Unternehmer Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen (Selbstvornahme). Ist das Werk des Unternehmers noch nicht abgenommen, sind für den VOB/B-Vertrag die Klauseln des § 4 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B zu beachten (Rn. 152 ff.). Diese Vorschriften/Klauseln werden jedoch nach Verfahrenseröffnung durch § 103 InsO überlagert, sodass es in diesem Stadium nicht mehr darauf ankommt, ob das Teilwerk des Unternehmers abgenommen ist oder nicht. Daher muss der Besteller wegen der von ihm erkannten Mängel den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auffordern (§ 103 Abs. 2 InsO). Erst danach kann er den Mangel selbst be-
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
seitigen (lassen), ohne befürchten zu müssen, durch eine vorschnelle Beseitigung Rechtsnachteile zu erleiden. 464 Ein Selbstvornahmerecht besteht indessen nicht, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert. Das ist durch die Regelung des § 637 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB zum Ausdruck gebracht. Kniffka/Krause-Allenstein, § 637 Rn. 10.
465 Sofern der Verwalter auf die Aufforderung hin nicht die Erfüllung wählt, besteht mithin gegen ihn kein durchsetzbarer Anspruch auf Mängelbeseitigung, sodass eine Selbstvornahme im Rechtssinn nicht erfolgen kann. Daher ist dieser allseits verbreitete Begriff in der Überschrift in Anführungszeichen gesetzt und soll die Mängelbeseitigung durch den Besteller selbst – nach vorheriger fruchtloser Aufforderung an den Verwalter – bezeichnen. Die dabei auflaufenden Kosten sind also im Ergebnis ein Schadensersatzanspruch gem. § 103 Abs. 2 InsO. Das Problem, dass der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Besteller vor Mängelbeseitigung keine Umsatzsteuer verlangen kann (Rn. 448), stellt sich nicht. Die Umsatzsteuer ist ersatzfähig, wenn der Besteller diese tatsächlich aufgewendet hat und nicht im Rahmen eines Vorsteuerabzugs erstattet bekommt. BGH BauR 2010, 1752 Rn. 16.
466 Umgekehrt: Beseitigt der Besteller hingegen eigenmächtig ohne vorherige Fristsetzung an den Verwalter die Mängel, steht ihm kein Schadensersatzanspruch zu, es sei denn, der Besteller kann darlegen und beweisen, dass der Verwalter zu einer Mängelbeseitigung nicht in der Lage gewesen wäre. Dieser Einwand, eine Fristsetzung wäre eine fruchtlose Förmelei gewesen, scheitert meist daran, dass der Verwalter im Gegenzug darlegen kann, jedenfalls durch einen von ihm zu beauftragenden Unternehmer hätte er auf Kosten der Insolvenzmasse die Mängel beseitigen lassen können. Über diese Grundsätze besteht jedenfalls im Ergebnis Einigkeit in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. OLG Hamm BauR 1984, 537, 538; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1110; OLG Celle BauR 1995, 856, dazu EWiR 1995, 169 (Pape); OLG Hamm, OLGR 1998, 184, 185; OLG Naumburg BauR 2003, 115, 116 r. Sp.; OLG Düsseldorf BauR 2011, 121, 125 r. Sp.
467 Diese Entscheidungen stellen weniger auf § 103 InsO ab als auf die zitierten generellen baurechtlichen Vorschriften. Diese dogmatischen Differenzen können dahinstehen, da nach jeder Auffassung der Besteller die oben beschriebenen Formalien einhalten muss.
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags Praxistipp: Eine Aufforderung des Bestellers an den Verwalter, konkret gerügte Mängel – maßgeblich sind die Anforderungen der „Symptomtheorie“ des Bundesgerichtshofs (zu dieser z. B. BGH BauR 1989, 79, 80) – innerhalb einer datumsmäßig bestimmten Frist zu beseitigen, ist gem. §§ 133, 157 BGB bei einem beiderseits nicht vollständig erfüllten Vertrag immer auch als Aufforderung zur Erfüllungswahl i. S. d. § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO auszulegen. Die Verwendung der in der Baupraxis verbreiteten Formulare „Mängelrüge nach Abnahme gem. § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B“ führt also nicht zu einem Rechtsverlust.
Schwierig ist die Rechtslage, wenn der Besteller bereits wegen bestimmter 468 Mängelsymptome oder wegen des Vertrags insgesamt den Verwalter erfolglos zur Erfüllungswahl aufgefordert hat, danach aber neue Mängelsymptome auftreten. Beispiel: Aus dem seitens des Bestellers berechtigt gekündigten Bauvertrag steht dem Verwalter für das bis zur Kündigung erstellte Teilwerk nach Abzug von berechtigten Gegenforderungen des Bestellers ein unstrittiger Vergütungsanspruch von 20.000 € zu. Wegen eines Mangels an der Abdichtung der Tiefgarage setzt der Besteller dem Verwalter fruchtlos Frist zur Nacherfüllung und rechnet sodann nach Beseitigung dieses Mangels durch einen von ihm eingesetzten Zweitunternehmer mit dem daraus resultierenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 10.000 € (zu Recht) gegen diesen Vergütungsanspruch auf. Ein halbes Jahr später zeigen sich gravierende Mängelsymptome am Estrich mit Beseitigungskosten von 10.000 €. Da die Fristsetzung zum Mangelkomplex „Abdichtung“ an den Verwalter fruchtlos blieb, lässt diesmal der Besteller die Mängelbeseitigung ohne vorherige Fristsetzung an den Verwalter durchführen und möchte auch mit diesen Kosten gegen den verbliebenen Restwerklohnanspruch in gleicher Höhe aufrechnen. Mit Erfolg? Zieht man mit den zitierten OLG-Entscheidungen die baurechtlichen Regeln 469 heran, steht fest, dass die erste Fristsetzung nur hinsichtlich der von ihr erfassten Mängelsymptome einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Beseitigungskosten zulasten des Verwalters rechtfertigen konnte. Da Mängelsymptome am Estrich ersichtlich einen anderen Mangel (also eine andere Ursache) betreffen, scheitert nach dieser Betrachtungsweise die Aufrechnung an der unterbliebenen Fristsetzung. Richtigerweise ist aber nach Verfahrenseröffnung auf die Spezialvorschrift 470 des § 103 InsO abzustellen. Wird der Verwalter zur Erfüllung des Vertrags aufgefordert, trifft er die dafür notwendige Willensbildung nur anhand der Daten zum Bauvorhaben, die ihm zum Zeitpunkt der Aufforderung bekannt sind. Deshalb kann von ihm nicht erwartet werden, noch gar nicht gerügte Mängel 471 quasi im Voraus zu erkennen und auch sie in seine ablehnende Erklärung einzubeziehen. Hat nämlich im Beispielsfall der Verwalter wegen des Ab115
A. Die Insolvenz des Unternehmers
dichtungsmangels in der Tiefgarage keine für die Masse günstige Nacherfüllungsmöglichkeit zur Hand, ist zwangsläufig, dass er nicht nacherfüllt und stattdessen den Abzug eines Schadensersatzbetrags vom Vergütungsanspruch der Masse in Kauf nimmt. Hingegen kann er wegen des Estrichmangels einen – für die Masse kostenfreien – Nacherfüllungsanspruch gegen einen vollständig bezahlten Nachunternehmer des Schuldners haben, sodass insoweit einer Nacherfüllung nichts entgegensteht. 472 Ausschlaggebend sind die Besonderheiten beim Bauvertrag: Während der Verwalter den Aufwand für die Restfertigstellung des Werks oder für die Beseitigung von gerügten Mängeln vor seiner Entscheidung über die Erfüllungswahl kalkulieren kann und muss, ist dies wegen noch nicht einmal vom Besteller erkannter und gerügter Mängel unmöglich. Die in der unterbleibenden Mängelbeseitigung liegende Nichterfüllungswahl des Verwalters hat daher nach §§ 133, 157 BGB nur Auswirkungen auf das konkret gerügte Mängelsymptom und den diesen zugrunde liegenden Mangel. Sie lässt folglich das Recht des Verwalters, die Erfüllung des Vertrags wegen anderer Mängel zu wählen, und die dem korrespondierende Obliegenheit des Bestellers, jeweils neu Frist zu setzen, unberührt. C. Schmitz, ZIP 2001, 765; MünchKomm-Huber, InsO, § 103 Rn. 146a f.; Vogel, Jahrbuch Baurecht 2004, 107, 124; a. A. Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 105, Rn. 32 ff.; a. A. Matthies, BauR 2012, 1005, 1012 f.; a. A. wohl auch Kreft, in: Festschrift Kirchhof, S. 275, 284.
473 Der Gegenmeinung Berscheids ist allerdings zuzugestehen, dass sie dem herkömmlichen Verständnis von der Erfüllungswahl eher entspricht als die hier vertretene Auffassung. Traditionell gibt es bei § 103 InsO und seinen Vorgängernormen in der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung keine „Teilerfüllungswahl“, sondern es gilt – im Guten wie im Schlechten – das Prinzip des (unwiderruflichen) „Alles oder Nichts“. 474 Beachtlich ist in diesen Zusammenhängen die in baurechtlicher Hinsicht ansetzende Lösung des OLG Brandenburg. OLG Brandenburg IBR 2007, 556 (Volltext unter II.3a):
475 Hat wiederholt der Verwalter gerügte Mängel weder innerhalb der gesetzten Frist noch später beseitigen lassen, so spricht zugunsten des Bestellers die Vermutung, dass es auch in den übrigen Fällen, in denen Mängelrügen unterblieben, nicht zu einer Nachbesserung durch den Verwalter gekommen wäre. Diese Vermutung muss dann der Verwalter entkräften.
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags Praxistipp: Diese wichtige Streitfrage ist vom Bundesgerichtshof noch nicht geklärt. Auch wer der hier vertretenen Auffassung nicht zuneigt, sollte als Besteller sie als „sichersten Weg“ beachten. Er hat dadurch Vorteile auch in anderer Hinsicht: Steht eine (Mängel-)Bürgschaft zur Verfügung, führt der Besteller durch die fruchtlose (erneute) Fristsetzung an den Verwalter auch wegen des weiteren Mangels den Sicherungsfall herbei, der erst die Inanspruchnahme einer Bürgschaft ermöglicht (BGH BauR 2010, 765 Rn. 34; auf die Fiktion des § 41 Abs. 1 InsO, wonach noch nicht fällige Forderungen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens als fällig gelten, kann sich hingegen der Besteller nicht berufen, denn sie betrifft nur das Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Insolvenzgläubiger, nicht aber das Verhältnis des Letzteren zu Dritten wie einem Bürgen [OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.2.2013 – 1 U 168/12, ZIP 2013, 990; für die Umrechnungsfiktion des § 45 InsO kann nichts anderes gelten]). Bei Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag schaltet nach sehr diskutabler Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH ZIP 1993, 497, 499, dazu EWiR 1993, 507 (Kniffka) außerdem die – in unverjährter Zeit erfolgte – erneute Fristsetzung die gem. § 768 BGB dem Bürgen mögliche Einrede aus, die Hauptschuld sei verjährt. Schließlich werden die Darlegung und der Beweis des Mangels gerade auch im Stadium nach Abnahme eher möglich sein, wenn der Besteller den Verwalter zur Beseitigung aufgefordert hat, dieser aber untätig geblieben ist. Andernfalls wird die Verteidigung des Verwalters oft Erfolg haben, der Mangel habe nie bestanden, sei jetzt aufgrund (angeblicher) Beseitigung durch den Besteller nicht mehr feststellbar und ihm – dem Verwalter – sei nicht einmal im Vorfeld der Beseitigung die Möglichkeit der Überprüfung gegeben worden.
ee) Verjährung Was die Verjährung von Mängelansprüchen anbelangt, so kann sich der Be- 476 steller nach einer älteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs innerhalb des (damals angenommenen insolvenzrechtlichen) Abrechnungsverhältnisses grundsätzlich auf Mängel ohne Rücksicht auf die sonst für Mängelansprüche maßgebende Verjährung berufen. BGH ZIP 1986, 382, 383 f. Praxistipp: Dieses Urteil wird oft missverstanden. Das Urteil betrifft nicht die Fälle, in denen bereits vor Verfahrenseröffnung eine Abnahme vom Besteller erklärt worden ist: Die dadurch in Gang gesetzte Verjährungsfrist läuft weiter und wird durch die Verfahrenseröffnung nicht beeinträchtigt (BGH ZIP 1985, 1380, 1382 l. Sp., dazu EWiR 1985, 973 (Horn).
Diese Rechtsprechung wirft die Frage auf, wodurch der Verwalter erreichen 477 kann, dass für Mängel(schadensersatz)ansprüche die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Dies ist von Bedeutung z. B. für den Sicherheitseinbehalt oder gestellte Bürgschaften, die erst nach Eintritt der Verjährung von Mängelansprüchen zurückzugeben sind (§ 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B): Nach dem in § 8 Abs. 6 1. Halbs. VOB/B zum Ausdruck kommenden allge- 478 meinen Rechtsgedanken kann der Verwalter die Abnahme des bis zur Ver-
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
tragskündigung bzw. -suspendierung erstellten Teilwerks durchsetzen, wenn es abnahmefähig ist (siehe Rn. 146 ff.). Praxistipp: Einem Verwalter, der Wert auf einen eindeutigen und rechtssicheren Beginn der Mängelanspruchsverjährungsfrist legt, kann wiederum nur geraten werden, gemäß dem in § 8 Abs. 6 1. Halbs. VOB/B zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken unter Fristsetzung die Abnahme zu fordern. Bei ausbleibender Reaktion des Bestellers ist unter Umständen (siehe Rn. 148) nach Fristablauf von einer Abnahme auszugehen (§ 640 Abs. 1 Satz 3 BGB).
479 Ohne Abnahme bleibt ungeachtet der Suspendierung der Hauptleistungspflichten der Vertrag verjährungsrechtlich im Erfüllungsstadium. BGH ZIP 2003, 672, 673 f. = ZfIR 2003, 375 (m. Anm. Siegburg, S. 378).
ff) Kein Leistungsverweigerungsrecht wegen abstrakter Mängelsorgen 480 Lediglich tatsächlich bestehende Mängel können den Besteller (nach fruchtloser Fristsetzung) zur Aufrechnung berechtigen. Befürchtet der Besteller lediglich, es könnten im Laufe der nächsten Jahre Mängel auftreten und sein Anspruch auf Nacherfüllung bzw. seine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen laufe dann ins Leere, so kann er hiermit nicht gehört werden. Er kann nicht Sicherstellung verlangen wegen bisher nicht bekannter, allenfalls möglicher Mängel des Werks. Spekulative Chancen und Risiken können in einem Insolvenzverfahren nicht berücksichtigt werden, welches vielmehr unbelastet von solchen noch unbestimmten Positionen zügig abgewickelt werden soll und muss. BGH ZIP 1994, 714, 715, dazu EWiR 1994, 591 (Münch); OLG Hamburg MDR 1988, 861, 862 l. Sp.; OLG Hamm NJW-RR 1997, 1242, 1243 l. Sp.
gg) Aufrechnungsmöglichkeiten des Bestellers im formalen Anwendungsbereich des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO 481 Selbst wenn die Daten (die vom Verwalter verfolgte Werklohnforderung ist nach Verfahrenseröffnung, aber vor der Umwandlung des Mängelanspruchs in einen Zahlungsanspruch fällig geworden) für die Anwendung des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO sprechen, ist dem Besteller stets die Aufrechnung mit den Mängelbeseitigungskosten möglich (Rn. 428 ff.). Probleme können aber wegen der mit den Mängeln verbundenen Begleitkosten auftreten. Beispiel: Nach Verfahrenseröffnung am 1.2.2006 wird die Forderung des Verwalters in Höhe von 20.000 € aus der Schlussrechnung am 1.4.2006 fällig. Der Besteller bezahlt zunächst nicht. Am 1.6.2006 platzt ein vom Schuldner mangelhaft er-
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
richtetes Leitungsrohr. Es entsteht an Einrichtungsgegenständen, Büchern und Gemälden des Bestellers ein Schaden von 12.000 €. Zur Ursachenermittlung schaltet der Besteller einen Privatgutachter ein, dessen Rechnung er am 1.7.2006 mit 3.000 € bezahlt. Der Verwalter lehnt trotz Fristsetzung die Mängelbeseitigung ab. Die Kosten der Mängelbeseitigung als solcher belaufen sich auf 5.000 €. Der Besteller rechnet gegen den Werklohnanspruch in voller Höhe auf. Zu Recht? Trotz § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO, der tatbestandlich scheinbar anwendbar ist, 482 ist die Aufrechnung in Höhe von 5.000 € wirksam. Der Anspruch wegen der Mängelbeseitigungskosten steht im engen Synallagma mit der Werklohnforderung (Rn. 430). Dies lässt sich für die weiteren Positionen schwerlich bejahen. Da diese erst nach dem 1.4.2006 fällig geworden sind, nämlich mit dem Schadenseintritt am sonstigen Eigentum des Bestellers am 1.6.2006 und (frühestens) mit der danach erfolgten Beauftragung des Gutachters, ist dem Besteller wegen § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO die Aufrechnung verwehrt. Dass der schadensursächliche Mangel schon davor dem schuldnerischen Werk anhaftete, ändert an dieser zu späten Fälligkeit nichts. Der Besteller kann nur versuchen, sich über eine etwa bestehende Betriebshaftpflichtversicherung des Schuldners (dazu Rn. 687 ff.) oder eine eigene Versicherung wegen der Schäden am sonstigen Eigentum schadlos zu halten. c) Restfertigstellungsmehrkosten aa) Besondere Relevanz in der Bauinsolvenz Diese Schadensersatzposition spielt oft die ausschlaggebende Rolle. Regel- 483 mäßig ist mit Mehrkosten bei der Restfertigstellung eines wegen Insolvenz nicht beendeten Teilwerks zu rechnen. Dies beruht zum einen darauf, dass der Zweitunternehmer auf dem Teilwerk des Erstunternehmers (Schuldners) aufbaut, woraus vielfältige und für den Zweitunternehmer im Vorfeld nur schwer verlässlich beurteilbare Abgrenzungsprobleme (Mängelhaftung, Pflicht zur Prüfung und zu Bedenkenhinweisen usw.) resultieren. Zum anderen befindet sich der Besteller in einer ungünstigen Verhandlungsposition, wenn er wegen des laufenden und oft ohnehin schon verzögerten Bauvorhabens gezwungen ist, einen Zweitunternehmer schnellstmöglich zu beauftragen. OLG Dresden, BB 2001, 1495, 1497 r. Sp., dazu EWiR 2001, 891 (Kröll).
Das OLG München hat aufgrund seiner Erfahrungen der letzten Jahre ge- 484 schätzt, dass sehr häufig eine Kostensteigerung von 30 % und mehr eintreten kann. OLG München BauR 2010, 1230, 1232 l. Sp.
Etwas entschärfen kann der Besteller diese Problematik, wenn er zuverlässige 485 Nachunternehmer eines insolventen Generalunternehmers zur Weiterarbeit bewegen kann, da durch den ursprünglich vom Erstunternehmer einkalkulierten GU-Zuschlag meist hinreichend Verhandlungsspielraum besteht und die Einarbeitungsproblematik entfällt. 119
A. Die Insolvenz des Unternehmers
bb) Schlüssige Darlegung des Schadens 486 Wegen der bereits mehrfach angesprochenen Parallelität der Rechtslage nach einer berechtigten Kündigung des Bestellers und nach einem Schadensersatzanspruch des Bestellers nach Vertragssuspendierung gem. § 103 InsO und unterbleibender Erfüllungswahl des Verwalters sind an die Darlegung dieser Position durch den Besteller die Anforderungen zu stellen, die die Rechtsprechung zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B entwickelt hat. 487 Der Bundesgerichtshof, BGH BauR 2000, 571, 572 l. Sp.,
hat mit Urteil vom 25.11.1999 hierzu folgende Grundsätze herausgestellt: Der Anspruch hängt nicht davon ab, dass der Besteller die Frist des § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B (über die Zusendung der Mehrkostenaufstellung) einhält. Die Anforderungen an seine Darlegung hängen von den Umständen der Vertragsabwicklung und der Ersatzvornahme sowie den Kontroll- und Informationsinteressen des Unternehmers ab. Entgegen der früher herrschenden Meinung, OLG Celle NJW-RR 1996, 343, 344 l. Sp.; LG München II IBR 1998, 526,
ist nicht generell und unabhängig vom Einzelfall eine den Anforderungen des § 14 Abs. 1 VOB/B entsprechende Abrechnung zu fordern. 488 In der Regel genügt nach dem Bundesgerichtshof zur Berechnung der Restfertigstellungsmehrkosten die Darlegung der anderweitig als Ersatzvornahme erbrachten Leistung, der dadurch entstandenen Kosten und der infolge der Kündigung nicht mehr an den Erstunternehmer zu zahlenden Vergütung sowie die Berechnung der sich daraus ergebenden Differenz. 489 Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1999 ist zuzustimmen. Allerdings ist es fehlerhaft, von „Ersatzvornahme“ zu sprechen, da hiermit im alten Recht die Mängelbeseitigung im Verzug des Erstunternehmers durch einen Zweitunternehmer bezeichnet wurde (§ 633 Abs. 3 BGB a. F.; § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B a. F.; nunmehr „Selbstvornahme“). Wenn auch in Extremfällen die Abgrenzung zwischen der Beseitigung von Mängeln und der Erledigung fehlender Restleistungen schwierig ist, müssen beide Rechtsinstitute schon wegen ihrer unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale (bei Mängeln muss der Erstunternehmer die Gelegenheit zur Nacherfüllung erhalten, vgl. Rn. 466 ff.) sprachlich deutlich voneinander getrennt werden. Außerdem kann der Begriff „Ersatzvornahme“ beim Besteller die verhängnisvolle (Rn. 494, 498 ff.) Fehlvorstellung hervorrufen, er könne in einer Abrechnung Kosten der Mängelbeseitigung und der Restfertigstellung miteinander vermengen. 490 Richtigerweise handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch, der nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB zu berechnen ist. Der Besteller
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der gekündigte Unternehmer den Bauvertrag zu dem mit ihn vereinbarten Preis erfüllt hätte (Differenzhypothese). Zu Unklarheiten trägt allerdings die VOB/B bei, die zwar in § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 von „Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Restes“ spricht, in § 8 Abs. 3 Nr. 2 Satz hingegen von einer Berechtigung des Bestellers, „den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zulasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen“. Hält man sich diese Orientierung an den §§ 249 ff. BGB vor Augen, so er- 491 schließt sich auch, dass die obige Leitformel des Bundesgerichtshofs nicht konkurrenzlos ist. Das richtige Ergebnis wird auch dann erzielt, wenn man die Mehrkosten der Restfertigstellung wie folgt ermittelt: Diese bestehen in der Differenz zwischen den vom Besteller tatsächlich zur Durchführung des Bauvorhabens aufgewandten Kosten (Summe aus dem Werklohn für die vom Erstunternehmer erbrachte Werkleistung und den Kosten, die an den Zweitunternehmer gezahlt wurden, der die Arbeiten fertigstellte) und dem Betrag, den der Besteller bei unverändertem Leistungssoll und einer vollständigen Durchführung des Bauvortrags mit dem Erstunternehmer nach den mit ihm vereinbarten Preisen hätte zahlen müssen. KG IBR 2009, 572; vgl. auch OLG München BauR 2005, 1632, 1635 f.; Feser, BauR 2008, 1043.
Deshalb ist in diesem Buch stets von „Restfertigstellung“ und von „Rest- 492 fertigstellungsmehrkosten“ die Rede, wenn es um die Fertigstellung des Werks nach Kündigung bzw. nach ausgebliebener Erfüllungswahl des Verwalters und den daraus resultierenden Schadensersatzanspruch des Bestellers geht. Beispiel für eine korrekte Darlegung der Restfertigstellungsmehrkosten: LV-Position
Menge
1
70 m²
2 3
urspr. EP
neuer EP
Diff. EP
Diff. insg.
10
12
+2
+ 140
100 m²
5
4,50
– 0,50
– 50
100 m²
5
5
0
0
Gesamtrestfertigstellungsmehrkosten: + 90. In dieser Tabelle sind – zu einem Einheitspreisvertrag – in der ersten Spalte 493 die ursprünglichen Leistungsverzeichnis-Positionen aus dem Vertrag mit dem Erstunternehmer aufgenommen, in der zweiten Spalte die vom Zweitunternehmer noch ausgeführte Menge, in der dritten Spalte die ursprünglichen Preise des Erstunternehmers, in der vierten Spalte die neu mit dem Zweitunternehmer vereinbarten Preise, in der fünften Spalte mithin der sich daraus ergebende Differenzbetrag je Abrechnungseinheit, somit in der sechsten Spalte die Gesamtdifferenz, gewonnen durch Multiplikation des Mehr-/ Minderpreises in Spalte fünf mit der Menge in Spalte zwei. 121
A. Die Insolvenz des Unternehmers
494 Ergibt sich bei jeder einzelnen Position ein überschießender Betrag, so sind deren Summe die aufrechnungsfähigen Restfertigstellungsmehrkosten; gibt es bei einzelnen Positionen aufgrund der Neuvergabe Verbesserungen, bei anderen Positionen dagegen Verschlechterungen, so ist im Wege des Vorteilsausgleichs eine Saldierung vorzunehmen und kann dem Verwalter lediglich ein etwa sich ergebender Negativendbetrag entgegen gerechnet werden. Ebenso muss der Besteller sich einen „Vergabegewinn“ im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen, wenn er mit dem Schuldner zwei oder mehrere Bauverträge geschlossen hat, die er alle aufgrund der Insolvenz berechtigt kündigt oder aus denen er gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO einen Schadensersatzanspruch geltend macht, und es ihm gelingt, bei einem der Verträge zu günstigeren Konditionen (etwa durch Direktbeauftragung der Nachunternehmer des Schuldners) weiterzubauen. Praxistipp: Dringend beachten muss der Besteller, dass die Restfertigstellungsmehrkostenaufstellung insgesamt unschlüssig ist, wenn er die Restfertigstellungsmehrkosten und den nach fruchtloser Fristsetzung gegebenen (mängelbezogenen) Schadensersatzanspruch (und womöglich auch noch Kosten für dem Zweitunternehmer beauftragte „Nachträge“) in einem einheitlichen Betrag geltend macht, anstatt sie aufzuschlüsseln (BGH BauR 1988, 82, 84 l. Sp.; vgl. auch OLG Brandenburg, Urt. v. 16.2.2005 – 4 U 12/02, unter I.2.b) der Gründe). Daher sollte der Besteller die Restfertigstellungsarbeiten an den Zweitunternehmer so vergeben, dass dieser exakt das Restwerk ausführt, das auch der Erstunternehmer zu erstellen hatte. Dazu empfiehlt es sich für den Besteller, die Restfertigstellung mit dem Zweitunternehmer auf Grundlage des mit dem Erstunternehmer geschlossenen Vertrags zu vereinbaren, wobei er die vom Erstunternehmer bereits erbrachte Teilleistung herausnehmen kann (ähnlich OLG Frankfurt/M. IBR 2003, 668). Äußerst hilfreich ist es, wenn aufgrund einer mit dem Erstunternehmer vollzogenen Abnahme und Leistungsstandsabgrenzung (Rn. 137 ff.) eine klare Abgrenzung möglich ist.
495 Die Rechtsprechung zeigt, dass Besteller nicht immer in der Lage sind, Restfertigstellungsmehrkosten schlüssig darzulegen. 496 So hatte in einem Fall der Besteller einen Einheitspreis-Vertrag berechtigt gekündigt und nach seinem Vortrag die Restfertigstellung auf Stundenlohnbasis erledigen lassen. Das OLG Celle schrieb ihm ins Stammbuch, dass die Stundenzettel eine exakte und ausführliche Beschreibung der Arbeiten enthalten und dadurch dem Erstunternehmer ermöglichen müssen, die Restfertigstellung durch jeweilige Zuordnung zu den Einheitspreisen zu überprüfen, insbesondere darauf, ob Mehrmengen, geänderte oder Zusatzleistungen ausgeführt wurden. Ferner hielt das OLG Celle dem Besteller vor, dass er nicht klar zwischen Arbeiten zur Vollendung des Werks und solchen zur Beseitigung von Mängeln gliedert. OLG Celle BauR 2006, 117.
122
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
In diesem Fall hing die unzureichende Darlegung des Bestellers offenbar 497 auch mit dem – prinzipiell zulässigen – Wechsel der Abrechnungsweise (vom Einheitspreis- zum Stundenlohnvertrag) zusammen. Die zutreffenden Ausführungen des OLG Celle gelten aber generell für die Abrechnung der Restfertigstellungsmehrkosten. Genauso wenig rechnet ein Besteller die Restfertigstellungsmehrkosten 498 schlüssig ab, wenn er trotz geänderter Ausführung nur die gesamten Fertigstellungskosten, nicht aber die Mehrkosten darstellt und er sich außerdem wesentlich auf Angebote, nicht aber auf Schlussrechnungen der angeblichen Zweitunternehmer stützt, die Fertigstellungskosten mit den Mängelbeseitigungskosten vermischt, die Kosten im Einzelfall nicht nachvollziehbar sind und er Kosten für Arbeiten einbezieht, die mit dem ursprünglichen Leistungsumfang nichts zu tun haben. OLG Naumburg BauR 2009, 1595, 1596 f.
cc) Abgrenzung Restfertigstellungsmehrkosten/Schadensersatzanspruch wegen Mängeln Die bereits angesprochene Abgrenzung dieser beiden Kategorien muss er- 499 folgen, da der Besteller ohne Einhaltung weiterer Formalien die Restfertigstellung betreiben kann, wenn er den Vertrag berechtigt fristlos gekündigt, BGH BauR 1988, 82, 84 l. Sp. (zu § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B),
oder den Verwalter einmal erfolglos zur Vertragserfüllung gem. § 103 InsO hinsichtlich der offenen Restleistung aufgefordert hat. Geht es hingegen nicht um Restfertigstellung, sondern um Mängelbeseitigung, muss er vorher dem Verwalter Frist setzen, um einen zur Aufrechnung geeigneten Schadensersatzanspruch zu erlangen (siehe Rn. 466 ff.). Wegen der Abgrenzung der beiden Kategorien voneinander sei verwiesen auf 500 Rn. 162 ff. dd) Anspruch des Verwalters auf Restfertigstellungsmehrkostenaufstellung Zu einem VOB/B-Vertrag kann der Verwalter gegenüber dem Besteller den 501 (einklagbaren) Anspruch gem. § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B auf Zusendung einer Aufstellung über die infolge einer Kündigung entstandenen Mehrkosten und über die anderen Ansprüche des Bestellers geltend machen. Nach Erhalt und Prüfung dieser Informationen lässt sich besser abschätzen, welche Erfolgsaussicht eine Klage hat. Unzulässig ist es dagegen, den Werklohn im Weg der Stufenklage in der Weise zu verfolgen, dass der Verwalter zunächst Rechnungslegung über die Restfertigstellungsmehrkosten und ggf. die eidesstattliche Versicherung verlangt sowie den Werklohn abzüglich des sich aus der Rechnungslegung ergebenden Anspruchs auf Erstattung der Restfertigstellungsmehrkosten geltend macht.
123
A. Die Insolvenz des Unternehmers BGH ZIP 2002, 1951, 1953 f., dazu EWiR 2003, 37 (Vogel).
502 § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B sieht vor, dass der Besteller dem Unternehmer die Aufstellung „spätestens binnen 12 Werktagen nach Abrechnung mit dem Dritten zuzusenden“ hat. Unklar ist, wann die Frist zu laufen beginnt. Völkel, IBR 2003, 668.
503 Letztlich kommt es hierauf in der Praxis nicht an. Der Schadensersatzanspruch des Bestellers besteht unabhängig davon, ob er die – wie auch immer zu berechnende – Frist eingehalten hat. BGH BauR 2000, 571, 572 l. Sp.
504 Der Verstoß gegen die Frist könnte daher allenfalls eine Vertragsverletzung sein, die zu einem Schadensersatzanspruch des Unternehmers führt. OLG Frankfurt/M. IBR 2003, 668.
505 Ein durch eine verspätete Abrechnung kausal herbeigeführter Schaden wird regelmäßig nicht denkbar sein. 506 Unklar ist, wie die Rechtslage für einen reinen BGB-Bauvertrag zu beurteilen ist. Das BGB kennt keine § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B entsprechende Regelung. Der Bundesgerichtshof ließ ausdrücklich dahinstehen, ob der Verwalter eine Aufstellung der Restfertigstellungsmehrkosten auch gem. § 242 BGB fordern kann (was das OLG Rostock als Vorinstanz bejaht hatte). BGH ZIP 2002, 1951, 1954 l. Sp.
507 Dagegen könnte sprechen, dass es fernliegt, ohne entsprechende vertragliche Regelung den Verwalter als „Schädiger“ auf diese Weise gegenüber dem Besteller als „Geschädigten“ zu begünstigen und Letzteren zu beträchtlichem Arbeitsaufwand zu zwingen. Allerdings dürfte der Verwalter dazu berechtigt sein, vor Ort beim Besteller die maßgeblichen Unterlagen zur Restfertigstellung einzusehen und gegen Ersatz der entstehenden Kosten Kopien zu erhalten. ee) Verknüpfung der Abrechnung des vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrags und der Restfertigstellungsmehrkosten 508 Abschließend sei versucht, die Abrechnung eines wegen der Insolvenz des Unternehmers gekündigten Pauschalpreisvertrags mit diesem Schadensersatzanspruch wegen Restfertigstellungsmehrkosten zu verknüpfen. Dazu folgendes Beispiel: Der Schuldner vereinbart mit dem Besteller einen Pauschalpreis von 1 Mio. €. Es liegt eine Fehlkalkulation vor, wie die spätere Abrechnung durch den Verwalter zeigt: Bei der notwendigen Aufgliederung in zehn Gewerke erweist sich, dass jedes Kosten von 120.000 € verursacht, in der Summe folglich 1,2 Mio. €.
124
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Der Bautenstand zum Zeitpunkt der Bestellerkündigung/insolvenzbedingten Vertragssuspendierung stellt sich wie folgt dar: Fünf Gewerke sind vollständig erbracht, eines – wie anhand der notwendigen weiteren Detailaufschlüsselung nachweisbar – zu 30 %, eines zu 10 %, die weiteren drei schließlich noch gar nicht. Die Abrechnung gemäß den Grundsätzen der Rechtsprechung ergibt Folgendes: 5 x 120.000 €
600.000 €
1 x (30 % x 120.000 €)
36.000 €
1 x (10 % x 120.000 €)
12.000 €
Zwischenstand
648.000 €
Bewertung anhand der Vertragspreise (wegen Fehlkalkulation) [1 : 1,2])
540.000 €
Der Besteller hat bisher lediglich eine Abschlagszahlung von 150.000 € bezahlt und vergibt nun die Restleistungen an den Zweitunternehmer zu 828.000 €. Daraus errechnet sich nach Aufrechnung durch den Besteller – wenn es keine weiteren relevanten Forderungen auf beiden Seiten gibt – der Anspruch des Verwalters wie folgt: 540.000 € – (828.000 € [Aufwand des Bestellers für Restfertigstellung] – 460.000 € [nicht mehr an den Erstunternehmer bezahlte Vergütung, nämlich 1 Mio. € abzgl. 540.000 €]) – 150.000 € (Abschlagszahlung) = 22.000 €. Das gleiche Ergebnis lässt sich einfacher ermitteln, indem man die Abrechnung des abgebrochenen Vertrags mit den Restfertigstellungsmehrkosten verknüpft wie folgt: 1 Mio. € (ursprünglich dem Erstunternehmer zustehender Pauschalpreis) – 828.000 € (Aufwand des Bestellers für die Restfertigstellung) – 150.000 € (geleistete Abschlagszahlung) = 22.000 €. Ohne sich mit der Problematik auseinanderzusetzen, dass er damit über die 509 ständige Rechtsprechung des VII. Zivilsenats hinausging, hatte zunächst der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs eine solche Vorgehensweise bei der Abrechnung gebilligt. Da der Besteller beurteilen kann, ob die Abrechnung vertragsgemäß war, kann der Besteller nicht fehlende Prüfbarkeit und damit fehlende Fälligkeit der Forderung einwenden. BGH BauR 2006, 519, 520 f. mit Anm. C. Schmitz, BauR 2006, 521.
Plakativ lässt sich diese Abrechnungsmethode bezeichnen als Abrechnung 510 „von oben nach unten“ oder korrekter als eine Ausnahmeregelung bei Vollendung des Bauwerks durch den Besteller (Abzug der Zweitunternehmerkosten). Kniffka-Schmitz, § 649 Rn. 76 f.
125
A. Die Insolvenz des Unternehmers
511 Nunmehr billigt auch der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs diese Abrechnungsmethode, wenn der Besteller sich mit dem Unternehmer bzw. Verwalter hierauf verständigt oder er dieser Berechnungsmethode nicht widerspricht. Erfolgt der Widerspruch lediglich aus formalen Gründen, ohne dass der Besteller behauptet, durch diese Art der Abrechnung benachteiligt zu werden, kann der Widerspruch unbeachtlich sein. Dies rechtfertigt sich dadurch, „dass die Drittunternehmerkosten regelmäßig höher sind als die dem [Unter]nehmer zustehende Vergütung für den nicht erbrachten Teil der Leistung“. Beachtlich ist der Widerspruch des Bestellers z. B. dann, „wenn er ausnahmsweise Anlass für die Annahme hat, die Drittunternehmerkosten seien geringer, sodass der [Unter]nehmer diese Abrechnungsweise wählt, um ungerechtfertigte Vorteile zu ziehen“. BGH, Beschl. v. 10.4.2014 – VII ZR 124/13 Rn. 4 f.
512 Um durch die Zulassung dieser Abrechnungsmethode den Verwalter nicht zu begünstigen, ist für die Darlegungs- und Beweislast auf Folgendes zu achten: Gibt es Streit um den Aufwand des Bestellers, weil der Verwalter behauptet, die vom Zweitunternehmer abgerechneten Positionen seien schon vom Erstunternehmer erbracht worden, betrifft dieser Streit der Sache nach den Vergütungsanspruch des Verwalters. Mithin muss er nach den allgemeinen Regeln (vgl. Rn. 138) den Umfang des vom Erstunternehmer/Schuldner erstellten Teilwerks beweisen. 513 Die vorgestellte Abrechnungsmethode stößt auf ihre Grenzen, soweit von der Schlussrechnungssumme des Erstunternehmers abhängige Rechnungsposten einzustellen sind. Dazu eine Fortführung des obigen Beispiels: Im Bauvertrag ist wirksam ein Sicherheitseinbehalt von 5 % der Schlussrechnungssumme vereinbart. Verwalter und Besteller können über diese Position keine separate Einigung erzielen, der Betrag wird auch nicht vom Verwalter fällig gestellt. In der ersten, komplizierteren Berechnung berechnet sich der Einbehalt mit 5 % aus 540.000 €, also 27.000 €. In der zweiten, vereinfachten Abrechnung fehlt dagegen die maßgebliche Bezugsgröße. Auf 172.000 € (1 Mio. € – 828.000 € [Pauschalpreis abzgl. Restfertigstellungsaufwand beim Zweitunternehmer]) abzustellen, also 8.600 € anzusetzen, wäre zulasten des Bestellers fehlsam, da die im Abzugsbetrag von 828.000 € enthaltenen Restfertigstellungsmehrkosten mit der Bezugsgröße „Schlussrechnungssumme“ nichts zu tun haben, mag auch der Besteller gegenüber dem Zweitunternehmer aus dessen Schlussrechnungssumme gleichfalls einen Einbehalt beanspruchen. Auf den vereinbarten Pauschalpreis (5 % aus 1 Mio. €, also 50.000 €) abzustellen, hieße den Verwalter zu benachteiligen, da diese Bezugsgröße zu hoch ist. 514 Die vereinfachte Abrechnung kommt also nur in Betracht, wenn keine offenen, von der Schlussrechnungssumme abhängigen Rechnungsposten mehr bestehen 126
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
oder der Verwalter aus Vereinfachungsgründen bereit ist, die ihn offensichtlich benachteiligende Ermittlung solcher Rechnungsposten aus der Vertragssumme zu akzeptieren (etwa, weil der damit verbundene Rechtsnachteil geringer ist als der Aufwand für eine extern durchzuführende Detailabrechnung des abgebrochenen Pauschalpreisvertrags). ff) Weitere Details zu diesem Rechnungsposten zugunsten des Bestellers x
Fällig wird der Anspruch auf Ersatz der Restfertigstellungsmehrkosten 515 bereits mit Ausspruch der Kündigung durch den Besteller, mag er zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht bezifferbar sein. BGH BauR 1980, 182, 184; BGH ZIP 2005, 1561 1563 l. Sp. = ZfIR 2005, 707 (LS).
Sofern der Verwalter die Erfüllung des Vertrags gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO ablehnt, führt bereits die dadurch dem Besteller eröffnete Möglichkeit, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, zu dessen Fälligkeit. Übertragbar die bürgschaftsrechtliche Rechtsprechung, etwa BGH, Urt. v. 11.9.2012 – XI ZR 56/11 Rn. 14, 17 ff.
x
Der Besteller ist bei der Restfertigstellung nicht an das „Preissystem“ des 516 Erstvertrags gebunden. Es ist zulässig, die Restfertigstellung der Arbeiten auf Pauschalpreisbasis zu vergeben, auch wenn der Erstvertrag auf Einheitspreisen basierte (ebenso umgekehrt). OLG Celle BauR 2006, 117, 118.
Vorsicht ist jedoch geboten, wenn größere Restleistungen durch Stundenlohnarbeiten erledigt werden sollen. Zwar ist hiergegen nichts einzuwenden, wenn wegen Besonderheiten des Werks (z. B. Sanierungsarbeiten im Bestand) oder sonstiger besonderer Umstände eine Vergabe auf Einheits- oder Pauschalpreisbasis nicht möglich ist. In der Praxis sind aber die ausführenden Zweitunternehmer selten in der Lage, ihre Arbeiten ordnungsgemäß abzurechnen: Stundenlohnzettel enthalten oft nur unzureichende Angaben wie „Arbeiten nach Vorgaben der Bauleitung“ o. Ä. Erforderlich sind stattdessen detaillierte Angaben zu den ausgeführten Arbeiten, sodass eine Überprüfung des angesetzten Zeitaufwands durch einen Sachverständigen möglich ist. OLG Frankfurt/M. NZBau 2001, 27; KG NZBau 2001, 26: OLG Celle BauR 2006, 117, 118 f. (dazu auch Rn. 496 f.).
Missachtet der Besteller obige Kriterien, ist die Abrechnung auf Stundenzettelbasis für den Verwalter nicht nachvollziehbar. Der Besteller kann mangels schlüssiger Darlegung nicht aufrechnen. x
Auch solche Leistungen darf der Besteller in die Restfertigstellungsmehr- 517 kostenabrechnung einstellen, die zwar mit dem insolventen Erstunter127
A. Die Insolvenz des Unternehmers
nehmer noch nicht vereinbart waren, die jedoch der Besteller gem. § 1 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 VOB/B – deren Wirksamkeit in AGB-rechtlicher Hinsicht nicht zweifelsfrei ist – anordnen hätte können und die der Erstunternehmer kraft dieser einseitigen Anordnung auf dem Preisniveau des mit ihm geschlossenen Vertrags hätte erbringen müssen. Der zugunsten des Erstunternehmers anzusetzende Preis muss nach § 2 Abs. 5, Abs. 6 Nr. 2 VOB/B gebildet werden, wozu der Erstunternehmer/ Verwalter die Kalkulation für die einzelnen Positionen offenlegen muss. Unterlässt er dies, darf der Besteller von dem Prozentsatz ausgehen, um den die Leistungen des Erstunternehmers durchschnittlich teurer waren. BGH BauR 2000, 571, 573.
518 x
Auch die Kosten für die Erstellung des Preisspiegels zählen zu den Restfertigstellungsmehrkosten, da sie ohne vorzeitige Vertragsbeendigung nicht angefallen wären. BGH BauR 2000, 571, 573 r. Sp.
519 x
Der Besteller ist nicht verpflichtet, vor Weiterführung der Arbeiten die Angebote zahlreicher Unternehmer einzuholen oder eine Ausschreibung vorzunehmen, da die Fertigstellungsarbeiten meist zügig fortgeführt werden müssen. Allerdings kann der Erstunternehmer wegen § 254 Abs. 2 BGB von ihm verlangen, dass er sich darum bemüht, die Restfertigstellungsmehrkosten in vertretbaren Grenzen zu halten. OLG Nürnberg BauR 2001, 415, 418 (n. rkr.); OLG Frankfurt/M. IBR 2003, 668; OLG Schleswig IBR 2010, 679; Joussen/Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 8 Abs. 3 B Rn. 48 ff.
Unbeachtlich ist der allgemeine Vortrag eines Verwalters, der Besteller habe zu schnell zu hohen Kosten einen Zweitunternehmer beauftragt und damit gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen. Vielmehr müsste der Verwalter spezifiziert darlegen und beweisen, dass der Besteller einen günstigeren, aber ebenso geeigneten und sofort einsetzbaren anderen Unternehmer hätte beauftragen können. Übertragbar OLG Düsseldorf, ZMR 2011, 717, 718 r. Sp. (zu einem unberechtigt gekündigten Hotelmietvertrag). Praxistipp: Dies sollten Besteller nicht missverstehen. Es liegt in ihrem ureigensten Interesse, die Restfertigstellungsmehrkosten niedrig zu halten – zum einen, weil dann diese Position eher Akzeptanz beim Verwalter findet und ein Rechtsstreit vermieden werden kann, zum anderen aber – und entscheidend –, weil ungewiss ist, ob sie sich später wegen dieser Position durch Aufrechnung und Inanspruchnahme von Sicherheiten schadlos halten können.
128
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
x
Die Aufrechnung mit den Restfertigstellungsmehrkosten gegen den aus 520 demselben Vertrag vom Verwalter erhobenen Anspruch ist dem Besteller immer möglich. Selbst wenn formal § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO anwendbar ist, ändert sich daran wegen der engen synallagmatischen Verbundenheit der beiderseitigen Forderungen (Rn. 429 ff.) nichts. Praxistipp: Die konkrete Darlegung des Schadensersatzanspruchs wegen Restfertigstellungsmehrkosten bereitet in der Praxis dem Besteller besondere Schwierigkeiten. Umgekehrt entscheidet meist diese Position darüber, ob der Besteller noch etwas an den Verwalter bezahlen muss oder ob er umgekehrt eine Insolvenzforderung hat (für die möglicherweise ein Bürge haftet). Achtet der Besteller darauf, dass die vom Zweitunternehmer erbrachten Restfertigstellungsarbeiten identisch sind mit der vom Erstunternehmer geschuldeten, jedoch nicht mehr erbrachten Leistung bzw. legt er separat die gem. § 1 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 VOB/B angeordneten Leistungen dar und trennt er klar zwischen Arbeiten zur Restfertigstellung und solchen zur Beseitigung von Mängeln des Teilwerks, bereitet der endgültige Preisspiegel gegenüber dem Verwalter keine Schwierigkeiten mehr.
d) Vertragsstrafe/Verzugsschaden Rechnet der Besteller mit einem Anspruch wegen Vertragsstrafe auf, so setzt 521 dies zunächst voraus, dass die Vertragsstrafenklausel wirksam vereinbart worden ist, insbesondere als allgemeine Geschäftsbedingung einer Prüfung am Maßstab des § 307 BGB standhält, weiter, dass verbindliche Vertragsfristen nicht etwa durch Umstände aufgehoben oder verlängert wurden, die auch in die Risikosphäre des Bestellers fallen, schließlich auch, dass die Vertragsstrafe bei einer Abnahme vorbehalten wurde. Allgemein etwa Kemper, BauR 2001, 1015; Vogel, ZfIR 2005, 373.
Nach § 8 Abs. 7 VOB/B kann eine wegen Verzugs verwirkte, nach Zeit be- 522 messene Vertragsstrafe nur für die Zeit bis zum Tag der Kündigung des Vertrags gefordert werden. Dem liegt der allgemeine, auch für den BGB-Bauvertrag gültige Rechtsgedanke zugrunde, dass ein Besteller sich widersprüchlich verhält, wenn er einerseits eine Vertragsstrafe – die auf den Unternehmer Druck ausüben soll, die Leistung ordnungsgemäß und rechtzeitig zu erbringen – verlangt, andererseits aber durch die Kündigung dem Unternehmer definitiv untersagt hat, weiter zu arbeiten und zu einem pünktlichen Abschluss zu gelangen. Auch wenn der Besteller den Vertrag vor der Verfahrenseröffnung nicht 523 kündigt, kann er eine Vertragsstrafe maximal bis zum Tag der Verfahrenseröffnung berechnen, da ab diesem Tag der Erfüllungsanspruch des Bestellers nicht mehr durchsetzbar ist, sofern nicht der Verwalter Erfüllung wählt. OLG Düsseldorf BauR 2003, 259, 259 f. für ein gem. § 634 Abs. 1 BGB a. F. umgewandeltes Vertragsverhältnis.
129
A. Die Insolvenz des Unternehmers
524 Besteller werden deshalb geneigt sein, einen konkreten Verzögerungsschaden geltend zu machen. Dem Grunde nach ist klar, dass ein solcher wegen der durch die Insolvenz eintretenden Verzögerungen (aufgrund von Prüfung des Bautenstands und der Rechtslage sowie der Auswahl eines fortführenden Unternehmens) denkbar ist und z. B. in Form von entgangenen Mieten, Finanzierungskosten, dazu instruktiv S. Kapellmann, BauR 1997, 48,
oder höheren Umsatzsteuersätzen auf die Restleistung hervortreten kann. Hierzu rechnen auch Schäden, die durch ungenügenden Baufortschritt in der Phase vor und nach Antragstellung nachweisbar hervorgerufen worden sind. Praxistipp: Rechtsprechung, in der einem Besteller ein solcher insolvenzbedingter Schadensersatzanspruch aufgrund konkreter Nachweise zugesprochen worden wäre, ist mir nicht bekannt. Das lässt die Vermutung zu, dass solche Fälle zwischen Besteller und Verwalter (bzw. einem in Anspruch genommenen Bürgen) meist verglichen werden, da entweder die Darlegungen des Bestellers unzureichend sind oder beide Seiten davor zurückschrecken, jedes Detail in einer jahrelangen Auseinandersetzung klären zu lassen.
525 Der insolvenzbedingte Schaden wird begrenzt durch den Zeitraum (§ 254 BGB), den bei objektivierter Betrachtungsweise ein Besteller benötigt, um trotz der Insolvenz das Bauvorhaben bei gebotener und zumutbarer Anstrengung fortzuführen. Maßgebliche Faktoren sind insbesondere der erreichte Fertigstellungsgrad zum Zeitpunkt der Insolvenz (bei fast vollständiger Fertigstellung und geringen Mängeln kann nach dem Rechtsgedanken des § 12 Abs. 3 VOB/B und nach § 242 BGB der Bezug zumutbar sein), die Komplexität des Bauvorhabens, die anhand der Marktlage und konkreter Anstrengungen zu beurteilende Frage, ob qualifizierte Bauunternehmer zur Fortführung des Bauvorhabens zur Verfügung standen, schließlich die dem Besteller hinsichtlich des Bauvorhabens oder aus seinem allgemeinen Vermögen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel: Eine Verzögerung der Fortführung kann auch über längere Zeiträume unschädlich sein, wenn der Besteller die Leistungen des Schuldners mit Abschlägen vollständig be- oder überbezahlt hat und ihm deshalb liquide Mittel zur Fortführung nicht zur Verfügung stehen. Dagegen kann sich ein Besteller auf finanziell bedingte Verzögerungen bei der Weiterführung nicht berufen, wenn er Abschläge nur weit unter Leistungsstand zögerlich bezahlt hat oder ihm Vertragserfüllungsbürgschaften zur Verfügung stehen, aus denen er liquide Mittel erhalten kann. Im Regelfall wird bei kleineren Bauvorhaben eine insolvenzbedingte Verzögerung von maximal ein bis zwei Wochen nachvollziehbar sein, bei größeren Bauvorhaben durchaus der doppelte Zeitraum. 526 Wegen des maßgeblichen Zeitraums wird im Übrigen eine richterliche Schätzung gem. § 287 ZPO zulässig sein, sofern der Besteller hinreichend konkreten Sachvortrag liefert. Wegen der im Einzelnen kausal hervorgerufenen
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Vermögensschäden muss dagegen ein Gericht Beweis erheben, sofern z. B. Streit über die objektive Vermietbarkeit, die vom Besteller behauptete Miethöhe usw. besteht. Hat der Besteller Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe oder auf Aus- 527 gleich eines Verzugsschadens, wird § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO der Aufrechnung schwerlich entgegenstehen können. Zwar ist eine enge synallagmatische Verknüpfung (Rn. 429 ff.) der beiderseitigen Ansprüche des Verwalters und des Bestellers in dieser Konstellation zweifelhaft. Indes ist so gut wie kein Sachverhalt vorstellbar, in dem der Besteller den durch § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO veranlassten „Wettlauf der Fälligkeiten“ verlieren könnte: Die Fälligkeit der Verwalterforderung setzt die Abnahme und bei Geltung der VOB/B die Erstellung der prüffähigen Schlussrechnung voraus. Zu diesen Zeitpunkten muss das Bauwerk – im Wesentlichen – abgeschlossen sein, falls nicht der Besteller den Bauvertrag gekündigt hat. Da aber wegen des in § 8 Abs. 7 VOB/B ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens der Unternehmer eine Vertragsstrafe nur vor Kündigung oder sonstiger Vertragsbeendigung verwirken kann und der Anspruch des Bestellers auf die Vertragsstrafe mit der Verletzung der sanktionierten Pflicht (in der Regel mit der schuldhaft verzögerten Fertigstellung), mithin immer vor der Werklohnforderung des Unternehmers fällig wird, ist § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO tatbestandlich nicht einschlägig. Das Gleiche gilt für etwaige verzugsbedingte Schadensersatzansprüche des Bestellers, die – losgelöst von der manchmal erst später gegebenen Berechenbarkeit – im Verzug des Unternehmers wurzeln und daher mit dem konkreten Verzugseintritt objektiv fällig werden. Dieser Zeitpunkt liegt wiederum zwingend vor der Fälligkeit des Werklohnanspruchs. Verfehlt ist es daher, wenn das OLG Jena,
528
OLG Jena IBR 2006, 392 (Volltext unter II.3.),
darauf abstellt, dass der Besteller die Vertragsstrafe erst später konkret geltend machte. Richtigerweise ist zu prüfen, ob zu dem Zeitpunkt, in dem nach Verfahrenseröffnung die Hauptforderung des Verwalters (auf Vergütung) fällig wurde, ein zur Aufrechnung geeigneter Gegenanspruch des Bestellers auf Vertragsstrafe oder Ersatz des Verzögerungsschadens objektiv bereits fällig war. e) Sicherheitseinbehalt Der bei Bauverträgen üblicherweise vereinbarte Sicherheitseinbehalt von 5 % 529 hat die Funktion, die vom Unternehmer nach Abnahme zu erledigende Nacherfüllung effektiv abzusichern. Sofern ein solcher Sicherheitseinbehalt im Bauvertrag mit dem Schuldner vereinbart ist, ist der Verwalter hieran gebunden, denn der Verwalter kann für die Masse grundsätzlich nicht mehr und keine anderen Rechte beanspruchen, als dem Schuldner zustehen. BGH ZIP 1999, 199, 200 l. Sp.; LG Lüneburg BauR 1998, 1018.
131
A. Die Insolvenz des Unternehmers
530 Die bloße Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag berechtigt den Besteller nicht dazu, einen Sicherheitseinbehalt geltend zu machen. Es gibt weder eine Üblichkeit noch einen Handelsbrauch zur Sicherheitsleistung ohne vorherige vertragliche Absprache; aus § 17 VOB/B folgt nichts anderes, da diese Norm nur anwendbar ist, wenn überhaupt dem Grunde nach ein Sicherheitseinbehalt vereinbart wurde. Joussen, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 17 Abs. 1 B Rn. 1, 3.
531 Fehlt eine wirksame Abrede über den Sicherheitseinbehalt – was auch auf der Unwirksamkeit einer allgemeinen Geschäftsbedingung beruhen kann, so kann der Besteller einen solchen nicht etwa allein wegen der Insolvenz beanspruchen. Er hat keinen Anspruch auf Sicherstellung wegen bisher nicht bekannter, allenfalls möglicher Mängel des abgenommenen Werks. BGH ZIP 1994, 714; OLG Hamburg MDR 1988, 861.
532 Anders als die oben behandelten, zur Aufrechnung geeigneten Gegenforderungen ist der Sicherheitseinbehalt nur ein vorläufiger Rechnungsposten zugunsten des Bestellers. Eine frühere Betrachtung des Bundesgerichtshofs weiterführend, BGH BauR 1979, 525, 526 l. Sp.; bestätigt von BGH BauR 2008, 510, 511 r. Sp.; BGH BauR 2010, 1579 Rn. 14,
lässt sich die Rechtsnatur des Sicherheitseinbehalts wie folgt definieren: 533 Die Fälligkeit eines prozentual festgelegten Werklohnanteils wird zulasten des Unternehmers auf den Zeitpunkt nach Verjährung etwaiger Mängelansprüche hinausgeschoben, wobei sich der endgültig auszuzahlende Betrag um die Aufwendungen reduziert, die der Besteller tätigen muss bzw. musste, um vom Unternehmer trotz (rechtzeitiger) Aufforderung nicht beseitigte Mängel selbst nachzubessern. C. Schmitz, ZIP 2001, 765, 770 r. Sp.; anders Weise, Rn. 160.
534 Untypisch für eine reine Fälligkeitsregelung ist jedoch § 17 Abs. 6 Nr. 1 Satz 3 VOB/B: Demnach muss der Besteller dem Unternehmer den jeweils einbehaltenen Betrag mitteilen. OLG Köln IBR 1999, 125.
535 Damit wird jedoch der Sicherheitseinbehalt nicht zu einem bloßen Zurückbehaltungsrecht des Bestellers, sondern bleibt eine Fälligkeitsregelung, mag ihm auch ein für ein Zurückbehaltungsrecht typisches Element anhaften. 536 Deshalb kann der Auffassung von Wietersheim, Wietersheim, ZInsO 1999, 393, 395,
132
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
dass der Sicherheitseinbehalt bei insolvenzbedingter Umgestaltung des Vertrags vor Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche an den Verwalter auszuzahlen ist, nicht gefolgt werden. Im Übrigen verkennt die dortige Betrachtung den Sinn und Zweck des Sicherheitseinbehalts aus Sicht des Bestellers: Er soll in der Insolvenz des Unternehmers davor schützen, dass der Besteller wegen vor Ablauf der Verjährungsfristen auftretender und gerügter Mängel mit leeren Händen dasteht. Würde das schuldnerische Unternehmen fortbestehen und die Mängel beseitigen können, bedürfte es des Sicherheitseinbehalts nicht. Daraus folgt zugleich, dass jedenfalls im Geltungsbereich von § 17 Abs. 8 Nr. 2 537 VOB/B (oder vergleichbarer, ggf. durch Vertragsauslegung zu gewinnender Sicherungsabreden) der Besteller mit einem mangelbedingten Schadensersatzanspruch gegen einen durch Zeitablauf fällig gewordenen Anspruch des Verwalters auf Auszahlung des Einbehalts nur aufrechnen kann, wenn er innerhalb der vertraglich vereinbarten Zeit, innerhalb derer er die Sicherheit verwerten kann, den Verwalter selbst fruchtlos zur Mängelbeseitigung aufgefordert hat. Eine nur an den Schuldner gerichtete Beseitigungsaufforderung ist hingegen rechtlich unbeachtlich. I. E. zutr. daher AG Bremen NZBau 2010, 388 (das allerdings auch weitere problematische Aussagen enthält).
Die unter Verweis auf § 215 BGB an diesem Urteil geäußerte Kritik ver- 538 kennt, Laukemann, NZI 2010, 717,
dass § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B (und vergleichbare bautypische Sicherungsabreden) eben gerade die rechtzeitige Anzeige von Mängeln gegenüber dem Unternehmer voraussetzen, wenn sich der Besteller die Rechte an der Sicherheit bewahren will. Allg. dazu Joussen, in: Ingenstau/Korbion, § 17 Abs. 8 B Rn. 16 f.
Damit ist eine lästige Verzögerung der Gesamtabwicklung des Insolvenzver- 539 fahrens verbunden. Dem könnte der Verwalter dadurch begegnen, dass er den vom Besteller noch nicht verwerteten Sicherheitseinbehalt durch eine Bankbürgschaft ablöst. Folge eines solchen Vorgehens ist es, dass der Besteller nach Zugang der Bürgschaft diese ungeschmälert auszahlen muss, sofern er nicht unverzüglich erklärt, den Sicherheitseinbehalt zu verwerten, was eine vorher fruchtlos abgelaufene Fristsetzung wegen Mängeln voraussetzt. BGH BauR 2011, 507 Rn. 21 ff.
Eine entscheidende Verbesserung erreicht der Verwalter dadurch nicht, da in 540 der Insolvenz des Unternehmers eine Bank eine Bürgschaft nur gegen Hinterlegung des verbürgten Betrags stellen wird, mithin wiederum der Verwalter den Ablauf der maßgeblichen Fristen abwarten muss.
133
A. Die Insolvenz des Unternehmers
541 Alternativ kann der Verwalter den Besteller dazu auffordern, den Sicherheitseinbehalt auf ein Sperrkonto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung („Und-Konto“) einzubezahlen, wie es § 17 Abs. 5 Satz 1 VOB/B in der Fassung seit 2006 vorgibt. Ein solches Und-Konto schützt den Unternehmer in der Insolvenz des Bestellers, weil der Verwalter über das Vermögen des Bestellers ohne Mitwirkung des Unternehmers den Betrag nicht vom als Und-Konto ausgestalteten Sperrkonto abziehen kann. 542 Eine Aufforderung, den Einbehalt auf ein Sperrkonto einzuzahlen, scheidet aus, wenn § 17 Abs. 6, Abs. 7 VOB/B wirksam ausgeschlossen sind, es sich um einen durch § 17 Abs. 6 Nr. 4 VOB/B privilegierten öffentlichen Auftraggeber handelt oder im reinen BGB-Bauvertrag § 17 Abs. 6 VOB/B nicht Vertragsbestandteil ist. Praxistipp: Eine Überprüfung aktueller Verträge (seit etwa 2005 abgeschlossen) wird ergeben, dass der Besteller in seinen AGB meist einen Sicherheitseinbehalt vorgibt, aber die VOB/B-Klauseln, die ihn zur Einzahlung auf ein Sperrkonto verpflichten, ausschließt. Dies beruht auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BauR 2004, 325, 326), wonach derartige AGB-Klauseln wirksam sind. In diesen Fällen bleibt dem Verwalter nur die Möglichkeit, im Interesse einer schnellen abschließenden Lösung mit dem Besteller einen Vergleich herbeizuführen (dazu Rn. 546).
543 Dagegen schließt die in älteren VOB/B-Verträgen verbreitete Regelung, dass von der Schlussrechnung ein Sicherheitseinbehalt in Abzug gebracht wird, den der Unternehmer durch eine nicht auf erstes Anfordern zahlbare Bürgschaft ablösen kann, die Verpflichtung des Bestellers nicht aus, den Einbehalt auf ein Sperrkonto einzuzahlen. BGH ZfIR 2006, 417 (m. Bespr. Voit, S. 407) = BauR 2006, 379, 380 f.
544 Zahlt der Besteller den Einbehalt trotz angemessener Nachfristsetzung nicht rechtzeitig auf ein Sperrkonto ein, wird der Sicherheitseinbehalt sofort fällig (§ 17 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B). KG SFH Nr. 2 zu § 17 VOB/B (1973); OLG Nürnberg IBR 1998, 142; OLG Jena IBR 1999, 408.
545 Auf dem Sperrkonto auflaufende Zinsen stehen dem Verwalter über das Vermögen des Unternehmers zu (§ 17 Abs. 5 Satz 2 VOB/B). Ohne Einzahlung auf das Sperrkonto ist diese Regelung dagegen nicht anwendbar, sodass im Extremfall der Besteller bis zur Auszahlung vom Zinsvorteil profitiert – ein weiteres Argument, als Verwalter die Einzahlung auf ein Sperrkonto zu verlangen. 546 All diese Probleme werden vermieden, wenn Verwalter und Besteller sich auf einen Vergleich einigen, bei dem ein Teilbetrag des Sicherheitseinbehalts (meistens die Hälfte) sofort und endgültig an die Masse ausbezahlt wird, der 134
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
verbleibende Rest dagegen endgültig beim Besteller zur beliebigen Verwendung verbleibt, unabhängig davon, ob später Mängel auftreten oder nicht. Insolvenzrechtliche Bedenken gegen eine solche Vereinbarung sind im Normalfall nicht ersichtlich: Der Verwalter zieht den Betrag frühzeitig zur Masse und kann ihn – mit dem Rest der Masse – schneller an die Insolvenzgläubiger verteilen. Risiken der späteren Forderungsdurchsetzung, die z. B. in einer künftigen Insolvenz auch des Bestellers und in der strittigen, oft durch teure Sachverständigengutachten begleiteten Auseinandersetzung um Mängelrügen liegen und zum wirtschaftlichen Totalausfall dieser Forderung führen können, werden vermieden. Anlass zur Annahme, dass das vom Schuldner erstellte Werk definitiv keine Mängel habe und/oder der Besteller trotz regelmäßig rechtzeitig vor Verjährungseintritt durchgeführter Begehung Mängel nicht rechtzeitig rügen werde, hat der Verwalter so gut wie nie. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO ist nicht anwendbar, wenn der Sicherheitseinbehalt 547 noch gar nicht fällig ist. Löst der Verwalter den Einbehalt ausnahmsweise durch eine taugliche Bürgschaft ab, ergibt sich schon aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 17 VOB/B, BGH ZfIR 2001, 898 (m. Anm. C. Schmitz, S. 899), dazu EWiR 2001, 1165 (Siegburg),
dass der Besteller – von wenigen, im Urteil genannten Ausnahmen abgesehen – ohne Wenn und Aber den Einbehalt auszahlen muss, da er keine Doppelsicherung beanspruchen kann. Auf § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO kommt es in dieser Fallgruppe nicht an. Stellt der Verwalter den Einbehalt über § 17 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B vorzei- 548 tig fällig, gelten für die vom Besteller mit einer erst danach fällig gewordenen Gegenforderung aus demselben Vertrag erklärte Aufrechnung die allgemeinen Regeln zu § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO. Die Aufrechnung seitens des Bestellers ist wirksam, wenn seine Gegenforderung mit dem Werklohnanspruch des Verwalters im engen Synallagma steht (Rn. 429 ff.). Ist dies der Fall, kann sich der Verwalter nicht darauf berufen, § 17 Abs. 6 VOB/B sei ein vertragliches Aufrechnungsverbot zu entnehmen. Ein solches ist nicht anzuerkennen. OLG Karlsruhe ZfIR 2007, 690 (m. Anm. Th. Hildebrandt, S. 691) = BauR 2008, 114, 115 f.; C. Schmitz, Sicherheiten, Rn. 174.
f) Architektenkosten im Hinblick auf die Restfertigstellung Dieser Problemkreis ist ersichtlich in der Literatur noch nicht abschließend 549 durchdrungen, sodass lediglich folgende Faustregeln festgehalten werden können: Wird ein Architekt erstmals nach Vertragsumgestaltung vom Besteller ein- 550 geschaltet, um die Restfertigstellung des Bauvorhabens zu organisieren, so sind die nach den Vorschriften der HOAI als zwingenden Preisrechts zu be-
135
A. Die Insolvenz des Unternehmers
rechnenden Kosten des Architekten eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung des Bestellers. Bezahlt der Besteller dem Architekten auf Stundensatzbasis einen Betrag oberhalb des Honorars, das sich nach dem zwingenden Preisrecht der HOAI ergibt, muss er sich gem. § 254 BGB eine Kürzung gefallen lassen. Anders könnte es allenfalls sein, wenn der Besteller darstellt, er habe einen zuverlässigen Architekten zu den Honorarvorgaben der HOAI nicht finden können. OLG Celle BauR 2001, 1468 r. Sp.
551 Ebenso kann der Besteller mit auf Basis der HOAI berechneten, von ihm bezahlten Architektenkosten aufrechnen, wenn die ursprünglich vom Schuldner zu erbringenden Planungs- und Überwachungsleistungen entfallen und er stattdessen einen Architekt einschaltet. Dessen Kosten fallen dann allerdings streng genommen unter die Kategorie „Restfertigstellungsmehrkosten“, sodass ein Schaden nur gegeben ist, wenn die Summe aller zur Restfertigstellung des Werks notwendigen Kosten (inkl. der des Architekten) oberhalb des Betrags liegt, der sowieso an den Schuldner zu bezahlen gewesen wäre. 552 Hat dagegen der Besteller von Anfang an einen Architekten insbesondere mit einer Leistung, die gem. § 15 Abs. 1 Nr. 5 – 8 HOAI a. F. (= § 34 Abs. 1 Nr. 5 – 8 HOAI 2013) zu honorieren ist, beauftragt, so gehören zu den Pflichten dieses Architekten auch Vorbereitungs- und Überwachungsmaßnahmen bei einer notwendigen Mängelbeseitigung. BGH NJW 1973, 1457, 1457 r. Sp./1458 l. Sp.; LG München I, Urt. v. 29.1.1999 – 5 O 13046/98.
553 Diese Leitaussagen bestätigt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Leistungen, die bereits Gegenstand des ursprünglichen Vertrags waren, begründen keinen zusätzlichen Vergütungsanspruch des Architekten. Allein ein unvorhergesehener Baustellenablauf rechtfertigt nicht die Annahme, die im Zusammenhang damit erbrachten Leistungen seien nicht geschuldet gewesen. BGH ZfIR 2005, 152 (m. Bespr. Schwenker/Schramm, S. 121) = BauR 2005, 118, 119 r. Sp., dazu EWiR 2005, 257 (Wenner).
554 Demnach zählen die Vorbereitung und Überwachung von Restfertigstellungsarbeiten jedenfalls teilweise zum ursprünglichen Pflichtenkreis des Architekten, nämlich soweit es um die Bewertung der vom Schuldner erbrachten Leistungen geht. Sind Restleistungen erneut auszuschreiben oder wirkt der Architekt bei der Suche nach einem Zweitunternehmer für die Restfertigstellung mit, erbringt er wiederholende Grundleistungen und kann ein anteiliges Honorar (§ 8 Abs. 2 HOAI 2013) aus den Leistungsphasen 6 und 7 des § 34 HOAI 2013 gegenüber dem Besteller beanspruchen. Der Besteller kann mit seinem Mehraufwand gegenüber dem Verwalter aufrechnen. Neuenfeld, IBR 2000, 99 f.; Kesselring, BTR 2007, 142, 145 f.
136
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Das Kammergericht bewertet den Planungs- und Bauausführungsprozess als 555 dynamischen Vorgang. Für den damit verbundenen Optimierungsvorgang, zu dem im Falle einer „keineswegs ungewöhnlichen Insolvenz von Baufirmen“ die hierdurch erforderlich werdende Bestandsaufnahme der erbrachten Leistungen sowie die entsprechende Anpassung der Leistungen der Phasen 6 – 7 des § 34 HOAI 2013 für die Beauftragung eines Zweitunternehmers mit der Beendigung der Leistungen zu zählen sind, kann der Architekt im Regelfall kein zusätzliches Honorar verlangen. KG IBR 2010, 399.
Im Übrigen können sich zur Aufrechnung gegen die vom Verwalter ver- 556 folgte Forderung geeignete Gegenforderungen des Bestellers aus seinen Zahlungen auf Honoraransprüche des Architekten ergeben, wenn sich insolvenzbedingt die Bauzeit so verlängert, dass der Architekt gegen den Besteller wegen Störung der Geschäftsgrundlage einen Anspruch auf Honoraranpassung hat – was voraussetzt, dass der Architekt seinen Mehraufwand konkret nachweist, zu den hohen Anforderungen Preussner, BauR 2006, 203, 207 f.,
oder wenn infolge der Insolvenz der Bau mehr kostet, damit die anrechenbaren Kosten (§ 10 Abs. 2 HOAI a. F.) steigen und sich dies kausal auf das Architektenhonorar auswirkt. KG IBR 2010, 399; Neuenfeld, IBR 2000, 99.
Ist hingegen die seit 2009 bzw. 2013 geltende HOAI anwendbar, versagt 557 letzterer Lösungsansatz. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 HOAI 2013 richtet sich das Honorar für alle Leistungsphasen u. a. nach den anrechenbaren Kosten des Objekt auf Grundlage der Kostenberechnung, die aber der Architekt bereits in der Leistungsphase 3 zu erstellen hat (hilfsweise auf Grundlage der Kostenschätzung). Soweit die Einschaltung des Architekten der Restfertigstellung dient, kann 558 § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO der Aufrechnung des Bestellers mit den damit verbundenen Kosten gegen den Werklohnanspruch des Verwalters aus demselben Vertrag nicht entgegenstehen. Dagegen ist die Aufrechnung mit diesen Kosten nicht wirksam, wenn der Besteller den Architekten erstmals wegen Mängeln einschaltet und § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO tatbestandlich erfüllt ist (vgl. oben Rn. 481 f. zu den entsprechend zu behandelnden Kosten eines Gutachters). 5. Gegenforderungen des Bestellers aus anderen Vertragsverhältnissen – Zulässigkeit und Grenzen der Aufrechnung (§§ 94 ff. InsO) Obige Ausführungen behandelten die Möglichkeit des Bestellers, mit Ge- 559 genforderungen aufzurechnen, die aus demselben Bauvertrag herstammen, aus dem der Verwalter Werklohn verlangt. Nachfolgend geht es um Gegen137
A. Die Insolvenz des Unternehmers
forderungen aus anderen Verträgen, mit denen der Besteller gegen die Hauptforderung des Verwalters nur unter Beachtung der Spezialregelungen der Insolvenzordnung (§§ 94 – 96) wirksam aufrechnen kann. Relevant sind im Wesentlichen drei, zum Teil als Exkurs behandelte Fallgruppen, an deren Betrachtung sich eine kritische Bewertung der insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote anschließt. a) Aufrechnung des Bestellers mit einer Gegenforderung aus einem anderen Bauvertrag gegen eine dem Verwalter aus einem Bauvertrag zustehende Werklohnforderung Beispiel: Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.7.2014. Nach berechtigter Bestellerkündigung im Mai 2014 und Abnahme des Teilwerks kurz darauf legt der Verwalter Schlussrechnung am 1.8.2014, die mangels früherer Prüfung durch den Besteller erst am 1.9.2014 nach den Regeln der vom Unternehmer selbst gestellten VOB/B (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1) fällig wird. Auch nach Aufrechnung des Bestellers mit dem ihm aus diesem Bauvertrag zustehenden Gegenforderungen verbleibt zugunsten des Verwalters ein Betrag von 50.000 €. Hiergegen rechnet der Besteller mit einem nicht verjährten Anspruch wegen der Nichtbeseitigung eines Mangels auf. Die Beseitigungskosten belaufen sich auf 50.000 €. Der Vertrag, aus dem dieser Anspruch abgeleitet wird, stammt aus dem Jahre 2010 mit Abnahme 2011. Variante 1: Der Besteller erkennt den Mangel am 1.6.2014 und setzt – gegenüber dem Schuldner – Frist zur Beseitigung bis 15.6.2014, die fruchtlos abläuft. Variante 2: Wegen des am 1.7.2014 erkannten Mangels setzt der Besteller dem Verwalter eine am 15.7.2014 fruchtlos ablaufende Beseitigungsfrist. Variante 3: Der Mangel wird am 28.8.2014 erkannt. Die am selben Tage gegenüber dem Verwalter erfolgte Fristsetzung zur Nacherfüllung läuft ergebnislos am 12.9.2014 ab. Variante 4: Der am 1.9.2014 (oder später) erkannte Mangel wird wiederum vom Besteller zum Anlass genommen, dem Verwalter eine fruchtlos ablaufende ZweiWochen-Frist zur Beseitigung zu setzen. Variante 5: Die Forderung des Unternehmers/Schuldners ist bereits am 14.4.2014 fällig geworden. Am 15.4.2014 setzt der Besteller dem Unternehmer eine fruchtlos am 29.4.2014 ablaufende Frist zur Nacherfüllung. Nach Klageeinreichung durch den Verwalter über 50.000 € am 15.11.2014 verteidigt sich der Besteller einzig und allein mit der bereits vorprozessual zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung wegen des nicht beseitigten Mangels. 560 In der Variante 1 ist die Klage abzuweisen. Da die Frist zur Nachbesserung am 15.6.2014 (und damit vor Verfahrenseröffnung) fruchtlos abgelaufen ist, 138
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
ist aus dem ursprünglich auf Nacherfüllung in natura gerichteten Anspruch ein auf Geldzahlung gerichteter Anspruch des Bestellers entstanden, nämlich (wahlweise) auf Erstattung von Selbstvornahmekosten, auf Zahlung eines Vorschusses oder auf Schadensersatz. Die Aufrechnung ist gem. §§ 94, 95 Abs. 1 Satz 1 InsO möglich. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO steht nicht entgegen. Genauso wenig greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO 561 ein: Zwar ist der Besteller „Insolvenzgläubiger“ im Sinne dieser Vorschrift, da seine Forderung wegen des nicht beseitigten Mangels aus einem weit vor Verfahrenseröffnung geschlossenen und abgewickelten Vertrag herrührt und er sie ohne die Aufrechnungsmöglichkeit als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden müsste. Der Besteller ist jedoch nicht etwas zur Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden, da der Begriff „schuldig geworden“ nicht auf die Fälligkeit abstellt, sondern auf das Entstehen der Forderung (durch Vertragsschluss, wobei eine Erfüllungswahl nach §§ 103, 105 Satz 1 InsO einem Vertragsschluss nach Verfahrenseröffnung gleichsteht, und durch tatsächliche Erbringung der vergütungspflichtigen Gegenleistung des Unternehmers/Schuldners [„Auffüllung“; zum Ganzen auch Rn. 351 ff.]): Die Leistungserbringung durch den Schuldner, aus der nach Aufrechnung mit Gegenforderungen aus demselben Vertrag ein Anspruch von 50.000 € zugunsten des Verwalters verbleibt, ist im Stadium vor Verfahrenseröffnung erfolgt. Auch in der Variante 2 kommt es zur Klageabweisung. Mit Ablauf des 15.7.2014 562 hatte der Besteller einen auf Geldzahlung gerichteten, fälligen Anspruch. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO steht der Aufrechnung nicht entgegen: Damit diese Vorschrift zugunsten des Verwalters eingreift, muss dessen Hauptforderung fällig werden, bevor die Aufrechnung durch den Besteller erfolgen kann, also vor der Umwandlung von dessen auf Nacherfüllung gerichtetem Gegenanspruch in einen Zahlungsanspruch. Hier kommt es nun auf die Fälligkeitserfordernisse im privaten Baurecht unter (wirksamer) Einbeziehung der VOB/ B an. Zwar ist schwerlich vorstellbar, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung von § 95 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 InsO die wesentlichen Abweichungen des VOB/B-Bauvertrags vom BGB-Bauvertrag vor Augen hatte. Diese liegen in vorliegendem Zusammenhang darin, dass der Werklohn nicht mit der Abnahme fällig wird (§ 641 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB), sondern nach vorzeitiger Vertragsbeendigung, Abnahme, Zugang der prüffähigen Schlussrechnung und Ablauf der 30-Tage-Frist bzw. vorheriger Rechnungsprüfung durch den Besteller (vgl. Rn. 167 ff.). Mithin ist die Hauptforderung zugunsten des Verwalters erst am 1.9.2014, somit später als die Gegenforderung des Bestellers, fällig geworden, sodass die Aufrechnung des Bestellers durchgreift. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO ist nicht anwendbar.
139
A. Die Insolvenz des Unternehmers Praxistipp: Dieses aus seiner Sicht unbefriedigende Ergebnis könnte der Verwalter dadurch teilweise abzuwenden versuchen, dass er sich auf bereits vor der Kündigung im Mai 2014 vom Schuldner gestellte, mithin vor Verfahrenseröffnung fällig gewordene (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B) und noch nicht bezahlte Abschlagsrechnungen bezieht, sofern diese jedenfalls teilweise die in der Schlussrechnung endgültig zusammengefassten Leistungen enthalten. Im Hinblick auf den unselbstständigen Charakter von Abschlagsrechnungen, die nach „Schlussrechnungsreife“ nicht mehr durchsetzbar sind (BGH BauR 2004, 1146, 1147 l. Sp.), erscheint indes äußerst zweifelhaft, ob wirklich der Verwalter auf diese Weise des Schutzes des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO teilhaftig werden kann.
563 In der Variante 3 obsiegt der Verwalter mit der Folge, dass der Besteller in voller Höhe bezahlen muss und seine Gegenforderung lediglich zur Insolvenztabelle anmelden kann (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). Dies liegt daran, dass erst mit Ablauf des 12.9.2014 ein auf Geldzahlung gerichteter Anspruch entstanden ist, folglich nach der Fälligkeit des dem Verwalter zustehenden Saldos. Auf § 45 Satz 1 InsO, der vorsieht, dass nicht auf Geld gerichtete Forderungen mit Verfahrenseröffnung umzurechnen sind, kann sich der Besteller nicht berufen, da die Geltung dieser Norm in § 95 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich ausgeschlossen ist. 564 Aus dem gleichen Grund obsiegt in der Variante 4 der Verwalter, weil bei Fälligkeit seiner Hauptforderung der Mangel gerade erst bekannt wird, aber sich noch nicht in einen Geldzahlungsanspruch umgewandelt hat und die automatische Umwandlung gem. § 45 Satz 1 InsO ausscheidet. 565 In der Variante 5 kommt es zur Klageabweisung. Zwar war die Forderung des Schuldners fällig, bevor eine auf Geldzahlung gerichtete Gegenforderung des Bestellers entstand. Darauf kommt es aber nicht an, weil § 95 Abs. 1 InsO nur den „Wettlauf der Fälligkeiten“ im Stadium nach Verfahrenseröffnung behandelt und auf den davor liegenden Zeitraum nicht analog anwendbar ist. OLG Brandenburg BauR 2003, 1229, 1230; bestätigt durch BGH BauR 2006, 993.
Abwandlung des Beispiels: Der Besteller hat unmittelbar nach Insolvenzantragstellung mit am 15.5.2014 zugegangener Erklärung das Vertragsverhältnis mit dem Schuldner berechtigt außerordentlich gekündigt. Dieser hat die Schlussrechnung noch am 20.5.2014 erstellt; der Besteller gibt sie nach Prüfung am 18.6.2014 zurück. Auch hier ergibt sich unter Berücksichtigung von aufgerechneten Gegenforderungen ein Betrag zugunsten des Verwalters von 50.000 €. 566 In den abgewandelten Varianten 1 und 5 greift wiederum die Aufrechnung durch. In der abgewandelten Variante 2 dagegen unterliegt der Besteller im Prozess, da die Hauptforderung des Verwalters bei Verfahrenseröffnung fällig war, seine Gegenforderung erst mit Ablauf des 15.7.2014 (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). Der Verwalter obsiegt auch in den abgewandelten Varianten 3 und 4. 140
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
b) Exkurs: Aufrechnung des Bestellers mit einer Gegenforderung aus einem insolvenzbedingt beendeten Vertrag gegen Forderungen des Verwalters aus anderen Vertragsverhältnissen Beispiel: Der Schadensersatzanspruch des Bestellers aus dem a) am 20.5.2014 gekündigten (= Fall a) oder b) durch am 20.7.2014 erklärte Schadensersatzwahl des Bestellers gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO umgestalteten (= Fall b) einen Bauvertragsverhältnis beläuft sich auf 50.000 €. Variante 6: Der Verwalter hat eine (Haupt-)Forderung aus einem anderen bereits im Februar 2014 abgenommenen, verspätet schlussgerechneten Vertrag in Höhe von ebenfalls 50.000 €. Fälligkeit der Forderung ist am 30.6.2014 eingetreten. Variante 7: Die Hauptforderung des Verwalters resultiert aus kleineren Arbeiten, die der Besteller ungeachtet des Insolvenzantrags und der Beendigung des größeren Vertragsverhältnisses noch im Zeitraum 15.5. bis 30.6.2014 (also zwischen Antragstellung und Eröffnung) neu vergeben hat. (Alternative: Diese kleineren Aufträge wurden im letzten Monat vor Antragstellung – also ab Mitte April 2014 – vergeben und ausgeführt.) Variante 8: Der Besteller nimmt nach Verfahrenseröffnung vom 15.7. bis 15.9.2014 vom Verwalter weitere Bauleistungen für ein anderes Projekt im Wert von 50.000 € (= Hauptforderung des Verwalters) entgegen. Gegen die jeweils vom Verwalter geltend gemachte Hauptforderung rechnet der Besteller mit seiner Gegenforderung, dem Schadensersatzanspruch aus dem a) gekündigten (= Fall a) oder b) gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO umgestalteten (= Fall b) Vertrag auf. In der Variante 6 ist zu differenzieren. In Fall a) ist die Aufrechnung grund- 567 sätzlich wirksam: Die Forderung des Bestellers aus dem durch die berechtigte Kündigung beendeten einen Bauvertrag ist, mag sie auch noch nicht abschließend bezifferbar sein, mit der Kündigung fällig geworden (Rn. 515). Aufgrund dieser Fälligkeit vor Verfahrenseröffnung steht § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO der Aufrechnung nicht entgegen. Eine Einschränkung ist insoweit zu machen, als Teil des Schadensersatzan- 568 spruchs des Bestellers Mängelansprüche sind, die erst nach Verfahrenseröffnung in einen Geldzahlungsanspruch transformiert worden sind. Jedoch hat diese Einschränkung im Regelfall nur begrenzte Relevanz, als es der Besteller in der Hand hat, präzise Aufrechnungserklärungen abzugeben und die „zu spät“ fällig gewordenen Mängelansprüche gegen einen etwa gegebenen Vergütungsanspruch des Verwalters aus demselben Bauvertrag aufzurechnen. Dieser Aufrechnung innerhalb ein- und desselben Bauvertrags mit im engen Synallagma stehenden Forderungen steht § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht entgegen (Rn. 428 ff.). Für die Aufrechnung gegen die Hauptforderung des Ver-
141
A. Die Insolvenz des Unternehmers
walters aus dem anderen Vertrag verbleiben mithin dem Besteller die unproblematisch von Anfang an auf Geldzahlung gerichteten sonstigen Schadensersatzpositionen aus dem gekündigten Bauvertrag. 569 Anders ist es in Fällen wie in der folgenden Fortführung des Beispiels: (Ausgangsdaten wie oben [Rn. 566]) Der (Schadensersatz-)Anspruch des Bestellers setzt sich wie folgt zusammen: Überzahlung in Höhe von 10.000 €; Restfertigstellungsmehrkosten in Höhe von 25.000 € und Kosten der Beseitigung von erstmals nach Verfahrenseröffnung erkannten und gerügten Mängeln in Höhe von 15.000 €. 570 In dieser Konstellation steht wegen der Überzahlung kein Werklohnanspruch des Verwalters aus demselben Vertrag zur Verfügung, gegen den der Besteller primär mit den Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz aufrechnen könnte. Deshalb kann der Besteller gegen die Hauptforderung des Verwalters aus dem anderen Vertrag nur in Höhe von 35.000 € (mit dem objektiv mit der Überzahlung fällig gewordenen Rückerstattungsanspruch und mit den Restfertigstellungsmehrkosten) aufrechnen, mit den Mängelbeseitigungskosten dagegen nicht, weil zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch keine von ihm gesetzte Nachbesserungsfrist abgelaufen war (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). 571 An diesem Ergebnis dürfte auch BGH ZIP 2010, 90 Rn. 10 ff.
nichts ändern. In diesem Urteil entschied der Bundesgerichtshof auf Grundlage von § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO, dass eine Aufrechnung des Finanzamts mit zwischen Insolvenzantragstellung und Verfahrenseröffnung entstandenen Umsatzsteuerforderungen gegen einen (zur Zeit der Antragstellung bereits begründeten) Steuererstattungsanspruch des Schuldners unwirksam ist. 572 Dies basiert erkennbar auf der Prämisse, § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfasse – ungeachtet seines unzulänglichen Wortlauts – auch den Fall, dass ein (Forderungs-)Schuldner des späteren (Insolvenz-)Schuldners sich innerhalb der kritischen Zeit zu dessen Gläubiger macht. MünchKomm-Brandes/Lohmann, InsO § 96 Rn. 27.
573 Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall entsteht die Forderung des Bestellers nicht erst nach dem ihm bekannten Insolvenzantrag des Schuldners, sondern ergibt sie sich als Folge der insolvenzbedingten Kündigung eines bereits vor dem Insolvenzantrag abgeschlossenen Vertrags. 574 Im Fall b) – Schadensersatzwahl des Bestellers gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO – scheidet dagegen wegen § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO insgesamt eine erfolgreiche Aufrechnung des Bestellers aus. Bopp, S. 114 f.; MünchKomm-Kreft, InsO § 103 Rn. 23 (m. w. N. auch zur Gegenauffassung); i. E. ebenso Häsemeyer, in: Kölner Schrift, S. 645, 653;
142
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags nunmehr auch M. Huber, NZBau 2005, 256, 260; Tintelnot, KTS 2004, 339, 345 ff. (mit abweichender Auslegung der nunmehr vom BGH angewandten Suspensivtheorie) a. A. z. B. MünchKomm-Brandes/Lohmann, InsO § 95 Rn. 17.
Folge der neuen Suspensivtheorie des Bundesgerichtshofs ist es nämlich, dass 575 erst nach Verfahrenseröffnung der Besteller den Verwalter zur Erfüllungswahl auffordern und seinen Schadensersatzanspruch nur geltend machen kann, wenn der Verwalter nicht die Vertragserfüllung wählt, was zwingend immer erst nach Verfahrenseröffnung der Fall ist. Praxistipp: Dieses einigermaßen befremdliche Ergebnis führt zu der ebenso befremdlichen, mit den Sanierungszielen der Insolvenzordnung nicht zu vereinbarenden Empfehlung an Besteller, im Zweifel nicht die Verfahrenseröffnung und die Entscheidung des Verwalters über die Erfüllungswahl abzuwarten, sondern möglichst bald nach Insolvenzantragstellung den Bauvertrag berechtigt zu kündigen, sodann sofort intensiv das Teilwerk auf Mängel zu untersuchen und wegen entdeckter Mängel rechtzeitig vor Verfahrenseröffnung dem Unternehmer Fristen zur Beseitigung zu setzen. Nur dann scheint sichergestellt, dass § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO sich nicht zulasten des Bestellers auswirkt.
Für die weiteren nur wegen des Zusammenhangs nochmals aufgegriffenen 576 Varianten ergibt sich die Lösung aus den obigen (Rn. 21 ff., 280 ff.) Ausführungen zu § 96 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 InsO. In der Variante 7 (Fall a) greifen zugunsten des Verwalters sowohl § 131 Abs. 1 Nr. 1 als auch § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO, je i. V. m. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, durch. Auch in Fall b) zu Variante 7 ist die Aufrechnung wegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO unwirksam. Auch in der Variante 8 – sowohl Fall a) als auch Fall b) – geht die vom Besteller erklärte Aufrechnung ins Leere (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). c) Exkurs: Aufrechnung des Bestellers mit sonstigen Gegenforderungen gegen eine Hauptforderung des Verwalters Beispiel: Eine Forderung des Schuldners aus einer geprüften Schlussrechnung ist seit 1.4.2014 fällig; der Besteller hat bisher nicht bezahlt und rechnet im am 1.7.2014 eröffneten Verfahren gegenüber dem Verwalter mit einer Gegenforderung aus einem anderen Bauvertrag in gleicher Höhe wegen Mängelbeseitigungskosten auf (vgl. Varianten 1 – 5 des Beispiels Rn. 559). Nur in den Varianten 1 und 5 hat die Aufrechnung Erfolg gem. §§ 94, 95 577 Abs. 1 Satz 1 InsO. Dagegen scheitert in den Varianten 2 – 4 die Aufrechnung daran, dass die Forderung des Verwalters zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung fällig war, die Gegenforderung des Bestellers dagegen erst mit fruchtlosem Fristablauf – und folglich später – in einen Geldzahlungsanspruch umgewandelt wurde (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). Ähnliche Probleme stellen sich für den Vertragspartner des Schuldners, der 578 sich mit dem Argument verteidigt, er habe einen Gegenanspruch aufgrund 143
A. Die Insolvenz des Unternehmers
einer von ihm zugunsten des Schuldners übernommenen Bürgschaft bzw. einer ihm gesetzlich auferlegten Bürgenhaftung (Letztere kann sich im Baubereich ergeben etwa aus § 14 AEntG oder aus § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Damit ein zur Aufrechnung geeigneter Gegenanspruch besteht, muss der Vertragspartner “rechtzeitig“ i. S. v. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO an den durch die Bürgenhaftung Begünstigten gezahlt und dadurch seinen eigenen Zahlungsanspruch gegen den Schuldner (Anspruchsgrundlagen: entweder §§ 675, 670 BGB oder § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. der Hauptforderung) begründet haben. Zahlt der Vertragspartner erst nach Verfahrenseröffnung auf die Bürgschaft und ist die Forderung des Schuldners/Verwalters schon davor fällig geworden, scheitert die Aufrechnung an § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO. Zum Aufwendungsersatzanspruch des „normalen“ Bürgen: BGH ZIP 2004, 620, 623 = ZVI 2004, 252, dazu EWiR 2004, 1141 (Beutler/Vogel); zu den Fällen der gesetzlichen Bürgenhaftung: BGH ZIP 2005, 126, 130 r. Sp.; dazu EWiR 2005, 565 (Naraschewski); LG Bochum ZInsO 2002, 334, 335 l. Sp. (n. rkr.); OLG Zweibrücken ZInsO 2003, 36, 38 l. Sp. OLG Celle IBR 2005, 1058 AG Moers ZIP 2013, 1926, 1927: vgl. insgesamt auch MünchKomm-Brandes/Lohmann, InsO § 95 Rn. 19.
579 Die teleologische Reduktion des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO (Rn. 428 ff.) scheidet in dieser Fallgruppe aus, da die Pflicht des Schuldners (Verleihers), den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen und dadurch eine – gesetzliche – Bürgenhaftung des Entleihers zu verhindern, nicht im (engen) Synallagma mit dem Anspruch des Schuldners auf Entgelt für die Arbeitnehmerüberlassung steht. BGH ZIP 2005, 126, 129 f. Praxistipp: Im Vorfeld einer Inanspruchnahme als gesetzlicher Bürge etwa gem. § 14 AEntG oder § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV wenden (z. B.) Generalunternehmer, die von einem Verwalter über das Vermögen (z. B.) eines Nachunternehmers auf offenen Werklohn in Anspruch genommen werden, oft ein, zur Zahlung nur verpflichtet zu sein, wenn im Gegenzug der Verwalter Bescheinigungen/Nachweise, dass der insolvente Nachunternehmer seine sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen usw. Verpflichtungen erfüllte, vorlegt. Ohne vertragliche Regelung hat indessen der Generalunternehmer hierauf keinen Anspruch, sodass diese Einrede erfolglos bleibt (OLG Dresden IBR 2013, 398; OLG Naumberg IBR 2014, 653). Hingegen hat das OLG Köln NZBau 2013, 302, aus einer seines Erachtens hinreichend deutlichen vertraglichen Regelung, dass der Nachunternehmer derartige Unterlagen vorlegen müsse, ein – anders als das reine Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB – „insolvenzfestes“ Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB abgeleitet und der Werklohnklage des Verwalters nur Zug um Zug gegen Vorlage dieser Unterlagen (oder von alternativen Absicherungen des Generalunternehmers) stattgegeben.
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IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags Abgesehen davon, dass die Annahme eines Leistungsverweigerungsrechts gem. § 320 BGB nicht zweifelsfrei erscheint, kommt ohne Erfüllungswahl des Verwalters eine Zug-um-Zug-Verurteilung nicht in Betracht, wird doch dadurch indirekt in Widerspruch zu § 103 InsO dem Verwalter eine Handlungspflicht auferlegt. In Betracht wäre allenfalls gekommen, dass der Generalunternehmer nach fruchtloser Aufforderung an den Verwalter, insoweit den Vertrag zu erfüllen, einen Schadensersatzanspruch gem. § 103 Abs. 2 InsO dargelegt und bewiesen hätte (zur Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzgläubigers vgl. BGH ZIP 2013, 526, Rn. 13 = ZVI 2013, 232 = ZfIR 2013, 438 (m. Anm. Popp, S. 440). Der vom OLG Köln konstatierte Umstand, dass beide Parteien nicht imstande waren, „die Höhe der Haftungsgefahr auch nur annähernd zu konkretisieren“, und dass „mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte die Höhe der Haftungsgefahr auch nicht nach § ZPO § 287 ZPO zu schätzen war“, hätte sich also zulasten des Generalunternehmers ausgewirkt.
Zu einem noch schärferen Schwert wird § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO für den Ver- 580 walter durch eine vom Bundesgerichtshof vorgenommene einschränkende Auslegung des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO: Nach dieser Vorschrift kann zwar, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig sind, die Aufrechnung erfolgen, sobald die Voraussetzungen des § 387 BGB vorliegen, also die Gegenforderung wirksam und fällig und die Hauptforderung erfüllbar ist. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO erfasst auch Fälle, in denen nicht eine vertragliche Bedingung, sondern eine gesetzliche Voraussetzung für das Entstehen der Forderung fehlt. Die Vorschrift soll den Gläubiger schützen, dessen Forderung in ihrem rechtlichen Kern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist und fällig ist, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedarf. Voraussetzung ist aber stets, dass der Gläubiger schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darauf vertrauen durfte, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage im Insolvenzverfahren keine Schwierigkeiten bereiten werde. Daran fehlt es bei einer Forderung, deren Rechtsgrund erst mit Insolvenzeröffnung gelegt wird. Demnach ist die Auffassung unzutreffend, eine Forderung, die mit Insolvenzeröffnung entstehe, sei so zu behandeln, als sei sie vor diesem Zeitpunkt entstanden. BGH ZIP 2007, 1612, Rn. 23 f. = ZVI 2007, 565.
Weitere aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass es oft von Zufälligkeiten abhängt, 581 wer den durch § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO vorgegebenen „Wettlauf der Fälligkeiten“ gewinnt. In den nachgenannten Fällen stammten sowohl die Hauptforderung als auch die Gegenforderung aus vorinsolvenzlich abgeschlossenen und abgewickelten Verträgen. OLG Jena IBR 2006, 392 (Volltext unter II.3. der Gründe); OLG München IBR 2006, 1446; OLG Dresden IBR 2011, 465.
145
A. Die Insolvenz des Unternehmers
582 Das Urteil des OLG München geht sogar davon aus, dass nach Abtretung eines der Masse zustehenden Schadensersatzanspruchs durch den Verwalter an Insolvenzgläubiger diese von § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO profitieren. Hiergegen bestehen erhebliche Bedenken. BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – VII ZR 49/05.
583 Der Bundesgerichtshof hat aber in seinem Beschluss die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, da das OLG München seine Entscheidung hilfsweise auf § 406 BGB stützte. d) Kritische Bewertung 584 Die Aufrechnungsverbote des § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO knüpfen an die früheren Aufrechnungsverbote des § 55 KO an und nehmen außerdem die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 17 KO jedenfalls im Ergebnis – wenn auch wohl unbewusst – auf. Die dadurch erzielten Ergebnisse sind evident einleuchtend und – angesichts des Prinzips der insolvenzrechtlichen Gläubigergleichbehandlung – „gerecht“. 585 Ansonsten ist es in §§ 94, 95 InsO bei der Grundentscheidung geblieben, die Selbstexekution der aufrechnungsbefugten Insolvenzgläubiger zu akzeptieren und sie vor anderen Insolvenzgläubigern, die über solche Aufrechnungsmöglichkeiten nicht (mehr) verfügen, zu bevorzugen. Dabei war unter der alten Rechtslage seit jeher ein Ärgernis, dass Insolvenzgläubiger, die in der letzten Phase des schuldnerischen Betriebs fällige Zahlungen verzögerten und dadurch den Niedergang beschleunigten, anschließend dadurch Vorteile erlangten, dass ihnen wirtschaftlich lukrative und rechtlich leicht zu handhabende Aufrechnungsmöglichkeiten eröffnet wurden. 586 Genau dieser Praxis versucht nun § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO einen Riegel vorzuschieben. Wie jedoch insbesondere die Erörterungen zu Rn. 563 f., 581 gezeigt haben, führt die Anwendung dieser Norm zusammen mit dem Ausschluss von § 45 Satz 1 InsO durch § 95 Abs. 1 Satz 2 InsO zu teilweise willkürlichen und vom Zufall abhängigen Ergebnissen. 587 Es ist einem redlichen Besteller schwer einsichtig zu machen, weshalb ihm in den Varianten 3 und 4 allein aufgrund des zeitlichen Verlaufs die Aufrechnung verwehrt sein soll. Noch größer wird das Unverständnis bei dem Besteller in der Fortführung des Beispiels (Rn. 565) sein, der für seine zügige Schlussrechnungsprüfung bestraft wird. Umgekehrt wird es ein Verwalter befremdlich finden, dass er aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts, der auf die Fälligkeit abstellt, bei VOB/B-Verträgen u. U. an die Prüffrist von 30 Tagen nach Rechnungszugang gebunden ist und dadurch Rechtsnachteile erleiden kann. 588 In dem deswegen einsetzenden „Wettlauf der Fälligkeiten“ kann ein Verwalter versucht sein, oberflächliche Rechnungen zu versenden, um wenigstens formal die Fälligkeit herbeizuführen in der Hoffnung, inhaltliche Fehler im laufenden Rechtsstreit nachträglich zu reparieren (die Fälligkeit einer 146
IV. Abwicklung und Abrechnung des nicht fortgeführten Vertrags
Forderung aus einem VOB/B-Vertrag hängt nicht von der materiellen Richtigkeit, sondern von der Prüffähigkeit bzw. der vom Besteller nicht innerhalb von zwei Monaten ab Zugang spezifiziert erhobenen Rüge fehlender Prüfbarkeit [Rn. 409 f.] ab). Außerdem wird zu prüfen sein, ob der Besteller die VOB/B im AGB-recht- 589 lichen Sinn gestellt hat und der Bauvertrag Abweichungen von der VOB/B enthält. Falls ja, verstößt § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B in der isolierten Inhaltskontrolle u. U. gegen das gesetzliche Leitbild des § 641 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB und könnte unwirksam sein (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Durch sein Bemühen, dem zögerlichen Zahlungsverhalten von einzelnen Insol- 590 venzgläubigern einen Riegel vorzuschieben, hat der Gesetzgeber mit § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO einen Fremdkörper in die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote inkorporiert und bestraft im Einzelfall seriöses Abrechnungsverhalten von Verwaltern und zügige Prüfungen durch Besteller. Besteller, die die Rechtslage zutreffend analysieren, sind – falls sie in dauernder Geschäftsverbindung mit dem Schuldner standen – notgedrungen gehalten, alsbald nach Insolvenzantragstellung allerorten nach Mängeln zu suchen und Fristen zu setzen. Nur dann erhalten sie sich die Möglichkeit, mit mängelbedingten Zahlungsansprüchen aus verschiedenen Bauverträgen wirksam aufzurechnen. Ferner kann es sich als „Eigentor“ erweisen, wenn der Besteller nicht rechtzeitig vor Verfahrenseröffnung berechtigt kündigt, sondern einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung erst geltend macht, nachdem der Verwalter die Erfüllung des Vertrags abgelehnt hat (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO). Das entscheidende, kaum bewältigbare Problem liegt darin, dass im Bau- und 591 Architektenrecht die Fälligkeit von Unternehmerforderungen meist sich nicht (allein) nach dem eher objektiven Maßstab des BGB bestimmt, sondern von zusätzlichen Erfordernissen wie Rechnungslegung und -zugang, Rechnungsprüfung bzw. Ablauf bestimmter Fristen (§ 16 Abs. 3 VOB/B; § 15 Abs. 1 HOAI 2013) abhängt. Ebenso hängt die Fälligkeit von auf Geldzahlung gerichteten Ansprüchen des Bestellers wegen Mängeln davon ab, dass der Besteller den Mangel erkennt und eine Frist zur Beseitigung setzt. Diese zum Teil von Zufälligkeiten abhängige Fälligkeit hat meines Erachtens der Gesetzgeber nicht hinreichend bedacht. Kritisch auch Christiansen, ZInsO 2011, 1177, dessen Vorstellungen aber de lege lata nicht haltbar sind.
Überzeugender und „gerechter“ wäre aus meiner Sicht eine durchgehende 592 Orientierung an den Prinzipien, wie sie in neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wiederholt zum Ausdruck gekommen sind, BGH ZIP 1995, 926, 927 f.; BGH ZIP 2001, 1380, 1381; BGH ZIP 2003, 1208, 1211 r. Sp.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
nämlich eine Aufrechnung insoweit zuzulassen, als die Hauptforderung und die Gegenforderung auf vorinsolvenzlich erbrachten Leistungen und in dieser Phase begründeten Ansprüchen beruhen, und dies gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO dahingehend einzuschränken, dass auf während und in Kenntnis der Krise entgegengenommene Leistungen die geschuldete Vergütung gezahlt werden muss ohne Kürzungsmöglichkeiten durch im Zeitraum davor wurzelnde, zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen. Zu diesen Grundprinzipien auch G. Fischer, NZI 2002, 281, 285.
V. Der von einer Seite zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits vollständig erfüllte Bauvertrag 593 § 103 InsO ist nicht einschlägig; es mögen folgende kurze Hinweise genügen: 1. Vollständige Erfüllung durch den Schuldner 594 Der Besteller ist zur Zahlung der noch offenen Restvergütung an den Verwalter verpflichtet. Wenn Mängel nicht hervorgetreten sind und von ihm nicht konkret benannt werden können, kann er nicht allein wegen der Insolvenz einen „insolvenzbedingten Sondersicherheitseinbehalt“ beanspruchen (siehe Rn. 480). 595 Vertragliche Rechte des Bestellers bleiben bestehen, soweit er sie wirksam vor Insolvenzeröffnung vertraglich begründet hat. So kann der Besteller die Schlusszahlungseinrede gem. § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (die allerdings meist aus Rechtsgründen – § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB – unbeachtlich ist) erheben und damit den Verwalter vor die Notwendigkeit stellen, gem. § 16 Abs. 3 Nr. 5 VOB/B fristgebunden den allgemeinen und den speziellen Vorbehalt zu erklären. OLG Düsseldorf ZIP 1983, 342.
596 Gegenüber zwingenden insolvenzrechtlichen Vorschriften wie etwa § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO versagt die Schlusszahlungseinrede in jedem Fall. BGH ZIP 2007, 1721, Rn. 12 f.
597 Stehen dem Besteller aus anderen Rechtsverhältnissen auf Geldzahlung gerichtete Gegenforderungen zu, die vor Verfahrenseröffnung fällig geworden sind, so kann er mit diesen Forderungen gegen die Werklohnforderung des Verwalters aufrechnen (§ 94 InsO). 598 Im Einzelfall kann sich allerdings erweisen, dass der Schuldner den Bauvertrag doch nicht vollständig erfüllt hat, nämlich dann, wenn der Besteller vor abschließender Zahlung, aber rechtzeitig vor Ablauf der maßgeblichen Verjährungsfristen, Mängel feststellt. Werden die Mängelrügen vom Verwalter akzeptiert oder durch eine Beweisaufnahme bestätigt, ist der Bauvortrag nach § 103 InsO zu behandeln, da einerseits noch ein Restwerklohn zu bezahlen ist, andererseits Mängel bestehen (vgl. auch Rn. 221 ff.). 148
V. Der von einer Seite bereits vollständig erfüllte Bauvertrag Praxisbeispiel: AG Witten ZInsO 2003, 479, 480.
Werden dagegen die Mängel später durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt, 599 so verbleibt es bei der Zahlungspflicht des Bestellers in voller Höhe; § 103 InsO ist eben doch nicht einschlägig. 2. Vollständige Erfüllung durch den Besteller Treten nach Verfahrenseröffnung noch Mängel auf, so hat der hieraus re- 600 sultierende Anspruch des Bestellers nur den Rang einer Insolvenzforderung. Der Verwalter darf und kann einem Nacherfüllungsverlangen nicht entsprechen, da dies eine Masseschädigung ohne Gegenleistung durch den Besteller wäre. Genauso wenig darf er dem Besteller Mängelansprüche gegen den endverantwortlichen Nachunternehmer ohne Gegenleistung abtreten. Feuerborn, ZIP 1994, 14, 17 f.
Die verbreitete Annahme gerade von nicht gewerblichen (privaten) Bauher- 601 ren, in der Insolvenz hätten sie ungeachtet der bestehenden Vertragsverhältnisse Anspruch auf Mängelbeseitigung gegen denjenigen, der wirtschaftlich noch leistungsfähig ist, ist mit diesen zwingenden insolvenzrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Ansprüche verbleiben im jeweiligen Vertragsverhältnis, sodass in der Praxis nicht selten folgender Fall auftritt: Der Besteller hat seinen Unternehmer vollständig bezahlt, dieser wiederum seinen Nachunternehmer. Der Besteller hat in der Insolvenz des Unternehmers nur eine Insolvenzforderung, während der Verwalter einen Minderungsbetrag gegen den Nachunternehmer zur Masse ziehen kann (siehe Rn. 817 ff.). Hiervon profitiert der Besteller lediglich anteilig in Form der erhöhten Quote. Mithin kann der Besteller nur eine vorhandene Mängelbürgschaft (oder sonstige Sicherheit) in Anspruch nehmen oder die Forderung in Höhe der Nacherfüllungskosten zur Tabelle anmelden (§ 45 Satz 1 InsO). Zur Anwendbarkeit von § 45 Satz 1 InsO etwa MünchKomm-Bitter, InsO, § 45 Rn. 7, 25; soweit vor Insolvenz der Gläubiger in einem Zug-um-ZugAntrag zunächst ein Gegenrecht des späteren Schuldners berücksichtigte, kommen in analoger Anwendung von § 45 Satz 1 InsO dessen Schätzung auf einen Geldbetrag und Abzug von der Gläubigerforderung in Betracht (vgl. BGH ZIP 2014, 2092 Rn. 15, 36, dazu EWiR 2014, 751 (Mankowski).
Obwohl diese Rechtslage eindeutig scheint, muss der Besteller vor einer Gel- 602 tendmachung von Schadensersatz (die ihm dann auch das Recht verschafft, den Mangel zu beseitigen) die gesetzlichen und vertraglichen Formalien einhalten. Dazu ein bewusst zugespitztes Beispiel: Der Besteller hat dem Schuldner den vollen Werklohn bezahlt und hat nur noch eine Mängelbürgschaft über 10.000 € in Händen. In Kenntnis der Verfahrenseröffnung lässt er einen Mangel innerhalb noch laufender Verjährungsfrist für 149
A. Die Insolvenz des Unternehmers
Mängelansprüche beseitigen – Kosten: 10.000 € –, ohne vorher den Verwalter zur Nacherfüllung aufzufordern. Er meint, dass der Verwalter ohnehin nicht nachbessern werde und eine Fristsetzung entbehrlich sei, insbesondere auch deshalb, weil der Verwalter keinen offenen Werklohn mehr beanspruchen könne. Dabei weiß er nicht, dass der Schuldner dem Bürgen Festgeld in Höhe von 10.000 € als Sicherheit für Ansprüche des Bürgen gegen den Schuldner aus dem Avalkreditvertrag verpfändet hat und diese Sicherheit nur mehr für die vom Besteller innegehabte Bürgschaft haftet. Der Verwalter hätte die Möglichkeit gehabt, den Mangel für die Masse kostenlos durch einen eintrittspflichtigen Nachunternehmer beseitigen zu lassen, wodurch – mit endgültigem Eintritt der Verjährung von Ansprüchen des Bestellers – die Sicherheit zugunsten der Masse frei geworden wäre (Alternative: Er hätte aufgrund Sonderkonditionen die Nacherfüllung zu Kosten von 7.500 € durch die Nachfolgefirma des schuldnerischen Unternehmens durchführen lassen können, mit der er in allen geeigneten Nacherfüllungsfällen kooperiert). 603 Zwar ist der Verwalter nur äußerst selten daran interessiert, selbst nachzuerfüllen. Dennoch sollte der Besteller vor Beseitigung des Mangels den Verwalter stets zur Nacherfüllung auffordern. Sedes materiae ist indes – da kein beiderseits nicht vollständig erfüllter Vertrag vorliegt – nicht § 103 InsO, sondern § 13 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 2 VOB/B/§ 637 Abs. 1 BGB. BGH ZIP 1985, 1380, 1382 f., dazu EWiR 1985, 973 (Horn).
604 Das vorzitierte BGH-Urteil äußert sich nur am Rande zum Problem, da dort wiederholt betont wird, dass der Besteller in der Insolvenz des vollständig bezahlten Unternehmers über § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B die QuasiUnterbrechung der Verjährung herbeiführen kann. BGH ZIP 1985, 1380, 1383 l. Sp.
605 Zur Frage, ob der Besteller vor einem Schadensersatzverlangen auch eine Frist setzen muss, ist damit streng genommen nichts ausgesagt. Zweifel daran, dass diese Fristsetzung erforderlich ist, könnte § 45 Satz 1 InsO auslösen. Diese Regelung zur Umrechnung u. a. von Mängelansprüchen bewirkt jedoch nicht per se eine Umgestaltung der Rechtslage. Erst die Feststellung des Anspruchs zur Insolvenztabelle hat nach der herrschenden Meinung eine Umwandlung zur Folge. MünchKomm-Bitter, InsO, § 45 Rn. 39 ff.
606 Ohnedies hat diese Umwandlung keinen Einfluss auf die Rechtsstellung von Bürgen und von neben dem Schuldner haftenden Gesamtschuldnern. MünchKomm-Bitter, InsO, § 45 Rn. 42 a. E., 50.
607 Für den Beispielsfall bedeutet dies, dass nur eine ordnungsgemäße Fristsetzung den Sicherungsfall – und damit einen Zahlungsanspruch – im Verhältnis zum Mängelbürgen auslösen kann.
150
VI. Insolvenz und Vergaberecht
So hat nunmehr auch der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs – dort ein- 608 schlägig: § 634 Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. – entschieden. Mag auch das Nachbesserungsverlangen gegenüber dem Verwalter wenig erfolgversprechend sein, so kann der Besteller damit auf sicherer rechtlicher Grundlage das Vertragsverhältnis umgestalten. BGH ZIP 2010, 264 Rn. 31 ff. dazu EWiR 2010, 181 (Grziwotz).
Dieses Urteil ist auf die heute geltende Rechtslage vollständig übertragbar, 609 sodass der Besteller vor der Geltendmachung von Schadensersatz die nach BGB oder VOB/B nötigen angemessenen Fristen setzen und deren fruchtlosen Ablauf abwarten muss. Praxistipp: Auch wenn die fortbestehende Geltung der in § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B/§ 637 Abs. 1 BGB ausgedrückten Abwendungsbefugnis des Unternehmers auf Nacherfüllung in der Insolvenz noch nicht zweifelsfrei geklärt ist, sprechen die deutlich besseren Gründe dafür, ihre Relevanz zu bejahen. Im Übrigen bewirkt eine Fristsetzung in unverjährter Zeit, dass der Besteller nach der allerdings nicht unproblematischen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH ZIP 1993, 497 und 499) die dem Mängelbürgen sonst zustehende Einrede der Verjährung der Hauptschuld ausschaltet, einwandfrei den bürgschaftsrechtlichen Sicherungsfall herbeiführt und der Verwalter, ggf. auch der von ihm informierte Bürge, die Möglichkeit erhält, beweissichernde Maßnahmen vor der den Besteller durchgeführten Mängelbeseitigung zu treffen.
VI. Insolvenz und Vergaberecht Öffentliche Auftraggeber haben bei der Vergabe von Bauaufträgen in der 610 Regel ein Verfahren nach den Vorschriften der VOB/A durchzuführen. Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte sind nach dem 1. Abschnitt der VOB/A zu vergeben. Oberhalb der EU-Schwellenwerte ist der 2. Abschnitt der VOB/A (EG-§§) einschlägig. Von Interesse ist zum einen der Umgang mit Bietern, die sich in einer Insolvenzsituation befinden. Zum anderen stellt sich die Frage, welche vergaberechtlichen Pflichten zu beachten sind, wenn ein Auftrag über Restleistungen nach insolvenzbedingter Auftragsentziehung neu vergeben wird. 1. Insolvenz eines Unternehmens im laufenden Vergabeverfahren a) Fakultativer Ausschluss insolventer Unternehmen Gemäß § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 2a VOB/A können Angebote von Bietern aus- 611 geschlossen werden, wenn ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares gesetzlich geregeltes Verfahren eröffnet oder die Eröffnung beantragt worden ist oder der Antrag mangels Masse abgelehnt wurde oder ein Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt wurde. In den genannten Insolvenzfällen stehen die finanzielle Leistungsfähigkeit des betroffenen Bieters/Unternehmers und
151
A. Die Insolvenz des Unternehmers
damit die Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung des Auftrags ersichtlich in Frage. VK Nordbayern IBR 2003, 618.
612 Die insolvenzbedingte Leistungsunfähigkeit eines Nachunternehmers ist dem Bieter wie eine eigene Leistungsunfähigkeit zuzurechnen. OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900.
aa) Einzelfallbezogene Prognose 613 Bei § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 2a VOB/A handelt es sich um einen fakultativen Ausschlussgrund („Kann-Regelung“). Stellt die Vergabestelle einen der genannten Insolvenzfälle fest, darf das Angebot des betroffenen Unternehmers daher nicht automatisch wegen der damit eingetretenen abstrakten Gefährdungslage ausgeschlossen werden. Vielmehr ist die Vergabestelle verpflichtet, zu prüfen, ob der betroffene Unternehmer trotz der konkreten Insolvenzsituation über die für die ordnungsgemäße Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (Eignung) verfügt. Die Vergabestelle hat also eine – einzelfallbezogene – Prognose zur entfallenen bzw. zur fortbestehenden Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmers zu treffen. OLG Düsseldorf ZfBR 2012, 596 und NZBau 2007, 668; OLG Celle IBR 2013, 369; OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900. Praxistipp: Für die Prognoseentscheidung ist von folgender Frage auszugehen: Ist davon auszugehen, dass der Unternehmer trotz der konkreten Insolvenzsituation die vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der Mängelhaftung erfüllen kann? Für diese Prognoseentscheidung können insbesondere berücksichtigt werden eine positive Fortführungsprognose, der Stand des Insolvenzverfahrens, die Höhe der von Gläubigern zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen, die Möglichkeit, geforderte Sicherheiten beizubringen, die aktuelle Personalentwicklung, etwaige Verpflichtungen aus bestehenden Aufträgen mit anderen Bestellern usw. Allein die Möglichkeit, geforderte Sicherheiten beizubringen, genügt jedoch nicht, um einen Mangel an Liquidität auszugleichen (OLG Celle IBR 2013, 369). Um den notwendigen Einzelfallbezug herzustellen, sollte der betroffene Unternehmer bzw. der Verwalter unter Fristsetzung aufgefordert werden, (1.) darzulegen, ob und wie trotz des Insolvenzverfahrens eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung sichergestellt ist, und (2.) durch eine entsprechende Bankauskunft oder vergleichbare Bestätigungen zu belegen, dass die geforderten Sicherheiten (Bürgschaften) gestellt werden. Werden diese Erklärungen nicht beigebracht, kann der Bieter sowohl nach § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 2a VOB/A als auch nach § 15 (EG) Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen werden.
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VI. Insolvenz und Vergaberecht
Anhaltspunkte für eine positive Fortführungsprognose können insbesondere 614 sein die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO, VK Brandenburg ZfBR 2014, 825; VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21.6.2012 – 2 VK LSA 08/12 – und Beschl. v. 20.12.2012 – 2 VK LSA 37/12; Heuvels, ZIP 2014, 397, 401 f.,
die Anordnung des Schutzschirmverfahrens gem. § 270b InsO, Heuvels, ZIP 2014, 397, 401; zu weitgehend Loszynski, ZIP 2014, 1614, 1618, der dafür plädiert, Bieter zumindest für die Dauer des Schutzschirmverfahrens gem. § 270b InsO im Wege der teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 2 VOB/A auszunehmen,
und ein auf Sanierung gerichteter Insolvenzplan, sofern keine Umstände bekannt sind, die den angestrebten Sanierungserfolg ausschließen. OLG Celle IBR 2013, 369; OLG Düsseldorf ZfBR 2012, 596; Heuvels, ZIP 2014, 397, 400; Schranner, in: Ingenstau/Korbion, § 6 VOB/A Rn. 116.
bb) Ermessensentscheidung über den Ausschluss Ergibt die Prognose der Vergabestelle, dass der betroffene Unternehmer nicht 615 die notwendige Sicherheit für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen bietet (negative Eignungsprognose), ist sie verpflichtet, das Angebot auszuschließen. In diesem Fall hat die Vergabestelle richtigerweise keinen Ermessensspielraum, ob das Angebot ausgeschlossen werden soll oder weiter in der Wertung bleiben kann. Denn öffentliche Aufträge dürfen nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer vergeben werden (§ 97 Abs. 4 Satz 1 GWB, § 2 (EG) Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). OLG München, VergabeR 2013, 498; Heuvels, ZIP 2014, 397, 405; a. A. OLG Celle IBR 2013, 369; OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900 (die beider der Vergabestelle auch nach negativer Eignungsprognose ein Ausschlussermessen einräumen).
Ergibt die Prognose, dass die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen des 616 ausgeschriebenen Auftrags trotz der Insolvenzsituation möglich erscheint (positive Eignungsprognose), verbleibt der Vergabestelle ein Ermessensspielraum, ob das Angebot ausgeschlossen werden soll oder weiter in der Wertung bleiben kann. OLG Düsseldorf ZfBR 2012, 596 und NZBau 2007, 668; OLG Celle IBR 2013, 369; OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
617 Hierfür hat die Vergabestelle eine – einzelfallbezogene – Beurteilung der Risiken einer Beauftragung des betroffenen Unternehmers vorzunehmen. Dabei wirken sich die Ergebnisse der Eignungsprüfung – mehr oder weniger stark – auf die Ermessensentscheidung aus, insbesondere was die Verantwortbarkeit der Übernahme verbleibender Prognoseunsicherheiten und Risiken betrifft. Je stärker verbleibende Prognoseunsicherheiten und Risiken die Erfüllung der (künftigen) vertraglichen Verpflichtungen gefährden, desto eher wird die Ermessensentscheidung zugunsten eines Ausschlusses ausfallen dürfen. OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900. Praxistipp: Der Risikoabwägung sind zunächst die Ergebnisse der Eignungsprognose zugrunde zu legen (OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900). Darüber hinaus können bei der Risikoabwägung insbesondere berücksichtigt werden: – die Dauer der Auftragsabwicklung: So kann die Risikobereitschaft zugunsten eines insolventen Bieters bei längerfristig abzuwickelnden Aufträgen geringer sein als bei einmaligen Lieferungen oder kurzfristigen Aufträgen (OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900); – die Rechtsfolgen eines erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen Vertrags: Verbindlichkeiten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Verwalter begründet werden, sind vorab aus der Insolvenzmasse zu berichtigende Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 [und im Fall, dass ein „starker“ vorläufiger Verwalter eingesetzt wurde: § 55 Abs. 2] i. V. m. 53 InsO), für die der Verwalter u. U. persönlich haftet (§ 61 InsO). Allein die Haftung des Verwalters kann richtigerweise die Vertragserfüllung nicht „sichern“, weil es dabei nur um Sekundäransprüche geht (OLG Celle IBR 2013, 369; a. A. OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900, wonach die Vergabestelle in Bezug auf den konkreten Auftrag zu entscheiden haben soll, ob eine entstehende, vorab zu berichtigende Masseverbindlichkeit die Vertragserfüllung hinreichend sichern kann); – der Abstand zum zweitplatzierten Bieter: So kann sich die Bereitschaft, einem insolventen Bieter den Zuschlag zu erteilen, erhöhen, je größer die Differenz zum nächstgünstigsten Bieter ist (OLG Celle IBR 2013, 369); – etwaige „Sicherungen“ durch insolvenzrechtliche Vorschriften und Prüfpflichten (OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900).
cc) Prüfungs- und Dokumentationspflichten 618 Eine tragfähige Prognose- und Ermessensentscheidung setzt voraus, dass sich die Vergabestelle ein umfassendes Bild über den Bestand und die Fortführung des betroffenen Unternehmers sowie dessen wirtschaftliche Situation macht, z. B. durch eigene Recherchen, Erkundigungen beim Insolvenzgericht, Nachfragen beim betroffenen Unternehmer usw. Die Faktengrundlage ist anschließend – ergebnisoffen – zu bewerten. OLG Celle IBR 2013, 369; im Ergebnis wohl ebenso OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900, das zwar keine (dem Beschleunigungsgrundsatz des Vergabe-
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VI. Insolvenz und Vergaberecht verfahrens zuwiderlaufende) zeitraubende Recherche zu den konkreten Umständen des Einzelfalls verlangt, jedoch gleichwohl eine aussagekräftige einzelfallbezogene Begründung der zu treffenden Entscheidungen. Praxistipp: Wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO), ist der betroffene Unternehmer regelmäßig nicht mehr in der Lage, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. So können insbesondere Arbeitnehmer, Lieferanten und Nachunternehmer nicht bezahlt sowie geforderte Sicherheiten nicht beigebracht werden. In diesem Fall bedarf es daher für einen ermessensfehlerfreien Ausschluss in der Regel keiner weiteren Aufklärung und Ermessenserwägungen mehr (Kratzenberg, in: Ingenstau/ Korbion, § 16 VOB/A Rn. 42). Darüber hinaus kann auf die Prüfung der Auswirkungen der konkreten Insolvenzsituation auf die Eignung des betroffenen Unternehmers nur dann – aus Gründen der Verfahrensökonomie – verzichtet werden, wenn das jeweilige Angebot bereits aus anderen Gründen nicht in die engere Wahl für die Zuschlagserteilung kommt, etwa weil es aus formalen Gründen zwingend auszuschließen ist (OLG Düsseldorf IBR 2008, 1072) oder nach den bekannt gemachten Zuschlagskriterien offensichtlich keine Aussicht auf den Zuschlag hat (VK Bund IBR 2010, 225).
Sowohl die Prognose- als auch die Ermessensentscheidung müssen in der 619 Vergabeakte nachvollziehbar dokumentiert werden. Als Mindeststandard wird eine aussagekräftige Begründung verlangt, die auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zumindest kurz eingeht. Allein eine Erwähnung des „eingeräumten Ermessens“ oder eine Entscheidung, die nur auf „typisierende“ allgemeine Insolvenzabwicklungsrisiken (unzulängliche Masse, scheiternder Insolvenzplan usw.) abstellt, genügt nicht. OLG Schleswig, VergabeR 2012, 900.
dd) Insolvenz nach Abschluss der Angebotsprüfung, aber vor einer endgültigen Vergabeentscheidung Erhält die Vergabestelle – nach Abschluss der Eignungsprüfung (und ggf. der 620 folgenden Wertungsstufen), aber vor Zuschlagserteilung – Kenntnis von einem der in § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 2a VOB/A genannten Tatbestände oder von neuen Tatsachen, welche die bereits getroffene Entscheidung über die Eignung in Frage stellen könnten (z. B. neue Entwicklungen im laufenden Insolvenzverfahren), ist sie verpflichtet, erneut in die Eignungsprüfung einzutreten und die Eignung des betroffenen Unternehmers unter Berücksichtigung der neu aufgetretenen Gesichtspunkte nochmals zu prüfen. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.09.2002 – Verg 41/02; OLG Frankfurt IBR 2009, 532; OLG Jena, VergabeR 2014, 38.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
b) Besonderheiten bei Insolvenz eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft 621 Scheidet aus einer mehrgliedrigen Bietergemeinschaft ein Mitglied aufgrund seiner Insolvenz aus, darf das Angebot der Bietergemeinschaft nicht automatisch ausgeschlossen werden. Denn seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, BGH ZIP 2001, 330 (m. Bespr. Ulmer, S. 585) = NJW 2001, 1056, dazu EWiR 2001, 341 (Prütting),
zur Teilrechtsfähigkeit einer (Außen-)GbR steht fest, dass ein Wechsel im Gesellschafterbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand bestehender Rechtsverhältnisse der Gesellschaft hat. Die Vergabestelle ist vielmehr verpflichtet, die Eignung der Bietergemeinschaft erneut zu prüfen. Nur wenn die Bietergemeinschaft damit nicht mehr über die für die Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags erforderliche Eignung verfügt, ist die Vergabestelle verpflichtet, das Angebot wegen fehlender Eignung auszuschließen. OLG Celle, VergabeR 2007, 765.
622 Scheidet hingegen aus einer zweigliedrigen Bietergemeinschaft ein Mitglied insolvenzbedingt aus, führen die Beendigung der Bietergemeinschaft und die „Übernahme“ des Angebots durch den verbleibenden Gesellschafter zu einem Wechsel in der Person des Bieters. In diesem Fall ist die Vergabestelle – aufgrund des in förmlichen Vergabeverfahren geltenden Nachverhandlungsverbots – verpflichtet, das Angebot auszuschließen (§ 15 (EG) Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VOB/A). OLG Düsseldorf NZBau 2005, 710; OLG Karlsruhe, VergabeR 2009, 164.
2. Neuvergabe von Restleistungen nach insolvenzbedingter Beendigung des Vertrags mit dem zuerst beauftragten Unternehmer 623 Im Fall einer insolvenzbedingten Kündigung des Unternehmers kann ein öffentlicher Auftraggeber den Auftrag wegen der bis zur Kündigung noch nicht erbrachten Leistungen nicht an den im Vergabeverfahren zweitplazierten Bieter vergeben. Vielmehr unterliegt auch dieser Auftrag von Neuem den vergaberechtlichen Bestimmungen. OLG Naumburg, VergabeR 2007, 512 und ZfBR 2006, 707; VK Lüneburg IBR 2010, 1317.
624 Der öffentliche Auftraggeber kann aber – unter bestimmten Voraussetzungen – berechtigt sein, eine freihändige Vergabe gem. § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VOB/A bzw. ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung gem. § 3 EG Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 VOB/A durchzuführen. Voraussetzungen hierfür sind, dass die Leistung infolge der insolvenzbedingten Kündigung außerordentlich („besonders“ bzw. „aus zwingenden Gründen“) dringlich ist, die Vergabestelle die Insolvenz nicht (mit-)verursacht hat und nicht voraussehen konnte und wegen der Dringlichkeit die Fristen des § 10 VOB/A bzw. § 10 EG Abs. 1, 2 und 3 Nr. 1 VOB/A nicht eingehalten werden können. 156
VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt EuGH, VergabeR 2010, 57; OLG Naumburg, VergabeR 2014, 787: instruktive Entscheidung zu der inhaltsgleichen Parallelvorschrift des § 3 Abs. 4 Buchst. c) VOF; Müller-Wrede, in: Ingenstau/Korbion, § 3 VOB/A Rn. 46 und § 3 EG VOB/A Rn. 32 f.
Eine freihändige Vergabe gem. § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VOB/A bzw. ein Ver- 625 handlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung gem. § 3 EG Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 VOB/A kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn bei einer Neuausschreibung selbst mit den auf ein zulässiges Maß verkürzten Fristen die Einhaltung des vorgesehenen Fertigstellungstermins nicht mehr gewährleistet wäre und deswegen entweder die Termine für Anschlussaufträge mit nachteiligen Folgen für den Besteller verschoben oder das Bauvorhaben ganz aufgegeben werden müsste, und der Vergabestelle im Rahmen der im vorangegangenen Vergabeverfahren durchgeführten Eignungsprüfung keine Fehler unterlaufen sind. VK Bund IBR 2005, 1251.
Im Rahmen der freihändigen Vergabe bzw. des Verhandlungsverfahrens ohne 626 vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung ist die Vergabestelle in der Regel verpflichtet, mindestens drei Vergleichsangebote einzuholen. BGH, VergabeR 2011, 452; OLG Naumburg, VergabeR 2014, 787; VK Bund IBR 2005, 1251: einzubeziehen sind mindestens drei Bieter aus dem vorangegangenen Vergabeverfahren; wohl ebenso OLG Naumburg, VergabeR 2007, 512.
Liegen – im Oberschwellenbereich – die Voraussetzungen des § 3 EG Abs. 5 627 Satz 1 Nr. 4 VOB/A vor, entfällt auch die Pflicht der Vergabestelle zur Vorabinformation der nicht berücksichtigten Unternehmer (§ 101a Abs. 2 GWB). Zu beachten ist jedoch die Pflicht zur nachträglichen Bekanntmachung der Auftragsvergabe im EU-Amtsblatt (§ 18 EG Abs. 3 und 4 VOB/A). Liegen hingegen die Voraussetzungen des § 3 EG Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 VOB/A 628 nicht vor oder vergibt die Vergabestelle den Auftrag unmittelbar an einen Unternehmer, ohne mit weiteren Unternehmern zu verhandeln, kann ein an dem Auftrag interessierter Unternehmer die Unwirksamkeit des Vertrags in einem Vergabenachprüfungsverfahren feststellen lassen (§ 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB). OLG Düsseldorf IBR 2010, 51.
VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt 1. Wirksamkeit eines (verlängerten) Eigentumsvorbehalts Das übliche Sicherungsmittel von Baustofflieferanten ist der (verlängerte) 629 Eigentumsvorbehalt.
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
630 Für den einfachen Eigentumsvorbehalt genügt eine einseitige Erklärung des Lieferanten, da bereits dadurch der Eigentumsübergang ausgeschlossen wird. Abweichende AGB des Schuldners ändern daran nichts. Das Eigentum verbleibt beim Lieferanten und wird unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung übertragen. 631 Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt wird zusätzlich die aus der Verarbeitung der Baustoffe resultierende Forderung gegen den Endkunden im Voraus an den Lieferanten abgetreten (die weitere Fallgruppe, dass der Lieferant Miteigentum am durch Verarbeitung usw. entstandenen neuen Produkt erwirbt, wird nachstehend nicht behandelt). Die Wirksamkeit der Abtretung setzt voraus: 632 Die abgetretene Forderung muss bestimmt oder wenigstens bestimmbar sein. Eine AGB-Klausel, dass in Höhe des Rechnungswerts der Vorbehaltsware abgetreten werde, genügt diesem Erfordernis. BGH. ZIP 1987, 85 = NJW 1987, 487, 490 l. Sp., dazu EWiR 1987, 5 (Meyer-Cording); BGH ZIP 2000, 932, 934 l. Sp., dazu EWiR 2001, 117 (Huber); zu einer zweifelhaften Klausel obiter BGH ZIP 2013, 528 Rn. 14 f., dazu EWiR 2013, 389 (Freudenberg/Wolf, Jan); zahlreiche weitere Details und Beispiele in BGH ZIP 1981, 153 (m. Bespr. Graf Lambsdorff, S. 243) = NJW 1981, 816, 817 f., wobei an dieser Entscheidung die fehlende Diskussion von § 305c Abs. 2 BGB problematisch ist.
633 Die Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts setzt übereinstimmende Willenserklärungen des Lieferanten und des Schuldners voraus. Ausreichend ist es im kaufmännischen Geschäftsverkehr – in dem § 305 Abs. 2 BGB nicht gilt –, wenn dem Schuldner Auftragsbestätigungen des Lieferanten (mit rückseitig aufgedruckten AGB, die einen verlängerten Eigentumsvorbehalt beinhalten) zugehen und der Schuldner – ohne dem Wunsch des Lieferanten nach Einbeziehung seiner AGB zu widersprechen – dessen Lieferungen entgegennimmt. Außerdem kann in der wiederholten Übersendung von Rechnungen des Lieferanten, auf deren Rückseite AGB mit entsprechendem Inhalt abgedruckt sind, ein Angebot des Lieferanten liegen, künftig nur noch unter Zugrundelegung dieser AGB zu liefern; die Annahme dieses Angebots kann im Abruf späterer Lieferungen und/oder deren Entgegennahme durch den Schuldner liegen. BGH ZIP 2000, 932 933 f.; BGH ZIP 2000, 1061, 1062 r. Sp., dazu EWiR 2001, 177 (Johlke/Schröder).
634 Dagegen schließen Abwehrklauseln in den Schuldner-AGB die Entstehung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts aus. BGH ZIP 1985, 544, dazu EWiR 1985, 323 (Grub); BGH NJW-RR 1986, 984, 985 l. Sp.
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VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt
Ausreichen kann es, wenn die AGB des Schuldners einen verlängerten Eigen- 635 tumsvorbehalt erkennbar voraussetzen und akzeptieren. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 946, 947.
Doch selbst wenn wegen zureichender Abwehrklauseln eine Einigung über 636 einen verlängerten Eigentumsvorbehalt nicht zustande kommt, hat der Lieferant durch seine AGB klargestellt, dass er nicht unbedingt übereignen will: Das Eigentum an der Ware verbleibt bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung bei ihm. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 946, 948 l. Sp.
Im Konflikt mit einer (regelmäßig zugunsten der Banken erfolgten) Global- 637 zession gilt zunächst der allgemeine sachenrechtliche Prioritätsgrundsatz. Zugunsten des verlängerten Eigentumsvorbehalts wird dieser jedoch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs relativiert. BGH ZIP 1999, 101, 102 l. Sp., dazu EWiR 1999, 299 (Medicus).
Demnach ist eine Globalzession künftiger Kundenforderungen an eine Bank 638 ohne dingliche Teilverzichtsklausel in der Regel sittenwidrig, soweit sie auch Forderungen erfassen soll, die der Kunde seinem Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts künftig abtreten muss und abtritt. Eine lediglich schuldrechtliche Teilverzichtsklausel ist nicht ausreichend. Nicht sittenwidrig ist eine Globalzession ohne dingliche Teilverzichtsklausel nur, wenn es aufgrund besonderer Umstände in Ausnahmefällen an einer verwerflichen Gesinnung der Bank fehlt. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn die Bank nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere wegen der Unüblichkeit eines verlängerten Eigentumsvorbehalts in der betreffenden Wirtschaftsbranche, eine Kollision der Sicherungsrechte für ausgeschlossen halten durfte. Dieser Ausnahmetatbestand zugunsten der Banken ist im Bereich der Bau- 639 wirtschaft irrelevant, da der verlängerte Eigentumsvorbehalt der Baustofflieferanten ein verbreitetes und allgemein bekanntes Sicherungsmittel ist. Ein verlängerter Eigentumsvorbehalt geht ins Leere, wenn in dem Vertrag 640 des Schuldners mit seinem Vertragspartner die Abtretung hieraus resultierender Forderungen ausgeschlossen ist (§ 399 Alt. 2 BGB). Derartige Regelungen sind auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertragspartners des Schuldners grundsätzlich wirksam. Eine Unwirksamkeit einer solchen Klausel ist nur dann zu bejahen, wenn der Vertragspartner des Schuldners kein schützenswertes Interesse an dem Abtretungsverbot hat oder wenn die berechtigten Belange des Schuldners an der freien Abtretbarkeit vertraglicher Ansprüche das entgegenstehende Interesse seines Vertragspartners überwiegen. Diese Voraussetzungen sind nicht allein deshalb erfüllt, weil das Abtretungsverbot die Sicherung eines Lieferanten im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts vereitelt. 159
A. Die Insolvenz des Unternehmers BGH ZfIR 2007, 11 (m. Anm. Schwenker, S. 12 = IBR 2006, 608 Rn. 13 ff.), dazu EWiR 2006, 709 (Moufang).
641 Allerdings hat diese Rechtsprechung aufgrund von § 354a Abs. 1 HGB nur eingeschränkte Bedeutung. Nach dieser Vorschrift ist eine Abtretung gleichwohl wirksam, wenn der Vertrag des Schuldners mit dem Besteller für beide Teile ein Handelsgeschäft ist oder der Besteller eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen ist. Fehlt es an diesen personalen Voraussetzungen für die Anwendung des § 354a Abs. 1 HGB, scheidet eine analoge Anwendung der Norm aus. BGH ZfIR 2007, 11 (m. Anm. Schwenker, S. 12) = IBR 2006, 608 Rn. 10 ff.
642 Schließlich kann eine Klausel über einen verlängerten Eigentumsvorbehalt unwirksam sein, wenn die Vorausabtretungen zu einer Übersicherung des Lieferanten führen. Es gelten jedoch nicht die strengen Maßstäbe wie bei Globalzessionen an Banken; vielmehr reicht eine schuldrechtliche Freigabeklausel, die die Freigabe nicht von unangemessenen Voraussetzungen abhängig macht, aus, um im Verhältnis zwischen Lieferant und Schuldner eine unangemessene Beeinträchtigung (§ 307 BGB) zu vermeiden. BGH ZIP 1985, 749, dazu EWiR 1985, 523 (Graf v. Westphalen).
2. Das Aussonderungsrecht des Lieferanten beim einfachen Eigentumsvorbehalt (§ 47 InsO) 643 Sind die gelieferten Baustoffe nicht verbaut worden, sondern befinden sie sich noch auf der Baustelle oder im Lager des Schuldners, so hat der Lieferant in der Insolvenz ein Aussonderungsrecht. Zugunsten des Schuldners und auch des (vorläufigen) Verwalters greift jedoch eine doppelte Vermutung ein: Nach § 1006 Abs. 1 BGB wird vermutet, dass Sachen, an denen der Schuldner Eigenbesitz hat, ihm gehören, und Eigenbesitz wird vermutet, wenn der Schuldner unmittelbarer Besitzer ist. OLG Köln ZIP 1982, 1107, 1107 r. Sp.; OLG Hamburg = ZIP 1984, 348, 350 f.; BGH ZIP 1996, 1181, 1183 l. Sp., dazu EWiR 1996, 753 (Uhlenbruck).
644 Eine eigenständige Nachforschungspflicht des Verwalters besteht nicht. Er muss nur Rechte Dritter beachten, von denen er Kenntnis hat oder für deren Bestehen zumindest konkrete Anhaltspunkte bestehen. Solche konkreten Anhaltspunkte ergeben sich aber nicht daraus, dass es im Geschäftsleben üblich ist, nicht zugleich bezahlte Waren unter Eigentumsvorbehalt zu liefern. OLG Düsseldorf ZIP 1988, 450, 452 l. Sp., dazu EWiR 1988, 391 (Haug); OLG Karlsruhe, NZI 1999, 231, 232 r. Sp.:
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VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt etwas sybillinisch dagegen BGH ZIP 2000, 895, 897 l. Sp., dazu EWiR 2000, 643 (Eckardt).
Demnach besteht keine Veranlassung, eigenständige Nachforschungen von 645 einem Verwalter zu verlangen, der einen Schuldner in einer Branche wie der Bauwirtschaft verwaltet, in der erfahrungsgemäß Eigentumsvorbehalte besonders verbreitet sind. Solche allgemeinen Kenntnisse und Erfahrungen ersetzen die konkrete und substantiierte Darlegung durch den Lieferanten nicht. Dies rechtfertigt sich nicht nur durch § 1006 Abs. 1 BGB, sondern auch dadurch, dass anderenfalls der Verwalter völlig mit Nachforschungspflichten überlastet wäre und sich vordringlichen Aufgaben nicht mehr widmen könnte. Praxistipp: Der Lieferant sollte deshalb die vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere die maßgeblichen AGB, oder sonstige Umstände, auf die er sein Aussonderungsrecht stützt, schnellstmöglich nach Kenntnis von der Antragstellung dem vorläufigen Verwalter zuleiten und detailliert erklären, in welcher Weise die AGB einbezogen wurden und hinsichtlich welcher Gegenstände konkret ein Eigentumsvorbehalt geltend gemacht wird.
Wenn der Lieferant seine Rechtsstellung und die betroffenen Gegenstände 646 zeitnah und substantiiert darlegt, kann dies eine schnelle Klärung mit anschließender Abholung der Vorbehaltsware durch den Lieferanten herbeiführen. Sofern trotz solcher detaillierter Darlegungen der (vorläufige) Verwalter die Rechte des aussonderungsberechtigten Lieferanten nicht wahrt, setzt er sich späteren Schadensersatzansprüchen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 60 f. InsO; vgl. Rn. 675 ff.) oder zumindest einem Verlangen des Lieferanten auf Ersatzaussonderung (§ 48 InsO) aus. Befindet sich bei Verfahrenseröffnung die unter Eigentumsvorbehalt gelie- 647 ferte Ware beim Schuldner und ist noch nicht der volle Kaufpreis entrichtet worden, so ist auch dieser Werklieferungs- oder Kaufvertrag beiderseits nicht vollständig erfüllt. Der Lieferant kann Klarheit über eine Erfüllungswahl des Verwalters durch Fristsetzung gem. § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO erlangen, wobei jedoch gem. § 107 Abs. 2 Satz 1 InsO der Verwalter die Erklärung erst unverzüglich nach dem Berichtstermin abzugeben hat. Anderes gilt, wenn in dieser Zeit eine erhebliche Verminderung des Werts der Sache zu erwarten ist (§ 107 Abs. 2 Satz 2 InsO), was bei Baustoffen selten der Fall sein wird. Da mit der Abholung von teilweise weit verstreut lagernden Baustoffen für 648 den Lieferanten erheblicher Aufwand verbunden ist, mag er im Einzelfall diesen Zeitraum abwarten und erst danach bei ausbleibender Erfüllungswahl des Verwalters seine Vorbehaltsware abholen. Im Regelfall wird aber der bereits mehrfach angesprochene, für die Bauinsolvenz typische Konflikt auftreten, nämlich dass der Lieferant als Vertragspartner des Schuldners schnellstmögliche Klarheit wünscht, der Verwalter dagegen so schnell alle notwendigen Entscheidungen gar nicht treffen kann.
161
A. Die Insolvenz des Unternehmers Praxistipp: Definitiv rechtswidrig ist das eigenmächtige Abholen von Gegenständen, die auf Baustellen angeliefert worden sind. Je nach Interessen- und Beweislage werden sich solche Vorgänge manchmal nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“ erledigen. Wer dagegen als Lieferant/Unternehmer bereits eingebaute Gegenstände, an denen der Grundstückseigentümer gem. §§ 946 ff. BGB Eigentum erlangt hat, wieder ausbaut und von der Baustelle entfernt, macht sich auch strafrechtlich verantwortlich und kann kaum auf Gnade hoffen.
3. Ersatzaussonderungsrecht des Lieferanten aufgrund einfachen Eigentumsvorbehalts (§ 48 InsO) 649 Die beiden in § 48 InsO genannten Ansprüche stehen dem Lieferanten auch dann zu, wenn der Schuldner vor Verfahrenseröffnung die unter Eigentumsvorbehalt stehende Ware veräußert hat. Die Ersatzaussonderung ist in § 48 InsO gegenüber dem unter der Konkursordnung geltenden Recht (§ 46 Satz 2 KO) aufgewertet worden. BGH ZIP 2004, 326, 328 l. Sp. = ZVI 2004, 105 = ZfIR 2004, 268 (LS), dazu EWiR 2004, 349 (G. Pape); BGH ZIP 2006, 959 Rn. 18, 22, dazu EWiR 2006, 503 (Frind).
650 Wenig Abwicklungsschwierigkeiten bereitet der in § 48 Satz 1 InsO geregelte Anspruch, wonach der Lieferant die Abtretung des Rechts auf die noch ausstehende Gegenleistung verlangen kann. 651 Wenn der Endkunde bezahlt hat, kommt es auf die Voraussetzungen des § 48 Satz 2 InsO an. Demnach muss die Gegenleistung des Endkunden „in der Masse unterscheidbar vorhanden sein“. Wird die Gegenleistung auf einem Konto gutgeschrieben, bleibt sie grundsätzlich unterscheidbar, solange sie durch Buchungen belegt und der positive Kontensaldo nicht durch Abbuchungen unter den Betrag der beanspruchten Leistung abgesunken ist. Geht dagegen die Gutschrift auf einem im Soll geführten Konto ein, wird sie zur Schuldentilgung verbraucht, sodass eine gegenständlich fassbare Gegenleistung nicht mehr vorhanden ist. BGH ZIP 1999, 626, dazu EWiR 1999, 707 (Canaris); BGH ZIP 2006, 959 Rn. 17 m. w. N.
652 Bedeutung für den Lieferanten erlangt das – verschuldensunabhängige – Ersatzaussonderungsrecht, wenn die Zahlung vor Verfahrenseröffnung an den Schuldner erfolgte oder nach Verfahrenseröffnung an den Verwalter, dieser aber Masseunzulänglichkeit anzeigen musste. Daneben kommt bei Verschulden des (vorläufigen) Verwalters ein Schadensersatzanspruch in Betracht (Rn. 675 ff.).
162
VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt
Auch der unter verlängertem Eigentumsvorbehalt veräußernde Lieferant kann 653 von den oben dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung profitieren, da sein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO zu beurteilen ist. BGH ZIP 2006, 959 Rn. 16, 21 ff.
4. Absonderungsrecht des Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts (§ 51 Nr. 1 InsO) Ein Absonderungsrecht steht dem Lieferanten zu, wenn der Schuldner die 654 unter Vorbehaltseigentum gelieferten Waren verarbeitet und eingebaut hat. Das Absonderungsrecht erfasst die gegen den Endkunden des Schuldners gerichtete Forderung. Die Beweislast dafür, dass eine Forderung an ihn abgetreten ist, trifft den 655 Lieferanten. Das gilt auch, wenn der Schuldner entgegen einer vertraglichen Verpflichtung keine Aufzeichnungen über die Endkunden gemacht hat. Diese Vertragsverletzung verleiht dem Lieferanten lediglich einen – als einfache Insolvenzforderung praktisch wertlosen – Schadensersatzanspruch (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese schuldhafte Verletzung einer Nebenpflicht durch den Schuldner führt aber nicht zu einer Beweislastumkehr. Insbesondere ist es dem Lieferanten verwehrt, beliebige Forderungen des Schuldners gegen Endkunden in Anspruch zu nehmen und dem Verwalter die Beweislast dafür zuzuweisen, dass diese Forderungen nicht vom verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst seien. BGH NJW 1978, 1632.
In derartige Beweisschwierigkeiten gerät der Lieferant in der Bauinsolvenz 656 nicht, wenn er direkt an die jeweilige Baustelle anliefert und die nötigen Angaben (Adresse, Name des Endkunden) sich auf den Lieferscheinen/ Rechnungen/Auftragsbestätigungen des Lieferanten finden. Größere bis unlösbare Schwierigkeiten treten allerdings auf, wenn die Lieferungen an ein zentrales Lager des Schuldners erfolgt sind und nicht rekonstruierbar ist, auf welchen Baustellen das Material verbaut wurde. Steht die Abtretung einer Forderung an den Lieferanten fest, stellen sich 657 weitere Probleme: Die vom Schuldner oder später vom Verwalter an den Endkunden gestellte Rechnung enthält neben den auf den Lieferanten entfallenden Anteilen im Regelfall Anteile anderer Lieferanten (mögen diese ebenfalls durch einen verlängerten Eigentumsvorbehalt abgesichert sein oder nicht), den Wert der Arbeitsleistung (Lohn- und Gehaltskosten sowie Leistungen der Nachunternehmer), Geräte- und Baustelleneinrichtungskosten, allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn usw. Beim Pauschalpreisvertrag ohnehin nicht, im Regelfall aber auch beim Einheitspreisvertrag nicht werden die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten und verarbeiteten Baustoffe in der Rechnung separat 1 : 1 ausgewiesen. Für die notwendige Aufteilung
163
A. Die Insolvenz des Unternehmers
der das Material erfassenden Werklohnforderung des Schuldners wendet die Rechtsprechung § 471 BGB a. F. analog an. BGH NJW 1959, 1681, 1682 r. Sp.; BGH ZIP 1988, 175, 181, dazu EWiR 1988, 241 (Wolf), auch zur Beweislast.
658 Dabei wird es in der Praxis ausreichen, vom Rechnungswert der in der jeweiligen Rechnung eingestellten Materialien auszugehen und diesen ins Verhältnis zum Gesamtbetrag zu setzen. Beispiel: Unter verlängertem Eigentumsvorbehalt gelieferter Beton mit einem Rechnungswert von 10.000 € fließt mit anderen schuldnerischen Leistungen in die vom Verwalter gelegte Schlussrechnung von 50.000 € ein. Anteil des Lieferanten gem. § 471 BGB a. F. analog: 20 %. 659 Ob der Lieferant aus Rechnungen (anteilige) Zahlung an sich beanspruchen kann, hängt entscheidend davon ab, ob und in welchem Zeitpunkt der Endkunde des Schuldners Zahlungen auf die Rechnungen leistet, die die Lieferungen umfassen. Aufgrund von Liquiditätsengpässen vor der förmlichen Insolvenzantragstellung ist der Schuldner meist bestrebt, seine Leistungen zeitnah mit Abschlagsrechnungen abzurechnen und schnellen Ausgleich durch den Endkunden zu erreichen. Wenn derartige Rechnungen die unter verlängertem Eigentumsvorbehalt gelieferten Baustoffe, die bereits eingebaut wurden, erfassen und der Endkunde hierauf Zahlung leistet, so ist die entsprechende Forderung des Vorbehaltsverkäufers erloschen (§§ 362 Abs. 1, 407 Abs. 1 BGB). a. A. Munz, BauR 2003, 621, 624.
660 Der Lieferant hat deshalb gegen den Verwalter nur dann einen Anspruch auf anteilige Befriedigung aus der zur Insolvenzmasse gezogenen Restzahlung des Endkunden, wenn damit von ihm gelieferte Materialien bezahlt werden, die nicht schon durch die vorhergehenden Abschlagszahlungen vollständig getilgt worden sind. LG Hamburg ZIP 1982, 87; ähnlich für eine atypische Abtretungsklausel LG Tübingen MDR 1990, 248.
661 Der vom LG Hamburg behandelte Fall war ungewöhnlich, da der Endkunde den offenen Restbetrag aus der Schlussrechnung ungeschmälert in die Insolvenzmasse bezahlte. Im Regelfall werden die Endkunden eine solche Schlussrechnung mit Einwendungen bekämpfen und allenfalls gekürzte Zahlungen leisten. Da der dem Lieferanten vorausabgetretene Forderungsteil mit der gesamten Restforderung untrennbar verbunden ist, wirkt sich diese Kürzung auf die dem Lieferanten zustehende Forderung aus: Zahlungen des Endkunden werden gem. § 366 Abs. 2 BGB analog auf die Teilforderungen des Schuldners und des Lieferanten verhältnismäßig angerechnet. BGH NJW 1991, 2629, 2630 l. Sp.
164
VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt
Anders ist es, wenn der Endkunde eine abweichende Tilgungsbestimmung 662 trifft. Dazu ist er auch nachträglich berechtigt, wenn er zum Zeitpunkt seiner Zahlung an den Schuldner von der Abtretung keine Kenntnis hatte (§ 366 Abs. 1 BGB analog). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Endkunde die nachträgliche Leistungsbestimmung unverzüglich vornehmen, nachdem er von der Teilabtretung Kenntnis erlangt hat (§ 121 Abs. 1 BGB). OLG Hamm BauR 2002, 638, 640; BGH ZIP 2006, 1636 Rn. 16 ff., 23 ff. = ZfIR 2006, 674 (m. Anm. Moufang, S. 676, dazu EWiR 2006, 613 (H.-C. Schwenker); zur Definition von „unverzüglich“ BGH ZIP 2008, 699 Rn. 18.
Allerdings kann ein Endkunde im Zeitpunkt seiner Zahlungen nur dann ein 663 Tilgungsbestimmungsrecht gehabt haben, wenn der Einbau der vom Lieferanten gelieferten Materialien jeweils vor dem Zahlungstermin stattgefunden hatte. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Tilgungsbestimmung und damit der Erfüllung trifft grundsätzlich den beklagten Endkunden, den klagenden Lieferanten allenfalls eine sekundäre Behauptungslast. BGH ZIP 2008, 699 Rn. 20 ff.
Anders verhält es sich, wenn Schuldner und Lieferant Abweichendes, z. B. 664 eine Rangabrede zugunsten des Lieferanten, vereinbaren. Allerdings ist eine solche Rangabrede im Verhältnis zum Endkunden ohne Wirkung. MünchKomm-Fetzer, BGB, § 366 Rn. 3.
Für den Lieferanten ist ein solcher Vorrang ambivalent, da er zu einem völligen 665 Ausfall führen kann, wenn der Lieferant von den vor Antragstellung beim Schuldner eingegangenen Zahlungen nichts erhält, zugleich aber der Endkunde gem. § 407 BGB von seiner Schuld frei geworden ist. Nützlich ist dagegen ein Vorrang, wenn es um Anspruchskürzungen und verzögerte Fälligkeit (z. B. Sicherheitseinbehalt) geht. BGH NJW 1991, 2629, 2630 r. Sp.
Um zu prüfen, welcher Betrag dem Lieferanten zusteht, ist also in drei 666 Schritten vorzugehen: x
Es ist zu klären, in welchem Umfang die Vorbehaltsware schon früher verarbeitet und (in Abschlagsrechnungen) abgerechnet worden ist und ob der Vertragspartner des Schuldners hierauf vor Insolvenzverfahrenseröffnung gezahlt hat. Falls ja, sind Ansprüche des Lieferanten erloschen.
x
Falls nein, ist weiter zu prüfen, mit welchem Anteil (§ 471 BGB a. F. analog) zuletzt verarbeitete Vorbehaltsware in (Abschlags- oder Schluss-) Rechnungen des Schuldners abgerechnet ist, auf die der Vertragspartner des Schuldners noch nicht gezahlt hat.
165
A. Die Insolvenz des Unternehmers
x
Dieser Betrag ist in dem Verhältnis zu kürzen, in dem der Vertragspartner des Schuldners überhaupt noch Zahlung auf die Restforderung an die Masse leistet (§ 366 Abs. 2 BGB analog).
Beispiel: Der Baustofflieferant L liefert unter verlängertem Eigentumsvorbehalt dem Schuldner Baustoffe im Rechnungswert von 10.000 €; eine Rangabrede zugunsten des L wird nicht getroffen. Der Schuldner stellt keine Abschlagsrechnungen. Nach Verfahrenseröffnung legt der Verwalter gegenüber dem Endkunden des Schuldners Schlussrechnung über 70.000 €. Hiergegen erhebt der Endkunde berechtigte Einwendungen wie folgt: Sicherheitseinbehalt 3.500 €; Vertragsstrafe 7.000 €; Schadensersatzansprüche wegen Mängeln 20.000 €; Restfertigstellungsmehrkosten 11.500 €. Den Restbetrag von 28.000 € bezahlt der Endkunde an die Masse, den Sicherheitseinbehalt bezahlt er auf ein gemeinsames Sperrkonto. Aus dem an die Masse geflossenen Betrag steht dem L. sofort ein Teilbetrag von 4.000 € zu ([10.000 € : 70.000 €] x 28.000 €). Wird später der Sicherheitseinbehalt vom Endkunden ungeschmälert freigegeben, steht hieraus wiederum dem L. ein Teilbetrag von 1/7 zu, also 500 €. 667 Dem Lieferanten stehen in diesem Zusammenhang auch Auskunftsansprüche gegen den Verwalter zu, die er notfalls klageweise durchsetzen muss. Bedenklich weit ist zugunsten des Lieferanten der Bundesgerichtshof, BGH ZIP 2000, 1061, 1064 f.,
in einem zur Gesamtvollstreckungsordnung entschiedenen Fall gegangen: Demnach muss der Verwalter grundsätzlich Auskunft über den Verbleib der vom Lieferanten an den Schuldner unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren erteilen, ohne dass in dem Urteil eine Beschränkung auf einen bestimmten Zeitraum der Lieferungen ersichtlich ist. In der Konsequenz der Entscheidung liegt es, dass der Verwalter sich mit hohem Aufwand über weit vor Antragstellung erfolgte und weiterverarbeitete/-veräußerte Lieferungen informieren müsste. Dies begründet der Bundesgerichtshof damit, dass eine Auskunftspflicht durch die zwischen dem Lieferanten und dem Schuldner geschlossenen Lieferverträge begründet worden ist. Derartige vor Eröffnung des Verfahrens begründete Verpflichtungen des Schuldners hat während des Verfahrens der Verwalter zu erfüllen. 668 Dabei wird verkannt, dass grundsätzlich schuldrechtliche Verpflichtungen des Schuldners in der Insolvenz keine Handlungspflicht des Verwalters auslösen, sondern allenfalls einfache, zur Tabelle anzumeldende Insolvenzforderungen begründen. Der Lieferant müsste also seine nicht bezahlten Kaufpreisforderungen anmelden. Folgen kann man dem Bundesgerichtshof hingegen insoweit, als sich die Auskunftspflicht auf den Verbleib von Gegenständen bezieht, die nach Antragstellung noch im Besitz des Schuldners waren und hinsichtlich derer der Lieferant zeitnah dem vorläufigen Verwalter gegenüber sein vorbehaltenes Eigentum substantiiert hat. 166
VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt
Außerdem gestattet der Bundesgerichtshof dem Verwalter ausnahmsweise, 669 den auskunftsberechtigten Lieferanten darauf zu verweisen, sich die verlangten Informationen durch Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen selbst zu beschaffen, wenn die Auskunftserteilung mit einem für ihn, den Verwalter, unzumutbaren Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden wäre. Die Entscheidung dürfte unter Geltung der InsO nicht aufrechtzuerhalten 670 sein, da nunmehr § 167 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO die diskutierten Fragen regelt. Johlke/Schröder, EWiR 2001, 177, 178.
Insoweit sei zu den grundlegenden Neuregelungen der Insolvenzordnung in 671 §§ 165 ff. InsO Folgendes angemerkt: Der Verwalter darf die an den Vorbehaltsverkäufer zur Sicherung vorausab- 672 getretenen Forderungen einziehen oder in anderer Weise verwerten (§ 166 Abs. 2 InsO). Zugleich hat er dem Vorbehaltsverkäufer auf Verlangen Auskunft über die Forderung zu erteilen oder ihm zu gestatten, Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere des Schuldners zu nehmen (§ 167 Abs. 2 InsO). Außerdem soll der Vorbehaltsverkäufer über § 169 InsO vor einer verzögerten Verwertung geschützt werden; es ist nicht recht ersichtlich, dass diese Vorschrift auch auf den schwierigen Forderungseinzug in der Bauinsolvenz sinnvoll anwendbar wäre. Der Erlös ist gem. §§ 170, 171 InsO zu verteilen, wobei die dort ausge- 673 wiesenen Pauschalbeträge von 4 % als Feststellungskosten und 5 % als Verwertungskosten nicht etwa aus der gesamten zur Masse gezogenen Werklohnforderung vorab zu berechnen und zu entnehmen sind, sondern allein aus dem nach obigen Ausführungen zu berechnenden, dem Vorbehaltsverkäufer zustehenden Forderungsteil. Der außerdem gem. § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO anzusetzende Umsatzsteuerbetrag spielt dagegen keine Rolle, da in der Einziehung einer zur Sicherung abgetretenen Forderung im Regelfall kein steuerbarer Umsatz liegt. (Wohl unverändert) Landfermann, in: HK-InsO, § 171 Rn. 10 ff. (m. w. N. zu dieser sehr strittigen Frage).
Die Formulierung von § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO zeigt, dass die pauschalen 674 Verwertungskosten von 5 % des Verwertungserlöses nach oben oder unten zu korrigieren sind, wenn sie tatsächlich erheblich niedriger/höher waren. Beweisbelastet ist die hierdurch jeweils begünstigte Seite.
167
A. Die Insolvenz des Unternehmers Praxistipp: Wegen der Einschaltung von Bausachverständigen, von spezialisierten Rechtsanwälten usw. durch den einziehenden Verwalter liegen in der Bauinsolvenz die tatsächlichen und nachweisbaren Kosten oft weit über 5 % des Verwertungserlöses. Es ist aber nicht nur eine Stilfrage, sondern meines Erachtens eine rechtliche Obliegenheit, den Lieferanten (ebenso den Globalzessionar) über absehbare, ganz beträchtliche Erhöhungen vorab zu informieren und ihn nicht erst nach Abschluss des Forderungseinzugs erstmals mit außerordentlich hohen Kosten zu konfrontieren. Jedenfalls bei beträchtlich über 5 % des absehbaren Verwertungserlöses liegenden Kosten muss meines Erachtens der Lieferant/Globalzessionar das Recht haben, die Verwertung eigenständig und kostengünstiger durch Personen seines Vertrauens durchzuführen.
5. Schadensersatzansprüche gegen den (vorläufigen) Verwalter bei schuldhafter Verletzung von Aus- oder Absonderungsrechten (§§ 60 f., 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO) a) Haftung des Verwalters (§§ 60 f. InsO) 675 Die Anwendung der §§ 60 f. InsO gegen den Verwalter persönlich wird eher selten relevant werden. Zieht er an den Lieferanten kraft verlängertem Eigentumsvorbehalt abgetretene Forderungen ein, so hat er den Erlös gem. §§ 170, 171 InsO auszukehren (vgl. §§ 51 Nr. 1, 50 InsO). Daneben begründet der Verwalter durch die Einziehung eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, § 816 Abs. 2 BGB). 676 Bei dieser alternativen Anspruchsgrundlage sind allerdings zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die §§ 170, 171 InsO analog anzuwenden. Der Anspruch des Lieferanten ist also entsprechend zu kürzen. 677 Weiter kann dem Lieferanten das Recht auf Ersatzaussonderung/-absonderung gem. § 48 Satz 2 InsO (analog) helfen (Rn. 649 ff.). Fehlt es an der Unterscheidbarkeit i. S. d. § 48 Satz 2 InsO, entsteht jedenfalls eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB). 678 Die §§ 60 f. InsO werden daher vor allem relevant, wenn sich in der Masse nicht mehr die notwendigen Mittel zum Ausgleich der gegen sie bestehenden Ansprüche des Lieferanten befinden und der Verwalter diesen Zustand schuldhaft herbeigeführt hat. Beispiel: Der Verwalter V zieht Forderungen ein, die an L kraft verlängerten Eigentumsvorbehalts abgetreten waren. L hat davor V zeitnah und substantiiert über sein Absonderungsrecht informiert. Gleichwohl nimmt V in der Folge Verteilungen an die Insolvenzgläubiger vor mit der Folge, dass er die berechtigten Ansprüche des L nicht mehr aus der Masse bedienen kann. V haftet aufgrund jedenfalls fahrlässigen Fehlverhaltens.
168
VII. Rechte des Baustofflieferanten aus (verlängertem) Eigentumsvorbehalt
Dagegen haftet V nicht, wenn L erstmals nach Abschluss der Verteilung sein Absonderungsrecht untermauert, da es am Verschulden fehlt – V war das Absonderungsrecht nicht bekannt; eine eigenständige Nachforschungspflicht bestand nicht. b) Haftung des vorläufigen Verwalters (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO i. V. m. §§ 60 f. InsO analog) Größere Bedeutung gewinnt die Haftung des vorläufigen Verwalters für schuld- 679 haftes Fehlverhalten im Eröffnungsverfahren. Das liegt daran, dass Zahlungseingänge auf z. B. an einen Lieferanten abgetretene Forderungen, die in dieser Phase (also vor Verfahrenseröffnung) an den Schuldner und damit an die vorläufige Insolvenzmasse erfolgen, nur dann einen Anspruch auf Ersatzaussonderung begründen, wenn die Zahlung des Endkunden noch „in der Masse unterscheidbar vorhanden ist“ (Rn. 651). Der vorläufige ebenso wie der endgültige Verwalter hat die insolvenzspezifische 680 Pflicht, die Rechte von Aus- und Absonderungsberechtigten zu wahren. BGH ZIP 1998, 655, 658 r. Sp., dazu EWiR 1998, 695 (Undritz); BGH ZIP 2000, 895, 896 r. Sp.
In der Praxis scheitert eine Haftung des vorläufigen Verwalters häufig am 681 fehlenden Verschulden. Mangels eigener Nachforschungspflicht fällt ihm Verschulden nur zur Last, wenn er zum Zeitpunkt der Veräußerung eines im Vorbehaltseigentum des Lieferanten stehenden Gegenstands oder des Geldeingangs zum Ausgleich einer abgetretenen Forderung das Aus- oder Absonderungsrecht kennt oder fahrlässig (weil er z. B. die vom Lieferanten substantiiert und rechtzeitig davor gegebenen Hinweise rechtlich falsch bewertet oder die Sachlage unzureichend aufklärt), zu diesen beiden Aspekten BGH ZIP 1998, 655, 658 r. Sp., dazu EWiR 1998, 695 (Undritz),
nicht kennt. Dies zeigt erneut, wie wichtig es für Lieferanten ist, sofort nach Antragstellung ihre Rechte gegenüber dem vorläufigen Verwalter substantiiert und vollständig nachzuweisen. 6. Ansprüche des Lieferanten aus Bereicherungsrecht Steinig ist es für den Lieferanten, Ansprüche gem. § 812 BGB durchzusetzen. 682 Erfolglos blieb der Versuch eines Lieferanten, der aufgrund eines Vertrags mit einem später insolventen Unternehmer auf dessen Veranlassung eine Schornsteinanlage auf die Baustelle lieferte, wo sie anschließend gelagert wurde. Später ließ der Generalunternehmer (der Vertragspartner des Unternehmers) diese Anlage durch einen Zweitunternehmer einbauen, nachdem er zuvor den Vertrag mit dem Unternehmer gekündigt hatte. Das OLG Brandenburg verneinte anhand der von ihm geprüften, ihrem Wortlaut nach allerdings nicht mitgeteilten AGB des Lieferanten zunächst vertragliche Ansprüche des Lieferanten gegen den Generalunternehmer. Auch Ansprüche gegen 169
A. Die Insolvenz des Unternehmers
den Generalunternehmer wegen ungerechtfertigter Bereicherung schieden aus, weil der Generalunternehmer die Schornsteinanlage als auf die Baustelle geliefertes Bauteil gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B in Anspruch nahm und dies als „Leistung“ des Unternehmers an den Generalunternehmer zu behandeln war. OLG Brandenburg IBR 2009, 1161.
VIII. Sonderprobleme in der Insolvenz des Architekten oder Ingenieurs 1. Abrechnung des bis zur vorzeitigen Vertragsbeendigung erbrachten Teilwerks 683 Für die Durchsetzung des Honorars, das der Verwalter für die aufgrund insolvenzbedingt vorzeitiger Vertragsbeendigung unvollständige Architektenoder Ingenieursleistung beansprucht, gelten grundsätzlich die allgemeinen, anhand des Bauunternehmers erläuterten Regeln (Rn. 380 ff.). 684 Die Bewertung der Architekten- oder Ingenieursteilleistung muss mit dem zwingenden Preisrecht der HOAI vereinbar sein. Die HOAI selbst enthält hierzu keine Regelung. 685 Einen wichtigen Fingerzeig hat der Bundesgerichtshof nunmehr der Praxis gegeben: Es ist naheliegend, die Abrechnung eines vorzeitig beendeten Architekten- oder Ingenieurvertrags nach der Steinfort-Tabelle oder ähnlichen Berechnungswerken vorzunehmen. Derartige Berechnungsvorschläge beruhen regelmäßig auf durchschnittlichen Erfahrungswerten von sachverständigen Praktikern und eignen sich daher als Orientierung zur Bewertung nicht erbrachter Leistungen. Im Einzelfall kann eine Berechnung auch auf hiervon abweichenden Berechnungsmaßstäben beruhen. BGH BauR 2005, 588, 590 r. Sp.; dem folgend etwa OLG Celle BauR 2005, 1790, 1791 r. Sp., 1792 r. Sp.
686 In Betracht kommen demnach als wichtige Orientierungshilfe die in den Standardkommentaren und in der architekten- und ingenieursrechtlichen Spezialliteratur abgedruckten und erläuterten Bewertungstabellen. Nur beispielhaft ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien genannt Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, § 8 Rn. 36; Locher/Koeble/Frik, HOAI, Anhang 3 (auch für Ingenieurbauwerke, Tragwerksplanung und Technische Ausrüstung); Siemon, BauR 2006, 905.
2. Durchsetzung von Forderungen mit Haftpflichtversicherungsbezug a) Absonderungsrecht des Bestellers gemäß § 110 VVG aa) Allgemeines 687 § 110 VVG, vgl. insbesondere Thole, NZI 2013, 665,
170
VIII. Sonderprobleme in der Insolvenz des Architekten oder Ingenieurs
gewährt dem Geschädigten in der Insolvenz seines (haftpflichtversicherten) Vertragspartners eine privilegierte Rechtsstellung, indem er ein unabdingbares Recht auf abgesonderte Befriedigung hat: Der Geschädigte wird nicht mit einer quotalen Befriedigung durch die Masse und/oder den Haftpflichtversicherer abgespeist, sondern – vorbehaltlich auch ihm gegenüber greifender versicherungsrechtlicher Einwendungen des Versicherers aus dem Deckungsverhältnis –, dazu etwa BGH VersR 1981, 328, 328 r. Sp.; BGH NJW-RR 2004, 829, 830 r. Sp.; BGH ZIP 2014, 2090 (LS) Rn. 7 ff.,
voll befriedigt. Wegen § 173 Abs. 1 InsO steht abweichend von §§ 166 ff. InsO das Verwer- 688 tungsrecht nicht dem Verwalter, sondern dem Geschädigten selbst zu, der wegen § 110 VVG in der Insolvenz des Schädigers ein gesetzliches Pfandrecht am Freistellungsanspruch erlangt. Schon bevor der Haftpflichtanspruch gem. § 106 Satz 1 VVG mit bindender Wirkung für den Versicherer festgestellt ist, entsteht das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, wenn ein Schadensfall vorliegt und das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schädigers eröffnet wird. BGH ZIP 2014, 2090 (LS) Rn. 7 f., 10.
In der Insolvenz eines Bauunternehmens hilft dies dem Geschädigten nur in 689 Ausnahmefällen – die wirtschaftlich mit Abstand am bedeutendsten Ansprüche wegen Mängeln sind nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung. Dagegen hat sie grundsätzlich für Fehler eines Architekten oder Ingenieurs (z. B. fehlerhafte Planung oder Bauüberwachung) einzustehen, die sich in dem nach Vorgaben des Architekten/Ingenieurs errichteten Bauwerk niedergeschlagen haben. Indes tritt die Haftpflichtversicherung nicht für Ansprüche des Bestellers wegen der Überschreitung der Bauzeit sowie von Fristen und Terminen (A Nr. 4.1 BBR) und wegen Überschreitung von Vor- und Kostenanschlägen (A Nr. 4.3 BBR) ein. bb) Durchsetzung von Ansprüchen (1) Direktanspruch/-klage § 115 Abs. 1 VVG gibt dem Geschädigten in Anlehnung an § 3 PflVG a. F. 690 unter bestimmten Voraussetzungen einen Direktanspruch gegen den Versicherer. Dieser besteht gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG z. B. dann, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Weitere Voraussetzung ist, dass es sich um eine Pflicht-Haftpflichtversicherung gem. § 113 Abs. 1 VVG handelt. OLG Bremen, Beschl. v. 2.8.2011 – 3 AR 6/11; OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.6.2012 – 5 W 1109/12.
171
A. Die Insolvenz des Unternehmers
691 Das wird für Architekten und Ingenieure häufig zu bejahen sein, bedarf aber der sorgfältigen Überprüfung anhand der maßgeblichen Normen des jeweiligen Landesrechts. Überblick etwa in der Anlage zur BT-Drucks. 16/5497 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/054/1605497.pdf).
692 Macht der Geschädigte den Direktanspruch geltend, ist der Versicherer neben dem Versicherungsnehmer (= Architekten oder Ingenieur) Gesamtschuldner. Details etwa bei Prölss/Martin-Knappmann, VVG, § 115 Rn. 18 ff. Praxistipp: Ein ganz besonderer Charme des Direktanspruchs für den Geschädigten liegt darin, dass der Versicherer ihm Störungen im Innenverhältnis zum Versicherungsnehmer (= Architekten oder Ingenieur) nur sehr beschränkt (vor allem § 117 Abs. 1 VVG) und einen Selbstbehalt überhaupt nicht (§ 114 Abs. 2 Satz 2 VVG) entgegenhalten kann (Krause-Allenstein, NZBau 2008, 81, 85 f. mit einem instruktiven Beispiel zum Selbstbehalt).
693 Daneben enthält § 115 Abs. 2 VVG ebenfalls in Anlehnung an § 3 PflVG a. F. für den Geschädigten vorteilhafte Regelungen zur Verjährung, insbesondere zu deren Hemmung (siehe Rn. 714). Praxistipp: Der Besteller riskiert unnötige Verzögerungen, wenn er erst im Wege einer Auskunftsklage gegen den Verwalter den Anspruch auf Mitteilung, wer der Haftpflichtversicherer des insolventen Architekten/Ingenieurs ist, durchzusetzen versucht. Allerdings wird ein außergerichtlich auf Auskunft angegangener Verwalter gut daran tun, diesem Begehren nachzukommen, denn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Geschädigte gegen den Verwalter Anspruch auf Mitteilung des Haftpflichtversicherers. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass der Verwalter einem Absonderungsberechtigten die zur Durchsetzung des Rechts nötigen Informationen geben muss (MünchKommGanter, InsO, vor §§ 49 – 52 Rn. 130 i. V. m. § 47 Rn. 460). Wegen des Datenschutzes kann fraglich sein, ob eine Architekten-/Ingenieurkammer dazu berechtigt ist, Angaben zu den Haftpflichtversicherern ihrer Mitglieder zu machen. Der Besteller sollte daher bereits in den Vertrag mit dem Architekten/Ingenieur aufnehmen, dass dieser sofort nach Vertragsschluss eine Bestätigung seines Versicherers über den bestehenden Versicherungsschutz (vgl. auch § 113 Abs. 2 VVG) vorzulegen, diese während der Bauabwicklung auf Aufforderung des Bestellers in aktualisierter Form erneut einzureichen und jede Änderung des Versicherungsschutzes, insbesondere einen Wechsel des Versicherers, unaufgefordert mit entsprechenden Unterlagen anzuzeigen hat.
(2) Weitere Möglichkeiten der Anspruchsverfolgung 694 § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG eröffnet dem geschädigten Besteller die Möglichkeit, den Direktanspruch zu verfolgen, zwingt ihn aber nicht dazu („kann […] auch“). Damit bleibt es dem Besteller unbenommen, wie nach dem VVG
172
VIII. Sonderprobleme in der Insolvenz des Architekten oder Ingenieurs
a. F. den Anspruch gegenüber dem Verwalter abzuwickeln. Unumgänglich ist dieses Vorgehen, wenn mangels einer Pflicht-Haftpflichtversicherung § 115 Abs. 1 VVG nicht anwendbar ist. Für die Geltendmachung des Anspruchs aus § 157 VVG a. F. = § 110 VVG 695 hat die Rechtsprechung dem zur Verwertung berechtigten (§ 173 Abs. 1 InsO) Geschädigten zwei „klassische“ Wege, zu ihnen auch MünchKomm-Ganter, InsO, § 51 Rn. 236, 238,
eröffnet: x
Der Geschädigte kann direkt gegen den Verwalter Zahlungsklage, aller- 696 dings nach der zu § 157 VVG a. F. ergangenen Rechtsprechung beschränkt auf die Leistung aus der Versicherungsforderung – nach neuem Recht im Hinblick auf den Wortlaut des § 110 VVG: „beschränkt auf den Umfang des Freistellungsanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer“ –, einreichen; eine vorherige Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle ist nicht erforderlich. BGH ZIP 1989, 857, 857 r. Sp., dazu EWiR 1989, 659 (Littbarski); BGH Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 311/12, ZIP 2013, 1742, dazu EWiR 2013, 791 (Mitlehner); OLG Hamburg OLGR 1997, 53, 54.
Diese Klage ermöglicht es dem Geschädigten indessen nicht, wegen eines etwa vom Versicherer nicht bezahlten Betrags – also „für den Ausfall“ – von einer Insolvenzquote zu profitieren. Thole, NZI 2013, 665, 669.
Deckungsfragen (also z. B., ob der Versicherungsschutz ausgeschlossen oder eingeschränkt ist) sind nicht in diesem Prozess, sondern im Deckungsprozess zu klären, es sei denn, es ist offensichtlich, dass Versicherungsschutz nicht besteht. OLG Dresden, Urt. v. 3.11.2010 – 1 U 605/10.
Der Streitwert einer solche Klage bemisst sich nach dem zur Zahlung begehrten Betrag (§ 6 ZPO, nicht § 182 InsO). BGH, Beschl. v. 7.6.2001 – IX ZR 479/00; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.11.2008 – VI ZR 297/07.
x
Der Geschädigte kann aber auch die Forderung zur Insolvenztabelle an- 697 melden und nach Bestreiten durch den Verwalter auf Feststellung zur Insolvenztabelle gegen den Verwalter klagen (und ggf. parallel gegen den Versicherer auf Feststellung, dass dieser zur Entschädigungszahlung verpflichtet ist, sobald der Anspruch vom Verwalter bzw. nach Verfahrensabschluss vom Schuldner anerkannt worden ist). Ein Anerkenntnis des Verwalters oder eine (notfalls durch Urteil bewirkte) förmliche (rechtskräftige) Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle ermöglicht es 173
A. Die Insolvenz des Unternehmers
dem absonderungsberechtigten Geschädigten, gem. § 106 Satz 1 VVG die Leistung des Versicherers an sich zu fordern. BGH VersR 1991, 414, 415; BGH NJW-RR 2004, 829, 830 r. Sp.
Der Streitwert einer solchen Klage, durch deren Erfolg der Gläubiger auch sicherstellt, in der quotenmäßigen Verteilung berücksichtigt zu werden, Thole, NZI 2013, 665, 669,
bemisst sich nicht nach § 6 ZPO, sondern nach § 182 InsO. BGH, Beschl. v. 4.11.2008 – VI ZR 297/07; überholt daher OLG Köln, Beschl. v. 11.12.2006 – 5 W 136/06.
698 Schließt der Geschädigte einen der beiden oben erörterten Wege erfolgreich ab, tritt nach Ablauf der in § 106 Satz 1 VVG genannten zwei Wochen die Fälligkeit ein. Leistet der Versicherer daraufhin nicht freiwillig, wird ein besonderer Deckungsprozess (Bindungsprozess) gegen den Versicherer nötig. Römer/Langheid-ders., § 105 Rn. 5, § 106 Rn. 4 (im Einzelnen vieles streitig).
699 Der BGH hat nunmehr auch über die Fallgruppe entschieden, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Prozess des Geschädigten gegen den Schädiger/Schuldner anhängig ist. In diesem Fall hat der Geschädigte kein Rechtsschutzbedürfnis, den Zahlungsanspruch in einem neuen Klageverfahren gegen den Verwalter – beschränkt auf den Freistellungsanspruch gegen den Versicherer – zu verfolgen; vielmehr kann der Geschädigte seinen Anspruch durch Aufnahme des Rechtsstreits gegen den Verwalter weiterverfolgen. Dies ergibt die vom BGH großzügig vorgenommene Anwendung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf das Absonderungsrecht des § 110 VVG. BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 311/12, ZIP 2013, 1742; vgl. dazu auch Thole, NZI 2011, 41, 42 f.
700 Darüber hinaus bestehen weitere Klagemöglichkeiten des Geschädigten, die jedoch nur unter deutlich größeren Schwierigkeiten zum erstrebten wirtschaftlichen Erfolg – der Zahlung des Versicherers – führen und daher nicht empfehlenswert sind. Unbedingt ist von ihnen abzuraten, wenn der geschädigte Besteller über § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG einen Direktanspruch gegen den Versicherer hat: 701 x
Der Geschädigte kann auf die Teilnahme am Insolvenzverfahren verzichten und direkt gegen den Schuldner/Schädiger klagen. Den Belangen des Versicherers wird dadurch genügt, dass auch der Schuldner die Obliegenheiten kraft des Versicherungsvertrags zu wahren hat. BGH ZIP 1996, 842, dazu EWiR 1996, 751 (Pluta/Seichter).
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VIII. Sonderprobleme in der Insolvenz des Architekten oder Ingenieurs
x
Ferner kann der Geschädigte gegen den Verwalter auf Abtretung der An- 702 sprüche aus dem Versicherungsvertrag mit dem Versicherer an sich klagen. OLG Brandenburg ZInsO 2003, 183, 184 r. Sp.
Das OLG Brandenburg hat nicht erörtert, ob einem solchen Klageantrag trotz des Abtretungsverbots des § 7 Nr. 3 AHB a. F. (nach der heutigen Rechtslage sind derartige Verbotsklauseln der Versicherer indessen durch § 108 Abs. 2 VVG obsolet) stattgegeben werden darf. Da ein solches Urteil die versicherungsrechtliche Bindungswirkung des § 106 Satz 1 VVG nicht herbeiführt, droht dem Geschädigten, einen weiteren Prozess gegen den Versicherer führen zu müssen. Stiller, ZInsO 2003, 207, 209.
cc) Kooperation zwischen Haftpflichtversicherer und Verwalter Nach dem VVG a. F. konnte es wegen des regelmäßig im Versicherungsver- 703 trag enthaltenen Anerkenntnisverbots zum Anspruchsverlust des Geschädigten und damit schlimmstenfalls zu einem Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter kommen, wenn der Verwalter vorschnell und ohne Abstimmung mit dem Versicherer Forderungen mit Haftpflichtbezug zur Insolvenztabelle feststellte. Details 4. Auflage Rn. 559 ff.
Gemäß § 105 VVG sind nunmehr derartige Anerkenntnisverbote unwirksam 704 (dies gilt indessen nicht für Großrisiken i. S. d. § 210 VVG). Der Verwalter kann also den vom Geschädigten geltend gemachten Anspruch anerkennen = zur Tabelle feststellen, ohne dass damit ein im Wege der abgesonderten Befriedigung zu erfüllender Anspruch des Geschädigten gegen den Versicherer beeinträchtigt würde. Korrelat zu der dem Verwalter eröffneten Möglichkeit des Anerkenntnisses 705 ist es, dass der Versicherer an ein solches Anerkenntnis nicht gebunden ist (vgl. auch § 106 VVG). Regulieren wird daher der Versicherer nur in dem Umfang, in dem tatsächlich der Anspruch besteht; er hat insoweit eine umfassende Überprüfungskompetenz. Jenseits der Insolvenz ist dann die Haftpflichtfrage im Deckungsprozess, den der Versicherungsnehmer (nach seinem unabgestimmt abgegebenen Anerkenntnis) gegen den Versicherer führen muss, zu klären. Prölss/Martin-Lücke, VVG, § 105 Rn. 4.
Übertragen auf die Insolvenz ist mithin die Klärung in dem vom Geschädigten 706 gegen den Versicherer eingeleiteten Prozess herbeizuführen. Es ist in diesem zu prüfen, ob der Anspruch des Dritten durch das Anerkenntnis des Verwalters „mit bindender Wirkung für den Versicherer“ (§ 106 Satz 1 VVG) festgestellt worden ist (siehe auch Rn. 698).
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A. Die Insolvenz des Unternehmers
707 Unberührt bleiben die durch das Anerkenntnis begründeten, vom Versicherer nicht erfüllten Ansprüche des Geschädigten gegen den Verwalter. Den verbleibenden, vom Verwalter mithin fehlerhaft anerkannten Betrag (den „Ausfall“) hat er quotal gegenüber dem Geschädigten zu befriedigen (siehe auch Rn. 697). Krause-Allenstein, NZBau 2008, 81, 87 r. Sp. Praxistipp: Die Haftungsrisiken für den Verwalter sind damit gegenüber der alten Rechtslage deutlich reduziert: Nach altem VVG-Recht kam in Betracht, dass ein vorschnelles Anerkenntnis durch ihn zur Leistungsfreiheit des Versicherers führte, obwohl dem Geschädigten ein Anspruch zustand. Schlimmstenfalls haftete dann der Verwalter wegen des dadurch zunichte gemachten Absonderungsanspruchs in voller Höhe (§ 60 Abs. 1 InsO). Nach neuem Recht kommt dies nicht in Betracht, weil der Geschädigte ungeachtet des vorschnellen Anerkenntnisses des Verwalters seinen berechtigten Anspruch gegen den Versicherer durchsetzen kann. Ein Schaden tritt jedoch zulasten der anderen Insolvenzgläubiger ein, wenn die vom Verwalter festgestellte Forderung mangels Berechtigung von der Versicherung nicht reguliert wird und stattdessen quotal auf Kosten der Masse zu befriedigen ist. In Höhe dieses allerdings regelmäßig überschaubaren Betrags kommt theoretisch eine Eigenhaftung des Verwalters in Betracht, sofern man nicht einen solchen Anspruch für ausgeschlossen erachtet, weil die Gläubiger das ihnen zustehende Recht zum Bestreiten (vgl. § 179 Abs. 1 InsO) nicht ausgeübt haben. Das zeigt, dass auch nach neuem Recht der Verwalter sich eng mit der Versicherung abstimmen sollte. Wünscht diese, dass eine Forderung bestritten wird, trägt sie auch die Kosten, die dem Verwalter zur Verteidigung in einem etwaigen Feststellungsprozess usw. entstehen (vgl. § 101 VVG), hat aber auch die Weisungsbefugnis.
708 Die Sorge der Versicherungen geht dahin, dass sie verstärkt mit Direktansprüchen/-klagen gem. § 115 Abs. 1 VVG konfrontiert sein werden und sich nicht hinreichend verteidigen können, weil ihnen die Versicherungsnehmer und Verwalter nicht zuarbeiten und keine Informationen liefern. In der Tat ist fraglich, ob eine Versicherung im eröffneten Insolvenzverfahren einen (ggf. klageweise durchsetzbaren) Anspruch gegen den Verwalter auf Auskunftserteilung, Akteneinsicht usw. hat. Es sollte aber für den Verwalter ein nobile officium sein, die Versicherung zu unterstützen, wobei er lediglich darauf zu achten hat, dass dies – etwa durch Erstattung von Unkosten – masseneutral erfolgt. dd) Freigabe des Deckungsanspruchs durch Insolvenzverwalter 709 Insgesamt empfinden viele Verwalter es als lästig und oft auch „holprig“, sich mit dem Versicherer abzustimmen. Ein wirtschaftlicher Vorteil für die Insolvenzmasse ist ohnehin nicht ersichtlich, wenn der Verwalter als „Durchlauferhitzer“ in der Auseinandersetzung zwischen dem Geschädigten und dem Versicherer fungiert.
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VIII. Sonderprobleme in der Insolvenz des Architekten oder Ingenieurs
Es ist daher anzunehmen, dass künftig Verwalter verstärkt den Deckungsan- 710 spruch gegen den Versicherer freigeben, hat doch der BGH ein solches Vorgehen gebilligt. BGH ZIP 2009, 874, dazu EWiR 2009, 459 (Oepen); Eine vom Verwalter erklärte Abtretung der Ansprüche gegen die Architektenhaftpflichtversicherung stellt keine Freigabe dar: OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.7.2011 – 21 U 76/09.
Nach einer solchen Freigabe ist (mangels Passivlegitimation des Verwalters) 711 eine Klage des Geschädigten gegen den Verwalter unbegründet. Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.7.2011 – 21 U 76/09; OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.6.2012 – 5 W 1109/12; Thole, NZI 2011, 41, 43.
Vielmehr muss der Geschädigte, dessen Pfandrecht am Deckungsanspruch 712 durch die Freigabe nicht erlischt, BGH ZIP 2014, 2090 Rn. 11,
nun gegen den Schuldner selbst klagen. Unverändert relevant für diese Fallgruppe BGH ZIP 1996, 842, dazu EWiR 1996, 751 (Pluta/Seichter).
b) Verjährung Die Verjährung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers aus dem Versi- 713 cherungsvertrag beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 195 ff. BGB. Details etwa bei Prölss/Martin-Prölss, VVG. § 15 Rn. 1 ff.
Besonderheiten bestehen jedoch, soweit es um die Verjährung des Direktan- 714 spruchs geht. Gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 VVG unterliegt dieser der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer/ Schuldner. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherungsnehmer beginnt, und endet spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an (§ 115 Abs. 2 Satz 2 VVG). Meldet der Geschädigte seinen Anspruch beim Versicherer an, ist gem. § 115 Abs. 2 Satz 3 VVG die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Gläubiger in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem Versicherungsnehmer und umgekehrt (§ 115 Abs. 2 Satz 4 VVG). Aktiv vor den Gefahren aufgrund des § 12 Abs. 3 VVG a. F. und der nach altem 715 Recht deutlich schneller eintretenden, mangels Direktanspruchs vom Geschädigten nicht anderweit beeinflussbaren allgemeinen Verjährung (von Ansprüchen des Versicherungsnehmers/Architekten gegen die Versicherung)
177
A. Die Insolvenz des Unternehmers
schützen konnte sich der Geschädigte durch die vorweggenommene Deckungsklage gegen den Versicherer: Er musste beantragen festzustellen, dass der Versicherer dem Schädiger (nun dem an die Stelle des Schuldners gerückten Verwalter) Deckungsschutz zu gewähren hat. Das Feststellungsinteresse lag z. B. darin, dass wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers (Schuldners/ Verwalters) die Gefahr bestand, dem Geschädigten könne der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren gehen. In diesem vorweggenommenen Deckungsprozess war grundsätzlich auf die Behauptungen des Geschädigten abzustellen und nicht über den Haftpflichtanspruch selbst zu entscheiden. BGH NJW-RR 2001, 316; KG IBR 2007, 343. Vgl. auch BGH, Beschl. v. 22.7.2009 – IV ZR 265/06; OLG Celle, Urt. v. 5.7.2012 – 8 U 28/12; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 24.5.2007 – 3 U 144/06.
716 Konsequenterweise hatte der Geschädigte einen direkten Anspruch gegen den Versicherer auf Auskunft über den Gegenstand und Umfang des Versicherungsschutzes, zumal wenn die sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf abgesonderte Befriedigung gem. § 157 VVG bereits feststanden. OLG Düsseldorf, NZI 2002, 262.
717 Nur falls der Geschädigte einen Direktanspruch gem. § 115 VVG hat, dürfte an dieser Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten sein. Ein Feststellungsinteresse ist nicht erkennbar, weil der Geschädigte direkt mit verjährungshemmender Wirkung den Versicherer verklagen kann; damit greift auch der Grundsatz ein, dass die Leistungsklage Vorrang vor der Feststellungsklage hat. 718 Hingegen dürfte die vorweggenommene Deckungsklage unverändert zulässig sein in den Fällen, in denen der Geschädigte keinen Direktanspruch hat und deshalb darauf angewiesen ist, rechtzeitig die Verjährung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers/Schuldners aus dem Versicherungsvertrag gegen den Versicherer zu hemmen. 719 Die vom OLG Düsseldorf bejahte Auskunftsklage ist unverändert in allen Fallkonstellationen – also auch im Fall des Direktanspruchs – erfolgversprechend, wenn der Geschädigte die Auskunft zur Durchsetzung seines Anspruchs benötigt.
178
B. Insolvenz des Bestellers I. Vorbemerkung Für Unternehmer hat die Insolvenz des Bestellers meist wesentlich schwerwie- 720 gendere Konsequenzen als in der umgekehrten, oben behandelten Konstellation, was an der faktischen Vorleistungspflicht (Bauen auf fremdem Grund mit originärem Eigentumsübergang auf den Grundstückseigentümer; Abschlagsund Schlusszahlungszufluss erst im Nachgang zur Leistungserbringung) liegt. Deshalb laufen fast immer erhebliche Zahlungsrückstände des insolventen Bestellers auf; die dem Besteller gegebenen Aufrechnungsmöglichkeiten hat der Unternehmer nicht. Umso wichtiger ist eine frühzeitige Absicherung der Ansprüche durch vertraglich vereinbarte oder auf Grundlage von § 648a BGB gestellte Sicherheiten bzw. durch eine Warenkreditversicherung. II. Gesetzliche und vertragliche Absicherungsmöglichkeiten des Unternehmers 1. Gesetzliche Möglichkeiten a) § 648a BGB Diese Vorschrift,
721
Details bei Kniffka-Schmitz, § 648a,
gibt in der ab 1.1.2009 geltenden, grundlegend geänderten Fassung dem Unternehmer einen einklagbaren Anspruch auf Sicherheit „für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 vom Hundert des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind“ (§ 648a Abs. 1 Satz 1 BGB). Außerdem kann der Unternehmer seine Leistung verweigern oder den Vertrag berechtigt kündigen, wenn der Besteller trotz Setzung einer angemessenen Frist eine gem. §§ 648a, 232 ff. BGB taugliche Sicherheit nicht stellt. Der Vorteil der Norm ist, dass sie zwingend ist und der Unternehmer in je- 722 der Phase der Vertragsabwicklung Sicherheit in Höhe der noch offenen Vergütung zuzüglich Nebenforderungen in Höhe von pauschal 10 % verlangen kann. Tatsächlich scheuen viele Unternehmer davor zurück, von § 648a BGB Gebrauch zu machen, weil sie eine dauerhafte Störung der Geschäftsbeziehung zum Besteller fürchten. Aktivitäten erst in der Phase, in der sich die Krisensymptome beim Besteller häufen, führen selten zum Erfolg, weil die nicht bezahlte Vorleistung bereits erbracht ist und der Besteller meist nicht mehr Sicherheiten stellen kann. Im Übrigen droht im Einzelfall, dass der Verwalter dem Unternehmer eine doch noch erlangte Sicherheit durch Insolvenzanfechtung aus der Hand schlägt (Rn. 939 ff.).
179
B. Insolvenz des Bestellers
b) § 648 BGB 723 Weit weniger effektiv ist ein Vorgehen über diese Vorschrift. Da der Besteller schwerlich die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek bewilligen wird, bleibt nur der Weg über eine gerichtlich durchgesetzte, deshalb mit Anwalts-, Gerichts- und Grundbuchkosten verbundene Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs. Derart in der Endphase des Überlebenskampfs des Bestellers erlangte Sicherheiten sind der Insolvenzanfechtung ausgesetzt (Rn. 960 ff.). Ohnehin ist die Chance des Unternehmers, mit einer solchen Vormerkung einen Rang zu erlangen, der realistische Befriedigungschancen bietet, erfahrungsgemäß gering. BGH BauR 2010, 1219 Rn. 26.
§ 648 BGB ist daher ein stumpfes Schwert. 2. Vertragsgestaltung 724 Bereits im Vertrag vereinbarte Sicherheiten sind kongruent im Sinn des Insolvenzanfechtungsrechts, sodass sie gegenüber einer Insolvenzanfechtung regelmäßig beständig bleiben. Die Vereinbarung von Sicherheiten hilft dem Unternehmer nichts, wenn er nicht darauf achtet, dass er unmittelbar nach Vertragsschluss und vor Aufnahme der Arbeiten die Sicherheit (regelmäßig eine Zahlungsbürgschaft) tatsächlich ordnungsgemäß erhält. Anderenfalls droht die Gefahr, dass er eine erst zu spät erlangte Sicherheit auf Insolvenzanfechtung hin zurückgewähren muss. 725 Vertraglich kann der Unternehmer meist nur die Absicherung eines Bruchteils des gesamten Vergütungsanspruchs durchsetzen, üblicherweise 10 – 15 %. Immerhin kann ein Mix aus einer daraufhin erlangten, tauglichen Zahlungsbürgschaft, aus zeitnah gestellten Abschlagsrechnungen (für die wegen des trotz der zum 1.1.2009 geänderten, weiterhin praktisch unbrauchbaren § 632a BGB unbedingt § 16 Abs. 1 VOB/B zu vereinbaren ist) und einem wachen Forderungsmanagement und schließlich aus einer im Bedarfsfall zusätzlich rechtzeitig verlangten Sicherheit gem. § 648a BGB dazu beitragen, die in einer Bestellerinsolvenz drohenden Risiken zu mildern. 726 Im Einzelfall können andere, eher atypische Maßnahmen wie Vorauszahlungen des Bestellers (gegen vom Unternehmer gestellte Vorauszahlungsbürgschaften) und im Vertrag vereinbarte anomale Sicherheiten wie die Abtretung von Vergütungsansprüchen gegen den Auftraggeber des Bestellers aus demselben Vertrag den Unternehmer sichern. III. Handlungsmöglichkeiten des Unternehmers im Eröffnungsverfahren (dem Zeitraum nach Antragstellung und vor Verfahrenseröffnung) 727 Der Insolvenzantrag als solcher und die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters berühren das Vertragsverhältnis nicht. Ebenso wie der Besteller in der Insolvenz des Unternehmers hat aber der Unternehmer das Bedürfnis, 180
III. Handlungsmöglichkeiten des Unternehmers im Eröffnungsverfahren
schnell Klarheit über das weitere Schicksal des Bauvertrags zu erhalten, um größere Schäden zu vermeiden und Personal und Materialien anderweitig einsetzen zu können. 1. Vertragsfortführung a) Fortführung des ursprünglichen Vertrags Erbringt der Unternehmer nach dem Insolvenzantrag des Bestellers weitere 728 Arbeiten, erhöht er nur den Betrag seiner Vergütungsforderung, die später im Verfahren als reine Insolvenzforderung behandelt wird. Eine Fortführung des Vertrags durch den Unternehmer scheidet daher aus, wenn er nicht hinreichend (und insolvenzanfechtungsfest) abgesichert ist oder nicht durch den Besteller und den vorläufigen Verwalter neue valide Sicherheiten erhält. Die in der Praxis gängigen Modelle sind unter Rn. 43 ff. dargestellt. b) Restabwicklungsvereinbarung Hierfür gelten spiegelbildlich die Ausführungen unter Rn. 64 f.
729
2. Leistungsverweigerung und Vertragsbeendigung Der Unternehmer, oft genug bestraft durch massive Werklohnausfälle, hat 730 ein großes Bedürfnis, weitere Schäden z. B. durch Baustellenstillstand und Vorhaltung von anderweit nutzbringend einzusetzendem Material und Personal zu vermeiden. Zeichnet sich nicht sehr schnell eine Fortführung des Vertrags zu akzeptablen Konditionen ab oder ist nicht ausnahmsweise der Unternehmer durch insolvenzfest erlangte Sicherheiten im Fall der Weiterarbeit vor Forderungsausfällen geschützt, muss der Unternehmer bedacht sein, schnellstmöglich juristisch korrekt jede weitere Leistung zu verweigern und das Vertragsverhältnis zu beenden. Praxistipp: Eindeutig rechtswidrig ist es, wenn der Unternehmer die von ihm im Auftrag des Bestellers/Schuldners bereits eingebauten Materialien, die wesentliche Bestandteile des Gebäudes (§ 94 Abs. 2 BGB) geworden sind (Folge: originärer Eigentumsübergang auf den Grundstückseigentümer), wegen des Insolvenzantrags des Schuldners wieder ausbaut: Der Grundstückseigentümer hat dann einen Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer in Höhe der Kosten, die zur Wiederherstellung bei wirtschaftlich vernünftigem Vorgehen aufgewendet werden müssen (OLG Düsseldorf, NZI 2002, 102; allgemein zu regelmäßig zu verneinenden Wegnahmerechten und Herausgabeansprüchen in der Insolvenz Heisiep, BauR 2006, 1065).
a) Leistungsverweigerung und Rücktritt gemäß § 321 BGB In der vor dem 1.1.2002 geltenden Fassung führte diese Norm ein Schatten- 731 dasein. Sie setzte voraus, dass nach dem Abschluss des Vertrags in den Vermögensverhältnissen des anderen Teils (Bestellers) eine wesentliche Ver181
B. Insolvenz des Bestellers
schlechterung eintrat. Dieses Tatbestandsmerkmal hatte der Unternehmer darzulegen und zu beweisen. Er kannte aber meistens nicht die Vermögensverhältnisse des Bestellers vor und nach dem Vertragsabschluss. Daher hatte diese Vorschrift keine praktische Bedeutung. Da dieses Erfordernis nun weggefallen ist, BGH ZfIR 2010, 152 (LS) = NJW 2010, 1272 Rn. 15,
sollte sich dies in der Zukunft ändern. Die Norm scheint in ihrer jetzigen Fassung geradezu maßgeschneidert dafür, um sofort nach Insolvenzantrag des Bestellers ohne weitere Umstände und Formalitäten die Leistungsverweigerung des Unternehmers zu rechtfertigen. 732 Dass der Unternehmer „vorzuleisten verpflichtet ist“ (§ 321 Abs. 1 Satz 1 BGB), entspricht, ohne dass er es je problematisiert hätte, sowohl älterer als auch neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. BGH BauR 1973, 313, 315 r. Sp.; BGH BauR 2004, 1146, 1146 r. Sp., 1147 l. Sp.
733 § 321 Abs. 1 BGB ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass der Vorleistungspflichtige mit der verkehrsüblichen Sorgfalt bei Vertragsabschluss die Vermögensverhältnisse des Bestellers zu prüfen hat. Unterlässt der Unternehmer diese Prüfung oder übersieht er sorglos offensichtliche Warnsignale, scheidet eine Berufung auf § 321 BGB aus. Staudinger-Otto, BGB, § 321 Rn. 28; Palandt-Grüneberg, BGB, § 321 Rn. 4.
734 Für das Tatbestandsmerkmal „Anspruchsgefährdung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils“ bietet die Rechtsprechung in geringem Maß Präjudizien: Eine solche ist zu bejahen, wenn x
eine zunächst begründete Aussicht auf Kreditgewährung sich in Nichts auflöst, da der potentielle Darlehensgeber das Kreditgesuch ablehnt,
x
ein „massenhafte[s] Andringen der Gläubiger“ und neuerliche Pfändungen zu verzeichnen sind,
x
wegen offener Forderungen von rd. 65.000 € die Zwangsversteigerung des Wohnhauses des Bestellers angeordnet und ein Versteigerungstermin angesetzt werden,
x
der Besteller laufende Verbindlichkeiten gegenüber dem Unternehmer nur zögerlich und erst nach vergeblichen Zahlungsversuchen mit einem ungedeckten Scheck begleicht und der Besteller auch andere laufende Verbindlichkeiten nicht erfüllt. BGH NJW 1964, 99, 100 l. Sp.; BGH BauR 1985, 565, 566 l. Sp.
182
III. Handlungsmöglichkeiten des Unternehmers im Eröffnungsverfahren
Hingegen reichen bloße Zweifel an der Zahlungsfähig- oder Kreditwürdig- 735 keit des Bestellers nicht aus, ebenso wenig subjektive Befürchtungen eines einzelnen Schuldners oder Presseberichte. BGH ZIP 1985, 288 = NJW 1985, 1220, 1221, dazu EWiR 1985, 57 (Graf v. Westphalen); OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1437, 1439; OLG München NJWE-MietR 1996, 10, 11.
Umstände, die eine Zahlungsunfähigkeit i. S. v. § 17 InsO ergeben (dazu 736 Rn. 2 ff.), erfüllen stets das hier diskutierte Tatbestandsmerkmal des § 321 BGB. Heidland, Rn. 149.
In der Praxis wird § 321 Abs. 1 BGB für den Unternehmer vor allem inte- 737 ressant, wenn er Kenntnis vom Insolvenzantrag des Bestellers erlangt und sofort reagieren muss. Hier ist zu differenzieren: Ein vom Besteller selbst gestellter Antrag ist ein Eingeständnis des Bestellers, dass er zahlungsunfähig und/oder überschuldet und folglich nicht mehr leistungsfähig i. S. v. § 321 Abs. 1 BGB ist. Stellt ein Gläubiger den Insolvenzantrag, kommt es darauf an, ob der Antrag Substanz hat (Rn. 81 ff.). Das lässt sich für einen Außenstehenden wie den Unternehmer in der Regel erst ex post – mit Verfahrenseröffnung oder Abweisung des Antrags mangels Masse – verlässlich bejahen. Der besondere Charme des § 321 Abs. 1 BGB liegt darin, dass er ebenso wie 738 § 320 Abs. 1 BGB, zur objektiven Wirkung des § 320 Abs. 1 BGB etwa BGH BauR 1993, 600, 601 r. Sp.,
objektiv wirkt. Der Unternehmer kann im Nachhinein eine unreflektierte Baustellenräumung oder sonstige Leistungsverweigerung rechtfertigen, wenn zum damaligen Zeitpunkt objektiv die Tatbestandsmerkmale des § 321 Abs. 1 BGB vorlagen. Zur objektiven Wirkung des § 321 Abs. 1 BGB RGZ 51, 170, 171 f.; BGH ZfIR 2010, 152 (LS) = NJW 2010, 1272 Rn. 20 ff.
Die Interessen des vorleistungsberechtigten Bestellers werden dadurch ge- 739 wahrt, dass es dem Unternehmer auf Nachfrage oder auf eine Aufforderung zur Leistung hin obliegt, den Grund der Leistungsverweigerung zu nennen. Erfährt sodann der Besteller, dass der Unternehmer die Vorleistung wegen Gefährdung der Gegenleistung zurückhält, kann er die Einrede abwenden. Äußert sich der Unternehmer nicht, kann der Besteller nach § 323 Abs. 1 BGB vorgehen und sich von dem Vertrag lösen. Dem Unternehmer ist es dann verwehrt, nachträglich die Einrede des § 321 BGB zu erheben (§ 242 BGB). BGH ZfIR 2010, 152 (LS) = NJW 2010, 1272 Rn. 24.
Eine Möglichkeit zur Vertragsbeendigung durch Rücktritt bietet § 321 740 Abs. 2 BGB. Die Vorgehensweise entspricht in etwa der bei § 648a BGB vorgegebenen. 183
B. Insolvenz des Bestellers
b) Leistungsverweigerung und Kündigung gemäß § 648a BGB 741 Die aus dieser Norm ableitbaren, bei Einhaltung der Formalien sehr sicheren Leistungsverweigerungs- und Kündigungsmöglichkeiten (Rn. 721 f.) haben einen gravierenden Nachteil: Der Unternehmer muss erst den Ablauf einer angemessenen Frist abwarten, wodurch viel Zeit verstreicht. Angemessen als Frist sind wohl mindestens sieben Werktage, wobei sich der Unternehmer erst mit 14 Werktagen auf der sicheren Seite fühlen kann. BGH IBR 2011, 81 Rn. 22; Details zur Rechtsprechung bei Kniffka-Schmitz, § 648a Rn. 103 ff.
c) Zurückbehaltung weiterer Leistung und Kündigung wegen nicht bezahlter Abschlagsrechnungen 742 Ein einredeweise sofort geltend zu machendes Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB, C. Schmitz, BauR 2005, 169, 178 m. w. N. zur überwiegenden Gegenauffassung, die § 320 Abs. 1 BGB anwendet,
gegen die Erbringung weiterer vertraglich geschuldeter Tätigkeit steht dem Unternehmer zu, wenn der Besteller korrekt nach § 632a BGB gestellte, auch sonst nicht angreifbare Abschlagsrechnungen nicht ausgleicht. 743 Gilt die VOB/B, kann der Unternehmer gemäß dem deutlich leichter handhabbaren § 16 Abs. 1 VOB/B Abschläge fordern, die allerdings – AGB-rechtlich bedenklich – erst 18 Werktage nach Zugang der Abschlagsrechnung fällig werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B). Ein Recht zur Einstellung der Arbeiten gewährt § 16 Abs. 5 Nr. 5 VOB/B, wenn eine nach Fälligkeit der Abschlagsrechnung gesetzte angemessene Nachfrist abgelaufen ist. Dieses Erfordernis der Nachfristsetzung dürfte AGB-rechtlich nicht angreifbar sein. Praxistipp: Eine Arbeitseinstellung wegen nicht bezahlter Abschlagsrechnungen ist regelmäßig riskant. Sind die Abschlagsrechnungen nicht prüfbar (und ist die auf Abschlagsrechnungen anwendbare Frist von mindestens 18 Werktagen, evtl. sogar zwei Monaten [für Letzteres offenbar, ohne Problematisierung, BGH IBR 2005, 689] zur Prüfbarkeitsrüge durch den Besteller noch nicht abgelaufen), ist die Arbeitseinstellung bereits wegen dieses formalen Problems angreifbar. Das Gleiche gilt, wenn die Abschlagsrechnung inhaltlich falsch ist oder ein Zahlungsanspruch aus ihr wegen Mängeln der erbrachten Teilleistung objektiv – ohne dass es einer zeitnahen Bestellereinrede bedürfte (BGH BauR 1993, 600, 601 r. Sp.) – nicht einredefrei durchsetzbar ist.
744 Eine berechtigte Lösung vom Vertrag (Schadensersatzanspruch, Rücktritt) wegen nicht bezahlter Abschlagsrechnungen kommt beim BGB-Vertrag unter den Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht. Der Unternehmer muss also dem Besteller zum Ausgleich einer ordnungsgemäßen, ein-
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III. Handlungsmöglichkeiten des Unternehmers im Eröffnungsverfahren
redefrei fälligen Abschlagsrechnung eine angemessene Frist zur Zahlung setzen, die erfolglos abläuft. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VOB/B ist die Kündigung in schriftlicher 745 Form möglich, wenn der Besteller eine fällige Abschlagszahlung nicht leistet, der Unternehmer dem Besteller ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzt und erklärt, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde, und schließlich diese Frist fruchtlos abläuft. Eine derartige Lösung vom Vertrag weist dieselben Risiken auf, wie sie unter 746 Rn. 743 dargestellt wurden. d) Kündigung wegen unterlassener Mitwirkung des Bestellers In der wirtschaftlichen Krise ist es dem Besteller oft nicht mehr möglich, zur 747 Herstellung des Werks nötige, ihm obliegende Mitwirkungshandlungen zu erbringen. Der Unternehmer kann dann dem Besteller eine angemessene Frist zur Nachholung der Handlung setzen. Dabei muss er erklären, dass er den Vertrag kündige, wenn der Besteller die Handlung nicht bis zum Ablauf der Frist vornehme. Nach fruchtlosem Fristablauf gilt der Vertrag als aufgehoben. Einer nochmaligen Kündigungserklärung bedarf es nicht mehr (§ 643 i. V. m. § 642 Abs. 1 BGB). Eine ähnliche Vorgehensweise ist in § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VOB/B vorgegeben. Praxistipp: Bei Vertragsketten eröffnen § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VOB/B, §§ 642 Abs. 1, 643 BGB dem Nachunternehmer die Möglichkeit, sich sehr schnell vom Vertrag mit dem Besteller = Generalunternehmer zu lösen. Hat der Bauherr seinen Vertrag mit dem Generalunternehmer gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B gekündigt, haben zwangsläufig der Generalunternehmer und die ihm als Erfüllungsgehilfen zuzurechnenden Nachunternehmer keinen Anspruch mehr darauf, die Baustelle zum Zwecke der Baufertigstellung (anders für Abnahme und Leistungsstandsabgrenzung) zu betreten. Der Generalunternehmer muss aber dem Nachunternehmer das Baugrundstück als für die Leistung des Nachunternehmers (dauerhaft) aufnahmebereit zur Verfügung stellen (BGH BauR 2000, 722, 725 r. Sp.). Da der Generalunternehmer dies nach Kündigung nicht mehr kann, ist der Anwendungsbereich der zitierten Regelungen eröffnet. Gleichzeitig ist der Nachunternehmer dazu verpflichtet, die Baustelle schnell fortzuführen. Daher kann der Nachunternehmer dem Generalunternehmer enge Fristen setzen zusammen mit der Ankündigung, dass er nach fruchtlosem Ablauf den Vertrag kündigen werde, und nach Fristablauf den Vertrag berechtigt kündigen.
e) Allgemeines insolvenzbedingtes Kündigungsrecht? Weder das BGB noch die VOB/B sehen vor, dass allein wegen des Insol- 748 venzantrags des Bestellers ein Unternehmer den Bauvertrag fristlos kündigen darf. Eine § 8 Abs. 2 VOB/B zugunsten des Unternehmers nachgebildete Klausel würde als insolvenzabhängige Lösungsklausel ohnehin unwirksam sein (§ 134 BGB i. V. m. §§ 119, 103 InsO). Abzulehnen ist daher und wegen 185
B. Insolvenz des Bestellers
der oben dargestellten Spezialvorschriften des BGB die ältere Rechtsprechung des OLG München, OLG München BauR 1988, 605, 606 l. Sp.; i. E. zust. zum OLG München Heidland, Rn. 144a,
dass eine Vergleichsanmeldung (nach altem Recht, vergleichbar einem Insolvenzantrag) des Bestellers die weitere Vertragsdurchführung mit unzumutbaren Risiken belastet und eine Kündigung des Unternehmers aus wichtigem Grund rechtfertigt. IV. Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 1. (Unterbliebene) Erfüllungswahl durch den Verwalter 749 Sofern der Unternehmer sich im Eröffnungsverfahren in der soeben beschriebenen Weise wirksam vom Vertrag gelöst hat, ist für § 103 InsO (analog) nur noch ein schmaler Anwendungsbereich eröffnet, nämlich insoweit, als der bis zum Zeitpunkt der Kündigung erbrachten, nicht voll bezahlten Leistung des Unternehmers Mängel anhaften, hinsichtlich derer der Besteller einen Nacherfüllungsanspruch hat. 750 In den Fallgruppen, die § 103 InsO anwendbar machen (Beispiel: offener Werklohnanspruch des Unternehmers und ausstehende Restleistung), gelten die Ausführungen zur Insolvenz des Unternehmers entsprechend (siehe Rn. 215 ff.). Dabei kommt wiederum der wegen § 105 Satz 1 InsO veranlassten (faktischen) Aufspaltung des Bauvertrags in einen „Vertrag 1“ mit dem „Besteller 1 (= Schuldner)“ und in einen „Vertrag 2“ mit dem „Besteller 2 (= Verwalter)“ (zur gleichlaufenden Problematik in der Unternehmerinsolvenz siehe ausführlich Rn. 293 ff.) besondere Bedeutung zu. 751 Die Erfüllungswahl des Verwalters beschränkt sich auf die ausstehende Restleistung des Unternehmers, von der abzutrennen sind der auf das bereits vor der Erfüllungswahl erbrachte Teilwerk entfallende, noch offene Werklohnanspruch des Unternehmers und Nacherfüllungsansprüche des Verwalters, die wegen Mängeln des bereits erbrachten Teilwerks begründet sind. Daher ist der Verwalter aus der Masse nur zur Zahlung des Vergütungsteils verpflichtet, der auf die nach Erfüllungswahl erbrachte Restleistung entfällt. Die Rückstände aus dem davor liegenden Zeitraum haben – vorbehaltlich einer sich auch hierauf beziehenden Erfüllungswahl (siehe Rn. 757 ff.) – lediglich den Rang einer Insolvenzforderung. 752 Dieses Recht des Verwalters, die Erfüllung des Vertrags nur teilweise zu wählen und damit den Unternehmer an die Preise des Ursprungsvertrags zu binden, kann der Unternehmer dadurch vereiteln, dass er vor Verfahrenseröffnung wirksam den Vertrag außerordentlich beendet.
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IV. Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Beispiele: 1. Bei einem Vertrag über Fensterbauarbeiten sind 200 Fenster eingesetzt, wobei der Besteller hierfür noch 100.000 € zu bezahlen hat. Gemäß Vertrag sind weitere 50 Fenster noch zu liefern und zu montieren, wobei nach den Vertragspreisen dies inklusive Nebenkosten 30.000 € kostet. Wenn der Verwalter vom Unternehmer die Teilerfüllung verlangt, muss er die Restleistung (30.000 €) in voller Höhe aus der Masse bezahlen, sofern der Unternehmer sie mangelfrei erbracht hat. Dagegen beeinflusst die Erfüllungswahl die Rechtsbeziehungen wegen der davor erbrachten Leistung nicht, sofern sie sich nicht ausdrücklich auch hierauf bezieht. Daher ist die Forderung für die Leistung davor (100.000 €) eine einfache Insolvenzforderung, und der Unternehmer kann sie lediglich zur Tabelle anmelden. Ebenso wenig kann der Verwalter vom Unternehmer verlangen, dass dieser Mängel des bereits erbrachten Teilwerks „kostenlos“ beseitigt; hierfür müsste er ausdrücklich auch insoweit die Erfüllung wählen und Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung den offenen Werklohn bezahlen (siehe Rn. 757 ff.). 2. Der Unternehmer hat mit dem Besteller einen Pauschalvertrag zu für den Unternehmer nicht auskömmlichen Preisen geschlossen. Nach dem Insolvenzantrag führt der vorläufige Verwalter intensive Gespräche mit der das Objekt finanzierenden Bank, ob der Bau zur Vermeidung drohender Schäden und Bürgschaftsinanspruchnahmen fortgeführt werden soll. Die Bank ist zu einer kurzfristigen Entscheidung und zu einer schnellen Bereitstellung eines Darlehens zur Vertragsfortführung nicht in der Lage, sodass der Bau einstweilen stillliegt. Der Unternehmer verlangt sofort nach dem Insolvenzantrag des Bestellers formgerecht eine Sicherheit gem. § 648a BGB und kündigt nach erfolglosem Ablauf den Vertrag, und zwar deutlich vor Verfahrenseröffnung. Später entscheidet die Bank, dem nunmehr eingesetzten Verwalter einen Massekredit zu geben. Der Verwalter möchte die Vertragsfortführung durch den Unternehmer, da dessen Preise gemäß dem ursprünglich mit dem Besteller geschlossenen Vertrag konkurrenzlos günstig sind. Der Unternehmer kann die Fortführung des Vertrags auf diesem Preisniveau ablehnen: Wegen der wirksamen Vertragsbeendigung vor Verfahrenseröffnung sind §§ 103, 105 Satz 1 InsO nicht anwendbar. Der Verwalter kann daher nur einen neuen Vertrag mit dem Unternehmer zu höheren Preisen schließen oder er muss – ebenfalls wohl zu höheren Preisen – mit einem anderen Unternehmer kontrahieren. Erklärt sich der Verwalter nicht von sich aus, kann der Unternehmer aktiv 753 werden: Er kann dem Verwalter Frist gem. § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO zur Wahlrechtsausübung setzen. Wählt der Verwalter nicht die Erfüllung, kann der Unternehmer einen (Schadensersatz-)Anspruch wegen Nichterfüllung wählen (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO), sofern er nicht den Vertrag zum Zwecke späterer Abwicklung mit dem Besteller (nach Beendigung des Insolvenzverfahrens) aufrechterhält. Wählt der Unternehmer Schadensersatz, dürfte es 187
B. Insolvenz des Bestellers
auf die Frage, ob das bis dato von ihm erstellte Teilwerk abgenommen oder wenigstens abnahmefähig ist (zur Parallelproblematik in der Unternehmerinsolvenz siehe Rn. 176 ff.), nicht ankommen. Der Unternehmer hat nunmehr die Rechtsmacht, durch seine Schadensersatzwahl insgesamt ein Abrechnungsverhältnis herbeizuführen, sodass der Besteller Mängelbeseitigung nicht mehr verlangen kann. Aufgrund der vom Unternehmer über § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO bewirkten Befreiung von der weiteren Vertragsabwicklung sind etwa bestehende Mängelansprüche nun mit dem einfachen Wert der Mängelbeseitigungskosten anzusetzen. Dabei mag diskutabel sein, allein auf die dem Unternehmer entstehenden Selbstkosten und nicht auf die teureren objektiven Mängelbeseitigungskosten. 2. Mängelbeseitigungsverlangen des Verwalters a) Vom Besteller vollständig erfüllter Vertrag 754 Vollständig erfüllt hat der Besteller den Vertrag, wenn er den Werklohn zu 100 % bezahlt hat. § 103 InsO ist nicht anwendbar. Sofern nicht dem Verwalter die Nacherfüllung durch den Unternehmer unzumutbar ist und deshalb ein sofortiger Minderungsanspruch besteht (Rn. 818), muss der Verwalter dem Unternehmer zur Mängelbeseitigung eine angemessene Frist (§ 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B) setzen. Läuft diese fruchtlos ab, kann der Verwalter gegen den Unternehmer einen auf Zahlung gerichteten Anspruch geltend machen. 755 Hiergegen aufrechnen kann der Unternehmer, wenn ihm in mindestens gleicher Höhe eine Gegenforderung aus einem anderen Vertrag – z. B. wegen eines daraus noch offenen Werklohnanspruchs – zusteht. Zu seinen Lasten kann sich das Aufrechnungsverbot des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO (dazu ausführlich Rn. 559 ff.) auswirken. Beispiel: Der Unternehmer hat vom Besteller B zum Bauvertrag 1 den vollen Werklohn erhalten, dagegen zum VOB/B-Bauvertrag 2, der ein Jahr später abgewickelt wurde, nicht. Da eine nennenswerte Quotenaussicht nicht besteht, hat U keine Schlussrechnung zum Bauvertrag 2 gelegt und keine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Hätte er dies getan, stünden ihm etwa noch 50.000 € zu. Im Vertrauen auf dieses Aufrechnungspotential reagiert U auf eine berechtigte Mängelbeseitigungsaufforderung des Verwalters über das Vermögen von B nicht, die sich auf den Bauvertrag 1 bezieht. Der Verwalter verlangt nun Zahlung von mangelbedingtem Schadensersatz in Höhe von 50.000 €, wogegen U mit seiner Gegenforderung aus dem Bauvertrag 2, zu dem er nun erstmals eine Schlussrechnung legt, aufrechnet. Da die Gegenforderung des U erst nach Schlussrechnungslegung und damit im Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nach der Hauptforderung des Verwalters fällig wurde, ist nach § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO die Aufrechnung ausgeschlossen. Allenfalls kann sich der U mit der Berufung auf bereits
188
IV. Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
früher fällig gewordene, nicht bezahlte Forderungen aus Abschlagsrechnungen zu „retten“ versuchen, mögen auch diese wegen der nun gegebenen Schlussrechnungsreife isoliert nicht mehr durchsetzbar sein. b) Beiderseits nicht vollständig erfüllter Bauvertrag In dieser Fallgruppe stehen ein offener Werklohnanspruch des Unterneh- 756 mers und ein Nacherfüllungsanspruch des Bestellers/Verwalters aus ein- und demselben Vertrag einander gegenüber. Wie in der umgekehrten Richtung (Unternehmerinsolvenz, dazu ausführlich Rn. 310 ff.) weist diese Situation für beide Seiten ihre Tücken auf. Wenn der Verwalter den Unternehmer zur Beseitigung der Mängel auffor- 757 dert, liegt darin im Regelfall eine konkludente Erfüllungswahl auch wegen dieser ggf. insolvenzrechtlich verselbstständigten Komponente des Vertrags. Folge ist, dass der Unternehmer die gerügten (und weitere innerhalb laufender Verjährungsfrist auftretende) Mängel beseitigen und der Verwalter die insoweit noch offene Vergütung aus der Masse vollständig bezahlen muss. „Insoweit noch offene Vergütung“ ist entweder der Betrag, der auf das Teilwerk entfällt, das der Unternehmer vor der auf die offene Restleistung bezogenen Erfüllungswahl des Verwalters erstellt hat (gemäß dem ersten Beispiel in Rn. 752 also 100.000 €), oder der nach Abnahme wegen der Mängel vom Besteller einbehaltene offene Restwerklohn. Aus Sicht der Insolvenzmasse ist das ein unproblematischer Vorgang, wenn 758 die Mängelbeseitigung der Masse Vorteile bringt, weil daraufhin ein Bauherr o. Ä. Zahlungen an die Insolvenzmasse leistet, sofern die an den Unternehmer zu leistende Zahlung niedriger ist als der Betrag, der bei Eigenbeseitigung durch Einschaltung eines Zweitunternehmers auflaufen würde, und niedriger als die vom Bauherrn o. Ä. zu erlangende Zahlung. Es kann sich aber auch anders verhalten.
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Beispiel: Der Verwalter über das Vermögen von B, der als Generalunternehmer agierte, hat mit dem Bauherrn M ausgemacht, dass dieser noch einredefrei 50.000 € an die Masse bezahlt, wenn Mängel der Fassadenarbeiten einwandfrei beseitigt werden. Der Verwalter fordert den (Nach-)Unternehmer U, der diese Arbeiten ausgeführt hat und dessen Werklohn wegen dieser Mängel vor Insolvenzeröffnung gem. §§ 320 Abs. 1, 641 Abs. 3 BGB blockiert war, dazu auf, die Arbeiten zu erledigen, was U tut. Dabei hat der Verwalter übersehen, dass der dem U aus diesem Nachunternehmervertrag noch zustehende Werklohn 60.000 € beträgt und dass der zuverlässige Unternehmer W, den er komplett neu hätte beauftragen können, die Nacherfüllungsarbeiten für 35.000 € erledigt hätte.
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B. Insolvenz des Bestellers
760 Da die Folgen der Erfüllungswahl sich nicht auf die Selbstkosten, die U entstehen, oder auf die bei Einschaltung des W auflaufenden Kosten begrenzen lassen, hat der U Anspruch gegen die Masse auf Zahlung des vollen Restwerklohns von 60.000 €. Die Fehlbewertung des Verwalters fällt nicht so sehr ins Gewicht, wenn später weitere Mängel an der Leistung des U auftreten, die der U ohne Anspruch auf zusätzliche Vergütung innerhalb laufender Verjährungsfrist beseitigen muss. 761 Umgekehrt kann U die Leistung nicht deshalb verweigern, weil die intern bei ihm auflaufenden Kosten der Nacherfüllung oberhalb des noch aus der Masse zu bezahlenden Werklohns liegen. Da der Verwalter den Bauvertrag durch seine Erfüllungswahl in den Status eines „normal“ abzuwickelnden Bauvertrags erhebt, fallen wie sonst auch exorbitante Mängelbeseitigungskosten dem U, der mangelhaft gearbeitet hat, zur Last. 762 Der Verwalter und U können stattdessen eine separate Vereinbarung treffen etwa des Inhalts, dass U gegen eine neu festgelegte Vergütung genau definierte Mängel vollständig beseitigt. Der U wird aber wenig Lust zu einer solchen Vereinbarung verspüren, wenn diese erkennbar den Interessen der Masse dient und ihm einen niedrigen Vergütungsanspruch zugesteht. 763 Ferner bleibt es dem Verwalter unbenommen, unter vollständiger Umgehung des U den Mangel durch einen Zweitunternehmer – im Beispielsfall (Rn. 759) den W – beseitigen zu lassen. Dann ist es allerdings ausgeschlossen, diese Kosten – im Beispielsfall 35.000 € – gegen den Werklohnanspruch des U aufzurechnen, da der Verwalter die allgemeinen baurechtlichen Formalien nicht beachtet und dem U keine Möglichkeit der Nacherfüllung gegeben hat. BGHZ 162, 219 = ZIP 2005, 861 (m. Bespr. Gsell, S. 922), dazu EWiR 2005, 497 (T. Keil); Kniffka/Krause-Alleinstein, § 637 Rn. 5 ff.
764 Meldet der U nach dieser eigenmächtigen Mängelbeseitigung seine Werklohnforderung von 60.000 € zur Insolvenztabelle an, muss folglich der Verwalter sie ungeschmälert feststellen, sofern nicht noch neue Mängel aufgetreten sind, die einen Abzug rechtfertigen könnten. Gleichwohl kann eine solche eigenmächtige Mängelbeseitigung der für die Masse deutlich günstigere Weg sein, wenn nämlich auf diese Insolvenzforderung des U keine oder nur eine geringe Quote entfällt und diese minimale Mehrbelastung kompensiert wird durch die 25.000 €, um die W im Ergebnis günstiger ist als U. 765 Obige Erwägungen setzen voraus, dass U nach einer als Erfüllungswahl insoweit auszulegenden Mängelbeseitigungsaufforderung des Verwalters die Mängel beseitigt. Tut er dies nicht, steht dem Verwalter mit Fristablauf ein auf Zahlung gerichteter Anspruch zu. 766 Übersteigt dieser Anspruch, den der Verwalter z. B. als Schadensersatzanspruch geltend macht und der sich grundsätzlich nach den üblichen Kosten der Mängelbeseitigung durch Dritte berechnet, den offenen Werklohnanspruch des
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IV. Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
U, kann der Verwalter den überschießenden Betrag zur Masse ziehen. Dem U bleibt die Möglichkeit, mit rechtzeitig (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO) fälligen, auf Zahlung gerichteten Gegenforderungen aus anderen Rechtsbeziehungen mit dem Schuldner aufzurechnen. Ist der nach fruchtlosem Fristablauf entstandene Schadensersatzanspruch der 767 Masse niedriger als der offene Werklohnanspruch, so ändert die Weigerung des U, die Mängel zu beseitigen, nichts an der vorher bereits erfolgten Erfüllungswahl des Verwalters. Der U kann mit einem Teil seines Werklohnanspruchs aus demselben Bauvorhaben, auf das sich die Mängelrüge bezog, gegen den mängelbedingten Zahlungsanspruch des Verwalters aufrechnen und den überschießenden Betrag als Masseverbindlichkeit geltend machen. Einziger Trost für den Verwalter ist, dass der U künftig innerhalb laufender Verjährungsfrist auftretende Mängel „kostenlos“ beseitigen muss. Praxistipp: Der Verwalter darf, wenn noch ein nennenswerter Werklohnanspruch des Unternehmers im Raum steht, die Beseitigung von Mängeln nur verlangen, wenn eindeutig die absehbaren Vorteile für die Masse den Nachteil, dass die Restvergütung als Masseverbindlichkeit zu bedienen ist, übersteigen. Ansonsten bleibt nur, sich um eine separate Vereinbarung mit dem Unternehmer zu bemühen oder den Mangel eigenmächtig zu beseitigen. Letzteres wirkt sich wirtschaftlich kaum zulasten der Masse aus, wenn sich der lediglich als Insolvenzforderung zu bedienende Werklohnanspruch des Unternehmers erhöht (anders ist es aber, wenn der Unternehmer z. B. eine Bürgschaft in Händen hält, diese auch den „Erhöhungs“betrag absichert und der Bürge insolvenzfest Regress an vom Besteller gegebenen Rückgriffssicherheiten nehmen kann). Für den Unternehmer gilt es, einerseits im Einzelfall die unverhoffte Chance einer Erfüllungswahl zu nutzen, indem er zügig und fristgerecht nachbessert. Zum anderen muss der Unternehmer die Risiken sorgfältig analysieren, die in einer Verweigerungshaltung liegen, vor allem dann, wenn hinreichende Aufrechnungsmöglichkeiten entweder gar nicht bestehen oder wegen § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO die Zulässigkeit der Aufrechnung fraglich ist. Einem unangenehmen Schwebezustand kann der Unternehmer dadurch entgehen, dass er im Eröffnungsverfahren den Vertrag mit dem Besteller außerordentlich beendet oder durch eine Anfrage nach § 103 InsO den Verwalter zu einer endgültigen Aussage zwingt.
3. Höhe des dem Unternehmer nach Vertragsbeendigung zustehenden Anspruchs und ordnungsgemäße Forderungsanmeldung a) Differenzierte Anspruchshöhe je nach Vertragsbeendigungstatbestand Der Unternehmer entscheidet – vorbehaltlich einer ihn bindenden Erfüllungs- 768 wahl des Verwalters – darüber, wann und aufgrund welcher Rechtsgrundlage er sich vom Vertrag mit dem Besteller löst. An die damit verbundenen Rechtsfolgen, die die Höhe der von ihm als Insolvenzforderung geltend zu machenden Forderung bestimmen, ist er gebunden.
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B. Insolvenz des Bestellers
769 Ein gem. § 321 Abs. 2 BGB erklärter Rücktritt führt dazu, dass der Vertrag Zug um Zug rückabzuwickeln ist (§§ 346 Abs. 1, 348 BGB). Dieses fortbestehende Synallagma schützt den Unternehmer im eröffneten Verfahren, sodass er das von ihm Erlangte nur gegen Rückgewähr des von ihm Geleisteten zurückgewähren muss – was in der Insolvenz praktisch ausscheidet. Daneben stellt § 325 BGB klar, dass der Rücktritt etwa parallel gegebene Ansprüche des Unternehmers auf Schadensersatz nicht ausschließt. 770 Hat der Unternehmer auf Grundlage von §§ 648a BGB gekündigt, kann er wie nach einer freien Kündigung (§ 649 BGB, siehe Rn. 773) abrechnen. Zu beachten ist auch die widerlegliche Vermutung des § 648a Abs. 5 Satz 3 BGB. 771 Einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen kann der Unternehmer in den Fällen verlangen, in denen er über § 643 Satz 2 BGB den Vertrag aufhebt (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 2 BGB). 772 Eine Vertragsbeendigung gem. § 9 VOB/B führt dazu, dass der Unternehmer die erbrachte Leistung nach den vertraglichen Preisen abrechnen kann. Außerdem kann er einen Anspruch auf angemessene Entschädigung gem. § 642 BGB und etwa gegebene weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen. 773 Ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung steht dem Unternehmer bei Vertragsbeendigung gem. §§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, 103 Abs. 2 InsO zu. Zu dessen Berechnung sind die zu § 649 BGB entwickelten Maßstäbe heranzuziehen, sodass der Unternehmer die gesamte vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitig erworbenen/erwerbbaren Verdiensts geltend machen kann. Die Anforderungen an die Abrechnung des Unternehmers hat der Bundesgerichtshof zurückgeschraubt. BGH ZIP 1999, 536, dazu EWiR 2000, 165 (Wenner). Praxistipp: Formal zeigen sich für den Unternehmer in den obigen Fallgruppen teilweise beträchtliche Unterschiede. Da es sich nur um Insolvenzforderungen handelt, für die allenfalls eine geringe Quote zu erwarten ist, dürfte es – vorbehaltlich bei ihm befindlicher Sicherheiten – für den Unternehmer wesentlich wichtiger sein, dass er möglichst schnell Klarheit über das weitere Schicksal seines Vertrags erlangt und durch eine korrekte Vertragsbeendigung im Eröffnungsverfahren verhindert, dass ihn später der Verwalter zu einer lästigen Teilerfüllung auf Grundlage der ursprünglichen Vertragspreise zwingen kann.
b) Behandlung eines wirksam zugunsten des Bestellers vereinbarten Sicherheitseinbehalts 774 War zwischen Unternehmer und Schuldner ein Sicherheitseinbehalt vereinbart, scheint auf den ersten Blick § 41 InsO einschlägig, sodass der hierauf entfallende
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IV. Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Betrag abzuzinsen wäre. Tatsächlich kann im Einzelfall der Unternehmer diesen Teilbetrag in voller Höhe anmelden und muss der Verwalter ihn vollständig anerkennen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B kann der Unternehmer durch Nach- 775 fristsetzung die sofortige Fälligkeit des Sicherheitseinbehalts herbeiführen, wenn der Besteller ihn nicht auf ein gemeinsames Sperrkonto einbezahlt. Dies gilt aber nur, sofern § 17 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B anwendbar und nicht abbedungen ist (siehe Rn. 542). Eine solche Nachfrist könnte der Unternehmer gegenüber dem Verwalter mit der sicher absehbaren Folge setzen, dass der Verwalter keine Einzahlung auf das Sperrkonto leistet, da hierin die 100 %ige Sicherstellung einer Insolvenzforderung liegen würde. Der Verwalter darf wegen seiner zwingenden gesetzlichen Pflichten einer solchen Nachfristsetzung nicht entsprechen. Mithin ist die Fallgruppe einschlägig, dass die Nachfristsetzung als fruchtlose Förmlichkeit entbehrlich ist, wenn das Verhalten des Bestellers erkennen lässt, dass er zur Einzahlung des Einbehalts auf ein Sperrkonto nicht bereit ist. Daher muss der Verwalter die Forderung des Unternehmers, sofern prüf- 776 fähig abgerechnet, in voller Höhe zur Tabelle feststellen. I. E. ebenso Bähr/Hermann, Rn. 192.
Gegen diese Lösung hat Heidland,
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Heidland, Rn. 321; ebenso Lachmann/Nieberding, Rn. 1030 ff.,
eingewandt, sie verkenne, dass die Forderung auf Einzahlung des Einbehalts auf Sperrkonto selbst nur eine Insolvenzforderung sei, und es widerspreche insolvenzrechtlichen Grundsätzen, dass der Schuldner durch die Verfahrenseröffnung Rechte gegenüber dem Unternehmer als Gläubiger verliere. Diese Kritik ist unzutreffend: Gerade weil es sich um eine Insolvenzforderung handelt, kann der Verwalter sie nicht erfüllen – und deshalb ist eine Nachfristsetzung des Unternehmers entbehrlich. Auch kommt es nicht durch die Verfahrenseröffnung zum Rechtsverlust des Verwalters, sondern durch die an das Parteiverhalten anknüpfende, wirksam vor Verfahrenseröffnung vereinbarte Fälligkeitsregelung des § 17 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/B, an die der Verwalter gebunden ist. Steht dagegen dem Unternehmer nach der Sicherungsabrede das Recht, vom 778 Besteller Einzahlung auf ein gemeinsames Sperrkonto zu verlangen, nicht zu, scheidet eine vorzeitige Fälligkeit des gesamten Werklohns aus. Der Teilbetrag ist gem. § 41 Abs. 2 InsO abzuzinsen. c) Bauabzugsteuer Die §§ 48 ff. EStG (vgl. Rn. 182 ff.) sind auch auf eine Quotenauszahlung 779 durch den Verwalter anzuwenden.
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B. Insolvenz des Bestellers Heidland, ZInsO 2001, 1095, 1096; Drenckhan, ZInsO 2003, 405, 407 ff.
780 Maßgeblich für die Frage (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG), ob der Abzug vorzunehmen ist, ist nicht der angemeldete Betrag, sondern die zur Auszahlung gelangende Quote. Beispiel: Im 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen von S melden Unternehmer Forderungen für die 2010 erbrachten Bauleistungen mit (vom Verwalter festgestellten) Ausgangsbeträgen von brutto 200.000 € (G 1) bzw. 100.000 € (G 2) an. Die Quote beträgt 3 %. Mithin ist nur für G 1 der maßgebliche Schwellenwert von 5.000 € überschritten, sodass die §§ 48 ff. EStG anzuwenden sind. 781 Unterstellt, dass §§ 48 ff. EStG auch in mehreren Jahren noch gelten, hat dies folgende missliche Konsequenz: G 1 und andere betroffene Gläubiger werden in der Regel eine Freistellungsbescheinigung erhalten. Legen sie diese bereits mit der Forderungsanmeldung vor, so kann die Geltungsdauer der Freistellungsbescheinigung (vgl. § 48b Abs. 3 Nr. 2 EStG) zum Zeitpunkt der Schlussverteilung abgelaufen sein, da sich die Abwicklung jedenfalls größerer Bauinsolvenzen über deutlich mehr als fünf Jahre hinzieht. Zur Vermeidung einer Eigenhaftung (§ 48a Abs. 3 Satz 1 EStG) muss daher der Verwalter vor der Auszahlung aktuelle Freistellungsbescheinigungen anfordern oder, falls diese nicht vorgelegt werden, das für den 15 %igen Abzug zuständige Finanzamt des Gläubigers ermitteln. Praxistipp: Damit die steuerlichen Pflichten bei Ausschüttung und Verfahrensabschluss gegenwärtig sind, sind die Forderungen für erbrachte Bauleistungen in der Insolvenztabelle zu kennzeichnen (Drenckhan, ZInsO 2003, 405, 407).
782 Nicht unter die §§ 48 ff. EStG fallen Schadensersatzforderungen wegen Nichterfüllung (§ 103 Abs. 2 InsO) und aus anderen Rechtsgründen. Drenckhan, ZInsO 2003, 405, 409.
783 Besondere Probleme stellen sich, wenn der Verwalter oder der anmeldende Unternehmer gegen unter §§ 48 ff. EStG fallende Bauforderungen die Aufrechnung erklärt. Dazu detailliert Drenckhan, ZInsO 2003, 405, 407.
d) Formale Anforderungen an die Forderungsanmeldung 784 Die Anmeldung kann erst nach Eröffnung des Verfahrens erfolgen, nicht bereits nach Antragstellung. Anders als unter Geltung der Konkursordnung ist nach der Insolvenzordnung die Anmeldung beim Insolvenzverwalter vorzunehmen. Gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO sind die Forderungen dem Grund und der Höhe nach detailliert darzulegen, wobei Belege beizufügen
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IV. Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
sind. Unterbleibt dies, ist die Anmeldung zwar nicht unwirksam; sie kann – und wird in der Regel – aber vom Verwalter zulässigerweise bestritten werden. OLG Hamburg KTS 1975, 43, 44.
Der Unternehmer als Insolvenzgläubiger muss die Forderung also ausrei- 785 chend individualisieren, indem er den Sachverhalt so darstellt, dass er für den Verwalter und die anderen Insolvenzgläubiger überprüfbar ist. Der Lebenssachverhalt ist schlüssig darzulegen. Die Forderung muss der Gläubiger eindeutig konkretisieren, damit sich die Reichweite der Rechtskraft bestimmen lässt. Die Anforderungen entsprechen daher im Wesentlichen denen, die an eine Klageschrift im Zivilprozess zu stellen sind. BGH ZIP 2009, 483 Rn. 10 = ZVI 2009, 105; vgl. auch OLG Stuttgart ZInsO 2008, 627, 628 r. Sp.; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649, 2651 r. Sp.; Cranshaw, Juris-PR-INSR 8/2009, Anm. 5.
Für eine formell unangreifbare Anmeldung von Unternehmerforderungen 786 genügt demnach nicht die bloße Vorlage der Rechnung, sondern ist auch mindestens der Vertrag komplett vorzulegen (umfängliche Aufmaßunterlagen dagegen erst, wenn sie vom Verwalter erbeten werden). Eine Verweisung auf Anlagen zur Darlegung von Forderungen kommt im 787 Einzelfall in Betracht. Sie ist jedoch unzureichend, wenn aus den Anlagen der Grund der Forderung nicht hervorgeht (ungenügend ist z. B. die Vorlage einer den Rechtsgrund und die erbrachte Leistung nicht näher aufschlüsselnden Rechnung). Eine Sammelanmeldung (mehrerer Forderungen eines Berechtigten oder mehrerer Berechtigter) muss für jede einzelne Forderung eine Substantiierung enthalten. BGH ZIP 2009, 483 Rn. 11 = ZVI 2009, 105.
Umgekehrt (Besteller als Insolvenzgläubiger): Bei nicht erledigten Mängel- 788 ansprüchen genügt es nicht, wenn der Besteller lediglich ein Blatt mit einer Kostenschätzung vorlegt; vielmehr ist auch zu dem Bauvertrag, der Abnahme und den Mängelsymptomen vorzutragen. Nach geltendem Recht besteht nämlich keine Pflicht des Verwalters, sich diese Unterlagen zusammenzusuchen; er ist dazu angesichts unvollständiger oder nicht auffindbarer Akten des Schuldners oft nicht in der Lage. Im Übrigen versenden jedenfalls erfahrene und große Verwalter an die aus den Unterlagen des Schuldners ersichtlichen Insolvenzgläubiger Formblätter mit Hinweisen zur Anmeldung, die im Interesse beschleunigter Abwicklung zu beachten sind. Enthält die Anmeldung Schlüssigkeitsmängel, ist der Verwalter nicht dazu 789 verpflichtet, den Gläubiger darauf hinzuweisen. Dem Verwalter bleibt es unbenommen, die – erstmals im Prozess schlüssig dargelegte – Forderung im Feststellungsstreit sofort anzuerkennen, sodass die Kosten dieses Rechtsstreits dem Gläubiger zur Last fallen (§ 93 ZPO). OLG Stuttgart ZInsO 2008, 627, 628 r. Sp.
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B. Insolvenz des Bestellers
790 Wird die Forderung der Höhe nach unverändert belassen, jedoch der zugrundeliegende Lebenssachverhalt ausgetauscht, ist eine erneute Anmeldung erforderlich. BGH ZIP 2009, 483 Rn. 17, 25 = ZVI 2009, 105.
791 Wird die Anmeldefrist versäumt, führt dies – anders als früher nach § 14 GesO – nicht zum Rechtsverlust. Für nachträgliche Anmeldungen ist ggf. ein gesonderter Prüfungstermin anzuberaumen, wobei dessen Kosten der verspätet Anmeldende zu tragen hat (KV zum GKG Nr. 2340: 15 € je Gläubiger). Praxistipp: Es zeigt sich immer wieder, dass Insolvenzgläubiger mit einer korrekten Forderungsanmeldung überfordert sind und deshalb vermeidbarer Schriftwechsel nötig wird. Daher sind obige Vorgaben von Anfang an korrekt umzusetzen. Da anders als die Konkursordnung die Insolvenzordnung keine Vorrechte z. B. des Fiskus mehr kennt, scheint es prinzipiell denkbar, dass in den chronisch massearmen Bauinsolvenzen eine minimale Quote auf einfache Insolvenzforderungen entfällt. Großer Aufwand im Zusammenhang mit der Forderungsanmeldung (insbesondere Einholung baubetriebswirtschaftlicher oder Mängelgutachten) sollte vermieden werden, da meistens die Kosten in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Ertrag (Insolvenzquote) stehen.
792 Nur eine ordnungsgemäße Forderungsanmeldung hemmt die Verjährung der Forderung (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB). BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680 = ZVI 2013, 187, dazu EWiR 2013, 251 (Foerste)
793 Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endet die durch eine ordnungsgemäße Anmeldung vermittelte Hemmung der Verjährung „sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens“. 794 „Eingeleitete[s] Verfahren“ i. S. v. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB ist das Insolvenzverfahren. Mithin endet die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB erst, wenn das Insolvenzverfahren durch Aufhebungsbeschluss (§§ 200, 258 InsO) oder Einstellung (§ 207 InsO) beendet worden ist. BGH ZIP 2010, 264, Rn. 45 ff., dazu EWiR 2010, 181 (Grziwotz).
4. Behandlung der vom Unternehmer gestellten Bürgschaften 795 Übergibt ein Unternehmer dem Besteller eine Mängelbürgschaft zur Ablösung eines Sicherheitseinbehalts, ist diese Bürgschaftsstellung so auszulegen, dass sie unter der Bedingung steht, der Besteller werde den Sicherheitseinbehalt alsbald in voller Höhe auszahlen. Tut er dies nicht, kann der Unternehmer die Rückgabe der Bürgschaft verlangen. BGH BauR 1997, 1026.
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IV. Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Für den Fall, dass der Unternehmer die Bürgschaft zur Ablösung des Sicher- 796 heitseinbehalts vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bestellers stellt, der Besteller aber den Einbehalt nicht mehr auszahlt, jedoch die Bürgschaft behält, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Unternehmer die Bürgschaftsurkunde aussondern kann. Zwar betrifft das Aussonderungsrecht des § 47 InsO in erster Linie dingliche Rechte. Auch ein schuldrechtlicher Anspruch kann aber zur Aussonderung berechtigen, wenn der Gegenstand, auf den er sich bezieht, nicht zur Insolvenzmasse gehört. Da der Unternehmer die Bürgschaft mit der treuhänderischen Bindung übergibt, dass der Besteller von ihr nur Gebrauch machen darf, wenn er den Einbehalt auszahlt, bleibt die Bürgschaft bis zur Auszahlung des Einbehalts dem Unternehmer zugeordnet. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bestellers hat sich an der haftungsrechtlichen Zuordnung der Bürgschaft nichts geändert. Ohnehin kann der Verwalter die Bürgschaft nicht verwerten, weil dem die Einrede des nicht ausgezahlten Einbehalts (§ 768 Abs. 1 Satz 1 BGB) entgegensteht. Die Bürgschaft ist damit von vornherein für die Masse wertlos. Deshalb ist es interessengerecht, dem Unternehmer als Treugeber ein Aussonderungsrecht zuzubilligen. BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 73/10, ZIP 2011, 626 = ZfIR 2011, 481 (m. Anm. Resselt/Reichelt, S. 484), dazu EWiR 2011, 355 (Vogel).
Erfüllt der Verwalter diesen Aussonderungsanspruch des Unternehmers 797 nicht, gerät er auf eine Mahnung hin nach Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist in Verzug. Er muss dann gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus der Masse weiter aufgelaufene Avalzinsen und etwaige Anwaltskosten des Unternehmers erstatten. BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 73/10, ZIP 2011, 626 = ZfIR 2011, 481 (m. Anm. Resselt/Reichelt, S. 484).
In der zitierten Entscheidung nicht zu behandeln hatte der Bundesgerichts- 798 hof ein praktisches Abwicklungsproblem. Nach der Rechtsprechung begründet eine Verpflichtung, eine Bürgschaftsurkunde herauszugeben, lediglich eine Holschuld, und der hierzu Verpflichtete muss daher die Urkunde lediglich zur Abholung durch den Berechtigten bereithalten und ihm bei Abholung herausgeben. OLG Celle BauR 2010, 1079, 1080; LG Karlsruhe NJOZ 2008, 1164.
Um diese Umständlichkeit zu vermeiden, wird der Unternehmer zunächst 799 prüfen, ob nicht die Sicherungsabrede regelt, dass der nun durch den Verwalter repräsentierte Besteller die Urkunde zurücksenden muss. Allein das Verb „zurückzugeben“ in dem etwa vereinbarten § 17 Abs. 8 VOB/B genügt hierfür jedoch nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn der Besteller der Verwender der VOB/B ist und daher Unklarheiten zu seinen Lasten gehen. Dieses Verb ist nämlich nicht unklar i. S. v. § 305c Abs. 2 BGB, sodass aus ihm eine Über-
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B. Insolvenz des Bestellers
sendungspflicht nicht abzuleiten ist. Der Unternehmer muss daher den Verwalter auffordern, die Bürgschaftsurkunde zur Abholung bereitzulegen, und ggf. sogar einen erfolglosen Abholversuch unternehmen. 800 Zusammenfassend ist unter Berücksichtigung dieser dogmatisch schwer widerlegbaren, wenn auch wenig praxisfreundlichen Rechtsprechung zur Holschuld einem gegen den Verwalter gerichteten Klageantrag, dass dieser verpflichtet ist, die Bürgschaftsurkunde zur Abholung bereit zu halten und im Rahmen der Abholung herauszugeben (bei Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag wahlweise an den Bürgen oder an den Unternehmer, dazu BGH BauR 2009, 97,
zu entsprechen. 801 Ob die vorstehenden Überlegungen jedenfalls entsprechend für Mängel- und andere Bürgschaften (nach „Erledigung“ der durch sie gesicherten Ansprüche) gelten, die der Besteller zunächst grundsätzlich behalten durfte, etwa weil er seinerzeit den durch die Bürgschaft abgelösten Sicherheitseinbehalt ausgezahlt hatte, ist nicht zweifelsfrei, aber wohl im Ergebnis zu bejahen. Direkt auf diese Fallgruppe anwenden lassen sich die Erwägungen des Bundesgerichtshofs aus seinem Urteil vom 10.2.2011 nicht, weil z. B. nach Auszahlung des Sicherheitseinbehalts die Bürgschaft dem Vermögen des Bestellers/späteren Schuldners zugeordnet wird. BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 73/10, ZIP 2011, 626 = ZfIR 2011, 481 (m. Anm. Resselt/Reichelt, S. 484).
802 Indessen erscheinen die Überlegungen des Bundesgerichtshofs übertragbar, so nun OLG Stuttgart NZBau 2014, 772, 773 l. Sp. (ohne jede Problematisierung für eine vom Besteller beigebrachte § 648aBGB-Bürgschaft),
dass auch in diesen Fällen die Bürgschaft für die Masse wertlos ist und daher „der Zweck des Insolvenzverfahrens [es] nicht [erfordert], die Bürgschaftsurkunde in der Masse zu belassen“. BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 73/10, ZIP 2011, 626 = ZfIR 2011, 481 (m. Anm. Resselt/Reichelt, S. 484).
803 Sieht man das so, muss der Verwalter – wenn er mit der Rückgewähr der Urkunde in Verzug gerät – auf Kosten der Masse weiter laufende Avalzinsen u. Ä. erstatten. OLG Stuttgart NZBau 2014, 772, 773 r. Sp.
804 Aus der Insolvenz des Bestellers allein folgt indessen kein Anspruch des Unternehmers auf vorzeitige Rückgabe. Vielmehr muss er den Ablauf der Verjährungsfrist für die Mängelansprüche abwarten (§ 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B; für den BGB-Bauvertrag gilt vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelung nichts anderes; für Vertragserfüllungsbürgschaften vgl. etwa § 17 Abs. 8
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V. Besonderheiten für den Nachunternehmer in der Insolvenz des Generalunternehmers
Nr. 1 VOB/B). Ansonsten gilt der allgemeine Grundsatz, dass Sicherheiten zurück zu gewähren sind, sobald feststeht, dass der Sicherungsfall nicht mehr eintreten kann. BGHZ 139, 325, 328 = ZIP 1998, 1907, dazu EWiR 1999, 17 (Nielsen); OLG Köln NZBau 2000, 568; OLG Karlsruhe IBR 2005, 199. Praxistipp: Um eine schnelle Rückgabe durch den Verwalter zu erlangen, sollte der Unternehmer mit seiner Anforderung folgende Unterlagen in Kopie vorlegen: – Bürgschaft; – Abnahmeprotokoll oder sonstige Unterlagen, aus denen sich der Beginn der Verjährungsfrist ergibt (z. B. Fertigstellungsanzeige, Schlussrechnungsprüfung durch den Schuldner mit dem zur Auszahlung anerkanntem Betrag); – vertragliche Regelungen zur Verjährung, falls eine Verjährung unterhalb der üblichen fünf Jahre vereinbart worden war. Im Hinblick darauf, dass es sich um eine Holschuld handelt, muss der Unternehmer den Verwalter dazu auffordern, die Bürgschaftsurkunde zur Abholung bereit zu halten und im Rahmen der Abholung herauszugeben. Da dies absehbar nicht nur für den Unternehmer, sondern auch für den Verwalter wegen der Beanspruchung seines Personals mehr Aufwand als die einfache Rücksendung auslöst, sollte der Unternehmer hilfsweise diese anbieten und zur Erleichterung einen frankierten Rückumschlag beilegen.
V. Besonderheiten für den Nachunternehmer in der Insolvenz des Generalunternehmers als Bestellers 1. Direktzahlungen des Bauherrn an den Nachunternehmer des insolventen Unternehmers Typisch für die heutige Baupraxis sind „Kettenverträge“ (z. B. Bauherr – Ge- 805 neralunternehmer – Nachunternehmer – Nach-Nachunternehmer). Aufgrund zwingenden Insolvenzrechts kommt es nach Verfahrenseröffnung über das Vermögen des Generalunternehmers oft zu Rechtsfolgen, die aus Sicht des Nachunternehmers schwer nachvollziehbar sind. Dazu folgendes Beispiel: Der Schuldner hat als Generalunternehmer mit dem Bauherrn einen Vertrag auf Grundlage der VOB/B über die Erbringung von Kanalbauarbeiten geschlossen. Das Vertragsvolumen beläuft sich auf 700.000 € brutto. Die Leistungen werden vom Generalunternehmer vollständig an einen Nachunternehmer weitervergeben, der sie zu einem Pauschalpreis von 650.000 € brutto (also mit dem üblichen Abschlag zugunsten des Generalunternehmers) ausführen soll und dies tatsächlich auch erledigt, ohne abgesichert zu sein. Ist die Leistung ordnungsgemäß erbracht, kann der Verwalter über das Vermögen des Generalunternehmers den vollen Werklohn von 700.000 € vom Bauherrn fordern und zur Masse ziehen, während 199
B. Insolvenz des Bestellers
der Nachunternehmer, der die Leistung tatsächlich erbracht hat, lediglich eine Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden kann. 806 Einen Lösungsweg für den Nachunternehmer zeigt scheinbar § 16 Abs. 6 VOB/B oder eine dem vergleichbare Abrede, dazu OLG München IBR 2006, 397 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschl. v. 16.12.2008 – IX ZR 111/06),
auf: Nach dieser Klausel kann der Nachunternehmer an den Auftraggeber des Generalunternehmers (= Bauherrn) herantreten und diesen darum bitten, unter Einhaltung der dortigen formalen Voraussetzungen Zahlungen für Leistungen des Nachunternehmers direkt an ihn mit gegenüber dem Generalunternehmer befreiender Wirkung zu leisten. 807 Befreiende Wirkung für den Bauherrn gegenüber dem Schuldner und Verwalter kann eine unter Beachtung der in der VOB/B vorgegebenen Formalien erfolgte Direktzahlung nur haben, wenn – so die erste Voraussetzung – die (vom Bauherrn als Verwender im AGB-rechtlichen Sinn gestellte) VOB/B unverändert in den Bauvertrag zwischen Bauherrn und Generalunternehmer einbezogen worden ist. Anderenfalls verstößt § 16 Abs. 6 VOB/B gegen das gesetzliche Leitbild und ist gem. § 307 BGB unwirksam. Entschieden hat der Bundesgerichtshof dies für die ältere Fassung des VOB/B. BGH ZIP 1990, 1004 = BauR 1990, 727, dazu EWiR 1991, 197 (Siegburg).
808 Für die heutige Fassung des § 16 Abs. 6 VOB/B (seit 2002) gilt nichts anderes. C. Schmitz, BauR 2005, 169, 173 m. w. N.
809 Der Verwalter kann mithin bereits aus diesem Grund gegenüber dem Bauherrn die nochmalige Zahlung an die Insolvenzmasse verlangen, da dem Bauherrn eine wirksame vertragliche Ermächtigung zur vom Gesetz abweichenden Direktzahlung nicht zur Seite stand. Anders verhält es sich, wenn (ausnahmsweise) der Schuldner als Verwender der VOB/B im AGB-rechtlichen Sinn anzusehen ist. Der Verwender kann sich nie auf die Unwirksamkeit der von ihm gestellten Klauseln berufen, da die §§ 307 ff. BGB nur den Vertragspartner des Verwenders, nicht aber den Verwender schützen. 810 Ferner hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Möglichkeit des Bauherrn, mit für ihn befreiender Wirkung an den Nachunternehmer Zahlung zu leisten, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers endet. BGH BauR 1986, 454.
811 Im Zeitraum vor förmlicher Verfahrenseröffnung erlischt das Recht des Bauherrn, mit schuldtilgender Wirkung an Nachunternehmer des Generalunternehmers zu leisten, wenn das Insolvenzgericht gegen Letzteren ein allgemeines Veräußerungsverbot erlässt und der Bauherr das Veräußerungsverbot kennt: 200
V. Besonderheiten für den Nachunternehmer in der Insolvenz des Generalunternehmers
Die vertragliche Ermächtigung nach § 16 Abs. 6 VOB/B allein lässt die Werk- 812 lohnforderung noch nicht aus dem Vermögen des Generalunternehmers ausscheiden. Dieser bleibt Inhaber der Forderung, bis der Bauherr von der Ermächtigung, sie durch Zahlung an den Nachunternehmer des Generalunternehmers zum Erlöschen zu bringen, Gebrauch macht. Erst hierin liegt eine Verfügung über die Forderung. Da ihre Wirksamkeit auf der Ermächtigung durch den Generalunternehmer beruht, darf dieser in dem Zeitpunkt, in dem der Bauherr an den Nachunternehmer zahlt, in seiner Verfügungsbefugnis nicht beschränkt sein. Nur beides zusammen – Verfügung und Ermächtigung – kann die Änderung der Rechtslage herbeiführen. BGH ZIP 1999, 1269.
Im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wusste der Bauherr vom Ver- 813 äußerungsverbot, sodass der Bundesgerichtshof offenlassen konnte, wie bei (fahrlässiger) Nichtkenntnis des Bauherrn zum Zeitpunkt der Zahlung zu entscheiden wäre. Sofern man in dieser Fallgruppe der Zahlung des Bauherrn befreiende Wirkung im Verhältnis zur Insolvenzmasse beimessen wollte, sind die §§ 24 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 82 InsO zu prüfen. Bei Zahlung nach öffentlicher Bekanntmachung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 InsO) des Beschlusses, der das Veräußerungsverbot anordnet, muss also der Besteller beweisen, dass er vom Veräußerungsverbot nicht wusste (§§ 24 Abs. 1, 82 Satz 2 InsO). Außerdem bleibt dem Verwalter die Möglichkeit, gegen den Nachunternehmer als Zahlungsempfänger und den Bauherrn als Angewiesenen unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung vorzugehen (Rn. 860 ff.). Praxistipp: Aufgrund der vorstehend beschriebenen Risiken ist es einem Bauherrn definitiv nicht anzuraten, Direktzahlungen an den Nachunternehmer des in der Krise befindlichen Generalunternehmers zu leisten. Er läuft Gefahr, dass er doppelt zahlt: Noch einmal an den Verwalter über das Vermögen des Generalunternehmers, außerdem eben an den Nachunternehmer (gegen den zwar ein Rückerstattungsanspruch bestehen mag, der aber wegen dortiger Insolvenzrisiken wirtschaftlich fragil ist). Wenn übergeordnete wirtschaftliche Aspekte (problemlose Baustellenfortführung, Bindung eines für den weiteren Bauablauf sensiblen, kurzfristig nicht ersetzbaren Nachunternehmers) eine Zahlung des Bauherrn an den Nachunternehmer ausnahmsweise als geboten erscheinen lassen, muss der Bauherr auf eine umfassende, auch Kosten eines Prozesses mit dem Verwalter einbeziehende Freistellungsverpflichtung des Nachunternehmers drängen, wobei diese schuldrechtliche Pflicht des Nachunternehmers regelmäßig durch Bürgschaft o. Ä. in hinreichender Höhe abzusichern ist.
2. Mängelansprüche des Verwalters gegen den Nachunternehmer Zu den Grundregeln des privaten Baurechts gehört, dass der Unternehmer 814 nicht nur die von ihm zu vertretenden Mängel beseitigen muss, sondern dass ihm auch die Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben ist, wenn der Besteller berechtigt mängelbedingte Zahlungsansprüche durchsetzen will. Detailliert Weyer, BauR 2006, 1665.
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B. Insolvenz des Bestellers
815 In der Insolvenz des Generalunternehmers wird jedoch diese Grundregel zulasten des Nachunternehmers überspielt durch § 13 Abs. 6 Alt. 1 VOB/B, da regelmäßig die Beseitigung des Mangels aus insolvenzrechtlichen Gründen „unzumutbar“ ist: 816 Hat der Schuldner als Generalunternehmer fungiert, so hat der Nachunternehmer die Leistung an einem Objekt erbracht, welches im Eigentum des früheren Bauherrn bzw. eines Erwerbers steht. Zeigen sich Mängel der Leistung des Nachunternehmers, so würde jenseits der Insolvenz der Generalunternehmer diese Mängelrügen an den Nachunternehmer weitergeben mit der Aufforderung, die Mängel vor Ort am Objekt zu beseitigen. Bei ordnungsgemäßer Nacherfüllung wäre mithin sowohl im Verhältnis Generalunternehmer/Bauherr als auch im Verhältnis Nachunternehmer/Generalunternehmer der jeweilige vertragliche Mängelanspruch erfüllt. 817 In der Insolvenz des Generalunternehmers hat jedoch der Bauherr wegen auftretender Mängel nur noch einen als Insolvenzforderung einzustufenden Schadensersatzanspruch in Höhe der Nacherfüllungskosten, falls nicht der atypische Fall einer (auch) auf die Beseitigung dieser Mängel bezogenen Erfüllungswahl durch den Verwalter vorliegt und deshalb der Verwalter zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist. Dieser Schadensersatzanspruch ist nicht auf Nacherfüllung in natura gerichtet, sondern auf anteilsmäßige Befriedigung im Range einer Insolvenzforderung. Würde der Verwalter gleichwohl Nacherfüllung vor Ort durch den zur Nacherfüllung verpflichteten Nachunternehmer vornehmen lassen, wäre dies eine unzulässige bevorzugte Befriedigung eines einzelnen Insolvenzgläubigers auf Kosten der übrigen Gläubiger; hierzu folgendes Beispiel: Die zur Verteilung an die Gläubiger verfügbare Insolvenzmasse beträgt 100.000 €. Die Summe der Insolvenzforderungen beläuft sich auf 1 Mio. €, darunter die berechtigte Anmeldung eines Bauherrn wegen eines Mangels: Es geht um mangelhafte Dachdeckerarbeiten mit Beseitigungskosten von 50.000 €. Lässt der Verwalter diesen Mangel vollständig durch den verantwortlichen Nachunternehmer beseitigen, so ist die Anmeldung des Bauherrn nicht mehr zu berücksichtigen. Die Masse von 100.000 € kann mithin auf Insolvenzforderungen von 950.000 € verteilt werden, die Quote beträgt also 10,53 %. Verlangt dagegen der Verwalter insolvenzrechtlich korrekt vom Nachunternehmer die notwendigen Nacherfüllungskosten direkt zur Masse, so fließt dieser ein Betrag von 50.000 € zu. Es stehen 150.000 € zur Verteilung bereit, sodass sich bei unveränderter Gesamtsumme der berechtigten Forderungsanmeldungen eine Quote von 15 % für jeden Gläubiger ergibt, der betroffene Bauherr also 7.500 € erhält. 818 Daher muss der Verwalter über das Vermögen des Generalunternehmers dem Nachunternehmer keine Frist zur Mängelbeseitigung setzen (mit dem Effekt, dass ein dem entsprechendes Verhalten des Nachunternehmers zur Begünstigung allein des Bauherrn als eines Insolvenzgläubigers auf Kosten der
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V. Besonderheiten für den Nachunternehmer in der Insolvenz des Generalunternehmers
Gläubigergesamtheit führt), sondern kann durch Erklärung gegenüber dem Nachunternehmer die Vergütung mindern, weil die Mängelbeseitigung unzumutbar ist (§ 13 Abs. 6 Alt. 1 VOB/B, § 638 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 636 BGB). Dies gilt in allen Fällen, in denen der Verwalter im Verhältnis zum Bauherrn nicht die Erfüllung des Generalunternehmervertrags gewählt hat oder eine etwaige Erfüllungswahl unwirksam ist. BGH ZIP 2006, 1736 Rn. 7 ff. = ZfIR 2007, 113 (m. Anm. Blank, S. 115), zutr. krit. zu diesem Urteil wegen Ausführungen zur Verjährung Weyer, BauR 2007, 755, 756 f.; ebenso schon AG München ZIP 1998, 1884; a. A. OLG Düsseldorf (21. Senat), NZI 2002, 317, 318 f.
Dabei ist der Minderwert in der Regel der Geldbetrag, der aufgewendet werden 819 muss, um die Mängel zu beseitigen (siehe Rn. 442 ff.). Soweit diskutiert wird, in derartigen Fällen die Minderung nur in Höhe der 820 Aufwendungen zu gewähren, die dem Nachunternehmer selbst durch die Nacherfüllung entstanden wären, Vogel, EWiR 2005, 523, 524; Weise, NJW-Spezial 2006, 454, 455,
gibt die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs für eine solche Einschränkung keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Vielmehr gilt § 638 Abs. 3 Satz 1 BGB, auf den auch § 13 Abs. 6 VOB/B ausdrücklich verweist. Praxistipp: Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Grundsatzentscheidung nun Klarheit zu einer lange Zeit strittigen Frage geschaffen. Dennoch kann die praktische Umsetzung dieses Urteils dem Verwalter erhebliche Schwierigkeiten bereiten: Mit zunehmender Zeitdauer droht im Verhältnis zum Nachunternehmer Verjährung, doch kann der Verwalter regelmäßig die gebotenen Prüfungen vor Verjährungseintritt (sog. Gewährleistungsbegehungen) nicht vornehmen (lassen), da er dazu Grundstücke und Bauvorhaben betreten und inspizieren müsste, die im Eigentum Dritter stehen. Er wird daher auf Mängelrügen des Bauherrn angewiesen sein, die aber unter Umständen erst zu einem Zeitpunkt eingehen, zu dem Mängelansprüche gegen den Nachunternehmer schon verjährt sind. Denkbar ist sogar, dass ein Bauherr komplett auf „stur schaltet“, wenn er erkennt, dass von ihm erteilte Informationen nur zur allgemeinen Massemehrung, nicht aber zu einem unmittelbaren und ausschließlichen Vorteil für ihn selbst führen. Mangels eigener Sachkunde braucht der Verwalter qualifizierte Mitarbeiter, welche die notwendigen Mängelbewertungen vornehmen. Im Übrigen darf der Nachunternehmer weder aus dem betroffenen noch aus anderen Bauvorhaben offene (fällige) Restforderungen gegen den Schuldner haben, da er sonst aufrechnen kann: Sowohl seine offenen Forderungen als auch der Minderungsanspruch des Verwalters rühren aus vorinsolvenzlichen Leistungen her, sodass die Aufrechnung wirksam ist (§ 94 InsO). Wegen dieser Umstände und der Unwägbarkeiten der oft von Sachverständigengutachten abhängigen Prozesse gegen Nachunternehmer ist es in der Praxis verbreitet, dass Verwalter etwa bestehende Mängelansprüche ohne Haftung
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B. Insolvenz des Bestellers für die Durchsetzbarkeit an die jeweiligen Bauherren im Rahmen eines Gesamtvergleichs über die wechselseitigen Ansprüche oder isoliert gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung, deren Höhe dem tatsächlichen Aufbereitungsstand und den auf den Bauherrn verlagerten wirtschaftlichen und tatsächlichen Durchsetzungsproblemen Rechnung trägt, abtreten. Eine Abtretung ohne Gegenleistung durch die jeweiligen Bauherrn ist dagegen nicht vertretbar.
In diesem Zusammenhang könnte unter Berufung auf die neuere Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs der Nachunternehmer einwenden, der Verwalter über das Vermögen des Generalunternehmers sei nach Treu und Glauben und nach dem Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung daran gehindert, wegen der Mängel in Höhe des Minderwerts Ansprüche durchzusetzen, sofern feststeht, dass der Bauherr gegenüber dem Generalunternehmer bzw. dessen Verwalter wegen dieser Mängel keine Ansprüche mehr geltend macht bzw. – z. B. wegen Verjährung – nicht mehr geltend machen kann. Allgemein zu dieser Rechtsprechung mit Nachweisen Kniffka/Krause-Allenstein, § 634 Rn. 81.
821 Hat jedoch der Bauherr eine mängelbedingte Forderung zur Tabelle angemeldet oder hierfür eine Zahlung von einem Bürgen erlangt, der wiederum seinen Regressanspruch gegenüber dem Verwalter geltend macht – gleich, ob als Insolvenzforderung oder durch Verwertung einer Sicherheit, die aus dem schuldnerischen Vermögen gestellt wurde –, scheidet prinzipiell dieser Einwand des Nachunternehmers aus. Er kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass er ungeschmälert die vollen zur Mängelbeseitigung nötigen Kosten zahlen soll, dagegen der Bauherr ggf. nur quotale Befriedigung erhält bzw. erwarten kann. Diese Abweichung ist den insolvenzrechtlichen Besonderheiten geschuldet. 822 Aber auch ohne Anmeldung einer Forderung durch den Bauherrn zur Tabelle (oder anderweitige Geltendmachung) bestehen durchgreifende Bedenken, ob dieser aus der allgemeinen baurechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuleitende Einwand zuzulassen ist. Dagegen sprechen der Umstand, dass die enge Verknüpfung in der werkvertraglichen Leistungskette Nachunternehmer/Generalunternehmer/Bauherr in der Insolvenz des mittleren „Kettenglieds“ deutlich aufgelockert ist, und die Gefahr, dass Nachunternehmer und Bauherr durch gezielte Abstimmungen die Durchsetzung von Ansprüchen des Verwalters unterlaufen.
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts I. Einleitung Das Insolvenzanfechtungsrecht ist in den §§ 129 ff. InsO geregelt. Zweck 823 des Insolvenzanfechtungsrechts ist es, das Grundprinzip des Insolvenzrechts, die Gläubigergleichbehandlung, für den Zeitraum vor förmlicher Verfahrenseröffnung durchzusetzen. Das Insolvenzanfechtungsrecht ist nur anwendbar, wenn ein Verfahren eröffnet wird; wird ein Antrag mangels Masse abgewiesen, greifen allenfalls zugunsten einzelner Gläubiger die Vorschriften des Anfechtungsgesetzes ein. Im Kern bedeutet das Insolvenzanfechtungsrecht, dass der Verwalter Rechts- 824 handlungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sind und zu einer stets erforderlichen objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt haben, bei Vorliegen bestimmter Zeit- und/oder Umstandsmomente zugunsten der Masse rückabwickeln kann. In der Bauinsolvenz spielen vor allem die Tatbestände der §§ 130 f. InsO eine 825 wichtige Rolle, die Rechtshandlungen in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag (oder danach) erfassen. § 131 InsO ermöglicht die erfolgreiche Insolvenzanfechtung von Handlungen im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag (oder danach), wenn eine inkongruente Deckung vorliegt, die der Anfechtungsgegner nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Auch für die erfolgreiche Anfechtung inkongruenter Deckungen im zweiten oder dritten Monat vor Insolvenzantrag bedarf es nur solcher Umstände wie der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Gläubigerbenachteiligung (§ 131 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 InsO), die der Verwalter meist darlegen kann. Schwieriger ist für den Verwalter die Anfechtung kongruenter Deckungen, 826 die äußerlich weniger „verdächtig“ sind. Dieses der Handlung anhaftende objektive Minus ist nach dem Gesetz (§ 130 Abs. 1 InsO) durch subjektive Merkmale zu kompensieren wie die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder vom Eröffnungsantrag (dazu auch § 130 Abs. 2 InsO). Gegenüber der Rechtslage nach der Konkursordnung hat der Gesetzgeber 827 das Anfechtungsrecht im Interesse der Masse zugunsten des Verwalters verschärft. Dabei ist von besonderer Praxisrelevanz, dass die äußerst knappe Ausschlussfrist von einem Jahr für die Anfechtung (§ 41 KO), die von Amts wegen zu prüfen war, in § 146 Abs. 1 InsO a. F. zunächst als Verjährungsfrist von zwei Jahren ausgestaltet wurde, ehe Ende 2004 der Gesetzgeber die Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem BGB für anwendbar erklärte (§ 146 Abs. 1 InsO). Praktisch bedeutet das, dass Verwalter bis zu zehn Jahre nach Verfahrenseröffnung (§ 199 Abs. 4 BGB) Chancen haben,
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
einen Anspruch aus Insolvenzanfechtung durchzusetzen. Der Anfechtungsgegner wird regelmäßig nicht beweisen können, dass der Verwalter schon früher von den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangte oder hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). 828 Derjenige Bauvertragspartner, der sich mit einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung konfrontiert sieht, wird angesichts der Verbreitung von Bürgschaften im Baubereich zu prüfen haben, ob für die vermeintlich bereits vom Vertragspartner erfüllte Forderung eine Bürgschaft vorlag, die er vor der Insolvenzanfechtung an den Bürgen zurückgegeben hatte. Falls ja, lebt seine Forderung gegen den Schuldner wieder auf. Gleiches gilt für akzessorische Sicherheiten wie eine Bürgschaft (§ 144 Abs. 1 InsO), sodass der Anfechtungsgegner grundsätzlich noch gegen den Bürgen vorgehen kann. BGH, Beschl. v. 15.4.2010 – IX ZR 86/09, Rn. 2.
II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers 1. Zahlungen auf Abschlagsrechnungen und auf die Schlussrechnung 829 Vorfrage ist, ob der Unternehmer als Anfechtungsgegner eine Zahlung kongruent oder inkongruent erlangt hat. Für Abschlagszahlungen existiert ein Urteil des Bundesgerichtshofs mit folgenden Kernaussagen: 830 Anspruch auf Abschlagszahlungen hatte ein Unternehmer vor Inkrafttreten des § 632a BGB nur unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 VOB/B bei Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag. Demnach werden solche Forderungen nach 21 Tagen (nach Rechnungszugang beim Besteller) fällig, und ist den Abschlagsrechnungen eine prüfbare Aufstellung zum Nachweis der Leistungen beizufügen. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen und erhält der Unternehmer gleichwohl eine Zahlung des Bestellers, so handelt es sich – vorbehaltlich abweichender (vor der Krise getroffener) Vereinbarungen der Bauvertragspartner zur Fälligkeit und zu den notwendigen Nachweisen – um eine inkongruente Deckung, die der Unternehmer „nicht zu der Zeit“ (§ 131 Abs. 1 InsO) beanspruchen konnte. BGH ZIP 2002, 1408, 1409 f.
831 Konsequenterweise ist bei neueren BGB-Bauverträgen unter Geltung des § 632a BGB eine inkongruente Deckung anzunehmen, wenn eine Abschlagszahlung erfolgt, obwohl die Tatbestandsmerkmale des § 632a BGB zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs beim Unternehmer nicht erfüllt waren. 832 An der dargestellten Entscheidung des Bundesgerichtshofs befriedigen zwei wesentliche Punkte nicht: Zum einen wäre zu prüfen, wer die VOB/B als Verwender im AGB-rechtlichen Sinn gestellt hat, und ob eine Kontrolle einzelner VOB/B-Klauseln eröffnet ist. Wäre der Schuldner/Besteller der Verwender gewesen, ist in einer etwaigen AGB-Kontrolle wegen § 271 Abs. 1 BGB sehr fraglich, ob der Besteller wirksam die Fälligkeit eines auf eine längst er-
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
brachte Teilleistung des Unternehmers bezogenen Werklohnanspruchs als Abschlags 21 Tage hinausverlagern kann. Zum zweiten und entscheidend misst der Bundesgerichtshof dem Wortlaut 833 der (nunmehr) in § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B enthaltenen Fälligkeitsregelung zu große Bedeutung zu. Er übersieht, dass es auf eine prüfbare Aufstellung nicht ankommt, wenn der Besteller hierauf keinen Wert legt und nicht innerhalb bestimmter Frist die substantiierte Rüge fehlender Prüfbarkeit erhebt (Rn. 407 ff.). Dies gilt auch im Hinblick auf Abschlagsrechnungen. BGH IBR 2005, 689.
Demnach kann ein Besteller durch schnelle Zahlung auf eine Abschlagsrech- 834 nung kundtun, dass er auf diese formalen Erfordernisse keinen Wert legt. Entsprechendes gilt für scheinbar vorschnelle Zahlungen auf zu VOB/B- 835 Verträgen gestellte Schlussrechnungen, da § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B (ebenso § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B) der etwa zulasten des Bestellers gebotenen AGBInhaltskontrolle nicht standhält und da der Besteller ohne Vorlage einer prüfbaren Rechnung zahlen kann und darf. Der BGH hat sich nunmehr von seinen früheren Ausführungen gelöst. In einer 836 neueren Entscheidung stellt er zutreffend fest, dass der Schuldner (= Besteller) die Schlussrechnung anerkannte, obwohl die (damals noch gültige) ZweiMonats-Frist für die Fälligkeit einer Schlussrechnung noch nicht abgelaufen war, und damit die Schlussrechnung fällig war. BGH, Beschl. v. 15.4.2010 – IX ZR 35/08, Rn. 2.
In der Praxis werden Verwalter daher bei VOB/B-Verträgen zu prüfen haben, 837 ob zum Zeitpunkt der Zahlung überhaupt eine (üblicherweise gestellte) Rechnung oder wenigstens eine „prüfbare Aufstellung“ gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/B vorlag, da dies Fälligkeitsvoraussetzung ist. Dagegen kommt es für den BGB-Bauvertrag auf die Voraussetzungen des § 632a BGB (Abschlagszahlungen) oder für die Schlusszahlung auf die Abnahme (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB) an. Im Regelfall wird dann nur eine Anfechtung gem. § 130 Abs. 1 InsO in Be- 838 tracht kommen. Eine wiederholte Vorsprache des – kurz darauf eine Zahlung erhaltenden – Unternehmers beim Besteller unmittelbar vor dessen Insolvenzantrag, wobei der Unternehmer vom Bauherrn begleitet wird, lässt es als nicht fernliegend erscheinen, dass der Unternehmer von der Krise des Bestellers Kenntnis erlangt und sich durch in Aussicht gestellte erhebliche Abschlagszahlungen auf bereits erbrachte Bauleistungen zur Weiterarbeit bewegen lässt. Insoweit uneingeschränkt zutr. BGH ZIP 2002, 1408, 1411 r. Sp.
Ebenso hat eine auf § 130 Abs. 1 InsO gestützte Anfechtung Erfolg, wenn 839 der später insolvente Besteller zunächst erklärt, eine Forderung aufgrund an-
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
gespannter Liquidität vorläufig nicht bezahlen zu können, und sodann – auch unter dem Eindruck einer nachhaltigen Mahnung des Unternehmers – innerhalb der letzten drei Monate vor seinem Insolvenzantrag doch noch Teilzahlungen an den Unternehmer leistet. OLG Brandenburg IBR 2010, 391.
840 Der Bundesgerichtshof hat die gegen dieses Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und dabei darauf hingewiesen, dass Verkehrsanschauungen der angesprochenen Verkehrskreise am gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit nichts zu ändern vermögen. Dieses kann nicht in jeder Branche anders beurteilt werden. BGH, Beschl. v. 15.4.2010 – IX ZR 35/08, Rn. 7.
841 Einer Nebenbemerkung in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt sich entnehmen, dass unter Umständen der Unternehmer sich auf ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft (§ 142 InsO) berufen kann: Zahlungen, mit denen der Unternehmer nach Baufortschritt entlohnt wird, können Bargeschäfte sein, wenn der Abstand zwischen den einzelnen Raten nicht zu groß wird. BGH ZIP 2006, 1261 Rn. 34 = ZVI 2006, 456, dazu EWiR 2007, 117 (Pape).
842 Zu ergänzen ist allerdings, dass der Abstand zwischen der jeweiligen Leistungserbringung auf der Baustelle, die von der jeweiligen Rate (= Abschlag) erfasst wird, und der hierauf bezogenen Abschlagszahlung des Bestellers nicht zu groß werden darf. Naheliegend ist es, in Anlehnung an MünchKomm-Kirchhof, InsO, § 142 Rn. 19b
auf einen Arbeitszeitraum von maximal 30 Tagen abzustellen, wobei der Unternehmer sicherstellen muss, dass der Besteller eine spätestens zu diesem Zeitpunkt gestellte Rechnung auch zügig bezahlt. 843 Anderenfalls gilt nämlich, was der Bundesgerichtshof auch anspricht, die Selbstverständlichkeit, dass der Unternehmer sich nicht darauf berufen kann, der Bauvertrag sei ein Bargeschäft gewesen, wenn er für den Besteller ein Gebäude errichtet und sich darauf einlässt, dass der Werklohn insgesamt erst nach Abschluss der Bauarbeiten zu entrichten ist. BGH ZIP 2006, 1261 Rn. 33 = ZVI 2006, 456.
844 Keine Anfechtung wegen Inkongruenz ist eröffnet, wenn der Besteller vor Fälligkeit unter Ausnutzung einer befristet eingeräumten Möglichkeit zum Skontoabzug zahlt. BGH ZIP 2010, 1188 = ZVI 2010, 307.
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
2. Abtretungen und Direktzahlungen des Bauherrn an den Nachunternehmer des Schuldners/Generalunternehmers a) Abtretungen Die Rechtsprechung befasst sich ständig mit für die Bauinsolvenz typischen 845 Sachverhalten, in denen Gläubiger (Nachunternehmer, Lieferanten) des Schuldners in der Endphase vor förmlicher Antragstellung zwar nicht Zahlungen auf ihre Forderung, aber wenigstens die Abtretung von Forderungen des Schuldners gegen Dritte (aus anderen oder demselben Bauvorhaben) erreichen. BGH ZIP 1998, 2008, dazu EWiR 1998, 1131 (Gerhardt); OLG Brandenburg ZIP 1998, 1367, dazu EWiR 1998, 839 (App).
Derartige (nachträgliche, aufgrund des Vertrags nicht geschuldete) Abtretungen 846 stellen eine inkongruente Deckung dar, da dem Gläubiger eine Leistung oder Sicherung gewährt wird, die er „nicht in der Art“ (§ 131 Abs. 1 InsO) verlangen konnte. Der Gläubiger hat gegen den Schuldner Anspruch auf Zahlung, nicht aber auf Abtretung von Forderungen gegen Dritte erfüllungshalber. Erfolgte die Abtretung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des 847 Insolvenzverfahrens oder sogar nach diesem Antrag, führt allein die Inkongruenz dazu, dass die Anfechtung Erfolg hat. Weiterer objektiver oder subjektiver Merkmale bedarf es nicht (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Beispiel: Der Schuldner stellt am 1.6. Insolvenzantrag. Am 5.5. hat der Schuldner einem Gläubiger Forderungen gegen einen Bauherrn in Höhe von 50.000 € abgetreten. Nach Offenlegung der Abtretung hat der Bauherr an den Gläubiger am 29.5. diesen Betrag ungeschmälert bezahlt. Auf Insolvenzanfechtung hin muss der Gläubiger das Erlangte (50.000 €) als inkongruente Deckung zurückerstatten. Aufgrund der zeitlichen Abläufe bedarf es keiner Feststellungen zu subjektiven Merkmalen. Wurde dagegen die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor 848 dem Insolvenzantrag vorgenommen, ist weitere objektive Voraussetzung für den Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO, dass der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war. Dabei ist unerheblich, ob diese Zahlungsunfähigkeit dem späteren Anfechtungsgegner bekannt war oder nicht. Variation des obigen Beispiels: Grundsätzlich gleiche Daten, jedoch Abtretung am 5.3. und Zahlung des Bauherrn am 25.3. Die Insolvenzanfechtung hat Erfolg, wenn der Schuldner zur Zeit der Abtretung zahlungsunfähig war. Als dritte Alternative verbleibt § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO: Ist die Handlung 849 innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden, hat die Insolvenzanfechtung Erfolg, wenn dem Gläubi-
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
ger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte. Dabei steht der Kenntnis der Benachteiligung die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen (§ 131 Abs. 2 Satz 1 InsO). 850 Ist eine inkongruente Deckung gewährt worden, fällt es meist dem Verwalter nicht schwer, dieses (geringfügige) subjektive Merkmal nachzuweisen: Die Rechtsprechung sieht in der Gewährung einer inkongruenten Deckung in aller Regel ein starkes Beweisanzeichen dafür, dass der Schuldner in Benachteiligungsabsicht handelt und der Anfechtungsgegner dies erkennt. Dies begründet die höchstrichterliche Rechtsprechung lebensnah wie folgt: Schuldner sind im Geschäftsverkehr regelmäßig nicht bereit, etwas anderes oder mehr zu gewähren als das, wozu sie vertraglich verpflichtet sind. Tun sie es dennoch, müssen dafür im Allgemeinen besondere Gründe vorliegen. BGH ZIP 1993, 1653, 1655 l. Sp., dazu EWiR 1994, 373 (Henckel); BGH ZIP 1998, 2008, 2011 l. Sp.
851 Diese Betrachtung ist um den wesentlichen Hinweis zu ergänzen, dass Gläubiger regelmäßig nicht bereit sind, an Stelle einer Zahlung lediglich die Abtretung von Forderungen gegen Dritte mit zusätzlichem Beitreibungsaufwand entgegenzunehmen. Tun sie es doch, liegt das daran, dass die Gläubiger nur zu genau „spüren“ oder wissen, dass sie die eigentlich geschuldete Leistung nicht mehr erhalten können, und sich daher mit einem Notbehelf begnügen. 852 Rechtsfolge einer erfolgreichen Anfechtung der Abtretung ist gem. § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO, dass der Anfechtungsgegner vom Dritten eingezogene Beträge an die Masse zahlen, ansonsten aber die anfechtbar erlangte Forderung zurückabtreten muss (bei gleichzeitiger Herausgabe der Abtretungsurkunde). OLG Brandenburg ZIP 1998, 1367, 1368 r. Sp./1369 l. Sp.; BGH ZIP 2006, 2176 Rn. 10, 14 ff. = ZVI 2006, 582, dazu EWiR 2007, 149 (Homann).
853 § 131 InsO ist dagegen nicht anwendbar, wenn die Abtretung von Anfang an im Bauvertrag zwischen dem Schuldner und dem Unternehmer vereinbart und mithin Voraussetzung dafür war, dass der Unternehmer überhaupt die Arbeiten aufnahm. Inkongruenz besteht dann nicht. BGH ZIP 2001, 1250, 1251 r. Sp.; dazu EWiR 2002, 75 (Homann).
854 Ebenso dürfte die Fallgruppe zu beurteilen sein, in der aufgrund dreiseitiger Abreden von Anfang an der Bauherr Direktzahlungen auf Rechnungen des Unternehmers mit befreiender Wirkung gegenüber dem Besteller leistet und der Besteller dies akzeptiert.
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers Praxistipp: Trifft der Unternehmer mit dem Besteller im Bauvertrag derartige, ungeachtet der Kreativität aller Baubeteiligten weiterhin als ungewöhnlich zu betrachtende Abreden zu seiner Absicherung, muss er sie zeitnah umsetzen. So erlangte in dem von BGH ZIP 2001, 1250, entschiedenen Fall der Unternehmer eine dauerhafte insolvenzfeste Absicherung nur, weil er die Abtretung nicht nur als schuldrechtliche Pflicht des Bestellers vereinbarte, sondern der Besteller und der Unternehmer tatsächlich zeitnah das separate dingliche Rechtgeschäft, die Abtretung, vollzogen. Anderenfalls hat der Unternehmer keine insolvenzfeste Sicherheit, sondern lediglich einen auf Vornahme der Abtretung durch den Besteller gerichteten schuldrechtlichen, daher in der Insolvenz des Bestellers wertlosen Anspruch. Erfolgt die dingliche Abtretung nicht zusammen mit dem Abschluss des Bauvertrags oder unmittelbar danach, sondern später, kann der Abtretungsvertrag unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO als kongruente Deckung anfechtbar sein.
Genauso scheitert die Insolvenzanfechtung gegenüber einem Lieferanten, 855 dem der Unternehmer aufgrund eines wirksamen verlängerten Eigentumsvorbehalts Forderungen bereits mit Vertragsschluss und später in der kritischen Zeit nochmals mit separater Vereinbarung abgetreten hat. Die zweite Abtretung ging ins Leere; im Übrigen fehlt es an der objektiven Gläubigerbenachteiligung als Grundvoraussetzung jeder Insolvenzanfechtung, wenn der Schuldner über einen Gegenstand verfügt, dessen er sich bereits vorher wirksam (zugunsten des späteren Anfechtungsgegners) entäußert hat. BGH ZIP 2000, 932, 933.
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt dagegen vor, wenn der Besteller/spätere 856 Schuldner vor der Abtretung einer gegen einen Bauherrn bestehenden Forderung an einen Nachunternehmer (den späteren Anfechtungsgegner) diese Forderung aufgrund einer Globalzession schon seiner Hausbank abgetreten hatte. Diese Globalzession berechtigt die Bank in der Insolvenz zur abgesonderten Befriedigung. Das Recht zur Einziehung oder anderweitigen Verwertung steht jedoch ausschließlich dem Verwalter zu, solange er die Forderung nicht dem Sicherungsgläubiger, also der Bank, zur Verwertung überlässt. Dieses der Insolvenzmasse zustehende Recht verkörpert einen selbstständigen, im Kern geschützten Vermögenswert. Dieser Vermögenswert entging der Insolvenzmasse, weil der Bauherr durch die Zahlung an den Nachunternehmer von seiner Leistungspflicht frei wurde. BGH ZInsO 2011, 1979 Rn. 7 ff., dazu EWiR 2012, 291 (Habereder),
Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden soeben erläuterten Sach- 857 verhalten liegt also darin, dass im ersten Fall die zweite, ins Leere gehende Abtretung an denjenigen erfolgte, der ohnehin schon – unanfechtbar – durch die erste Abtretung Forderungsinhaber geworden war, während im zweiten Fall die zweite, wiederum ins Leere gehende Abtretung erstmals eine Forderungsinhaberschaft des späteren Anfechtungsgegners begründen sollte.
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
858 Erfolgte die Abtretung vor dem für § 131 InsO maßgeblichen Drei-MonatsZeitraum, bleibt dem Verwalter die bis maximal zehn Jahre vor den Insolvenzantrag zurückgreifende Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO. Die dortigen strengeren subjektiven Voraussetzungen (Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen; Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon), generell zu § 133 Abs. 1 InsO aus neuerer Zeit insb. BGH ZIP 2009, 1966 = ZVI 2009, 450 (m. Bespr. Berner, ZVI 2010, 215), dazu EWiR 2010, 25 (Heublein),
sind zu bejahen, wenn der Schuldner als Generalunternehmer seine Forderungen gegen den Bauherrn in inkongruenter Weise an einen Nachunternehmer teilweise abtritt und dieser weiß, dass der Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten steckt. OLG Naumburg IBR 2002, 611.
b) Direktzahlungen des Bauherrn 859 Leistet der Bauherr Direktzahlungen ohne (wirksame) Ermächtigung, so im Fall des OLG München IBR 2006, 397 (dazu auch BGH, Beschl. v. 16.12.2008 – IX ZR 111/06),
oder im Zeitraum nach Erlass eines allgemeinen Veräußerungsverbots (von dem er Kenntnis hat) oder nach Verfahrenseröffnung, so hat die Zahlung im Verhältnis zum Schuldner/Generalunternehmer keine befreiende Wirkung, sodass der Bauherr weiterhin zur ungeschmälerten Zahlung an die Insolvenzmasse verpflichtet bleibt. Auf das Insolvenzanfechtungsrecht kommt es nicht an (siehe Rn. 806 ff.). 860 Zahlt der Bauherr im Zeitraum vor Erlass eines allgemeinen Veräußerungsverbots bzw. förmlicher Verfahrenseröffnung an einen Gläubiger des Unternehmers – z. B. einen Nachunternehmer –, so erhält dieser Zahlungsempfänger eine inkongruente Befriedigung. Eine solche Zahlung verschafft nämlich dem Gläubiger eine Befriedigung, auf die er deshalb keinen Anspruch hatte, weil § 16 Abs. 6 VOB/B dem Bauherrn zwar eine Zahlungsbefugnis, nicht aber dem Gläubiger einen Zahlungsanspruch gegen den Bauherrn verschafft. Auch die nachlassende Zahlungsmoral im Baugewerbe führt nicht dazu, dass eine solche Direktzahlung dem Verkehrsüblichen entspricht. Besonders verdächtig sind solche Direktzahlungen, weil sie an einen Zahlungsverzug des (General-)Unternehmers und damit typischerweise an dessen Liquiditätsschwierigkeiten anknüpfen. BGH ZIP 2008, 2324 Rn. 13, dazu EWiR 2009, 151 (M. Huber); OLG Dresden ZIP 1999, 2161, 2165 f.; dazu EWiR 2000, 253 (C. Schmitz); bestätigt von BGH BauR 2002, 1408 (Nichtannahme der Revision); Dähne, BauR 1976, 29, 33; a. A. Brauns, BauR 2003, 301, 311 ff.
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
Soweit die weiteren objektiven und subjektiven Merkmale des § 131 InsO 861 vorliegen, ist diese inkongruente Deckung anfechtbar, und muss der begünstigte Gläubiger als Anfechtungsgegner den erlangten Betrag an die Insolvenzmasse zurückerstatten. Generell – ohne dass es auf eine „Einbettung“ in § 16 Abs. 6 VOB/B an- 862 kommt – sind Direktzahlungen eine inkongruente Deckung, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung feststellt. Beispielsweise BGH ZIP 2011, 438 Rn. 17 (zum Mietrecht) = ZfIR 2011, 265 (LS), dazu EWiR 2011, 287 (Koza); BGH ZInsO 2011, 1979 Rn. 11; BGH ZIP 2015, 42 Rn. 17, 24.
Dagegen hatte eine Insolvenzanfechtungsklage gegen den Besteller, der die 863 Direktzahlung vornimmt, nach früherer Rechtsprechung keine Erfolgsaussicht, da er aufgrund der in § 16 Abs. 6 VOB/B liegenden Ermächtigung und mangels eines Veräußerungsverbots mit befreiender Wirkung zahlen konnte. OLG Dresden ZIP 1999, 2161, 2162 f.; dazu EWiR 2000, 253 (C. Schmitz); a. A. M. Huber, NZBau 2005, 256, 265.
In einer neueren Entscheidung (zu Direktzahlungen eines Dienstberechtigten 864 von Bewachungsdienstleistungen an einen Nachunternehmer des Dienstverpflichteten/Schuldners) hat der Bundesgerichtshof überraschenderweise eine andere Betrachtung vorgenommen. Demnach kann auch der Dienstberechtigte, der mit Ermächtigung des Dienstverpflichteten an dessen Nachunternehmer zahlt, als Angewiesener Anfechtungsgegner gem. § 133 Abs. 1 InsO sein. Die erforderliche Rechtshandlung des Schuldners/Dienstverpflichteten liegt (nach der durchaus als gewagt zu bezeichnenden Konstruktion des Bundesgerichtshofs) in der mit der Bevollmächtigung des Nachunternehmers zur Entgegennahme der ihm gebührenden Zahlung einhergehenden Verrechnungsabrede. Diese führt zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Insolvenzgläubiger. BGH ZIP 2008, 190 15 ff., 28 = ZVI 2008, 264, dazu EWiR 2008, 539 (Göb).
Der Verwalter kann mithin in derartigen Fallkonstellationen gegen den Bau- 865 herrn und den Gläubiger – in der Regel den Nachunternehmer – als Gesamtschuldner vorgehen, da die Ansprüche gegen den Angewiesenen (Bauherrn) und gegen den Zuwendungsempfänger (Nachunternehmer) gleichstufig nebeneinander stehen. BGH ZIP 2008, 190 Rn. 25 f. = ZVI 2008, 264 = ZIP 2008, 190; dazu auch M. Huber, NZBau 2007, 737, 738 ff.
Nunmehr liegt hierzu die erste obergerichtliche Entscheidung zum Baurecht 866 vor, in der eine Insolvenzanfechtung auf Grundlage von § 133 Abs. 1 InsO gegen einen Bauherrn Erfolg hatte. Dieser zahlte direkt an Nachunternehmer 213
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
des später insolventen Generalunternehmers/Schuldners, nachdem Letzterer vorab in diese Direktzahlungen eingewilligt hatte. Die Rechtshandlung des späteren Schuldners lag folglich in dieser Zustimmung zur Direktzahlung. OLG Braunschweig IBR 2012, 713.
867 Der Bundesgerichtshof hat mit seinem eine kurze Begründung enthaltenden Beschluss die Nichtzulassungsbeschwerde des Bauherrn zurückgewiesen. Dieser Beschluss weist den Einwand des Bauherrn zurück, die Ausführung des Werkvertrags sei erst infolge der von ihm geleisteten Direktzahlung möglich geworden. Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass ein hypothetischer Kausalverlauf im Rahmen des Anfechtungsrechts nicht zu berücksichtigen ist. Auf die Frage, was geschehen wäre, wenn der Bauherr die anfechtbare Zahlung nicht vorgenommen hätte, kommt es deshalb aus Rechtsgründen nicht an. BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZR 200/11, Rn. 3.
868 Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass eine Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO gegen den Bauherrn selbst (und nicht nur gegen den Empfänger der Direktzahlung) nur erfolgreich sein kann, wenn eine „Rechtshandlung“ des Schuldners vorliegt, und dass bei einem Vorgehen nach § 16 Abs. 6 VOB/B der Bauherr gar keiner Mitwirkung des (General-)Unternehmers/späteren Schuldners bedarf. Gartz, BauR 2012, 571, 574 ff. Praxistipp: Ob die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO hinsichtlich des Bauherrn erfüllt sind bzw. welcher der beiden potentiellen Anspruchsgegner eventuell der allein richtige ist, lässt sich für den Verwalter ex ante oft nicht verlässlich beurteilen, da in vielen Fällen es u. a. von der höchstrichterlich noch nicht geklärten, von mir verneinten (Rn. 808) Frage abhängt, ob § 16 Abs. 6 VOB/B der isolierten Inhaltskontrolle standhält, und davon, ob die subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 133 Abs. 1 InsO zur Überzeugung des Gerichts dargelegt und bewiesen werden könne. Um den Eintritt der Verjährung zu verhindern, muss der Verwalter daher in diesen Fällen beide potentiellen Anfechtungsgegner verklagen.
c) Keine Ergebniskorrektur durch § 648a BGB 869 Verschiedene Entscheidungen befassen sich unter Geltung des § 648a BGB a. F. (der vor dem 1.1.2009 geltenden Fassung) mit der Frage, ob eine Abtretung/ Direktzahlung deshalb keine inkongruente Deckung ist, weil der Unternehmer sich auf das zwingende Recht des § 648a (a. F.) BGB berufen kann. Nachweise und Bewertung in der 4. Auflage, Rn. 708 ff.
870 § 648a BGB (n. F., gültig für ab 1.1.2009 geschlossene Bauverträge) gibt dem Unternehmer anders als das alte Recht nun einen einklagbaren Anspruch auf Stellung einer Sicherheit.
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers BGH BauR 2010, 1219 Rn. 19; BGH, Urt. v. 6.3.2014 – VII ZR 349/12, ZfIR 2014, 372 (m. Anm. Meyer, S. 376).
Unverändert Bestand hat aber die zutreffende, ohne Weiteres den §§ 648a 871 Abs. 2 (auch n. F.), 232 ff. BGB entnehmbare Aussage des VII. Senats des Bundesgerichtshofs, dass eine Abtretung keine von diesen Normen vorgesehene Sicherheit ist, der Unternehmer sie daher nicht akzeptieren muss. Dies gilt genauso, wenn die vom Besteller abgetretene Forderung selbst durch eine Bürgschaft abgesichert ist. BGH BauR 2005, 1926.
Für eine Direktzahlung des Bauherrn, ohne dass vorab eine Abtretung er- 872 folgte, ist die Rechtslage genauso zu beurteilen. Auch die in insolvenzanfechtungsrechtlichen Zusammenhängen zu § 648a 873 BGB a. F. ergangene, unverändert gültige Rechtsprechung erkennt, dass eine Abtretung keine in §§ 648a Abs. 2, 232 ff. BGB enthaltene Sicherheit ist. BGH ZIP 2005, 769, 771 r. Sp. = ZVI 2005, 261 = ZfIR 2005, 370 (LS), dazu EWiR 2005, 763 (Beutler/Vogel); BGH ZIP 2007, 1162 Rn. 8 (zur Direktzahlung) = ZfIR 2008, 78 (LS), dazu EWiR 2007, 471 (Huber); LG Dresden ZIP 2001, 1428, 1429, dazu EWiR 2002, 1099 (Undritz).
Eine auch auf unter Geltung von § 648a BGB n. F. abgeschlossene Verträge 874 übertragbare Folgeentscheidung aus dem Jahr 2007 betrifft den Zeitraum der besonderen Insolvenzanfechtung von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag. Der Bundesgerichtshof bewertete eine Direktzahlung des Bauherrn an den Nachunternehmer des später insolventen Generalunternehmers als inkongruente Deckung. Die (vorzeitige) Erfüllung des Werklohnanspruchs durch Dritte ist in § 648a Abs. 1 BGB nicht vorgesehen und schon deshalb grundsätzlich inkongruent. BGH ZIP 2007, 1162 Rn. 8 = ZfIR 2008, 78 (LS).
Daraus folgt, dass der Unternehmer auch nach dem neuen Recht des § 648a 875 BGB keinen Anspruch gegen den Besteller auf eine Abtretung von dessen Forderung gegen den Bauherrn (oder auf eine Herbeiführung einer vom Bauherrn zu leistenden Direktzahlung) hat. Als Fazit ist also festzuhalten: Selbst wenn der Unternehmer zunächst gem. 876 § 648a BGB vom Besteller Sicherheit verlangt haben sollte und sodann – anstelle der nach §§ 648a Abs. 2, 232 ff. BGB vorgesehenen Sicherheiten – eine Abtretung oder eine Direktzahlung erlangt, handelt es sich um eine (im Sinne des Insolvenzanfechtungsrechts) inkongruente Deckung.
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
d) Ergebniskorrektur durch baurechtliche Nebengesetze, die eine Bürgenhaftung des Generalunternehmers begründen? 877 § 14 AEntG (= § 1a AEntG a. F.) sieht eine Haftung eines Generalunternehmers wie eines selbstschuldnerischen Bürgen gegenüber betroffenen Arbeitnehmern oder der Sozialkasse vor, wenn der Nachunternehmer des Generalunternehmers oder ein weiterer Nachunternehmer in der Nachunternehmerkette nicht das Mindestentgelt an seine Arbeitnehmer oder nicht die Urlaubsbeiträge an die Sozialkasse bezahlt. Ähnliche Regelungen enthalten § 28e Abs. 3a – e SGB IV und § 150 Abs. 3 SGB VII. Demnach haften Generalunternehmer für die in diesen Gesetzen genannten Forderungen wie selbstschuldnerische Bürgen gegenüber dem jeweils begünstigten „gesetzlichen Bürgschaftsgläubiger“. 878 Ficht ein Verwalter über das Vermögen eines Nachunternehmers eine (vom Generalunternehmer geleistete) Direktzahlung gegenüber dem gesetzlichen Bürgschaftsgläubiger/Empfänger an, kommt folgendes Argument des Anfechtungsgegners in Betracht: Der Generalunternehmer habe auf eine eigene, zum Zeitpunkt der Zahlung fällige Bürgenschuld geleistet, und es fehle mithin an einer Rechtshandlung des Schuldners bzw. an einer Inkongruenz. 879 Das OLG Hamm hat dieses Argument gebilligt und betont, dass die Forderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft gleichzeitig mit der abgesicherten Hauptschuld fällig wird, ohne dass es einer Zahlungsaufforderung o. Ä. des Bürgschaftsgläubigers bedarf. OLG Hamm, Urt. v. 29.8.2013 – 27 U 39/13 (der die Nichtzulassungsbeschwerde des Verwalters zurückweisende Beschl. des BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 223/13, Rn. 2, enthält zu dieser Frage nichts Weiterführendes, sondern attestiert dem OLG Hamm „eine einzelfallbezogene, nicht verallgemeinerungsfähige Würdigung eines Zahlungsvorgangs“).
880 Abweichend hiervon war die Beurteilung durch das LAG Frankfurt/Main zu einer vom Nachunternehmer-Verwalter erfolgreich angefochtenen Zahlung eines Generalunternehmers an die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVKBau), die zur Tilgung von Beitragsschulden des Nachunternehmers führte. Das LAG bejahte schon deshalb die Inkongruenz, weil der beklagten ZVKBau nicht nur der von einem Bürgen ggf. geschuldete Urlaubskassenbeitrag, sondern der vom Schuldner/Nachunternehmer zu zahlende gesamte Betrag zufloss. Unabhängig hiervon hob das LAG hervor, es liege nicht eine verkehrsübliche Zahlungsweise, sondern im Verhältnis Schuldner/ZVK-Bau eine der Art nach inkongruente Deckung vor. LAG Frankfurt/Main ZIP 2012, 1621, 1622.
881 Folgt man der Auffassung des OLG Hamm, wofür es jedenfalls dann, wenn die Forderung aus gesetzlicher Bürgenhaftung gleichzeitig mit der Hauptschuld fällig wird, beachtliche Argumente gibt, stellt sich für den NachunternehmerVerwalter die Frage, wie er eine etwa vom Generalunternehmer vorgenommene 216
II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
Aufrechnung (mit dem Regressanspruch in Höhe der Zahlung an den gesetzlichen Bürgschaftsgläubiger) gegen offenen Werklohn des Nachunternehmers/ Schuldners abwehren kann. Häufig wird hier § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 131 InsO weiterhelfen, weil der Generalunternehmer gegen den Nachunternehmer keinen Anspruch darauf hatte, dass er aufgrund der Zahlung auf die eigene Bürgenschuld (= auf die Schuld des Nachunternehmers gegenüber dem gesetzlichen Bürgschaftsgläubiger) in gleicher Höhe gegen den Werklohnanspruch des Nachunternehmers aufrechnen darf. So obiter OLG Dresden IBR 2011, 272, das aber die Inkongruenz schon aus einer separaten Abrede des Generalunternehmers mit dem Nachunternehmer ableitet, durch die sich der Generalunternehmer zu mehr als der Erfüllung seiner Bürgenhaftung verpflichtete; OLG Hamm, Urt. v. 29.8.2013 – 27 U 39/13, wies die gegen den Generalunternehmer gerichtete Anfechtung des NachunternehmerVerwalters zutreffend wegen eines umfassenden Abgeltungsvergleichs zwischen Generalunternehmer und Verwalter ab.
3. Kauf von werthaltigen Gegenständen des Bestellers und anschließende Aufrechnung Die bereits mehrfach angedeutete Kreativität der Baubeteiligten (aber nicht nur 882 dieser) hat dazu geführt, dass eine Vorgehensweise immer häufiger Gegenstand gerichtlicher Beurteilung wird wie in folgendem Beispiel: Unternehmer U hat offene Forderungen aus verschiedenen Abschlags- und Schlussrechnungen gegen den Besteller B in Höhe von insgesamt 50.000 €. Am 23.7. verkauft der B einen ihm uneingeschränkt gehörenden Mobilbagger dem U gegen einen Kaufpreis von 40.000 € und übereignet den Mobilbagger an U. Der U bezahlt den Kaufpreis nicht, sondern rechnet hiergegen mit einem entsprechenden Teilbetrag aus seinen offenen Forderungen auf. Am 20.8. stellt B Insolvenzantrag. Dieser Fall entspricht spiegelbildlich den Sachverhalten, in denen der Besteller 883 vom später insolventen Schuldner weitere Leistungen entgegennimmt und gegen den daraus entspringenden Vergütungsanspruch des Unternehmers mit Gegenforderungen aufrechnet, die nur den Status einfacher Insolvenzforderungen haben. Die je nach den zeitlichen Abläufen maßgebliche Norm des Anfechtungs- 884 rechts – in den entschiedenen Fällen meist § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO (da der Unternehmer keinen mehr als drei Monate vor dem Insolvenzantrag begründeten Anspruch auf Abschluss eines solchen Kaufvertrags hat und der Kaufvertrag meist sehr kurz vor Insolvenzantrag geschlossen wird) – macht die vom Besteller erklärte Aufrechnung wirkungslos und führt dazu, dass der Unternehmer den ihm vom Besteller übereigneten Gegenstand behält, aber den vereinbarten Kaufpreis ungeschmälert an die Masse bezahlen muss. 217
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
885 Der Bundesgerichtshof lässt es in diesen Fällen – abweichend von seiner bis in die 1990er Jahre geltenden Rechtsprechung – zu, die Herstellung der Aufrechnungslage anzufechten. Die Gläubigerbenachteiligung liegt darin, dass eine wirksame Aufrechnung der Masse den Unterschied zwischen dem Nennwert der Kaufpreisschuld des Unternehmers einerseits und der auf die aufgerechnete Gegenforderung entfallenden bloßen Quote andererseits entziehen würde. Grundlegend BGH ZIP 2001, 885, dazu EWiR 2001, 863 (G. Wagner); ferner BGH ZIP 2003, 2370 = ZVI 2004, 25, dazu EWiR 2004, 241 (Beutler/Vogel); BGH ZIP 2004, 1160, dazu EWiR 2004, 977 (Eckardt); BGH ZIP 2004, 1912, dazu EWiR 2005, 27 (Gerhardt).
886 An der Unwirksamkeit der Aufrechnung ändert sich nichts dadurch, dass der Verkauf bezweckt, den Unternehmer zur Weiterarbeit für den Besteller zu bewegen, und der Unternehmer tatsächlich nach Vertragsschluss weiterarbeitet. BGH ZIP 2004, 1160, 1161 l. Sp.
887 Nur auf Rückgewähr der verkauften Sache ist dagegen der Anfechtungsanspruch gerichtet, wenn der Besteller den verkauften Gegenstand nach dem Willen der Vertragsteile bei Abschluss des Kaufvertrags nur an Erfüllungs statt auf die Werklohnforderung des Unternehmers geleistet hat. Dann ist eine Aufrechnungslage gar nicht entstanden. BGH ZIP 2004, 1160 r. Sp.
888 Dem Unternehmer wird es häufig nicht darum gehen, dass der Kaufpreis exakt dem Verkehrswert der verkauften Sache entspricht, sondern vor allem darum, dass er die Sache übereignet bekommt und dann mit notfalls erheblichen Verwertungsanstrengungen immerhin einen Erlös erzielt, der zwar unterhalb des Kaufpreises liegt, aber doch wenigstens zu einer Teilbefriedigung seiner ansonsten wirtschaftlich wertlosen Insolvenzforderung führt. 889 Nach der Rechtsprechung muss der Unternehmer als Käufer sich an einem etwa überhöhten Kaufpreis festhalten lassen und diesen an die Masse bezahlen. Anders ist es nur, wenn Besteller und Unternehmer übereinstimmend ausdrücklich einen über den – zunächst festgelegten – eigentlichen Kaufpreis hinausgehenden Mehrpreis vereinbaren, etwa um die höhere Gegenforderung des Unternehmers „glatt zu stellen“, also dem Besteller die Schuld insoweit zu erlassen. Dann fehlt in Höhe dieses Mehrpreises eine Gläubigerbenachteiligung, sodass die Anfechtung der „Aufrechnung“ insoweit scheitert. Dieser Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die Parteien lediglich mit Rücksicht auf die Aufrechnungsmöglichkeit einen Kaufpreis vereinbaren, der über den Wert des Kaufgegenstands hinausgeht. BGH ZIP 2004, 1912 1914 f. = ZVI 2004, 601.
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers Praxistipp: Für die Mehrzahl der vom Willen des potentiellen Anfechtungsgegners abhängigen Rechtshandlungen, die später der Insolvenzanfechtung unterfallen können, gilt – sofern nicht der potentielle Anfechtungsgegner mit der Rechtshandlung einen Straftatbestand verwirklicht –, dass der potentielle spätere Anfechtungsgegner sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise vornehmen kann und wird, um sich wenigstens die Chance einer wirksamen (Teil-)Realisierung seiner Forderung zu erhalten, etwa weil doch kein Verfahren beantragt/ eröffnet wird oder weil der Verwalter die Anfechtungsmöglichkeit nicht erkennt. Selbst nach einer später vom Verwalter erklärten Anfechtung bleibt der Schaden überschaubar, wenn der Anfechtungsgegner einen berechtigten Anspruch des Verwalters sofort erfüllt und keine Kosten eines Rechtsstreits entstehen lässt. Anders verhält es sich in der soeben behandelten Fallgruppe: Mit der „Anfechtung der Aufrechnung“ tauscht der Unternehmer liquides Vermögen in Höhe des Kaufpreises gegen einen unter Umständen nur mit erheblichem Aufwand absetzbaren Gegenstand und bleibt an einen überhöhten Preis für den Kaufgegenstand im Verhältnis zum Verwalter gebunden. Derartige Geschäfte sind daher außerordentlich riskant.
Auch eine lange vor Insolvenzantrag geschaffene Aufrechnungslage ist an- 890 fechtbar (§ 133 Abs. 1 InsO), wenn eine verzögerte Zahlungsweise des Bestellers mit erheblichen Rückständen seit Jahren die gesamte Geschäftsbeziehung prägt und die Übergabe eines Baggers nach dem übereinstimmenden Willen der Bauvertragsparteien erfolgt, damit der Unternehmer gegen den Kaufpreisanspruch mit alten, überfälligen Werklohnforderungen aufrechnen kann. OLG Hamm ZInsO 2006, 45.
4. Exkurs: Krisenmanagement in der offenen Krise des Bestellers Hohe Rechtsunsicherheit besteht gegenwärtig in der Beurteilung der Fall- 891 gruppe, dass der Besteller gegenüber anderen Baubeteiligten seine gravierende wirtschaftliche Krise offenlegt, aber die Fortführung des Bauvorhabens wünscht, weil er einen viel größeren Schaden und den endgültigen Zusammenbruch seines Unternehmens befürchtet, wenn er das Bauvorhaben abbricht. In dieser Lage stehen dem Besteller regelmäßig nicht mehr genügend liquide Mittel zur Verfügung, um die weitere Tätigkeit der Baubeteiligten in der üblichen Weise (Überweisung u. ä.) zu bezahlen, sodass nach anderen Lösungen gesucht wird. Beispiel: Der Generalunternehmer G – der spätere Schuldner – hat zu einem Bauvorhaben Vertragsbeziehungen mit Lieferanten und Nachunternehmern. Gegenüber dem Lieferanten L sind Zahlungsrückstände von 18.000 € aufgelaufen. G benötigt zur Fortführung des Bauvorhabens weitere, vertraglich bereits festgelegte Lieferungen von L im Wert von 9.000 €. L weigert sich, ohne Absicherung weiter zu liefern. Es kommt dann zu einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen G, L 219
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
und dem Bauherrn B als Auftraggeber des G: B bestätigt am 24.1. schriftlich die Kostenübernahme für die noch ausstehenden Materiallieferungen. Er werde die aus weiteren Lieferungen resultierenden Forderungen des L gegen G direkt an L bezahlen und vom Guthaben des G beim Bauvorhaben abziehen. L liefert die benötigte Ware und erhält am 9.3. 9.000 € von B bezahlt, die B von der dem G zustehenden Forderung in Abzug bringt. G stellte schon am 24.2. Insolvenzantrag. Nach Verfahrenseröffnung verlangt der Verwalter von L aus Insolvenzanfechtung die 9.000 € zurück. 892 Neben dieser Gestaltung sind zahlreiche andere Vorgehensweisen denkbar und in der Praxis verbreitet. Details bei C. Schmitz, BauR 2005, 169, 173.
893 Stets legt der Besteller/spätere Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit offen, möchte aber den Bauvertrag fortführen. Daher einigen sich die Beteiligten in einem Zeitraum, der innerhalb von drei Monaten vor dem späteren Insolvenzantrag des Bestellers (oft unmittelbar vor diesem) liegt, auf von der bisherigen Vertragsabwicklung abweichende Modalitäten für die Absicherung/ Bezahlung des Vertragspartners des Bestellers. Damit scheint dem Verwalter ohne Weiteres die Anfechtung gem. §§ 130 f. InsO eröffnet. 894 Zugunsten des Anfechtungsgegners ist aber § 142 InsO zu beachten. Bargeschäfte – Leistungen des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt – sind demnach nur anfechtbar, wenn der Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO erfüllt ist. 895 Es stellen sich folglich zwei grundlegende Fragen: Zum einen ist genau zu prüfen, ob der Anfechtungsgegner wirklich nur eine angemessene Gegenleistung des erkennbar zahlungsunfähigen Schuldners für weitere, trotz der Krise erbrachte Leistungen erlangt oder ob er sich bei dieser Gelegenheit Zahlungen/Sicherheiten für bereits ohne Absicherung erbrachte Leistungen gewähren lässt. Abwandlung des obigen Beispiels: L weiß, dass G kurzfristig keinen anderen Lieferanten findet, da es sich um speziell angefertigte Bauteile handelt. Er macht daher die Weiterbelieferung nicht nur von der von B hinsichtlich der weiteren 9.000 € zu gebenden Absicherung abhängig, sondern verlangt außerdem das Einverständnis des G damit, dass B unter Anrechnung auf eine zugunsten des G offene Abschlagsforderung einen Teilbetrag von 18.000 € zur Tilgung der bereits aufgelaufenen Rückstände an ihn, den L, bezahlt. 896 Für die derart erlangten 18.000 € kann L sich keinesfalls auf die Bargeschäftsprivilegierung berufen, da seine ungesicherte Vorleistung bereits seit Langem erbracht war. Jedenfalls insoweit greift die Anfechtung durch.
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
Zum anderen hat § 142 InsO in ständiger Rechtsprechung eine gravierende 897 Einschränkung erfahren. Schon zur KO hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine damals nicht im Gesetz geregelte „Bardeckung“ ausscheidet, wenn der Schuldner zwar eine gleichwertige, aber andersartige Leistung erbringt als vereinbart. BGH ZIP 1993, 1653 = NJW 1993, 3267, 3267 f., 3269.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellt der Erwerb desjenigen Gläu- 898 bigers, der etwas anderes erhält als vereinbart, anfechtungsrechtlich auch dann eine einseitige Begünstigung dar, wenn der Gläubiger seinerseits eine Gegenleistung von gleichem Wert erbringt. BGH ZIP 1993, 1653 = NJW 1993, 3267, 3269.
Dieses Urteil aus 1993 erging zu einem Sachverhalt, der insoweit „anrüchig“ 899 war, als ein mit dem Schuldner über 40 % der Geschäftsanteile verbundenes, über eine seinem Gesellschafter erteilte Handlungsvollmacht zur Einflussnahme auf den Schuldner mächtiges Unternehmen beim Schuldner eingegangene Kundenschecks zur Einlösung erhielt. Die Aussagen des Bundesgerichtshofs in diesem Urteil beschränken sich aber nicht auf diese spezielle Fallgruppe, sondern sind genereller Art. An dieser Rechtsprechung hält der Bundesgerichtshof zu § 142 InsO fest, 900 obwohl der Wortlaut dieser Norm für eine solche Einschränkung nichts hergibt. BGH ZIP 2006, 1261 Rn. 28 m. w. N. = ZVI 2006, 456; BGH ZIP 2007, 924 Rn. 22 = ZVI 2007, 318, dazu EWiR 2007, 529 (Henkel).
Ob ein Bargeschäft vorliegt, prüft der Bundesgerichtshof für den Zeitpunkt, 901 in dem die zeitlich erste Leistung eines Vertragsteils erbracht wird. Bis dahin können die Bauvertragsparteien den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern, ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden. BGH ZIP 1993, 1653 = NJW 1993, 3267, 3269; BGH ZIP 2007, 1162 Rn. 14 = ZfIR 2008, 78 (LS), dazu EWiR 2007, 471 (M. Huber); BGH ZIP 2014, 1595 Rn. 20 ff. = ZfIR 2014, 665 (LS), dazu EWiR 2014, 653 (Sorg).
Im 2007 vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall waren nach dem Vortrag 902 des beklagten Anfechtungsgegners diese Voraussetzungen erfüllt, weil zum Zeitpunkt der Vertragsänderung die Schuldnerin noch keinerlei Zahlungen geleistet und der beklagte Unternehmer Trennwände zwar bereits gefertigt, aber noch nicht ausgeliefert und eingebaut hatte. Nicht anders verhielt es sich im 2014 entschiedenen Fall. Legt man dies zugrunde, müsste im oben gebildeten Beispielsfall die An- 903 fechtung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO Erfolg haben. Nach dem zwischen L und G bestehenden Kaufvertrag hat L mangels anderer – praxisferner – Fest221
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
legungen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises durch G aus dessen Vermögen (Überweisung, Schecks des G, ggf. auch Barzahlung; § 433 Abs. 2 BGB), nicht aber auf Zahlung durch B, der wiederum in gleicher Höhe Abzüge von der dem G zustehenden Forderung vornimmt. 904 L kann sich nicht darauf berufen, dass aufgrund der Vertragsänderung ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft vorliege. L und G änderten – unter Mitwirkung des B – den Vertrag erst zu einem Zeitpunkt ab, zu dem L schon Teilleistungen aus dem Vertrag erbracht hatte. 905 Für die wenigstens mittelbare Gläubigerbenachteiligung reicht es, dass der von B zu zahlende Betrag teilweise nicht ins Vermögen des G gelangte und damit die Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger vereitelt wurde. Nicht kommt es darauf an, ob G über diesen Betrag anderweitig verfügt hätte. BGH ZIP 1993, 1653 = NJW 1993, 3267, 3268.
906 Dabei sei von denkbaren Rechten des L aus verlängertem Eigentumsvorbehalt abgesehen. Zu diesem Aspekt bezogen auf den Beispielsfall Hörmann, IBR 2006, 202.
907 Indes hat das OLG Koblenz für den Beispielsfall ohne Problematisierung der nachträglichen Vertragsänderung ein der Insolvenzanfechtung grundsätzlich entzogenes Bargeschäft angenommen, sodass die Klage des Verwalters ohne Erfolg blieb. OLG Koblenz ZInsO 2006, 273.
908 Sieht man von der Missachtung der den § 142 InsO restriktiv auslegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (und der mithin eigentlich bestehenden Notwendigkeit, die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen) ab, besteht schwerlich Unbehagen gegen dieses Ergebnis: Ohne die Vereinbarung hätte G den Vertrag mit B nicht mehr fortführen können, sodass B kündigen und einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung hätte geltend machen können. Daher lag die Vereinbarung im Interesse aller Beteiligten, da es sonst zu höheren Verlusten und Schäden gekommen wäre. So auch Hörmann, IBR 2006, 202: etwas unklar demgegenüber BGH ZIP 2007, 1162 Rn. 9 und 16 = ZfIR 2008, 78 (LS), dazu EWiR 2007, 471 (M. Huber).
909 Zu diesem Problemfeld gibt es nunmehr auch eine Entscheidung des OLG Saarbrücken. OLG Saarbrücken ZInsO 2010, 92.
910 Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos, wobei der Bundesgerichtshof in seiner kurzen Begründung ausführte: Ein Schuldner handelt in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringt, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt. Dies gilt auch dann, wenn Schuldner und Anfechtungsgegner Vorkasse für die vom diesem erbrachten Leistungen vereinbart haben. BGH ZIP 2010, 246 (LS) = ZInsO 2010, 87 Rn. 2 „bekräftigt“ von Kayser, NJW 2014, 422, 427 r. Sp.
In diesem Beschluss grenzt der Bundesgerichtshof leider nicht zu seiner frü- 911 heren, offenbar strengeren Rechtsprechung ab. Auch misst der Bundesgerichtshof erstaunlicherweise dem (zwar nicht aus seiner Begründung, aber aus dem OLG-Urteil ersichtlichen) Umstand keine besondere Bedeutung bei, dass der Anfechtungsgegner (in Kenntnis der Krise des Schuldners) und der Schuldner die Vorkasse erst nachträglich vereinbarten, während davor der Anfechtungsgegner den Schuldner gegen Rechnung beliefert hatte. (Bei strenger Betrachtung stellt diese „Vorkasse“ eine inkongruente Deckung dar, was aber offenbar den Bundesgerichtshof nicht daran hindert, ein Bargeschäft zu bejahen.) In einem weiteren, durch die Besonderheiten des Einzelfalls geprägten Urteil 912 traf der Bundesgerichtshof folgende Aussage: Lassen Erwerber, die gegenüber dem Schuldner/Veräußerer die Zahlung des Entgelts bis zur Fertigstellung eines Bauvorhabens verweigern dürfen, ihre Gegenrechte durch eine Vereinbarung ablösen, der zufolge sie die zurückbehaltenen Teile des Entgelts an einen Treuhänder zahlen, der daraus die offenstehenden Forderungen von Unternehmern bezahlen soll, damit diese das Gebäude anstelle des Schuldners ohne Preisaufschlag fertigstellen, scheidet eine Gläubigerbenachteiligung aus. BGH ZIP 2002, 535 = ZfIR 2002, 328, dazu EWiR 2002, 531 (Homann).
In diesem Urteil findet sich eine zentrale und verallgemeinerungsfähige Aus- 913 sage: Ohne eine verbindliche Aussage der Unternehmer, noch ausstehende Arbeiten zu erbringen, stellten die Forderungen des Schuldners gegen die Erwerber kein werthaltiges Vermögen der Masse dar, da die Erwerber die Zahlungen gem. § 320 BGB in einem den ausstehenden Arbeiten entsprechenden Umfang verweigern durften. BGH ZIP 2002, 535 536 r. Sp., 537 l. Sp. = ZfIR 2002, 328.
Es fällt nicht schwer, dies auf das Krisenmanagement in der offenen Krise 914 des Bestellers zu übertragen: Ohne Weiterarbeit der abzusichernden Nachunternehmer usw. ist ein weiterer Werklohnteilbetrag zugunsten des Bestellers/ Generalunternehmers nicht mehr durchsetzbar, da der Bauherr weitere Zahlungen an den Generalunternehmer gem. § 320 BGB verweigern und im Übrigen den Bauvertrag berechtigt kündigen kann. Das OLG Stuttgart erachtet unter Bezugnahme auf dieses Urteil eine Gläu- 915 bigerbenachteiligung für fraglich, wenn durch die angefochtene Rechtshand-
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
lung die Blockade von Vertragsverhältnissen zwischen Nachunternehmer/ Generalunternehmer und Generalunternehmer/Bauherrn aufgelöst wird. OLG Stuttgart ZInsO 2004, 156, 158.
916 Alles in allem bleibt aktuell einigermaßen „dunkel“, ob die vom Bundesgerichtshof zuletzt wiederholt als „anfechtungsfest“ bewertete Fallgruppe, dass die Vertragsänderung vor Erbringung der ersten Leistung eines Vertragsteils erfolgt, quasi abschließenden Charakter hat und – was der Gegenschluss aus dieser Rechtsprechung wäre – ab erster Leistung eines Vertragsteils automatisch die Anfechtung durchgreift. Die Betonung dieser zeitlich frühen Vertragsänderung spricht an sich dafür, dass der Bundesgerichtshof spätere Änderungen deutlich strenger bewerten würde. 917 Ansonsten ist jedenfalls zur Vorsatzanfechtung des § 133 Abs. 1 InsO folgender weiterer Aspekt zu beachten: Auch wenn der Bundesgerichtshof keine explizite Distanzierung von seiner früheren strengeren Rechtsprechung aus den 1990er Jahren vornimmt, taucht seit einiger Zeit jenseits des bei Anfechtungen nach § 133 InsO ausgeschlossenen Bargeschäfts i. S. d. § 142 InsO die „bargeschäftsähnliche Lage“ auf. „Der Anfechtungsgegner kann sich auch im Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung darauf berufen, die angefochtene Leistung sei von ihm in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung an die künftige Masse erlangt worden.“ Kayser, NJW 2014, 422, 427 l. Sp.; vgl. nun auch BGH ZIP 2014, 1887 Rn. 24 = ZVI 2014, 465, dazu EWiR 2014, 753 (Hellfeld).
918 Darunter dürfte die weitere, durch zeitnah ausgetauschte Leistung und Gegenleistung geprägte Bauvertragsabwicklung auch im Stadium nach der zeitlich ersten Leistung eines Vertragsteils zu fassen und damit vor einer Anfechtung zu schützen sein. Dies gilt aber nicht, wenn – wie im Beispielsfall gem. Rn. 895 f. – der spätere Anfechtungsgegner die Gelegenheit nutzt, Zahlungsrückstände bedienen zu lassen. Das lässt sich aus der bisherigen Rechtsprechung und einer klaren aktuellen Äußerung des Vorsitzenden des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ableiten. Kayser, NJW 2014, 422, 427 l. Sp. Praxistipp: Für den Anwalt, der den Unternehmer berät, der in der offengelegten Krise des Bestellers weiter arbeiten und im Weg der nachträglichen Vertragsänderung (scheinbar) verlässlich, aber in inkongruenter Weise abgesichert werden soll, ist die Situation misslich: Unproblematisch sind nach nunmehr in zwei Entscheidungen verfestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur solche Vertragsänderungen, die den Unternehmer absichern, bevor auch nur ein Vertragsteil irgendeine Leistung erbracht hat. Sobald der Unternehmer die Bauarbeiten begonnen oder der Besteller eine (Abschlags- oder Voraus-) Zahlung getätigt hat, ist diese relativ sicher zu bewertende Fallgruppe nicht mehr gegeben. In der Regel wird aber die Baustelle schon fortgeschritten sein, wenn die Krise des Bestellers hervortritt.
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers Ob der Bundesgerichtshof eine „Vorkassen-Lösung“ generell billigt, selbst wenn bereits auf den Vertrag bezogene Leistungen erbracht wurden (oder ob es sich bei der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das oben dargestellte Urteil des OLG Saarbrücken um einen „Ausreißer“ handelt – wogegen die Bezugnahme von Kayser hierauf spricht), ist unklar, weil es sich um eine in der Krise des Bestellers erfolgte, damit inkongruente und aufgrund bereits vollzogenen Arbeitsbeginns des Unternehmers eigentlich „zu späte“ Vertragsänderung handelt. Ansonsten ist unverändert sehr deutlich auf das Risiko hinzuweisen, dass jeder Lösung mit Abtretungen, Direktzahlungen u. Ä. anhaftet, wenn eine darauf gerichtete Vertragsänderung/faktische Änderung der Vertragsabwicklung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die zeitlich erste Leistung des Unternehmers oder des Bestellers bereits erbracht ist. Der Anwalt mag damit als derjenige dastehen, der als Bedenkenträger und Totengräber den endgültigen Zusammenbruch des Bestellers herbeiführt. Darauf verlassen, dass der Bundesgerichtshof mit den oben aufgezeigten Tendenzen neuerer Rechtsprechung auch für Vertragsänderungen, die erst nach der zeitlich ersten Leistung eines Vertragsteils zustande kommen, entweder die Gläubigerbenachteiligung verneint oder das jedenfalls für insolvenzrechtlich nicht „vorbelastete“ Akteure eingängige common-sense-Argument des Interesses aller Beteiligten akzeptiert und damit jedenfalls im Ergebnis seine äußerst strenge Rechtsprechung aus 1993 (und 2007) aufgibt, kann sich gegenwärtig niemand. Hiergegen spricht, dass der Bundesgerichtshof es in ständiger Rechtsprechung ablehnt, auf hypothetische Geschehensabläufe abzustellen. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof bald die divergierenden Entscheidungen zu einem System zusammenführt, das es ermöglicht, mit größerer Treffsicherheit die hier erörterten bauspezifischen Fallgruppen zu bewerten.
5. Sonstige atypische Befriedigungen Der Einfallsreichtum der Beteiligten ist unermesslich, sodass die Praxis immer 919 wieder neue Beispiele liefert, die sich in theoretischen Veröffentlichungen nicht antizipieren lassen. Entscheidend ist immer, dass im Drei-Monats-Zeitraum vor dem Insolvenzantrag der Besteller einen Vermögenswert weggibt und der Unternehmer dadurch eine inkongruente Deckung erlangt. Regelmäßig greift dann die Insolvenzanfechtung gem. § 131 Abs. 1 InsO durch. Am häufigsten ist die Fallgruppe der Abtretungen bzw. Direktzahlungen 920 (Rn. 845 ff.). Die Rechtsprechung liefert weiteres Anschauungsmaterial: Wenn der Unternehmer fällige Rechnungen seiner Gläubiger nicht mehr aus 921 liquiden Mitteln durch Überweisungen oder Übersendung eigener Schecks ausgleichen kann, übergibt er Gläubigern Kundenschecks (z. B. von Bauherrn für andere Bauvorhaben), die dann von den Gläubigern eingelöst werden, sodass der Betrag des Kundenschecks zu keinem Zeitpunkt in das Vermögen des Schuldners gelangt. Eine solche Weitergabe von Kundenschecks – im Gegensatz zu der als kongruent zu beurteilenden von eigenen Schecks – ist regelmäßig eine inkongruente Erfüllungshandlung. BGH ZIP 1993, 1653, 1654 r. Sp.; dazu EWiR 1994, 373 (Henckel);
225
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts BGH ZIP 2009, 1235 Rn. 10 f., (m. Bespr. D. Schulz, S. 2281), dazu EWiR 2009, 579 (Keller).
922 Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Besteller/spätere Schuldner und sein Lieferant oder Nachunternehmer schon frühzeitig, jedenfalls mehr als drei Monate vor dem Insolvenzantrag des Schuldners (und damit vorbehaltlich § 133 Abs. 1 InsO in unanfechtbarer Weise), vereinbaren, dass Kausalforderungen an den Lieferanten oder Nachunternehmer abgetreten und folglich Zahlungen/Kundenschecks des Bauherrn des späteren Schuldners unverzüglich an den Lieferanten oder Nachunternehmer weitergeleitet werden. BGH ZIP 2009, 1235 Rn. 11 (m. Bespr. D. Schulz, S. 2281); OLG Stuttgart ZInsO 2004, 156.
923 Die Fallgruppe der Sicherungsübereignungen durch den Schuldner lag einem anderen Urteil des Bundesgerichtshofs zugrunde. BGH ZIP 1997, 1509, dazu EWiR 1997, 897 (Huber).
924 Der anfechtbar Begünstigte lieferte dem späteren Schuldner für dessen Dachdeckerbetrieb Schiefer und hatte offene Forderungen von zuletzt 82.000 €. Circa sieben Wochen vor Antragstellung übereignete der Schuldner diesem Lieferanten eine größere Anzahl bestimmter Inventargegenstände, wobei der Schuldner das Nutzungsrecht behielt. 925 Der Bundesgerichtshof ließ die Anfechtung des Verwalters auf Grundlage von § 30 Nr. 2 KO durchgreifen und machte wiederum sehr lebensnahe Ausführungen: Dass der Verhandlungsführer des Schuldners die schlechte finanzielle Situation seines Unternehmens nicht offenlegte, sondern seine Gläubiger stattdessen mit dem Hinweis auf eine günstigere Auftragslage und auf Außenstände vertröstete, entspricht der üblichen Hinhaltetaktik von Schuldnern in dieser Lage; erfahrene Gläubiger lassen sich dadurch nicht täuschen. 926 Nach heutigem Recht wäre die Anfechtung erfolgreich gewesen auf Grundlage von § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO, da auch diese Sicherungsübereignung eine inkongruente Sicherung darstellt und nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofs Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Übereignung zu bejahen war. 6. Exkurs: Fehlende Gläubigerbenachteiligung bei auf Rückgewähr von Baugeld gerichtetem Anfechtungsanspruch? 927 Einige Zeit war mangels klarer Positionierung des Bundesgerichtshofs unklar, ob der Anfechtungsgegner in den vorstehenden Fallgruppen die Anfechtung des Verwalters mit dem Argument abwehren kann, es sei ihm Baugeld im Sinne des GSB bzw. seit des Bauforderungssicherungsgesetzes (BauFG), allgemein zum BauFG C. Schmitz, Sicherheiten, Rn. 528 ff.,
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
gezahlt worden und seine Privilegierung als Baugläubiger habe auch in der Insolvenz des Bestellers Bestand. Das LG Dresden,
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LG Dresden ZIP 2002, 91, dazu EWiR 2002, 717 (v. Gleichenstein),
hatte dies angenommen: Die an sich tatbestandlich gegebene Anfechtung scheitert an § 242 BGB, wenn der Verwalter aufgrund § 1 Abs. 1 GSB dazu verpflichtet wäre, den zurückgewährten Betrag unverzüglich wieder dem Anfechtungsgegner zurückzuzahlen. Der Verwalter ist an die vorgefundene Rechtslage hinsichtlich des Baugelds gebunden und unterliegt ebenso wie der Schuldner der strafbewehrten Baugeldverwendungspflicht. Dogmatisch überzeugender setzte Kirchhof beim Tatbestandsmerkmal „Gläubi- 929 gerbenachteiligung“ an und verneinte eine solche, wenn der Schuldner Baugeld bestimmungsgemäß ausgegeben hat. MünchKomm-Kirchhof, InsO, 1. Aufl., § 129 Rn. 106 (in der 2. Aufl. unter Rn. 106 Fn. 451 ausdrücklich aufgegeben).
Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof nun in einem Fall, in dem ein Un- 930 ternehmer einen Geschäftsführer eines in förmlicher Insolvenz befindlichen Generalunternehmers auf Schadensersatz wegen Verletzung der Baugeldverwendungspflicht verklagte, befunden, dass ein ersatzfähiger Schaden des Unternehmers entfällt, sofern an ihn pflichtgemäß durch den Generalunternehmer geleistete Zahlungen anfechtungsrechtlich keinen Bestand gehabt hätten. Der Unternehmer als Baugeldgläubiger hat in der Insolvenz des Generalunternehmers/Baugeldempfängers kein Vorrecht. Die vom Generalunternehmer eingezogenen Baugelder sind mangels etwaiger fortbestehender Pfändungsbeschränkungen Bestandteil der Insolvenzmasse geworden. Die Baugeldforderungen, denen aufgrund ihrer Zweckbindung gem. § 851 Abs. 2 ZPO Pfändungsschutz zukommt, sind durch Zahlung an die spätere Insolvenzmasse erfüllt worden. In solchen Fällen sieht das Gesetz keinen weiteren Schutz vor. Ist das Baugeld ausgezahlt und nicht auf einem besonderen Treuhandkonto verbucht, ist es der Pfändung durch andere Gläubiger ausgesetzt. Zwar entspricht eine solche Pfändung durch Personen, die nicht Baugeldgläubiger sind, nicht dem Schutzanliegen des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat aber keine Sicherungsmöglichkeiten vorgesehen, die anderen Gläubigern des Baugeldempfängers einen Zugriff auf das Baugeld verwehren könnten. Es ist vielmehr nach dem Gesetz grundsätzlich allein Sache des Baugeldempfängers, dafür zu sorgen, dass das Baugeld seiner Zweckbestimmung zugeführt wird. Hat sich infolge der Zahlung die Zweckbindung des Anspruchs erledigt, stehen die Mittel als Bestandteil der Masse dem allgemeinen Gläubigerzugriff offen. BGH, Beschl. v. 26.4.2013 – IX ZR 220/11, ZIP 2013, 1288 = ZfIR 2013, 526 (LS).
Dem ist zuzustimmen: Eine Privilegierung der Baugläubiger ist der Insol- 931 venzordnung nicht zu entnehmen. Dieses Argument lässt sich nicht entkräften 227
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
mit dem Einwand, dass das BauFG lex specialis oder lex posterior zur Insolvenzordnung ist. Dies würde voraussetzen, dass das BauFG eine Regelung zur dinglichen Sicherung der Ansprüche der Baugläubiger enthält, was gerade nicht der Fall ist. Außerdem ist nicht einsichtig, warum und wie der Verwalter ein „Unterinsolvenzverfahren“ für Baugläubiger durchführen sollte, obwohl die Insolvenzordnung ein solches nicht vorsieht. 932 Anders – wie vom Bundesgerichtshof, BGH, Beschl. v. 26.4.2013 – IX ZR 220/11, ZIP 2013, 1288 = ZfIR 2013, 526 (LS),
angedeutet – ist die Rechtslage, wenn der Verwalter bei Verfahrenseröffnung ein gem. § 47 InsO, zu den hohen Anforderungen Heidland, ZInsO 2010, 737, 744 f.: wohl für eine Absenkung der Anforderungen Brand, ZInsO 2014, 1477, 1483 f.,
von den Organen des Schuldners „insolvenzfest“ eingerichtetes Treuhandkonto zugunsten der Baugläubiger vorfindet. Sofern er nicht – regelmäßig wohl nur über § 130 InsO – die Errichtung dieses Kontos wirksam anfechten kann, ist es nicht Bestandteil der Insolvenzmasse, sodass der Verwalter sinnvollerweise die darauf befindlichen Beträge den durch das Konto begünstigten Baugläubigern zukommen lassen wird, etwa durch eine „unechte“ Freigabe oder Hinterlegung. 7. Erlangung von Sicherheiten, insbesondere Bürgschaften a) Von Anfang an vertraglich eingeräumter oder aus § 648a BGB folgender Anspruch auf Sicherheit 933 Räumt der Besteller dem Unternehmer einen Anspruch auf Sicherheit in demselben Vertrag ein, durch den der abzusichernde Anspruch entsteht, liegt in der späteren Gewährung der Sicherheit keine inkongruente Deckung. Der Unternehmer hat nämlich von Anfang an einen Anspruch auf die Sicherheit. BGH ZIP 2004, 1060, 1061 l. Sp., dazu EWiR 2004, 769 (Gerhardt); BGH, Beschl. v. 8.12.2011 – IX ZR 57/08, Rn. 2.
934 Das ist der Fall, wenn der Besteller vereinbarungsgemäß dem Unternehmer als Sicherheit z. B. seine Forderungen aus demselben Bauvorhaben gegen den Bauherrn abtreten muss. BGH ZIP 2001, 1250, 1251 r. Sp., dazu EWiR 2002, 75 (Homann).
935 Naturgemäß nichts anderes kann gelten, wenn die Sicherheit selbst im Vertrag, der den abzusichernden Anspruch begründet, gewährt wird, wenn also nicht nur ein Anspruch begründet wird, sondern auch das hierfür notwendige Verfügungsgeschäft sofort zustande kommt (z. B. Abtretung von Forderungen gegen Dritte als im Bauvertrag enthaltene Regelung). 228
II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
Auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung kann der Unternehmer „eines 936 Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon“ ab Abschluss des Vertrags jederzeit Sicherheit vom Besteller in Höhe der noch nicht bezahlten Vergütung zzgl. pauschal 10 % für zugehörige Nebenforderungen verlangen. Dieser in der seit 1.1.2009 geltenden Neufassung ausdrücklich normierte Anspruch ergibt sich aus § 648a Abs. 1 BGB und kann ausweislich dessen Abs. 7 nicht ausgeschlossen werden. Hat der Unternehmer einen Anspruch auf Sicherheit, muss – gerade im An- 937 wendungsbereich von § 648a BGB – darauf achten, dass er frühzeitig die Sicherheit vollwirksam erhält (z. B. durch Zuleitung der Originalbürgschaftsurkunde oder durch den dinglichen Abtretungsvertrag). Anderenfalls kommt eine Anfechtung gem. § 130 Abs. 1 InsO in Betracht, wenn der Unternehmer die vereinbarte Sicherheit erst im Drei-Monats-Zeitraum vor dem Insolvenzantrag erhält und zu diesem Zeitpunkt bereits „bösgläubig“ ist. Der Auffassung, eine unter Geltung des seit 1.1.2009 maßgeblichen § 648a 938 BGB erlangte Besicherung sei inkongruent, weil nicht konkret feststehe, ob, wann und in welcher Art und Höhe der Besteller die Sicherheit zu stellen habe, Cranshaw u. a., ZInsO 2013, 1005, 1014 l. Sp., unklar Kreft, in: dems., § 131 Rn. 22, 24 (Aussage zutreffend auf § 648a BGB a. F. oder auch auf § 648a BGB n. F. bezogen?),
kann nicht gefolgt werden. Losgelöst von der nach dem Gesetz im Belieben des Unternehmers stehenden Anforderung der Sicherheit ist der Anspruch bereits durch den Abschluss des Bauvertrags begründet worden, und zwar maximal in Höhe des zum Zeitpunkt des Sicherungsverlangens noch nicht gezahlten Werklohns und der Art nach unter Berücksichtigung des dem Besteller eingeräumten Wahlrechts (§ 648a Abs. 2, §§ 232 ff. BGB). b) Erlangung einer Sicherheit aufgrund nachträglicher vertraglicher Abrede Wird ein bereits bestehender Anspruch des Unternehmers erst nachträglich 939 (nach Vertragsschluss und ohne im Vertrag festgelegte oder aus § 648a BGB folgende Verpflichtung des Bestellers) besichert, liegt darin regelmäßig eine inkongruente Deckung. BGH ZIP 1998, 248 = NJW 1998, 1561, 1563, dazu EWiR 1998, 225 (Gerhardt); deutlicher BGH ZIP 2004, 1060, 1061 l. Sp.; BGH, Beschl. v. 8.12.2011 – IX ZR 57/08, Rn. 2.
Obwohl § 648a BGB die meisten Bauverträge erfasst, ist dies z. B. denkbar, 940 wenn ein privater, durch § 648a BGB gemäß dessen Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 nicht verpflichteter Besteller dem Unternehmer nachträglich eine Sicherheit gewährt. Das Gleiche gilt für eine nachträgliche Vereinbarung des Unternehmers mit 941 dem Besteller, die erst den Anspruch auf diese Sicherheit begründet.
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
942 Mit der neueren Rechtsprechung kommt es entscheidend darauf an, ob die nachträgliche Vereinbarung/Sicherheitenstellung innerhalb des Drei-MonatsZeitraums vor dem Insolvenzantrag des Bestellers zustande gekommen ist oder davor. In ersterem Fall ist sie nach Maßgabe des § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar, BGH, Beschl. v. 8.12.2011 – IX ZR 57/08, Rn. 3,
in letzterem nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO. Wird der Anspruch auf eine Sicherheit nachträglich, aber jenseits des Drei-MonatsZeitraums vor dem Insolvenzantrag begründet, die Sicherheit selbst wirksam dem Unternehmer aber erst innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums gewährt, ist die Sicherheitengewährung nur als kongruente Deckung anfechtbar, weil der Anspruch rechtzeitig begründet wurde (sofern nicht gegen die schuldrechtliche Begründung eine auf § 133 Abs. 1 InsO gestützte Anfechtung durchgreift). Konsequenz aus BGH ZIP 2001, 885, 888; vgl. auch OLG Stuttgart ZInsO 2004, 156, 157.
c) Gläubigerbenachteiligung 943 Um ausnahmsweise das Pferd von hinten aufzuzäumen: Klar ist, dass eine Anfechtung einer Sicherheitenstellung durch den Verwalter nur Erfolg haben kann, wenn eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Dieses Tatbestandsmerkmal ist regelmäßig problematisch, wenn die Sicherheit von einem Dritten gestellt wird, insbesondere wenn es sich um eine Bürgschaft handelt. 944 Gegeben ist eine Gläubigerbenachteiligung, wenn der Bürge einen aufschiebend bedingten, gegen den Avalauftraggeber/Besteller (= Schuldner) gerichteten Regressanspruch durch eine dingliche, insolvenzfeste Sicherheit abgesichert hat und die Insolvenzmasse sich um den aus der Bürgschaft vom Bürgen an den Unternehmer gezahlten Betrag schmälert. Zu bejahen ist dies z. B. dann, wenn dem Bürgen infolge seiner Rückgriffsforderung ein höherer Erlös aus einer zu seinen Gunsten bestellten Grundschuld zugeflossen ist, ohne diesen Anspruch also ein entsprechender Betrag im Massevermögen der Gläubigergesamtheit verblieben wäre. Erlangt dagegen der Bürge, dem außerdem an derselben Sicherheit abgesicherte Forderungen aus anderen Rechtsgründen (z. B. Darlehensvertrag) zustehen, aufgrund seiner Absonderungsrechte nur in demselben Umfang Befriedigung, wie er sie auch ohne die Bürgschaft erzielt hätte, ist eine Gläubigerbenachteiligung nicht eingetreten. RGZ 81, 144, 145 f.; BGH ZIP 1999, 973, 974 r. Sp., dazu EWiR 1999, 957 (Huber).
945 Ebenso werden die Insolvenzgläubiger benachteiligt, wenn der Bürge aufgrund ihm eingeräumter Grundschulden, ihm abgetretener Kaufpreisansprüche sowie ihm verpfändeter Kontoguthaben, Geschäftsanteile, Aktien und gewerblicher Schutzrechte über insolvenzfeste Regressmöglichkeiten verfügt, 230
II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
die in ihrem Wert das Gesamtvolumen der vom Bürgen für den Schuldner eingeräumten Bürgschaften übersteigen. OLG München WM 2008, 442; insoweit bestätigt durch BGH, Beschl. v. 20.9.2007 – IX ZR 155/06 Rn. 2.
Aus
946 BGHZ 81, 144,
ergeben sich praktisch schwer lösbare Probleme wie in folgendem Beispiel: Dem (späteren) Schuldner S steht beim Kreditversicherer K ein Avalkreditvolumen von 2 Mio. € zur Verfügung. S verpfändet dem K als Sicherheit für dessen etwaige Rückgriffsansprüche ein Festgeldkonto in Höhe von 10 % dieses Volumens, also über 200.000 €. Die Verpfändung erfolgt in insolvenzfester Weise. S nutzt das Avalkreditvolumen vollständig aus: Mit Antragstellung hat K im Auftrag des S 20 Bürgschaften zu je 100.000 € ausgereicht, 18 davon in insolvenzanfechtungsrechtlich unbedenklichen Zeiträumen, zwei jedoch als Zahlungsbürgschaften für die Unternehmer U 1 und U 2 im letzten Monat vor Antragstellung. Nach Verfahrenseröffnung am 1.6.2006 bemüht sich der Verwalter, der noch in 2006 von den an U 1 und U 2 gestellten Bürgschaften erfährt, um die Rückgabe aller Bürgschaften mit Enthaftungserklärung an K, weil er das Festgeld dauerhaft zur Masse ziehen möchte. Im Oktober 2009 hat er 13 Bürgschaften unbeansprucht „freigekämpft“, während U 1 und U 2 unter Hinweis auf zur Tabelle angemeldete, vom Verwalter teilweise anerkannte Ansprüche die Bürgschaftsrückgabe verweigern. Bei weiteren fünf Bürgschaften ist der Zeitpunkt, zu dem sie zurückzugeben sind, noch nicht eingetreten, und ist unklar, ob sie eines Tages unbeansprucht freigegeben werden. Spricht der Verwalter 2009 gegenüber U1 und U2 eine Insolvenzanfechtung 947 aus und begehrt er damit von U1 und U2 die Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunden, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung. Zu diesem Zeitpunkt ist noch ungewiss, ob die anderen Bürgschaftsgläubiger aus den bei diesen befindlichen fünf Bürgschaften à 100.000 € Ansprüche gegen K in einer Gesamthöhe von mindestens 200.000 € durchsetzen können. Falls ja, kann K in gleicher Höhe Regress am verpfändeten Festgeld nehmen mit der Folge, dass selbst die Rückgabe der bei U1 und U2 befindlichen Bürgschaften die Masse nicht erhöhen würde. Es käme lediglich zu einem Austausch von ungesicherten Gläubigern, da U1 und U2 ihre (hiermit als berechtigt unterstellten) Ansprüche nur als einfache Insolvenzforderungen verfolgen könnten, während K mangels Inanspruchnahme dieser Bürgschaften jedenfalls keine (ungesicherte) Regressforderung über 200.000 € erlangt. Eine Klage des Verwalters ist daher abzuweisen. Richtigerweise kann der 948 Verwalter erst dann eine Klage mit Erfolgsaussicht einreichen, wenn – nach
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
Abwicklung der weiteren fünf Bürgschaften – feststeht, dass und in welchem Umfang die Inanspruchnahme der an U1 und U2 ausgereichten Bürgschaften sich gläubigerbenachteiligend auswirkt. Verjährungsprobleme zulasten des Verwalters stellen sich nicht: In derartigen Fällen entsteht der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch nicht bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern erst dann, wenn die benachteiligende Wirkung eintritt. Schmidt-Rogge/Leptien, InsO, § 143 Rn. 2.
949 Erst ab diesem Zeitpunkt läuft die objektive Höchstverjährungsfrist der §§ 146 Abs. 1 InsO i. V. m. 199 Abs. 4 BGB. Regelmäßig erlangt der Verwalter in diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Anspruchsentstehung bzw. müsste sie ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen, so gem. §§ 146 Abs. 1 InsO i. V. m. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB die dreijährige Regelverjährungsfrist zu laufen beginnt. 950 Nach einer gegenteiligen Auffassung genügt es, wenn die angefochtene Handlung die Befriedigung der Gläubigergemeinschaft erschwert oder verzögert. Somit ist grundsätzlich immer eine Gläubigerbenachteiligung zu bejahen, wenn die Regressforderung des Bürgen – auch neben anderen ihm zustehenden Forderungen – einer dinglichen Sicherheit unterstellt ist. Zur Klageabweisung kommt es nach dieser Auffassung nur, wenn sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung herausstellt, dass die dem Bürgen zustehende Sicherheit auch ohne die zusätzlich erworbene Forderung des Bürgen voll ausgeschöpft worden wäre. OLG Hamburg ZInsO 2006, 877, 878.
951 Dem ist entgegenzuhalten, dass es dann zu einer erfolgreichen Anfechtung kommen kann, obwohl objektiv gar keine Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Profitieren würde nicht die Gläubigergesamtheit, sondern allein der – ansonsten wegen seiner Regressforderung auf eine einfache Insolvenzforderung verwiesene – Bürge, was nicht Sinn des Anfechtungsrechts ist. Auch ist nicht ersichtlich, wie der Anfechtungsgegner darlegen oder beweisen könnte, in welcher Weise die dem Bürgen gewährte Sicherheit ausgeschöpft worden ist. Die vom OLG Hamburg angesprochenen verjährungsrechtlichen Probleme, die aus der alten Fassung des § 146 InsO resultierten, stellen sich – wie aufgezeigt – nach der neuen Fassung nicht mehr. 952 Andere Ansätze, im Zusammenhang mit der Stellung von Bürgschaften eine Gläubigerbenachteiligung zu bejahen, überzeugen nicht: 953 So lässt sich nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs, BGH ZIP 2002, 489,
heranziehen und argumentieren, so aber Cranshaw u. a., ZInsO 2013, 1005, 1013 f.,
der Schuldner veranlasse die Bürgschaftsstellung auf Grundlage eines freien Avalkreditrahmens und führe damit dem von der Bürgschaftsstellung Be-
232
II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
günstigen einen für sich pfändbaren Anspruch zu. Anders als bei einem herkömmlichen Darlehen – wie es der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung zu bewerten hatte – stellt ein Bürge, selbst wenn er eine Bank ist, mit einem Avalkredit kein Geld, sondern Bonität zur Verfügung, mag dies auch im Ernstfall später zu einer Zahlung führen. Blesch, Rn. 236.
Nicht tragfähig erscheint auch die Überlegung, dass mit der Bürgschaftsstellung 954 und der späteren Befriedigung des Gläubigers durch den Bürgen deshalb kein rein neutraler Gläubigerwechsel verbunden ist, weil der Bürge Bürgschaftsausstellungsgebühren und Avalprovisionen (bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens) jedenfalls als einfache Insolvenzforderungen geltend machen kann. A. A. wohl Mundt, NZBau 2003, 527, 528 l. Sp. Praxistipp: Bei Bürgschaftsstellungen fehlt aufgrund der gegenwärtig überwiegend (noch) nicht hinreichenden Absicherungen der Bürgen in der Mehrzahl der Fälle eine Gläubigerbenachteiligung, sodass eine Insolvenzanfechtung bereits deshalb keinen Erfolg hat. Der Prüfung dieses kritischen Tatbestandsmerkmals kommt daher in einem Insolvenzanfechtungsprozess, der auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde oder des aus der Bürgschaft Erlangten gerichtet ist, besondere Bedeutung zu.
d) Weitere Tatbestandsmerkmale einer Insolvenzanfechtung Sofern die ausnahmsweise vorab zu prüfende Gläubigerbenachteiligung ge- 955 geben ist, kommt es für die „Vornahme“ der angefochtenen Rechtshandlung nicht darauf an, wann der Bürge Zahlung an den Anfechtungsgegner leistet, sondern darauf, wann der Bürgschaftsvertrag durch widerspruchslose Entgegennahme der Bürgschaft (§ 151 Satz 1 BGB) zustande gekommen ist. BGH ZIP 1999, 973 r. Sp.
Auch wenn der später insolvente Besteller die Bürgschaftshingabe unter dem 956 Druck eines § 648a-BGB-Sicherungsverlangens veranlasst, ändert dies nichts daran, dass der Unternehmer eine kongruente Deckung erlangt, weil ihm § 648a BGB einen Anspruch auf Sicherheit einräumt und eine Bürgschaft unter die in §§ 648a, 232 ff. BGB genannten Sicherungsmittel fällt. Wenn der Unternehmer die Sicherheit gem. § 648a BGB unmittelbar nach Vertragsschluss verlangte und erhielt, ist für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des späteren Schuldners i. S. d. § 133 Abs. 1 InsO nichts ersichtlich. Im Weigerungsfall hätte er riskiert, dass der Unternehmer die Arbeit sofort einstellt oder den Vertrag kündigt und dadurch erhebliche Folgeschäden eintreten. Größere Erfolgsaussicht hat die Anfechtung im zeitlichen Anwendungsbe- 957 reich des § 130 Abs. 1 InsO. Jedenfalls soweit der Unternehmer eine (nachträgliche) Absicherung für eine von ihm bereits erbrachte, aber noch nicht bezahlte Teilleistung erhält, kann die Anfechtung erfolgreich sein. Dabei un-
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
terstellt das einschränkende „soweit“, es komme zu einer Teilanfechtung. Dies setzt voraus, dass die Stellung der Bürgschaft sich in selbstständige Teile – Absicherung bereits erarbeiteter und noch zu erarbeitender Vergütungsansprüche – zerlegen lässt. Zur Teilanfechtung mit zahlreichen Beispielen MünchKomm-Kirchhof, InsO, § 143 Rn. 18. Praxistipp: Eine derartige Selbstständigkeit wird im Hinblick auf BGH ZIP 2008, 706 Rn. 33, dazu EWiR 2008, 533 (Dörrscheidt) (zu einer Sicherungsübereignung, die gleichzeitig ein Alt- und ein Neudarlehen absichert) und auf BGH, Beschl. v. 8.12.2011 – IX ZR 57/08, Rn. 3 (zu einer Sicherungsabtretung, die sowohl bereits bestehende Verbindlichkeiten als auch künftige Forderungen absichert) eher zu verneinen sein, wenn eine Bürgschaft über einen einheitlichen Betrag ohne weitere Spezifikationen vorliegt. Es könnte daher aus Sicht eines Unternehmers sinnvoll sein, in einem § 648a-BGB-Sicherungsverlangen den Betrag für die bereits erarbeitete, noch nicht bezahlte Vergütung einerseits und für die vertragsgemäß noch zu erarbeitende Vergütung andererseits auszuweisen und insoweit verschiedene Einzelsicherheiten zu verlangen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZR 90/04, ZIP 1993, 276, 278 r. Sp., dazu EWiR 1993, 161 [Onusseit]).
958 Liegt eine § 648a-BGB-Bürgschaft vor, die den Vergütungsanspruch des Unternehmers absichert, den er sich erst nach (und aufgrund) der Bürgschaftsstellung vertragsgemäß erarbeitet hat, liegt zugunsten des Unternehmers ein nicht anfechtbares Bargeschäft vor. Das sollte auch dann gelten, wenn der Unternehmer die Sicherheit erst einklagt und im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt, ehe er weiterarbeitet. Mag auch der Bundesgerichtshof eine durch Zwangsvollstreckung im Drei-Monats-Zeitraum vor Insolvenzantragstellung erlangte Deckung stets für inkongruent erachten, führt eine derart erlangte Sicherheit dazu, dass der Unternehmer, der sich vor weiterer Vorleistung abgesichert hat, nunmehr die Leistung nicht mehr verweigern darf, sondern weiterarbeiten muss. Ihm sodann die Sicherheit doch wieder zu entziehen, wäre angesichts des zwingenden Charakters von § 648a BGB nicht verständlich. Praxistipp: In der gegenwärtig durch § 648a BGB n. F. zugunsten des Unternehmers verbesserten, aber noch nicht in allen Details geklärten Situation dürften folgende Faustregeln gelten: Eine Anfechtung einer nach einem § 648a-BGB-Sicherungsverlangen erlangten Sicherheit dürfte regelmäßig ausscheiden, wenn der Unternehmer die Sicherheit vor dem Drei-Monats-Zeitraum erlangte. Außerdem sollte der Unternehmer darauf achten, dass sich die Sicherheit im Rahmen des gesetzlichen Systems hält und nicht hiervon abweicht wie im Fall einer Abtretung.
e) § 648 BGB 959 Eine Bauhandwerkersicherungshypothek gem. § 648 BGB kann eingetragen werden, wenn der Besteller/Schuldner, der zugleich Eigentümer des durch 234
II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers
Bauleistungen bereicherten Grundstücks sein muss, dies bewilligt. Einseitig und schnell kann der Vertragspartner des Schuldners eine einstweilige Verfügung zur Erlangung einer Vormerkung erwirken. Bei rechtzeitiger Eintragung kann der Vertragspartner vom Verwalter Befriedigung seines Anspruchs verlangen (§ 106 Abs. 1 Satz 1 InsO), falls nicht der Verwalter die Eintragung anfechten kann. Generell sind nach verfestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung durch 960 Zwangsvollstreckung erlangte Deckungen inkongruent i. S. v. § 131 InsO. Dies ist fragwürdig, da die staatlich organisierte Zwangsvollstreckung das rechtsstaatlich angemessene Instrumentarium für den Gläubiger ist und da durch diese unter erleichterten Bedingungen durchsetzbare Anfechtung die Insolvenzgläubiger eines Schuldners begünstigt werden, der trotz eines Titels nicht zahlt und damit weit mehr gegen das Recht verstößt als der Schuldner, welcher freiwillig zahlt mit der Folge, dass letztere Rechtshandlung nur unter den erschwerten Voraussetzungen von § 130 InsO anfechtbar ist. Doch auch die bisherige – inzwischen als „alt“ zu betrachtende – Rechtspre- 961 chung wendet auf die Sicherungshypothek (inklusive der im Weg der einstweiligen Verfügung erlangten Vormerkung) gem. § 648 BGB § 131 InsO nicht an, da es sich um einen gesetzlichen Sicherungsanspruch, nicht um eine inkongruente Sicherung handelt. BGH NJW 1961, 456, 456 f.
Eine Anfechtung durch den Verwalter auf Grundlage von § 130 Abs. 1 InsO 962 ist demnach nur möglich, wenn der Verwalter darlegen und beweisen kann, dass der Nachunternehmer die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den Eröffnungsantrag kannte bzw. grob fahrlässig nicht erkannte (§ 130 Abs. 2 InsO). Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Eintragung der Vormerkung.
963
BGH WM 1984, 265, 266 l. Sp.
In der Instanzrechtsprechung waren Anfechtungsklagen des Verwalters nicht 964 immer vom Erfolg gekrönt. OLG Stuttgart ZIP 1994, 722, 723 (erfolgreich); dazu EWiR 1994, 589 (Brehm); LG Konstanz IBR 1997, 102 (erfolglos).
Wenn man aber der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgen 965 will und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anfechtungsrechtlich unter § 131 InsO subsumiert, ist diese Privilegierung der über § 885 BGB erwirkten Vormerkung für die Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek systemwidrig und nicht haltbar. Vermutlich wird der Bundesgerichtshof unter Geltung der Insolvenzordnung seine ältere Rechtsprechung überprüfen. Kreft, in: Kreft, InsO, § 131 Rn. 26; noch eindeutiger MünchKomm-Kirchhof, InsO, § 131 Rn. 29; Bork/Gehrlein, Rn. 429.
235
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
966 Nicht erforderlich ist für den Verwalter eine Insolvenzanfechtung, sofern die – anders als nach dem früheren § 7 Abs. 3 GesO – zeitlich beschränkte „Rückschlagsperre“ des § 88 InsO eingreift. Eine Sicherung, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Verfahrenseröffnung oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung erlangt hat, wird mit Verfahrenseröffnung unwirksam. Eine durch einstweilige Verfügung erlangte Vormerkung gem. § 648 BGB fällt unter diese Vorschrift. 967 Mit Verfahrenseröffnung wird daher das Grundbuch unrichtig, wenn die Voraussetzungen des § 88 InsO vorliegen. Der Verwalter kann das Grundbuchberichtigungsverfahren (§ 22 Abs. 1 GBO) betreiben. BGH ZIP 2000, 931, 932 l. Sp. = ZfIR 2000, 458, dazu EWiR 2000, 771 (Messner) (zu § 7 Abs. 3 GesO); ebenfalls grundsätzlich zu § 7 Abs. 3 GesO BGH ZIP 1999, 1490 = ZfIR 1999, 698, dazu EWiR 2000, 81 (Gerhardt); zu § 88 InsO: BGH ZIP 2006, 479 (m. Bespr. Keller, S. 1174) = ZVI 2006, 210 = ZfIR 2006, 437 Rn. 22 (m. Anm. Volmer, S. 441), dazu EWiR 2006, 317 (Gundlach/Frenzel); BayObLG ZIP 2000, 1263 = ZfIR 2000, 633, dazu EWiR 2000, 887 (Hintzen); LG Meiningen ZIP 2000, 416 = ZfIR 2000, 373, dazu EWiR 2000, 831 (Runkel).
968 Dabei reicht es nicht aus, wenn er eine beglaubigte Abschrift des Eröffnungsbeschlusses und eine amtliche Bestätigung des Insolvenzgerichts über den Zeitpunkt des Insolvenzantrags vorlegt. Es ist nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, sondern des Prozessgerichts, etwa im Anwendungsbereich des § 139 Abs. 2 Satz 1 InsO (Existenz mehrerer Eröffnungsanträge) den Zeitpunkt des maßgeblichen ersten zulässigen und begründeten Antrags zu bestimmen. BGH ZInsO 2012, 1633 Rn. 18 ff.; OLG München ZIP 2010, 1861, 1862; OLG München ZInsO 2014, 1952 Rn. 9; Keller, ZfIR 2006, 499, 500 f., a. A. OLG Köln ZInsO 2010, 1646, 1647 r. Sp.; Volmer, ZfIR 2006, 441 r. Sp.
969 Genauso wenig reicht es aus, wenn die Gründe des vom Verwalter vorgelegten Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Zeitpunkt des Antragseingangs datumsmäßig bezeichnen. OLG Hamm ZInsO 2014, 150; OLG München ZInsO 2014, 1952 Rn. 10.
970 Weist dagegen der Beschluss des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus, dass zwischen der Eintragung der Zwangssicherungshypotheken und der Eröffnung weniger als ein Monat vergangen ist, ist ein Nachweis in der Form des § 29 GBO entbehrlich.
236
II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers BGH ZIP 2012, 1767 Rn. 17 = ZVI 2012, 419 = ZfIR 2012, 759 (LS), dazu EWiR 2012, 631 (Eckardt).
Weitergehende Erfordernisse bestehen nicht, da von der insolvenzrecht- 971 lichen Rückschlagsperre des § 88 InsO betroffene Sicherungen eines Gläubigers gegenüber jedermann (schwebend) unwirksam sind. Die Rückschlagsperre des § 88 InsO führt mithin nicht zur Entstehung einer Eigentümergrundschuld. BGH ZIP 2006, 479 (m. Bespr. Keller, S. 1174) = ZVI 2006, 210 = ZfIR 2006, 437 (m. Anm. Volmer, S. 441); a. A. BayObLG ZIP 2000, 1263 = ZfIR 2000, 633; OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 138, 139 f.
Die rückwärts zu berechnende Ein-Monats-Frist beginnt auch dann zu laufen, 972 wenn der Insolvenzantrag mangelhaft war oder bei einem unzuständigen Gericht gestellt wurde, sofern er zur Verfahrenseröffnung führt. BayObLG ZIP 2000, 1263, 1264 l. Sp. = ZfIR 2000, 633; OLG Köln ZInsO 2010, 1646, 1647 r. Sp.
Strittig ist, wann eine Sicherung, in unserem Zusammenhang also die Vor- 973 merkung gem. § 648 BGB, „erlangt“ ist. Eine Auffassung will § 140 Abs. 2 InsO analog anwenden und erachtet deshalb den Zeitpunkt der Antragstellung beim Grundbuchamt für maßgeblich. Der Gläubiger soll nicht durch die für ihn nicht beeinflussbaren Arbeitsabläufe beim Grundbuchamt belastet werden. Gerhardt, EWiR 2004, 861, 862.
Überzeugender ist die Gegenansicht: Abzustellen ist auf den Zeitpunkt, in 974 dem die Vormerkung im Grundbuch eingetragen wird. Der Wortlaut von § 88 InsO lässt eine direkte Anwendung von § 140 Abs. 2 InsO nicht zu. Gegen eine Analogie spricht, dass die Norm den Betroffenen bei Eintragungen aufgrund eines abgeschlossenen Rechtsgeschäfts schützen soll, die Interessenlage bei einseitiger zwangsweiser Durchsetzung jedoch nicht vergleichbar ist. OLG Köln ZInsO 2010, 1646, 1647 r. Sp.; LG Berlin ZIP 2001, 2293, 2293 f.; LG Bonn ZIP 2004, 1374, dazu EWiR 2004, 861 (Gerhardt); MünchKomm-Breuer, InsO, § 88 Rn. 22.
Der BGH hat diesen Meinungsstreit jüngst mit ausführlichen Nachweisen 975 referiert, aber mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. BGH ZIP 2012, 176 Rn. 17 = ZVI 2012, 419 = ZfIR 2012, 759 (LS).
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
8. Verknüpfung einer notwendigen Leistung im Eröffnungsverfahren mit der Befriedigung von Insolvenzforderungen 976 In der Bauinsolvenz ist der vorläufige Verwalter relativ häufig mit Fallkonstellationen konfrontiert wie im folgenden Beispiel: Ein Gläubiger macht gegenüber dem vorläufigen Verwalter die Durchführung einer mit dem Schuldner bereits vereinbarten, für die Betriebsfortführung notwendigen Leistung nicht nur von der Zahlung der hierfür vereinbarten Vergütung abhängig, sondern darüber hinaus von der Bezahlung einer alten Forderung, die aus der Zeit vor dem Insolvenzantrag stammt. Da der vorläufige Verwalter sich in einer Notlage befindet, weil die Arbeiten schnell durchgeführt werden müssen, überweist er den geforderten Gesamtbetrag, hinsichtlich der Altforderung jedoch unter dem Vorbehalt der Rückforderung und Anfechtung. 977 Der Bundesgerichtshof hat zwar Zweifel, ob § 130 InsO den Anfechtungsanspruch begründet, da der Verwalter als vorläufiger Verwalter der Zahlung zugestimmt hat. Er lässt die Anfechtung aber auf Grundlage von § 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO durchgreifen. Dabei spricht er sich explizit gegen eine „Erpressung [des vorläufigen Verwalters] durch marktstarke, etwa mit einer Monopolstellung ausgestattete Geschäftspartner“ aus. BGH ZIP 2003, 810, 812 r. Sp, dazu EWiR 2003, 719 (Huber); ebenso BGH ZIP 2003, 855; angelegt schon in BGH WM 1984, 1194.
978 Sehr relativiert hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung in späterer Rechtsprechung: Hat ein mit Zustimmungsvorbehalt ausgestatteter vorläufiger Verwalter gegenüber dem Vertragspartner einen Vertrauenstatbestand begründet, kann der spätere Verwalter diesen nicht mehr durch Insolvenzanfechtung zerstören. Einen solchen Tatbestand schutzwürdigen Vertrauens sieht der Bundesgerichtshof z. B. darin, dass der vorläufige Verwalter Verträgen des Schuldners vorbehaltlos zustimmt, in denen der Schuldner im Zusammenhang mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners Erfüllungszusagen für Altverbindlichkeiten gibt. BGH ZIP 2005, 314, 316 f., dazu EWiR 2005, 511 (Marotzke); BGH ZIP 2006, 431 Rn. 12 f., dazu EWiR 2006, 349 (Homann).
979 Hingegen scheidet ein Vertrauenstatbestand aus, wenn der vorläufige Verwalter schon bei Vertragsschluss die beabsichtigte spätere Anfechtung ankündigt. BGH ZIP 2005, 314, 316 f.; vgl. aber zu einer erfolglosen Anfechtung BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 161/11 Rn. 19, ZIP 2013, 528 (auch wenn der vorläufige Verwalter zunächst eine spätere Anfechtung androhte, erklärte er
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II. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Bestellers in einem späteren Telefonat dem Gläubiger, nicht anzufechten, wenn er – der vorläufige Verwalter – selbst zum Verwalter bestellt werde, was später so erfolgte).
Pocht der vorläufige Verwalter zunächst auf die spätere Rückforderung per 980 Anfechtung, ehe er im Lauf der Verhandlungen, um den Abschluss des neuen Vertrags nicht zu gefährden, seinen Widerstand aufgibt, ist die später erklärte Anfechtung nicht treuwidrig, wenn der Anfechtungsgegner die Zustimmung des vorläufigen Verwalters nur aufgrund „seiner wirtschaftlichen Machtstellung“ und „durch Ausnutzung besonderer Marktstärke“ erlangte. Entsprechende Tatsachen muss der Verwalter beweisen. BGH ZIP 2006, 431 Rn. 16.
Wann eine solche „besondere Marktstärke“ vorliegt, ist bis auf Weiteres un- 981 klar. Würde man allein auf die Gefährdung des schuldnerischen Geschäftsbetriebs abstellen, wenn die Leistung des Anfechtungsgegners ausbleibt, würde dieses begrenzende Merkmal leerlaufen. Würde man umgekehrt verlangen, dass der Anfechtungsgegner über die von ihm erbetene weitere, betriebsnotwendige Leistung ein deutschlandweites Monopol hatte, würde eine Anfechtung so gut wie nie Erfolg haben können und wären alle vorläufigen Verwalter nachhaltigen Erpressungsmöglichkeiten derartiger Insolvenzgläubiger ausgeliefert. Der Bundesgerichtshof gibt folgendes Beispiel für eine „besondere Markt- 982 stärke“: Ohne die Leistung des Lieferanten werden mit Mitteln der zukünftigen Masse bereits geschaffene Werte vernichtet – „ etwa weil ein kurz vor der Fertigstellung stehendes Werk wegen eines fehlenden Teils nicht vollendet werden kann, das nur der Vertragspartner liefern kann“ – und das führt für die Gesamtheit der Gläubiger zu einem erheblichen Verlust. BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 161/11 Rn. 22, ZIP 2013, 528.
Hingegen reicht es nicht, wenn es dem vorläufigen Verwalter darum geht, 983 Erschwernisse für eine Betriebsfortführung abzuwenden, die daraus resultieren können, dass ein anderer Lieferant gesucht oder mit dem Bauherrn über eine Vertragsänderung verhandelt werden muss. BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 161/11 Rn. 22, ZIP 2013, 528.
Blauäugig erscheint es indessen, wenn der Bundesgerichtshof in diesem Ur- 984 teil den Verwalter darauf verweist, die vom Schuldner schon erbrachten Arbeiten abzurechnen und auf eine Weiterführung der Arbeiten zu verzichten, und meint, dass eine vollständige Entwertung der Arbeiten des Schuldners selbst in diesem Fall nicht eintrete. – In einem solchen Fall wird wegen Erfüllungsverweigerung der Bauherr regelmäßig berechtigt, sofort den Vertrag kündigen und anschließend mit Restfertigstellungsmehrkosten und sonstigen Schadensersatzansprüchen aufrechnen, sodass eine Auszahlung von Werklohn an die Insolvenzmasse üblicherweise nicht mehr erfolgt, sondern nur der
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
Bauherr seinen nach Aufrechnung verbleibenden Anspruch zur Insolvenztabelle anmeldet. 985 Das OLG Koblenz hat eine „besondere Marktmacht“ des Anfechtungsgegners verneint in einem Fall, in dem sich der vorläufige Verwalter das benötigte Messgerät auch bei einem anderen Anbieter hätte beschaffen können. OLG Koblenz ZInsO 2010, 1395, 1396 l. Sp.
986 Diese Rechtsprechung schränkt die Anfechtungsmöglichkeiten von Verwaltern unangemessen ein. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum abweichend von sonstigen Fallgruppen der Insolvenzanfechtung, in denen es auf Vertrauenstatbestände auf Seiten des Anfechtungsgegners nicht ankommt, der Verwalter, der davor vorläufiger Verwalter war, derart behandelt wird. Ansonsten betrachtet es die Rechtsprechung durchaus kritisch, wenn etwa ein Darlehensgeber die Ausreichung eines neues Darlehens gegenüber dem in der Krise befindlichen Schuldner dazu nutzt, auch Altforderungen nachbesichern zu lassen. Auch entspricht es ansonsten allgemeiner Auffassung, dass der Verwalter selbst Rechtshandlungen des Schuldners, an deren Wirksamkeit er in seiner Funktion als vorläufiger Verwalter mitgewirkt hat, wirksam anfechten kann. Den vorläufigen Verwalter darauf zu verweisen, sich einen anderen Vertragspartner zu suchen, wird dem Zeitdruck, unter dem in einem Eröffnungsverfahren schwierige Bauverträge fortzuführen sind, nicht gerecht. Im Ergebnis wird diese Rechtsprechung dazu führen, dass Verwalter Anfechtungsansprüche in solchen Konstellationen nicht mehr durchsetzen können. 987 Stets bleibt eine Anfechtung erfolglos, wenn keine Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Das ist der Fall, wenn der Gläubiger für die Bezahlung von Altforderungen auf Aus- oder Absonderungsrechte verzichtet, es sei denn, der Wert dieser Rechte ist offenkundig weitaus geringer als die befriedigte Altforderung. BGH ZIP 2006, 431 Rn. 19 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 161/11 Rn. 12, ZIP 2013, 528 (zu einem mangels Entscheidungserheblichkeit nicht abschließend geprüften etwaigen verlängerten Eigentumsvorbehalt).
9. Anfechtung unentgeltlicher Zuwendungen im Drei-Personen-Verhältnis 988 Sedes materiae ist § 134 Abs. 1 InsO. Diese Vorschrift ermöglicht die Anfechtung von bis zu vier Jahren vor Insolvenzantrag vorgenommen „unentgeltliche[n] Leistung[en]“. 989 Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine – dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende – Gegenleistung zufließen soll. Wird jedoch eine dritte 240
III. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Unternehmers
Person in den Zuwendungs- oder Gegenleistungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der (Insolvenz-)Schuldner selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen seinen (Forderungs-)Schuldner gerichtete Forderung bezahlt wird, liegt in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gem. § 267 Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch seines (Forderungs-)Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen seinen (Forderungs-)Schuldner verliert. Grundsätzlich ist deshalb nicht der Leistungsempfänger, sondern dessen (Forderungs-)Schuldner der richtige Beklagte für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung. Das gilt indessen nicht, wenn die Forderung des Zuwendungsempfängers gegenüber seinem (Forderungs-)Schuldner wertlos war. BGH ZIP 2005, 767 = ZVI 2005, 269, dazu EWiR 2005, 737 (Haas/Panier).
Dann nämlich ist die Tilgung der fremden Schuld durch den späteren (Insol- 990 venz-)Schuldner als unentgeltliche Leistung anfechtbar, denn der Zuwendungsempfänger hat wirtschaftlich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. Von einer solchen Wertlosigkeit ist auszugehen, falls der (Forderungs-)Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit in der Insolvenz oder zumindest insolvenzreif ist. BGH ZIP 2009, 2303 Rn. 8 f., dazu EWiR 2010, 125 (Michel, N./Geiger K.).
Aufgrund der Beliebtheit von Cash-Pool-Vereinbarungen u. Ä. sind auch im 991 Baubereich derartige Anfechtungen denkbar. So hatte die Klage eines Verwalters gegen einen Nachunternehmer eines (mit dem vom Verwalter verwalteten Schuldner konzernverbundenen) Unternehmers Erfolg. Er focht eine Zahlung an, die der von ihm verwaltete Schuldner auf eine gegen den konzernverbundenen Unternehmer bestehende Forderung leistete. Letzterer – der (Forderungs-)Schuldner – war zum Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig und überschuldet. LG München I, Urt. v. 21.3.2006 – 28 O 22190/05 (bestätigt von OLG München, Urt. v. 25.9.2006 – 21 U 3165/06).
III. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Unternehmers 1. Vertragsgestaltung (insbesondere § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B) Wenn – wie unter Rn. 84 ff., 271 ff. dargelegt – im Stadium nach Zahlungs- 992 einstellung bzw. Insolvenzantrag der Besteller wegen § 134 BGB i. V. m. §§ 103, 119 InsO nicht wirksam mit der Folge des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B kündigen kann, falls später ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers eröffnet wird, stellt sich wegen dieses vorrangigen Unwirksamkeitsgrunds die Frage nach einer Insolvenzanfechtung nicht. Dagegen kommt es auf die §§ 129 ff. InsO an, wenn man abweichend zu dieser Auf241
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
fassung eine Bestellerkündigung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B für insolvenzund AGB-rechtlich wirksam erachtet. 993 Schwörer bejaht eine solche Anfechtbarkeit auf Grundlage von § 133 Abs. 1 Satz 1 (i. V. m. § 96 Abs. 1 Nr. 3) InsO: Anfechtbare Rechtshandlung ist die vertragliche Einräumung des Lösungsrechts, nicht erst die Kündigung selbst. Subjektiv reicht beim Schuldner bedingter Vorsatz, der gegeben ist, wenn er eine Gläubigerbenachteiligung als Folge seines Handelns billigend in Kauf nimmt. Als Ergebnis der erfolgreichen Anfechtung ist die Masse in die Lage zu versetzen, in der sie sich befände, wenn die Kündigung unterblieben wäre, sodass der Verwalter einem zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch des Bestellers die Einrede der anfechtbaren Begründung entgegenhalten kann. Schwörer, Rn. 517 ff.; vgl. auch Jacoby, ZIP 2014, 649, 654 ff.; MünchKomm-Kayser, InsO, § 129 Rn. 131; Peters, BauR 2014, 1218, 1222; Wortberg, ZInsO 2003, 1032, 1035 ff.; a. A. Deger, BrBp 2004, 141, 146, der i. E. eine Insolvenzanfechtung ablehnt.
994 Hierzu ist zunächst – wohl in Einklang mit Schwörer, der sich explizit zu dieser Differenzierung nicht äußert – klarzustellen, dass mit dem anfechtbar begründeten Schadensersatzanspruch nur die Restfertigstellungsmehrkosten gemeint sein können, die nach der Kündigung des Vertrags und der Fortführung durch einen teureren Zweitunternehmer auflaufen (vgl. Rn. 483 ff.). Andere Gegenforderungen des Bestellers wie Ansprüche wegen Mängeln und Verzugs haben mit der insolvenzbedingten Kündigung nichts zu tun, sondern haften dem schuldnerischen Teilwerk so oder so an und hätten deshalb auch bei Fortführung des Vertrags gegen Ansprüche der (vorläufigen) Masse aufgerechnet werden können; eine Gläubigerbenachteiligung ist daher insoweit nicht ersichtlich. 995 Schwörers Argumentation, entwickelt in enger Anlehnung an einen im November 1993 vom Bundesgerichtshof entschiedenen, nicht baurechtlich geprägten Fall, BGH ZIP 1994, 40, dazu EWiR 1994, 169 (Haas),
ist insoweit zweifelhaft, als es um die subjektiven Merkmale des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO geht. 996 Auch wenn auf Seiten des Schuldners bedingter Vorsatz reicht, sind die Umstände des Einzelfalls zu würdigen: Bauverträge werden tagtäglich massenhaft geschlossen; die mehr oder minder vollständige Einbeziehung der VOB/B gehört zum Standard, ohne dass die Vertragsparteien sich über die Auswirkungen von § 8 Abs. 2 VOB/B bei Vertragsschluss Gedanken machen oder auf eine Begünstigung des Bestellers und eine Benachteiligung der (späteren)
242
III. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Unternehmers
Gläubiger des Schuldners/Unternehmers spekulieren. Der Besteller kann daher den vom Bundesgerichtshof ausdrücklich zugelassenen Einwand erheben, dass der Schuldner und er selbst bei Vertragsschluss den Insolvenzfall nicht konkret erwogen haben und es am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz fehlt. Ähnlich Fritsche/Kilian, DZWIR 2008, 45, 50 l. Sp.; a. A. in genereller Hinsicht Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 561 f.; a. A. auch Jacoby, ZIP 2014, 649, 655.
Dabei wird für die Richtigkeit einer solchen Behauptung des Bestellers spre- 997 chen, dass – anders als im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – die Bestimmung nicht ausnahmsweise gerade für diesen Bauvertrag entwickelt und ausgehandelt wurde, sondern im Baubereich ständig eingesetzten, quasi „bereitliegenden“ Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nämlich der VOB/B, entstammt. BGH ZIP 1994, 40, 42 r. Sp., 44 r. Sp., dazu EWiR 1994, 169 (Haas).
Hinzukommt der ständige Rollenwechsel zahlreicher Bauunternehmer, die 998 oft bei ein und demselben Bauvorhaben einerseits als Besteller – gegenüber Nachunternehmern –, andererseits als (General-)Unternehmer – gegenüber dem Bauherrn – fungieren und deshalb durch die dauernde Einbeziehung von § 8 Abs. 2 VOB/B gleichermaßen begünstigt wie benachteiligt werden. Außerdem waren die Rechtsfolgen im vom Bundesgerichtshof entschiedenen 999 Fall negativer zulasten der Masse, als es nach einer berechtigten Kündigung gem. § 8 Abs. 2 VOB/B der Fall ist. Dort enthielt nämlich der Vertrag ein außerordentliches Kündigungsrecht zugunsten des Anfechtungsgegners/Vertragspartners des Schuldners, wobei infolge einer solchen Kündigung sehr wertvolle technische, in Grundstücken des Anfechtungsgegners verlegte Einrichtungen entschädigungslos in das Eigentum des Anfechtungsgegners übergehen sollten. Der Verwalter trug einen Wert der Anlagen von rund 380.000 € vor. BGH ZIP 1994, 40, 40 f.
Ähnlich verhielt es sich in einem weiteren vom Bundesgerichtshof beurteilten 1000 Fall. Demnach konnte der Grundstückseigentümer in der Insolvenz des Erbbauberechtigten die Übertragung des Erbbaurechts auf sich verlangen (Heimfall), wobei die Zahlung einer Vergütung an den Erbbauberechtigten ausdrücklich ausgeschlossen wurde. BGH ZIP 2007, 1120 = ZfIR 2007, 652 (LS).
Nach einer Kündigung auf Grundlage von § 8 Abs. 2 VOB/B hat dagegen 1001 der Schuldner einen Vergütungsanspruch für das erbrachte Teilwerk, gegen den allerdings der Besteller mit den Restfertigstellungsmehrkosten und sonstigen, nicht mit der Kündigung kausal zusammenhängenden Gegenforderungen aufrechnen kann. Dass der Besteller sein Vermögen auf Kosten des Schuldners (und von dessen Gläubigern) mehrt, ist nicht feststellbar – er kann bestenfalls, wenn seine Schadenspositionen sich im Rahmen halten, sein durch 243
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
§§ 249 ff. BGB grundsätzlich anerkanntes Integritätsinteresse schützen und die Insolvenz des Unternehmers ohne Vermögensschaden (aber eben auch ohne Gewinn – einen nach berechtigter Aufrechnung verbleibenden Betrag muss er auszahlen) überstehen. 1002 Schließlich ist Schwörers Annahme, ohne Kündigung könne der Schuldner den kalkulierten Gewinn durch Fertigstellung der Arbeiten verdienen, Schwörer, Rn. 542,
mit der konkreten Entwicklung auf Baustellen von Schuldnern im Stadium nach Antragstellung nicht in jedem Fall vereinbar, da es oft zu Fehlleistungen, Demotivation von Mitarbeitern und Leistungsverweigerungen von Nachunternehmern kommt. Hier zeigt sich eine generelle Problematik des Anfechtungsrechts, das sehr gut in der Lage ist, das mit festen Konturen ausgestattete Weggegebene (die abgetretene Forderung, den sicherungsübereigneten Gegenstand usw.) als Gegenstand des Rückgewähranspruchs zu bestimmen (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO), dem es aber schwerfällt, dynamische und in die Zukunft gerichtete Prozesse wie einen nicht abgeschlossenen Bauvertrag in den Griff zu bekommen. Auch wenn im Insolvenzanfechtungsrecht grundsätzlich auf das reale Geschehen abzustellen ist, wenn dies möglich ist, Kreft, in: Kreft, § 129 Rn. 66,
müsste – wollte man Schwörers Argumentation folgen – der Verwalter substantiiert darlegen, dass der Schuldner den Bauvertrag fristgerecht und auch sonst ordnungsgemäß hätte fortführen können, wäre nicht die Kündigung erfolgt. Ähnlich Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 556, der auf den Ertrag einerseits und die Kosten andererseits abstellt.
1003 Daneben stimmt die von Schwörer entwickelte Rechtsfolge – entgegen seiner sonstigen Orientierung an diesem Urteil – prima facie nicht überein mit BGH ZIP 1994, 40, 45.
1004 Demnach ist Rückgewähr so zu leisten, als ob der Vertrag ohne die benachteiligende Klausel abgeschlossen worden wäre. Wenn man allerdings die herrschende Meinung zugrunde legt, wonach außerordentliche BestellerKündigungen eines Bauvertrags unter bestimmten Umständen wie eine freie Besteller-Kündigung mit den Rechtsfolgen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B zu behandeln sind, so löst sich diese in der Begründung bestehende Differenz im Ergebnis auf. Mithin erscheint es überzeugender, dem Verwalter die Einrede zu geben, dass der Besteller den vermeintlichen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B in anfechtbarer Weise erlangt hat. MünchKomm-Kayser, InsO, § 129 Rn. 131; Peters, BauR 2014, 1218, 1222.
1005 Die Gläubigerbenachteiligung ist nicht gegeben, wenn der Besteller nachweisen kann, dass er die Rechtsfolge des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B auch über 244
III. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Unternehmers
einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer insolvenzunabhängigen Lösungsklausel herbeiführen hätte können. M. Huber, NZBau 2005, 177, 182 r. Sp.; vgl. auch Jacoby, ZIP 2014, 649, 655 l. Sp.
2. Unangemessener Vergleich Ein in der Krise steckender Unternehmer kann geneigt sein, einen durch ein 1006 mängelbedingtes Leistungsverweigerungsrecht (oder sonstige – strittige – Gegenforderungen) blockierten Werklohnanspruch dadurch freizubekommen und Geld in die leeren Kassen zu spülen, dass er die (mängelbedingten) Gegenansprüche des Bestellers großzügig abgilt. Eine solche grundsätzlich praxisgerechte (und auch jenseits der Krise verbreitete) Vorgehensweise führt zu einer inkongruenten Deckung, wenn der Umfang des Forderungsverzichts des Schuldners ein Mehrfaches des Aufwands für die ausstehende Mängelbeseitigung beträgt. BGH ZIP 2004, 1370 1372 (zu § 3 AnfG) = ZfIR 2004, 792 (LS), dazu EWiR 2004, 1205 (Bork).
In einem Folgeurteil hat der Bundesgerichtshof eine Anfechtungsmöglich- 1007 keit insbesondere auf Grundlage von § 134 InsO verneint. Ein Vergleich, durch den der Unternehmer nach eingehender Diskussion der Streitpunkte mit dem Besteller von diesem eine Zahlung auf tatsächlich und rechtlich mit einem erheblichen Durchsetzungsrisiko behaftete Forderungsteile erhält, enthält im Regelfall keine unentgeltlichen Leistungen. Die vereinbarte Regelung muss die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigen, wobei die Parteien innerhalb der von objektiver Ungewissheit gekennzeichneten Lage für ihr gegenseitiges Nachgeben einen Ermessens- und Bewertungsspielraum haben. BGH ZIP 2006, 2391 Rn. 15 ff. = ZVI 2007, 25.
Nach dieser realitätsnahen Rechtsprechung wird nur in Extremfällen eine An- 1008 fechtung erfolgreich sein. Regelmäßig wird es für den Verwalter nachträglich sehr schwer sein, a. A. M. Huber, ZInsO 2008, 929, 929 f.,
die im Vergleich abgegoltenen Forderungen und Gegenforderungen und die im Einzelnen bestehenden Durchsetzungsrisiken darzulegen und zu bewerten. Außerdem muss dem Besteller gegen den auf Zahlung des ursprünglich (vor Vergleichsschluss) geltend gemachten Werklohns gerichteten Klageantrag des Verwalters insoweit ebenso M. Huber, ZInsO 2008, 929, 932 l. Sp.
der Einwand zustehen, dass das schuldnerische Werk zur Zeit des Abgeltungsvergleichs weitere, seinerzeit nicht bewertete, aber nunmehr erkannte Mängel aufwies.
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
1009 Unscharf ist der BGH, BGH ZIP 2006, 2391 = ZVI 2007, 25,
zur Frage, ob ein Vergleich generell oder nur unter bestimmten Voraussetzungen „inkongruent“ i. S. v. § 131 Abs. 1 InsO ist. Nach allgemeinen Kriterien ließe sich generell eine Inkongruenz bejahen, da ein Besteller keinen Anspruch darauf hat, dass ein gegen ihn geltend gemachter Werklohnanspruch durch einen Vergleich erledigt wird. Dies scheint aber zu vordergründig, da ein Vergleichsabschluss in etwa dem Ergebnis entsprechen kann, das sich nach gerichtlicher Klärung aller Streitpunkte einstellen kann (unter Berücksichtigung der mit einer Beweisaufnahme durch Zeugen und Sachverständige stets verbundenen Imponderabilien). Wenn man dem folgt, ist es konsequent, die Inkongruenz nur bei einem unangemessenen Forderungsverzicht des Unternehmers zu bejahen. So BGH ZIP 2004, 1370, 1372 = ZfIR 2004, 792 (LS).
1010 Damit verträgt sich aber nicht die Aussage im späteren Urteil, dass die Anfechtung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO an fehlendem Vortrag zu subjektiven Tatbestandsmerkmalen scheitert. BGH ZIP 2006, 2391 Rn. 24 = ZVI 2007, 25.
1011 Gerade in diesem Fall, in dem der Bundesgerichtshof den Vergleich als der objektiv ungewissen Sach- und Rechtslage entsprechend gebilligt hat, liegt es eher fern, gleichwohl eine objektive Inkongruenz zu bejahen und eine darauf gestützte Anfechtung lediglich an subjektiven Merkmalen scheitern zu lassen. 1012 In der Literatur wird demgegenüber teilweise sogar § 133 InsO als einschlägig bezeichnet. M. Huber, ZInsO 2008, 929, 931 f.
1013 Das OLG München hat eine auf Rückgabe/Unterlassung der Geltendmachung einer Bürgschaft gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen. In einer etwas mehr als zwei Monate vor dem Insolvenzantrag des Unternehmers getroffenen „Generalbereinigung“ – nach vorhergehender Vertragskündigung durch beide Seiten – des Inhalts, dass der Besteller Vertragserfüllungsbürgschaften über 240.000 € zurückgibt, sofort an den Unternehmer 60.000 € zahlt und im Gegenzug eine Mängelbürgschaft über 56.000 € erhält, sah das Oberlandesgericht keine Gläubigerbenachteiligung. OLG München BauR 2008, 367, 368.
3. Entgegennahme von Leistungen des Schuldners in der Krise und anschließende Aufrechnung gegen hieraus resultierende Forderungen 1014 Nur wegen des Sachzusammenhangs sei dieser Punkt nochmals kurz gestreift. Anders als nach der Konkursordnung ist diese Fallgruppe nun unter den Aufrechnungsverboten geregelt, wobei jedoch nach dem klaren Wortlaut des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ein Anfechtungstatbestand Voraussetzung dafür ist, 246
III. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Unternehmers
dass das Verbot greift. Details hierzu finden sich unter Rn. 22 ff. Dort wird die Fallgruppe behandelt, dass im Eröffnungsverfahren der Schuldner – mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters – den Bauvertrag fortführt. Sicherlich ist dies die praxisrelevanteste Fallgruppe. Ungeachtet dessen kann 1015 der Verwalter auch das vor seiner Einsetzung und vor dem Insolvenzantrag erfolgte Werthaltigmachen anfechten, sofern er die subjektiven Voraussetzungen des § 130 InsO in Person des Anfechtungsgegners beweisen kann oder sofern die Voraussetzungen des § 131 InsO gegeben sind. Dann steht der Verwalter allerdings vor dem weiteren Problem, dass er ex post die damaligen Abläufe und konkreten einzelnen Arbeiten des Schuldners zu rekonstruieren versuchen muss, obwohl er noch nicht einmal als vorläufiger Verwalter tätig war. Oft werden ihm die hierzu nötige Dokumentation und Zuarbeit durch Wissensträger des Schuldners fehlen. G. Fischer betrachtet dies,
1016
Diskussionsbeitrag G. Fischer, in: Berger u. a. 2008, S. 32 f.,
wenn im Nachhinein keine Aufmaße mehr genommen werden können, als klassischen Fall des § 287 ZPO. Der Verwalter muss allerdings jedenfalls vortragen, welche Tätigkeiten im fraglichen Zeitraum erbracht wurden bzw. wie das Werk zum Zeitpunkt der „Bösgläubigkeit“ des Bestellers ausgesehen hat. 4. Exkurs: Anfechtung gegenüber dem Globalzessionar Banken lassen sich zur Absicherung ihrer Forderungen, die aus ihrer ständi- 1017 gen Geschäftsbeziehung mit Bauunternehmern herstammen, regelmäßig im Weg der Globalzession alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen abtreten. Anfechtungsrechtliche Probleme stellen sich in folgendem Beispiel: Der spätere Schuldner S hat wirksam vor Jahren an seine Hausbank B alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen sicherungszediert. Zu dem am 12.5. geschlossenen Bauvertrag 1 erbringt er in der Zeit vom 6.8. bis zum 30.10. (Abnahme) noch Arbeiten, die einen Vergütungsanspruch gegenüber dem Besteller 1 von 100.000 € auslösen. Am 7.9. hat er außerdem einen Bauvertrag 2 mit dem Besteller 2 über Regiearbeiten geschlossen, die er bis 20.10. vollständig abschließt, woraus ein Werklohnanspruch von 30.000 € resultiert. Am 6.11. stellt der S Insolvenzantrag. Das Verfahren wird am 15.12. eröffnet. Der Verwalter zieht in der Folge von den Bestellern 1 und 2 die vor Insolvenzantragstellung erarbeiteten 130.000 € ein. B verlangt vom Verwalter aufgrund ihres Absonderungsrechts Auskehr dieses Betrags (unter Abzug der Feststellungsund Verwertungskosten). Der Verwalter verweigert dies und ficht eine etwa zugunsten der B in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantragstellung erfolgte Wertschöpfung an. Er kann nachweisen, dass S bereits seit 6.8. zahlungsunfähig war. 247
C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
1018 Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.11.2007 ist der Erwerb zukünftiger Forderungen, der sich im Rahmen eines Globalzessionsvertrags vollzieht, grundsätzlich nur als kongruente Deckung anfechtbar. BGH ZIP 2008, 183 Rn. 14 ff. (m. Anm. Mitlehner, S. 189, Bespr. Kuder, S. 289 u. Jacoby, S. 385) = ZVI 2008, 24, dazu EWiR 2008, 187 (Ries); Kayser, Rn. 907 ff.; vgl. auch BGH ZIP 2008, 1435 Rn. 19 f. = ZVI 2008, 389, dazu EWiR 2008, 689 (Eckardt).
1019 Für den Beispielsfall bedeutet dies: Eine auf § 130 Abs. 1 InsO gestützte Anfechtung des Erwerbs der Forderungen aus den Bauverträgen 1 und 2 hat nur hinsichtlich des Bauvertrags 2 Erfolgsaussicht, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 7.9. S zahlungsunfähig war und B zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit des S kannte. Für den Bauvertrag 1 erübrigen sich solche Überlegungen, weil dieser nicht in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag des S abgeschlossen wurde. 1020 Eine weitere selbstständige Rechtshandlung, die der Anfechtung unterliegen kann, ist das Werthaltigmachen zukünftiger Forderungen aus der Globalzession. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine kongruente Deckung, wenn dies für das Entstehen der Forderung zutrifft. Anfechtbar sind demnach Erfüllungshandlungen wie die Herstellung eines Werks, aber auch die Übergabe einer Kaufsache oder die Erbringung von Dienstleistungen. Derartige vom Schuldner veranlasste Maßnahmen führen die Fälligkeit der Vergütung herbei oder räumen ein Leistungsverweigerungsrecht des Vertragspartners (§ 320 BGB) aus. Dadurch gewinnt die Forderung für den Globalzessionar an Wert. Gegen eine solche Anfechtung kann sich der Globalzessionar nicht mit dem Argument verteidigen, es liege ein Bargeschäft (§ 142 InsO) vor. Die Voraussetzungen eines Bargeschäfts sind bezüglich künftiger, von der Globalzession erfasster Forderungen in der Regel nicht gegeben. BGH ZIP 2008, 183 Rn. 35 ff. (m. Anm. Mitlehner, S. 189, Bespr. Kuder, S. 289 u. Jacoby, S. 385) = ZVI 2008, 24; BGH ZIP 2008, 372, 13 ff. = ZVI 2008, 297, dazu EWiR 2008, 505 (Homann/Junghans); BGH ZIP 2008, 1435 Rn. 21 ff. = ZVI 2008, 389, dazu EWiR 2008, 689 (Eckardt).
1021 Zurück zum Beispielsfall: Der Verwalter kann die Anfechtung nur auf § 130 InsO stützen. Er muss also außerdem darlegen und beweisen, dass B „zur Zeit der Handlung“ die Zahlungsunfähigkeit des S oder Umstände i. S. v. § 130 Abs. 2 InsO kannte. 1022 Damit stellt sich die Folgefrage, was die „Zeit der Handlung“ i. S. d. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ist. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist maßgebender Zeitpunkt gem. § 140 Abs. 1 InsO derjenige, in dem die Forderung werthaltig gemacht, also die erforderliche Bauleistung abgeschlossen 248
III. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Unternehmers
wird. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon vorgelegen haben. BGH ZIP 2008, 1435 Rn. 24 = ZVI 2008, 389.
Sollte dies bedeuten, dass es auf den Zeitpunkt der Fertigstellung – also der 1023 jedenfalls im Wesentlichen mangelfreien, damit abnahmefähigen Erstellung der geschuldeten Gesamtleistung – ankommt, würden die Anfechtungsrisiken für den Globalzessionar völlig unangemessen und in zufälliger Weise erhöht. Man denke nur an ein großes Schlüsselfertig-Bauvorhaben mit einer SollBauzeit von über einem Jahr. Richtigerweise ist entscheidend eine an den einzelnen Arbeiten auf der Bau- 1024 stelle ansetzende Betrachtung. Steht die anfechtungsrechtliche Bösgläubigkeit des Globalzessionars ab einem bestimmten Datum fest, muss der Verwalter darlegen, welche Arbeiten mit welchem nach dem Vertrag mit dem Besteller zu bemessenden Wert (vgl. Rn. 284 f.) ab diesem Datum der Schuldner erbracht hat. Ist im Beispielsfall B ab 12.10. „bösgläubig“, muss der Verwalter darlegen, welche wie zu bewertenden Arbeiten der Schuldner zu den beiden Bauverträgen ab 12.10. noch erbracht hat. Nur insoweit hat die Anfechtung Erfolgsaussicht. Auch wenn der Schuldner eine für seinen Vertragspartner schwer substituier- 1025 bare, für ihn selbst aber nicht sehr aufwendige Restleistung liefert (z. B. Dokumentation oder CD mit Software zur Bedienung anspruchsvoller, bereits eingebauter technischer Anlagen), kommt es auf den entsprechenden Teilwert dieser Restleistung an, wie er sich aus dem mit dem Besteller geschlossenen Bauvertrag und dem dortigen Preissystem ergibt (also entweder auf den Einheitspreis gemäß der einschlägigen Position des Leistungsverzeichnisses oder auf den aus den Kalkulationsgrundlagen zum Pauschalpreisvertrag zu entwickelnden anteiligen Preis). Nicht relevant sind deutlich höhere Kosten, die entstehen würden, wenn der Besteller einen Zweitunternehmer einsetzen müsste, der erst die Grundlagen klären müsste, ehe er die gewünschten Unterlagen erstellen könnte. Z. T. a. A. Diskussionsbeiträge G. Fischer und Ingelmann, in: Berger u. a. 2008, S. 31 f. und 34.
Wählt der Verwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einem davor 1026 vom Schuldner abgeschlossenen, beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Bauvertrag die Erfüllung (oder schließt er nach Verfahrenseröffnung einen neuen Bauvertrag ab), steht wegen §§ 91 Abs. 1, 103, 105 Satz 1 InsO der auf die ab Erfüllungswahl erbrachte Teilleistung/auf den neu abgeschlossenen Bauvertrag entfallende Vergütungsanspruch allein der Masse, nicht einem Globalzessionar zu. BGH ZIP 1989, 171173 f., dazu EWiR 1989, 283 (Pape); BGH ZIP 2006, 1254 Rn. 6, 25 = ZVI 2006, 300; BGH ZIP 2008, 372 Rn. 27 = ZVI 2008, 297.
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C. Bautypische Probleme des Insolvenzanfechtungsrechts
1027 Dagegen hindert die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen im Eröffnungsverfahren den wirksamen Erwerb einer zuvor abgetretenen, aber erst danach entstandenen Forderung durch den Zessionar nicht. BGH ZIP 2009, 2347 Rn. 7 ff., dazu EWiR 2010, 121 (Wilkens/Siepmann).
5. Die Anfechtung von Bauabzugsteuern 1028 Nach einer Auffassung in der Literatur stellt eine Abführung von 15 % des Werklohns, die ein Besteller gemäß den §§ 48 ff. EStG direkt an das Finanzamt des (späteren) Schuldners/Unternehmers vornimmt, eine inkongruente Deckung dar. Heinze, DZWIR 2005, 282, 283.
1029 Folgt man dem, ist dem Verwalter die Anfechtung von Abführungen, die in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag erfolgten, gegenüber dem Finanzamt deutlich erleichtert, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 InsO vorliegen. 1030 Es bestehen überwiegende Zweifel, ob eine solche Inkongruenz zu bejahen ist: Wenn auch in der Praxis die meisten Unternehmer eine Freistellungsbescheinigung gem. §§ 48 Abs. 2, 48b Abs. 1 Satz 1 EStG erhalten, ändert dies nichts daran, dass § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG die Pflicht zum Steuerabzug durch den Besteller ausspricht. Die aufgrund der Ausnahmeregelung der §§ 48 Abs. 2, 48b Abs. 1 Satz 1 EStG abweichende Praxis vermag schwerlich die Inkongruenz der gesetzlich statuierten Pflicht zu begründen. 1031 Auch die zu § 16 Abs. 6 VOB/B gezogene Parallele ist kaum tragfähig. § 16 Abs. 6 VOB/B findet sich nicht in einem Gesetz, sondern in „bereitliegenden“ Allgemeinen Geschäftsbedingungen und begründet keine Pflicht des Bestellers zur (in der Tat inkongruenten) Direktzahlung, sondern räumt ihm nur die Möglichkeit/Berechtigung ein. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG enthält dagegen eine bundesgesetzliche Verpflichtung des Bestellers. 1032 Die besseren Gründe sprechen daher dafür, dass grundsätzlich die Abführung von Bauabzugsteuern im kritischen Zeitraum der letzten drei Monate vor Insolvenzantrag nur unter den Voraussetzungen des § 130 InsO anfechtbar ist. Wie hier T. Wellensiek, in: Berger u. a. 2008, S. 55 f.
1033 Inkongruent nach allgemeinen Grundsätzen ist die Abführung einer Bauabzugsteuer aber dann, wenn der Besteller sie vor Fälligkeit der Steuerschuld an das Finanzamt ausgleicht. OLG Saarbrücken ZInsO 2012, 1724, 1727.
6. „Überleitung“ von Werklohnforderungen auf Dritte 1034 Erbringt der spätere Schuldner Bauarbeiten, wobei auch von ihm bezahlte Mitarbeiter tätig sind, sieht er jedoch davon ab, dafür das erzielbare Entgelt 250
III. Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Unternehmers
vom Besteller zu verlangen, vermindert sich die Haftungsmasse. Die Insolvenzanfechtung richtet sich gegen den Unternehmer, der – aufgrund eines Vertragsschlusses mit dem Besteller – von den Vorarbeiten des Schuldners dadurch profitiert, dass er den vollständigen Werklohn vom Besteller bezahlt bekommt. In diesem Verhältnis zwischen Schuldner und (fortführendem) Unternehmer liegt eine unentgeltliche Leistung vor, wenn dem Schuldner für den Vermögenswert kein entsprechender Gegenwert zufließt. Anspruchsgrundlage ist § 134 InsO. BGH ZIP 2007, 1118 Rn. 13 ff. (LS), dazu EWiR 2007, 325 (Lindacher); ähnlicher Sachverhalt in BGH ZIP 2004, 671.
In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall konnte der Verwalter für 1035 den Umfang der vom Schuldner erbrachten Arbeiten unter Bezugnahme auf ein Baustellenbesprechungsprotokoll Zeugenbeweis anbieten. Häufig scheitert jedoch eine Anspruchsdurchsetzung in solchen Fällen, die 1036 einer „durchaus gängigen Konstellation“ entsprechen, Runkel/J. M. Schmidt, EWiR 2007, 601, 602,
daran, dass rechtzeitig vor dem Insolvenzantrag der Schuldner Verträge inklusive der bereits erbrachten Teilleistung auf ihm genehme Unternehmer (oft verbundene oder Nachfolge- bzw. Auffanggesellschaften) umleitet, zur Anspruchsdurchsetzung für den Verwalter geeignete Unterlagen beseitigt und der Verwalter bei den beteiligten Wissensträger des Schuldners, des das Bauvorhaben fortführenden Unternehmers und des Bestellers auf eine „Mauer des Schweigens“ stößt. Ebenfalls versuchten die Akteure in einem anderen Fall, den Schuldner um 1037 Werklohnansprüche zu bringen und Dritte zu begünstigen: Der Schuldner erbringt eine Werkleistung an den Besteller. Dieser Besteller bezahlt die Gegenleistung – den Werklohn – in Höhe von „bis zu 45.000 €“ als „Kaufpreis“ nicht an den Schuldner, sondern an den Anfechtungsgegner. Diesem stand gegen den Schuldner in Höhe von knapp unter 45.000 € eine Forderung zu, die er – der Anfechtungsgegner – an den Besteller verkaufte und abtrat. Die nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Rechtshandlung des Schuldners 1038 liegt in dem Abschluss des Werkvertrags mit der ausdrücklichen Abrede, dass dem Schuldner dadurch keine Liquidität zufließen solle, vielmehr der Werklohnanspruch mit der an den Besteller abgetretenen Forderung des Anfechtungsgegners „verrechnet“ werden sollte. BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZR 63/07, Rn. 2.
7. Direktzahlungen Die hiermit zusammenhängenden Fragen sind aus Gründen der besseren Ver- 1039 ständlichkeit einheitlich in Rn. 859 ff. erörtert. Aus den dortigen Ausführungen ergibt sich, dass im Einzelfall auch der Verwalter über das Vermögen des Unternehmers Anfechtungsansprüche aufgrund von Direktzahlungen haben kann. 251
D. Besonderheiten der Bauträgerinsolvenz I. Die Sicherung des Eigentumsübertragungsanspruchs am Grundstück durch eine Vormerkung (§ 106 Abs. 1 InsO) Beim Bauträgervertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der 1040 neben werk- und werklieferungsvertraglichen auch (soweit der Grundstückserwerb in Rede steht) kaufvertragliche Elemente sowie – je nach den Umständen des Einzelfalls – Bestandteile aus dem Auftrags- und Geschäftsbesorgungsrecht enthält. BGH NJW 1986, 925, 926 l. Sp., dazu EWiR 1986, 251 (Locher).
Da der Erwerber die vom Bauträger geschuldete Bauleistung in „Teilbe- 1041 trägen“ (so die Terminologie des § 3 Abs. 2 Satz 1 MaBV; die Verordnung über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen vom 23.5.2001 spricht in ihrem § 1 von „Abschlagszahlungen“) schon vor Verschaffung des Grundstückseigentums und vollständiger mangelfreier Fertigstellung des Bauwerks bezahlt und hierin die Gefahr einer nachhaltigen Vermögensschädigung des Erwerbers liegt, hat der Verordnungsgeber den Bauträgern kraft zwingenden Rechts (§ 12 MaBV) zum Schutz des Erwerbers Sicherungspflichten auferlegt. Kernstück dieser Pflichten ist, dass der Erwerber (vorbehaltlich des Bürgschaftsmodells von § 7 MaBV) die vom Baufortschritt abhängigen „Teilbeträge“ erst zu leisten braucht, wenn zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden ist, und dass der Bauträger sich ein vertragliches Rücktrittsrecht nicht vorbehalten darf (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 1 MaBV). BGH NJW 1986, 925, 927 l. Sp., dazu EWiR 1986, 251 (Locher),
Diese Sicherungen gewähren allerdings in der Insolvenz des Bauträgers keinen 1042 umfassenden Schutz. Je nach Verhalten der Bauträgerbank und sonstigen relevanten Umständen (Rn. 1073 ff.) ist der Erwerber wegen seiner bereits geleisteten Zahlungen nur insoweit gesichert, als er deren Rückzahlung (jedoch ohne Ausgleich von Schäden wie z. B. Finanzierungskosten, Eigenleistungen) oder die Übereignung des Grundstücks mit dem darauf befindlichen, von ihm fertig zu stellenden Teil-Bauwerk gegen Anrechnung der geleisteten Zahlungen verlangen kann. Wudy, MittBayNot 2000, 489, 490 l. Sp.
Der Anspruch auf Übereignung auch in der Insolvenz des Bauträgers ist 1043 grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 106 Abs. 1 Satz 1 InsO durchsetzbar. Gemäß dieser Norm kann der Erwerber für seinen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks Befriedigung direkt aus der Insolvenzmasse verlangen, sofern die Auflassungsvormerkung vor der Verfahrenseröffnung sowie ggf. vor Erlass eines allgemeinen Veräußerungs- und Verfügungsverbots im Grundbuch eingetragen worden ist. 253
D. Besonderheiten der Bauträgerinsolvenz BGHZ 149, 1, 6 = ZIP 2001, 2008 = ZfIR 2001, 998.
1044 Erfolgt die Eintragung erst nach den vorgenannten Zeitpunkten, ist zu prüfen, ob vorher die Vormerkung bindend bewilligt wurde und der Berechtigte den Eintragungsantrag stellte. Ist beides zu bejahen, ist der Berechtigte ebenfalls geschützt (§§ 878 BGB, 91 Abs. 2, 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO). BGHZ 138, 179, 186 = ZIP 1998, 836; BGH ZIP 2006, 859 Rn. 16; vgl. auch BGH ZIP 2012, 1256 Rn. 10 ff. = ZfIR 2012, 547 (m. Anm. Kesseler, S. 549), dazu EWiR 2012, 629 (Mitlehner).
1045 Unschädlich ist dabei, dass der Bauträger dem Erwerber gegenüber weitere Verpflichtungen (vor allem hinsichtlich der werkvertraglichen Komponente des Bauträgervertrags) übernommen hat und diese nicht oder nicht vollständig erfüllt sind (§ 106 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der Erwerber hat trotz der Insolvenz des Bauträgers ein erzwingbares Recht auf die Übereignung des Grundstücks und braucht sich nicht auf die Quote verweisen zu lassen. Notwendiges Korrelat ist die Verpflichtung des Erwerbers, den Kaufpreis für den Grundstücksanteil zu bezahlen. BGH ZIP 1981, 250, 252 l. Sp.
1046 Die Vormerkung stellt den Erwerber also so, als ob das Bauwerk auf einem ihm bereits gehörenden Grundstück errichtet würde. BGH NJW 1986, 925, 927 r. Sp.
1047 Auch die Verfahrenseröffnung und eine Schadensersatzwahl des Erwerbers hinsichtlich der werkvertraglichen Komponente, nachdem der Verwalter insoweit Erfüllung abgelehnt hat, lassen die Grundstücksübereignungsverpflichtung unberührt und beschränken sich auf die weiteren Komponenten, insbesondere den die Bauleistung betreffenden Teil des Vertrags. § 106 Abs. 1 InsO bewirkt folglich kraft Gesetzes die Aufteilung des Vertrags im Sinne einer Teilleistungsvereinbarung. BGH ZIP 1981, 250, 251 r. Sp.
1048 Damit der Erwerber seinen Eigentumsübertragungsanspruch gegen den Verwalter durchsetzen kann, muss geklärt werden, ob er die Gegenleistung bereits erbracht hat bzw. was er noch bezahlen muss. Im ersten Schritt ist zu ermitteln, welcher Anteil des gesamten im Bauträgervertrag vereinbarten Preises auf das Grundstück entfällt. Ist ausnahmsweise im Bauträgervertrag ein Grundstückspreis gesondert ausgewiesen, ist dieser maßgebend, auch wenn er nach steuerlichen Gesichtspunkten bemessen worden ist und die Grundstücksveräußerung und Bauwerkserrichtung für den Bauträger in der Regel aus kalkulatorischen und bautechnischen Gründen untrennbar sind. KG BauR 2000, 114, 116.
254
I. Die Sicherung des Eigentumsübertragungsanspruchs durch eine Vormerkung
Wenn eine gesonderte Ausweisung fehlt, ist die Bestimmung vorrangig durch 1049 (ergänzende) Vertragsauslegung vorzunehmen, anderenfalls auf dem durch §§ 316, 315 BGB vorgezeichneten Weg. BGH ZIP 1981, 250, 252 l. Sp.
Im zweiten Schritt ist zu prüfen, was der Erwerber auf diesen Grundstücks- 1050 kaufpreis bereits bezahlt hat und nötigenfalls noch bezahlen muss. Probleme stellen sich deshalb, weil beiden Vertragsparteien vor Verfahrenseröffnung eine gedankliche Aufspaltung des Bauträgervertrags in eine kaufvertragliche und eine werkvertragliche Komponente fremd war und zumeist bis zur Verfahrenseröffnung auf dem Vertragsobjekt auch eine Bauleistung erbracht worden ist, derentwegen sich entweder (nach einer Schadensersatzwahl des Erwerbers gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO) Schadensersatzansprüche zugunsten des Erwerbers oder aber Zahlungsansprüche zugunsten des Verwalters ergeben können. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MaBV zeigt indessen deutlich, dass jedenfalls der erste 1051 „Teilbetrag“ in Höhe von 30 % der Vertragssumme bereits vor werterhöhenden Bauleistungen „mit dem ersten Spatenstich“ zu entrichten ist und nach der Intention des Verordnungsgebers hiervon gerade auch die Grundstückskosten erfasst sein sollen. Marcks, MaBV, § 3 Rn. 30 f.
Es erscheint daher richtig, den vom Erwerber gezahlten ersten „Teilbetrag“ 1052 grundsätzlich vollständig auf den nachträglich ermittelten Grundstückskaufpreis anzurechnen. (Dem Verwalter muss allerdings der Gegenbeweis eröffnet sein, dass aus diesem ersten „Teilbetrag“ der Bauträger auch Architektenund Baubetreuungsleistungen und sonstige anfangs auflaufende Kosten, vgl. zu diesen Marcks, MaBV, § 3 Rn. 31,
bezahlt hat; gelingt ihm dieser Beweis, ist der auf den Grundstückskaufpreis anzurechnende Betrag entsprechend zu kürzen.) Sofern in Ausnahmefällen ein überschießender Restbetrag zugunsten des Verwalters verbleiben sollte – weil das Objekt in besonders guter Wohnlage oder in Ballungsgebieten mit überdurchschnittlich hohen Grundstückspreisen errichtet wird –, Pause, Rn. 317,
erscheint es allein sachgerecht, vom Erwerber geleistete Zahlungen primär auf den Grundstückskaufpreis anzurechnen. Einen danach immer noch offenen Restbetrag, der auf das Grundstück entfällt, muss der Erwerber ungeschmälert an die Insolvenzmasse bezahlen, um das Leistungsverweigerungsrecht des Verwalters aus § 320 BGB abzuwenden. Sowohl im Ergebnis auch BGH NJW 1986, 925, 927 l. Sp.
255
D. Besonderheiten der Bauträgerinsolvenz
Beispiel: Nach dem Bauträgervertrag hat der Erwerber für das Grundstück in bester Lage, einen schlüsselfertigen Bau und sonstige Leistungen 1 Mio. € zu bezahlen. Gemäß MaBV, der der Vertrag folgt, beträgt der erste „Teilbetrag“ 300.000 €, der zweite 280.000 €. Der auf das Grundstück entfallende Kaufpreisanteil beträgt gemäß den oben aufgeführten Kriterien 400.000 €. Hat der Erwerber vor Verfahrenseröffnung die ersten beiden „Teilbeträge“ in voller Höhe an den Bauträger überwiesen, so ist der Grundstückskaufpreisanteil vollständig bezahlt. Hat dagegen der Erwerber lediglich den ersten „Teilbetrag“ überwiesen, so muss er zur vollständigen Tilgung des Grundstückskaufpreisanteils noch 100.000 € bezahlen. 1053 Vollkommen unabhängig hiervon sind die Rechtsbeziehungen zwischen Verwalter und Erwerber hinsichtlich der Bauleistungen. Wählt der Verwalter insoweit Erfüllung, gelten die allgemeinen Regeln ebenso wie in der häufigeren Fallgruppe, dass eine Erfüllungswahl des Verwalters ausbleibt. In letzterem Fall kann insbesondere der Erwerber einen Schadensersatzanspruch wählen (siehe Rn. 236 ff.). Diesen Anspruch kann er zur Tabelle anmelden. 1054 Bestehen Mängel am Sondereigentum, so hat der Erwerber einen Schadensersatzanspruch gem. § 103 Abs. 2 InsO in Höhe von 100 % der notwendigen Beseitigungskosten. 1055 Wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum ist nach einer Auffassung der Gesamtbetrag, der zur Beseitigung aufzubringen ist, zu ermitteln. Der individuelle (zur Aufrechnung gegenüber einer Forderung des Verwalters geeignete) Schadensersatzanspruch ist der nach dem Miteigentumsanteil des Erwerbers aus dem Gesamtbetrag ermittelte Teilbetrag. BGH (V. Zivilsenat) ZIP 1996, 426, 427 r. Sp., dazu EWiR 1996, 343 (Voss).
1056 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Eingehend Greiner, ZfBR 2001, 439; C. Schmitz, in: Grziwotz/Koeble, 5. Teil Rn. 73 ff.; a. A. generell Baer, BTR 2006, 113, 121.
1057 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beurteilt den Schadensersatzanspruch, der dem Erwerber wegen eines Mangels am Gemeinschaftseigentum zusteht, dahin, dass dieser Anspruch auf den Ersatz der gesamten Kosten gerichtet ist, die zur Mängelbeseitigung aufzuwenden sind. Allerdings kann der einzelne Erwerber nur Zahlung des Schadensersatzanspruchs an die Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt verlangen. BGH ZIP 1999, 754, 755, dazu EWiR 2000, 279 (Wenner).
1058 Diese Grundsätze gelten auch in der Insolvenz des Bauträgers: Vor Verfahrenseröffnung hat der Erwerber gegen den Bauträger einen originär ihm zu256
I. Die Sicherung des Eigentumsübertragungsanspruchs durch eine Vormerkung
stehenden Anspruch auf vollständige Beseitigung von Mängeln des Gemeinschaftseigentums. Nach Verfahrenseröffnung und unterbleibender Erfüllungswahl des Verwalters steht fest, dass die – automatisch alle Wohnungseigentümer begünstigende – Nacherfüllung am Gemeinschaftseigentum durch den Verwalter nicht erfolgt. Wegen der Gemeinschaftsbezogenheit dieses Anspruchs müssen die anderen Wohnungseigentümer damit einverstanden sein, dass ein einzelner Erwerber wegen der für ihn gegenüber dem Verwalter gegebenen Aufrechnungsmöglichkeit einen Schadensersatzanspruch geltend macht. Gegen dieses Einverständnis der weiteren Wohnungseigentümer kann sich 1059 der Verwalter nicht mit dem Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO wenden. § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO soll eine Ausplünderung der Insolvenzmasse durch einen „frivolen“ Ankauf von Passiven, auf die ansonsten nur eine Quote entfallen würde, unterbinden. BGH ZIP 1997, 1496, 1498 r. Sp.
Daher ist § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht anwendbar, wenn die zur Aufrech- 1060 nung gestellte Gegenforderung von einem aufrechnungsberechtigten Gesamtschuldner auf einen Mitschuldner übergeht. BGH ZIP 1997, 1496, 1498 r. Sp.
Nichts anderes kann für den ohnehin von Anfang an dem einzelnen Erwer- 1061 ber zustehenden, wenn auch gemeinschaftsbezogenen Nacherfüllungsanspruch gelten. A. A. wohl MünchKomm-Brandes, InsO, § 94 Rn. 18, der sich jedoch exakt auf das von BGH ZIP 1997, 1496, revidierte Urteil des OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1749, beruft.
Dieses für den Verwalter unerfreuliche Ergebnis folgt aus dem im Bauträger- 1062 vertrag ursprünglich bereits angelegten Ungleichgewicht: Während der Bauträger seine Werkleistung in Bezug auf das gesamte Bauwerk schuldet, sind die Erwerber je nur anteilig in Höhe des vertraglichen Erwerbspreises verpflichtet. BGH ZIP 1999, 754, 756.
Ergibt sich ungeachtet dieser weit reichenden Aufrechnungsmöglichkeiten 1063 des Erwerbers ein offener Resterwerbspreis zugunsten der Masse (bzw. aufgrund der üblichen Abtretung zugunsten der Bauträgerbank), kann der Verwalter ihn verlangen. Er kann jedoch hieraus kein Leistungsverweigerungsrecht (§ 320 BGB) gegenüber dem Übereignungsanspruch des Erwerbers ableiten, da dies mit § 106 Abs. 1 InsO und der vom Gesetzgeber gewollten strikten Aufspaltung des Vertragsverhältnisses nicht vereinbar wäre: Wenn der Erwerber durch § 106 Abs. 1 InsO so gestellt werden soll, als ob das Bauwerk auf einem ihm gehörenden Grundstück errichtet würde (Rn. 1046), wäre es inkonsequent, dem Verwalter gleichwohl insoweit ein Leistungsverweigerungsrecht einzuräumen. 257
D. Besonderheiten der Bauträgerinsolvenz Wie hier und insoweit zutr. OLG Stuttgart BauR 2005, 111, 113 r. Sp.; ebenso nun auch OLG Koblenz IBR 2007, 320; wohl a. A. Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 106 Rn. 39 a. E., 41; Wudy, MittBayNot 2000, 489, 498 l. Sp.; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, Rn. 1007.
II. Die Grenzen des durch die Vormerkung vermittelten Schutzes 1064 Der durch die Vormerkung vermittelte Schutz läuft indessen leer, wenn z. B. wegen unterbliebener Beurkundung wesentlicher Vertragselemente oder wegen Schwarzgeldabreden der Bauträgervertrag nichtig ist und deshalb der Erwerber keinen Anspruch auf Eigentumsübertragung erworben hat, denn die Vormerkung ist streng akzessorisch zum gesicherten Anspruch. In solchen Fällen kann der Verwalter gem. § 894 BGB einredefrei Löschung der Vormerkung und Herausgabe des Grundstücks verlangen. Selbst beträchtliche Zahlungen des Erwerbers an den Bauträger verleihen jenem kein insolvenzbeständiges Zurückbehaltungsrecht. Gemäß § 51 Nr. 2, Nr. 3 InsO sind nämlich nur die dort genannten Zurückbehaltungsrechte insolvenzfest. BGH ZIP 2002, 858 = ZfIR 2002, 539 (m. Anm. Volmer, S. 543). Praxistipp: In diesen Fällen ist zu prüfen, ob der Erwerber einen Kondiktionsanspruch wegen seiner Zahlungen gegen die den Bauträger finanzierende, durch eine Grundschuld am Objekt vorrangig abgesicherte Bank hat, die gegenüber dem Erwerber eine Freistellungserklärung abgegeben hat (dazu sehr weitgehend BGH ZfIR 2005, 313. 314 f. (m. Bespr. Schmidt, D., S. 306). Beruht die unzureichende Beurkundung auf einem Fehler des Notars, kommt außerdem – ggf. subsidiär – dessen Haftung auf Schadensersatz in Betracht, vor allem auf Erstattung der Erwerberzahlungen, wobei im Gegenzug dem Notar die Insolvenzforderung gegen den Verwalter über das Vermögen des Bauträgers abzutreten ist. So hat der BGH ausdrücklich eine Amtspflicht eines Notars zur vollständigen Beurkundung bestätigt, die im konkreten Fall verletzt war, weil der Notar die Baubeschreibung nicht beurkundete (BGH BauR 2008, 1881).
1065 Doch auch wenn der Bauträgervertrag wirksam ist, stellt sich häufig das Problem, dass Erwerber wegen Verzugs und/oder sonstiger Fehlleistungen des Bauträgers energische Schritte wünschen. Da solche Erscheinungen oft Indizien für eine schwere wirtschaftliche Krise des Bauträgers sind und ein Insolvenzantrag bevorstehen kann, ist große Vorsicht geboten, um nicht den Erwerber des Schutzes des § 106 Abs. 1 Satz 1 InsO zu berauben: 1066 Sofern Anzeichen für eine bevorstehende Insolvenz des Bauträgers gegeben sind, ist es grob fehlerhaft, wegen des Bauträgervertrags als Ganzen dem Bauträger eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung zu setzen und nach deren fruchtlosem Ablauf Schadensersatzansprüche geltend zu machen oder den Rücktritt vom gesamten Vertrag zu erklären (§ 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 oder § 323 Abs. 1 BGB). Damit entfällt der Anspruch des Erwerbers auf Er-
258
II. Die Grenzen des durch die Vormerkung vermittelten Schutzes
füllung, also auch der Anspruch auf Grundstücksübereignung – und damit die streng akzessorische Vormerkung. Der nominal hohe Schadensersatzoder Rückgewähranspruch des Erwerbers ist faktisch wertlos, da er nur mit der Insolvenzquote – wenn überhaupt – bedient wird. Falls der Erwerber bis zur Rückvergütung seiner Zahlungen ein Zurückbehaltungsrecht am Grundbuchberichtigungsanspruch hinsichtlich der Auflassungsvormerkung hat, so Pause, Rn. 729; a. A. Zimmer, ZfIR 2009, 292, 293 r. Sp.,
ist dieses in der Insolvenz des Bauträgers als persönliches Recht nicht zu berücksichtigen. BGH ZIP 2002, 858(Umkehrschluss aus § 51 Nr. 2, Nr. 3 InsO) = ZfIR 2002, 539 (m. Anm. Volmer, S. 543); BGH ZIP 2009, 428 Rn. 8, 9 ff., 19 ff. = ZVI 2009, 155 = ZfIR 2009, 289 (m. Anm. Zimmer, S. 292), (auch Zurückbehaltungsrecht des Erwerbers aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 103 Abs. 1 InsO und aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO abgelehnt).
Der BGH lehnt es auch ab, einen vom Vertrag zurücktretenden Erwerber 1067 über Treu und Glauben zu schützen, weil der Erwerber sich durch seinen Rücktritt selbst um seine Sicherung gebracht hat und bei einer solchen „durch das eigenverantwortliche Vorgehen“ des Erwerbers geprägten Sachlage von einem für ihn schlechthin untragbaren Ergebnis nicht die Rede sein kann. BGH ZIP 2009, 428 Rn. 24 = ZVI 2009, 155 = ZfIR 2009, 289 (m. Anm. Zimmer, S. 292).
Das OLG Celle erachtete es für ausreichend, dass der vertragstreue Erwerber 1068 den Bauträger ergebnislos dazu auffordert, den Bau fortzusetzen, und anschließend den Bau mit anderen Unternehmern vollendet, ohne gegenüber dem Bauträger zu kündigen. Der Erwerber kann uneingeschränkte Übereignung des Grundstücks mit dem fertigen Gebäude an sich verlangen. OLG Celle, OLGR 2001, 113.
Dieses Urteil ist dogmatisch angreifbar, sodass der darin aufgezeigte Weg 1069 nicht als hinreichend rechtssicher gelten kann. Wenn der Erwerber gleichwohl energisch gegen den Bauträger vorgehen will, 1070 erscheint am ehesten empfehlenswert der zum vor dem 1.1.2002 geltenden Recht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigte Weg: Zwar kann der Erwerber wegen der Besonderheiten des Bauträgervertrags keine freie Kündigung gem. § 649 BGB aussprechen. Die Regel, dass ein Bauträgervertrag einheitlich abzuwickeln ist, verlangt aber eine Ausnahme, wenn der Bauträger dem Erwerber einen wichtigen Grund zur Kündigung der Bauleistung gibt. Dann kann es geboten sein, dem Erwerber sowohl das Recht zur Kündigung zu gewähren als auch ihm den Anspruch auf Grundstücksübereignung zu belassen. Allerdings kommt im Einzelfall möglicherweise eine
259
D. Besonderheiten der Bauträgerinsolvenz
Kündigung nur durch die Mehrheit der Erwerber in Betracht, wenn die Kündigung zur Stilllegung des gesamten Bauvorhabens führen könnte. BGH NJW 1986, 925, 927; ferner KG BauR 2000, 114, 115 r. Sp.
1071 Auch nach neuem Recht ist dieses Vorgehen möglich, weil unverändert eine außerordentliche Kündigung des Bauvertrags unter den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen möglich ist. Allerdings müssen das Vorliegen eines wichtigen Grunds und die Verflechtungen mit den Interessen anderer Erwerber bei einer Wohnanlage äußerst sorgfältig analysiert werden; kleinere Mängel genügen genauso wenig wie der bloße Umstand, dass der Bauträger Insolvenzantrag stellt. Zu Details Pause, Rn. 755 f.; Koeble, Kapitel 24 Rn. 14 ff.
1072 Weitere Gefahren drohen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft wegen rückständiger Hausgeldansprüche die Zwangsversteigerung in die noch im Eigentum des Bauträgers stehende, zugunsten des Erwerbers mit einer Auflassungsvormerkung belastete Einheit betreibt: Für ihre Ansprüche kann sich die Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Rangklasse 2 gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG berufen, während die Auflassungsvormerkung nur in die Rangklasse 4 gem. § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG fällt. Folglich sind die Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber einer Auflassungsvormerkung stets vorrangig, sodass diese nicht im geringsten Gebot zu berücksichtigen ist und mit dem Zuschlag erlischt. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn sie schon vor dem Entstehen der bevorrechtigten Hausgeldansprüche in das Grundbuch eingetragen worden ist. BGH ZIP 2014, 1895.
III. Vorrangige Grundpfandrechte der finanzierenden Banken 1073 Die oben diskutierten rechtlichen Probleme stellen sich in der Praxis allerdings so gut wie nie in dieser Zweidimensionalität (Erwerber – Verwalter), da meist ein „magisches Dreieck“ für Komplikationen sorgt. Vogel, BauR 1999, 992.
1074 Dies liegt daran, dass fast alle Bauträgermaßnahmen vollständig von der jeweiligen Hausbank des Bauträgers finanziert werden. Die Bank sichert sich durch Grundpfandrechte, die vorrangig vor Auflassungsvormerkungen der Erwerber eingetragen sind. Allerdings muss gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MaBV die Freistellung des Vertragsobjekts von allen Grundpfandrechten, die der Vormerkung im Range vorgehen oder gleichstehen und nicht übernommen werden sollen, gesichert sein, und zwar auch für den Fall, dass das Bauvorhaben nicht vollendet wird. Die Anforderungen an die von der Hausbank des Bauträgers abzugebende Erklärung (sog. Freistellungserklärung) ergeben sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 MaBV. Es muss also gewährleistet sein, dass die
260
III. Vorrangige Grundpfandrechte der finanzierenden Banken
nicht zu übernehmenden Grundpfandrechte im Grundbuch gelöscht werden, und zwar, wenn das Bauvorhaben vollendet wird, unverzüglich nach Zahlung der geschuldeten Vertragssumme, anderenfalls unverzüglich nach Zahlung des dem erreichten Bautenstand entsprechenden Teils der geschuldeten Vertragssumme durch den Erwerber. Zu Details BGH ZIP 2014, 227, dazu EWiR 2014, 179 (Grziwotz); Basty, Rn. 335 ff.; Vogel, BauR 1999, 992.
Jedoch kann sich der Kreditgeber für den Fall, dass das Bauvorhaben nicht 1075 vollendet wird, gem. § 3 Abs. 1 Satz 3 MaBV vorbehalten, an Stelle der Freistellung alle vom Erwerber vertragsgemäß im Rahmen des § 3 Abs. 2 MaBV bereits geleisteten Zahlungen bis zum anteiligen Wert des Vertragsobjekts zurückzuzahlen. In vielen Fällen ergibt die Auslegung der Freistellungserklärung, dass die 1076 Bauträgerbank eine Wahlschuld i. S. d. § 262 BGB übernommen hat. Ist in einem solchen Fall die Pfandfreistellung nicht mehr möglich (z. B. weil der Bauträger und der Erwerber den Bauträgervertrag aufgehoben und die Auflassungsvormerkung zur Löschung gebracht haben), beschränkt sich die Verpflichtung der Bauträgerbank auf die Rückzahlung der vom Erwerber geleisteten Zahlungen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Erwerber die Unmöglichkeit der Lastenfreistellung nicht zu vertreten hat. BGH ZIP 2005, 33 = ZfIR 2004, 983 984 f. (m. Anm. Grziwotz, S. 985).
Klargestellt hat die Rechtsprechung,
1077
BGH ZIP 1994, 1705, dazu EWiR 1995, 277 (Mönning); OLG Koblenz VersR 1982, 250,
dass § 106 Abs. 1 InsO nicht den Anspruch auf lastenfreie Übertragung des Eigentums sichert. § 106 Abs. 1 InsO will nur den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch des Erwerbers auf Eigentumsverschaffung in der Insolvenz bevorrechtigen, nicht aber auch den schuldrechtlichen Anspruch des Erwerbers gegen den Bauträger, das Grundstück von Lasten freizustellen. Ist die Auflassungsvormerkung wie zumeist zum Grundpfandrecht der Bauträgerbank nachrangig, sichert sie nur den Anspruch auf Eigentumsübertragung in dem zum Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung bestehenden Umfang, also mit der Belastung durch die vorrangigen Grundpfandrechte. In der Praxis sind die durch Grundpfandrechte gesicherten Banken aus wirt- 1078 schaftlichen Gründen häufig nicht daran interessiert, gem. § 3 Abs. 1 Satz 3 MaBV vorzugehen und anschließend ungehindert von der Auflassungsvormerkung die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Zu diesem Weg Jaeger/Henckel, KO, § 24 Rn. 46.
261
D. Besonderheiten der Bauträgerinsolvenz
1079 Vielmehr können die Beteiligten in ihrem dreiseitigen Verhältnis oft wirtschaftlich sinnvolle Lösungen erzielen: Der Erwerber zahlt noch einen angemessenen Restbetrag an die Bank oder an die Insolvenzmasse. Die Bank stellt das Vertragsobjekt von ihrem Grundpfandrecht frei. Der Verwalter erklärt die Auflassung, bewilligt die Eigentumsumschreibung im Grundbuch und erhält aus der geleisteten Zahlung noch einen Masseanteil, während der Rest der Bank verbleibt und auf offene Darlehensforderungen gegen den Bauträger angerechnet wird. Zu einer konsensualen Abwicklungsvereinbarung vgl. Wudy, ZNotP 2001, 142.
IV. Freistellungsansprüche des Erwerbers wegen Erschließungs- und Anliegerbeiträgen 1080 Die meisten Bauträgerverträge sind so gestaltet, dass im Schlüsselfertigpreis – ausdrücklich oder kraft Auslegung – Erschließungs- und Anliegerbeiträge enthalten sind, jedenfalls für Maßnahmen, die bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von der Gemeinde eingeleitet worden sind, egal, wann später die Abrechnung durch förmliche Beitragsbescheide erfolgt. Das hiermit verbundene Kostenrisiko muss der Bauträger kalkulieren und in den Gesamtpreis einstellen. OLG Karlsruhe ZIP 1986, 1404, 1405, dazu EWiR 1986, 1223 (Brehm).
1081 Misslich für den Erwerber ist es, wenn er seine abschließenden Zahlungen an den später insolventen Bauträger zeitlich weit vor dem förmlichen Beitragsbescheid, der ihm als Eigentümer des Grundstücks zugestellt wird, leistet: Zwar hat dann der Erwerber aus dem Bauträgervertrag einen Freistellungsanspruch gegen den Bauträger, gerichtet auf direkte Zahlung der Beitragssumme an die Gemeinde oder unter den Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 BGB direkt an ihn. BGH NJW 1993, 2232, 2233.
1082 Dieser Freistellungsanspruch ist jedoch in der Insolvenz des Bauträgers wertlos, sodass im Ergebnis der Erwerber doppelt zahlt: einmal an den Bauträger, ein weiteres Mal an die Gemeinde. 1083 Doch selbst wenn zum Zeitpunkt des Beitragsbescheids noch offene Forderungen des Verwalters im Raume stehen, kann die Rechtslage für den Erwerber mangels Aufrechnungsmöglichkeit prekär sein: 1084 Es ist dann § 103 InsO anwendbar, OLG Karlsruhe = ZIP 1986, 1404, 1405 r. Sp.,
sodass bei ausbleibender Erfüllungswahl der Erwerber einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann. Der Freistellungsanspruch gegen den Bauträger wird normalerweise erst im selben Zeitpunkt wie die Beitrags-
262
IV. Freistellungsansprüche des Erwerbers wegen Erschließungs- und Anliegerbeiträgen
pflicht des Erwerbers fällig. Diese wiederum ist im Regelfall einen Monat nach der Zustellung der Beitragsbescheide durch die Gemeinde fällig. BGH NJW 1993, 2232, 2233 l. Sp.
Die Restforderung der Insolvenzmasse aus dem Bauträgervertrag wegen des 1085 erbrachten (Teil-)Werks kann dagegen mit der Verfahrenseröffnung fällig geworden sein, wenn zu diesem Zeitpunkt das Bauwerk entweder abgenommen oder wenigstens abnahmefähig war; die Zuleitung einer Rechnung ist keine Fälligkeitsvoraussetzung. Liegt dieser Zeitpunkt vor der Fälligkeit des Freistellungsanspruchs, so dürfte dem Erwerber die Aufrechnung verwehrt sein (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO; siehe Rn. 578 f.). Anders wäre zu entscheiden, wenn man zwischen dem Anspruch des Verwalters auf Zahlung des offenen Resterwerbspreises und dem Freistellungsanspruch des Erwerbers eine hinreichend enge synallagmatische Verknüpfung annimmt und deshalb § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO im Ergebnis telelogisch reduziert (siehe Rn. 428 ff.); dies erscheint jedoch eher problematisch. Vor diesem rechtlichen Hintergrund wird das Insolvenzrisiko zugunsten des 1086 Erwerbers verringert, wenn er – bei entsprechender Reduzierung des Gesamtpreises – im Bauträgervertrag die Kosten für Erschließungs- und Anliegerabgaben selbst übernimmt. Er zahlt dann von vornherein einen verringerten Betrag an den Bauträger, profitiert davon, dass die Abgaben erst später zu bezahlen sind, und schaltet das Risiko aus, zweimal bezahlen zu müssen. Basty, IBR 1999, 167.
263
E. Prozessuale Fragen I. Bindung des Verwalters an eine Schiedsgerichtsvereinbarung Etliche Bau- oder ARGE-Verträge sehen vor, dass Streitigkeiten zwischen den 1087 Vertragsparteien nicht vor den ordentlichen Gerichten, sondern vor einem Schiedsgericht geklärt werden. An solche Vereinbarungen ist auch der Verwalter gebunden. BGH ZIP 2009, 627 Rn. 11 m. w. N., dazu EWiR 2009, 451 (Wirth/Undritz); BGH ZIP 2011, 1477 Rn. 14 m. w. N., dazu EWiR 2011, 545 (Prütting).
Lediglich Rechte des Verwalters, die sich nicht unmittelbar aus dem vom 1088 Schuldner geschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der InsO beruhen und damit der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogen sind, werden von der Schiedsgerichtsvereinbarung nicht erfasst. BGH ZInsO 2004, 88 (zum insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch); BGH ZIP 2011, 1477 Rn. 14 (zum Wahlrecht des Verwalters nach § 103 InsO).
Eine derartige Rechtsstellung hat der Verwalter nicht inne, wenn er gem. § 166 1089 Abs. 2 InsO die vom Schuldner sicherungsabgetretene Forderung einklagt. Ebenso wie der Abtretungsempfänger sich gem. § 404 BGB die Schiedsabrede hätte entgegenhalten lassen müssen, ist der Verwalter in dieser Fallgruppe an die Schiedsabrede gebunden. BGH ZIP 2013, 1539 Rn. 9 ff., dazu EWiR 2013, 659 (Flöther/Gelbrich).
Der Verwalter kann sich regelmäßig von dieser Bindung nicht durch eine Insolvenzanfechtung lösen, weil jedenfalls eine Gläubigerbenachteiligung nicht ersichtlich ist. Kück, ZInsO 2006, 11, 13 f.
Jedoch kann sich der Verwalter darauf berufen, dass die Schiedsvereinbarung undurchführbar geworden ist, weil er wegen Masseunzulänglichkeit die Kosten des Schiedsverfahrens nicht aufzubringen vermag und auch nicht anderweit für eine Kostendeckung gesorgt ist. In diesem Fall fällt die Schiedsvereinbarung ex lege weg, und der Verwalter kann – wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind –Prozesskostenhilfe erhalten, um seine behauptete Forderung vor den staatlichen Gerichten durchzusetzen. OLG Köln ZIP 2013, 2024 m. w. N. zur Rechtsprechung des BGH.
265
E. Prozessuale Fragen
II. Prozessunterbrechung 1. Verfahren vor den ordentlichen Gerichten 1090 Gemäß § 240 Satz 1 ZPO werden die die Insolvenzmasse betreffenden Rechtsstreitigkeiten unterbrochen, bis sie nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen werden oder das Insolvenzverfahren beendet wird. 1091 Ferner kommt es gem. § 240 Satz 2 ZPO auch vor förmlicher Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Unterbrechung, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Verwalter übergegangen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO). Hierfür muss das Insolvenzgericht dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen. 1092 Die Auferlegung des Zustimmungsvorbehalts gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO reicht für die Anwendung von § 240 Satz 2 ZPO nicht aus, weil dadurch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht auf den vorläufigen Verwalter übergehen. BGH ZIP 1999, 1314, 1315 l. Sp.
1093 Selbstständige Beweisverfahren werden dagegen im Stadium vor Beendigung der Beweisaufnahme nicht nach § 240 ZPO unterbrochen (Rn. 1101 f.). 2. Schiedsgerichtsverfahren 1094 § 240 ZPO gilt für Schiedsgerichtsverfahren nicht. BGH ZIP 2009, 627 Rn. 28, dazu EWiR 2009, 451 (Wirth/Undritz).
1095 Sehr einsichtig ist dies nicht, da gerade in Aktivprozessen der Verwalter die Chance haben muss, sich – wie bei Rechtsstreitigkeiten vor den staatlichen Gerichten – in die Angelegenheit einzuarbeiten, das Prozess- und Kostenrisiko abzuwägen, die Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss herbeizuführen usw. Richtigerweise ist daher von einer Unterbrechung auszugehen. In Passivprozessen gilt nichts anderes, wobei immerhin der Bundesgerichtshof verlangt, dass das Verfahren nicht weiter betrieben wird, bis Gelegenheit bestand, die Forderung anzumelden und das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren durchzuführen. BGH ZIP 2009, 627 Rn. 28; Longrée/Gantenbrink, SchiedsVZ 2014, 21, 26 li. Sp.
sprechen insoweit zutreffend und plastisch von einer „(nur) faktischen Unterbrechung des Prozesses. 1096 Erlässt das Schiedsgericht in Kenntnis der förmlichen Insolvenz des Beklagten gegen diesen einen Schiedsspruch, in dem es ihn zur Zahlung an den Kläger verurteilt, kann der Kläger erreichen, dass der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wird mit der Maßgabe, dass der Anspruch zur Insolvenztabelle 266
III. Sonderprobleme des selbstständigen Beweisverfahrens
festgestellt wird. Voraussetzung dafür sind Umstände, aus denen sich ergibt, dass die im Schiedsspruch ausgesprochene Zuerkennung von Forderungen dem Kläger nur ein Recht auf insolvenzmäßige Befriedigung verschaffen sollte. BGH ZIP 2009, 627 Rn. 10 ff.; OLG Stuttgart ZInsO 2014, 720, 721 l. Sp.
Eine Anerkennung ist jedoch nur in dem Umfang möglich, in dem die 1097 Hauptforderung zur Insolvenztabelle angemeldet worden ist. BGH ZIP 2009, 627 Rn. 20 ff.; OLG Stuttgart ZInsO 2014, 720, 721 l. Sp.
Richtigerweise hat also der Schiedskläger nach Eröffnung des Insolvenzver- 1098 fahrens über das Vermögen des Beklagten die Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden und im Fall des Bestreitens durch den Verwalter im Schiedsverfahren einen geänderten, auf Feststellung zur Insolvenztabelle gerichteten Klageantrag zu stellen. Longrée/Gantenbrink, SchiedsVZ 2014, 21, 21f.
Widerspricht nicht nur der Verwalter, sondern auch ein anderer Insolvenz- 1099 gläubiger der Feststellung der Forderung, scheidet es aus, die Feststellung gegen beide Widersprechenden im Schiedsgerichtsverfahren zu betreiben. Anders als der Verwalter ist der Insolvenzgläubiger an die Schiedsvereinbarung, die der Schuldner mit dem Schiedskläger traf, nicht gebunden. Der Schiedskläger muss daher gegen den widersprechenden Gläubiger separat vor den ordentlichen Gerichten klagen, um auch dessen Widerspruch zu beseitigen (vgl. §§ 178 Abs. 1 Satz, 179 Abs. 1 InsO). Damit besteht die Gefahr divergierender Entscheidungen. Longrée/Gantenbrink, SchiedsVZ 2014, 21, 22 ff.
III. Sonderprobleme des selbstständigen Beweisverfahrens Für das selbstständige Beweisverfahren sind vier Konstellationen zu unter- 1100 scheiden, wenn man die richtigen Antworten insbesondere auf folgende Fragen erhalten will: Welche Auswirkungen haben die im selbstständigen Beweisverfahren getroffenen Feststellungen? Wird ein selbstständiges Beweisverfahren durch die Verfahrenseröffnung unterbrochen (§ 240 Satz 1 ZPO)? Kann der Beteiligte, der im selbstständigen Beweisverfahren dem Schuldner und/oder dem Verwalter gegenüber steht, aus der Masse Erstattung der ihm entstandenen Kosten verlangen oder handelt es sich um einfache Insolvenzforderungen? 1. Der Schuldner als Antragsgegner in einem vor Verfahrenseröffnung eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren a) Keine Unterbrechung des Verfahrens Auch wenn aufgrund der systematischen Stellung des § 240 ZPO dieser auf 1101 das in der Regel kontradiktorische selbstständige Beweisverfahren anwend267
E. Prozessuale Fragen
bar zu sein scheint, steht diese Norm mit Sinn und Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens nicht in Einklang und ist daher auf dieses Verfahren nicht anzuwenden. Das selbstständige Beweisverfahren soll dem Antragsteller zum einen ermöglichen, Beweise schnell auch ohne Zustimmung des Gegners und unabhängig von einem Streitverfahren zu sichern, wenn der Verlust oder die erschwerte Benutzung eines Beweismittels zu besorgen ist. Zum anderen kann ein solches Verfahren tatsächliche Vorfragen für die Beurteilung eines Anspruchs klären. Um diese Ziele zu erreichen, ist das Verfahren möglichst zügig und ohne die mit einer Unterbrechung nach § 240 ZPO verbundene zeitliche Verzögerung durchzuführen. Auch nur geringe Verzögerungen können dazu führen, dass Beweismittel verloren gehen oder bedeutsame tatsächliche Umstände nicht mehr feststellbar sind. Dem Verwalter dient das baldige Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens als Grundlage für weitere Entscheidungen, etwa Vergleichsgespräche mit dem Antragsteller. Eine Überlegungsfrist für das weitere Vorgehen, die eine Unterbrechung rechtfertigen könnte, benötigt der Verwalter nicht, da es nur um eine vorweggenommene Beweisaufnahme, nicht um die Klärung möglicherweise schwieriger Rechtsfragen geht. BGH ZIP 2004, 186 = ZVI 2004, 255 = ZfIR 2004, 123, dazu EWiR 2004, 309 (Stickelbrock).
(Vorstehendes gilt aber nicht, wenn im Beweisverfahren die Beweisaufnahme beendet und damit das Verfahren sachlich abgeschlossen ist [siehe Rn. 1117]). 1102 Infolgedessen ist das Rubrum im selbstständigen Beweisverfahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens dahingehend zu berichtigen, dass Antragsgegner nunmehr der Verwalter ist. Einer Zustimmung oder einer Erklärung des Verwalters, er schließe sich dem Beweisverfahren an, so aber offenbar OLG Celle, DZWIR 2005, 257,
bedarf es hierfür nicht, da diese zwangsläufige Rubrumsberichtigung keine Masseverbindlichkeiten auszulösen vermag (siehe Rn. 1105 ff.). 1103 Dem OLG Celle ist zuzugestehen, dass es sich für seine Rechtsauffassung auf eine Bemerkung des Bundesgerichtshofs stützen kann, wonach der Verwalter „am selbstständigen Beweisverfahren nicht beteiligt ist“. BGH ZIP 2004, 186, 187 l. Sp. = ZVI 2004, 255 = ZfIR 2004, 123.
1104 Wenn man daraus ableiten wollte, dass weiterhin allein der Schuldner Verfahrensbeteiligter ist, stellen sich gerade in der Insolvenz juristischer Personen Probleme mit der Zuleitung von Schriftsätzen und Gutachten, wenn sich das Beweisverfahren länger hinzieht. Da nach richtiger Betrachtung die Rubrumsumschreibung keine negativen Kostenfolgen für die Masse herbeiführt (siehe Rn. 1105 ff.), ist sie zur Vermeidung dieser Probleme geboten.
268
III. Sonderprobleme des selbstständigen Beweisverfahrens
b) Insolvenzrechtlicher Status der dem selbstständigen Beweisverfahren zugrunde liegenden Ansprüche (inkl. etwaiger Kostenerstattungsansprüche) Denklogisch müssen die dem selbstständigen Beweisverfahren zugrunde lie- 1105 genden materiellen Ansprüche (in der Regel handelt es sich um Ansprüche von Bestellern gegen den Unternehmer = Schuldner auf Mängelbeseitigung) vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sein. Sie haben daher den Status einfacher Insolvenzforderungen. Der Umstand, dass trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein selbst- 1106 ständiges Beweisverfahren fortgeführt und nicht unterbrochen wird, ändert an diesem insolvenzrechtlichen Status nichts, und zwar selbst dann nicht, wenn der Verwalter sich am selbstständigen Beweisverfahren beteiligt, etwa zu einem Sachverständigengutachten Ergänzungsfragen stellt. Mangels Unterbrechung des selbstständigen Beweisverfahrens hat der Verwalter keine Wahl, ob er es weiterführt oder nicht. Es fehlt daher an jedweder Willensbetätigung des Verwalters, die es rechtfertigen könnte, etwa über § 55 Abs. 1 InsO eine Masseverbindlichkeit anzunehmen. Daher ist der Verwalter nicht dazu verpflichtet, einen etwa für Ergänzungs- 1107 fragen des Unternehmers vom Gericht festgesetzten Vorschuss an den Sachverständigen zu leisten. Er kann dies tun, wenn er sich von der Beantwortung der Ergänzungsfragen einen Vorteil für die Masse erwartet (weil z. B. Mängelansprüche gegen einen nominal bestehenden Werklohnanspruch abgewehrt werden sollen), er muss es aber nicht. Diese insolvenzrechtlich zwingende Rechtslage muss für den Antragsteller 1108 im Einzelfall Anlass sein, sehr kritisch die Fortführung des selbstständigen Beweisverfahrens zu hinterfragen: Beispiele: Die Ausgangssituation ist in allen Beispielen die gleiche: Ein Besteller leitet rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung gegen einen Unternehmer ein selbstständiges Beweisverfahren wegen Mängeln ein. Wegen der Komplexität der Fragestellungen ist der vom Besteller bezahlte Vorschuss auf die Sachverständigenkosten von 5.000 € bereits verbraucht, sodass der Sachverständige mit Billigung des Gerichts einen weiteren angemessenen Vorschuss von 15.000 € anfordert. Parallel wird über das Vermögen des Antragsgegners/Unternehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet. 1. Der Besteller hat bisher nominal unstreitigen Werklohn von 200.000 € wegen der vom Unternehmer nicht beseitigten Mängel einbehalten, aber hierzu mit dem Unternehmer Vereinbarungen über die Verlängerung der Verjährung getroffen, sodass der Werklohnanspruch nicht verjährt ist. Je nach Ausgang des selbstständigen Beweisverfahrens möchte der Besteller mit den Mängelbeseitigungskosten, die der Sachverständige feststellt, und den Verfahrenskosten aufrechnen. 269
E. Prozessuale Fragen
2. Der Besteller hält eine Mängelanspruchsbürgschaft in Händen über 150.000 €, die er nach einem entsprechenden Ergebnis des Beweisverfahrens in Anspruch nehmen möchte. 3. Der Besteller hat weder eine Bürgschaft noch nicht ausgezahlten Werklohn als Sicherheit und möchte nach Abschluss des Beweisverfahrens Ansprüche gegen den Unternehmer notfalls gerichtlich mit einer Hauptsacheklage durchsetzen. 1109 In den Beispielen 1 und 2 ist es geboten, das Beweisverfahren fortzuführen und den weiteren Vorschuss einzuzahlen, wenn die Mängelbehauptungen des Bestellers hinreichende Substanz haben. 1110 Im Beispiel 1 kann der Besteller mit etwa vom Gutachter festgestellten Mängelbeseitigungskosten (nach Umwandlung in einen Zahlungsanspruch kraft etwa noch notwendiger erstmaliger, fruchtloser Aufforderung an den Verwalter, die Mängel zu beseitigen) und mit den Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gegen den Werklohnanspruch aufrechnen. Jedenfalls bis zur Höhe des einbehaltenen Werklohns erlangt er 100 %ige Befriedigung. 1111 Nicht anders ist im Beispiel 2 die Interessenlage des Bestellers, da er nach Umwandlung des Nacherfüllungs- in einen Zahlungsanspruch gegen den Bürgen vorgehen kann, und zwar auch wegen der Kosten des Beweisverfahrens. Allerdings sollte der Besteller spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers darauf achten, dass er den Bürgen an die im selbstständigen Beweisverfahren getroffenen Feststellungen bindet (z. B. durch eine Erweiterung des Antrags gegen den Bürgen, sofern das angerufene Gericht auch insoweit örtlich zuständig ist). 1112 Im Beispiel 3 ist die Fortführung des selbstständigen Beweisverfahrens regelmäßig wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, es sei denn, es wäre ausnahmsweise mit einer Quote auf Insolvenzforderungen zu rechnen, die deutlich oberhalb der üblicherweise erwartbaren von maximal 1 – 3 % liegt. Selbst wenn das Beweisverfahren Mängelrügen des Bestellers in Höhe von 200.000 € bestätigt, erhält der Besteller hierauf mit deutlicher Verspätung maximal 2.000 € – 6.000 €, außerdem mit gleicher Quote die Verfahrenskosten. Der Umstand, dass er den weiteren Vorschuss erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einzahlt, führt zu keiner anderen Bewertung, da dies am insolvenzrechtlichen Status der Hauptsache (und der mit ihr zusammenhängenden Nebenforderungen) nichts ändert. 1113 Der Besteller muss daher versuchen, das Beweisverfahren ohne weitere Kosten zu beenden. Er darf allerdings keinesfalls vorschnell den Antrag auf Durchführung des Beweisverfahrens zurücknehmen oder das Verfahren für erledigt erklären, weil dies die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nach sich zieht. BGH BauR 2005, 133, 134 f.
270
III. Sonderprobleme des selbstständigen Beweisverfahrens
In Betracht kommt in diesen Fällen ein die Hauptsache abschließend be- 1114 handelnder Vergleich mit dem Verwalter, der eine Antragsrücknahme vorsieht, wobei der Verwalter auf einen Kostenantrag verzichtet. Dieser Weg schaltet ferner das Risiko aus, dass etwa dem Unternehmer beigetretene Streithelfer einen Kostenerstattungsanspruch gem. §§ 101, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO gegen den Besteller durchsetzen können. Bei einer Klagerücknahme – für eine Antragsrücknahme gilt nichts anderes – geht die Kostenregelung des Vergleichs der gesetzlichen Regelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO vor. BGH ZfBR 2004, 783, 784.
c) Kostenerstattungsanspruch des Verwalters Ungemach droht dem Besteller/Antragsteller in weiterer Hinsicht, nämlich 1115 in Form von Kostenerstattungsansprüchen des Verwalters. Diese sind Folge einer als Antragsrücknahme zu behandelnden Vorgehensweise (siehe Rn. 1113), können sich aber auch aus § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ergeben: Vor allem dann, wenn das Gutachten nach Einschätzung des Verwalters die Behauptungen des Antragstellers/Bestellers nicht bestätigt, wird der Verwalter Interesse daran haben, dass die vom Schuldner aufgewendeten Kosten (eigene anwaltliche Vertretung im selbstständigen Beweisverfahren) vom Antragsteller zur Insolvenzmasse ersetzt werden. Grundsätzlich ergeht im selbstständigen Beweisverfahren keine Kosten- 1116 grundentscheidung. Vielmehr wird über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens in der Kostengrundentscheidung der anschließenden Hauptsacheklage befunden. Da der Besteller eine solche bei für ihn ungünstigem Beweisergebnis nicht führt, kann der Verwalter erwägen, ihn über § 494a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO zur Kostenerstattung zu zwingen. Dies würde voraussetzen, dass zunächst auf Antrag des Verwalters hin gem. § 494a Abs. 1 ZPO das Gericht dem Besteller Frist zur Klageerhebung setzt. Aufgrund einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist fraglich ge- 1117 worden, ob der Verwalter so mit Erfolgsaussicht vorgehen kann. Der Bundesgerichtshof stellt zunächst klar, dass nach Abschluss der Beweisaufnahme, die den sachlichen Abschluss des Beweisverfahrens darstellt, § 240 ZPO uneingeschränkt gilt, also insbesondere auch ein Verfahren nach § 494a ZPO unterbrochen wird. BGH BauR 2011, 1199 Rn. 6 – 8.
Darüber hinaus versperrt der Bundesgerichtshof dem Verwalter dauerhaft 1118 den Weg, über einen neuen Antrag nach § 494a ZPO einen Kostenerstattungsanspruch herbeizuführen: Dem Besteller/Antragsteller ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners „nicht mehr möglich. Eine Klage der Antragstellerin gegen die Schuldnerin wäre ebenso wie eine Klage gegen den Insolvenzverwalter unzulässig gewesen. Das Nichtbefolgen der getroffenen Anordnung kann deshalb nicht mit einer ne-
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E. Prozessuale Fragen
gativen Kostenfolge sanktioniert werden. Die von der Antragstellerin geltend zu machenden Ansprüche können nur noch durch Anmeldung zur Insolvenztabelle verfolgt werden (§§ 87, 174 InsO). Eine Fristsetzung hierzu mit negativer Kostenfolge im Falle der Nichtbefolgung sieht das Gesetz nicht vor.“ BGH BauR 2011, 1199 Rn. 10.
1119 Auch wenn die Praxis sich wohl künftig an dieser Aussage des Bundesgerichtshofs orientieren wird, scheint Letztere mir im Hinblick auf den vom Bundesgerichtshof zitierten § 87 InsO und das Bedürfnis, im Einzelfall eine Erstattung der vom Schuldner aufgewendeten Kosten durchzusetzen (ein anderer Weg als der über § 494a ZPO ist schwer denkbar; für einen materiellrechtlichen Schadensersatzanspruch wird es, wenn es zur Frage, ob „Mängel“ im Rechtssinn vorlagen, vertretbar unterschiedliche Bewertungen geben konnte, oft am Verschulden des Bestellers fehlen), nicht richtig. Zwar regelt § 494a ZPO nicht explizit, wie zu verfahren ist, wenn der Antragsgegner in Insolvenz fällt. Das schließt aber den Rückgriff auf die in § 87 InsO fixierte allgemeine Regel nicht aus, nach der eben derjenige, der sich einer einfachen Insolvenzforderung berühmt, nicht direkt gegen den Verwalter Klage erheben kann, sofern er nicht davor die Forderung zur Tabelle anmeldet und hiergegen Widerspruch erhoben wird. Etwa MünchKomm-Breuer, InsO, § 87 Rn. 15.
1120 Dies vorausgeschickt, stehen gleichwohl die darauf aufbauenden nachfolgenden Überlegungen, ähnlich wie hier BeckOK ZPO/Jaspersen, § 240 Rn. 2.14,
eben in Widerspruch zur oben dargelegten Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs, worauf nochmals hingewiesen sei: 1121 Auf entsprechenden Antrag des Verwalters nach § 494a Abs. 1 ZPO hin hat das mit dem Beweisverfahren befasste Gericht dem Antragsteller eine Frist zu setzen, und zwar darauf gerichtet, die vermeintliche Forderung nach den Regeln der InsO zur Insolvenztabelle anzumelden und ggf. – falls der Verwalter bestreitet – eine Feststellungsklage zu führen. Das LG Dortmund, LG Dortmund, Beschl. v. 27.11.2006 – 6 OH 9/02,
setzt demnach dem Antragsteller zwei Fristen: eine zur Anmeldung der angeblichen, in Geld umgerechneten Forderung zur Insolvenztabelle, eine zweite von einem Monat nach Zugang eines Bestreitens, falls der Antragsteller innerhalb der ersten Frist angemeldet und der Verwalter bestritten hat. 1122 Dagegen hat der Schuldner nach Verfahrenseröffnung kein Recht, einen solchen Antrag nach § 494a ZPO zu stellen. OLG Zweibrücken ZInsO 2005, 383.
272
III. Sonderprobleme des selbstständigen Beweisverfahrens
Stellt der Verwalter die daraufhin fristgerecht vom Besteller angemeldete 1123 Forderung doch fest, so ist für eine Kostenentscheidung zulasten des Bestellers gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO kein Raum mehr. Lässt dagegen der Besteller die gesetzte Frist verstreichen, ohne die Forderung anzumelden bzw. – im Fall des Bestreitens – eine Forderungsfeststellungsklage einzureichen (§§ 180 ff. InsO; dazu Rn. 1124, 1149 ff.), so ergeht auf weiteren Antrag des Verwalters hin gegen ihn eine Kostengrundentscheidung gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die anschließend festgesetzten Kosten muss der Besteller an die Insolvenzmasse bezahlen. Unzutreffend ist die Auffassung des Kammergerichts,
1124
KG ZinsO 2003, 802, 803 l. Sp. (aufgehoben durch BGH BauR 2005, 133),
wonach es reicht, wenn der Gläubiger ankündigt, seine Forderung zur Tabelle anzumelden. Wie ausgeführt, stellen gemäß § 87 InsO in der Insolvenz des Antragsgegners die Anmeldung zur Tabelle und eine etwa notwendige Feststellungsklage die „Hauptsacheklage“ i. S. d § 494a Abs. 1 ZPO dar. Dem Besteller ist es zumutbar, die Anmeldung zur Tabelle innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist tatsächlich vorzunehmen, anstatt sie bloß anzukündigen. Unbeachtlich ist der Einwand des Bestellers, die Fristsetzung sei schikanös 1125 und eine Klage sei aus wirtschaftlichen Gründen nunmehr sinnlos. OLG Dresden ZIP 1999, 1814, 1815; OLG Hamm IBR 2008, 60; OLG Frankfurt/M. NJW-RR 2008, 1552; LG Göttingen BauR 1998, 590; a. A. OLG Rostock BauR 1997, 169; OLG Karlsruhe BauR 2003, 1931, 1932 r. Sp. (vermögensloser Antragsgegner, kein förmliches Insolvenzverfahren); OLG Schleswig NZBau 2014, 361 (ebenfalls vermögensloser Antragsgegner, kein förmliches Insolvenzverfahren).
d) Gegenstandswert Der Gegenstandswert des Beweisverfahrens bemisst sich nach folgender ge- 1126 nereller, von der Insolvenz des Unternehmers zunächst unabhängiger Regel: Maßgeblich sind nicht allein die vom Gutachter festgestellten Mängelbeseitigungskosten, sondern darüber hinaus die Beseitigungskosten, die hinsichtlich der tatsächlich nicht bestätigten Behauptungen des Bestellers zuträfen, wenn die Mängelbehauptungen bestätigt worden wären. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass dann, wenn im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen sind, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären. BGH ZfIR 2005, 222 (LS) = BauR 2005, 364, 366.
273
E. Prozessuale Fragen
1127 In der Insolvenz des Unternehmers ist ergänzend § 182 InsO zu beachten. Daher ist für den Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gegenstandswert nach der voraussichtlichen Quotenaussicht zu bemessen. OLG München BauR 2004, 1819, 1820.
1128 Dies kann sich etwa auf die Anwaltsgebühren auswirken. Beispiel: Ein Besteller leitet am 1.2. ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Der Beweisbeschluss ergeht am 20.3. Am 1.6. wird über das Vermögen des Unternehmers/ Antragsgegners ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt des Bestellers nimmt an dem am 15.7. vom Sachverständigen durchgeführten Ortstermin teil. Mit dem abschließenden Gutachten bestätigt der Sachverständige ein Jahr später alle Mängelbehauptungen des Bestellers und beziffert die Mängelbeseitigungskosten auf 300.000 €. Die voraussichtliche Quote auf einfache Insolvenzforderungen beträgt 0 %. 1129 Der Gegenstandswert ist bis 1.6. auf 300.000 €, für den Zeitraum danach auf den Auffanggegenstandswert von lediglich bis 300 € festzusetzen. Dem Rechtsanwalt des Bestellers ist daher eine 1,3-Verfahrensgebühr (VV RVG Nr. 3100) aus 300.000 €, hingegen eine Terminsgebühr (VV RVG Nr. 3104 i. V. m. Vorbemerkung 3 Abs. 3) lediglich aus einem Streitwert bis 300 € entstanden. Praxistipp: Diese Rechtslage übersehen die Instanzgerichte regelmäßig. Falls es darauf ankommt, weil etwa die Terminsgebühr aus dem niedrigeren Gegenstandswert erstmals entstanden ist, müssen mit diesen Kosten effektiv – ggf. durch Aufrechnung gegen einen Werklohnanspruch – belastete Verwalter und Bürgen dringend auf die korrekte Festsetzung des Gegenstandswerts hinwirken.
2. Vom Schuldner als Antragsteller vor Verfahrenseröffnung eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren a) Keine Unterbrechung des Verfahrens 1130 Die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs, dass ein selbstständiges Beweisverfahren vor Beendigung der Beweisaufnahme nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen wird, erging zu der gegenläufigen Konstellation, nämlich dass der Schuldner Antragsgegner ist (siehe Rn. 1101). Dafür, dass die Kernaussage des Bundesgerichtshofs nicht generell gelten sollte, ist jedoch nichts ersichtlich. Im Gegenteil: Wenn der Schuldner Antragsteller ist, besteht abstrakt Anlass zur Vermutung, dass ihm gegen den Antragsgegner Ansprüche zustehen könnten, deren tatsächliche Voraussetzungen in einem Eilverfahren zu klären sind. Der Verwalter ist daher daran interessiert, dass es zu keiner Unterbrechung kommt. Sofern gerade nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Verwalter als nunmehriger Antragsteller Kostenvorschüsse zu leisten hat, muss er sich um eine schnelle Klärung bemühen, ob die Weiter-
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III. Sonderprobleme des selbstständigen Beweisverfahrens
führung des Beweisverfahrens hinreichend erfolgversprechend ist und den Einsatz von Mitteln der Insolvenzmasse rechtfertigt. Das Gericht wird vor diesem Hintergrund gleichwohl zur Einzahlung gesetzte Fristen großzügig zu verlängern haben. Zu berichtigen ist wiederum das Rubrum dergestalt, dass ab Eröffnung des 1131 Insolvenzverfahrens der Verwalter Antragsteller ist. b) Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Antragsgegner durch den Verwalter Leistet der Antragsgegner nach Abschluss des Beweisverfahrens nicht, ob- 1132 wohl dieses mit einem für den Verwalter günstigen Ergebnis geendet hat, kann der Verwalter die der Masse zustehenden Ansprüche einklagen. Unterliegt er in diesem Hauptsacheprozess, hat er – wie für jeden anderen vom Verwalter selbst angestrengten Prozess auch – die dem Gegner erwachsenen Kosten aus der Masse zu erstatten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Ausnahmsweise dürften in einem solchen Fall auch vom Gegner im selbstständigen Beweisverfahren aufgewendete Anwaltskosten, die trotz Gebührenanrechnung verbleiben, und sonstige ihm im Beweisverfahren erwachsene Kosten aufgrund der im Hauptsacheprozess ergehenden einheitlichen Kostenentscheidung (§ 91 ZPO) aus der Masse zu erstatten sein. Der Verwalter hat es nämlich in der Hand zu entscheiden, ob er den Hauptsacheprozess führt oder nicht, und muss daher die kostenrechtlichen Konsequenzen tragen. c) Kostenerstattungsansprüche des Antragsgegners und der Justiz Leitet der Verwalter nach Abschluss des Beweisverfahrens den Hauptsache- 1133 prozess ein, ergeht in diesem eine einheitliche Kostenentscheidung auch über die dem Antragsgegner im Beweisverfahren entstandenen Kosten. Unterbleibt eine Hauptsacheklage – etwa weil die Behauptungen des Schuldners/ Verwalters nicht bestätigt wurden –, gilt für Kostenerstattungsansprüche des Antragsgegners, vor allem wegen Rechtsanwaltskosten, Folgendes: Da diese ihren Grund in der Einleitung des Beweisverfahrens durch den 1134 Schuldner haben, handelt es sich nur um einfache Insolvenzforderungen. Die Fortführung des Beweisverfahrens und die Rubrumsberichtigung auf den Verwalter ändern daran nichts, weil der Verwalter nicht Einfluss in der in § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgesehenen Weise nahm, sondern aufgrund der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Beweisverfahren ohne Einwirkungsmöglichkeit des Verwalters seinen Fortgang nahm. I. E. übereinstimmend OLG Dresden, NZI 2002, 688.
Der Antragsgegner kann seine Forderung gem. §§ 174 ff. InsO geltend machen. 1135 Bestreitet der Verwalter die Forderung, ist nicht eine Feststellungsklage gem. § 180 Abs. 1 Satz 1 InsO zulässig, sondern steht dem Antragsgegner zunächst ein einfacherer Weg zu Gebote: Er kann gem. § 494a ZPO eine Kosten-
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E. Prozessuale Fragen
grundentscheidung erlangen. In der nach unterlassener Hauptsacheklage ergehenden Kostengrundentscheidung gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist klarzustellen, dass der Kostenerstattungsanspruch des Antragsgegners nicht den Status einer Masseforderung, sondern nur einer Insolvenzforderung hat. Die daraufhin in einem Kostenfestsetzungsbeschluss – als einfache Insolvenzforderungen – festgesetzten Kosten kann der Besteller nunmehr erneut anmelden. Will der Verwalter erneut bestreiten, obliegt es wegen § 179 Abs. 2 InsO ihm, den Widerspruch zu verfolgen. Wie ein solcher Widerspruch erfolgreich sein könnte, ist nicht ersichtlich. A. A. – Ausschluss des Vorgehens gem. § 494a ZPO – wohl auch in dieser Konstellation BGH BauR 2011, 1199 Rn. 6 – 8 (siehe Rn. 1117).
1136 Die Justiz kann sich gem. § 17 Abs. 1 GKG mit Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens durch vom Antragsteller einzuzahlende Vorschüsse auf die Auslagen (die gesamten durch gerichtliche Handlungen voraussichtlich entstehenden Kosten inkl. der des Sachverständigen) absichern. Verbleiben trotzdem am Ende des Beweisverfahrens offene Kosten, begründet die Nachzahlungspflicht des Schuldners/Verwalters nur eine einfache Insolvenzforderung. d) Gegenstandswert 1137 Er bemisst sich nach den allgemeinen Regeln (Rn. 1126). § 182 InsO gelangt nicht zur Anwendung, es sei denn, dass auch der Antragsgegner in Insolvenz fällt. 3. Nach Verfahrenseröffnung gegen den Verwalter eingeleitetes selbstständiges Beweisverfahren a) Insolvenzrechtlicher Status der verfahrensgegenständlichen Ansprüche 1138 Wird ein Beweisverfahren erst nach Eröffnung des Verfahrens eingeleitet, hängt der insolvenzrechtliche Status der Forderung des Antragstellers/Bestellers, zu dessen vorbereitender Klärung das selbstständige Beweisverfahren dient, davon ab, ob es um Mängel einer vorinsolvenzlich vom Schuldner erbrachten Leistung oder einer vom Verwalter erbrachten Leistung geht, die dieser zu einem von ihm zur Erfüllung gewählten oder einem neu mit ihm abgeschlossenen Vertrag abliefert. In der ersten Fallgruppe haben Forderungen des Antragstellers nur den Status einer einfachen Insolvenzforderung, da es nicht in der Rechtsmacht des Antragstellers liegt, durch den Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens eine vorinsolvenzlich angelegte Forderung zur Masseverbindlichkeit zu erheben. In der zweiten Fallgruppe handelt es sich bei Ansprüchen des Bestellers um Masseverbindlichkeiten.
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III. Sonderprobleme des selbstständigen Beweisverfahrens
b) Zulässigkeit ohne vorhergehende Forderungsanmeldung In der zweiten Fallgruppe ist klar, dass der Besteller seine Ansprüche nicht 1139 zuerst zur Insolvenztabelle anmelden muss. Die §§ 174 ff. InsO gelten für einfache Insolvenzforderungen, nicht für Masseverbindlichkeiten. Aber auch in der ersten Fallgruppe ist es dem Besteller gestattet, das selbst- 1140 ständige Beweisverfahren einzuleiten, ohne vorher die zugrunde liegenden Ansprüche zur Insolvenztabelle anzumelden und das Ergebnis der Prüfung abzuwarten. Dies folgt aus dem vom Bundesgerichtshof hervorgehobenen Eilcharakter des Beweisverfahrens. Daher ist es dem Besteller nicht zuzumuten, ein sich oft über Monate oder Jahre hinziehendes Prüfungsverfahren durchlaufen und parallel den Verlust der Beweismittel befürchten zu müssen. Auf einem anderen Blatt steht aber, ob es im Hinblick auf Kostenerstattungsansprüche sinnvoll ist, das Beweisverfahren ohne vorherige Forderungsanmeldung und den Abschluss der Prüfung einzuleiten. Praxistipp: Dient das selbstständige Beweisverfahren allein dazu, eine Bürgschaft in Anspruch zu nehmen, ist kein Grund dafür ersichtlich, es (nur) gegen den Verwalter zu richten. Insbesondere bindet das Ergebnis eines selbstständigen Beweisverfahrens den Bürgen in keiner Weise, genauso wenig, wie ein rechtskräftiges Urteil gegen den Schuldner oder Verwalter den Bürgen binden würde (BGH ZIP 1989, 427 (m. Bespr. Reinicke/Tiedtke, S. 613), dazu EWiR 1989, 327 (Medicus). Richtigerweise ist daher das Beweisverfahren (primär) gegen den Bürgen als Antragsgegner zu führen. Der Besteller muss parallel die Verjährung der Hauptschuld im Auge behalten und rechtzeitig auch gegen den Verwalter verjährungshemmende Maßnahmen einleiten.
c) Kostenerstattungsansprüche des Antragstellers In der zweiten Fallgruppe wird regelmäßig aufgrund eines Schadensersatzan- 1141 spruchs oder eines Verzugs des Verwalters eine Erstattungspflicht der Masse für diese Nebenkosten bestehen. In der ersten Fallgruppe ist zu differenzieren: Leitet der Besteller das Beweis- 1142 verfahren wegen Eilbedürftigkeit ein, ohne vorher dem Verwalter durch eine Forderungsanmeldung Gelegenheit gegeben zu haben, die Sache kostengünstig durch Feststellung zur Tabelle aus der Welt zu schaffen, ist nicht ersichtlich, warum der Besteller die Kosten des Beweisverfahrens aus der Masse verlangen könnte. Derartige Ansprüche auf Kostenersatz teilen wiederum das insolvenzrechtliche Schicksal der zugrunde liegenden Hauptforderung (wie Rn. 1105 f.). Meldet der Besteller nach für ihn günstigem Abschluss des Beweisverfahrens seine Insolvenzforderung zur Tabelle an und bestreitet der Verwalter dennoch, erscheint es vertretbar, die Masse im Unterliegensfall in der Kostengrundentscheidung des sodann geführten Feststellungsstreits mit sämtlichen Kosten – auch des Beweisverfahrens – zu belasten. Dafür spricht, dass der Verwalter durch sein Bestreiten die Ursache für diese Feststellungsklage gesetzt hat und ohne die vorhergehenden, nunmehr sofort verwertbaren 277
E. Prozessuale Fragen
Feststellungen aus dem Beweisverfahren (§ 493 Abs. 1 ZPO) im Feststellungsstreit Kosten für die Beweisaufnahme in gleicher Höhe aufgelaufen wären. 1143 Hat der Antragsteller zunächst seine Forderung zur Tabelle angemeldet, der Verwalter sie bestritten, so steht der Antragsteller vor der Entscheidung, ob er sogleich einen Feststellungsstreit gem. §§ 180 ff. InsO führt oder tatsächliche Streitfragen vorab durch ein selbstständiges Beweisverfahren klären lässt. Tut er Letzteres und kann er anschließend einen doch noch notwendigen Feststellungsstreit gem. §§ 180 ff. InsO gegen den Verwalter erfolgreich abschließen, so erfasst die dortige Kostengrundentscheidung die (in Anbetracht der Insolvenzquote meist völlig unverhältnismäßigen) Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens. Diese muss der Verwalter aus der Masse tragen, weil er durch sein unbegründetes Bestreiten der Forderungsanmeldung Anlass zur Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens gegeben hat. Nichts anderes kann gelten, wenn der Verwalter erst nach Vorlage des Gutachtens nachgibt und die bestrittene Forderung nachträglich anerkennt, ohne es noch auf einen aussichtslosen Feststellungsstreit ankommen zu lassen. Auch dann hat er die mit dem selbstständigen Beweisverfahren verbundenen Kosten dem Antragsteller zu erstatten. d) Kostenerstattungsansprüche des Verwalters 1144 Umgekehrt kann der Verwalter nach den oben bereits beschriebenen Grundsätzen eine für sich günstige Kostengrundentscheidung gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO erwirken. Will der Antragsteller auf eine Fristsetzung gem. § 494a Abs. 1 ZPO hin Klage einreichen, so ist wiederum zu differenzieren: In der zweiten Fallgruppe ist nach der einschlägigen materiell-rechtlichen Grundlage auf Mängelbeseitigung, Schadensersatz o. Ä. gegen den Verwalter zu klagen. In der ersten Fallgruppe gelten die oben zu Rn. 1121 ff. ausgeführten Grundsätze entsprechend. e) Gegenstandswert 1145 In der ersten Fallgruppe richtet sich der Gegenstandswert des Verfahrens zunächst nach den allgemeinen Regeln. Das gewonnene Zwischenergebnis ist anhand der voraussichtlichen Quotenaussicht (§ 182 InsO) zu korrigieren (Rn. 1127). In der zweiten Fallgruppe gelten die allgemeinen Regeln. § 182 InsO gelangt nicht zur Anwendung. 4. Verwalter ist Antragsteller eines nach Verfahrenseröffnung eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahrens a) Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Antragsgegner durch den Verwalter 1146 Werden in einem solchen selbstständigen Beweisverfahren die Behauptungen des Verwalters bestätigt, kann er die hieraus resultierenden Ansprüche gegen den Antragsgegner zur Masse ziehen. 278
IV. Sonstige ausgewählte Probleme
b) Kostenerstattungsansprüche des Antragsgegners Der Antragsgegner kann eine für ihn günstige Kostengrundentscheidung über 1147 § 494a ZPO herbeiführen. Da der Verwalter selbst nach Verfahrenseröffnung das selbstständige Beweisverfahren beantragt, er mithin hierdurch beim Antragsgegner Kosten ausgelöst hat, haftet der Verwalter aus der Masse für den Kostenerstattungsanspruch des Antragsgegners (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). c) Gegenstandswert Er bemisst sich nach den allgemeinen Regeln (Rn. 1126). § 182 InsO gelangt 1148 nicht zur Anwendung, es sei denn, dass auch der Antragsgegner in Insolvenz fällt. IV. Sonstige ausgewählte Probleme 1. Feststellungsstreit des Insolvenzgläubigers gegen den Verwalter (§§ 87, 180 ff. InsO) Eine solche Klage ist nur zulässig, wenn vorab der Kläger seine vermeintliche 1149 Forderung zur Tabelle angemeldet (zu Details der Forderungsanmeldung Rn. 784 ff.) und der Verwalter sie nach Prüfung bestritten haben. Von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung ist deshalb die Vorlage des beglaubigten Auszugs aus der Tabelle (§ 179 Abs. 3 Satz 1 InsO). BGH ZIP 2000, 705, 706; BGH ZIP 2009, 483 Rn. 8 m. w. N = ZVI 2009, 105.
Ist die Forderungsanmeldung unwirksam, weil der Grund der Forderung 1150 nicht hinreichend dargelegt ist, kann dahinstehen, ob in einer Klagebegründung eine Neuanmeldung gesehen werden kann. Jedenfalls fehlt es dann an der Sachurteilsvoraussetzung der Durchführung eines Prüfungstermins, in dem die Forderung bestritten wurde. Das Gleiche gilt, wenn im Klageverfahren der Anspruch auf einen neuen Lebenssachverhalt gestützt wird und hierzu noch keine Anmeldung mit Prüfung und Bestreiten durchgeführt wurden. In beiden Fällen bleibt die Klage unzulässig. BGH ZIP 2009, Rn. 17, 25483 = ZVI 2009, 105.
Das förmliche Prüfungsverfahren ist im Interesse der übrigen Insolvenzgläu- 1151 biger, die ordnungsgemäß beteiligt werden müssen, nicht abdingbar. Das Argument des „vorschnellen“ Klägers, der Verwalter bringe durch sein Verhalten im Feststellungsprozess zum Ausdruck, die Forderung bestreiten zu wollen, ist daher unbehelflich. BGH ZIP 2014, 1503 = ZVI 2014, 411 = ZfIR 2014, 572 (LS).
Die Zuständigkeit liegt beim bisher mit der Sache befassten Gericht, falls ein 1152 wegen § 240 ZPO unterbrochener Prozess wieder aufgenommen wird (§ 180 Abs. 2 InsO); die Anträge sind zu ändern.
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E. Prozessuale Fragen Praxistipp: Auch der Umstand, dass gegen den Schuldner ein Prozess anhängig war, enthebt den Gläubiger nicht der Mühe, mit der Forderungsanmeldung gem. § 174 InsO alle notwendigen Angaben zu machen und alle Unterlagen vorzulegen. Der Verwalter ist nicht gehalten, in die Gerichtsakten Einsicht zu nehmen, um Unklarheiten der Forderungsanmeldung aufzuhellen (siehe Rn. 784 ff.).
1153 Ansonsten ist der nach § 182 InsO zu bemessende Streitwert maßgeblich für die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Amts- und Landgericht (§ 180 Abs. 1 InsO). § 182 InsO ist aber auch maßgeblich bei Wiederaufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits. Die zu erwartende Quote ist für den Zeitpunkt der Klageeinreichung bzw. Wiederaufnahme zu berechnen. Dazu hat das Gericht sämtliche Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen und notfalls im Wege des Freibeweises eine Überzeugung zu gewinnen. Die Auskunft des Verwalters wird regelmäßig die Grundlage für die Wertbestimmung sein. Das Gericht hat jedoch auch andere Erkenntnismöglichkeiten einzubeziehen und die Auskunft einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, wobei unter Umständen es auch die Akten des Insolvenzverfahrens beiziehen und verwerten muss. BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – VII ZR 200/05, ZIP 2007, 247, Rn. 6 ff.; BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZR 340/12, Rn. 4 f.; weiteres Beispiel für die Streitwertfestsetzung: BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – VII ZR 66/07, Rn. 10.
1154 Besteht keine Quotenaussicht, gilt der Auffangstreitwert von zurzeit 300 €. BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZR 340/12, Rn. 9.
1155 Keine Rolle spielt es, ob der Feststellungsstreit der Inanspruchnahme einer Sicherheit oder einer Kreditversicherung dient. BGH NJW 1964, 1229; BGH ZIP 1994, 50, 51. Praxistipp: Aufgrund dieser Umstände werden in Bausachen die regulär berechneten Gerichts- und Anwaltskosten (und die letztlich nach Obsiegen dem Besteller zufließende Quote) oft weit unterhalb dessen liegen, was allein in während des Prozesses einzuholende Sachverständigengutachten zu investieren ist. Dabei trägt der im Prozess Unterliegende die vollen Kosten der Beweiserhebung. Sowohl Gläubiger als auch Verwalter sollten sich daher in Bauinsolvenzen um Augenmaß (und Kompromisse) bemühen, um wirtschaftlich unsinnige Streitigkeiten zu vermeiden. Benötigt der Gläubiger ein stattgebendes Feststellungsurteil, um eine Sicherheit in Anspruch nehmen zu können (z. B. § 648a Abs. 2 Satz 2 BGB), so sollte sein Anwalt vor der Prozessführung eine Gegenstandswertvereinbarung treffen, die dem tatsächlichen, aber nach § 182 InsO für den gerichtlichen Gegenstandswert nicht maßgeblichen Interesse des Gläubigers entspricht, in der Regel also in Höhe des durch die Sicherheit gedeckten Betrags. Im Übrigen kann sich die paradoxe Lage ergeben, dass die auf Feststellung in Höhe von 1 Mio. € gerichtete Feststellungsklage, die der Inanspruchnahme einer Bürgschaft gem.
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IV. Sonstige ausgewählte Probleme § 648a BGB in gleicher Höhe dient, wegen zu erwartender „Null-Quote“ mit dem Auffangstreitwert von 300 € bewertet wird. Dies ist vor allem deshalb unbefriedigend, weil damit eine zulassungsfreie Berufung ausscheidet (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 4 ZPO) selten vorliegen werden. Weist das Amtsgericht rechtskräftig die Feststellungsklage ab, steht fest, dass der Bürge über 1 Mio. € nicht haftet (§ 768 Abs. 1 BGB). Ob in diesem Fall eine höhere Streitwertfestsetzung veranlasst ist, weil „der Gläubiger auf den Weg der Konkursfeststellungsklage verwiesen [ist], um sein Recht gegen den Dritten [den § 648a-BGB-Bürgen] geltend machen zu können“ (so angesprochen, aber offen gelassen von BGH NJW 1964, 1229, 1230; vgl. auch BGH ZIP 1994, 50, 51 r. Sp.), scheint fraglich. Wer als Gläubiger die Risiken eines – angesichts des nach § 182 InsO bestimmten, niedrigen Streitwerts – schnellen Prozesses nicht eingehen will, sollte – wie von BGH NJW 1964, 1229, 1230 anheimgestellt – neben dem Verwalter den § 648a-BGB-Bürgen (nach vorheriger Gerichtsstandsbestimmung) verklagen (zum insoweit nur möglichen Feststellungsantrag vgl. Schmitz, BauR 2006, 430).
Örtlich ausschließlich zuständig ist das Amtsgericht, bei dem das Insolvenz- 1156 verfahren anhängig ist/war, bzw. das Landgericht, zu dessen Bezirk das Insolvenzgericht gehört (§ 180 Abs. 1 InsO). 2. Aufnahme von Aktivprozessen durch den Verwalter (§ 85 InsO) Ob ein Aktivprozess vorliegt, hängt nicht von der (früheren) Parteirolle des 1157 Schuldners ab, sondern vom materiellen Gehalt, ob nämlich durch ein Obsiegen des Verwalters die Insolvenzmasse vergrößert wird. So liegt ein vereinfacht trotz insolvenzbedingter Prozessunterbrechung auf- 1158 zunehmender Aktivprozess im Sinne von § 85 InsO beispielsweise dann vor, wenn der Verwalter über das Vermögen eines Unternehmers mit der Realisierung des diesem aus seiner Sicht noch zustehenden Werklohnanspruchs eine Vermehrung der Teilungsmasse anstrebt; auf die Parteirolle des Unternehmers/Verwalters (hier: Beklagten/Widerklägers) kommt es nicht an. OLG Hamm BauR 2008, 1930, 1931; zu Sonderproblemen im Zusammenhang mit einer Widerklage des Prozessgegners vgl. Stiller, ZInsO 2015, 15.
Äußerst kontrovers ist, ob an der überkommenen Auffassung festzuhalten ist, 1159 dass im Fall des Unterliegens der Verwalter für die Kosten des gesamten, von ihm aufgenommenen Prozesses in allen Instanzen (Ansprüche der Justiz, Kostenerstattungsanspruch des Prozessgegners) aus der Masse einzustehen hat. (Diese Frage stellt sich nicht nur für Aktiv-, sondern auch für Passivprozesse des Verwalters.) Dies wird inzwischen immer häufiger und zutreffend verneint mit Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 105 Satz 1 InsO, sodass im Prozess entstandene Kosten nur dann als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) zu betrachten sind, wenn sie nach Insolvenzverfahrenseröffnung gebührenrechtlich angefallen sind; im Übrigen sind sie Insolvenzforderungen. OLG Rostock ZIP 2001, 2145, zust. dazu EWiR 2002, 77 (Binz);
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E. Prozessuale Fragen OLG Schleswig IBR 2009, 1239; LG Köln ZIP 2003, 1310; ebenso in einem obiter dictum LAG Hamm ZIP 2002, 770, 771 f.; Heiderhoff, ZIP 2002, 1564; MünchKomm-Schumacher, InsO, § 85 Rn. 19 f.; Uhlenbruck, ZIP 2001, 1988; Schmidt-Kuleisa, InsO, § 85 Rn. 13 ff.; a. A. KG, NZI 2002, 606 (zur KO); OLG Bremen ZInsO 2005, 1219 (angesichts der bereits rechtskräftigen Kostengrundentscheidung nur obiter).
1160 Jedenfalls soweit es um die Kosten in einer Instanz geht, in der der Verwalter den Rechtsstreit aufnimmt, hat es der Bundesgerichtshof abgelehnt, eine Kostenaufteilung vorzunehmen. Nach seiner Meinung kommt eine Auflösung des einheitlichen Kostenerstattungsanspruchs dahin gehend, dass in einem frühen Stadium des Verfahrens (in der ersten Instanz) die Qualifizierung als Masseverbindlichkeiten auf die Mehrkosten nach der Aufnahme des Verfahrens beschränkt wird, im Blick auf die durch Verfahrensgebühren geprägten Gebührenordnungen nicht in Betracht. BGH (IX. Zivilsenat) ZIP 2006, 576 Rn. 15; BGH (IX. Zivilsenat) ZIP 2006, 2132 Rn. 6, 14; BGH (IX. Zivilsenat) ZIP 2008, 1441 Rn. 29, dazu EWiR 2008, 665 (Neußner); BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZB 68/06, Rn. 4.
1161 Auch für die Verfahrensgebühr des von ihm – nach Teilannahme der Revision – aufgenommenen Revisionsverfahrens haftet der Verwalter aus der Masse, allerdings nur aus dem Gegenstandswert, aus dem er die Revisionsklage weiterverfolgt. Diese Gebühr entsteht während des Verfahrens laufend neu, sodass der Verwalter als „Gegenleistung“ für die Erlangung einer Sachentscheidung die Verfahrensgebühr (neben der Urteilsgebühr) tragen muss. BGH (III. Zivilsenat) ZIP 2004, 2293, 2294.
1162 Der III. und der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs haben in den oben dargestellten Entscheidungen offengelassen, wie Sachverhalte zu behandeln sind, in denen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Rechtsstreit in einer höheren Instanz oder nach Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz unterbricht. Der IX. Zivilsenat äußert weitergehend dazu, dass die Kritik an der undifferenzierten Behandlung des Kostenerstattungsanspruchs als Masseverbindlichkeit in diesen Fällen „berechtigt sein [mag]“. BGH (III. Zivilsenat) ZIP 2004, 2293, 2294; BGH (IX. Zivilsenat) ZIP 2006, 2132 Rn. 14.
1163 Hingegen hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ohne jedwede Problemdiskussion eine einheitliche Kostengrundentscheidung gem. § 91a ZPO für alle drei Instanzen getroffen und dabei dem Verwalter über das Vermögen des Schuldners (Bestellers) überwiegend bzw. vollständig die Kosten der drei Instanzen auferlegt. Der VII. Zivilsenat begründet dies damit, dass der
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IV. Sonstige ausgewählte Probleme
Verwalter durch die Feststellung der klägerischen Forderung zur Insolvenztabelle deren Berechtigung nicht mehr bestritten und sich insoweit in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision betraf nur diesen Teil des Klageanspruchs, sodass deren Kosten dem Verwalter auferlegt wurden. Im Übrigen entsprach die zutreffende Kostenentscheidung im Urteil des Berufungsgerichts dem überwiegenden Obsiegen des Klägers, sodass der VII. Zivilsenat sie bestätigt hat. BGH, Beschl. v. 5.8.2010 – VII ZR 66/07, Rn. 2.
Auch wenn der Beschluss sehr knapp gehalten ist, ist anzunehmen, dass der 1164 Verwalter zunächst das noch vom Schuldner eingeleitete Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aufgenommen und dann aber doch die Werklohnforderung des klagenden Unternehmers zur Tabelle festgestellt hat. Die Kostenentscheidung des Bundesgerichtshofs war dann eine Folge der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien. Sie frappiert, weil sie die intensiv geführte Diskussion der anderen Senate mit keinem Wort aufnimmt, und kann daher schwerlich als (höchstrichterlicher) Schlusspunkt der Diskussion zu dieser Frage betrachtet werden. Nimmt der Verwalter einen Prozess gem. § 85 InsO auf, so berechtigt das den 1165 widerklagenden Beklagten nicht, die Widerklage ebenfalls aufzunehmen. Vielmehr ist wegen der Widerklage nur eine Klageänderung in eine Feststellungsklage möglich, sofern die Voraussetzungen der §§ 87, 180 ff. InsO erfüllt sind. OLG Düsseldorf BauR 2001, 445, 446 l. Sp; ebenso für die umgekehrte Konstellation, dass der Verwalter als Beklagter/Widerkläger nur die Widerklage aufnimmt OLG Hamm BauR 2008, 1930, 1931. Praxistipp: Diese Rechtslage hindert den Beklagten nicht daran, mit den Ansprüchen, die Gegenstand der Widerklage sind, jedenfalls hilfsweise gegen die vom Verwalter weiterverfolgte Hauptforderung aufzurechnen, sofern die Aufrechnung gem. §§ 94 ff. InsO zulässig ist.
Dagegen kann der Verwalter in einem wegen § 240 ZPO unterbrochenen, 1166 gegen den Schuldner gerichteten Rechtsstreit wirksam Widerklage anhängig machen unabhängig davon, ob der klagende Gläubiger den Rechtsstreit als Feststellungsstreit fortführt oder nicht. OLG Jena, NZI 2002, 112.
3. Fristenprobleme Die Unterbrechung von Aktivprozessen des Schuldners und ihre eventuelle 1167 Aufnahme durch den Verwalter weisen für den Anwalt des Prozessgegners Tücken auf.
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E. Prozessuale Fragen
1168 Obsiegt der Schuldner in erster Instanz und legt hiergegen der Beklagte Berufung ein, so unterbricht die Verfahrenseröffnung gem. § 240 Satz 1 ZPO den Rechtsstreit. Nimmt der Verwalter (als Berufungsbeklagter) den Rechtsstreit auf, so beginnt für den Berufungskläger/Beklagten die Berufungsbegründungsfrist mit Zustellung des Aufnahmeschriftsatzes des Verwalters von Neuem zu laufen. OLG Celle, OLGR 2001, 232.
1169 Legt der in erster Instanz unterlegene Beklagte Berufung gegen ein zugunsten des in Insolvenz fallenden Klägers/Schuldners ausgefallenes Urteil ein, so beginnt – mangels Aufnahme des Rechtsstreits durch den Verwalter – die Berufungsbegründungsfrist erst mit der Einstellung des Insolvenzverfahrens zu laufen. Zwar kann in solchen Konstellationen dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt werden. Allerdings muss der Beklagte bzw. sein Prozessbevollmächtigter alles Zumutbare tun, damit die Frist gewahrt wird. Das OLG Celle verlangt von ihm, dass er in Zweimonatsabständen Anfragen zum Stand des Insolvenzverfahrens an das Insolvenzgericht stellt, ein vor Ort befindliches Anwaltsbüro mit der Überwachung der Frist beauftragt oder eine angebliche Gegenforderung zur Tabelle anmeldet, um auf diese Weise am Verfahren beteiligt zu sein und von der Einstellung in Kenntnis gesetzt zu werden. OLG Celle, NZI 2000, 602, 603.
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F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz I. Einleitung Für den Unternehmer, der über keine Aufrechnungsmöglichkeiten verfügt, 1170 ist eine Bürgschaft (neben einer Kreditversicherung) der letzte Rettungsanker, um halbwegs unbeschadet aus der Insolvenz seines Vertragspartners, des Bestellers, herauszugehen. Aber auch der Besteller benötigt diese Absicherungen, sei es, weil die Aufrechnung nicht weit genug trägt oder gar keine offenen Hauptforderungen des Schuldners mehr bestehen, sei es, weil ein darüber hinaus gehender Schaden entstanden ist. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die speziellen Ab- 1171 wicklungsprobleme, die sich in der Insolvenz im Verhältnis des Bürgschaftsgläubigers zum Bürgen und des Bürgen zum Verwalter ergeben. Die materiellen Fragen des Bürgschaftsrechts mit ihren Bezügen zum privaten Baurecht sind hingegen nicht Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. Dazu sei verwiesen auf als stets aktualisierten Überblick zu den Problemen im Überschneidungsgebiet von privatem Bau- und Bürgschaftsrecht C. Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien; daneben vor allem Weise, Sicherheiten im Baurecht.
II. Durchsetzung von Ansprüchen in der Insolvenz des Hauptschuldners 1. Sicherungsfall Auch wenn die Sicherungsabreden (als regelmäßiger, meist in AGB des je- 1172 weils Begünstigten enthaltener Bestandteil des Bauvertrags) den Sicherungsfall oft gar nicht oder nur unzulänglich regeln, gilt nach allgemeinen Grundsätzen, dass der Bürgschaftsgläubiger im Verhältnis zum Vertragspartner die Bürgschaft nur in Anspruch nehmen und verwerten darf, wenn eine vom vereinbarten Sicherungszweck umfasste Forderung fällig geworden ist. Bei einer Mängelanspruchsbürgschaft ist demnach der Sicherungsfall regelmäßig erst gegeben, wenn der Bürgschaftsgläubiger einen auf Geldzahlung gerichteten Mängelanspruch (z. B. auf Vorschuss oder Erstattung der Kosten einer Selbstvornahme) hat. BGH ZIP 2000, 2103 = ZfIR 2000, 952 (m. Anm. Kainz, S. 954), dazu EWiR 2000, 1103 (Schmitz).
Verfolgte der Besteller einen Zahlungsanspruch wegen nicht erledigter Ge- 1173 währleistung unter Geltung noch des § 17 KO, nahm das OLG Frankfurt, OLG Frankfurt/M. ZIP 1995, 369, 370,
im Hinblick auf die vom Bundesgerichtshof inzwischen aufgegebene „Erlöschenstheorie“ zutreffend an, dass sich ein beiderseits noch nicht vollständig erfüllter Vertrag mit Verfahrenseröffnung automatisch umgestaltet und ein
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F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz
Schadensersatzanspruch des Bestellers wegen nicht erbrachter Gewährleistung auflösend bedingt entsteht. 1174 Aufgrund der Rechtsprechungswende des Bundesgerichtshofs hin zur „Suspensivtheorie“ (siehe Rn. 236 ff.) lässt sich diese Auffassung nicht mehr aufrechterhalten. Sowohl bei Vertragserfüllungs- als auch bei Mängelanspruchsbürgschaften muss der Besteller – falls er nicht schon vor Verfahrenseröffnung einen auf Geldzahlung gerichteten Anspruch herbeigeführt hat – nach Verfahrenseröffnung dem Verwalter eine Frist zur Erfüllungswahl setzen. Erst wenn feststeht, dass der Verwalter nicht die Vertragserfüllung wählt, ist der Sicherungsfall eingetreten, weil der Besteller die Bürgschaft in Anspruch nehmen kann. C. Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 520 r. Sp.; Masloff/Langer, ZfIR 2003, 269, 272 l. Sp., 273 r. Sp.; Baldringer, S. 237, 242 f., 254 f.
1175 Nimmt der Besteller die Bürgschaft in Anspruch, liegt darin eine konkludente Schadensersatzwahl gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO auch gegenüber dem Verwalter, sofern er die Bürgschaftsinanspruchnahme dem zutreffenden Adressaten der Schadensersatzwahl, dem Verwalter, kundtut, etwa durch Zuleitung einer Kopie. 2. Darlegungs- und Beweislast 1176 Nach § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Bürgschaftsschuld von Grund und Höhe der Hauptverbindlichkeit abhängig. Deshalb muss der Bürgschaftsgläubiger das Entstehen und die Fälligkeit der Hauptverbindlichkeit und damit den Grund für die Haftung des Bürgen aus dem Bürgschaftsvertrag darlegen und beweisen. BGH ZIP 1988, 224, dazu EWiR 1988, 251 (Tiedtke); BGH ZIP 1995, 1094 = NJW 1995, 2161, 2162; BGH WM 1999, 1499, 1500 r. Sp.; BGH ZIP 2002, 297, 298, dazu EWiR 2002, 281 (Joswig); Staudinger-Horn, BGB, § 767 Rn. 5; Bomhard, ZBB 1998, 43, 55.
1177 Wer als Besteller eine Mängelanspruchsbürgschaft in Anspruch nehmen will, darf sich folglich nicht darauf beschränken, Angaben zu den Mängeln und der Höhe eines auf Geldzahlung gerichteten Mängelanspruchs zu machen. Er muss umfassend alle Unterlagen vorlegen, insbesondere den Vertrag mit allen Anlagen (vor allem der Sicherungsabrede), das Abnahmeprotokoll usw., und spezifizierte Angaben zu den Mängeln machen. Als Faustregel kann gelten, dass vorprozessual gegenüber dem Bürgen dieselben Darlegungspflichten gelten wie in einer schlüssigen Klage. Diese hohen Anforderungen sind gerechtfertigt, weil dem Bürgen wesentliche Unterlagen zum Bauvertrag und dessen Abwicklung meist nicht vorliegen, er sich deshalb „dumm“ stellen
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III. Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren durch den Gläubiger und Bürgen
darf und ihm durch Zuleitung die Möglichkeit der umfassenden Prüfung gegeben werden muss. Wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden, hat dies für den Bürg- 1178 schaftsgläubiger die missliche Konsequenz, dass der Bürge nicht in Verzug gerät. Bei den üblichen Höchstbetragsbürgschaften bedeutet dies, dass eine Haftung des Bürgen aus eigenem Verzug (§ 286 BGB), die durch den verbürgten Höchstbetrag nicht eingeschränkt wäre, nicht eintritt. C. Schmitz/Vogel, in: Festschrift Thode, S. 557; OLG Stuttgart IBR 2009, 201.
III. Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren durch den bürgschaftsgesicherten Gläubiger und den Bürgen 1. Verbot der Doppelanmeldung Die bürgschaftsgesicherte Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner 1179 und die durch die Befriedigung des Gläubigers aufschiebend bedingte Rückgriffsforderung des Bürgen (§§ 675, 670 BGB; § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB) sind jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung identisch. Forderung und Rückgriffsforderung dürfen daher im Insolvenzverfahren nicht nebeneinander geltend gemacht werden (Verbot der Doppelanmeldung), um zu verhindern, dass zwar nicht auf den jeweiligen Gläubiger, aber auf die Forderung im Ergebnis eine doppelte Auszahlung entfällt. BGH ZIP 1984, 1506 = NJW 1985, 1159, 1160 r. Sp.; Noack/Bunke, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 335, 356.
Ausdrücklich geregelt ist dies in § 44 InsO. Demnach ist die Geltendmachung 1180 der (aufschiebend bedingten) Rückgriffsforderung des Bürgen vom Verhalten des Gläubigers abhängig. Macht der Bürge seine Ansprüche neben einer Anmeldung des Bürgschaftsgläubigers geltend, hat der Verwalter erstere zu bestreiten. Dagegen kann der Bürge seine Rückgriffsforderung nach den allgemeinen Regeln für aufschiebend bedingte Forderungen verfolgen, wenn und solange der Bürgschaftsgläubiger am Verfahren nicht teilnimmt. Zwar enthält die Insolvenzordnung nur für auflösend bedingte Forderungen in § 42 InsO eine ausdrückliche Regelung. Es ergibt sich jedoch nicht nur aus der speziell auf den Bürgen zugeschnittenen Norm des § 44 InsO, sondern generell aus §§ 77 Abs. 3 Nr. 1, 191 InsO, dass auch aufschiebend bedingte Forderungen am Verfahren teilnehmen können. Vgl. auch BGH ZIP 2005, 909, 910 r. Sp., dazu EWiR 2005, 641 (Balle); OLG Nürnberg ZInsO 2012, 1626, 1627.
Meldet zunächst der Bürge an und beteiligt sich danach auch der Bürg- 1181 schaftsgläubiger, so ist wegen des Vorrangs des Gläubigers die vom Bürgen angemeldete Forderung zu bestreiten. Ist sie bereits festgestellt, muss der Verwalter gem. § 767 ZPO vorgehen, wenn der Bürge einer vorgerichtlichen
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F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz
Aufforderung, auf seine Rechte aus der festgestellten Forderung zu verzichten, nicht entsprochen hat. Praxistipp: Der Verwalter und seine Mitarbeiter müssen die Forderungsanmeldungen von Bürgen genau darauf überprüfen, ob nicht auch der – vorrangige – Gläubiger der verbürgten Hauptschuld eine Forderung angemeldet hat. Damit dies möglich ist, müssen die Bürgen die einzelnen Bürgschaften, die jeweiligen Bürgschaftsgläubiger und die jeweils verbürgten Forderungen darstellen.
1182 Nicht anwendbar ist § 44 InsO schon seinem Wortlaut nach („künftig“), wenn der Bürge den Bürgschaftsgläubiger vor Verfahrenseröffnung befriedigt hat. Dann kann der Bürge seine Rückgriffsforderung als Insolvenzforderung anmelden; eine Anmeldung durch den befriedigten Gläubiger scheidet aus. 2. Zahlung des Bürgen an den Bürgschaftsgläubiger nach Insolvenzverfahrenseröffnung 1183 Unproblematisch ist die Abwicklung, wenn zur Zeit der vollständigen Befriedigung des Bürgschaftsgläubigers noch keine Forderung zu seinen Gunsten festgestellt ist. Der Bürge kann den aufgrund seiner Zahlung nunmehr unbedingten Rückgriffsanspruch zur Insolvenztabelle anmelden; hat er ihn bereits als bedingten Anspruch angemeldet, kann er nun den Eintritt der aufschiebenden Bedingung dem Verwalter nachweisen. 1184 Komplizierter ist die Rechtslage, wenn der Bürgschaftsgläubiger – mit Sperrwirkung zulasten des Bürgen – seine Forderung angemeldet hat und der Verwalter sie festgestellt hat: 1185 x
Befriedigt der Bürge den Gläubiger in vollem Umfang, scheidet der Gläubiger aus dem Insolvenzverfahren aus. Einer neuen Forderungsanmeldung durch den Bürgen bedarf es nicht. Vielmehr ist auf Anzeige und Nachweis des Bürgen hin die Rechtsnachfolge in der Insolvenztabelle festzuhalten. MünchKomm-Lwowski/Bitter, InsO, § 44 Rn. 21.
1186 x
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Ebenso ist die Abwicklung, wenn der Bürge nur für einen Teil der Forderung des Gläubigers gegen den Insolvenzschuldner haftet und aus der von ihm hingegebenen Bürgschaft volle Zahlung an den Gläubiger leistet: Der Bürge rückt im Umfang der Zahlung in die Stellung des Gläubigers ein.
III. Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren durch den Gläubiger und Bürgen BGH NJW 1960, 1295, 1296 l. Sp.; BGH NJW 1969, 796; BGH ZIP 1997, 372 = NJW 1997, 1014, dazu EWiR 1997, 269 (Gerhardt); zust. Noack/Bunke, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 335, 343 f.; a. A. MünchKomm-Lwowski/Bitter, InsO, § 43 Rn. 30 f., § 44 Rn. 25; Bitter, ZInsO 2003, 490, 493 ff.
In Reaktion auf diese Rechtsprechung haben gewerbliche Bürgschaftsgläubiger in die von ihnen verwendeten Bürgschaftsformulare Klauseln des Inhalts aufgenommen, dass nach Zahlungen des Bürgen die Rechte des Bürgschaftsgläubigers erst dann auf den Bürgen übergehen, wenn der Bürgschaftsgläubiger wegen aller seiner Ansprüche gegen den Hauptschuldner volle Befriedigung erlangt hat, und dass bis zu diesem Zeitpunkt die Zahlungen des Bürgen nur als Sicherheit gelten. Der Bundesgerichtshof, BGH ZIP 1985, 18, 21, dazu EWiR 1985, 85 (Horn),
hat diese Klausel als wirksam erachtet, wenn die Bürgschaft sämtliche Forderungen des Bürgschaftsgläubigers aus der Geschäftsverbindung mit dem (Haupt-)Schuldner sichert. Dagegen hat der Bundesgerichtshof in einem späteren Urteil offengelassen, BGH ZIP 2000, 1000 = NJW 2000, 1942, dazu EWiR 2000, 713 (Büchler),
ob die Klausel auch dann wirksam ist, wenn die Bürgschaft nur die Forderung des Gläubigers aus einem bestimmten Vertrag absichert. x
Leistet der Bürge aus der Bürgschaft nicht in voller Höhe des verbürgten 1187 Betrags, sondern nur teilweise Zahlung an den Gläubiger, dessen Forderung gegen den Insolvenzschuldner dadurch nicht vollständig befriedigt wird, nimmt weiterhin allein der Gläubiger mit dem vollen von ihm angemeldeten und festgestellten Betrag am Insolvenzverfahren teil. Der Rückgriffsanspruch des Bürgen findet im Insolvenzverfahren keine Berücksichtigung. BGH NJW 1960, 1295, 1296 l. Sp.
Die Grenze für den Gläubiger liegt da, wo er durch die bereits erfolgte Zahlung des/der Bürgen und sonstiger Mitverpflichteter sowie die bevorstehende Zahlung einer Insolvenzdividende, die sich aus dem vollen angemeldeten und festgestellten Betrag berechnet, mehr als volle Befriedigung – auch für Nebenforderungen wie Zinsen – erlangen würde. In diesem Fall ist die auf den Gläubiger auszuzahlende Insolvenzquote ent-
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F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz
sprechend zu kürzen und stattdessen der überschießende Betrag an den/ die Regressberechtigten auszukehren. OLG Karlsruhe ZIP 1981, 1231; Noack/Bunke, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 335, 344 f.; MünchKomm-Bitter, InsO, § 44 Rn. 23 (mit instruktivem Beispiel).
3. Behandlung aufschiebend bedingter Forderungen bei der Schlussverteilung 1188 In großen Bauinsolvenzen melden Bürgschaftsgläubiger häufig ihre Forderungen gegen den Schuldner nicht zur Tabelle an, sofern sie erwarten können, ohnehin Befriedigung vom Bürgen zu erlangen, oder weil – bei Mängelbürgschaften – ein Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist. 1189 Daher ist es gerade großen Bürgen möglich, die aus ausgereichten Bürgschaften resultierenden, aufschiebend bedingten Forderungen in vollem Umfang zur Insolvenztabelle anzumelden, da das Verbot der Doppelanmeldung nicht entgegensteht. Schwierigkeiten entstehen bei der Schlussverteilung. Hierzu folgendes Beispiel: Der gewerbliche Baubürge B meldet in einem großen, am 1.6.2005 eröffneten Bauinsolvenzverfahren aufschiebend bedingte Forderungen aus Bürgschaften in Höhe von 3 Mio. € an. Im Sommer 2011 strebt der Verwalter die Schlussverteilung an; eine Nachtragsverteilung möchte er wegen der Vielzahl der Gläubiger, der ohnehin geringen Quote und des deshalb damit verbundenen Aufwands vermeiden. Bis Sommer 2011 sind B Bürgschaften mit einem Volumen von 1,5 Mio. € enthaftet zurückgegeben worden, sodass B diese ausgebucht hat. In Höhe von 750.000 € hat B Zahlungen an Bürgschaftsgläubiger geleistet (= Eintritt der aufschiebenden Bedingung); der daraus resultierende Rückgriffsanspruch ist zwischen B und dem Verwalter unstrittig, sodass auf den ausgezahlten Betrag B eine Insolvenzquote erhalten wird. Diskussionsbedarf löst die Behandlung des weiteren Bürgschaftsvolumens von 750.000 € aus. Es setzt sich zusammen aus zehn Mängelanspruchsbürgschaften zu je 50.000 €, ausgestellt im Zeitraum zwischen März 2003 und November 2004 (die Verjährungsfrist in den zugrunde liegenden Verträgen beträgt jeweils fünf Jahre ab Abnahme), aus zwei Vertragserfüllungsbürgschaften aus dem Jahr 2004 zu je 100.000 € und einer Vorauszahlungsbürgschaft aus dem Jahr 2004 zu 50.000 €. 1190 Der Verwalter muss eine aufschiebend bedingte Forderung bei der Schlussverteilung nicht berücksichtigen, wenn die Möglichkeit des Bedingungseintritts so fernliegt, dass die Forderung zur Zeit der Verteilung keinen Vermögenswert hat (§ 191 Abs. 2 Satz 1 InsO).
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III. Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren durch den Gläubiger und Bürgen
Auch wenn die Beweislast für die Wertlosigkeit der Forderung beim Ver- 1191 walter liegt, Schmidt-Herchen, InsO, § 191 Rn. 10,
kann vorliegend der Verwalter sämtliche bedingten Forderungen des B als wertlos behandeln und muss sie bei der Schlussverteilung nicht berücksichtigen: x
Für die Mängelanspruchsbürgschaften folgt dies aus den Ausstellungsdaten, die den Schluss zulassen, dass davor die schuldnerischen Leistungen abgenommen worden sind, also die fünfjährige Verjährungsfrist für die Mängelansprüche bereits vor dem Ausstellungsdatum zu laufen begonnen hat. Da seit dem hieraus zu errechnenden Verjährungseintritt für die zeitlich letzte Bürgschaft fast zwei Jahre verstrichen sind, ist nicht zu befürchten, dass B noch in Anspruch genommen wird. Unbenommen bleibt B die Gegendarlegung, dass ein Besteller ihn, den B, rechtzeitig in Anspruch genommen hat und daher er, B, voraussichtlich eine Zahlung leisten muss. In diesem Fall ist ein entsprechender Betrag für eine Nachtragsverteilung zurückzustellen.
x
Wegen der Vertragserfüllungsbürgschaften darf der Verwalter sich daran orientieren, dass ein etwa entstandener Schadensersatzanspruch des jeweiligen Bürgschaftsgläubigers vor oder kurz nach Verfahrenseröffnung fällig geworden ist und daher im Jahre 2011 jedenfalls verjährt ist (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB). An diesem Ergebnis dürfte die Suspensivtheorie des Bundesgerichtshofs (siehe Rn. 236 ff.) nichts ändern. Auch hier bleibt B der Gegenbeweis der rechtzeitigen Inanspruchnahme und andauernden Auseinandersetzung mit dem Besteller unbenommen, die aber der Verwalter eventuell als unbeachtlich beiseiteschieben kann, wenn dem B die Einrede der Verjährung der Hauptschuld zusteht (§ 768 BGB), weil der Besteller die Verjährung gegenüber dem Verwalter hat eintreten lassen.
x
Auch ein von der Vorauszahlungsbürgschaft gesicherter Rückzahlungsanspruch des Bestellers wird mit Nichtfortführung der Arbeiten durch den Schuldner/Verwalter fällig, sodass er gleichfalls im Jahre 2011 verjährt ist.
Akzeptiert B diese Betrachtung nicht, kann er – vor dem Schlusstermin – 1192 Einwendungen erheben und bei deren Zurückweisung durch das Insolvenzgericht sofortige Beschwerde einlegen (§§ 197 Abs. 3, 194 Abs. 2, 3 InsO). Braun-Pehl, InsO, § 191 Rn. 6.
§ 191 Abs. 2 Satz 1 InsO hilft dem Verwalter allerdings nicht weiter, wenn 1193 der Bürge durch eine insolvenzfeste und werthaltige Sicherheit (z. B. Verpfändung eines Kontos) vorgesorgt hat und diese erst freigibt, wenn ihm alle Bürgschaftsurkunden im Original mit Enthaftungserklärung zurückgegeben sind. Jedenfalls wegen dieses Komplexes muss der Verwalter den Insolvenzbeschlag aufrechterhalten, sich um die Enthaftung der Originalbürgschafts-
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F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz
urkunden bemühen und anschließend wegen der frei werdenden Sicherheit eine Nachtragsverteilung vornehmen. IV. Die Abwicklung des zwischen Schuldner und Bürgen bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrags 1. Erlöschen des Avalkreditvertrags mit Verfahrenseröffnung 1194 Der Avalkreditvertrag zwischen Schuldner und Bürgen – gleich, ob es sich um eine Bank oder einen der im Bauwesen spezialisierten Kautionsversicherer handelt – ist kein Vertrag i. S. v. § 103 InsO, sondern unterliegt als Geschäftsbesorgungsvertrag den Regelungen der §§ 116 Satz 1, 115 Abs. 1 InsO. Er erlischt mit der Verfahrenseröffnung automatisch mit Wirkung für die Zukunft, ohne dass der Verwalter ein Eintrittsrecht hätte. BGH ZIP 2006, 1781 Rn. 9 ff. = ZVI 2006, 584 = ZfIR 2007, 76 (LS); BGH ZIP 2007, 543 Rn. 7 ff. (zur GesO); BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 148/12 Rn. 4 (st. Rspr.).
2. Auswirkungen des Erlöschens des Avalkreditvertrags auf Prämienansprüche des Bürgen 1195 Das Erlöschen des Avalkreditvertrags schließt es aus, dass der geschäftsbesorgende Bürge durch eine Weiterführung seiner Tätigkeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch Ansprüche gegen die Masse auf Aufwendungsersatz erwirbt. Sicherbare Ansprüche können daher nur entstehen, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Eröffnung vollständig gegeben und materiell-rechtlich abgeschlossen ist. Prämienansprüche können mithin nicht mehr entstehen und sind auch nicht sicherbar. Erst recht ist der Bürge nicht Massegläubiger gem. §§ 116 Satz 1, 115 Abs. 2 Satz 3 InsO. BGH ZIP 2006, 1781 Rn. 13 ff., 24 = ZVI 2006, 584 = ZfIR 2007, 76 (LS).
1196 Hat der Schuldner Avalprovisionen an den Bürgen im Voraus bezahlt, kann der Verwalter den auf den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallenden Teilbetrag zurückverlangen. BGH ZIP 2010, 1453 Rn. 9 ff.; BGH ZIP 2011, 282 Rn. 6 ff.
1197 Gegen diesen Rückforderungsanspruch kann der Bürge nicht mit Gegenforderungen aufrechnen, die aus Regressansprüchen folgen, die wegen der nach Verfahrenseröffnung an Bürgschaftsgläubiger geleisteten Zahlungen entstanden sind. §§ 95 Abs. 1 Satz 3, 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO machen die Aufrechnung unzulässig. OLG München ZIP 2009, 1240.
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IV. Die Abwicklung des Geschäftsbesorgungsvertrags Praxistipp: Der Bundesgerichtshof hat wiederholt (zuletzt ZIP 2011, 282 Rn. 10) ausgeführt, dass ein Bürge das Risiko, für die Zeit nach Verfahrenseröffnung keine Prämie mehr zu erhalten, durch Vereinbarung einer Einmalprämie für einzelne ausgereichte Bürgschaften vermeiden kann. In den bisher von ihm beurteilten Fällen hat er solche Vereinbarungen nicht auffinden können (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IX ZR 153/09 Rn. 2). Die gewerblichen Bürgen dürften damit gehalten sein, eine Änderung ihrer Konditionen zu prüfen und zu erwägen, ob sie künftig deutlich höhere Einmalprämien verlangen, die mit Übernahme einer Bürgschaft sofort fällig werden und den durchschnittlichen bis zur Enthaftung einer Bürgschaft auflaufenden Aufwand pauschal abdecken. Allerdings können derartige hohe Einmalbelastungen dazu führen, dass potentielle Avalkreditvertragspartner von einem Vertragsschluss Abstand nehmen und einen Bürgen suchen, der bereit ist, Avalprämien wie bisher und trotz der insolvenzrechtlichen Risiken pro rata temporis abzurechnen. Außerdem dürfte es schwer möglich sein, derartige Einmalprämien verlässlich zu kalkulieren (erhebliche Zweifel an der Praxistauglichkeit des vom Bundesgerichtshof aufgezeigten „Auswegs“ haben auch Cranshaw u. a., ZInsO 2013, 1005, 1009 f.).
3. Auswirkungen des Erlöschens des Avalkreditvertrags auf Regressansprüche des Bürgen a) Regress gemäß § 774 Abs. 1 BGB i. V. m. der Hauptforderung Anspruchsgrundlage für Rückgriffsansprüche des Bürgen gegen den Schuldner 1198 ist zum einen § 774 Abs. 1 BGB i. V. m. der Hauptforderung. Der Bürge muss also die auf ihn übergegangene Hauptforderung darlegen und ggf. beweisen. Praxistipp: Bürgen müssen daher vor Zahlung aus der Bürgschaft darauf achten, dass sie vom ihnen gegenüber darlegungspflichtigen Bürgschaftsgläubiger hinreichende Unterlagen erhalten, um im Bedarfsfall die übergegangene Hauptschuld dem Verwalter sauber und einredefrei darlegen zu können. Der aus §§ 412, 402, 403 folgende Anspruch auf derartige Informationen/Unterlagen und ggf. auf eine öffentlich beglaubigte Urkunde über den Leistungsempfang und den Übergang der Hauptforderung gibt dem Bürgen ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB), das er vor Zahlung auf die Bürgschaft gegenüber dem Bürgschaftsgläubiger einreden kann (Staudinger-Horn, BGB, § 774 Rn. 23 m. w. N).
Dieser Regressanspruch begründet nur eine reine Insolvenzforderung. Hat 1199 jedoch der Schuldner an den Bürgen vor Verfahrenseröffnung etwa ein Festgeldguthaben zur Sicherheit abgetreten, steht diesem hieran ein insolvenzfestes Absonderungsrecht gem. § 51 Nr. 1 InsO zu, sodass der Verwalter ihn daraus gem. § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO zu befriedigen hat. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Regressanspruch des Bürgen aus § 774 BGB erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Bürgen übergegangen ist. BGH ZIP 2008, 885 Rn. 8 ff. dazu EWiR 2008, 599 (Weiß); BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 148/12 Rn. 2 f.
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F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz
b) Regress gemäß §§ 675, 670 BGB 1200 Ferner kann der Bürge vom Schuldner Ersatz der Aufwendungen verlangen, „die er den Umständen nach für erforderlich halten“ durfte (§§ 675, 670 BGB). Der Umstand, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Verfahrenseröffnung automatisch erlischt, ändert daran nichts. BGH ZIP 1985, 1380, 1381 r. Sp., dazu EWiR 1985, 973 (Horn); BGH ZIP 2008, 885 Rn. 13; BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 148/12 Rn. 4; Vogel, ZIP 2007, 2198, 2201 l. Sp.
1201 Diese Anspruchsgrundlage ist für den Bürgen attraktiver, weil sie ihn der mit dem Regress aus § 774 Abs. 1 BGB verbundenen Mühe enthebt, die auf ihn – den Bürgen – übergegangene Hauptforderung darzulegen und ggf. zu beweisen. Der weitere Vorteil dieser Anspruchsgrundlage liegt darin, dass sie dem Bürgen nicht nur Anspruch auf Ersatz des Betrags gibt, den er zur Tilgung der Bürgschaftsforderung aufwendet, sondern auch auf Ersatz von Begleitkosten wie Kosten eines (verlorenen) Prozesses, aufgelaufenen Zinsen, außergerichtlichen Anwaltskosten, Sachverständigenkosten usw. Restriktiv indessen – zu einem mangels detaillierter Sachverhaltsangaben schwer beurteilbaren Fall, in dem der Bürge laut Kammergericht nur eigene Interessen, nicht die des Hauptschuldners verfolgte – KG ZInsO 2013, 1636.
1202 Damit der Bürge seine Aufwendungen „den Umständen nach für erforderlich halten“ darf, muss der Bürge den vom Bürgschaftsgläubiger geltend gemachten Anspruch sorgfältig unter Berücksichtigung aller ihm bekannter Umstände prüfen und sich durch Befragung des Hauptschuldners (also des Verwalters) selbst (nicht etwa von Dritten) über etwa vorhandene Einwendungen kundig machen. Grundlegend BGH ZIP 1985, 1380, 1384 f.; BGH ZIP 2005, 1085, 1087 = ZfIR 2005, 708 (LS); vgl. ferner RGZ 59, 207, 209 f.; OLG Celle BauR 2000, 1356.
1203 Dem Umstand, dass der Bürge vom Bürgschaftsgläubiger auch vorprozessual die – wenn auch knappe – schlüssige Anspruchsdarlegung verlangen kann, führt dazu, dass der Bürge auch ohne Hinweis des Verwalters zu einer Schlüssigkeitsprüfung verpflichtet ist. Hingegen steht es einem Regressanspruch nicht entgegen, wenn der Bürge mangels substantiierter Unterstützung durch den Verwalter die plausibel dargestellten Schadensersatz- oder Mangelbeseitigungskosten zugrunde legt; eine Pflicht, etwa einen Sachverständigen einzuschalten, besteht nicht. OLG Frankfurt/M. IBR 2010, 682.
1204 Genauso wenig besteht eine Pflicht des Bürgen, ihm nicht vom Hauptschuldner substantiiert übermittelte Einwendungen wie Verjährung, Verzicht,
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IV. Die Abwicklung des Geschäftsbesorgungsvertrags
Stundung o. Ä. quasi ins Blaue hinein geltend zu machen. Um aber Kenntnis von solchen Einwendungen erlangen zu können, muss der Bürge den Verwalter über die Inanspruchnahme der Bürgschaft informieren und ihm vor Auszahlung hinreichende Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Unabhängig von einem Hinweis des Verwalters muss der Bürge die Zahlung 1205 verweigern, wenn die richtige Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts ergibt, dass Verjährung eingetreten ist. Zahlt er gleichwohl aus, darf er seine Aufwendungen nicht für notwendig halten, sodass er keinen Regressanspruch hat. BGH ZIP 1985, 1380, 1384.
Auch der aus §§ 675, 670 BGB abgeleitete Regressanspruch begründet nur 1206 eine einfache Insolvenzforderung, eröffnet aber dem Bürgen den Zugriff etwa auf ein vor Verfahrenseröffnung zur Sicherheit abgetretenes Festgeldguthaben. BGH ZIP 2008, 885 Rn. 13 i. V. m. 8 ff.; BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 148/12 Rn. 2 – 4; Vogel, ZIP 2007, 2198, 2201.
4. Praktische Abwicklungsprobleme zwischen Bürgen und Verwaltern im Fall der Inanspruchnahme von Bürgschaften a) Einleitung In der Insolvenz des (Haupt- und Insolvenz-) Schuldners wendet sich der 1207 Bürgschaftsgläubiger regelmäßig primär an den Bürgen und an den Insolvenzverwalter allenfalls dann, wenn er diesem gegenüber die Verjährung der Hauptschuld hemmen (etwa durch eine Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle) oder ihm gegenüber den Sicherungsfall herbeiführen will (etwa durch eine fruchtlos bleibende Aufforderung, Mängel zu beseitigen). Wird der Bürge mit einer Aufforderung konfrontiert, Zahlung aus der Bürg- 1208 schaft zu leisten, wird er, um sich den Regress aus §§ 675, 670 BGB zu erhalten, stets den Verwalter informieren und zur Mitwirkung bei der Anspruchsabwehr auffordern. Dabei mag der Bürge darauf hoffen, vom Verwalter geradezu tatsächlichen Fragen und zu Einwendungen weiterführende Zuarbeit zu erhalten, während er die rechtliche Bewertung, ob die Inanspruchnahme schlüssig ist, selbst vornehmen kann. Das Verhalten des Verwalters und die ihm im Interesse der Gläubigerge- 1209 samtheit obliegenden Pflichten hängen entscheidend davon ab, ob er hoffen kann, durch eine erfolgreiche Abwehr einer Bürgschaftsinanspruchnahme die Masse zu mehren. Dazu folgende Extrembeispiele: Der Bürge hat für den (späteren) Schuldner zehn Bürgschaften zu je 100.000 € gestellt und etwaige Regressansprüche – auch bezogen auf Zinsen, Rechtsverfolgungskosten usw. – durch ihm abgetretenes Festgeld in Höhe von 2 Mio. € abgesichert. 295
F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz
In dieser Konstellation muss der Verwalter alle Anstrengungen unternehmen, um erfolgreiche Inanspruchnahmen von Bürgschaften zu verhindern, weil er durch die Abwehr einer Bürgschaftsinanspruchnahme (und die Enthaftung der Bürgschaft) bewirkt, dass der Bürge das abgetretene Festgeld nicht verwertet. Auch erhebliche Kosten für umfassende rechtliche und tatsächliche Prüfungen (Sachverständigengutachten usw.) darf der Verwalter aufwenden, solange er erwarten kann, dass er letztlich ganz oder teilweise das Festgeld, vom Bürgen mangels Regressansprüchen unbeansprucht, für die Masse beanspruchen kann. Dasselbe gilt für die Einschaltung von Unternehmern auf Kosten der Masse, die tatsächlich vorhandene Mängel zu günstigeren Preisen beseitigen, als dies vom Bürgschaftsgläubiger nach fruchtloser Fristsetzung berechtigterweise eingesetzte Unternehmer täten – auch solche Maßnahmen dienen dem Interesse der Masse, die Inanspruchnahme einer Bürgschaft zu vermeiden. (Eine Erfüllungswahl des Verwalters liegt in solchen Tätigkeiten nicht, wenn es sich – wie regelmäßig – um Verträge handelt, zu denen spätestens nach der Stellung der Mängelanspruchsbürgschaft der Besteller den Werklohn vollständig ausgezahlt hat; allein der Umstand, dass die Bürgschaft noch nicht zurückgegeben ist, macht § 103 InsO nicht anwendbar [siehe Rn. 217 f]. Ist dagegen § 103 InsO ausnahmsweise einschlägig, muss der Verwalter die damit verbundenen Zusatzrisiken [vgl. etwa Rn. 286 ff.] bedenken.) Genau umgekehrt verhält es sich, wenn der Bürge wiederum Bürgschaften zu insgesamt 1 Mio. € ausgereicht, sich aber im Vertrauen auf den „guten Namen“ des Schuldners überhaupt nicht abgesichert hat. Der Verwalter hat keinerlei Veranlassung, auf Kosten der Masse Aktivitäten zu entfalten, um die Inanspruchnahme der Bürgschaften zu verhindern, weil selbst bei Erfolg solcher Maßnahmen ein Ertrag für die Masse nicht ersichtlich ist. Wenn ein – durch die Bürgschaft abgesicherter – Anspruch des Bürgschaftsgläubigers besteht, erlangt der Bürge durch Zahlung eine einfache Insolvenzforderung, die mit derselben Quote befriedigt wird, wie – denkt man sich die Bürgschaft hinweg – ansonsten die (ebenfalls einfache) Insolvenzforderung des Bürgschaftsgläubigers befriedigt werden müsste. Eine Verschlechterung auch nur der Quotenaussicht für die anderen Gläubiger ist nicht ersichtlich. Die Gefahr, dass der Bürge großzügig objektiv gar nicht bestehende Forderungen des Bürgschaftsgläubigers befriedigt und sodann einen objektiv überhöhten Regressanspruch anmeldet, ist nur theoretisch und praktisch vernachlässigbar. Gerade weil er weiß, dass er nach Zahlung nur einen praktisch so gut wie immer wertlosen Regressanspruch hat, wird der Bürge den Vorgang sorgfältig prüfen. 1210 Aktuell sichern üblicherweise erfahrene gewerbliche Bürgen ihre etwaigen Regressansprüche mit insolvenzfesten Sicherheiten ab, die etwa 15 – 30 % des ausgereichten Avalvolumens ausmachen. Im Einzelfall erfolgen auch deutlich höhere Absicherungen, so etwa bei der Übernahme von Vorauszahlungsbürgschaften. Zu diesen verlangen Bürgen meist eine Sicherheit für Rückgriffsansprüche in Höhe des vollen Bürgschaftsbetrags. Praktisch vollzieht sich dies häufig dergestalt, dass die Bürgschaft unter der aufschiebenden Bedingung steht, der verbürgte Betrag müsse auf ein Konto des Hauptschuld-
296
IV. Die Abwicklung des Geschäftsbesorgungsvertrags
ners beim Bürgen gezahlt werden. Im Hinblick auf diese Zahlung treffen parallel Bürge und Hauptschuldner Abreden über eine Verpfändung, Sicherungsabtretung o. Ä. Das verbreitete Modell einer Absicherung in Höhe von etwa 15 – 30 % bietet 1211 unter Umständen dem Verwalter einen Anreiz, aktiv und notfalls mit Mitteln der Masse den Bürgen zu unterstützen. Die Unwägbarkeiten der Abwicklung sind aber ein Faktor, der den Tatendrang des Verwalters sehr schnell bremsen kann. Beispiel: Der Bürge B hat zehn Mängelanspruchsbürgschaften zu je 100.000 € gestellt und ist durch abgetretenes Festgeld in Höhe von 200.000 € abgesichert. Bei der zeitlich ersten Bürgschaftsinanspruchnahme lässt der Verwalter die Mängel, deren Beseitigung objektiv auf dem Markt 100.000 € kostet, von dem vom Schuldner fortgeführten Bauunternehmen zu einem „Freundschaftspreis“ von 50.000 € beseitigen. Diesen Betrag bezahlt der Verwalter aus der Masse, weil er hofft, damit das Festgeld wirtschaftlich in Höhe von 150.000 € (abgetretener Betrag abzüglich des Aufwands der Masse) für die Gläubiger freizukämpfen. In der Tat gibt der Gläubiger nach der Mangelbeseitigung die Bürgschaft zurück. Es folgen sehr schnell die zeitlich zweite und dritte Bürgschaftsinanspruchnahme, wobei wiederum objektive Mängelbeseitigungskosten von je 100.000 € im Raum stehen. Für die Mängel sind Nachunternehmer des Schuldners verantwortlich, sodass der Verwalter die massezugehörigen, gegen diese Nachunternehmer bestehenden und (ausnahmsweise validen, einredefreien) Nacherfüllungsansprüche geltend macht, damit diese die Mängel beseitigen (zu der regelmäßig nicht gegebenen Anwendbarkeit von § 103 InsO vgl. Rn. 1209). Dies gelingt, und die Bürgschaftsgläubiger geben die Bürgschaften zurück. Der Verwalter hat hier einen Wert von 2 x 100.000 € eingebracht; alternativ hätte er im Interesse der Masse auf Zahlung gerichteten Minderungsansprüche gegen die Nachunternehmer (siehe Rn. 815 ff.) geltend machen können, die der Gläubigergesamtheit zugutegekommen wären. Sodann gehen fünf Bürgschaften unbeansprucht zurück, ehe bei der zeitlich vierten und fünften Inanspruchnahme der letzten noch in der Welt befindlichen Bürgschaften Mängel von je deutlich über 100.000 € auftreten, zu denen es „billigere“ Lösungen nicht mehr gibt. Der Bürge zahlt daher 200.000 € an die beiden Bürgschaftsgläubiger aus und nimmt das Festgeld (abzüglich 8.000 € Feststellungskostenbeitrag gem. § 171 Abs. 1 InsO) in vollem Umfang in Anspruch. Die Hoffnungen des Verwalters haben sich also nicht erfüllt, im Gegenteil, er hat auf Kosten der Masse 250.000 € eingesetzt, damit die Masse geschmälert und einzig den Bürgen begünstigt. Denkt man sich diesen Einsatz des Verwalters hinweg, hätte nämlich der Bürge insgesamt 500.000 € auszahlen müssen. In Höhe von 300.000 € wäre er dann reiner Insolvenzgläubiger.
297
F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz
In derartigen typischen, ergebnisoffenen Fällen lässt sich daher ein Einsatz von Mitteln und Werten aus der Insolvenzmasse nur rechtfertigen, wenn der Verwalter durch Abreden mit dem Bürgen eine Masseschmälerung ausschließt. Denkbar sind zum einen ad-hoc-Abreden des Inhalts, dass der Bürge unabhängig von der weiteren Entwicklung für den jeweiligen Einzelbeitrag des Verwalters eine angemessene Zahlung an die Masse leistet. Solange aber im Raum steht, dass durch gemeinsame Anstrengungen des Verwalters und des Bürgen das abgetretene Festgeld wenigstens teilweise für die Masse frei wird, zeigen Bürgen für solche Lösung nur begrenzte Begeisterung. Alternativ können Bürge und Verwalter im Vorhinein Beiträge des Verwalters abschließend bewerten und festlegen, dass eine Rückerstattung an die Masse erfolgt, wenn sich zeigt, dass letztlich doch der Bürge die vom Schuldner gewährte Sicherheit vollständig verwerten muss. Im Beispielsfall wäre der Rückerstattungsbetrag für die „nutzlosen Aufwendungen“ des Verwalters 250.000 €. In praxi scheitern derartige pragmatische und für den Bürgen durchaus interessante Abreden oft an der Komplexität der Sachverhalte, den zu zeitraubenden Abstimmungen der Bürgen mit den Verwaltern und der Ungeduld der Bürgschaftsgläubiger, die nach fruchtlosem Fristablauf z. B. berechtigterweise (BGH ZIP 2003, 630 = ZfIR 2003, 332 (m. Anm. Siegburg, S. 334), dazu EWiR 2003, 439 (Schwenker) = BauR 2003, 693, 694) eine Mängelbeseitigung durch vom Verwalter eingesetzte Unternehmer ablehnen und zur regelmäßig teureren Eigenbeseitigung schreiten bzw. Schadensersatz geltend machen. b) AGB der Bürgen zur erleichterten Durchsetzung von Regressansprüchen 1212 Die Avalkreditverträge mit gewerblichen Bürgen enthalten regelmäßig von den Bürgen gestellte AGB-Klauseln. Durch diese versuchen die Bürgen, einen späteren Regressanspruch gem. §§ 670, 675 BGB erleichtert durchzusetzen. In mit Verwaltern geführten Rechtsstreitigkeiten wird die Wirksamkeit derartiger Klauseln häufig diskutiert. 1213 Verbreitet ist eine Klausel des Inhalts – wörtlich oder sinngemäß –, dass der Bürge den Avalkreditvertragspartner im Falle der Inanspruchnahme durch einen Bürgschaftsgläubiger unverzüglich davon unterrichten und ihn auffordern muss, zur Abwehr der Inanspruchnahme innerhalb einer Woche gerichtliche Maßnahmen einzuleiten. Kommt der Avalkreditvertragspartner dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach, ist – so weiter in der Klausel – der Bürge berechtigt, ohne Prüfung des Bestehens des vom Bürgschaftsgläubiger geltend gemachten Anspruchs Zahlung zu leisten. 1214 Die Gerichte haben diese Klausel wiederholt für unbedenklich gehalten. Sie hält nach ihrer Auffassung einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB stand. OLG Frankfurt/M. IBR 2008, 324; OLG Dresden IBR 2010, 209; OLG Koblenz NJW-RR 2014, 1062, 1063 l. Sp.;
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IV. Die Abwicklung des Geschäftsbesorgungsvertrags LG Wiesbaden, Urt. v. 5.5.2010 – 12 O 65/09; a. A. offenbar OLG Celle BauR 2000, 1356, 1357 r. Sp. (Inhalt der dort geprüften Klausel nach dem abgedruckten Sachverhalt allerdings nicht klar).
Dem kann nicht gefolgt werden. Bereits der Ablauf eines angesichts der häu- 1215 fig komplexen Sachverhalte zu knappen Zeitraums soll den Bürgen von der vom BGH verlangten Pflicht zur eigenständigen Prüfung des Sachverhalts (Rn. 1202 ff.) vollständig dispensieren, sodass der Bürge freie Hand hätte und selbst auf offensichtlich unbegründete Anforderungen Zahlungen mit der Folge eines Regressanspruchs leisten könnte. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Avalkreditvertragspartners. Der Bürge setzt mit dieser Klausel einseitig seine Interessen durch, obwohl er vor der Auszahlung vom Bürgschaftsgläubiger eine schlüssige Darlegung des Anspruchs verlangen kann und mithin nicht von Hinweisen des Avalkreditvertragspartners abhängig ist. Hinzukommt, dass der Bürge vom Avalkreditvertragspartner mit viel zu 1216 knapper Frist eine offensichtlich unsinnige Maßnahme verlangt. Eine Klage des Avalkreditvertragspartners gegen den Bürgschaftsgläubiger, gerichtet darauf, dass dieser die Inanspruchnahme der Bürgschaft zu unterlassen habe, würde – wäre sie trotz der Möglichkeit des Avalkreditvertragspartners, im Bürgschaftsprozess (zwischen Bürgen und Bürgschaftsgläubiger) als Nebenintervenient beizutreten, überhaupt zulässig – keinen Effekt erzielen, weil selbst ein stattgebendes Endurteil mangels Parteiidentität keine Auswirkungen auf den Bürgschaftsprozess hätte. Im Übrigen besteht die Gefahr, dass in diesem vom Avalkreditvertragspartner zu führenden Prozess das Urteil nach dem Urteil im Bürgschaftsprozess ergeht und damit nicht einmal mehr faktisch das im Bürgschaftsprozess entscheidende Gericht zu beeindrucken vermag. Abhilfe insoweit könnte allenfalls ein erfolgreicher Antrag des Avalkredit- 1217 vertragspartners auf Erlass einer einstweiligen (Unterlassungs-)Verfügung schaffen. Es dürfte jedoch schon deshalb kein Verfügungsgrund bestehen, weil der Avalkreditvertragspartner durch Beitritt im Bürgschaftsprozess und Unterstützung des dort beklagten Bürgen ein Fehlurteil verhindern kann. Wenn – wie inzwischen regelmäßig – der Bürge sich nicht zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet hat, ist mit einem „schnellen“ stattgebenden Endurteil im Bürgschaftsprozess ohne abschließende Klärung aller Streitpunkte nicht zu rechnen. Doch selbst zu Bürgschaften auf erstes Anfordern, bei denen die Gefahr des sofortigen Geldabflusses eminent war, haben die Gerichte teilweise einen Verfügungsgrund verneint, wenn der Hauptschuldner nicht gravierende weitere Nachteile über die Auszahlung des Betrags hinaus nachweisen konnte. OLG Frankfurt/M. IBR 1999, 8; OLG Celle BauR 2002, 1596, 1598; OLG Rostock BauR 2003, 582, 583 f.
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F. Abwicklung von Bürgschaften in der Insolvenz
1218 Ungeachtet ihrer häufig als unwirksam anzusehenden AGB-Klauseln, die ihnen scheinbar einen einfach durchsetzbaren Regress gewähren, genügen die Bürgen überwiegend den Anforderungen der BGH-Rechtsprechung an eine sorgfältige Prüfung des Sachverhalts und unterrichten rechtzeitig den Verwalter. So offenbar auch im Fall des OLG Koblenz NJW-RR 2014, 1062.
1219 Da an die Stelle der unwirksamen Klauseln die §§ 675, 670 BGB treten (§ 306 Abs. 2 BGB) und die Aufwendungen der Bürgen sich als „notwendig“ erweisen, besteht gleichwohl ein Regressanspruch. c) Avalmanagement 1220 In großen Bauinsolvenzen schließen neuerdings Verwalter und Bürgen, die absehbar keine hinreichenden Sicherheiten für ihre Regressansprüche haben, nicht selten sog. Avalmanagementverträge. In diesen verpflichtet sich der Verwalter etwa dazu, dem Bürgen Zugang zu relevanten Daten, Unterlagen usw. zu eröffnen, Dokumentationen usw. zu erstellen, für den Bürgen vor Ort geltend gemachte Ansprüche zu prüfen (und dabei im Bedarfsfall auch ausgeschiedene Wissensträger der Schuldnerin beizuziehen), Verhandlungen mit Bürgschaftsgläubigern zu führen, Vorschläge zur Verhinderung von Auszahlungen zu unterbreiten und hierfür kompetentes Personal vorzuhalten. Im Gegenzug verpflichtet sich der Bürge dazu, dem Verwalter eine Vergütung zu zahlen, meist in Form einerseits fester Beträge, andererseits erfolgsabhängiger Beträge (zu berechnen aus dem jeweils enthaftet freigewordenen Bürgschaftsvolumen). 1221 Solche Verträge, die sinnvoll nur bei größeren Bürgschaftsvolumina sind, stellen eine grundsätzlich praxisgerechte Lösung dar, um die tendenziell divergierenden Positionen des nicht hinreichend abgesicherten Bürgen und des Verwalters im beiderseitigen Interesse zusammenzuführen. Keine Bedenken bestehen gegen solche Verträge, wenn bei der ex ante vorzunehmenden Abschätzung die von der Masse eingesetzten Werte durch die vom Bürgen bezahlte Vergütung ausgeglichen werden. 1222 Die vom Bürgen an den Verwalter zur Abwehr einer Inanspruchnahme von Bürgschaften bezahlten Beträge stellen Aufwendungen i. S. v. §§ 675, 670 BGB dar, sodass sie – mangels insolvenzfester Sicherheiten – als Forderungen des Bürgen zur Insolvenztabelle festzustellen sind. LG Frankfurt/M., Urt. v. 19.11.2009 – 2-12 O 152/09, bestätigt durch OLG Frankfurt/M., Hinweisbeschl. v. 21.7.2010 und Beschl. v. 3.11.2010 – 23 U 431/09.
300
V. Wiederaufleben von Bürgschaften nach Rückgewähr des anfechtbar Erlangten
V. Wiederaufleben von Bürgschaften nach Rückgewähr des anfechtbar Erlangten (§ 144 InsO) Gewährt der Anfechtungsgegner das anfechtbar Erlangte dem Verwalter zu- 1223 rück, so lebt gem. § 144 Abs. 1 InsO seine Forderung wieder auf. Gleiches gilt für akzessorische Neben- und Sicherungsrechte wie Bürgschaften. BGH, Beschl. v. 15.4.2010 – IX ZR 86/09, Rn. 2.
Ein im Prozess des Verwalters gegen den Anfechtungsgegner ergehendes Ur- 1224 teil wirkt allerdings nicht gegen den Bürgen. Eine Bindungswirkung zulasten des Bürgen kann (und muss) der beklagte Anfechtungsgegner dadurch herbeiführen, dass er ihm den Streit verkündet. BGH, Beschl. v. 15.4.2010 – IX ZR 86/09, Rn. 3.
301
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) I. Einleitung 1. Definitionen Eine ARGE ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei Bauunternehmern 1225 auf vertraglicher Grundlage. Diese regelt die im Verhältnis der ARGE-Partner zueinander bestehenden Rechte und Pflichten im Hinblick auf den Zweck der ARGE, (mindestens) einen erteilten Bauauftrag ordnungsgemäß abzuwickeln, wobei insbesondere die jeweiligen Beiträge und Leistungen der ARGEPartner festgelegt werden. Burchardt, Rn. 4; Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, Anhang 2, Rn. 16 ff.
Eine ARGE hingegen, die selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern den 1226 vom Besteller erteilten Auftrag in einzelne, streng getrennte Leistungsbereiche (Lose) aufteilt, wird als Dach-ARGE bezeichnet. Eine Dach-ARGE überlässt im Rahmen eigenständiger Nachunternehmerverträge die Lose ihren Partnern zur Ausführung mit der Folge, dass die hieraus resultierenden Bauvertragsverhältnisse zwischen der Dach-ARGE und den Dach-ARGE-Partnern einerseits und die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen innerhalb der DachARGE zwischen den Partnern andererseits zu unterscheiden sind. OLG Hamm NZBau 2001, 28, 29 l. Sp.; insoweit von BGH BauR 2003, 529 nicht revidiert; Langen, in: Jahrbuch Baurecht 1999, S. 64, 70.
Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich aus Platzgründen auf die 1227 (normale) ARGE, wobei jedoch wesentliche Vertragselemente bei der DachARGE identisch sind, sodass die Ausführungen auf diese übertragbar sind. 2. Vertragsgrundlagen Erfahrene Bauunternehmer bedienen sich zur Regelung ihres Innenverhält- 1228 nisses seit jeher des vom bis 2005 gemeinsam vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. und vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V. herausgegebenen Mustervertrags, bezeichnet als „Arbeitsgemeinschaftsvertrag“. In der Folge wird nur noch zur Verdeutlichung von Abweichungen auf diese Vertragsgrundlage in der Fassung 2000 Bezug genommen („Mustervertrag 2000“). Die aktuell relevante Fassung datiert aus dem Jahr 2005. Herausgeber ist 1229 nunmehr allein der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. In diese Fassung haben Erkenntnisse Eingang gefunden, die die beteiligten Kreise im Zusammenhang vor allem mit der Insolvenz der Philipp Holzmann AG gewonnen haben. Diese Fassung bezeichne ich als „Mustervertrag 2005“.
303
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
1230 Für die Dach-ARGE existieren aus jüngerer Zeit ein von den vorgenannten Verbänden herausgegebener Mustervertrag, Fassung 2002, und die wiederum nunmehr vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. herausgegebene Fassung 2005. 1231 Ein ARGE-Partner, für den sich eine Regelung des Mustervertrags als nachteilig erweist, kann sich nicht auf den Schutz der §§ 307 ff. BGB berufen. Üblicherweise wollen sämtliche Partner einer ARGE ihr Innenverhältnis auf Grundlage des bewährten und ständig weiterentwickelten Mustervertrags regeln. Damit ist kein Partner „Verwender“ i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. BGH ZIP 1983, 438, 439 f.; OLG München BauR 2002, 1409, 1410 l. Sp.; ähnlich LG Bremen, Urt. v. 13.12.2000 – 11 O 614/99, S. 7.
1232 Hinzukommt, dass die §§ 307 ff. BGB generell nicht auf Gesellschaftsverträge anwendbar sind (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB), da das AGB-Recht nicht auf derartige Verträge zugeschnitten ist. Staudinger-Habermeier, BGB, § 705 Rn. 15.
1233 Unabhängig davon hat die Rechtsprechung Kontrollmaßstäbe für die in der Insolvenz besonders wichtigen Abfindungsregelungen entwickelt. Allgemein dazu Staudinger-Habermeier, BGB, § 738 Rn. 22 ff.; Bamberger/Roth-Schöne, BGB, § 738 Rn. 29 ff.
1234 Das OLG München hat die in der Insolvenz besonders relevante pauschale Bewertung des Gewährleistungsrisikos (vgl. Rn. 1278 ff.) einer eingehenden Überprüfung anhand dieser Maßstäbe unterzogen und festgehalten, dass die maßgeblichen Grenzen ersichtlich nicht überschritten werden. OLG München BauR 2002, 1409, 1410.
1235 Auch für andere Bestimmungen des Mustervertrags, die in der Insolvenz eines Partners relevant werden, lässt sich eine Unwirksamkeit anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kontrollmaßstäbe nicht erkennen. 1236 Soweit im Einzelfall der Mustervertrag Lücken lässt, sind diese durch Anwendung der Vorschriften des BGB zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu schließen (§§ 705 ff. BGB). Außerdem können im Einzelfall die Vorschriften über die OHG (§§ 123 ff. HGB) relevant werden, gerade soweit es um das Außenverhältnis der ARGE gegenüber dem Besteller und dem allgemeinen Rechtsverkehr geht. 3. Die Rechtsnatur der ARGE 1237 In einer zu einer ARGE ergangenen Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsfähigkeit zuerkannt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. In diesem Rahmen ist die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts zugleich im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig. Soweit 304
II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters demjenigen bei der OHG (Akzessorietät). BGH ZIP 2001, 330 (m. Bespr. Ulmer, S. 585).
Die darin zum Ausdruck kommende Entscheidung des Bundesgerichtshofs 1238 für die Theorie der akzessorischen Mithaftung, wie sie für die OHG in den §§ 128 ff. HGB verankert ist, Staudinger-Habermeier, BGB, Vorbem. zu §§ 705 – 740 Rn. 32, 35,
determiniert allerdings noch nicht die Beantwortung der Frage, ob die ARGE heutzutage weiterhin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder ob sie als OHG anzusehen ist. Die vom Bundesgerichtshof nun befürwortete Theorie der akzessorischen Mithaftung führt nämlich zunächst nur zu einer entsprechenden Anwendung der §§ 128 ff. HGB, ohne damit zugleich die ARGE generell dem Recht der OHG zu unterstellen. Dem herkömmlichen und für typische Fälle zutreffenden Verständnis ent- 1239 spricht es – weiterhin –, die ARGE ungeachtet der Komplexität des Bauvorhabens, welches im Auftrag des Bestellers abzuwickeln ist, und der Dauer der Bauleistung (inklusive der Erfüllung von Mängelansprüchen des Bestellers im Zeitraum nach Abnahme) als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen. Wohl BGH IBR 2009, 211 Rn. 15; Burchardt, Rn. 13 ff.; K. Schmidt, DB 2003, 703; C. Schmitz, EWiR 2005, 341, 342; K. Schwarz, ZfBR 2007, 636, 637 f.
Dieser Auffassung sind nicht zuletzt wegen der Neufassung von § 1 Abs. 2 1240 HGB einige Stimmen entgegengetreten. Z. B. OLG Dresden BauR 2002, 1414; Joussen, in: Festgabe Kraus, S. 73.
II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE Um die nachfolgenden Ausführungen nicht durch umständliche Varianten- 1241 bildungen zu überfrachten, ist stets eine zweigliedrige ARGE vorausgesetzt, von deren Partnern einer insolvent wird. Mit den entsprechenden Modifikationen lassen sich die Ausführungen auf eine mehrgliedrige ARGE übertragen. 1. Ausscheiden eines Partners aufgrund seiner Insolvenz a) Eigeninsolvenzantrag Gemäß § 23.41 Mustervertrag 2005 kann ein Gesellschafter den anderen Ge- 1242 sellschafter aus der ARGE durch Erklärung ausschließen, wenn Letzterer die 305
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
Zahlungen eingestellt oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt oder seinen Gläubigern einen außergerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat. Diese entsprechende Regelung ist sprachlich eindeutig: Nur ein Eigeninsolvenzantrag eines Gesellschafters kann den Ausschluss rechtfertigen. 1243 In der Praxis führt der für den verbliebenen ARGE-Partner unschwer überprüfbare Umstand des Eigeninsolvenzantrags (23.41 Alt. 2 Mustervertrag 2005) regelmäßig zum Ausschluss des insolventen Partners. Als Zeitpunkt des Ausscheidens gilt in dieser Fallgruppe der Tag, an dem die Erklärung über den Ausschluss dem auszuschließenden Gesellschafter zugegangen ist (§ 23.63 Mustervertrag 2005). 1244 Gemäß § 23.7 Mustervertrag 2005 kann sich gegen die Ausschlusserklärung der betroffene Gesellschafter nur innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Zugangs des „Beschlusses“ an, durch Klage wehren. Unterbleibt die rechtzeitige Klageerhebung – dazu auch § 23.71 Mustervertrag 2005 –, gilt der Ausschluss als vom betroffenen Gesellschafter gebilligt (§ 23.72 Mustervertrag 2005). 1245 Eine solche Klage hat jedoch keine Erfolgsaussicht, wenn der Tatbestand des § 23.41 Mustervertrag 2005 gegeben ist. Mit der Beantragung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Partners können der Zweck der ARGE und ihr Bestand wesentlich beeinträchtigt bzw. gefährdet sein. Diese objektive Gefährdungslage rechtfertigt bereits sachlich den Ausschluss. OLG Naumburg ZfIR 2002, 453, 454 r. Sp.
1246 Gelegentlich wird der Mustervertrag dergestalt abgeändert, dass ein Partner automatisch – ohne dass es einer förmlichen Erklärung des anderen Partners bedürfte – aus der ARGE ausscheidet, wenn er Insolvenzantrag stellt. Auch derartige Vereinbarungen sind wirksam. Zoll, ZfIR 2002, 456, 458 r. Sp.
b) Insolvenzantrag eines Dritten gegen einen Partner 1247 Diese Fallkonstellation behandelt nunmehr erstmals explizit § 23.31 Mustervertrag 2005 und bewertet in der beispielhaften Aufzählung des dortigen Satzes 2 den von einem Dritten gegen einen Partner gestellten Insolvenzantrag als „wichtigen Grund“, der den Ausschluss des betroffenen Gesellschafters durch einstimmigen Beschluss der übrigen Gesellschafter ermöglicht. Liegt ein solcher wichtiger Grund vor, kann in einer zweigliedrigen ARGE der Ausschluss nur durch gerichtliche Entscheidung erfolgen (§ 23.32 Mustervertrag 2005). 1248 Diese Regelung ist bedenklich, da ein willkürlicher Insolvenzantrag eines Dritten die anderen Gesellschafter in die Lage versetzt, einen Partner aus einer mehr als zweigliedrigen ARGE durch einstimmigen Beschluss auszuschlie-
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II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
ßen. Für die zweigliedrige ARGE dürfte die Regelung kaum Relevanz haben, da ein gerichtliches Verfahren zu lange dauert. c) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Partners Gemäß § 23.52 Mustervertrag 2005 scheidet ein Gesellschafter zwangsläufig 1249 aus der ARGE aus, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird. Auch gegen diese Regelung können Wirksamkeitsbedenken – insbesondere 1250 auch nicht aus § 119 InsO –, BGH ZIP 2007, 383 Rn. 11 = ZfIR 2007, 642 (m. Anm. Linnertz, S. 645), dazu EWiR 2007, 343 (Bork),
nicht vorgebracht werden, weil sie der gesetzlichen Regelung entspricht: Zwar führt grundsätzlich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters dazu, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelöst wird (§ 728 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Gesetz lässt jedoch in § 736 Abs. 1 BGB sogenannte Fortsetzungsabreden zu mit der Folge, dass unter anderem mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Partners dieser aus der Gesellschaft ausscheidet und der verbliebene Partner die Gesellschaft fortführt. Der Mustervertrag enthält eine solche Fortsetzungsabrede in § 24.1 Mustervertrag 2005. Zoll, ZfIR 2002, 456, 458.
Als Zeitpunkt des Ausscheidens gilt in dieser Fallgruppe der Tag der Eröff- 1251 nung oder Ablehnung des Insolvenzverfahrens (§ 23.66 Mustervertrag 2005). 2. Anwachsung Der verbliebene ARGE-Partner führt die Geschäfte der ARGE zu Ende. Er 1252 übernimmt ohne besonderen Übertragungsakt mit dinglicher Wirkung die Anteile des ausgeschiedenen Partners (§ 24.1 Mustervertrag 2005; § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für eine – vor dem Ausscheiden des Partners – mehr als zweigliedrige ARGE 1253 gilt: Der ARGE gehörende Gegenstände gehören ihr also nach wie vor, während sich der Wert der Beteiligung der verbliebenen Partner an der ARGE erhöht. Staudinger-Habermeier, BGB, § 738 Rn. 4.
Kontrovers beurteilt wird die Rechtslage für eine vor dem Ausscheiden des 1254 insolventen Partners nur zweigliedrige ARGE: Die seit einigen Jahren vom Bundesgerichtshof anerkannte eigene Rechtsfähigkeit der ARGE als Gesellschaft bürgerlichen Rechts könnte dafür sprechen, auch eine „Ein-MannARGE“ anzunehmen, bei der die ursprünglich dem ausgeschiedenen Partner und die dem verbleibenden Partner zustehende Beteiligung fortbestehen
307
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
würden. Dagegen spricht aber – mit der früher hierzu ergangenen Rechtsprechung –, dass eine Person nicht mehrere Beteiligungen halten kann. BGHZ 65, 79, 82 f.; Erman-Westermann, § 705 Rn. 23; K.-R. Wagner, ZfBR 2006, 209, 211 (m. w. N. auch zur Gegenmeinung in Fn. 39 f.).
1255 In der zweigliedrigen ARGE gehen sämtliche Aktiva und Passiva des Gesellschaftsvermögens auf den verbleibenden Partner über. BGH ZIP 2008, 1677 Rn. 9, 12 m. w. N., (m. Bespr. K. Schmidt, S. 2337), dazu EWiR 2008, 679 (Vortmann); OLG Karlsruhe NJW 2012, 2204, 2205; Thode, BauR 2007, 610, 612 m. w. N.
1256 Er wird daher Alleininhaber des Gesellschaftsvermögens und kann insbesondere Forderungen der ARGE gegen den Besteller allein durchsetzen (zu den Problemen bei bereits anhängigen Prozessen, die beide Partner als Kläger eingeleitet haben, vgl. Rn. 1372). OLG Hamm BauR 1986, 462.
1257 Vorstehende Grundsätze gelten auch dann, wenn beide Partner einer ARGE direkt hintereinander (hier: 1.9. bzw. 2.9.2009) in Insolvenz fallen. Das Gesellschaftsvermögen wächst dem Partner zu, über den als Letzten ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. OLG Hamm ZInsO 2014, 2558.
1258 Der Verwalter über das Vermögen des ausgeschiedenen Partners ist aufgrund des Eigentums der ARGE/des verbliebenen Partners dazu verpflichtet, die diesen gehörenden Gegenstände herauszugeben. Diese dingliche Rechtsstellung des verbliebenen Partners/der ARGE ist insolvenzfest, sodass sie auch eine einstweilige Verfügung erwirken können. LG Essen, Beschl. v. 24.6.2002 – 4 O 224/02.
1259 Der Verfügungsgrund liegt darin, dass Unterlagen wie Ergebnisübersichten, Salden- und offene-Posten-Listen, Originalbelege wie Rechnungen usw., Verträge mit Nachunternehmern, Pläne, Zeichnungen usw. benötigt werden, um die bruchlose Fortführung des Bauvorhabens gegenüber dem Besteller sicherzustellen. 1260 Auch auf die ARGE ausgestellte, beim ausgeschiedenen Partner befindliche Bürgschaftsurkunden (z. B. seitens der Nachunternehmer oder der ARGEPartner) sind herauszugeben, da der Bürgschaftsgläubiger, also die ARGE/ der verbliebene Partner, Eigentümer der Urkunden ist (§ 952 BGB). Staudinger-Gursky, BGB, § 952 Rn. 3.
308
II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
3. Die aufgrund des Ausscheidens des insolventen Partners gebotene Aufstellung der Auseinandersetzungsbilanz a) Vorbemerkung Ob und in welchem Umfang der ausgeschiedene Partner am Ergebnis der 1261 ARGE teilhat, ergibt sich aus der Auseinandersetzungsbilanz. Unter teilweise großer Abweichung von den §§ 738 ff. BGB enthält hierzu § 24.2 bis 24.6 Mustervertrag 2005 eingehende Regelungen. Diesen Bestimmungen liegen Erfahrungen zugrunde, die ab 1979 im Konkurs der „Beton- und Monierbau AG“ gesammelt wurden, da sich die seinerzeitigen Klauseln des Mustervertrags aus Sicht der verbleibenden ARGE-Partner als nicht praxisgerecht erwiesen haben. Ziel der sodann eingeleiteten Änderungen, wie sie auch im Mustervertrag 2000 ihren Niederschlag gefunden haben, ist es, der Auseinandersetzungsbilanz einen endgültigen Charakter zu geben und jahrelange Streitigkeiten mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter oder dessen Insolvenzverwalter zu vermeiden. Fahrenschon/Burchardt, ARGE, § 24 Rn. 2 f.; LG Bremen, Urt. v. 13.12.2000 – 11 O 614/99, S. 6.
Für die bei Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz notwendigen Schät- 1262 zungen regen einzelne Stimmen an, in die Angemessenheitsüberlegungen die vorrangig zu berücksichtigenden Interessen des verbliebenen Partners aufzunehmen. Dies wird damit begründet, dass der insolvenzbedingt ausgeschiedene Partner die Umstände, die zum Ausscheiden führten, allein zu vertreten hat. Er darf dafür, dass er den verbliebenen Partner bei der Ausführung der werkvertraglichen Leistung gegenüber dem Besteller im Stich gelassen und ihm das gesamte Risiko aufgebürdet hat, nicht noch belohnt werden. Daher sollen die Interessen des verbliebenen Partners in bestimmten, allerdings sorgsam abzuwägenden Fällen einen gewissen Vorrang genießen. Fahrenschon/Burchardt, ARGE, § 24 Rn. 12, immer noch Burchardt/Pfülb, ARGE, § 24 Rn. 36.
Diesen Ausführungen kann so nicht gefolgt werden. § 24.2 bis 24.5 Muster- 1263 vertrag 2005 enthält zahlreiche – wirksame – Regelungen, welche den Interessen des verbliebenen Partners den Vorrang einräumen. Darüber hinaus bei wenigen nicht explizit geregelten Punkten die nach dem Mustervertrag und dem Gesetz (§ 738 Abs. 2 BGB, § 252 HGB) notwendige Schätzung und Bewertung einseitig zugunsten des Verbliebenen vorzunehmen, besteht keinerlei Veranlassung. Wegen der Vielzahl der Fallgestaltungen der Praxis können hier nur Grund- 1264 linien dargestellt werden; eine Vielzahl von praxisrelevanten Konstellationen ist erläutert von Haller/Mielicki, Bauwirtschaft 1997, 6, 7 f.
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G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
b) Einzelprobleme aa) Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz durch die kaufmännische Geschäftsführung, hilfsweise durch den verbliebenen Gesellschafter 1265 Gemäß § 8.44 Mustervertrag 2005 hat innerhalb der ARGE der mit der Kaufmännischen Geschäftsführung (KGF) betraute Partner die Auseinandersetzungsbilanz zu stellen. Hatte jedoch der insolvenzbedingt ausscheidende Partner die KGF inne, so gilt die spezielle Regelung des § 24.2 Satz 1 Mustervertrag 2005. In diesen Fällen hat/haben der/die verbliebene/n Partner die Auseinandersetzungsbilanz zu erstellen. LG München I IBR 2008, 328.
bb) Stichtagsprinzip und Einfluss nachträglicher Erkenntnisse 1266 Die Auseinandersetzungsbilanz ist zum Stichtag des Ausscheidens zu erstellen § 24.2 Satz 1 Mustervertrag 2005), auch wenn es in der Praxis unmöglich ist, dass der verbliebene Partner unmittelbar nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens des anderen Partners § 23.6 Mustervertrag 2005) die Auseinandersetzungsbilanz vorlegt. Er muss gleichwohl die damals gegebenen objektiven Erkenntnisse einarbeiten, weshalb es sich empfiehlt, die Bauleistung gegenüber dem Besteller am Tag des Ausscheidens bzw. unmittelbar danach zu erfassen. Haller/Mielicki, Bauwirtschaft 1998, 10, 11.
1267 Besonders streitträchtig ist dieses Stichtagsprinzip wegen Nachträgen, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens bereits vollständig ausgeführt waren, aber sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gegenüber dem Besteller im Streit standen. Beispiel: Die aus A und B bestehende ARGE hat wegen grundlegend geänderter Ausführungsbedingungen und daraus resultierender Erschwernisse einen Nachtrag über 1 Mio. € beim Besteller eingereicht, der die Bezahlung grundsätzlich ablehnt mit dem Argument, derartige Erschwernisse seien nach dem bestehenden Vertrag zwischen dem Besteller und der ARGE vom vereinbarten Pauschalpreis erfasst; im Übrigen lägen die Erschwernisse tatsächlich nicht vor und sei der angebotene Nachtragspreis weder schlüssig dargelegt noch der Höhe nach auch nur ansatzweise berechtigt. Intensive Verhandlungen mit dem Besteller bleiben bis zum 1.4.2011, dem Stichtag des Ausscheidens des B aus der ARGE, erfolglos. A setzt daher diese strittige Nachtragsposition in der Auseinandersetzungsbilanz nicht als Aktivposten an, wogegen der Verwalter form- und fristgerecht Einspruch einlegt. Aufgrund eines detaillierten Gutachtens eines erfahrenen und angesehenen Baurechtsanwalts, der auch die Unvereinbarkeit maßgeblicher Vertragsklauseln des Bestellers mit § 307 BGB herausarbeitet, und eines ergänzenden baubetrieblichen Gutachtens eines renommierten Sachverständigen einigen
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II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
sich schließlich A als Rechtsnachfolger der ARGE und der Besteller in weiteren intensiven Verhandlungen auf einen Vergleich über 200.000 €, die der Besteller am 15.11.2011 an A bezahlt. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen von B erfährt hiervon und verlangt eine Korrektur der Auseinandersetzungsbilanz. Eine strikte Ablehnungshaltung des Bestellers gegenüber geltend gemachten 1268 Nachtragsforderungen allein rechtfertigt es nicht, eine Nachtragsforderung in der Auseinandersetzungsbilanz mit „0“ anzusetzen. Eine derartige Verweigerungshaltung ist für die Mehrzahl der Bauherren gerade bei großen Bauvorhaben, die ARGEN typischerweise durchführen, typisch. Es kommt vielmehr auf die rückwirkend zum Stichtag zu beurteilende sachliche Berechtigung der Verweigerungshaltung des Bestellers an. Zu analysieren sind die Durchsetzbarkeit des Nachtrags insbesondere unter rechtlichen (Vertragsauslegung, Einhaltung etwaiger formaler Erfordernisse gemäß Vertrag oder VOB/B; AGB-Kontrolle, Preisbildung usw.) sowie tatsächlichen (sorgfältige Dokumentation, Beweisbarkeit usw.) Kriterien und der daraus resultierende, im Lichte von § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB angemessene Wertansatz. Bei sehr zweifelhaften Forderungen ist es gerechtfertigt, deren Wert in der Bilanz mit 0 € anzusetzen. BGH BauR 1999, 1471, 1472.
Ist eine zum Stichtag erfolgte Bewertung einer zweifelhaften Forderung mit 1269 0 € nicht angreifbar, ändern hieran auch nachträgliche Erkenntnisse – also z. B. die nachträgliche (Teil-)Durchsetzung gegen den Besteller – nichts. Derartige nachträgliche Erkenntnisse aufgrund der tatsächlichen Entwicklung führen nicht zu einer Korrektur der als solche nicht angreifbare Schätzung, und zwar weder zugunsten noch zulasten des ausgeschiedenen Partners. BGH WM 1974, 129, 130 f.
In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, 1270 dass in der Auseinandersetzungsbilanz zwar grundsätzlich Vermögensgegenstände mit dem Wert anzusetzen sind, den sie beim Ausscheiden des Gesellschafters haben; jedoch ist es nicht ausgeschlossen, nachträglich gewonnene Erkenntnisse für die Bewertung heranzuziehen, wenn sie Rückschlüsse auf die Werte am Stichtag erlauben. BGH WM 1981, 452, 453 l. Sp.
Die drei vorerwähnten Urteile des II. Senats des Bundesgerichtshofs sind 1271 nicht zu ARGEN ergangen. Zusammenfassend wird man aus ihnen ableiten dürfen: Eine zum Zeitpunkt des Stichtags sehr zweifelhafte Forderung gegen den Besteller ist in der Auseinandersetzungsbilanz mit 0 € anzusetzen. Kann die Forderung später gegen den Besteller doch durchgesetzt werden, ändert sich hieran nichts. Allerdings sind interessengeleitete subjektive Zweifel des verbleibenden ARGE-Partners und Bilanzaufstellers unbeachtlich; in einem Rechtsstreit sind daher die objektiven Bewertungskriterien zum Stichtag des Ausscheidens ggf. sachverständig zu ermitteln, wobei auch interne Bewertungen der ARGE und eingeholte Expertisen rechtlicher und technischer 311
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
Art, soweit sie zum Stichtag des Ausscheidens vorlagen, eine Rolle spielen können. 1272 Gerade dann, wenn eine Forderung, obwohl dies objektiv nicht gerechtfertigt war, mit 0 € angesetzt worden ist, oder wenn ein angesetzter positiver Betrag sich bei Überprüfung der Schätzung als willkürlich niedrig erweist, besteht ein „Einfallstor“ für nachträglich gewonnene Erkenntnisse, wobei es jedoch verfehlt ist, nunmehr das nachträgliche Ergebnis der Forderungsdurchsetzung gegenüber dem Besteller 1 : 1 als Position der Auseinandersetzungsbilanz festzuschreiben. Ein derartiges Vorgehen wäre mit Sinn und Zweck einer Schätzung, die zwangsläufig der späteren Entwicklung nicht entsprechen kann, nicht vereinbar. cc) Bewertung der bis zum Ausscheiden des insolventen Partners „ausgeführten Arbeiten“ 1273 Diese Position ist zumeist der wesentliche Aktivposten in der Auseinandersetzungsbilanz und regelmäßig streitträchtig. Im Ausgangspunkt ist klar, dass „unter ausgeführten Arbeiten“ der jeweilige Fertigstellungsstand der im Rahmen der Baudurchführung gegenüber dem Besteller tatsächlich erbrachten Leistung zu verstehen ist, wobei es unerheblich ist, ob die Bauleistung völlig – also abnahmereif – oder nur zum Teil erbracht wurde. § 24.2 Satz 2 Mustervertrag 2005 erfasst sowohl den Fall, dass der insolvente Partner vor dem Abschluss der Bauarbeiten ausscheidet, als auch den, dass er nach dem Abschluss dieser Arbeiten, aber vor dem Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Bestellers aus der ARGE ausscheidet. BGH BauR 1991, 624, 625 l. Sp.
1274 Voraussetzung für eine korrekte Bewertung ist eine zeitnah vorgenommene Leistungsstandsabgrenzung zum Zeitpunkt des Ausscheidens des insolventen Partners, da jedenfalls im Stadium vor Abnahme durch den Besteller der verbliebene Partner das Bauwerk unverzüglich fortführen muss, um Verzugsschadensersatzansprüche des Bestellers u. Ä. zu verhindern. Es ist angemessen, die Darlegungs- und Beweislast für den Leistungsstand zum Zeitpunkt des Ausscheidens des insolventen Partners nach den Grundsätzen zu verteilen, wie sie im Verhältnis zwischen Besteller und Unternehmer bei Vertragskündigung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B gelten. Bei dieser Betrachtungsweise rückt der ausgeschiedene Partner an die Stelle des gekündigten Unternehmers, während der verbliebene Partner an die Stelle des Bestellers rückt. Der Anspruch des wirksam ausgeschlossenen insolventen Partners darauf, Feststellungen zum Leistungsstand zu treffen und hierfür die Baustelle zu betreten, ergibt sich aus der nachwirkenden gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht des verbliebenen Partners. Im Einzelnen darf auf die übertragbaren Ausführungen zu § 8 Abs. 6 VOB/B verwiesen werden (Rn. 135 ff.). 1275 Zu bewerten sind die „ausgeführten Arbeiten“ nach dem Preissystem im Verhältnis der ARGE zum Besteller. Es ist eine Abrechnung so vorzunehmen,
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II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
als ob der Besteller zum Stichpunkt des Ausscheidens den Bauvertrag mit der ARGE gekündigt hätte. Ist mit dem Besteller seitens der ARGE ein Pauschalpreis vereinbart, sind die Grundsätze der Rechtsprechung zur Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrags heranzuziehen (vgl. Rn. 391 ff.). Eine Bewertung etwa nach dem tatsächlichen Aufwand der ARGE bis zum Stichtag des Ausscheidens für das erstellte Teilwerk oder nach dem objektiven Wert des Teilwerks würde daran vorbeigehen, dass die „ausgeführten Arbeiten“ nur in dem Umfang einen Aktivposten in der Auseinandersetzungsbilanz begründen, als hieraus eine Forderung nach dem mit dem Besteller bestehenden Vertrag durchsetzbar ist. dd) Finanzielle Verhältnisse des Bestellers Für die Bewertung der maßgeblichen Aktivposition in der Auseinanderset- 1276 zungsbilanz, nämlich der „ausgeführten Arbeiten“ (inklusive hieraus resultierender Nachtragsansprüche), sind die finanziellen Verhältnisse des Bestellers ein nicht zu unterschätzender Faktor. BGH WM 1974, 129, 130 f.
Eine ernsthafte, objektivierbare Sorge zum Zeitpunkt des Ausscheidens des 1277 insolventen Partners, dass der Besteller offene Forderungen nicht mehr oder nicht mehr vollständig bezahlen können werde, rechtfertigt es daher, in der Auseinandersetzungsbilanz Abschläge vorzunehmen. Dabei ist jedoch sorgfältig zu prüfen, inwieweit schwierige wirtschaftliche Verhältnisse des Bestellers durch bestehende Sicherheiten (z. B. Sicherheiten gem. § 648a BGB) oder durch sonstige Sicherungsmittel (Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek bzw. einer hierauf gerichteten Vormerkung an aussichtsreicher Rangstelle am bebauten Bestellergrundstück) kompensiert werden. ee) Angemessene Bewertung des „Risikos wegen Mängelhaftung“ Diese in § 24.2 Sätze 5 und 6 Mustervertrag 2005 geregelte Problematik ist 1278 der Passivposten, mit dem in der Insolvenz des ausgeschiedenen Partners nahezu jede Auseinandersetzungsbilanz steht bzw. aus Sicht des Insolvenzverwalters fällt. Diese Position soll durch eine bereits mit Abschluss des ARGE-Vertrags von beiden Partnern verbindlich vorgenommene Bewertung das Risiko des verbliebenen ARGE-Partners, Aufwendungen für die Erfüllung von Mängelansprüchen des Bestellers tätigen zu müssen, abdecken. Dabei wird die Position selbst noch heute in zahlreichen Auseinandersetzungsbilanzen fälschlicherweise als „Rückstellung“ bezeichnet, obwohl es gerade Sinn und Zweck der nunmehrigen Regelung ist, spätere Streitigkeiten, die mit der Auflösung einer (vorläufigen) Rückstellung verbunden sein könnten, dauerhaft durch eine einmalige endgültige Bewertung auszuschließen. Burchardt, Rn. 125; Ewers, in: Jagenburg u. a., Rn. 573.
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G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
1279 Die Fehlbezeichnung als „Rückstellung“ in einer heute verfassten Auseinandersetzungsbilanz ist jedoch unschädlich, da maßgeblich die vertragliche Regelung des § 24.2 Sätze 5 und 6 Mustervertrag 2005 ist. Gemäß § 24.2 Satz 5 Mustervertrag 2005 ist die von Anfang an im ARGE-Vertrag festgelegte Bewertung unabhängig vom Stand des Bauvorhabens im Zeitpunkt des Ausscheidens vorzunehmen, sodass der vereinbarte Prozentsatz auch dann gültig bleibt, wenn zum Zeitpunkt des Ausscheidens das Bauvorhaben von der ARGE gegenüber dem Besteller bereits fertiggestellt, von diesem abgenommen ist sowie die Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Bestellers vor dem Ablauf steht. Der Mustervertrag selbst sieht in § 24.2 Satz 6 Mustervertrag 2005 einen Prozentsatz von 2 % des Auftragswerts netto der zum Stichtag erbrachten und vertragsgemäß noch zu erbringenden Leistungen als angemessen an, wobei es den Partnern ausdrücklich freigestellt bleibt, einen anderen Prozentsatz einzusetzen. Hiervon wird regelmäßig Gebrauch gemacht, indem stattdessen ein Satz von 5 % vereinbart wird (dieser Satz orientiert sich an der üblichen Höhe der Sicherheitsleistung, die private Besteller zur Absicherung von Mängelansprüchen im Stadium nach Abnahme vorgeben). 1280 Die Rechtsprechung hat gegen die Vereinbarung eines Satzes von 5 % keine Bedenken geäußert, dies auch nicht unter dem Aspekt, dass der verbliebene ARGE-Partner durch gegen Nachunternehmer der ARGE bestehende, durch Bürgschaften abgesicherte Mängelansprüche teilweise abgesichert sein könnte. OLG München BauR 2002, 1409, 1410 f.; OLG Koblenz IBR 2007, 558; z. T. a. A. Wölfing-Hamm, BauR 2005, 228, 232.
1281 Auch den abschließenden Charakter dieser pauschalierten Bewertung, die also nicht wie eine Rückstellung später nochmals aufgerollt und abgerechnet werden muss, hat die Rechtsprechung betont. Explizit: OLG Koblenz IBR 2007, 558; LG Bremen, Urt. v. 29.9.2000 – 13 O 616/99 A, S. 5; implizit: OLG München BauR 2002, 1409.
1282 Aus einer älteren Entscheidung des OLG Celle, OLG Celle BauR 1993, 612, 613 r. Sp.,
ergibt sich nichts Abweichendes: Zwar hat das Oberlandesgericht dort offengelassen, ob dem insolventen Partner eventuell das Recht zusteht, nicht verbrauchte Rückstellungen zurückzufordern. Diese Entscheidung ist jedoch auf den Mustervertrag 2005 nicht übertragbar, da sie zu einer älteren Fassung ergangen ist, in der noch von Rückstellungen die Rede war. 1283 Eine höhere Bewertung des Risikos kommt gem. § 24.2 Satz 6 Mustervertrag 2005 in Betracht, wenn „zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ein höherer Ansatz begründet ist“. Angesichts dessen kann es gerechtfertigt sein, den vertraglichen Ansatz von 2 % auf 4 % zu erhöhen, wenn es sich etwa um einen modernen Kirchenbau handelt, der wesentlich von Sichtbetonflächen
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II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
mit höchsten architektonischen Ansprüchen geprägt ist und für den daher das Risiko wegen Mängelhaftung weit höher als üblich liegt. LG Köln IBR 2006, 675.
ff) Bewertung sonstiger Risiken Gemäß § 24.2 Satz 5 Mustervertrag 2005 ist auch eine angemessene Bewer- 1284 tung sonstiger Risiken (über das Risiko wegen Mängelansprüchen des Bestellers hinaus) vorzunehmen. Droht aufgrund der Insolvenz des ausgeschiedenen Partners, dass der verbliebene Partner das Bauvorhaben nicht innerhalb einer verbindlichen Fertigstellungsfrist gegenüber dem Besteller abschließen kann und deshalb der Besteller eine wirksam vereinbarte Vertragsstrafe geltend macht, ist dieses Risiko auf der Passivseite der Bilanz zu bewerten. Genauso sind zu bewerten Kostenumlagerungen und erkennbare Verluste bei 1285 der weiteren Abwicklung des Bauvorhabens, die aufgrund der Vertragsstrukturen und der Kalkulationsannahmen nicht im Wege eines Nachtrags auf den Besteller umgelegt werden können. Beispiele bei Haller/Mielicki, Bauwirtschaft 1997, 6, 7.
gg) Schwebende Geschäfte Gemäß § 24.2 Satz 2, 2. Halbs. Mustervertrag 2005 nimmt der insolvenzbe- 1286 dingt ausgeschiedene Partner nicht teil am Gewinn und Verlust noch auszuführender Arbeiten und schwebender Geschäfte, mit Ausnahme bereits erkennbarer Verluste. Der Begriff der „schwebenden“ Geschäfte ist streitträchtig, wenn zum Stich- 1287 tag des Ausscheidens bereits eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Besteller wegen vermeintlicher Nachtragsforderungen läuft. Beispiel: A und B einigen sich nach fruchtlosen außergerichtlichen Verhandlungen, dass die aus ihnen gebildete ARGE Klage wegen eines Bauzeitverlängerungsnachtrags aus einer überfälligen Abschlagsrechnung gegen den Besteller vor dem Landgericht anhängig machen soll, was am 1.2.2011 geschieht. Am 26.9.2011 scheidet B insolvenzbedingt aus der ARGE aus. Der Besteller wird zwei Jahre später durch rechtskräftig werdendes Urteil zur Zahlung von 500.000 € (20 % der eingeklagten Forderung) verurteilt. In der Auseinandersetzungsbilanz vom 15.12.2011 setzt A diese Forderung mit 0 € an, wogegen der Insolvenzverwalter über das Vermögen des B form- und fristgerecht Einspruch erhebt. Der Verwalter möchte nun angesichts der sonst ausgeglichenen und nicht beanstandungsfähigen Auseinandersetzungsbilanz in Höhe von 50 % am Ertrag des Prozesses abzüglich Kosten partizipieren, während A dies zurückweist mit dem Argument, der Prozess habe ein „schwebendes Geschäft“ i. S. v. § 24.2 Satz 2, 2. Halbs. Mustervertrag 2005 dargestellt.
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G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
1288 Ein schwebendes Geschäft i. S. v. § 740 BGB – für den Mustervertrag 2005 ist eine abweichende Definition nicht geboten – ist ein unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft, an das im Zeitpunkt des Ausscheidens des insolventen Partners die ARGE schon gebunden war, das aber beide Vertragspartner (die ARGE und der Besteller) bis dahin noch nicht voll erfüllt hatten. BGH NJW 1993, 1194 m. w. N.
1289 Die Nachtragsforderung, die Gegenstand des am 26.9.2011 noch nicht abgeschlossenen Prozesses war, war ihrem tatsächlichen Substrat nach seitens der ARGE zum Zeitpunkt des Ausscheidens bereits vollständig erbracht, aber vom Vertragspartner, dem Besteller, noch nicht bezahlt. Insoweit liegt also kein „schwebendes Geschäft“ vor. Ob der Prozess ein „schwebendes Geschäft“ darstellen kann, scheint höchst zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Maßgeblich ist alleine die zugrunde liegende Leistungserbringung, nicht der nachträgliche, noch nicht abgeschlossene Versuch der gerichtlichen Durchsetzung. 1290 Der verbliebene Partner muss daher die im Verhältnis zum Besteller strittige Nachtragsforderung in der Auseinandersetzungsbilanz als Aktivposten ansetzen. Ähnlich für einen vergleichbaren Sachverhalt Haller/Mielicki, Bauwirtschaft 1997, 6, 7; wohl auch Burchardt/Pfülb, ARGE, § 24 Rn. 34; a. A. Fahrenschon/Burchardt, ARGE, § 24 Rn. 3.
1291 Da die ARGE vor Ausscheiden des B die angesichts der damit verbundenen Kosten folgenschwere Entscheidung getroffen hat, die Nachtragsforderung gerichtlich durchzusetzen, ist ein Bewertungsansatz mit 0 € so gut wie ausgeschlossen. Der verbliebene Partner A darf aber auch die mit der prozessualen Durchsetzung verbundenen Kosten etwa des eigenen Anwalts und bei Gericht ansetzen. hh) Isolierte Behandlung von besonderen Positionen 1292 Grundsätzlich fließen in die Auseinandersetzungsbilanz sämtliche Aktivund Passivposten ein. Es ist also grundsätzlich ausgeschlossen, dass der verbliebene oder der ausgeschiedene Partner isoliert Ansprüche aus einer einzelnen Position geltend macht. BGH NJW-RR 1988, 997, dazu EWiR 1988, 447 (Crezelius).
1293 Zulässig ist es aber, abweichend hiervon zu vereinbaren, dass ein Anspruch auch im Falle der Auseinandersetzung der ARGE seine Selbstständigkeit behalten soll, etwa dann, wenn die Partner eine beiderseits gleichbleibende Liquiditätsbelastung sicherstellen wollen. KG NZG 2001, 556.
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II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
Der Mustervertrag enthält in § 11.3 Mustervertrag 2005 die Festlegung, dass 1294 die in Rückstand befindlichen Partner auf Anforderung unverzüglich zur Bareinlage zwecks Kontenangleichung verpflichtet sind, falls die verfügbaren Geldmittel nicht zur monatlichen Angleichung der Gesellschafterkonten ausreichen sollten. In der Insolvenz eines Partners erlangt diese Regelung Relevanz i. V. m. § 11.25 Mustervertrag 2005, wonach nachrangig noch verfügbare liquide Geldmittel an die Partner entsprechend dem Beteiligungsverhältnis auszuzahlen sind, wobei auf – regelmäßig erfolgendes – Verlangen auch nur eines Partners Bürgschaften als Sicherheit zu stellen sind (zu Fragen, die nach § 11.25 Mustervertrag 2005 gestellte Bürgschaften betreffen, siehe ausführlich unten Rn. 1340 f.). Die mithin auf Grundlage von § 11.25 Mustervertrag 2005 mögliche, übliche 1295 und durch Bürgschaft (meist auf erstes Anfordern) abgesicherte Auszahlung von Geldmitteln (sog. Ausschüttung), obwohl mangels Schlussbilanz der endgültige Auszahlungsbetrag an den jeweiligen Partner noch nicht feststeht, löst gerade in der Insolvenz eines Partners erhöhten Liquiditätsbedarf aus. Dieser kann allerdings nur gedeckt werden, wenn eine Bürgschaft zur Verfügung steht, da ansonsten nur eine einfache Insolvenzforderung vorliegt. Die Verselbstständigung dieses Anspruchs aus § 11.3 Mustervertrag 2005 1296 führt bei negativem Kapitalkontostand des ausgeschiedenen insolventen Partners zu einer sofort fälligen Forderung gegen ihn und damit auch zum bürgschaftsrechtlichen Sicherungsfall. Ergibt die spätere Auseinandersetzungsbilanz, dass das negative Kapitalkonto durch einen positiven Saldo zugunsten des insolventen Partners kompensiert wird, hat der Verwalter bzw. der Bürge einen Rückforderungsanspruch gegen den verbliebenen ARGE-Partner. c) Zustellung und Feststellung der Bilanz aa) Zustellung § 24.2 Satz 8 Mustervertrag 2005 regelt, dass Einsprüche gegen die Auseinan- 1297 dersetzungsbilanz nur in schriftlicher Form mit Begründung innerhalb von drei Monaten nach Zugang erhoben werden können. In welcher Weise sich dieser „Zugang“ zu vollziehen hat, ist im Mustervertrag nicht geregelt. In der Praxis versendet der verbliebene ARGE-Partner die von ihm erstellte Auseinandersetzungsbilanz mit „Einschreiben/Rückschein“ an den Verwalter über das Vermögen des ausgeschiedenen Partners. Jedoch genügt auch jede andere Art der Zuleitung, die sicherstellt, dass die Auseinandersetzungsbilanz in den Machtbereich des Verwalters gelangt. Einer förmlichen Zustellung etwa durch einen Gerichtsvollzieher bedarf es nicht. OLG Köln, Beschl. v. 14.12.2006 – 20 W 54/06; Burchardt/Pfülb, ARGE, 3. Aufl., 1998, § 1 Rn. 9.
Die Frist beginnt nur zu laufen, wenn der verbliebene Partner die Bilanz dem 1298 ausgeschiedenen Partner bzw. dem Insolvenzverwalter zuleitet und den Adres-
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G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
saten schriftlich dazu auffordert, „nach 24.2.“ zuzustimmen (§ 24.2 Satz 9 Mustervertrag 2005). Damit kann eine bloße Zuleitung als Anlage zu einer Forderungsanmeldung nicht den Fristenlauf auslösen. 1299 Was der Satzteil „nach 24.2.“ bedeuten soll, ist schleierhaft. Gemeint ist wohl ein ausdrücklicher Hinweis auf § 24.2 Mustervertrag 2005. So Burchardt/Pfülb, ARGE, § 24 Rn. 59.
bb) Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz durch bloßen Fristablauf 1300 § 24.2 Satz 10 Mustervertrag 2005 bestimmt, dass nach Eintritt der Feststellungswirkung (Ablauf der im vorhergehenden Satz 8 angesprochenen Frist) alle in der Auseinandersetzungsbilanz enthaltenen Ansätze und Bewertungen abschließend und endgültig sind. 1301 Die Feststellungswirkung kann der Verwalter durch einen rechtzeitigen schriftlichen Einspruch verhindern. Zu hohe Anforderungen an die Substantiierung des Einspruchs sind nicht zu erheben. OLG München BauR 2002, 1409, 1410 l. Sp.; Burchardt, Rn. 132.
1302 Allerdings reichen Aussagen des Verwalters, er sei mit der Auseinandersetzungsbilanz nicht einverstanden oder die Auseinandersetzungsbilanz sei falsch, nicht aus. Der Verwalter muss wenigstens andeutungsweise klarmachen, gegen welche Inhalte der Bilanz er sich wendet und welche Korrektur er erwartet. Burchardt/Pfülb, ARGE, § 8 Rn. 100 und § 24 Rn. 58.
1303 Allein der Hinweis des Verwalters, es sei offen, inwieweit sich noch Ansprüche gegen den Besteller durchsetzen ließen, stellt keine auch nur ansatzweise nachvollziehbare Kritik an einzelnen Bilanzpositionen dar. Unzureichend ist auch ein „nur vorsorglicher“ Widerspruch, weil offen bleibt, welche Kritikpunkte der Verwalter überhaupt vorbringen will. Schlägt ferner der Verwalter vor, die Angelegenheit noch einmal zu erörtern, unterstreicht dies den vorläufigen Charakter seines Einwands und damit dessen unzureichende, weil nicht dezidierte Begründung. OLG Köln, Beschl. v. 14.12.2006 – 20 W 54/06.
1304 Das Schriftformerfordernis des § 24.2 Satz 8 Mustervertrag 2005 ist konstitutiv. Es ist nicht erkennbar, dass es lediglich der Beweissicherung oder Klarstellung dient; der verbliebene ARGE-Partner soll nach fruchtlosem Fristablauf dauerhafte Gewissheit haben, dass die Bilanz festgestellt ist, und hierauf weitere Handlungen aufbauen können. Übertragbar ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer Schriftformklausel für eine fristlose Kündigung eines Transport- und Speditionsvertrags, sodass ein vom Verwalter zwar fristgerecht, aber lediglich mündlich/telefonisch erhobener Einspruch wirkungs-
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II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
los ist (§ 125 Satz 2 BGB). Ausreichend ist hingegen die rechtzeitige Einspruchserhebung per Telefax. BGH NJW-RR 2000, 1560, 1561 l. Sp.
Fraglich ist, ob ein frist- und formgerecht erhobener Einspruch des Verwal- 1305 ters nur für diejenigen Positionen eine Feststellungswirkung verhindert, gegen die sich der Verwalter wendet, oder ob aufgrund eines zu einzelnen Ansätzen der Bilanz erhobenen Einspruchs der Verwalter auch nach Ablauf der Einspruchsfrist andere Positionen in Streit stellen kann. Da insgesamt eine Auseinandersetzungsbilanz überschaubar ist, spricht mehr für die erste Auffassung. Dem Verwalter ist zuzumuten, fristgerecht deutlich zu machen, gegen welche Ansätze er sich wendet. Praxistipp: Der Verwalter über das Vermögen des ausgeschiedenen Partners muss zu ihm mit Aufforderung zugeleiteten Auseinandersetzungsbilanzen die Einspruchsfrist unter Fristenkontrolle nehmen. Den Einspruch muss er persönlich unterzeichnen oder den von ihm bevollmächtigten Einspruchsführer durch Originalvollmachtsurkunde legitimieren; anderenfalls droht das Risiko der Zurückweisung des Einspruchs durch den verbliebenen Partner (§ 174 Satz 1 BGB). Erfolgt diese Zurückweisung unverzüglich und ist inzwischen die Einspruchsfrist abgelaufen, kann der Verwalter den Mangel nicht mehr beheben (vgl. Linnertz, ZfIR 2003, 624).
cc) Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz durch Einigung oder gerichtliche Klärung Ein fristgerecht erhobener Einspruch des Verwalters führt in der Regel dazu, 1306 dass der Verwalter und der verbliebene Partner sich zunächst außergerichtlich um eine Einigung bemühen, die bei gegenseitigem Nachgeben einen Vergleich hinsichtlich der strittigen Positionen darstellt. Burchardt/Pfülb, ARGE, § 24 Rn. 62.
Ist eine außergerichtliche Lösung nicht möglich, so ist zu unterscheiden:
1307
Behauptet der verbliebene Partner aus der von ihm erstellten Auseinandersetzungsbilanz einen Ausgleichsanspruch gegen den ausgeschiedenen Partner, so ist dieser Anspruch wegen der zwischenzeitlichen Verfahrenseröffnung lediglich eine einfache Insolvenzforderung. Es kann daher dahinstehen, ob eine Klage des verbliebenen Partners auf Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz bzw. auf Zustimmung des Verwalters grundsätzlich möglich wäre, wohl verneinend Staudinger-Habermeier, BGB, § 738 Rn. 19,
da es jedenfalls am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte: Der verbliebene Partner kann eine Klärung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle und nötigenfalls anschließende Klage (§§ 174 ff. InsO) erlangen und hat bei Obsiegen an der Insolvenzquote teil. Für eine vorgelagerte allgemeine Fest-
319
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
stellungs- oder Zustimmungsklage ist deshalb ein Bedürfnis nicht zu erkennen. 1308 Aus denselben Gründen ist dem Verwalter, der einzelne Positionen der vom verbliebenen Partner aufgestellten Bilanz angreift und – nach der gebotenen Korrektur – einen Zahlungsanspruch für die Insolvenzmasse reklamiert, eine allgemeine Feststellungsklage verwehrt. Staudinger-Habermeier, BGB, § 738 Rn. 19.
1309 Der Verwalter ist auf die vorrangige Leistungsklage, gerichtet auf Zahlung, zu verweisen: Im Rahmen dieser Zahlungsklage ist anhand des Vortrags des Verwalters zu entscheiden, ob und in welcher Höhe bestimmte Aktiv- oder Passivposten bei der Berechnung des Abfindungsguthabens zu berücksichtigen sind. BGH ZIP 1987, 1314 = NJW-RR 1987, 1386, 1386 r. Sp., dazu EWiR 1987, 1081 (Hegmanns); ähnlich BGH NJW-RR 1988, 997.
dd) Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz und §§ 174 ff. InsO 1310 Bähr/Herrmann, Bähr/Herrmann, Rn. 160,
sehen einen Widerspruch zwischen § 24.2 Sätze 9 und 10 Mustervertrag 2005 und §§ 174 ff. InsO. Nach ihrer Auffassung haben die insolvenzrechtlichen Vorschriften gegenüber den Regelungen des Mustervertrags Vorrang, sodass der unterlassene/verfristete Einspruch seitens des Verwalters gegen die Auseinandersetzungsbilanz zu keinem Präjudiz hinsichtlich der Forderungsfeststellung zur Tabelle führt. 1311 Dieser Auffassung kann nur teilweise gefolgt werden: Richtig ist, dass die §§ 174 ff. InsO jedenfalls durch § 24.2 Sätze 9 und 10 Mustervertrag 2005 nicht außer Kraft gesetzt werden können, soweit das Gesetz Rechte anderer Personen als des Verwalters regelt. Ein Insolvenzgläubiger hat gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO das Recht, im Prüfungstermin gegen die vom verbliebenen Partner angemeldete Insolvenzforderung aus der Auseinandersetzungsbilanz Widerspruch zu erheben. Dadurch, dass der Verwalter im Verhältnis zum verbliebenen Partner die von dort erarbeitete Auseinandersetzungsbilanz festgestellt hat – sei es durch unterlassenen/verfristeten Widerspruch, sei es durch außergerichtliche Einigung nach fristgerechtem Einspruch –, kann die Position eines Insolvenzgläubigers nicht beeinträchtigt werden, da er an diesen Auseinandersetzungen zwischen Verwalter und verbliebenem Partner nicht beteiligt war. 1312 Dem Verwalter selbst steht kein Widerspruchsrecht mehr zu. Er ist an die ihm gegenüber erfolgte Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz gebunden.
320
II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
d) Handlungsmöglichkeiten des Verwalters bei Nichterstellung der Auseinandersetzungsbilanz durch den verbliebenen Partner Der verbliebene Partner erstellt unter Umständen keine Auseinandersetzungs- 1313 bilanz, weil er weiß oder befürchtet, dass sich hieraus einzig und allein ein Zahlbetrag zugunsten der Insolvenzmasse ergibt. Hierdurch ist jedoch der Verwalter nicht rechtlos gestellt: Der Verwalter kann den verbliebenen Partner darauf verklagen, eine Aus- 1314 einandersetzungsbilanz zum Stichtag des Ausscheidens des Schuldners zu erstellen. Dabei muss das Gericht nicht aussprechen, welche einzelnen Handlungen der verbliebene Partner vorzunehmen hat. Die endgültige Entscheidung hierüber kann dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden. OLG Koblenz NJW-RR 2002, 827.
Zielführender ist es für den Verwalter jedoch, eine Stufenklage (§ 254 ZPO) 1315 zu führen, wobei die Klage in der ersten Stufe auf Vorlage einer Auseinandersetzungsbilanz, in der zweiten Stufe auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens gerichtet ist. OLG Karlsruhe BB 1977, 1475.
e) Fälligkeit des Anspruchs auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens oder eines Verlustausgleichsanspruchs Der Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens entsteht 1316 grundsätzlich mit dem Ausscheiden des Partners und kann mithin nach seiner hierdurch begründeten Fälligkeit geltend gemacht bzw. eingeklagt werden. Der Anspruch wird auch dann fällig, wenn noch keine Auseinandersetzungsbilanz vorliegt. Der Eintritt der Fälligkeit hängt nicht davon ab, dass der Gläubiger die Forderung auch beziffern kann; notfalls muss er Feststellungsklage erheben. BGH ZIP 2010, 1637 Rn. 8 m. w. N., dazu EWiR 2011, 143 (Bressler).
Dem verbliebenen Partner hilft allerdings die Möglichkeit der Feststellungs- 1317 klage nicht weiter. Er muss vielmehr eine Auseinandersetzungsbilanz rechtzeitig erstellen und die daraus resultierende Forderung zur Insolvenztabelle anmelden, um eine Verjährung zu hemmen (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB). Für den Beginn der Verjährung kommt es außerdem gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 1318 BGB auf subjektive Merkmale in der Person des Gläubigers an. Der Bundesgerichtshof hat zu einem Anspruch auf Verlustausgleich allgemeine Vorgaben gemacht. Demnach kommt es darauf an, ob der Gläubiger auch ohne exakte Berechnung in einer Auseinandersetzungsbilanz weiß oder ohne grobe Fahrlässigkeit wissen müsste, dass das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht ausreicht. BGH ZIP 2010, 1637 Rn. 9.
321
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
1319 Diese Erwägungen sind grundsätzlich auf die Fallgruppe übertragbar, dass der Verwalter einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben hat. Allerdings wird der Verwalter, wenn er erst nach dem Ablauf des gem. §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu ermittelnden Mindestzeitraums für den Eintritt der Verjährung einen Anspruch verfolgt, schwer darstellen können, dass er diesen nicht davor erkannte oder hätte erkennen müssen. Anderes kann dann gelten, wenn er nachträglich neue Erkenntnisse erlangt. Beispiel: Die Schuldnerin wird wirksam am 2.10.2010 aus einer ARGE ausgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt verhandelt die ARGE schon seit längerem über Nachtragsforderungen in beträchtlichem Umfang mit dem Bauherrn, wobei innerhalb der ARGE-Gesellschafter Konsens darüber besteht, dass die Erfolgsaussichten gering sind. Der Verwalter bewertet dementsprechend die Nachtragsforderung mit einem Betrag von maximal 1 Mio. € und kommt sodann unter Würdigung der ihm ansonsten bekannten Zahlen zum rechnerisch richtigen Ergebnis, dass er keinen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben hat. Im Jahr 2016 erfährt der Verwalter, dass der verbliebene Partner sich mit dem Bauherrn vor dem Landgericht über eine Zahlung auf diese Nachtragsforderungen in Höhe von 4 Mio. € verglichen hat. Daraus leitet sich bei Neuberechnung (und ansonsten unveränderten Zahlen) eine Forderung des Verwalters auf ein Auseinandersetzungsguthaben ab. Praxistipp: Da schwer vorhersehbar ist, wie Gerichte unter die subjektiven Merkmale des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB subsumieren, sollte derjenige, der einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben bzw. auf Verlustausgleich haben zu können meint, als „sichersten Weg“ die dreijährige Ultimoverjährung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB vom Zeitpunkt des Ausscheidens des Schuldners aus der ARGE an berechnen und notfalls die Verjährung rechtzeitig hemmen.
1320 Der Insolvenzrechtssenat des Bundesgerichtshofs hat klargestellt, dass der Anspruch eines Gesellschafters (dort: Genossin einer Genossenschaft) auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags zu den von § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO geschützten Ansprüchen gehört, soweit er von Rechts wegen ohne weiteres Zutun der Parteien entsteht. BGH ZIP 2004, 1608, dazu EWiR 2005, 509 (Fliegner).
1321 Diese auf das Verhältnis des verbliebenen ARGE-Partners zu dem Verwalter übertragbare Entscheidung bedeutet, dass der verbliebene ARGE-Gesellschafter gegen einen etwa bestehenden Anspruch des Verwalters auf Auszahlung eines Guthabens aus der Auseinandersetzungsbilanz mit Gegenforderungen, die den Charakter reiner Insolvenzforderungen haben, wirksam aufrechnen kann. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht, da tatbestandlich nicht erfüllt, nicht entgegen. 322
II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
4. Sicherheiten zugunsten des verbliebenen ARGE-Partners a) Bürgschaften aa) Unterbürgschaften Unterbürgschaften, die von bauerfahrenen Bürgen seit Jahren angeboten 1322 werden, stehen bei ARGEN im Zusammenhang mit der Hauptbürgschaft. Die Hauptbürgschaft ist die von der ARGE gegenüber dem Besteller ausgereichte Sicherheit entweder für die Vertragserfüllung und/oder die Mängelansprüche des Bestellers im Zeitraum nach Abnahme. Die zusätzliche Absicherung der ARGE-Partner im Verhältnis zueinander erfolgt durch die mit der Hauptbürgschaft betragsmäßig verknüpften Unterbürgschaften, indem nach dem jeweiligen Anteil der Partner diese der ARGE Bürgschaften des gleichen (Haupt-)Bürgen stellen. Diese Unterbürgschaften sichern die Ansprüche ab, die auch Gegenstand der Hauptbürgschaft sind. Die Verknüpfung der Hauptbürgschaft mit den Unterbürgschaften erfolgt dadurch, dass die ARGE eine Unterbürgschaft nur in Anspruch nehmen kann, wenn der Besteller die Hauptbürgschaft ohne Inanspruchnahme an den Bürgen zurückgegeben hat. Diese Verknüpfung ermöglicht es dem Bürgen, die Hauptund die Unterbürgschaft gegenüber den ARGE-Partnern zu bevorzugten Konditionen zu gewähren. Bezieht sich die Unterbürgschaft bei der zweigliedrigen ARGE auf die Ver- 1323 tragserfüllung, sind mangels einschlägiger Rechtsprechung und aufgrund unterschiedlicher Texte, die in der Praxis verwendet werden, generelle Aussagen über den verbürgten Anspruch des verbliebenen Partners gegen den insolvenzbedingt ausscheidenden Schuldner schwer möglich. Ungeachtet dessen kann aber Folgendes festgehalten werden: Ein Anspruch des verbliebenen ARGE-Partners gegen den Bürgen aus der 1324 für den ausgeschiedenen Partner hingegebenen Unterbürgschaft kann nur fällig werden, wenn aufgrund der erfolgreichen Bemühungen des verbliebenen Partners der Besteller die bei ihm befindliche Hauptbürgschaft ohne Inanspruchnahme enthaftet an den Bürgen zurückgegeben hat. Alle in der Praxis verbreiteten Unterbürgschaften enthalten eine entsprechende Klausel. Ausgeschlossen ist es im Regelfall, aus der Unterbürgschaft Zahlungsan- 1325 sprüche gegen den Bürgen abzuleiten, die mit einem Verlustausgleichsanspruch gegen den ausgeschiedenen Partner gemäß Auseinandersetzungsbilanz zusammenhängen. Sinn und Zweck der Unterbürgschaften ist es, den verbliebenen Partner trotz des insolvenzbedingten Ausscheidens des Partners schadlos zu halten, sodass sich ein Anspruch gegen den Bürgen nur anhand der konkreten (und nachzuweisenden) Aufwendungen des verbliebenen Partners, nicht aufgrund reiner Bilanzpositionen (maßgeblich dominiert durch die pauschale Bewertung des Risikos wegen Mängelhaftung) ergeben kann. Eine auf das Vertragserfüllungsstadium bezogene Unterbürgschaft deckt, so- 1326 fern der Text nicht Anhaltspunkte für eine restriktive Auslegung enthält, alle 323
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
Aufwendungen des verbliebenen ARGE-Partners ab, die damit zusammenhängen, dass er nach dem Ausscheiden des anderen Partners das Bauvorhaben alleine fertigstellen musste. Bei einer (im Verhältnis zum Besteller) „Verlust“-ARGE haftet der Bürge daher in Höhe des Anteils des ausgeschiedenen Partners für den entstehenden Verlust. Ohne das insolvenzbedingte Ausscheiden des Partners hätte dieser nämlich den Verlust anteilig und effektiv (ohne die für das Insolvenzverfahren typische quotale Begrenzung) tragen müssen. a. A. Wölfing-Hamm, BauR 2005, 228, 236 f.
1327 Die Reichweite einer Unterbürgschaft, die sich auf Mängelansprüche nach Abnahme bezieht, sei verdeutlicht anhand folgendem Beispiel: A und B haben als ARGE-Partner ein Großbauvorhaben fertiggestellt. Die Abnahme durch den Besteller erfolgt am 1.9.2010. Die ARGE übergibt vertragsgemäß eine Bürgschaft über Mängelansprüche nach Abnahme in Höhe von 3 Mio. € an den Besteller (Hauptbürgschaft); außerdem stellt jeder Partner in Höhe seines Anteils von 50 % der ARGE eine Unterbürgschaft zu 1,5 Mio. € Insolvenzbedingt scheidet B am 6.6.2011 aus der ARGE aus. Zur Beseitigung eines vom Besteller danach zu Recht gerügten Mangels wendet A 300.000 € auf. 1328 In Höhe von 50 % (= 150.000 €) hat der verbliebene Partner gegen den Unterbürgen Anspruch auf Ausgleich, wobei dieser Anspruch erst fällig wird, wenn die Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Bestellers abgelaufen ist und dieser nach Beseitigung aller Mängel die Hauptbürgschaft enthaftet an den Bürgen zurückgegeben hat. 1329 In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob nicht der verbliebene Partner durch die Auseinandersetzungsbilanz einen Ausgleich erlangt hat. Dazu die Fortführung des obigen Beispiels: Die korrekt aufgestellte Auseinandersetzungsbilanz enthält ein Gesamtnegativergebnis von 2,7 Mio. €, wovon auf den ausgeschiedenen Partner ein Verlustanteil von 1,35 Mio. € entfällt. Maßgeblich hierfür ist die korrekt angesetzte Bilanzposition „Bewertung des Risikos wegen Mängelhaftung“ von 5 %, vorliegend 3 Mio. €: Ohne diese Position würde die ARGE ein positives Ergebnis von 300.000 € ausweisen, sodass der Verwalter ein Abfindungsguthaben von 150.000 € ausgezahlt bekommen hätte. 1330 Bei dieser Sachlage sind konkrete Aufwendungen des A zur Mängelbeseitigung im Zeitraum nach Ausscheiden des B aus der ARGE wirtschaftlich zu 100 % kompensiert durch den Ansatz der pauschalen Position „Bewertung des Risikos wegen Mängelhaftung“, soweit dadurch in Höhe von 300.000 € das ansonsten positive Ergebnis der ARGE aufgehoben wurde. Damit einhergeht, dass ein Abfindungsanspruch des Insolvenzverwalters nicht entstanden ist und der verbliebene ARGE-Partner A an ihn keine Zahlung leis-
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II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
ten musste. In gleicher Höhe – Mängelbeseitigungskosten bis zu 300.000 € – muss mithin der Unterbürge nicht bezahlen, da ansonsten der verbliebene Partner A Deckung in Höhe von 200 % erhielte. Alle über 300.000 € hinausgehenden Mängelaufwendungen sind jedoch zu 50 % vom Unterbürgen zu bezahlen, da insoweit A lediglich eine faktisch wertlose Insolvenzforderung hat. bb) Ausschüttungsbürgschaften Gemäß § 11.25 Mustervertrag 2000 (zu § 11.25 Mustervertrag 2005 siehe unten 1331 Rn. 1340 f.) zahlt die ARGE nach Erledigung vorrangiger Aufgaben noch verfügbare Geldmittel an die Partner entsprechend dem Beteiligungsverhältnis aus, um dort die Liquidität zu erhöhen, wobei auf – in der Praxis stets erfolgendes – Verlangen auch nur eines Partners Bürgschaften als Sicherheit zu stellen sind. Die Absicherung ist notwendig, weil erst mit der Schlussoder Auseinandersetzungsbilanz endgültig feststeht, ob die Ausschüttung durch das endgültige Ergebnis der ARGE gerechtfertigt ist oder nicht. Schmidt/Winzen, S. 62.
Abgesichert wurde in der Vergangenheit regelmäßig durch eine solche Bürg- 1332 schaft allein der Rückzahlungsanspruch der ARGE gegen den insolvenzbedingt ausgeschiedenen Partner in dem Umfang, in dem die ARGE an diesen effektiv Ausschüttungen getätigt hatte. Dann galt: Etwa bereits erfolgte Rückzahlungen des ausgeschiedenen Partners sind zugunsten des Bürgen zu berücksichtigen. Dagegen haftet der Bürge nicht für Ansprüche des verbliebenen Partners, die sich aus der Auseinandersetzungsbilanz ergeben. LG Köln ZIP 2003, 1648 = ZfIR 2003, 773 (m. Anm. C. Schmitz/Vogel, S. 774), dazu EWiR 2003, 1079 (Diestel); LG Frankfurt/Main IBR 2004, 624 (bestätigt durch OLG Frankfurt/M. [23. Senat] IBR 2005, 541); OLG Frankfurt/M. (8. Senat) IBR 2005, 540.
Das häufig als Beispiel für die gegenteilige Auffassung zitierte Urteil des LG 1333 Osnabrück, LG Osnabrück ZIP 2004, 307, dazu EWiR 2004, 329 (Vogel),
enthält bei richtiger Lektüre keine hiervon abweichende Aussage. Weitergehend wird vertreten
1334
OLG Düsseldorf BauR 2012, 1261, 1266 f.; obiter OLG Frankfurt/M. (23. Senat) IBR 2005, 541; Wölfing-Hamm/Hickl, IBR 2003, 481; Diestel, EWiR 2003, 1079, 1080,
dass nach Vorlage einer Auseinandersetzungsbilanz alle vorherigen Einzelforderungen unselbstständige Rechnungsposten werden und nicht mehr selbst-
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G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
ständig durchgesetzt werden können („Durchsetzungssperre“). Das soll auch für den Rückzahlungsanspruch der ARGE hinsichtlich geleisteter Ausschüttungen gelten. 1335 Dem kann nicht gefolgt werden. Aus §§ 11.25, 11.3 des Mustervertrags 2000 ergibt sich, dass der Anspruch der ARGE auf Rückführung geleisteter Ausschüttungen auch bei Auflösung der Gesellschaft seine Selbstständigkeit behält (Rn. 1294 ff.). Ohnehin ist die Rechtslage mit der Rechtslage bei Vorauszahlungs- und Abschlagszahlungsbürgschaften vergleichbar, die ihre Funktion behalten, auch wenn nach Kündigung eines Bauvertrags eine Gesamtabrechnung des Bauvorhabens vorzunehmen ist. C. Schmitz/Vogel, ZfIR 2003, 774, 775 f. m. w. N.; ebenso OLG Frankfurt/M. (8. Senat) IBR 2005, 540; LG Osnabrück ZIP 2004, 307 (bestätigt durch OLG Oldenburg, Beschl. v. 24.6.2004 – 11 U 14/04); LG Köln (7. Handelskammer) IBR 2006, 143; LG Köln (27. Zivilkammer) IBR 2006, 144.
1336 Irrelevant ist die Diskussion um eine etwa zugunsten des Bürgen eingreifende gesellschaftsrechtliche Durchsetzungssperre, wenn der Bürge mit seiner Zahlungspflicht bereits zu einem Zeitpunkt in Verzug gerät, zu dem der Schuldner noch gar nicht aus der ARGE ausgeschieden ist. LG Bremen IBR 2005, 684; ähnlich LG Köln (11. Handelskammer) IBR 2006, 333.
1337 Eine Begrenzung der Bürgenhaftung ergibt sich unter Umständen aus dem Stand des Partnerkontos des ausgeschiedenen Schuldners: Wenn er zunächst höhere Ausschüttungen erhalten und diese teilweise wieder zurückgezahlt hat oder ihm sonst aufgrund geldwerter Leistungen Beträge gutzuschreiben waren (mit der Folge einer entsprechenden Reduktion des Partnerkontos), haftet der Bürge nur für den aus dem Kontostand heraus ersichtlichen Betrag. OLG Frankfurt/M. (8. Senat) IBR 2005, 540 a. A. LG Köln (27. Zivilkammer) IBR 2006, 144; LG Berlin IBR 2010, 30.
1338 Über die dargestellten rechtlichen Streitfragen, die im Zusammenhang mit der Insolvenz der Philipp Holzmann AG aufkamen, hat der Bundesgerichtshof noch nicht befunden. 1339 Einen guten Überblick zum Stand der Rechtsprechung bietet OLG Dresden IBR 2007, 196.
1340 Nunmehr erfuhr im Hinblick auf die teilweise divergierende Rechtsprechung der Instanzgerichte § 11.25 im Mustervertrag 2005 in verschiedener Hinsicht Änderungen: Gemäß dem dortigen Satz 2 steht die Ausschüttung „unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Rückforderung durch die kaufmännische Geschäftsführung der ARGE“, die im dortigen Satz 3 (i. V. m. § 11.1 Mustervertrag 2005) zur Geltendmachung dieses Rückforderungsanspruchs legiti-
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II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
miert wird, ohne dass es eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf. Eine Ausschüttung erfolgt nur gegen Bürgschaftsstellung, wenn auch nur ein 1341 Partner eine Besicherung des etwaigen Rückforderungsanspruchs verlangt (§ 11.25 Sätze 4 und 8 Mustervertrag 2005). § 11.25 Sätze 5 – 7 Mustervertrag 2005 enthält eine Mindestvorgabe dazu, welchen Sicherungszweck der Bürgschaftstext enthalten muss. Damit soll erreicht werden, dass die Bürgschaft auch dann durchsetzbar ist, wenn der verbliebene Partner nach dem insolvenzbedingten Ausscheiden des anderen Partners bereits eine Auseinandersetzungsbilanz erstellt hat und/oder sich die Parteien über die maßgeblichen Zahlen geeinigt haben. Ungeachtet einer möglicherweise geltenden gesellschaftsrechtlichen Durchsetzungssperre soll nämlich diese Formulierung die Inanspruchnahme des Bürgen wegen des Rückforderungsanspruchs als isolierter Position bis zu der Höhe zulassen, in der nach der Auseinandersetzungsbilanz ein Anspruch des verbliebenen gegen den ausgeschiedenen Partner besteht. Tatsächlich gehen in neuerer Zeit die von erfahrenen ARGEN verlangten 1342 Bürgschaften – bevor ein Partner eine Ausschüttung erhält – über die zitierte Mindestvorgabe des Mustervertrags 2005 deutlich hinaus. So wird nunmehr regelmäßig verlangt, dass die Bürgschaft alle denkbaren Ansprüche der ARGE gegen den von der Ausschüttung profitierenden Partner aus und im Zusammenhang mit dem ARGE-Vertrag abdeckt, insbesondere alle Rückzahlungspflichten, auch aus wiederholten Auszahlungen und Gesellschafterverpflichtungen gemäß dem ARGE-Vertrag sowie aus negativen Ergebnisanteilen, ebenso sämtliche Ansprüche gegen den von der Ausschüttung profitierenden Partner im Zusammenhang mit seinem etwaigen Ausscheiden aus der ARGE gem. §§ 23, 24 des ARGE-Vertrags, insbesondere sämtliche Ansprüche aus einem bestehenden Negativsaldo aus der Auseinandersetzungsbilanz. Praxistipp: Vor der Befassung mit der oben referierten, divergierenden Rechtsprechung zu Ausschüttungsbürgschaften ist der Bürgschaftstext genau zu prüfen. Die für ältere Bürgschaften typischen Unschärfen weisen neuere Bürgschaften meist nicht mehr auf, sodass keinesfalls die zu anderen Bürgschaftstexten ergangene Rechtsprechung unreflektiert übertragen werden darf.
Abschließend ist auf eine Entscheidung des LG Hamburg
1343
LG Hamburg NJW-RR 2009, 1470
hinzuweisen. Demnach kann ein Bürge eine aufgrund von § 24.2 des ARGEMustervertrags 2005 eingetretene Feststellungswirkung nicht über den Rechtsgedanken des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB oder des § 768 Abs. 2 BGB zu Fall bringen. In dem Eintritt der Feststellungswirkung bzw. in dem Schweigen des Verwalters, das diese ausgelöst hat, ist keine dem Verbot der Fremddis-
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G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
position zuwiderlaufende einseitige Rechtshandlung des Hauptschuldners zu sehen, die der Bürge entsprechend § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht hinzunehmen hätte. Belastungen, die für den Bürgen erkennbar im ursprünglichen Vertrag bereits angelegt gewesen sind und damit in der Regel als von der Bürgschaftserklärung erfasst angesehen werden können, stellen keine unzulässige Erweiterung der Hauptschuld dar. 1344 Dieser Entscheidung ist nicht zu folgen. Erst durch die Untätigkeit des Verwalters – und damit nachträglich, also nach Zustandekommen des Bürgschaftsvertrags – wird eine Forderung begründet, für die der Bürge nur dann einstehen muss, wenn die derart festgestellte Auseinandersetzungsbilanz objektiv richtig ist. Das ist im Bürgschaftsprozess zu überprüfen, wobei der Bürge seines Erachtens unzutreffende Bilanzansätze mit Nichtwissen bestreiten kann. cc) Übergang von zugunsten des Bestellers hingegebenen Sicherheiten 1345 Die ARGE-Partner haften dem Besteller als Gesamtschuldner im Stadium vor Abnahme auf Vertragserfüllung. Scheidet ein Partner insolvenzbedingt aus und führt der andere Partner das Bauvorhaben alleine zu Ende, gehen gem. §§ 426 Abs. 2 Satz 1, 412, 401 BGB die vom ausgeschiedenen Partner ursprünglich dem Besteller hingegebenen Sicherheiten wegen Vertragserfüllung auf den verbliebenen Partner über. BGH ZIP 1990, 1354, dazu EWiR 1991, 135 (Selb); dagegen hat BGH NJW 1979, 308 in einem inzwischen als überholt anzusehenden Urteil eine solche Rechtsfolge hinsichtlich einer Vorauszahlungsbürgschaft verneint.
1346 In dem vom Bundesgerichtshof 1990 entschiedenen Fall wurde der Bürge zur Zahlung des vollen Bürgschaftsbetrags verurteilt, den er zugunsten des ausgeschiedenen Partners gegenüber dem Besteller übernommen hatte. Undiskutiert hat der Bundesgerichtshof die – naheliegenderweise zu bejahende – Frage gelassen, ob der verbliebene ARGE-Partner sich auf die von ihm nach Ausscheiden des anderen Partners getätigten Aufwendungen das anrechnen lassen muss, was er vom Besteller als Werklohn erhalten hat. 1347 Außerdem hat der Bundesgerichtshof den bürgschaftsrechtlichen Sicherungsfall darin erblickt, dass der ursprüngliche Erfüllungsanspruch des Bestellers gegen den ausgeschiedenen ARGE-Partner sich zwar nicht durch die Erfüllungsablehnung seitens des vorläufigen Verwalters, wohl aber durch die Konkurseröffnung in eine Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung umgewandelt hat, da der Verwalter nicht von seinem Wahlrecht nach § 17 KO Gebrauch gemacht und Erfüllung verlangt hat. 1348 Diese Ausführungen sind angesichts des Wortlauts von § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB schwer nachvollziehbar, da es für den Forderungsübergang alleine darauf ankommt, dass ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt; das Gesetz verlangt also nicht, dass zunächst der Gläubiger einem Gesamtschuldner er328
II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
folglos Frist zur Leistung gesetzt hat. Auch der bürgschaftsrechtliche Sicherungsfall – der dem Besteller gegen die ARGE zustehende Erfüllungsanspruch muss sich in eine auf Geldzahlung gerichtete Forderung umwandeln – hängt hiervon nicht ab. Bei einem Gesamtschuldverhältnis kann es sein, dass der Ausgleichanspruch einen anderen Inhalt hat als der gegen den ausgleichspflichtigen Schuldner bestehende (ursprüngliche) Anspruch des Bestellers als Gläubiger. Das ist der Fall, wenn mehrere als Gesamtschuldner eine unteilbare Sache schulden und die Leistung von dem Einen erbracht wird. Der Ausgleichsanspruch kann nur dahin gehen, dass der Schuldner, der nicht geleistet hat, dem Anderen einen Wertausgleich zahlt. BGH NJW 1965, 1175, 1177 l. Sp.; Staudinger-Noack, BGB, § 426 Rn. 123.
Eine fruchtlose Fristsetzung des Bestellers an den ausgeschiedenen ARGE- 1349 Partner ist auch nicht notwendig, damit im Innenverhältnis der verbliebene ARGE-Partner dazu berechtigt ist, die Leistung alleine auszuführen. Die Berechtigung hierzu ergibt sich aus den Regelungen des Mustervertrags über das insolvenzbedingte Ausscheiden. Praxistipp: Die Urteile des Bundesgerichtshofs sind ergangen weit vor der Grundsatzentscheidung des II. Zivilsenats (BGH ZIP 2001, 330 (m. Bespr. Ulmer, S. 585), in der er einer ARGE in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Teilrechtsfähigkeit attestiert hat. Es ist daher im Einzelfall – vor allem anhand des Bürgschaftstexts und des dort bezeichneten Hauptschuldners (ARGE oder einzelner Partner, die vom jeweiligen Besteller akzeptierte Bürgschaften in Höhe eines Teilbetrags der insgesamt geschuldeten Bürgschaftshöhe beibringen) – genau zu prüfen, ob diese Urteile angesichts der neuen dogmatischen Strukturen noch greifen können. Zutreffend hat dies das OLG Köln IBR 2007, 679 verneint für einen Sachverhalt, in dem der Bürge sich namens einer dreigliedrigen ARGE gegenüber dem Besteller für die Vertragserfüllung verbürgt hatte, die (nunmehr zweigliedrige) ARGE nach Ausscheiden eines Partners den Bauvertrag mit dem Besteller erfüllte, der Besteller daraufhin der ARGE die Vertragserfüllungsbürgschaft überließ und „ausscheidensbedingte Mehrkosten“ nicht vorgetragen waren.
b) Pfandrecht an den vom ausgeschiedenen Partner überlassenen Geräten und Stoffen aa) Entstehungsvoraussetzungen Die Einigung über das Pfandrecht liegt ungeachtet des systematisch etwas 1350 missverständlichen Standorts in § 24.9 Satz 2 Mustervertrag. BGH ZIP 1983, 334, 336 r. Sp.
Nach dem Mustervertrag und dem Gesetz (§ 1205 Abs. 1 Satz 1 BGB) muss 1351 der Verpfänder (der später ausscheidende Gesellschafter) Eigentümer der Geräte und Stoffe sein. Unter den Voraussetzungen von §§ 1207, 932 ff. BGB ist ein gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts durch die ARGE als Gläubiger
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G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
möglich. Das setzt voraus, dass die ARGE – also der weitere Partner – zum maßgeblichen Zeitpunkt der Mitbesitzeinräumung weder weiß noch aus grober Fahrlässigkeit nicht weiß, dass der verpfändende Partner nicht Eigentümer des Stoffs/Geräts ist. Die (zu unterstellende) Liquiditätsschwäche im Baugewerbe rechtfertigt keine allgemeine Erwartung oder Erfahrung, dass auch acht Jahre alte Baugeräte wie ein Kran, deren Kaufpreis mit Recht als regelmäßig bezahlt angesehen werden kann, wegen irgendwelcher Verbindlichkeiten des Verpfänders einem Dritten sicherungsübereignet sind. Eine solche Annahme, die eine Erkundigungspflicht des ARGE-Partners als Pfandgläubigers auslösen könnte, wäre allenfalls berechtigt, wenn für ihn Anhaltspunkte für besondere finanzielle Schwierigkeiten des verpfändenden ARGEPartners erkennbar wären. Im Streitfall hat der Bundesgerichtshof den gutgläubigen Pfandrechtserwerb für einen acht Jahre alten Kran bejaht. BGH ZIP 1983, 438, 441.
1352 Weitere Entstehungsvoraussetzung ist es, dass der Pfandgläubiger qualifizierten Mitbesitz i. S. v. § 1206 BGB erlangt. Dies ist mit der Verbringung der Geräte des Verpfänders auf die Baustelle der ARGE der Fall, weil der Verpfänder allein keinen Zugriff auf die Geräte mehr nehmen kann, vielmehr die Aufsichtsstelle der ARGE die Dispositionen über die eingesetzten Baugeräte trifft § 14.21 Satz 2 und 14.22 Satz 2 Mustervertrag 2005). BGH ZIP 1983, 334, 336.
1353 In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof präzisiert, dass der verpfändende Partner tatsächlich daran gehindert sein muss, die Sache dem Mitbesitz der anderen Partner zu entziehen. Diese Voraussetzung hat der Bundesgerichtshof für einen großen Kran bejaht, dessen Aufbau vier Tage benötigt, sodass auch der Abbau nicht in kurzer Zeit bewerkstelligt werden kann. Innerhalb des Abbauzeitraums hat der andere ARGE-Partner hinreichend Gelegenheit, das Fortschaffen des Krans zu verhindern. BGH ZIP 1983, 438, 440; krit. hierzu Festge/Seibert, BB 1983, 1819, 1822 l. Sp.
1354 Liegen die obigen Voraussetzungen vor, kann der Verwalter über das Vermögen des ausgeschiedenen Partners die dingliche Rechtsposition des verbliebenen Partners in der Regel nicht durch Insolvenzanfechtung beseitigen. Für die Insolvenzanfechtung einer mehraktigen Rechtshandlung – wie der Pfandrechtsbestellung – ist der Akt maßgeblich, durch den die Masse endgültig geschmälert worden ist. Dabei kann ein Pfandrecht gem. § 1204 Abs. 2 BGB auch für eine künftige Forderung bestellt werden, wenn die künftige Forderung zumindest bestimmbar ist. Dabei entsteht das Mobiliarpfandrecht für eine künftige Forderung bereits mit Einigung und Übergabe der Pfandsache, nicht erst mit dem Entstehen der gesicherten Forderung. Eine Insolvenzanfechtung gem. § 130 InsO ist daher nur erfolgreich, wenn entweder die Einigung oder die Übergabe der Sache oder beides in die kritische Zeit fällt. BGH ZIP 1983, 334, 337.
330
II. Auswirkungen der Insolvenz eines Partners auf das Innenverhältnis der ARGE
Von der Frage, ob die Pfandrechtsbestellung der Insolvenzanfechtung un- 1355 terliegt, ist die Frage zu trennen, ob der verbliebene Partner gegen Vergütungsansprüche des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, die aus der Personalbeistellung oder aus der Belassung von Geräten durch den Schuldner in der Zeit nach Insolvenzantrag resultieren, mit einer einfachen Insolvenzforderung aus dem ARGE-Vertrag aufrechnen kann oder ob der Insolvenzverwalter diese Aufrechnung als unzulässig zurückweisen darf (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit angenommen: Es fehlt in 1356 solchen Fällen an einer Gläubigerbenachteiligung, da sich bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit infolge der angefochtenen Rechtshandlung nicht durch eine Verkürzung der Insolvenzmasse verschlechtert haben. Der insoweit angefallene Vergütungsanspruch des Schuldners hätte mit Auflösung der ARGE in Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Rechnungsposten Eingang in die Auseinandersetzungsbilanz gefunden und wäre dort mit den gegen den Schuldner begründeten Ausgleichsansprüchen verrechnet worden. BGH ZIP 1983, 334, 335 f.; BGH ZIP 2000, 757, dazu EWiR 2000, 741 (Gerhardt); anders als Vorinstanz OLG München, BB 1998, 2281, 2282 l. Sp.; ebenso anders Spliedt, DZWIR 2000, 418, 424 f.
Dem ist nicht zu folgen: Da der verbliebene ARGE-Partner in der Krise wei- 1357 tere Leistungen des Insolvenzschuldners entgegengenommen hat, kann er gegen die im kritischen Zeitraum „aufgefüllte“ Forderung des Insolvenzverwalters nicht aufrechnen (siehe Rn. 21 ff.). Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten, die ein Abweichen von diesen allgemeinen Grundsätzen rechtfertigen könnten, sind nicht zu erkennen. Zutr. daher OLG Frankfurt/M. ZIP 2005, 2325, dazu EWiR 2006, 149 (Schultze).
Der Bundesgerichtshof hat indes seine hiervon abweichende Rechtsprechung 1358 bestätigt. Eine Insolvenzanfechtung (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) der weiteren Leistungsentgegennahme setzt eine Verselbstständigung der Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, an der es fehlt. Die Zulassung einer Anfechtung stände deshalb im Widerspruch zu der materiell-rechtlichen Rechtslage, nach der die Ansprüche des Gesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis nur im Rahmen der abschließenden Auseinandersetzung zu berücksichtigen sind. BGH ZIP 2007, 383 Rn. 12 ff. = ZfIR 2007, 642 (m. Anm. Linnertz, S. 645); zutr. kritisch Christiansen, ZInsO 2013, 1333.
331
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) Praxistipp: Aufgrund dieser zwar angreifbaren, aber verfestigten Rechtsprechung werden bauinsolvenzerfahrene vorläufige Verwalter zu prüfen haben, ob sie Personal und (nicht wirksam mit Pfandrecht belegte) Geräte des Schuldners sehr schnell von ARGE-Baustellen abziehen lassen. Dies mag zwar Schadensersatzansprüche der ARGE begründen, die aber nur einfache Insolvenzforderungen darstellen und denen neben den ohnehin regelmäßig zu erwartenden Negativpositionen der Auseinandersetzungsbilanz wirtschaftlich keine gesteigerte Bedeutung zukommt, weil so oder so die Insolvenzmasse keinen Zufluss mehr von der ARGE erwarten kann. Daher haben vorläufige Verwalter jedenfalls dann überhaupt keine Veranlassung, sehenden Auges durch fortgeführte Leistungserbringung des Schuldners die Insolvenzforderungen der ARGE zu veredeln, wenn sie anderweit das Personal und Gerät nutzbringend für die (vorläufige) Masse einsetzen können. Alternativ kommt in Betracht, dass der Schuldner/vorläufige Verwalter und die ARGE eine separate Vereinbarung treffen, wonach die ARGE vom Schuldner noch zu erbringende Leistungen zu bestimmten Sätzen bezahlt und eine Aufrechnung mit Forderungen aus der Auseinandersetzungsbilanz oder sonstigen einfachen Insolvenzforderungen der ARGE ausgeschlossen ist.
bb) Abgesicherte Ansprüche 1359 Gemäß § 24.9 Satz 2 Mustervertrag 2005 sind „alle[.] aus diesem Vertrag bestehenden Ansprüche gegen den ausscheidenden Gesellschafter“ durch das entgeltliche Nutzungs- und Verwertungspfandrecht abgesichert. Das Attribut „entgeltlich“ bedeutet, dass der verbliebene Partner den Ertrag aus der Nutzung und Verwertung der mit dem Pfand belegten Gegenstände zu den Verrechnungssätzen des jeweiligen ARGE-Vertrags auflisten muss und ihn gegen eine Forderung insbesondere aus der Auseinandersetzungsbilanz aufrechnen darf, die ansonsten nur den Status einer einfachen Insolvenzforderung hat. Übersteigt der Ertrag aus der Nutzung und Verwertung der mit Pfand belegten Gegenstände die gesamten abgesicherten Verbindlichkeiten des ausgeschiedenen Schuldners, so ist der Überschuss der Insolvenzmasse auszukehren. Generell ist eine noch nicht vollständig getilgte Forderung des verbliebenen Partners gegen den ausgeschiedenen Schuldner Grundvoraussetzung dafür, dass ein Pfandrecht i. S. v. § 1204 BGB (fort)besteht. BGH ZIP 1983, 438, 440 r. Sp.
cc) Verwertung 1360 Der verbliebene ARGE-Partner kann sich aus dem Pfand durch Verkauf befriedigen, was wiederum voraussetzt, dass die abgesicherte Forderung fällig ist (§ 1228 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB). Vor dem Verkauf des Pfands im Wege öffentlicher Versteigerung (§§ 1235 ff. BGB) muss der verbliebene Partner dem Verwalter den Verkauf androhen und einen Monat abwarten (§ 1234 BGB).
332
III. Auswirkungen des Ausscheidens des Schuldners aus der ARGE
III. Die Auswirkungen des insolvenzbedingten Ausscheidens des Schuldners aus der ARGE für die Rechtsbeziehungen der ARGE zu Dritten, insbesondere zum Besteller 1. Fortbestehende gesamtschuldnerische Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters Der Insolvenzantrag, spätestens aber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, 1361 führen zum Ausscheiden des insolventen Partners aus der ARGE, wenn diese auf dem Mustervertrag basiert (vgl. Rn. 1242 ff.). Diese Entwicklungen im Innenverhältnis der ARGE wirken sich jedoch auf das Rechtsverhältnis zum Besteller einer vormals mehr als zweigliedrigen ARGE nicht aus: Unverändert haften dem Besteller die ARGE als eigenständige Rechtsperson mit ihrem eigenen Vermögen, daneben wegen § 128 HGB analog die Partner der ARGE (auch der ausgeschiedene), und zwar wie Gesamtschuldner im Verhältnis zur ARGE selbst und im Verhältnis zueinander als Gesamtschuldner. Wirtschaftlich allzu bedeutsam ist allerdings die fortbestehende Haftung des ausgeschiedenen Partners nicht, weil die verbliebenen, nicht insolventen Partner über § 128 HGB analog als Gesamtschuldner dem Besteller akzessorisch zur Schuld der ARGE haften und gar keine andere Wahl haben, als alle berechtigten Forderungen des Bestellers aus dem Vertragsverhältnis (auch nach Abnahme) vollumfänglich zu befriedigen. Praktisch relevant wird die fortbestehende Haftung des ausgeschiedenen 1362 Partners vor allem dann, wenn auch die verbliebenen Partner insolvent werden. Der Besteller kann dann offene Forderungen im Insolvenzverfahren gegen alle vormaligen ARGE-Partner bis zu seiner Befriedigung in voller Höhe geltend machen, sodass er höhere Befriedigungsaussichten hat als ein Insolvenzgläubiger, dem lediglich ein Schuldner haftet. Dabei muss der Besteller die zeitliche Begrenzung der Nachhaftung gem. §§ 736 1363 Abs. 2 BGB, 160 Abs. 1 HGB analog beachten. Die Fünfjahresfrist knüpft gem. § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB analog daran an, dass das Ausscheiden des Partners in das Handelsregister eingetragen wird. Da das für die ARGE als Gesellschaft bürgerlichen Rechts maßgebliche Recht eine solche Eintragung nicht vorsieht, beginnt die Frist in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Besteller vom Ausscheiden des Partners aus der ARGE Kenntnis erhält. BGHZ 117, 168, 178 f. = ZIP 1992, 695 (m. Anm. Frey, S. 700), dazu EWiR 1992, 1107 (Westermann), zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 736 Abs. 2 BGB; BGH ZIP 2007, 2262 Rn. 17, dazu EWiR 2008, 179 (Steinicke).
Für eine zweigliedrige ARGE geht die Rechtsprechung von einer Gesamt- 1364 rechtsnachfolge aus, wenn ein Partner insolvenzbedingt ausscheidet. Mit dem Erlöschen der ARGE wird der verbliebene Gesellschafter als „Übernehmer“ Vertragspartner und eigentlicher Schuldner des Bestellers.
333
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) BGHZ 48, 203, 206; BGHZ 71, 296, 300; BGH BauR 2000, 772, 773 l. Sp.; Thode, BauR 2007, 610, 612 m. w. N.
1365 Die Haftung des „Übernehmers“ ebenso wie die auf § 128 HGB analog basierende Haftung des ausgeschiedenen Partners sind mit der Schuld der ARGE selbst identisch. Somit kann der Besteller beide etwa auf Mängelbeseitigung in Anspruch nehmen, soweit die ARGE selbst hierzu verpflichtet ist. BGHZ 73, 217, 221 f.
1366 Nichts anderes kann naturgemäß für die Verpflichtung der ARGE gelten, ein mangelfreies Bauwerk vollständig und fristgerecht zu erstellen. 2. Kein Kündigungsrecht des Bestellers aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B gegenüber der ARGE insgesamt bei Insolvenz eines ARGE-Partners 1367 Nach verbreiteter Auffassung ist eine Gesamtkündigung gegenüber der ARGE gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B möglich, wenn infolge Vermögensverfalls des einen Partners und dessen Ausscheiden aus der ARGE die Vertragserfüllung durch den verbliebenen Partner als nicht mehr gesichert erscheint. Zum Ausschluss einer Bietergemeinschaft VK Niedersachsen IBR 2001, 328; VK Nordbayern IBR 2003, 618; offener dagegen VK Stuttgart NZBau 2003, 696.
1368 Dem kann schon generell im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Unwirksamkeit von § 8 Abs. 2 VOB/B (siehe Rn. 84 ff., 271) nicht gefolgt werden. Doch selbst wenn man § 8 Abs. 2 VOB/B für wirksam erachtet, kommt eine wirksame Gesamtkündigung gegenüber der ARGE in einer solchen Situation nicht in Betracht. Vertragspartner des Bestellers ist ausschließlich die ARGE, der Teilrechtsfähigkeit zukommt. Allgemein BGH ZIP 2001, 330 (m. Bespr. Ulmer, S. 585); hieraus zieht die richtigen Schlussfolgerungen für die zeitlich vorgelagerte Frage, ob wegen der Insolvenz eines ihrer Mitglieder eine Bietergemeinschaft im öffentlichen Vergabeverfahren zwingend aus der Wertung auszuschließen ist, OLG Celle, VergabeR 2007, 765, 767 f. (siehe Rn. 621).
1369 Dass ein ARGE-Partner in Vermögensverfall gerät, berechtigt nicht zur Kündigung gegenüber der ARGE. Hierfür müssten vielmehr die in § 8 Abs. 2 VOB/B vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale in Person der ARGE verwirklicht sein 1370 Ohnehin schlägt die finanzielle Schieflage eines ARGE-Partners nicht automatisch negativ auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ARGE/des das Vertragsverhältnis übernehmenden ARGE-Partners durch. Vielmehr sichert die quasi gesamtschuldnerische Haftung der ARGE-Partner (neben der der ARGE selbst) den Besteller besonders effektiv ab.
334
III. Auswirkungen des Ausscheidens des Schuldners aus der ARGE
Nur wenn die ARGE selbst in Vermögensverfall gerät und dadurch für den 1371 Besteller ein Kündigungsrecht aus § 8 Abs. 2 VOB/B gegen die ARGE entsteht, kann er die Kündigung aussprechen. Sofern für ihn die Zahlungsunfähigkeit der ARGE nicht hinreichend sicher feststellbar ist und die ARGE den ihr gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1, § 15 InsO möglichen Insolvenzantrag nicht stellt, liegt auf der Hand, dass jedenfalls die weitere Abwicklung des Vertrags der ARGE gravierende Schwierigkeiten bereitet (Verzug, ausbleibende Materiallieferungen und Nachunternehmerleistungen). Dann kann der Besteller den Vertrag auf anderer Grundlage – etwa Erfüllungsverweigerung oder Fertigstellungsverzug – berechtigt kündigen. 3. Auswirkung auf laufende Prozesse Es ist zu unterscheiden zwischen Aktiv- und Passivprozessen:
1372
Ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens des einen ARGE-Partners ein Aktivprozess – z. B. gegen den Besteller wegen offener Vergütungsansprüche – anhängig, den die beiden ARGE-Partner als Kläger/notwendige Streitgenossen führen (was heutzutage im Hinblick auf die vom Bundesgerichtshof der ARGE zuerkannte Rechtsfähigkeit kaum mehr denkbar ist, weil regelmäßig die aktivlegimierte ARGE selbst den Prozess führt/führen muss), so ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ausgeschiedenen Partners der Rechtsstreit insgesamt unterbrochen (§ 240 Satz 1 ZPO). Das Ausscheiden des einen Partners aus der ARGE und die Anwachsung seines Anteils am ARGE-Vermögen auf den verbliebenen Partner ändern daran nichts. Gemäß § 265 Abs. 2 ZPO bleibt das Prozessrechtsverhältnis unverändert. Ungeachtet der Anwachsung bedarf es prozessual weiterhin einer Entscheidung auch im Verhältnis zum ausgeschiedenen Partner als Kläger. Anderenfalls bestünde die Gefahr widersprechender Entscheidungen. BGH (VII. Zivilsenat) BauR 2003, 1758; vgl. auch BGH ZIP 1999, 2009 = ZfIR 1999, 949 = NJW 2000, 291, 292; a. A. OLG Köln EWiR 1985, 517, dazu EWiR 1985, 517 (Rumler-Detzel); OLG Brandenburg, OLG-NL 2001, 19.
Allerdings gibt es zu dieser dogmatisch schwer widerlegbaren Auffassung 1373 des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs neuere Entscheidungen mit gegenläufiger Tendenz, die darauf schließen lassen, dass auch der VII. Zivilsenat künftig derartige Fälle flexibler beurteilt: Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs betont, dass die Gesellschafter 1374 (einer mit einer ARGE gleich zu behandelnden Vermieter-GbR) in ihrer ge-
335
G. Besonderheiten bei Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
samthänderischen Verbundenheit nichts anderes als die Gesellschaft sind. Er hat daher in einem Fall das Klagerubrum dahin berichtigt, dass Klägerin die aus den im Klagerubrum genannten Personen bestehende Vermieter-GbR ist. BGH (VIII. Zivilsenat) IBR 2006, 261; ferner BGH (VIII. Zivilsenat) NZM 2005, 941; dem nun für eine ARGE folgend BGH ZfIR 2007, 368 (LS) = BauR 2007, 429 Rn. 6; ebenso für eine Architekten-GbR BGH BauR 2007, 571 Rn. 9: zur Auslegung der Klage auch BGH ZIP 2008, 501 Rn. 13, dazu EWiR 2008, 499 (M. Häublein).
1375 In der Konsequenz dieser Rechtsprechung liegt es, dass es zu keiner Prozessunterbrechung gem. § 240 ZPO kommen kann, wenn einer der Kläger (ARGEPartner) während des Rechtsstreits in förmliche Insolvenz fällt. 1376 Auch das OLG Dresden hat eine Unterbrechung des Rechtsstreits verneint, da die ARGE-Partner als Kläger deutlich gemacht haben, dass sie in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit vorgehen, und keine notwendigen Streitgenossen sind. OLG Dresden IBR 2006, 530.
1377 Abweichend urteilt das OLG Brandenburg. Nach seiner Auffassung sind nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern ist nur die ARGE als GbR Inhaber der materiellen Rechte. Eine Rubrumsberichtigung o. Ä. scheidet aus, sodass die von den Gesellschaftern erhobene Klage mangels Aktivlegitimation als unbegründet abzuweisen ist. OLG Brandenburg IBR 2006, 203.
1378 Nach dieser Rechtsauffassung ist mithin weiterhin von einer Unterbrechung des Rechtsstreits auszugehen. 1379 Betreibt dagegen die ARGE selbst den Rechtsstreit als Klägerin, ist der insolvenzbedingte Wechsel innerhalb des Gesellschafterbestands der ARGE für den laufenden Prozess ohne Bedeutung. In dieser Konstellation kommt es nicht zu einer Verfahrensunterbrechung. Praxistipp: Angesichts der gegenwärtig uneinheitlichen Rechtsprechung (dazu auch Thode, BauR 2007, 610, 615 f.) ist es für die anwaltliche Praxis der sicherste Weg, die nach jeder Betrachtungsweise aktivlegitimierte ARGE klagen zu lassen. Der andere Weg – Klage der ARGE-Partner in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit – ist in verschiedener Hinsicht (fehlende Aktivlegitimation, Unterbrechung des Rechtsstreits bei förmlicher Insolvenz eines Partners usw.) sehr riskant.
1380 Großzügiger hat der Bundesgerichtshof für Passivprozesse z. B. eines Nachunternehmers gegen die ARGE-Partner geurteilt. Als Beklagte sind die ARGEPartner lediglich einfache Streitgenossen, sodass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der beklagten ARGE-Partner den
336
III. Auswirkungen des Ausscheidens des Schuldners aus der ARGE
Rechtsstreit nur insoweit unterbricht. Das Verfahren gegen die übrigen Streitgenossen wird hiervon nicht berührt. Der Bundesgerichtshof nimmt deshalb eine faktische Trennung des Verfahrens an, sodass gegenüber den weiteren beklagten ARGE-Partnern ein Teilurteil ergehen kann. Offenbar erachtet der Bundesgerichtshof die Gefahr, dass bei späterer Fortführung des Prozesses als Feststellungsklage (§ 180 Abs. 2 InsO) gegen den Verwalter widerstreitende Erkenntnisse erlangt werden können, als nachrangig. BGH ZIP 2003, 594 = ZfIR 2003, 576 (LS), dazu EWiR 2003, 493 (Hirtz); von OLG Celle BauR 2010, 1613, 1615, übertragen auf eine gegen verschiedene Baubeteiligte als Gesamtschuldner gerichtete Klage.
337
Stichwortverzeichnis
Abnahme
146 ff., 170 ff., 346 Abrechnungsverhältnis 172 f., 425 – Parallelität der Rechtsfolgen (§ 8 Abs. 2 VOB/B/§ 103 InsO) 368 ff. – Rechnungsposten zugunsten des Bestellers 515 – Architektenkosten 549 ff. – Mängel 434 ff. – Restfertigstellungsmehrkosten 483 ff. – Sicherheiteneinbehalt 529 ff. – Vertragsstrafe/Verzugsschaden 521 ff. – Rechnungsposten zugunsten des Verwalters – Berechnungsgrundlagen 380 – Einheitspreisvertrag 390 – Pauschalpreisvertrag 391 ff. Absicherungsmöglichkeiten des Unternehmers 721 ff. Absonderungsrecht 654 ff., 675 ff. Abtretung 845 ff. Arbeitsgemeinschaften – Anwachsung 1252 ff., 1372 – Auseinandersetzungsbilanz – Bewertung der „ausgeführten Arbeiten“ 1273 ff. – Bewertung des Gewährleistungsrisikos 1234, 1278 – Bewertung sonstiger Risiken 1284 f – Bewertung von Nachtragsforderungen 1267 ff., 1287 ff. – Fälligkeit des Anspruchs 1316 ff. – Feststellung 1300 ff. – Geschäfte, schwebende 1286 ff. – Stichtagprinzip 1266 ff. – Zustellung 1297 ff.
– Ausscheiden des Schuldners – Auswirkungen gegenüber Dritten 1361 ff. – Eigeninsolvenzantrag 1242 ff. – Insolvenzverfahrenseröffnung 1249 ff. – Bürgschaften – Ausschüttungsbürgschaft 1331 ff. – Übergang 1345 ff. – Unterbürgschaft 1322 ff. – Definition 1225 f – Pfandrecht an Geräten und Stoffen 1350 ff. – Rechtsnatur 1237 ff. Architekteninsolvenz 683 ff. Architektenkosten 549 ff. ARGEN 1223 ff., s. a. Arbeitsgemeinschaften Aufmaß 135 ff. Aufrechnung 422 ff., 481 ff., 559 ff., 882 ff. Aufrechnungsverbote 21 ff., 280 ff., 427 ff., 559 ff. Auseinandersetzungsbilanz 1259 ff. Aussonderungsrecht 643 ff., 675 Avalkreditvertrag 1158 ff. Avalmanagement 1220
Bauabzugsteuer
182 ff., 348, 779 ff., 1028 ff. Baugeld (GSB) 927 ff. Bauhandwerkersicherungshypothek 723, 959 Bauträger 1040 ff. – Freistellungsanspruch wegen Beiträgen 1080 ff. – Freistellungserklärung der Bauträgerbank 1074 f
339
Stichwortverzeichnis
– Mängel am Gemeinschaftseigentum 1055 ff. – Mängel am Sondereigentum 1053 – vorrangige Grundpfandrechte der Banken 1074, 1077 f Bauträgerinsolvenz 1040 ff. Bauträgervertrag 1040 Bauzeit 54 ff., 343 Beweislast – des Bestellers – für Kündigungstatbestand des § 9 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B 72 – für Mängel 452 – für Mängelbeseitigungskosten 460 ff. – des Bürgschaftsgläubigers – bei normaler Bürgschaft 1176 ff. – des Lieferanten für Abtretung 655 f – des Verwalters – für Abgrenzung von Leistungen 285 – für Mängelfreiheit 453 ff. – für Wertlosigkeit einer bedingten Forderung 1191 – bei § 187 InsO 674 Beweislastumkehr 148, 456, 655 Beweisverfahren, selbstständiges 1100 ff. Bürge – aufschiebend bedingte Forderungen im Insolvenzverfahren 1179 f., 1188 – Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren 1179 ff. – Regressansprüche 1197, 1209 ff., 1220 Bürgschaften 795 ff., 933 ff., 1170 ff., 1321 ff. – Abschlags- und Vorauszahlungsbürgschaft 1335 – Gesamtabrechnung 1335
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– Arbeitsgemeinschaften s. Arbeitsgemeinschaften – Bürgschaft gem. § 8 MaBV 1075 – Durchsetzung von Ansprüchen aus Bürgschaft 1172 ff. – Gewährleistungsbürgschaft s. Mängelbürgschaft – Mängelbürgschaft – Rückgabe durch den Verwalter an den Unternehmer 795 ff. – Sicherungsfall 253, 606 f., 1172 ff., 1188, 1296, 1347 – Verjährung – der Hauptschuld 473, 607, 1191 – Vertragserfüllungsbürgschaft 48
Dach-Arbeitsgemeinschaft
1226 f., 1230 Direktzahlungen 805 ff., 859 ff. Doppelanmeldung 1179 ff.
Eigenaufstellung der Schlussrechnung 388 Eigeninsolvenzantrag 1242 ff. Eigentumsvorbehalt 629 ff. – Auskunftsanspruch gegen Verwalter 667 ff. – einfacher 630 – Konflikt mit Globalzession 637 ff. – Schadensersatz gegen Verwalter bei Verletzung 646 – verlängerter 654 ff. Einheitspreisvertrag 390 Erfüllungswahl 257 ff., 286 ff., 749 ff. Erlöschenstheorie 235, 250 Eröffnungsverfahren 10 ff. Ersatzaussonderungsrecht 649 ff. Erschließungs- und Anliegerbeiträge 1080 ff.
Stichwortverzeichnis
Fälligkeit
167 ff., 345 ff., 366, 375, 1314 ff. – Anspruch aus Auseinandersetzungsbilanz 1316 ff. – Freistellungsanspruch 1084 – Sicherheitseinbehalt 513, 533, 541 Feststellung von Forderungen s. Forderungsanmeldung Feststellungskosten 673 Feststellungsstreit 1149 ff. Forderungsanmeldung 784 ff. Freistellungsanspruch des Erwerbers gegen Bauträger 1045, 1081 Freistellungserklärung der Bauträgerbank 1074 f
Gegenstandswert
1126 ff., 1137,
1145, 1148 Geschäftsbesorgungsvertrag 1192 ff. Gewährleistungseinbehalt s. Sicherheitseinbehalt Gläubigerbenachteiligung s. Insolvenzanfechtung Gläubigergleichbehandlung 584, 824 f., 929 Globalzession 637 f., 642, 674, 1017 ff. Grundbuchberichtigung 967, 1063 Grundpfandrechte 1073 ff.
Haftpflichtversicherung
687 ff.
Inkongruent s. Insolvenzanfechtung, Deckung Insolvenzanfechtung 823 ff. – Abtretungen 845 ff. – Baugeld 927 ff. – Deckung – inkongruente 33, 825, 830 f., 846 ff., 861, 869, 919 – kongruente 33 – Entgegennahme von Leistungen in der Krise 1014
– Gläubigerbenachteiligung 849, 855 f., 929, 1355 – Insolvenz des Bestellers 829 ff. – Insolvenz des Unternehmers 992 ff. – Pfandrechtsbestellung bei ARGE 1354 – Rechtsfolge 852, 1002 – Sicherungsübereignung 923 – Verknüpfung einer Leistung mit der Befriedigung von Altforderungen 976 – Weitergabe von Kundenschecks 921 Insolvenzgeld 16
Kalkulation 396, 411, 413 f., 517 Klage – Anerkenntnis, sofortiges (§ 113 ZPO) 463 – auf Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz 1314 – auf Feststellung zur Tabelle 1124 f., 1149, 1307 – auf Restfertigstellungsmehrkosten 483 – gem. § 187 VVG 695 ff. – Hauptsacheklage zum Beweisverfahren 1108, 1115 – Insolvenzanfechtungsklage 863 – Widerklage 1163 f – Zwangsvollstreckungsgegenklage – des Verwalters 1181 Kongruent s. Insolvenzanfechtung, Deckung Kreditversicherung 1153, 1170 Krisenmanagement 891 ff. Kündigung 61, 66 ff., 269 ff., 741 ff., 992 ff., 1365 ff. Leistungsstandsabgrenzung
42, 137 ff., 284 ff. Leistungsverweigerungsrecht 434, 480, 730 ff.
341
Stichwortverzeichnis
Mängel
Schadensersatzanspruch
– Mängelbeseitigungs„recht“ des Unternehmers 149 ff. – Rechnungsposten zugunsten des Bestellers im Abrechnungsverhältnis 434 ff. – Selbstvornahme 145, 162 f., 175, 463 ff. – „Symptomtheorie“ 467 Masseforderung 1135 Masseunzulänglichkeit 45 Minderung 436 ff., 819 ff. Mitverschulden (§ 308 BGB) 525
– aus §§ 76 f. InsO gegen den Verwalter 273, 646, 675 ff. – des Lieferanten gegen den Schuldner 655 – gem. § 337 Abs. 1 BGB 1063 – gem. § 124 InsO 250, 434 ff., 782, 972 – gem. § 9 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B 368 ff., 434 ff. Schadensersatzwahl des Bestellers 250 ff. Schiedsgericht 1087 f., 1094 ff. Schlussverteilung 1186 ff. Schlusszahlungseinrede 595 Selbstvornahme 463 ff. Sicherheitseinbehalt 529 ff., 774 ff. Sicherungsabrede 537 f., 778, 799, 1172, 1177 Sicherungsrecht 638 Sperrkonto 264, 541 ff., 775 ff. Stundenlohnarbeiten 516 Suspensivtheorie 236
Nutzung von Geräten, Gerüsten usw. 202, 289, 384
Pauschalpreisvertrag
391 ff., 508 ff. – Abrechnung bei vorzeitiger Beendigung 508 ff. – Ermittlung des dem Teilwerk entsprechenden Werklohnanteils 232 – Fertigstellung, fast vollständige 399 ff. Pfandrecht 1348 ff. Preisspiegel 518 Prozessunterbrechung 1090 ff., 1375 – Aktivprozess der ARGEPartner 1372 – Passivprozess der ARGEPartner 1380 Prüfbarkeit/-fähigkeit 404, 407 f., 587
Rangabrede 663 ff. Reduktion, teleologische s. Teleologische Reduktion Restabwicklungsvereinbarung 64 f., 349 f., 729 Restfertigstellungsmehrkosten 483 ff. Rückschlagsperre 966 ff. 342
Teilbarkeit 231 ff. Teilverzichtsklausel 638 Teleologische Reduktion 430, 579 Überschuldung 9, 79 Umsatzsteuer 204 ff. Und-Konto 541 Unverhältnismäßigkeit – Beseitigungsaufwand bei Mängeln 444 f – Leistungsverweigerungsrecht 460 Veräußerungsverbot
811 ff. Vergabebekanntmachung 624 ff. Vergabestelle 613 ff. Verjährung 476 ff. – der Hauptschuld 473, 607, 1140
Stichwortverzeichnis
– Mängelansprüche des Bestellers gegen Unternehmer/Verwalter 533, 536, 598, 602 Verpfändung 602, 1193, 1351 Verrechnung 423 ff. Vertragslossagung 69 ff., 114 ff. Vertragsstrafe 521 ff. Vertragssuspendierung, insolvenzbedingte (§ 124 InsO) 236 ff., 1174
Verwalterhaftung (§§ 76 f. InsO) 675 ff. Vormerkung 1041 ff. Vorteilsausgleich 494
Wahlrecht des Verwalters
214 ff.
Zahlungseinstellung 8, 77 f., 272 Zahlungsunfähigkeit 2 ff. Zustimmungsvorbehalt 1092
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