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German Pages 176 [188] Year 1968
H.
WINKEL
Die Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und Süddeutschland
QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR AGRARGESCHICHTE
Begründet von GÜNTHER FRANZ u n d FRIEDRICH LÜTGE
Herausgegeben von Professor Dr. WILHELM Göttingen
ABEL
und Professor Dr. GÜNTHER FRANZ Stuttgart-Hohenheim
B A N D
X I X
Die Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und Süddeutschland Höhe und Verwendung bei Standes- und Grundherren
Von
DR. HARALD WINKEL Mainz
GUSTAV FISCHER VERLAG • STUTTGART 1968
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Mainz gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinsdiaft
©
Gustav Fischer Verlag Stuttgart 1968 Alle Rechte vorbehalten Satz und Druck: Westholsteinische Verlagsdruckerei Boyens & Co., Heide/Holstein Einband: Sigloch, Künzelsau Printed in Germany
Geleitwort
Über die Vorgeschichte, die Ziele und die gesetzgeberischen Grundlagen der Bauernbefreiung sowie über ihre hauptsächlichen Konsequenzen für die ländliche Bevölkerung und die sozialökonomische Entwicklung im ganzen sind wir dank der umfangreichen einschlägigen Literatur - die FRIEDRICH LÜTGE mit seinen vielfältigen und verläßlichen Forschungsergebnissen gekrönt hat - gut unterrichtet. Dessenungeachtet gibt es in diesem historischen Gesamtbild noch manchen weißen Fleck. Vor allem unsere Kenntnisse über die Auswirkungen der kapitalwirtschaftlichen Transaktionen bei den Ablösungsberechtigten und speziell über die Verwendung der empfangenen Mittel sind noch immer recht lückenhaft. Dies ist nicht nur ein wirtschaftshistorisches Manko, wenn auch diese Unwissenheit vom Historiker am stärksten empfunden wird und in erster Linie ihn dazu auffordern muß, das Versäumte nachzuholen. Auch der vornehmlich Theorie und Politik treibende Nationalökonom gerät durch solche Kenntnismängel in einige Verlegenheit, wo er von herkömmlichen Stufenmodellen und Typenbegriffen Gebrauch macht und zu Pauschalurteilen verleitet wird, die der Vielgestaltigkeit des jeweiligen zeitgenössischen Datenkranzes nicht gerecht werden. Gleiches gilt für die Ausbildung und Anwendung von Struktur-, Konjunktur- und Wachstumstheorien, die wie alle Theorie in ihrem empirischen Gehalt nur an der geschichtlichen Wirklichkeit verifiziert und falsifiziert werden können. Wo es wie beim Industrialisierungsproblem theoretisch und historisch um die entscheidende Rolle der Investitionen beim Ingangkommen und damit auch für die Erklärung gesamt- oder zweigwirtschaftlicher Aufschwungs- und Wachstumsprozesse geht, können wir über Modellalternativen und Vermutungen nur hinausgelangen, wenn die konkreten Bestimmungsgründe und Quellen der Kapitalbildung sowie von hier aus die Komponenten des Kapitalangebots bekannt sind und wenn sich auch die Kapitalströme und -dispositionen nicht im dunkeln verlieren. Es ist aber leider eine Tatsache, daß wir über die kapitalwirtschaftlichen und investitionspolitischen Voraussetzungen und Begleitumstände der beginnenden Industrialisierung Deutschlands noch weithin im ungewissen geblieben sind. Diesem Forschungsziel - dem Einfluß der Grundlastenablösung in Deutschland auf die Kapitalversorgung und -Verwendung im 19. Jahrhundert nachzuspüren - ist die vorliegende Untersuchung gewidmet. Dazu bedurfte es freilich bei der gesellschaftlichen und räumlichen Spannweite des grundeigentums- und abgaberechtlichen Auseinandersetzungsgeschehens einer praktikablen Einschränkung und Abgrenzung des Themas, um so mehr als zuverlässige Aufschlüsse im wesentlichen nur aus den verstreuten und bislang fast ungenutzten Archivalien zu erwarten waren. Wie der Autor eingangs bemerkt, sind neben den Staats- und Kirchenfisci vor allem die Standesherren und sonstige adelige Grundherren als Empfänger von Ablösungszahlungen in Erscheinung getreten. Nur mit dieser letzten Gruppe von Ablösungsberechtigten befaßt sich diese Studie, und eben diese Art der gebotenen thematischen Präzisierung hat ihre guten Gründe: Die Gesamtheit der Ablösungsberechtigten gliedert sich in die drei Gruppen 1. der Staatsfinanzverwaltungen, 2. der Kirchen, Schulen und Stiftungen und 3. der StandesV
und Grundherren und anderer privater Ablösungsgläubiger. Was die zahlreichen größeren und kleineren Gebietskörperschaften anbelangt, so standen diese im Hinblick auf die Höhe der Ablösungskapitalien gewiß an der Spitze. Demgegenüber kamen jedoch öffentliche Investitionen in erwerbswirtschaftliche, speziell industrielle Projekte mit Rücksicht auf den liberalen Zeitgeist dieser Jahrzehnte kaum in Frage, und eine detaillierte Analyse sämtlicher Budgetreihen, Rechnungsakten und Verwaltungsprotokolle wäre einem einzelnen Autor kaum möglich. Andererseits hätte eine entsprechende Untersuchung mit Bezug auf die religiösen Bekenntnisgemeinschaften, Schulen und Stiftungen den Verfasser genötigt, den ganzen vielsdiichtigen und materialiter nur schwer zu durchleuchtenden Komplex der Finanzierung und der Vermögensverhältnisse der christlichen Kirdien von den Anfängen der Säkularisation bis in die Gegenwart hinein zu verfolgen. Anders bei der dritten Gruppe, deren Ausforschung an Hand überschaubarer und zugänglicher, großenteils durch Familientradition bewahrter Archivbestände am ergiebigsten erscheinen mußte. So vermag der hier unternommene Versuch — von der gewählten Umgrenzung des Themas her gesehen — nidit allein sachhistorisch und methodisch zu bestehen, sondern auch hinsichtlich des repräsentativen Aussagegehalts einer solchen Spezialuntersuchung, die zudem noch das Argument für sich in Anspruch nehmen darf, daß industrielle Direktinvestitionen am ehesten innerhalb des Verfügungsbereichs dieser Berechtigtengruppe in Betracht kommen mochten. Das Buch nimmt im ersten Kapitel seinen Ausgang von einer generellen Studie der Kapitalversorgung der deutschen Volkswirtschaft im vorigen Jahrhundert. Gestützt auf fundierte literarische Beweishilfen und zeitgenössische Zeugnisse macht der Verfasser deutlich, daß eine industriekapitalistische Entwicklung weiteren Umfangs in Deutschland erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hat. Er prüft alsdann die Glaubwürdigkeit der im nationalökonomischen und wirtschaftsgeschichtlichen Schrifttum oft wiederholten Behauptung verbreiteten Kapitalmangels im damaligen Deutschland, der angeblich den Entwicklungsrückstand der deutschen Industrie hinter der englischen verschuldet habe, und gelangt mit überzeugenden Tatsachenbelegen zu dem Ergebnis, daß statt des Kapitalmangels weit eher die mangelnde Investitionsbereitschaft der Kapitalbesitzer zu beklagen ist (was dann auch durch die Einzelerhebungen im dritten Kapitel bestätigt wird). Aus vielen historiographischen Quellen und Augenzeugenberichten werden die Beweggründe adeliger und bürgerlicher Kapitalbesitzer zutage gebracht, die diese häufig zögern ließen, industrielle Gründungs- und Entwicklungsprojekte zu finanzieren. Hierbei fällt auch auf die zusätzlichen Verzögerungsund Bremseffekte der noch unzureichend ausgebildeten Kredit- und Kapitalmarktorganisation wie auch auf die restriktiven Wirkungen des geltenden Gesellschafts- und Gewerberechts - mindestens für die Zeit bis zur Jahrhundertmitte — manches bezeichnende Licht. Welche Momente dann später bei der Entfaltung privater Unternehmungsund Investitionsbereitschaft (obzwar in den einzelnen Bevölkerungsschichten mit deutlichen, soziologisch bedingten Unterschieden) zusammengewirkt haben, wird vom Verfasser anschaulich dargetan. Auch hat er nicht versäumt, die vorrangigen Empfänger dieser zunehmenden Kapitalströme - Industrie, Handel, Eisenbahnbau usw. - voneinander abzuheben, um für die Folgezeit das schubweise und partielle Auftreten von Kapitalmangel erklären und in seine Betrachtungen einbeziehen zu können. Den Beschluß dieses Abschnitts bildet eine gründliche Analyse der hauptsächlichen Kapitalquellen und des zeitgenössischen Kreditapparats, die die zuvor gewonnenen Einsichten vertieft und absichert. Den weit weniger bekannten Konsequenzen der Bauernbefreiung auf der Seite der Ablösungsberechtigten wendet sich der Autor im zweiten Kapitel zu. Dabei werden, dem Thema entsprechend, im besonderen die sozialen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Interessen adeliger Grundherren eingehend untersucht und gewürdigt. Zwar hat es auch unter dem Adel früherer Jahrhunderte echte Unternehmerpersönlichkeiten VI
gegeben, die es an Erwerbssinn und Wagemut nicht fehlen ließen, doch galten für die Mehrzahl des hohen und niederen Adels die alten ständischen Bindungen und Traditionen bis zu ihrer Erschütterung durch die französische Revolution und ihre Auswirwirkungen fort. Die mit dem preußischen Edikt vom 9. Oktober 1807 eingeleitete freiere Entwicklung hatte zunächst kaum praktische Bedeutung für die Lebensführung und Wirtschaftsgesinnung des Adels, dessen Dispositionsmöglichkeiten über Vermögenswerte fideikommißrechtlich bis in unser Jahrhundert hinein stark eingeschränkt blieben, und als einzige Erwerbsquelle war die Land- und Forstwirtschaft sanktioniert. Dennoch kam es vor, daß der Adel dort Anschluß an die kapitalistische Entwicklung fand, wo persönliche Initiative und finanzielle Möglichkeiten zusammenwirkten und allen Widerständen zum Trotz in gewerblichen Tätigkeiten und Beteiligungen genutzt wurden. Diese höchst differenzierten gesellschaftlichen und ökonomischen Wandlungen hat der Verfasser in ihren Grundlinien und Einzelheiten treffend nachgezeichnet: die Verbürgerlichungs- und Kommerzialisierungstendenzen, den Übergang zur rationellen Landwirtschaft, die Ersetzung der Fron- durch Lohnarbeit, das Vordringen der Geldwirtschaft in den ehemals naturalwirtsdiaftlidien Bereich und die Auflösung der überkommenen Grundeigentumsstruktur. So kommen namentlich jene Tatsachenverhältnisse zum Vorschein, die einen allmählichen Umschwung in der Haltung des Adels und dessen zunehmende Aufgeschlossenheit für erwerbswirtschaftliche Chancen herbeiführten. Damit wurde vom Autor der Boden bereitet für das Kernstück seines Buches im dritten Kapitel. Hier legt er die Ergebnisse umfangreicher ardiivalischer Quellenstudien vor, die sich sowohl auf die legislatorischen, verwaltungspraktischen und finanziellen Gesichtspunkte der Grundlastenablösung im Königreich Württemberg, im Großherzogtum Baden und im Herzogtum Hessen als auch - und hier liegt das Hauptgewicht - auf Höhe und Verwendung der Ablösungskapitalien in neunzehn Standes- und Grundherrschaften erstrecken. Im Ertrag dieser minuziösen Archivarbeit wird viel Neues über die weitreichende Vermögens- und Einkommensumschichtung im Zuge der Grundlastenablösung ans Licht gebracht. Wie immer bei solchen tiefen Eingriffen in die Eigentums- und Einkommensstruktur weiter Bevölkerungskreise hat es auch hier in großer Zahl Begünstigte und Benachteiligte, Gewinner und Verlierer gegeben, nicht nur im Verhältnis zwischen Bauernschaft und Adel, sondern auch innerhalb der fürstlichen, gräflichen und freiherrlichen Häuser selbst. Was die Adelsfamilien dann ihrerseits mit den empfangenen Ablösungskapitalien gemacht haben, offenbart sich in einer breiten Skala verschiedenster Anlageformen, die von mannigfachen öffentlichen und privaten Rentenfonds bis zu industrie-, handels- und verkehrswirtschaftlichen Direktinvestitionen und Spekulationen im In- und Ausland reichen. Audi die Wechselbeziehungen zwischen diesen Kapitaloperationen und dem Verhalten von Staat, Gemeinden und Kreditinstituten sowie den strukturellen Wandlungen des Grundstüdksund des Effektenmarktes finden gebührende Beachtung, und man erfährt die Hauptgründe, weshalb die Ablösungskapitalien nur zum geringen Teil Industrieunternehmungen zugute gekommen sind. Die wichtigste Ausnahme bildeten jene Herrschaften, die schon immer im Bergbau und in der Metallgewinnung eigene Produktionsstätten betrieben hatten. Generell aber gilt für den deutschen Adel, daß er die Erwerbschancen industrieller Kapitalverwertung in ständischer Isolierung nicht wahrzunehmen vermochte. Dieser Forschungsbericht gibt zu seinem Teil ein Exempel dafür, wie sehr Theorie und Geschichte darauf angewiesen sind, Hand in Hand zu arbeiten. Auch und gerade dort, wo die Pflege der Wirtschafts- und Sozialgeschichte quellenkundlicher Empirie bedarf, ist es von hohem Nutzen, wenn der Historiker neben seinem eigenen Instrumentarium das Rüstzeug der ökonomischen Theorie zu handhaben weiß. Er kann dann - wie C A R L B R I N K M A N N betont und bezeugt hat - eher die Kluft überwinden, die VII
sich stets erneut zwischen der Wirtschaftsgeschichte der Historiker und der Nationalökonomen öffnet, sofern diese der jeweiligen Schwesterdisziplin nur die verminderte Verantwortung eines Nebenamtes entgegenbringen. Mainz, im August 1968 A N T O N I O MONTANER
Vorwort Mit der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, das «weithin lückenhafte Wissen um die Rolle der Ablösungsbeträge, die im Rahmen der Bauernbefreiung angefallen sind» 1 , durch eine Reihe archivalischer Studien zu ergänzen. Neben den Staatsfinanzverwaltungen und Kirchen traten vor allem die Standesherren und sonstige adelige Grundherren als Empfänger solcher Ablösungsgelder in Erscheinung; mit dieser letzten Gruppe allein befaßt sich diese Arbeit. Von den für eine solche Untersuchung in erster Linie in Frage kommenden Archiven der Standes- und Grundherren wurden zunächst jene ausgewählt, die nach ihrem Umfang und der Bedeutung der ehemaligen Herrschaft die aussagefähigsten Ergebnisse zu liefern versprachen. Im Verlauf dieser Arbeit wurde dann das Interesse auch auf kleinere Herrschaften gelenkt oder solche, die durch besondere Verhältnisse, wie geographische Lage, Bodenschätze usw., ausgezeichnet waren und eine enge Beziehung zum industriellen Aufstieg Deutschlands in jener Zeit erwarten ließen. Wenn auch nicht alle Standes- und Grundherrschaften lückenlos erfaßt wurden - ein Vorhaben, das Zeit und Raum dieser Arbeit überfordert hätte - , so dürften doch die hier gewonnenen Ergebnisse in ihren entscheidenden Aussagen auch durch das Studium weiterer Quellen nicht mehr verändert werden. Trotz eines im Einzelfall unterschiedlichen Vorgehens der Standes- und Grundherren bei der Wiederanlage von Ablösungskapitalien lassen sich gemeinsame Verhaltensweisen erkennen, die bei jedem weiteren untersuchten Beispiel neu bestätigt wurden. So könnte die Arbeit vielleicht auch einen Beitrag zu der in jüngster Zeit mit dem Buch von H E I N Z G C L L W I T Z E R über «Die Standesherren» in den Vordergrund gerückten Sozial- und Gesellsdiaftsgeschichte des deutschen Adels leisten. Ohne vielfache Hilfe aus Archiven und Bibliotheken hätte diese Untersuchung nicht abgeschlossen werden können. Mein Dank gilt zunächst den Eigentümern der benutzten Privatarchive, die mir ausnahmslos hilfreich entgegenkamen und für die Archivbenutzung und die Veröffentlichung der Ergebnisse ihre freundliche Einwilligung gaben. Weiteren Dank schulde ich jenen vielen haupt- und nebenamtlichen Betreuern standesund grundherrschaftlicher Archive, die mich mit viel Geduld und Mühe unterstützten. Besonders danke ich Herrn Prof. Dr. K. S. Bader für die Durchsicht des das fürstliche Haus Fürstenberg betreffenden Teils der Arbeit und den Archivaren, Frau Dr. Grünenwald (Oettingen), den Herren Dr. Piendl (Regensburg), Dr. Rauh (Schloß Zeil), Schümm (Neuenstein) und Dr. Seigel (Sigmaringen) sowie den Herren Kumpf (Schlitz) und Bonnet (Schloß Schaumburg), die einzelne, ihr Archiv betreffende Abschnitte der Arbeit durchgesehen, Fundstellen überprüft und wertvolle Anregungen gegeben haben. Schließlich gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Dr. Lütge, der die Anregung zu diesem Thema gab, und Herrn Prof. Dr. Montaner, der mir in vielen Diskussionen Berater war.
* So FRIEDRICH LÜTGE bei der Betrachtung der Investitionen des 19. Jahrhunderts, Lütge, Friedrich, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. Aufl., Berlin-Heidelberg-New York 1966, S. 478.
IX
Inhalt
Geleitwort Vorwort I. D I E K A P I T A L V E R S O R G U N G DER D E U T S C H E N V O L K S W I R T S C H A F T IM 19. J A H R H U N D E R T A. Kapitalmangel und Industrialisierung B. Die Kapitalquellen 1. Das Sparkapital 2. Die Banken als Kapitalsammelbecken 3. Das Handelskapital 4. Die Selbstfinanzierung 5. Die Ablösungskapitalien II. DIE G R U N D L A S T E N A B L Ö S U N G U N D D E R D E U T S C H E A D E L A. Die Berechtigten B. Die wirtschaftlichen Interessen adeliger Grundherren III. H Ö H E U N D V E R W E N D U N G D E R A B L Ö S U N G S K A P I T A L I E N A. Vorbemerkungen B. Obersicht der Ablösung in drei deutschen Staaten 1. Die Ablösung im Königreich Württemberg 2. Die Ablösung im Großherzogtum Baden 3. Die Ablösung im Herzogtum Nassau C. Höhe und Verwendung von Ablösungskapitalien einzelner Standes- und Grundherrschaften 1. Das fürstliche Haus Thum und Taxis 2. Das fürstliche Haus Hohenlohe 3. Das fürstliche und gräfliche Haus Fugger 4. Das fürstliche Haus Fürstenberg j . Das fürstliche Haus Hohenzollern-Sigmaringen 6. Das fürstliche Haus Oeningen-Wallerstein 7. Das fürstliche Haus Oettingen-Spielberg 8. Das fürstliche Haus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg 9. Das fürstliche Haus Castell 10. Das fürstliche Haus Waldburg-Zeil 11. Das fürstliche Haus Leiningen 12. Das gräfliche Haus Schlitz, gen. von Görtz 13. Das fürstliche Haus Solms-Braunfels 14. Die Standesherrschaft Schaumburg-Holzappel 15. Das gräfliche Haus Ingelheim 16. Das freiherrliche Haus von Gemmingen 17. Das gräfliche Haus Neipperg 18. Das freiherrliche Haus von Berlichingen 19. Die fürstlichen Häuser Sayn-Wittgenstein-Berleburg, Wied-Neuwied, Ysenburg-Büdingen und andere kleinere Herrschaften IV. E R G E B N I S D E R U N T E R S U C H U N G Umrechnungstabelle Quellenverzeichnis Literaturverzeichnis Orts- und Namensregister
XI
V IX 1 11 14 15 17 18 20 24 26 26 27 38 38 41 41 48 5j 61 62 69 78 87 93 99 109 112 IIJ 118 121 125 131 135 137 138 140 142 144 IJO 162 162 165 174
I. Die Kapitalversorgung der deutschen Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert
A. Kapitalmangel und Industrialisierung D i e Zusammenhänge zwischen der Kapitalausstattung einer Volkswirtschaft und dem Stand sowie der weiteren Entwicklung der Industrialisierung sind gerade in V e r bindung mit den Aufgaben, die in Entwicklungsländern z u lösen sind, während der letzten Jahre wiederholt Gegenstand ausführlicher Diskussionen gewesen. Dabei w i r d immer wieder auf Beispiele aus jener Zeit verwiesen, in der auch die heutigen Industrieländer Europas noch echte Entwicklungsländer waren. Es fehlt nicht an V e r suchen, die Auswirkungen einer mehr oder minder umfangreichen Kapitalausstattung einer Volkswirtschaft am G r a d des jeweils erreichten technisch-industriellen Fortschrittes z u messen, um auf diese Weise die Ursachen f ü r das Zurückbleiben einzelner Länder hinter der Entwicklung ihrer Nachbarn z u erforschen. D e r «Sprung nach vorne», der A n s a t z eines Industrialisierungsprozesses, beginnt ja nicht e t w a mit bestimmten großen Erfindungen gleichzeitig in einem weltweiten Ausmaß. ROSTOW setzt diesen «take-off» f ü r Deutschland f ü r das Jahr 1850 an und sieht den besonderen Anstoß dazu in der Revolution v o n 1848 gegeben 1 . In ähnlicher Weise bezeichnet LANDES die Jahre nach 1848 als «Germany's industrial coming-of-age» s . A n d e r e Autoren wollen den Beginn eines Industrialisierungsprozesses in Deutschland bereits am Ende der napoleonischen Ä r a 181 j erkennen 3 . HENDERSON geht sogar bis in die zweite H ä l f t e des 18. Jahrhunderts zurück, was sicher nur f ü r bestimmte Gebiete Deutschlands, wie den rheinisch-westfälischen R a u m und Sachsen, zutrifft 4 . ROSTOW kommt der Wirklichkeit w o h l am nächsten: D e r Ausbau der Verkehrswege, die Umgestaltung bestehender und der A u f b a u neuer Industriebetriebe, nicht zuletzt auf G r u n d der durch den deutschen Zollverein geschaffenen weiträumigen A b s a t z gebiete, sowie die Übernahme englischer Produktionskenntnisse und ihre Erweiterung durch eigene Verbesserungen fallen erst u m die Mitte des 19. Jahrhunderts wirtschaftlich ins Gewicht 5 . LAMPRECHT sieht das Jahr 1840 als Schwelle des Zeitalters einer modernen W i r t ROSTOW, WALT W., Stadien wirtschaftlichen Wachstums, Göttingen i960, S. j$ ff. LANDES, DAVID S., Entrepreneurship in advanced industrial countries: The Anglo-German rivalry, in: Entrepreneurship and Economic Growth, Cambridge (Mass.) 1954, S. 4. 1
8
a
Vgl.
HOFFMANN,
WALTER, S t a d i e n
und
Typen
der
Industrialisierung;
ein Beitrag
zur
quantitativen Analyse historischer Wirtschaftsprozesse (Probleme der Weltwirtschaft, Bd. 54), Jena 1931; FISCHER, WOLFRAM, Das Verhältnis von Staat und Wirtschaft in Deutschland am Beginn der Industrialisierung, in: Kyklos, vol. X I V , 1961, S. 342 und die dort angeführte weitere Literatur. 4 HENDERSON, W. O., The Genesis of the Industrial Revolution in France and Germany in the i8th Century, in: Kyklos, vol. IX, 1956, S. 190 ff. 8 Vgl. dazu auch GEHR, MARTIN, Das Verhältnis zwischen Banken und Industrie in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Bankenkrise von 1931, unter besonderer Berücksichtigung des industriellen Großkredits, staatswiss. Diss., Tübingen 1959, S. 1. 1
sdiaftsentwicklung in Deutschland an; auch die von ihm angeführten Gründe dürften die These ROSTOWS bestätigen*. Auf jeden Fall hat eine industrielle, kapitalistische Entwicklung in weitem Umfang in Deutschland erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen. Einzelne Länder scheinen für eine relativ früh und rasch einsetzende industrielle Entwicklung geradezu prädestiniert, andere wieder lassen erste sehr zögernde Ansätze erst Jahrzehnte später erkennen. Als typische Beispiele einer zeitlich nicht parallel verlaufenden Entwicklung werden hier immer wieder England und Deutschland während des 19. Jahrhunderts angeführt. Bei einer Betrachtung dieser Zeit läßt sich, auch ohne genauere Nachprüfung des statistischen Materials, bald feststellen, daß die Entwicklung Deutschlands keineswegs mit dem wirtschaftlichen Aufstieg, insbesondere dem wachsenden Industrialisierungsprozeß Englands seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, Schritt gehalten hat7. «One is Struck by the late and slow development of Germany in the first half of 19dl from agrarianism to industrialism, and from feudalism to democracy»8. Gegenüber England waren die damaligen deutschen Staaten wirtschaftlich rückständige Länder. Sicher trifft diese Feststellung nicht generell für alle Bereiche des Wirtschaftslebens zu. Es sei nur daran erinnert, daß z. B. sächsische Textilgewebe schon im x 8. Jahrhundert erfolgreich nach Amerika exportiert werden konnten und im rheinisch-westfälischen Gebiet sowie in Oberschlesien Ansätze einer industriellen Fertigung schon vor 1800 zu erkennen sind*. Für 1785/86 wird der schlesische Leinenexport auf jährlich 4 Mio. Taler veranschlagt, für 1796 bereits auf 6,2 Mio. Taler10. Die Rückständigkeit gilt jedoch in besonderem Maße für den Ubergang von der handwerklichen zur industriellen Fertigung. Deutschland war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein überwiegend Agrarstaat 11 , der zwar über einen vergleichsweise gut ausgebildeten Handel und ein zum Teil örtlich konzentriertes hervorragendes Handwerk verfügte, dessen Industrie aber nur sehr geringe Bedeutung hatte. Seit vielen Jahren wird für die gegenüber England aber auch Belgien und Frankreich so verspätet einsetzende industrielle Entwicklung Deutschlands als «herrschende Lehre» die Ansicht vertreten, in Deutschland habe es an dem notwendigen Kapital • LAMPRECHT, KARL, Deutsche Geschichte der jüngsten Vergangenheit und B d . I, Berlin 1 9 1 2 , S. 239 ff.
Gegenwart,
7
V g l . LANDES, D A V I D , a . a . O . , S . 6.
8
KOHN-BRAMSTEDT, ERNST, Aristocracy and the middle-classes in Germany, London 1 9 3 7 ,
S . 44.
• So schildert BARKHAUSEN den «großen Aufschwung der rheinischen Industrie im 18. J a h r hundert»; BARKHAUSEN, MAX, Der Aufstieg der rheinischen Industrie im 18. Jahrhundert und die Entstehung eines industriellen Großbürgertums, in: Rheinische Vierteljahresblätter, 19. Jahrg., 1954, S. 166. Ferner: KÖNIG, ALBIN, Die sächsische Baumwollindustrie am Ende des vorigen Jahrhunderts und während der Kontinentalsperre, Leipzig 1899; FORBERGER, RUDOLF, Die Manufaktur in Sachsen vom Ende des 16. bis zum A n f a n g des 19. Jahrhunderts, Berlin (Ost) 1 9 j 8 ; KNOCHENHAUER, BRUNO, Die oberschlesisdie Montanindustrie, in: Die deutsdie Wirtschaft und ihre Führer, B d . 9, Gotha 1 9 2 7 . 10 MEITZEN, AUGUST, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preußischen Staates nach dem Gebietsumfang v o n 1866, B d . 2, Berlin 1869, S. 4 0 7 ® . 11 1 8 1 6 lebten in Deutschland (in den geographischen Grenzen von 1 8 1 7 ) 24,8 Mio. E i n wohner, davon 1 9 Mio. ( = 76°/O) auf dem Lande; CUNOV, HEINRICH, Allgemeine Wirtsdiaftsgesdiidite, B d . 4, Berlin 1 9 3 1 , S. 2 1 . Z u m Begriff Agrarstaat-Industriestaat vgl. ARNDT, PAUL, Wirtschaftliche Folgen der Entwicklung Deutschlands zum Industriestaat, Berlin 1899, S. 7.
2
gefehlt, um einen vergleichsweise großen und rasdien Industrialisierungsprozeß frühzeitig einzuleiten". Bevor diese These des Kapitalmangels untersucht werden kann, ist es erforderlich, den mit so vielen irreführenden Vorstellungen behafteten Begriff Kapital zu erläutern und abzugrenzen. Nicht zuletzt liegt allein sdion in der mehrdeutigen Verwendung dieses Begriffes der Grund für manche Mißverständnisse in der hier zu untersuchenden Frage 13 . Unter Kapital soll im folgenden Geldkapital verstanden werden, d. h. Finanzmittel, die frei verfügbar vom Besitzer jederzeit investiert werden können, soweit ihm eine Anlage nur sicher und rentabel genug erscheint. Ob dieses Kapital aus geprägten Edelmetallen, Wechseln, Bankeinlagen oder anderen kurzfristig liquidisierbaren Ansprüchen besteht, sei für die Untersuchung ohne Belang. Nicht umfassen soll dagegen der verwendete Kapitalbegriff das Sadivermögen, wie Maschinen und Ausrüstungen, Grundstücke und Gebäude, Warenvorräte und Viehbestand. Damit soll erreicht werden, daß von Kapital nur dort gesprochen wird, wo es sich um Finanzmittel handelt, die sofort oder kurzfristig für Investitionen zur Verfügung gestellt werden können. In ähnlichem Sinne hat schon S C H U M P E T E R das Kapital als jene Summe von Geld und anderen Zahlungsmitteln bezeichnet, «welche zur Überlassung an Unternehmer zu jedem Zeitpunkt verfügbar ist»14. Ähnlich definiert 15 P R E I S E R Kapital als Finanzmittel, die für Investitionen zur Verfügung stehen . Die Einteilung in Industrie- oder Anlagekapital, Handelskapital etc. soll lediglich als Hinweis auf die Quellen oder den Einsatzort des Kapitals verstanden werden. Lassen wir Zeitgenossen zu Wort kommen, können wir nidit immer erkennen, welcher Kapitalbegriff ihren Äußerungen zugrunde liegt. In der Mehrzahl solcher Angaben dürfte jedoch Kapital als investitionsbereite Geldmittel und Kapitalmangel als Mangel an investierbaren Fonds, nicht als Mangel an Sadikapital, verstanden werden. Dies gilt sicher, wenn G R A S S M A N N 1 8 einen Ausspruch König Ludwigs I. von Bayern zitiert: « . . . und an Kapitalien hat Bayern keinen Mangel» - eine Feststellung, die angesichts der Tatsache, daß das Augsburger Bankhaus S C H A E Z L E R in 12 Tagen im Wege der Subskription ein Kapital von 1,2 Mio. Gulden aufbringen konnte, sicher auf investitionsbereites Geldkapital zutrifft". Geht man der Klage über den Kapitalmangel im Zusammenhang mit dem beginnenden Industrialisierungsprozeß nach, so zeigt sich, daß statt des Kapitalmangels weit eher die mangelnde Investitionsbereitschaft der möglichen Kreditnehmer als auch der Kapitalbesitzer zu beklagen ist. Wenn R I T T E R 1 8 feststellt: «Im privaten Sektor war der Kapitalmangel ebenfalls erheblich», so muß er doch zugeben, daß sich dieser Mangel vor allem an risikofreudigem Kapital zeigte. «Die Anlage in Industriebetrieben galt als zu gewagt. Die Kapitalgeber bevorzugten Landwirtschaft, Handel und 12 BORCHARDT, KNUT, Zur Frage des Kapitalmangels in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland, in: Jahrb. f. N a t . u. Stat., Bd. 1 7 3 , 1961, S. 401 ff. ls
Ebenda. Z u m Streit über den Kapitalbegriff vgl. VON BÖHM-BAWERK, EUGEN, Kapital und Kapitalzins, 2. Abt., Positive Theorie des Kapitals, I. Halbband, 3. A., Innsbruck 1909, S. 23 ff. 14
SCHUMPETER, JOSEPH, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1 9 1 2 , S. 236.
15
PRBISER, ERICH, Der Kapitalbegriff und die neuere Theorie, in: Bildung und Verteilung des Volkseinkommens, Gesammelte Aufsätze, 3. Aufl., Göttingen 1963, S. 103. 18 GRASSMANN, JOSEF, Die Entwicklung der Augsburger Augsburg 1894, S. 24. 17
Industrie im
19. Jahrhundert,
derselbe, S. 2 1 . 18 R I T XER, ULRICH PETER, Die Rolle des Staates in den Frühstadien der Industrialisierung, Berlin 1961, S . 1 1 6 . 3
Staatsanleihen.»19 BORCHARDT20 gibt uns das Urteil des bayrischen Abgeordneten SCHAEZLER aus dem Jahre 1819 wieder, in dem es heißt: «Ob audi Fabriken durch die Bank mit großen Geldvorsdiüssen unterstützt werden dürfen und sollen, ist eine Frage, die noch große Erörterung erheischt. Fabriken sind mehr als ein anderes Handlungsgeschäft, selbst im Augenblick des am günstigsten scheinenden Zeitpunktes, großen möglichen Gefahren ausgesetzt, und Realitäten einer ins Stocken geratenen Fabrik, hätten solche auch nodi so viel gekostet, fast nichts mehr werth.» Auch eine Feststellung bei GEHR21 zeigt, daß SCHAEZLER mit seiner Auffassung in Bankkreisen nicht allein stand: «Die Übernahme von Staatsanleihen erschien den Privatbankiers als die sicherste und rentabelste Kapitalanlage. Der Industrie gegenüber verhielt sich ein Großteil der Privatbankiers aus Mangel an Wagemut zurückhaltend und ergriff keine Initiative zur finanziellen Unterstützung des industriellen Aufschwungs». ISAAC berichtet im Hinblick auf das Anleihegeschäft der Banken mit den Landesfürsten und ihrer Zurückhaltung gegenüber jeder Gründungstätigkeit im industriellen Bereich: «In Frankfurt, der kapitalkräftigsten Stadt Deutschlands, sagte man damals: »22 Frankfurt erwies sich hier besonders konservativ, während das Kölner Bankiergewerbe sich sehr viel früher und entschlossener der Industriefinanzierung widmete2*. Viele Unternehmer des Ruhrgebietes verdanken dem Kölner Bankiergewerbe ihren Aufstieg, in der bergischen Eisen- und rheinischen Textilindustrie war Kapital Kölner Bankhäuser angelegt und das Haus Schaafhausen geriet durch zu große Industriekreditgewährung gar in eine Finanzkrisis". Die Frankfurter Bankwelt dagegen blieb ihrer alten Domäne staatlicher Anleihe- und Börsengeschäfte treu, sie kümmerte sich wenig um die Industriefinanzierung, und ebenso wenig riet sie ihren kapitalkräftigen Kunden zu solchen Anlagen. Selbst ausländische Unternehmungen genossen bei Bankiers und Kapitalbesitzern mehr Vertrauen als die heimische Industrie. So berichtet MATCHOSS", daß für den mexikanischen Bergwerksverein 2 ' und die Rheinisch-Westindische Kompagnie27 im Rheinland und in Westfalen sehr viel leichter Geld zu bekommen war als für die Entwicklung der heimischen Bergbau- und Hüttenindustrie28. Wie schlecht müssen die Chancen der jungen deutschen Industrie be" RITTER, ULRICH PETER, a . a . O . , S. 116. In gleichem Sinne auch das dort angeführte Z i t a t v o n CHRISTIAN VON ROTHER. 20
BORCHARDT, K N U T , a. a. O . , S . 4 1 0 .
GEHR, MARTIN, a. a. O., S. 4. Ober die Abneigung, sidi an industriellen Unternehmungen zu beteiligen, berichtet auch: RIESSER, Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Großbanken mit besonderer Rücksicht auf die Konzentrationsbestrebungen, Jena 1905, S. 3. 22 ISAAC, ALFRED, Der Wandel in der Finanzierung der Unternehmung, in: Gestaltwandel der Unternehmung, Nürnberger Abhandlungen zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Heft 4, Berlin 1954, S. 228. 23 Vgl. KRÜGER, ALFRED, Das Kölner Bankiergewerbe vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1875, Essen 1925, S. 16 und insbesondere S. 22 ff. 24 EBENDA. Ferner ZORN, WOLFGANG, Die Struktur der rheinischen Wirtschaft in der Neuzeit, in: Rheinische Vierteljahresblätter, 28. Jahrg., 1963, S. 47. 25 MATCHOSS, CONRAD, Preußens Gewerbeförderung und ihre großen Männer, Berlin 1921, S. 69. 2* Vgl. SCHELL, OTTO, Die wirtschaftlichen Beziehungen des Wuppertals zu Mexiko in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts, in: Monatsschrift des Bergischen Gesdiiditsvereins, 21. Jahrgang, Elberfeld 1914, S. 121. 27 Vgl. BECKMANN, AUGUST, Die Rheinisch-Westindische Kompagnie; ihr Wirken und ihre Bedeutung, phil. Diss., Münster/W. 1915. 28 Vgl. dazu auch die Darstellung bei BERGER, LOUIS, Der alte Harkort, 4. Aufl., Leipzig 1902, S. 173 ff. 81
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urteilt worden sein, wenn Entwicklungsprojekte im fernen Amerika eher förderungswürdig erschienen! Die Gründe für die Zurückhaltung der Kapitalbesitzer bei der Investition in industriellen Unternehmungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts" sind vielschichtig, aber doch auch verständlich. Einmal waren der Aufbau und die Unterhaltung komplizierter technischer Anlagen nur wenigen Fachleuten vertraut, und man hatte mit mancherlei Rückschlägen und wirtschaftlichen Einbußen zu rechnen30. Die wichtigsten technischen Grundlagen f ü r eine Industrialisierung - die Dampfmaschine, der mechanische Webstuhl, das Puddelverfahren und vieles andere mehr - waren englische Erfindungen und konnten nur mit englischer H i l f e übernommen und nachgebaut werden. I n schlechter Erinnerung dürften auch die Zusammenbrüche vieler Unternehmen gewesen sein, die — unter dem Schutz der Kontinentalsperre groß geworden — nach 1 8 1 5 der englischen Konkurrenz unterlagen. Allenfalls konnte eine industrielle Tätigkeit dort, w o sie mit einem regen Warenverkehr und Handel unmittelbar im Zusammenhang stand, zur Kapitalanlage reizen. Im Handel waren bisher die großen Vermögen verdient worden, diese Tätigkeit w a r weder neu noch schien sie auf Grund alter Traditionen und Verbindungen allzu risikoreich. Vielleicht ist auf diese Einstellung der Kapitalbesitzer auch zurückzuführen, daß das den Handel so erleichternde neue Verkehrsmittel der Eisenbahn bei allen Kapitalgebern größtes Wohlwollen fand. Hinzu kommt weiter, daß der neue industrielle Unternehmer zwischen dem «königlichen Kaufmann» und dem geachteten alten Zunfthandwerker sich erst seine gesellschaftliche Stellung erringen mußte. Wie weit waren doch die Vorstellungen der kleinbürgerlichen Welt eines G O T T L O B N A T H U S I U S ( 1 7 6 0 - 1 8 3 J ) oder P E T E R E B E R H A R D M Ü L L E N S I E F E N ( 1 7 6 6 - 1 8 4 4 ) vom beginnenden Industriezeitalter, wie es England bereits kannte, entfernt' 1 . Der gesellschaftliche Standort hat ebenso w i e die politische Umwelt, die Rechtsordnung und ähnliche Daten einen so erheblichen Einfluß, daß eine Vernachlässigung dieser Faktoren zugunsten rein ökonomischer Tatbestände niemals zu einer befriedigenden Erklärung des hier zu untersuchenden Verhaltens der Kapitalbesitzer führen kann. Standesbewußtsein und Familientradition stehen oft im Hintergrund der wirtschaftlichen Entscheidungen; sie sdiließen ein rationelles Verhalten zwar nicht aus, engen aber den Raum, in dem solches wirksam wird, ein. Motive aus politischen, familiären und anderen soziologischen Bereichen bestimmen weit stärker als heute die Entscheidungen der Kapitalbesitzer. Auch ist zu bedenken, daß bis weit in das 19. Jahrhundert hinein nodi merkantilistische Vorstellungen dem Staat die Sorge f ü r die industrielle Entwicklung überlassen wollten, gerade auch weil der Staat in fast allen deutschen Ländern immer wieder in die Gründung und Leitung industrieller Unternehmen eingriff® 1 . Bisher w a r j a er Nach N I T Z S C H E dauerte diese Zurückhaltung noch länger: «Vor den 60er Jahren hatte der Großkapitalismus in Deutschland seinen Sitz wesentlich im Großhandel, Verkehrswesen und Bankwesen gehabt; seit dem und besonders seit 1870 hatte er in schnellem Siegeslauf auch die eigentliche Produktionssphäre erobert.» N I T Z S C H E , M A X , Die handelspolitische Reaktion in Deutschland, Stuttgart - Berlin 1905, S. 46. ,0 Vgl. dazu die Zahlen- und Literaturangaben bei B O R C H A R D T , K N U T , a. a. O . , S . 410. " V O N N A T H U S I U S , E L S B E T H , J O H A N N G O T T L O B N A T H U S I U S , Ein Pionier deutscher Industrie, 2. Aufl., Stuttgart - Berlin 1 9 1 5 ; M Ü L L E N S I E F E N , P E T E R E B E R H A R D , Ein deutsches Bürgerleben vor 100 Jahren, Berlin 1931. 58 K L U I T M A N N schildert anschaulich, wie die Unternehmer «bisher gegängelt von der Obrigkeit», nach der Jahrhundertmitte vom «Geist des Fortschritts» ergriffen wurden; K L U I T M A N N , L E O , Der gewerbliche Geld- und Kapital verkehr im Ruhrgebiet im 19. Jahrhundert, Bonn 1 9 1 1 , S. 39. Für die anhaltende Staatstätigkeit im wirtschaftlichen Bereich vgl.
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allein in seinen Manufakturen und unmittelbar landesherrlichen Betrieben in großem Rahmen industriell tätig gewesen. Größere Anlagen des Hüttenwesens, die sich schon seit dem Mittelalter entwickelt hatten, waren Staatsbetriebe oder doch weitgehend von staatlicher Förderung und von Privilegien abhängig. Daß an die Stelle des Staates freie Unternehmer treten sollten, daß die Zeit direkter Staatsinterventionen ihrem Ende zuging, daß - wiederum von England ausgehend - eine neue Wirtsdiaftslehre den neuen Produktionsbedingungen, dem Industriezeitalter, zum Durchbrach verhelfen sollte, konnte nicht über Nacht jahrhundertealte Traditionen und Vorurteile beseitigen93. B R O C K H A G E sieht denn audi die Ursache der gegenüber England so viel langsameren industriellen Entwicklung Deutschlands im Mangel an «tüchtigen, kenntnisreidien, schwungkräftigen Unternehmern»84, die das Kapital dem wirtschaftlidien Fortschritt hätten dienstbar machen können. Größere und schnellere Erfolge wären erzielt worden, wenn «der richtige Geist die kapitalkräftigen Elemente beseelt, die Nation der erforderliche geistige Schwung erfaßt hätte. Hier ist der springende Punkt. Die Neigungen und Anschauungen der Zeit standen dem wirtschaftlichen, materiellen Aufsdiwung entgegen, für den sonst Preußen-Deutsdiland mit seinen billigen Lebensbedingungen, seinem Reichtum an manchen natürlichen Hilfsmitteln, in mehr als einer Beziehung ebenso günstige, wenn nicht günstigere Voraussetzungen bot als England.»®5 Wenn schon nicht die Kapitalbesitzer jene Unternehmereigensdiaft hatten, wäre es dann nicht wenigstens möglich gewesen, daß sie andere aufstrebende Unternehmer die ja, wie zahlreiche Firmengesdiichten beweisen, vorhanden waren - finanziell förderten? Dem standen dann wieder jene Gründe entgegen, wie sie schon oben beschrieben wurden: das unbekannte Risiko des Industriebetriebs, jener «new english type of industry»38, dem zunächst mit großem Mißtrauen begegnet wurde. «Wenn dem Kapitalbesitzer das Zeug zu eigener Unternehmertätigkeit fehlte, so hütete er sidi vielfach, oder meistens auch, jenen (den Unternehmern) sein Kapital leihweise zu überlassen.»37 Für das Verhalten vieler Kapitalbesitzer gilt LANDES' Feststellung: «a good share of the nation's capital (was) in the hands of people hostile to or, at best, suspicious of industrial investments»38. Aber nodi ein weiterer Punkt ist zu berücksiditigen. Selbst wenn genügend Kapital angeboten wurde, war damit noch nicht die Gewißheit verbunden, daß dieses Kapital auch für die Förderung der Industrie in Anspruch genommen wurde. B O R C H A R D T 3 ' weist darauf hin, wie sehr die Einstellung zum «Verschuldensproblem» die Nutzung eines großen Kreditangebotes behinderte, wie es als ungewöhnlich, ja fast unmoralisch audi MOTTEK, HANS, Zum Verlauf und zu einigen Hauptproblemen der industriellen R e v o lution in Deutschland, i n : M O T T E K -
BLUMBERG — WUTZMER -
BECKER, Studien
zur
Ge-
schichte der industriellen Revolution in Deutschland, Berlin (Ost) i960, S. 1 1 ff., hier S . 3 5 ; ebenso BLUMBERG, HORST, E i n Beitrag zur Geschidite der deutschen Leinenindustrie 1 8 3 4 bis 1870, ebendort, S. 106 ff., ferner auch FISCHER, WOLFRAM, Der Staat und die A n f ä n g e der Industrialisierung in Baden 1 8 0 0 - 1 8 5 0 , i . B d . , Berlin 1962. 33 Über die langsam wachsende Erkenntnis der Bedeutung der Wirtschaft vgl. besonders HILDEBRAND, CHRISTIAN, D e r Einbruch des Wirtschaftsgeistes in das deutsche Nationalbewußtsein zwischen 1 8 1 5 und 1 8 7 1 , phil. Diss., Heidelberg 1936. 3 4 BROCKHAGE, BERNHARD, Z u r Entwicklung des preußisch-deutschen Kapitalexports (1. Teil, Der Berliner Markt für ausländische Staatspapiere 1 8 1 6 bis um 1840), Leipzig 1 9 1 0 , S. 188. 35 Derselbe, S. 189. 3 8 CLAPHAM, J . H . , The Economic Development of France and Germany 1 8 1 5 - 1 9 1 4 , 2. Aufl., Cambridge 1 9 2 3 , S. 87. 37
BROCKHAGE, BERNHARD, a. a. O . , S . 190.
38
LANDES, DAVID, a. a. O . , S . 1 1 .
8
* BORCHARD, K N U T , a. a . O . , S . 4 1 1 .
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galt, sich zu versdiulden, und welche gesellschaftliche Ächtung den zahlungsunfähigen Schuldner traf. Jahrzehnte sollten vergehen, bis Kreditgeschäfte das Odium des Unreellen, Verdächtigen verloren. Noch 1856 erschrak man «über die gesellschaftlichen und staatlichen Nachteile, den besorgniserregenden Sittenzerfall, der durch die Kreditgeschäfte der Banken und die Aktienemmissionen großer Gesellschaften gefördert wird» 40 ; nodi länger sollte es dauern, bis auch der verpönte Spekulationshandel als volkswirtschaftlich positive Leistung erschien und versuchen konnte, sich moralisch zu rehabilitieren 41 . Die Furcht vor einer Kreditaufnahme erwuchs nicht zuletzt auch aus den äußerst unsicheren Absatzbedingungen, die erst nach der Vervollkommnung des Eisenbahn- und Verkehrsnetzes und der Grenzöffnung durch den deutschen Zollverein eine Besserung erfuhren. Mit wievielen Rückschlägen die aufstrebende Industrie zu kämpfen hatte, zeigen die von B O R C H A R D T 4 2 zusammengestellen Zahlenangaben, aus denen die großen Produktionsschwankungen, die vor jeder größeren Anlageausstattung zurückschrecken ließen, hervorgehen. Gut und sicher wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allein durch die Kapitalanlage in Staatspapieren verdient4®. Schon in der großen Agrarkrise der 20er Jahre wird geklagt, die «bequeme und sichere Anlage der Kapitalien in Staatspapieren» führe dazu, daß auch aus der Landwirtschaft Kapital herausgezogen und die Krise dadurch noch verschärft werde44. «Vorsichtige Privatkapitalisten wußten nichts besseres zu tun, als ihre Ersparnisse in staatlichen Fonds anzulegen, konnte man doch 6%> Zinsen bei dem damaligen Stand mancher Werte verdienen und hatte noch die Aussicht auf einen erheblichen Kursgewinn.» Mit diesen Worten beurteilt S A R T O R X U S V O N W A L T E R S H A U S E N 4 ® die Jahre von 1820 bis 1830; jedoch stand das Staatsanleihegeschäft überhaupt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weitaus im Vordergrund 4 '. Langfristig disponierende, auf eine sichere Anlage bedachte Kapitalbesitzer fanden hier ebenso ein weites Tätigkeitsfeld wie Spekulanten und «Zufallskapitalisten» aller Bevölkerungskreise, die hofften, schnell und leicht ihr Kapital zu vermehren47. War auch die mangelnde Anlagebereitschaft der Kapitalgeber im Bereich der Industrie zu beklagen, so standen doch reichlich Mittel zum Ankauf von Staatsschuldpapieren des In- und Auslandes bereit48. Eine Betrachtung der zahlreichen am deutschen Markt abgesetzten Neuemissionen verschiedenster Staaten und Fürstenhäuser wird bereits die herrschende Lehre vom Kapitalmangel ins Wanken bringen. Die mit 40
Ohne Verfasser, Die Aktiengesellschaften, volkswirtschaftlich und politisch betrachtet, in: Deutsche Vierteljahrs-Sdirift, 4. Heft, 1856, S. 49 ff. 41 MICHAELIS, OTTO, Die wirtschaftliche Rolle des Spekulationshandels, in: Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft, 2. Jahrg., 1864, S. 1 3 0 ff. Ferner LEISKOW, HANNS, Spekulation und öffentliche Meinung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Jena 1930. 4!
B O R C H A R D T , K N U T , a. a. O . , S . 4 1 0 , F u ß n o t e
32.
45
Derselbe, S. 4 1 2 . 44 LIEBAUG, HANS, Die Ursachen der Agrarkrisis der zwanziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts im Urteil der Zeitgenossen, phil. Diss., Gießen 1924, S. 50. 45 SARTORIUS VON WALTERSHAUSEN, AUGUST, Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1 8 1 5 - 1 9 1 4 , 2. Aufl., Jena 1923, S. J J . 4E
G E H R , M A R T I N , a. a . O . , S . 4 .
47
Zur Charakterisierung dieser Zeit vgl. u. a. die Schriften von SCHERPH, G . A . , Ober den Handel mit Staatspapieren und das Börsenspiel, Augsburg 1 8 3 1 ; THÖL, HEINRICH, Der Verkehr mit Staatspapieren aus dem Gesichtspunkte der kaufmännischen Spekulation, Göttingen 1 8 3 5 ; PONS, E . P . , Ist es vorteilhaft, sein Geld in Aktien anzulegen? Berlin 1 8 3 6 und WAHRMUND, SINCERUS, Die Schwindelei, Knifftologie und Spekulationswut unserer Zeit, Quedlinburg 1838. 48 «Für sie alle (die Kapitalbesitzer) war aber die Vermögensanlage in Wertpapieren bzw. der Handel, die Spekulation in denselben das Gegebene. Hierin fand man gute, ja reichliche Verzinsung. Kursgewinne winkten. Man sah, wie andere durch Wertpapiergeschäfte sich be-
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der 1 8 1 5 beginnenden langjährigen Friedensära einsetzende Ordnung des Staatsschuldenwesens sowie die auf dem Wertpapiermarkt am frühesten einsetzende MarktÜbersicht - wieviel schwieriger war es doch für den Gläubiger, bei den gegebenen Nadirichten- und Verkehrsmöglidikeiten die einzelnen industriellen Unternehmungen zu überblicken, als den einen Schuldner Staat, mit dem man schlechte Erfahrungen erst 100 Jahre später machen sollte - ließen die Anlage von Finanzmitteln durchaus sicher erscheinen. Den Kapitalgebern kann man schlecht wegen der Vernachlässigung der Industrie fehlendes ökonomisches, unternehmerisches Verhalten nachsagen: «Von Württemberg wird 1 8 3 5 die berichtet, daß wegen der Schuldentilgung bzw. Zinsherabsetzung auf 3*/* Prozent und mangels Gelegenheit, werden.» 48 Inwieweit dieses durchaus ökonomische Verhalten der Kapitalgeber nun Ursache oder Folge einer zu langsam, zu vorsichtig einsetzenden industriellen Entwicklung gewesen ist, soll hier nicht ausdiskutiert werden®0. Jedoch scheint die zurückgebliebene industrielle Entwicklung nicht auf einem generellen Kapitalmangel zu beruhen, sondern allein auf der mangelnden Anlagebereitschaft. «Auf dem preußischen Kapitalmarkt gab es einen Überschuß an Kapital, welcher die Anlage von Staatsanleihen suchte, während es an Kapital für die Industrie fehlte.» 51 In den Versuchen des Direktors der königlich-preußischen Bank- und Seehandlung und nachmaligen preußischen Finanzministers CHRISTIAN VON ROTHER, den Kapitalbedarf des Staates durch Heranziehung ausländischen Kapitals zu befriedigen, um das inländische Kapital nicht der Anlage im Handel und Gewerbe zu entziehen, zeigt der Staat sein Bemühen, die industrielle Entwicklung zu fördern. Leider wurde erst zu spät erkannt, daß die Wünsche der Kapitalgeber nicht in dieser Richtung verliefen; sie bevorzugten die Staatsanleihe, und soweit ihnen im Inland zu dieser Anlageart keine Möglichkeit geboten wurde, waren sie eher bereit, Kapital in ausländischen Staatspapieren anzulegen als bei inländischen industriellen Unternehmen." Für die Anlage in Staatspapieren standen genügend Kapitalien zur Verfügung. Ebenso traf dies für den Eisenbahnbau zu, dessen von Jahr zu Jahr steigende Kapitalanforderungen mühelos befriedigt werden konnten. So wurden Ende der dreißiger Jahre in Frankfurt auf eine 3°/oige zu 98 %> aufgelegte Anleihe der Main-NeckarBahn von einer Million Gulden innerhalb von zwei Stunden mehr als 16 Mio. Gulden gezeichnet". Statt der erforderlichen 2,4 Mio. Taler brachte die Zeichnung für die Eisenbahnstrecke von Köln nach Krefeld am 3. April 1844 $3 Mio. Taler, das Zeichreicherten und konnte dem Reize der Nachahmung und dem erwachenden Spieltrieb nicht widerstehen. Von Jahr zu Jahr fast sah man die Kurse steigen. Und man konnte fast sagen, je schlechter die Konjunkturen für manche Zweige des Gewerbs- und Handelslebens bei dem sinkenden Preisniveau sich gestalteten, desto glänzendere Konjunkturen bot mit wenigen Unterbrechungen der Wertpapiermarkt. Daher der immer wiederkehrende Gedanke: bei den sdilediten Zeiten kann der Kaufmann, der Industrielle, nidit seine Rechnung finden; es bleibt ihm nur übrig, sein Kapital den Staatspapieren zuzuwenden.» BROCKHAGE, BERNHARD, a. a. O, S. 189. * ' BROCKHAGE, BERNHARD, a . a . O . , S . 2 0 1 . 50
Vgl. dazu die Literaturangaben bei BORCHARDT, KNUT, a.A.O., S . 4 1 3 ; in den dort zitierten Beispielen werden beide Anschauungen deutlich. 51
RITTER, ULRICH PETER, a. a. O., S. 1 2 3 .
" So spricht KAHN «von den kolossalen, dem Ausland geliehenen Summen», KAHN, JULIUS, Geschichte des Zinsfußes in Deutschland seit 181$ und die Ursachen seiner Veränderung, Stuttgart 1884, S. 97 und S. 1 0 2 ; ebenso MOTTEK, HANS, a. a . O., S. 27. M
BROCKHAGE, BERNHARD, a . a . O . , S . 2 0 1 .
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nungsergebnis der Thüringischen Bahn, die 16 Mio. Taler forderte, erreidite sogar die Summe von 1 6 7 Mio. Taler 54 . V o n der Gründungsversammlung der Gesellschaft für Anlage von Eisenbahnen im Großherzogtum Hessen am 3 1 . 1. 1 8 3 6 bis zum 8. 2. 1 8 3 6 hatten 6 1 0 «Inländer» ein Kapital von rund 1 Mio. fl gezeichnet55. Man sieht, welche Summen lokalpolitisdie Begeisterung und spekulative Gewinnerwartungen mobilisieren konnten! Audi das Kapital für die deutschen Eisenbahnen, das HAUCHECORNE bis 1 8 5 0 auf 294,3 Mio. Taler beziffert 58 , wurde reibungslos aufgebracht 57 . KAHN weist darauf hin, daß die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes - soweit von einem Markt im heutigen Sinne überhaupt schon gesprochen werden kann durch die Privateisenbahngesellschaften das Sinken des Zinsfußes nicht zu hindern vermochte, mithin mehr Kapital verfügbar war, als investiert werden konnte. «Die Fülle des unter dem Schutz des Friedens angesammelten Kapitals drückte bei allen Arten der Kapital Verleihung . . . den Zinsfuß herab.» 58 Außer bei industriellen Investitionen scheinen Klagen über Kapitalmangel nicht vorzukommen. Erst nach 1 8 5 0 weisen immer mehr Stimmen auf die «wachsende Kreditlosigkeit» auch in der Landwirtschaft hin, die auf die wachsende Kapitalanlage in Staatspapieren zurückgeführt wird 5 '. Die bereits von BORCHARDT60 angeführten Autoren, die der herrschenden Lehre vom Kapitalmangel widersprechen, stützen ihre Untersuchungen denn auch weitgehend auf den Bereich der Banken, des Geldund Effektenmarktes. Soweit jedoch Unternehmerbiographien und firmengeschichtliche Abhandlungen betrachtet werden, wird man immer wieder Finanzierungs54
LEISKOW, H A N N S , a. a. O . , S . 1 2 .
A R T H U R , Die Industrialisierung Darmstadts im 19. Jahrhundert, phil. Diss., Heidelberg (Darmstadt 1928), S. 68. 56 H A U C H E C O R N E , Die deutschen Eisenbahnen im Jahre 1850, in: Jahrbuch für Volkswirtschaft und Statistik, hrsg. von Otto Hübner, 1. Jahrg., Leipzig 1852, S. 226. Von den 294,3 Mio. Talern entfallen 151,5 Mio. auf preußische, 142,8 Mio. auf sonstige deutsche Eisenbahnen (außer Österreich). D I E T E R I C I gibt - gestützt auf eine Ubersicht in der Allgemeinen Preußischen Zeitung vom 3 0 . 8 . 1 8 4 6 - an, daß in Preußen bis zum 1 . 9 . 1 8 4 6 202 Meilen Eisenbahn mit einem Baukapital von 56,3 Mio. Taler in Betrieb waren. Davon sind 75 Meilen mit 18,3 Mio. Taler allein vom 1 . 1 . 1 8 4 6 bis zum 1. 9.1846 fertiggestellt worden, so daß bis 1850 sehr gut die genannte Summe von 150 Mio. Talern erreicht werden konnte; D I E T E RICI, C . F. W., Der Volkswohlstand im preußischen Staate, Berlin - Posen - Bromberg 1846, S. 260. BÖSSELMANN weist bis 1850 im preußischen Eisenbahnbau ein Anlagekapital von rund 154 Mio. Talern nach; BÖSSELMANN, K U R T , Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert, Berlin 1939, S. 1 8 1 . 57 B R O C K H A G E , B E R N H A R D , a. a. O., S. 206. Allerdings wird auch geklagt, daß gerade dadurch das Kapital anderen Anlagemöglichkeiten entzogen würde, vgl. BÜLOW-CUMMEROW, H U G O Freiherr von, Ober die gegenwärtige allgemeine Creditlosigkeit und über die Mittel, sie gründlich zu beseitigen, Berlin 1848. 58 K A H N , J U L I U S , a . a . O . , S. 7 1 . s ' Vgl. K I S T L E R , F R A N Z , Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Baden 1849 bis 1870, Freiburg 1954, S. 16 ff. Ein dort angeführtes Zitat aus der Karlsruher Zeitung vom Frühjahr 1853 urteilt über den Kapitalmangel: «Merkwürdig ist dabei die gleichzeitige Erscheinung des niederen Zinsfußes, der auf einen Mangel an Gelegenheit die Kapitalien fruchtbringend anzubringen und zugleich auf Überfluß an disponiblen Kapitalien hinweist, während Tausende von Grundbesitzern vergantet werden, weil sie um keinen Preis die nötigen Kapitalien erhalten. Geld ist also nicht , aber es wendet sich ab vom Grundbesitz...». D E H L I N G E R berichtet über diese Zeit: «Da das Vertrauen auf den sicheren Bestand der Landwirtschaft erschüttert war, wandte sich der Kapitalist . . . nunmehr zu Staatsanleihen und neu entstandenen industriellen Unternehmungen»; D E H L I N G E R , G U S T A V , Oberblick über die Entwicklung der Landwirtschaft in Württemberg seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Württ. Jahrbücher für Statistik und Landeskunde, Stuttgart 1857, Teil I, S. 70. 55
UECKER,
N
BORCHARDT, K N U T , a. a . O . , S . 4 0 1 .
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Schwierigkeiten aus Kapitalmangel erwähnt finden. Dies führt z u der nach Ansicht v o n BORCHARDT" unrichtigen Aussage HAUSHERRS62 : «Die meisten
(Unternehmer)
waren bei ihrem Aufstieg auf ausländisches Kapital angewiesen» und zur Feststellung TREUES": «Ausländische Kapitalgeber trugen zur Entwicklung der deutschen Industrie wahrscheinlich mehr bei als ausländische Industrieunternehmer.» Sicher ist im Rahmen der technischen Entwicklungshilfe, die besonders im Ruhrgebiet lange Zeit durch England gegeben wurde' 4 , neben englischen Facharbeitern, Patenten und Maschinen auch englisches Kapital hereingekommen. In ähnlicher Weise wurde von Frankreich «Entwicklungshilfe» geleistet65. Über die großen Handelsstädte fand ebenfalls ausländisches Kapital Eingang und Anlage in einzelnen Industrieunternehmen". Darüber hinaus w a r in den Grenzgebieten Kapital- und Wirtschaftshilfe der Nachbarstaaten spürbar, so im südwürttembergischen und badischen Raum aus der Schweiz", im Aachener Raum aus Belgien. Eine große Bedeutung gewannen ausländische Geldmittel für das niederrheinische Industriegebiet". Bei der Erweiterung bergbaulicher A n lagen zeigte sich jedoch auch hier, daß «der an Wechselfällen reiche Bergbau in den sicheren Formen der Kapitalanlage in Haus- und Grundbesitz, in den leicht realisierbaren Staatspapieren», ja selbst «in den neuentstehenden Manufakturen und Fabriken erfolgreiche Wettbewerber fand»"'. Nach Abschluß des Pariser Friedens v o n 1856, der den Krim-Krieg beendete, traten westeuropäische Kapitalisten aus Belgien, H o l land, Frankreich, England und Irland im Ruhrrevier auf, das sie für besonders geeignet hielten, ihr Kapital durch reichlichen Zinsertrag zu vermehren. VON KLEIST nennt eine Fülle von Beispielen ausländischer Kapitalbeteiligung in diesem Raum, wobei der Anstoß zur Unternehmensgründung jedoch weniger von der Kapitalseite als vielmehr von den aus dem Ausland kommenden Fachleuten, technischen Kenntnissen u n d V e r f a h r e n ausgegangen sein dürfte 7 0 . JOHN COCKERILL(I7{>O-I84O) u n d
Derselbe, a. a. O . , S. 4 1 2 ; v g l . a u d i die d o r t angegebene Literatur. HAUSHERR, HANS, Wirtschaftsgeschichte der N e u z e i t , 3. A u f l . , K ö l n - G r a z i960, S. 397. ®S TREUE, WILHELM, Wirtschaftsgeschichte der N e u z e i t , S t u t t g a r t 1962, S. 543. ®4 V g l . d a z u HENDERSON, W . O . , E n g l a n d und die Industrialisierung Deutschlands, i n : Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissensdiaft, 108. B d . , 1952, S. 264 ff. und derselbe, Britain a n d Industrial E u r o p e 1 7 5 0 - 1 8 7 0 . Studies in British Influence o n the Industrial R e v o l u t i o n in W e s t e r n E u r o p e , L i v e r p o o l 1954. Besonders sei hingewiesen auf die vielen englischen Facharbeiter, die nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch im frühindustrialisierten sächsischen R a u m beschäftigt w a r e n . In CONRAD MATSCHOS' B i o g r a p h i e «Männer der Technik» finden sich Beispiele genug, w i e angehende deutsche Unternehmer sich in E n g l a n d A r b e i t e r , Ingenieure u n d Maschinen beschafften; MATSCHOS, CONRAD, M ä n n e r der Technik, B e r l i n 1925, S. 103, S. 108 etc. 61
• 5 V g l . CAMERON, RONDO E., Some French Contributions t o the Industrial D e v e l o p m e n t of G e r m a n y 1840-1870, i n : T h e Journal of E c o n o m i c H i s t o r y , v o l . X V I . , 1956, S. 281 ff. • 8 V g l . d a z u besonders LEGGE, JOSEF, K a p i t a l - u n d V e r w a l t u n g s ü b e r f r e m d u n g bei d e r Industrie u n d den Verkehrsanstalten Deutschlands v o n 1800 bis 1923/24 ( A b h a n d l u n g e n aus dem staatswiss. Seminar der U n i v e r s i t ä t Halle/Wittenberg, B d . 1 - 3 ) , H a l b e r s t a d t 1924. ®7 MEHMKE, R . L., E n t w i c k l u n g der Industrie u n d Unternehmertum in Württemberg, i n : Deutsche Zeitschrift f ü r Wirtschaftskunde, 4. Jahrg., 1939, S. 67. •8 KLUITMANN, LEO, a . a . O . ,
S . 62;
L E G G E , JOSEF, a . a . O . ,
S. 1, u n d DÄBRITZ,
WILHELM,
F i n a n z p r o b l e m e aus der Entstehungszeit des rheinisch-westfälischen Industriereviers, i n : Glüdkauf, 58. Jahrg., 1922, S. 1 3 7 8 ; SALEWSKI, WILHELM, D a s ausländische K a p i t a l in der deutschen Wirtschaft, Essen 1930. •• DÄBRITZ, WILHELM, a . a . O . ,
S. 1355.
VON KLEIST, HANS JÜRGEN, D i e ausländische K a p i t a l b e t e i l i g u n g in Deutschland, staatswiss. Diss., G r e i f s w a l d 1921, S. j 3 f f ; ferner: BLOEMERS, KURT, W i l l i a m T h o m a s M u l v a n y (1806-188 j ) . E i n Beitrag z u r Geschichte der rheinisch-westfälisdien Großindustrie u n d der deutsch-englischen Beziehungen i m 19. Jahrhundert, Essen 1922, S. 57. 70
10
W I L L I A M S THOMAS M U L V A N Y ( 1 8 0 6 - 1 8 8 5 )
d a f ü r typische B e i s p i e l e 7 1 ) . Dieses ge-
legentlidxe Auftreten ausländischen Kapitals darf aber nicht dazu führen, ihm nun die tragende Rolle beim Aufbau einer deutschen Industrie zuzuschreiben. «It seems probable that Germany imported capital only to a very small extent» folgert HOFFMANN aus seinen Untersuchungen der deutschen Zollvereinsstatistik™. Die von Traditionen -weniger belastete freiheitliche Wirtschaftsführung der westlichen Nachbarländer Deutschlands verstand die Frage der Umwandlung von Geldkapital in industrielles Anlagekapital schneller und leichter zu lösen, als dies in Deutschland der Fall sein konnte. MOTTEK sieht ganz richtig in dieser nur zögernden Kapitalanlage in industriellen Unternehmungen die Hauptursache der langsamen industriellen Entwicklung Deutschlands73. Im ganzen gesehen waren die ausländischen Kapitalisten risikofreudiger und neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossener als die deutschen Kapitalgeber. Sie konnten sich - und das gilt in besonderem Maße für England — auf einen durch langjährige Gewinne aus dem Export von Industriewaren erworbenen finanziellen Rückhalt stützen, der größere Wagnisse zuließ; sie hatten die besseren Kenntnisse der technischen Risiken im Umgang mit Maschinen, im Bergbau; sie konnten Entwicklungschancen auf Grund eigener Erfahrungen besser abschätzen, so daß auch objektiv eine Kapitalanlage im industriell noch unerschlossenen Raum für sie ein geringeres Wagnis sein konnte als für die unerfahrenen inländischen Unternehmer und Kapitalbesitzer. So wie bei vielen Neugründungen von Industriebetrieben um die Jahrhundertmitte zeigte sich nochmals bei der Neugründung von kommunalen Verkehrs- und Versorgungsbetrieben nach 1870 zunächst ein Vordringen ausländischen Kapitals, das dann erst nach und nach durch inländisches ersetzt wurde. Gewisse Pionierdienste können den ausländischen Kapitalisten nicht abgesprochen werden, doch waren es auch hier der persönliche Wagemut, der Erfindergeist und die Stärke des freien Unternehmertums, die den Lauf der Dinge bestimmten, nicht das Kapital allein. Welche Gründe auch immer für die ausländische Kapitalanlage in der deutschen Industrie angeführt werden können, die Begründung, Deutschland habe einfach nicht über entsprechendes Kapital verfügt, ist nicht haltbar. So spricht RIESSER74 von der starken Kapitalansammlung in Deutschland in den Jahren bis 1850, die nach produktiver Anlage drängte; nicht einmal die bedeutenden Kapitalansprüche des Eisenbahnbaues konnten die aufgespeicherte Kapitalkraft des Landes erschöpfen75. In einer Untersuchung des Kölner Raumes weist DUNKER'6 darauf hin, «daß die Kölner Geschäftswelt über ansehnliche Mittel verfügte» und «die Kapitalbildung mit dem steigenden Bedarf ungefähr Schritt hielt» 77 . Der beste Gegenbeweis gegen die These vom 71 V g l . auch REDLICH, FRITZ, Entrepreneurship in the Initial Stages of Industrialization, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 7 5 , 1 9 5 5 I I , S. 59 ff., hier S. 8 ; . Ferner: MARÉCHAL, JEAN R., L a contribution des Beiges et des Francais à l'essor de la Grande Industrie Allemande, in: R e v u e universelles des Mines, 80»»« année, Lüttich 1 9 3 7 , S. 5 1 7 ff.
HOFFMANN, WALTER, The Take-off in Germany, in: Rostow, W a l t W . (ed.), T h e économies of Take-off into sustained growth, London 1 9 6 3 , S. 1 1 2 , im folgenden zitiert: HOFFMANN, WALTER, The T a k e - o f f . . . 73 MOTTEK, HANS, a. a. O., S. 2 7 . 74 RIESSER, a. a. O., S. 29. 75 KLUITMANN, LEO, a . a . O . , S . J I ; ebenso BROCKHAGE, BERNHARD, a . a . O . , S . 2 0 8 und S. 182. 73 DÜNKER, CLEMENS, Der Kapitalbedarf und seine Befriedigung bei den Kölner Unternehmungen im 1 9 . Jahrhundert, wirtschafte- und sozialwiss. Diss., K ö l n 1 9 J O , S. 1 7 ; vgl. auch KRÜGER, ALFRED, a. a. O., S . 24. 77 DUNKER, CLEMENS, a. a. O., S. 2 1 .
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angeblichen Kapitalmangel ist wohl darin zu erblicken, daß selbst dann, als gegen die Jahrhundertmitte große Kapitalanlagen einsetzten, die seit den 20er Jahren sinkende Tendenz des Zinsfußes nodi weiter anhielt'8. Die einfädle Feststellung, das Kapital sei in Deutschland knapp gewesen7', wird nadi alledem der Wirklichkeit nicht gerecht. Demgegenüber kann die Form, in der deutsches Kapital zur Verfügung stand, durchaus anders als in England gewesen sein: «Im Gegensatz zu England war das Kapital hierzulande sehr verstreut und trat nicht in massiven Beträgen auf. Der deutsche Kapitalmarkt war lediglich in der Lage, Kapitalien in kleinen Quoten aufzubringen und zur Verfügung zu stellen. Der Kapitalansammlungsprozeß gestaltete sich also hier bedeutend schwieriger und umständlicher als jenseits des Kanals.»80 Eine ungenügende Kapitalorganisation macht auch L E G G E 8 1 dafür verantwortlich, daß billiges Geld nidit in ausreichender Menge zu bekommen war. Sicher hätte sich ein anderes Bild ergeben, wenn der Gründung von Aktiengesellschaften nicht so viel obrigkeitliche Schwierigkeiten entgegengestanden hätten, die auf diese Weise das Zusammenkommen größerer Kapitalien verhinderten81. Trotzdem ist der Kapitalansammlungsprozeß wohl gelungen, wenn SOMBART berichtet, daß die Preußische Bank am 1. Oktober 18 J I ihre Depositen mit der Begründung kündigte, «sie wisse nicht, was sie mit dem Gelde anfangen solle»83. Schwierigkeiten durch eine zu weitgehende Stückelung investierbarer Kapitalien bei unzureichenden Bankverbindungen haben in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sidier bestanden, doch können die fehlenden Funktionen der Banken als Kapitalsammelbecken und Kreditanbieter nicht allein für die langsame industrielle Entwicklung verantwortlich gemacht werden. Sie könnten es dann, wenn die wenigen vorhandenen größeren Kapitalakkumulationen84 bereits in der Industrie voll eingesetzt worden wären. Die Besitzer dieser Kapitalien aber waren nicht bereit, das ihnen fremde, risikoreiche Industriegesdiäft zu finanzieren; sie waren «verlegen um nutzbringende Anlagemöglidikeiten und infolgedessen gezwungen, ihre Mittel nutzlos liegen zu lassen»85. Erst nadi Beginn der zweiten Jahrhunderthälfte sollten sidi die Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt grundlegend ändern. S O M B A R T beschreibt diesen Umbruch der bisherigen Entwicklung mit den Worten, daß «die Lust zu erwerben die weitesten Volks78 Vgl. MOTTEK, HANS, a . A . O . , S . 2 7 , BROCKHAGE, BERNHARD, a . A . O . , S . 2 1 2 ; ferner GRASSMANN, JOSEF, a. a. O., S . 2 2 und VOYE, E . , Über die H ö h e der verschiedenen Zinsarten und ihre wechselseitige Abhängigkeit, Jena 1 9 0 2 . 79 So CLAPHAM, J . H . , a . a . O . , S. 88 und andere bei BORCHARDT, KNUT, a . a . O . , S. 4 0 1 , genannte Autoren. 80 Z u dieser Feststellung kommt DUNKER für den Kölner Raum, DUNKER, CLEMENS, a. a. O., S. 1 9 . BENAERTS bezeichnet Deutschland als «un pays de petites fortunes», BENAERTS, PIERRE, Les origines de la grande Industrie allemande, Paris 1 9 3 3 , S . 2 5 8 . 81 LEGGE, JOSEF, a. a. O . , S . 1 2 . 82 Die Gründung von Aktienbanken nadi dem Vorbild des Credit Mobiliers setzte in Deutschland erst nach 1 8 4 8 ein, England dagegen zählte 1 8 3 8 schon 1 8 0 , Frankreich 2 0 Aktienbanken. 85 SOMBART, WERNER, Die deutsche Volkswirtschaft im 1 9 . Jahrhundert und im A n f a n g des 20. Jahrhunderts, 8. A u f l . , Stuttgart 1 9 5 4 , S. 80. 84 Siehe hierzu die bei BORCHARDT genannten Zahlen über die Gewinne Augsburger Bankund Handelshäuser, BORCHARDT, KNUT, a. a. O . , S. 4 1 7 . 85 KLUITMANN, LEO, a . a . O . , S. 3 6 ; ebenso BECK an anderer Stelle: « D e r Deutsche hielt jede industrielle Kapitalanlage für ein Lotteriespiel, für halb verloren von Anbeginn an; dagegen legte er sein Geld mit Behagen in den unsolidesten ausländischen Staats- und sonstigen Papieren an, die hohe Zinsen versprachen und im Frankfurter Kursblatt zu finden waren», BECK, LUDWIG, Die Geschichte des Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher Beziehung, 4. A b t . : Das X I X . Jahrhundert von 1 8 0 1 bis 1 8 6 0 , Braunschweig 1 8 9 9 , S . 6 9 2 .
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kreise erfaßte» und «die Spekulation mit einer früher nie gekannten Mächtigkeit die deutsche Geschäftswelt ergriff» 86 . Über die Gründe dieser regen Tätigkeit gehen die Vermutungen auseinander: «Ob nun die vom Staat zurückgewiesene Tatkraft (1848/49, der Verf.) sich andere Wege suchte, ob man äußere Gründe, wie vielleicht die Goldfunde in Übersee, die nadi weiteren Gewinnen rufenden Ergebnisse des bisherigen Gewerbefleißes oder anderes als Ursache angeben mag, . . . mit einem Radikalismus, der wieder einmal so echt deutsch war, stürzte sidi jetzt jeder unternehmende Mann auf neue Wirtsdiaftsgedanken.» 87 Mitten in diesem Umbruch wird dann weiter festgestellt: «Mitte des Jahrhunderts tritt dann zu den verschiedenen Malen eine rasche Vermehrung der Geldvermögen ein» 88 . Auf einmal steht mehr Kapital zur Verfügung als der Eisenbahnbau aufnehmen konnte; gleidizeitig scheint der Bann gebrochen, der bisher die industriellen Unternehmer von einem größeren Kapitalzufluß abschirmte. Kapitalintensive tedinisdie Anlagen wadisen aus dem Boden: 1848 entsteht im Ruhrrevier der erste Kokshochofen, 1854 werden in einem J a h r bereits 23 erbaut; ab 1 8 5 1 wächst die Roheisenerzeugung jährlich um mehr als 50 %> an8*. Von 259 Bergwerk-, Hütten-, Dampfschiffahrt- und Maschinenbaugesellschaften, von Zuckersiedereien und Spinnereien mit einem Kapital von zusammen über 260 Mio. Taler wurden über die Hälfte in den Jahren 1853 bis 1 8 5 7 gegründet 90 . In den gleichen fünf Jahren entstanden Banken mit insgesamt 200 Mio. Talern Aktienkapital, das auf Eisenbahngesellsdiaften eingezahlte Kapital belief sich auf über 140 Mio. Taler; allein in Preußen wurden 1856 neue Aktiengesellschaften mit einem Gesamtgrundkapital von mehr als i j o Mio. Taler konzessioniert. Die von Eisenbahnen und industriellen Gesellschaften aufgenommenen Prioritätsanleihen überstiegen innerhalb von 10 Jahren die Summe von 206 Mio. Taler® 1 . Nicht zuletzt ist dies auf die nachlassende Bevormundung der Wirtschaftstätigkeit durch die Behörden, den schwindenden Staatseinfluß zurückzuführen, wodurch dem Unternehmer erst eine uneingeschränkte gewinnbringende Tätigkeit ermöglicht wurde. Im Ruhrbergbau z . B . konnten bis 1 8 5 1 die Behörden ausschließlich über Einstellung und Entlassung von Arbeitern, die Lohnfestsetzung, über die Gewinn- und Verlustrechnung, über die Erweiterung des Grubengeländes usw. entscheiden. Erst mit dem Gesetz über die Verhältnisse der Miteigentümer eines Bergwerks vom 12. J. I 8 $ I 9 2 trat das staatliche Direktionsprinzip zugunsten einer eigenverantwortlichen Unternehmertätigkeit der Eigentümer zurück98. Auch die Neufassung des preußischen Aktienrechts durch das Gesetz vom 9. 1 1 . 1843 hat die Zahl der Unternehmensgründungen in den folgenden Jahren sprunghaft ansteigen lassen, wobei durch das zeitraubende Konzessionsverfahren der tatsädilidie 86
87
SOMBART, W E R N E R , a. a. O . , S . 8 1 .
BEUTIN, LUDWIG, Das Bürgertum als Gesellschaftsstand im 19. Jahrhundert, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, 90. Jahrg., 1953, S. 144. 88 BROCKHAGE, BERNHARD, a. a. O., S. 206. Die wörtlich gleiche Feststellung findet sich bei SOMBART, WERNER, a. a. O., S. 242; beide gehen jedoch nicht auf die Gründe dieser Aussage ein. 88 LANDES, DAVID S., a. a. O., S. 3 ff. Zum Vergleich: In England standen 1806 bereits 162 Kokshodiöfen in Betrieb! Nach SIMMERSBACH wurde der erste Kokshochofen im Ruhrgebiet erst 1850 bei der Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mühlheim in Betrieb genommen. SIMMERSBACH F., Die Koksfabrikation im Oberbergamtsbezirke Dortmund mit Berücksichtigung des fremden Wettbewerbs, in: Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preußischen Staate, 3 j. Bd., 1887, S. 283. 90 WIRTH, MAX, Gesdiidite der Handelskrisen, 2. Aufl., Frankfurt 1874, S. 292. 91 Ebenda. 9! Gesetz-Sammlung für die königlichen preußischen Staaten, i 8 $ i , Nr. I J , S. 265 ff. 9S Vgl. auch KRAMPE, HANS DIETER, Der Staatseinfluß auf den Ruhrkohlenbergbau in der Zeit von 1800 bis 1865, wirtschafts- und sozialwiss. Diss., Köln 1 9 6 1 ; WENDEL, HUGO, The evolution of industrial freedom in Prussia (1845-1849), N e w York 1 9 2 1 .
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Kapitalbedarf in größerem Umfang erst um die Jahrhundertmitte und später aufgetreten ist'4. Um die Wende zum 7. Jahrzehnt schließlich sehen wir, «daß die interne Kapitalverwendung die Kapitalneubildung überholt hatte, so daß der ortsüblidie Zinsfuß sicherer Darlehen eine merkliche Steigerung davontrug; denn es traten . . . allenthalben Industrie und Bergbau stark kapitalsudiend auf»95. Ein allgemeiner Kapitalmangel tritt mithin erst in Erscheinung, nachdem der Durchbruch zum Industriestaat vollzogen war und für die Kapitalbesitzer die Investitionen in industriellen Unternehmungen nicht mehr eine außergewöhnliche Anlage waren®6. Die Abneigung der Kapitalgeber gegen eine neue Anlagemöglichkeit, die bald gleich große und schließlich bessere Chancen bot als das Wertpapiergeschäft, der Handel oder der Eisenbahnbau, ging ebenso zurück wie auf der anderen Seite die Einsicht wuchs, daß die Inanspruchnahme fremden Kapitals keineswegs einen tadelnswerten Versdiuldungsprozeß einzuleiten brauchte, sondern vielmehr Bedingung war, einen Industrialisierungsprozeß in Gang zu bringen: Die Klagen über nichtanzulegende Geldvermögen weichen der Sorge, neuentstandenen Kapitalbedarf nicht decken zu können. Unter diesem Blickwinkel muß auch die gerade um die Jahrhundertmitte verstärkt einsetzende Bankengründung zur Sammlung der verstreuten kleineren Kapitalien gesehen werden. Bankinstitute, die bereit und geeignet waren, die junge Industrie zu fördern, waren selten genug'7, und obwohl dieser Mangel erkannt wurde, geschah nur wenig, ihm abzuhelfen. So führt M E V I S S E N auf der ersten Generalversammlung der neugegründeten Bank für Handel und Industrie in Darmstadt am 22. 5.1854 aus: «Die Unzulänglichkeit der in Deutschland bestehenden Bankund Kreditinstitute war seit Jahren eine von fast allen Organen der öffentlichen Meinung anerkannte, in den Verhandlungen der Parlamente und Kammern niedergelegte, von tausendfachen Vorschlägen zur Abhilfe begleitete Tatsache.»88
B. Die Kapitalquellen Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß ein ausgesprochener Mangel an Investitionsmitteln dem industriellen Aufstieg Deutschlands nicht entgegenstand. So liegt es nahe, die Herkunft dieser Mittel zu betrachten, die Quellen zu untersuchen, aus denen sie flössen. Für die Untersuchung der Anfänge der Industrialisierung ist 94 Vgl. BÖSSELMANN, KURT, a . a . O . , S. 114 f. und Gesetz über die Aktiengesellschaften vom 9. 11. 1843, in: Gesetz-Sammlung für die königlichen preußischen Staaten, 1843, Nr. 31, S. 341 ff. 95
KLUITMANN, L E O , a. a . O . , S . J I .
" BENAERTS schildert die wachsende Anlagebereitsdiaft in industriellen Unternehmungen seit 1853 : «Alors commença une nouvelle grande epodie d'élan des capitaux, une véritable pousse vers les entreprises industrielles, un afflux de ces réserves d'épargne investies aussitôt dans les placements nouveaus promettant une rente élevée», BENAERTS, PIERRE, a. a. O., S. 262. 97 So schildert MEVISSEN: «Institute, berufen die Gründung zeitgemäßer großer industrieller Unternehmungen zu fördern und anzuregen, bestanden in größerem Umfang fast nur im preußischen Rheinland. Das Bankgeschäft der deutschen Börsenplätze beschränkte sich größtenteils auf Operationen in Fonds und Aktien und nur an wenigen Plätzen wurde der Industrie ein mäßiger Aczeptkredit bewilligt»; HANSEN, JOSEPH, Gustav von Mevissen, ein rheinisches Lebensbild 1815-1899, Berlin 1906, 2. Bd., S. 52j ; über die «allgemeine Rückständigkeit» des deutschen Bankwesens von 1850 vgl. auch CAMERON, RONDO E., Die Gründung der Darmstädter Bank, in: Tradition, 2. Jahrg., 19J7, S. 104 ff. 98
HANSEN, JOSEPH, a. a . O . , S . j 2 $ .
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die Kapitalfrage «ein besonderes Stiefkind der Forschung**», da unvollständige und •weit verstreute Quellen nur über Einzelfälle Aufschluß geben und selbst diese Quellen oft nodi unerschlossen sind. W I E D E N F E L D hat für die soziale Bewertung des Kapitalismus diese Frage schon einmal gestellt: «Aus welchen Quellen ist diesen Unternehmern das Kapital zugeflossen, dessen sie unter Ergänzung des eigenen Vermögens oder auch ohne solchen Eigenbesitz für das Aufgreifen und die Durchführung ihrer Aufgabe bedurften?» 100 Wie auch andere bereits genannte Autoren kommt er zu der Feststellung, daß in erheblichem Maße ausländische Kapitalien nach Deutschland geflossen seien, da «dank der ungeheuren Kontributionen Napoleons und dank der großen Kosten der Befreiungskriege erst recht allzu wenig an freien Geldmitteln im privaten Publikum wie auch in der Unternehmerschaft und vollends in den Staatsverwaltungen übrig geblieben» sei. Von den großen Beträgen ausländischen Kapitals seien zwar manche im Laufe der Zeit durch deutsche Kapitalisten übernommen worden, eine gründliche Wandlung habe aber erst die französische Kriegsentschädigung 1872 gebracht101. Diese Antwort kann nach allem, was über das in Deutschland selbst vorhandene Kapital festgestellt wurde, nicht mehr befriedigen. Die Verluste durch Kriegslasten waren sicher nicht unerheblich, trafen jedoch die Landwirtschaft durch Bereitstellung von Nahrungs- und Transportmitteln härter als Handel und gewerbliche Produktion, die durch Versorgung der streitenden Mächte auch Vorteile erringen konnten 108 . Gerade Verfassung und Besitzverhältnisse der Landwirtschaft und ihre Entwicklung in den folgenden Jahrzehnten werden für die Untersuchung der Kapitalquellen von Bedeutung sein. Ergiebigkeit und Art der inländischen Kapitalquellen müssen für eine umfassende Beantwortung der gestellten Frage mit untersucht werden. Vielleicht erleichtert die Kenntnis dieser Kapitalquellen und der einzelnen Kapitalbesitzer das Verständnis f ü r die nur zögernd sidi verstärkende Investitionsbereitschaft in industriellen Anlagen.
1 . Das Sparkapital Die von B R O C K H A G E und S O M B A R T 1 0 3 erwähnte rasche Zunahme der Geldvermögen um die Jahrhundertmitte läßt sidi sicher nicht allein damit erklären, die vermehrte Kapitalbildung in dieser Zeit gehe «auf die allgemeine Einkommens- und Wohlstandverbesserung breiter Kreise 104 » zurück. Von einer Einkommensverbesserung größerer Bevölkerungsteile in dem Maße, daß wesentliche Einkommensteile über den Weg des Sparens wieder als investitionsbereites Kapital hätten zur Verfügung gestellt werden können, ist die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts sicher nicht gekennzeichnet. Auch die einsetzende Industrialisierung brachte gegenüber der alten Agrarwirtschaft zunächst keine finanzielle Besserstellung breiter Bevölkerungsschichten. Im Gegenteil erst der aus einer immerhin ein Minimum an Nahrung und Wohnung sichernden Agrarwirtschaft herausgerissene Industriearbeiter bildete das Proletariat, das E N G E L S 99 HASSINGER, HERBERT, Die Anfänge der Industrialisierung in den böhmischen Ländern, in: Bohemia, Jahrbuch des Collegium Carolinum, Bd. 2, (Mündien) 1 9 6 1 , S. 180. 100 WIEDENFELD, KURT, Die Herkunft der Unternehmer und Kapitalisten im Aufbau der kapitalistischen Zeit, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 72, 1954 (I), S. 256. 101
W I E D E N F E L D , K U R T , a. a . O . , S . 2 7 4 .
102
Vgl. TREUE, der darauf hinweist, daß die Industrie durch die Kontinentalsperre, der Handel durch kriegskonjunkturelle Gewinne profitieren konnten, allein die Landwirtschaft durch Verlust der Exportmärkte und unmittelbare Kriegseinwirkung hart betroffen wurde. T R E U E , W I L H E L M , Wirtschaftsgeschichte . . . a . a. O . , S . 5 1 $ . 103
B R O C K H A G E , B E R N H A R D , a. a. O . , S . 2 0 6 ; S O M B A R T , W E R N E R , a . a. O . , S . 2 4 2 .
104
S o B R O C K H A G E , B E R N H A R D , a. a. O . , S . 2 0 6 .
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dem industriell fortsdirittlidien England kennenlernte, jene Zusammenschichtung von Menschen, wie sie in der Agrargesellsdiaft auch unter den ärmlichsten Verhältnissen nicht vorgekommen war 1 0 5 . Die an die ersten Industriearbeiter gezahlten Löhne w a ren so gering, daß sie kaum zur Erhaltung der Familie ausreichten, an Ersparnisse konnte nicht gedacht werden 106 . Wenn auch DIETERICI für Preußen in einem Vergleich der Jahre v o r 1806 mit dem Jahre 1 8 3 1 angibt, daß die Fabrikationssumme und der Verbrauch je Kopf der Bevölkerung nidit unerheblich gestiegen sind 107 , muß doch beachtet werden, daß diese Durchschnittsberechnung nur wenig über die Steigerung des allgemeinen Wohlstandes aussagt. Die gestiegenen durchschnittlichen Einkommens-, Produktions- und Verbrauchszahlen können sehr wohl allein auf die vorauseilende Entwicklung einzelner Gebiete (z. B. des rheinisch-westfälischen Raumes) und besondere Erfolge weniger Unternehmer und Kaufleute zurückzuführen sein. DIETERICI stellt f ü r das J a h r 1846 weiter fest: «Eisenbahnen und Chausseen haben seit 15 J a h ren ein Capital von über 72 Mio. aufgenommen, und da wir nachgewiesen haben, daß die Bevölkerung wegen dieser ganz außerordentlichen Capitals-Anlage (bei welcher alle anderen Fabrik-Etablissements, die seitdem entstanden, nicht berücksichtigt wurden) an Verzehrungs- und Verbrauchs-Objecten keineswegs sich beschränkt hat, vielmehr, außer gewohnter voller Nahrung und Bekleidung, solche Summen als Ersparnis erübrigte, um sie zinstragend durch erhöhten Verkehr in Communicationsmittel anzulegen, so wird auch wohl in diesen Angaben ein Beweis sehr gestiegenen Wohlstandes zu finden sein.» 108 Den Konsum- und Lebensansprüchen waren trotzdem sehr enge Grenzen gesetzt. «Der Hauptcharakterzug des wirtschaftlichen Lebens v o r 60 Jahren», so schreibt BÄHR 1884, «war eine an Dürftigkeit grenzende Einfachheit. Als reich im Sinne der heutigen Zeit konnte man damals in Deutschland wohl nur wenige bezeichnen.» 109 Die Mehrzahl der überwiegend auf dem Lande lebenden Bevölkerung hatte zwar ein genügendes Auskommen, doch wohl kaum Gelegenheit zum Sparen. Hinzu kam die Belastung der Landwirtschaft mit teilweise erheblichen Abgaben aufgrund der Ablösungsgesetzgebung im Rahmen der Bauernbefreiung. Auf die dürftigen Lebensverhältnisse der Arbeiter in den ersten industriellen Unternehmungen wie auch in Hausindustrie und Manufakturen hatten wir schon hingewiesen. Es gibt genügend Beispiele, daß sich weite Bevölkerungsteile aus N o t um ihre E x i stenz einer industriellen Entwicklung entgegenstellten und keinesfalls große Summen als Ersparnis erübrigten. Ein Weberaufstand in Schlesien hätte sicher nicht sozialrevolutionäre Formen angenommen, wenn eine Einkommens- und Wohlstandsvermehrung, ein finanzieller Rückhalt breiter Kreise, zu verzeichnen gewesen wäre 1 1 0 . Dies dürfte sich nur auf bestimmte Einzelpersonen und Bevölkerungsschichten erstrecken, mit denen wir uns im folgenden noch zu beschäftigen haben. 105 So schreibt DIETERICI für das Jahr 1843: «Wie vielfach Klagen über Proletariat und Pauperismus vernommen werden, daß soldie bei den Bauern sich mehr und mehr verbreiten, wird nicht vernommen.» DIETERICI, C. F. W., a. a. O., S. 251. 108 MEVISSEN hat in einer Auseinandersetzung mit KAMPHAUSEN über das Thema «Schutzzoll oder Freihandel» auf das große Elend der deutschen Arbeiter hingewiesen, das dasjenige
d e r e n g l i s c h e n b e i w e i t e m ü b e r s t e i g e . V g l . H A N S E N , JOSEPH, a. a , . 0 . , B d . 2 , S . 1 5 1 . 107
D I E T E R I C I , C . F . W . , a. a . O . , S . 2 5 6.
Derselbe, S. 261. BÄHR, OTTO, Eine deutsche Stadt vor 60 Jahren, Leipzig 1884, S. 15. 110 Dabei ist zu bemerken, daß zunehmende Mechanisierung nur e i n Grund für das Elend der schlesischen Leinenweber war; der Verlust der Außenhandelsmärkte traf die Leinenindustrie und damit die Beschäftigten viel härter. Zu den Ursachen vgl. HERMES, GERTRUD, Statistische Studien zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Struktur des zollvereinten Deutschlands, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 63, 1930, S. 1 3 9 ff. 108 109
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2. Die Banken als Kapitalsammelbecken Wesentliche Teile einer breitgestreuten Einkommensvermehrung hätten auch nur dann dem Kapitalmarkt zufließen können, wenn ein weitverzweigtes Bankensystem als Kapitalsammelbecken zur Verfügung gestanden hätte. Eine solche Bankenorganisation war aber in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht vorhanden. Die bestehenden Banken allein verfügten mit wenigen Ausnahmen, wie z. B. die Frankfurter Häuser ROTHSCHILD und BETHMANN, nicht über die Mittel, die zur Anlage größerer industrieller Unternehmen benötigt wurden. Die Geschäftstätigkeit dieser größeren Banken erschöpfte sich darüber hinaus zum großen Teil in der Vermittlung von Konsumtiv-Krediten an die einzelnen Landesherren, ein seit Jahrhunderten gepflegtes, mit besten Sicherheiten versehenes Geschäft. Für den badischen Staat wurde 1844 geklagt, daß «das ganze angegebene Betriebskapital unserers Banquiers zu Karlsruhe und Mannheim nur zwischen 300000 fl und 400 000 fl beträgt» 1 1 1 . Um die Jahrhundertmitte stieg der Kapitalbedarf in wenigen Jahren so stark an, daß die vorhandenen Kapitalien nicht mehr ausreichten und Bankengriindungen und -ausweitungen als notwendige Hilfsmaßnahme, audi die letzten Kapitalreserven zu erschließen, mit allen Mitteln gefördert wurden. 1852 reiste der tedinisdie Direktor und spätere Präsident der württembergischen Zentralstelle für Gewerbe und Handel, FERDINAND VON STEINBEIS, im Auftrag des Königs von Württemberg nach Belgien, das in seiner industriellen Entwicklung an der Spitze der kontinentaleuropäisdien Länder stand, um zu erkunden, welche Wege der Gewerbeförderung dort beschritten wurden. Dabei galt sein Interesse auch der Frage, auf welche Weise der aufblühenden Industrie das Kapital zugeführt wurde 112 . Seit 1822 bestand in Belgien die «Allgemeine Gesellschaft zur Förderung der nationalen Industrie» (Société générale pour favoriser l'industrie nationale), die sich als nützliches Kreditinstitut für die Industrie erwiesen hatte 118 . Berichte über die Tätigkeit dieser Institution trugen wesentlich dazu bei, daß sich VON STEINBEIS an der Spitze der württembergischen Gewerbeförderungsbehörde für zahlreiche Bankengründungen im süddeutschen Raum verwandte: «Die Entwicklung großer Credit-Anstalten wurde viel zu lange versäumt» 114 . Weiter führte von STEINBEIS dann aus: «Man klagt bei uns immer über Mangel an Capital; nichts ist aber unbegründbarer als diese Klage; bei uns ist mehr Capital als in manchen anderen Ländern, deren Industrie es nicht an Capitalien gebricht; dies beweist unser niedriger Zinsfuß; allein es fehlt an den Anstalten, welche dem Capital den Weg zur I n d u s t r i e eröffnen und für seine sichere Anlage in derselben Sorge tragen — an den Banken» 1 1 5 . Trotz eines positiven Gutachtens der württembergischen Zentralstelle für Gewerbe und Handel, die in einer Bankengründung zu diesem Zweck ein erwünschtes Mittel sah, «um die brachliegenden Capitalien im Lande der Industrie zuzuwenden, wozu es an einer gutgeleiteten Vermittlung zwischen den Capitalbesitzern und der Industrie fehlte», scheiterten Versuche dieser Art in Württemberg am Widerstand der bestehenden Privatbanken und der mit ihnen eng zusammenarbeitenden Staatsfinanzbehörden 11 '. In gleicher Weise erkannten MEVISSEN, KAMPHAUSEN 1 1 1 HECHT, FELIX, Bankwesen und Bankpolitik in den süddeutschen Staaten 1819-187$, Jena 1880, S. IOJ. 112 Derselbe, S. 3 6 ; VON STEINBEIS, FERDINAND, Die Elemente der Gewerbeförderung, nachgewiesen an den Grundlagen der belgischen Industrie, Stuttgart 1 8 5 3 . 113 YG] TERLINDEN, C H . , L a politique économique de Guillaume I e r , Roi des Pays-Bas, en Belgique ( 1 8 1 4 - 1 8 3 0 ) , in: Revue historique, 47e année, tome C X X X I X , Paris 1 9 2 2 , S. 26. 1 1 4 VON STEINBEIS, FERDINAND, a. a. O . , S . 276. 115 Ebenda. 1 1 8 VISCHER, LUDWIG, Die industrielle Entwicklung im Königreich Württemberg, Stuttgart 1 8 7 $ , S. 1 2 7 f.
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und viele andere führende Männer des Wirtschaftslebens die Notwendigkeit, durch einen weiträumig aufgebauten Bankenapparat das Kapitalangebot für die Industrie zu vergrößern. Durch die geplanten Verbesserungen sollte «den fremden Spekulanten und Geldfürsten der Weg gesperrt» werden, «sich auf Kosten der heimischen Industrie zu bereichern 117 », sollte inländisches Kapital stärker als bisher mobilisiert werden.
3. Das Handelskapital Die erstaunlich großen Kapitalmengen, die in allen Teilen Deutschlands für die Neugründung von Banken und Kapitalgesellschaften aller Art bis in die 60er Jahre hinein mobilisiert wurden, sind jedoch nicht allein der Verbesserung des Bankenapparates zu verdanken. Diese war ein Mittel, um vorhandene Kapitalquellen zu erschließen, erklärt jedoch noch nicht, warum diese Quellen jetzt überhaupt reichlicher flössen. Die seit Jahrhunderten bedeutendste Kapitalquelle - und insofern ist sie nidit als charakteristisch für die spezielle Situation des 19. Jahrhunderts anzusehen — war der Handel 1 1 8 . Audi die in England reichlich vorhandenen Kapitalien beruhten zum großen Teil auf dem Groß- und Fernhandel englischer Kaufleute, der durch den wachsenden englischen Kolonialbesitz erleichtert, wenn nicht erst überhaupt ermöglicht wurde. Keine andere Tätigkeit konnte, abgesehen vom zeitlich begrenzten Abbau von Edelmetallen, bis in das 19. Jahrhundert hinein ähnliche Gewinnchancen aufweisen. Bevor das Verkehrswesen durch Eisenbahn und Dampfschiff völlig neu gestaltet wurde, waren die einzelnen Märkte weit schärfer voneinander getrennt als nach dem Einsatz dieser schnellen und billigen Verkehrsmittel. Große regionale Preisdifferenzierungen konnten dem Händler und Kaufmann auch bei geringen Warenmengen noch beträchtliche Gewinne bringen. Die großen Handelszentren Nürnberg, Augsburg, Köln, Frankfurt u. a. waren denn auch die Plätze, an denen erstmals größere Kapitalien anlagesuchend auftraten, die den althergebrachten Erfahrungen ihrer Eigentümer folgend, vorzugsweise wieder im Handel Betätigung suchten. «Ein wohlhabendes und reiches Bürgertum hat es seit Jahrhunderten an den Handelsmittelpunkten gegeben, seit es einen Waren-Fernhandel im großen gegeben hat; es mußte so sein, denn ohne bedeutende Kapitalanlagen war dieser Handel nicht möglich.» 119 Bei der Konzentration dieses Handels an wenigen Plätzen und innerhalb eines übersehbaren Kaufmannstandes genügten die vorhandenen Banken; das persönliche Vertrauen der Handelspartner, auf langjährigen Beziehungen und Kenntnissen beruhend, machte den Handel zum Privileg weniger Kaufleute und ihrer Helfer. In diesem Sinne hat es einen reichen Kaufmannstand wohl schon lange vor dem 19. Jahrhundert gegeben, mit beginnender Industrialisierung und dem Ausbau des Verkehrswesens ist er nur größer an Zahl, nicht unbedingt reicher an Kapital geworden 120 . Gegenüber dem vermögenden Adel hatte dieser Kaufmannstand den Vorteil, daß sein Kapital leicht beweglich und nicht in großem 117 HARKORT, FRIEDRICH, Bemerkungen über das Bedürfnis der Errichtung einer Aktienbank für Westfalen, Dortmund 1 8 4 J , S. 29. 118 YGJ V O R A LL EM STRIEDER, JACOB, Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 2. Aufl., München - Leipzig 1 9 3 5 . 118
BARKHAUSEN, M A X , a. a. O . , S . 1 7 1 .
120
Ebenda. Dagegen sieht MOMMSEN einen reichen Kaufmannstand wohl erst als spezielle Entwicklung des 19. Jahrhunderts an, vgl. MOMMSEN, WILHELM, Größe und Versagen des deutschen Bürgertums. Ein Beitrag zur Geschichte der Jahre 1848/49, Stuttgart 1949, S . 156. 18
Grundbesitz oder anderen schwer verwertbaren Gütern angelegt war. Diese leichte Beweglichkeit läßt die Vermutung zu, daß solches Kapital bei günstiger Gelegenheit auch einmal außerhalb des Handels angelegt wurde. Die Herkunft vieler industrieller Unternehmer aus den Kreisen des Handels beweist dies 111 . Dennoch blieb für dieses Handelskapital die industrielle Betätigung ein fremdes und risikoreiches Gebiet, ganz im Gegensatz zum Eisenbahnbau, dessen grundlegende Bedeutung f ü r die Erweiterung des Handels durdi schnelle Nachrichten- und Warenübermittlung über weite Entferungen bald erkannt wurde 122 . Bei einer Untersuchung der beruflich-sozialen Herkunft der rheinisch-westfälischen Unternehmerschicht weist Z U N K E L darauf hin, «daß vorwiegend tüchtige Kaufleute durch ihre finanzwirtschaftlichen Fähigkeiten zu Bankiers und Organisatoren des neuen Industrie- und Verkehrssystems wurden» 123 . Sicher haben Kaufleute und Handelsherren sehr oft die Funktionen noch fehlender Kreditbanken übernommen und sie so vorzüglich erfüllt wie schon im Spätmittelalter 124 . Rückblickend läßt sich feststellen, daß der Handel gerade in Deutschland in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nach neuen Wegen und Mitteln für eine Ausweitung seiner Möglichkeiten, für eine werterhaltende Anlage seiner Kapitalien suchte. Die Kaufleute sahen zuerst die Auswirkungen, die sich nach Aufhebung der Kontinentalsperre ergaben, als die englische Industrieproduktion «plötzlich losbrach wie ein Strom, dessen Wasser lange ein Wehr beengte125», Deutschland mit englischen Waren überflutet wurde und der Handel sich nur dort halten konnte, wo er die Vermittlung und den Vertrieb englischer Waren übernahm. Die schwer getroffene gewerbliche Produktion bot kein verlockendes Bild für Kapitalanlagen, wohl aber die gerade sich entwickelnde Eisenbahn, die - nachdem der 1834 gegründete Deutsche Zollverein für den Handel erste Erfolge versprach - nun geeignet erschien, ein großes Wirtschaftsgebiet zu erschließen und dem einseitigen Englandhandel wieder vielfältigere Möglichkeiten an die Seite zu stellen. So ist es erklärlich, daß Finanzierungssorgen bei dem um 1 8 4 0 " ' beginnenden 121 V g l . DABRITZ, WILHELM, AUS der Entstehungszeit des rheinisch-westfälischen Industriereviers, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrg. 1 9 2 7 , S. 3 8 8 . 122 N a d i BROCKHAGE wurden bis 1 8 5 0 rund 1 5 0 Mio. Taler im preußischen Eisenbahnbau investiertes Kapital vor allem durch den Handel aufgebracht, BROCKHAGE, BERNHARD, a. a. O., S. 206. 12S ZUNKEL, FRIEDRICH, Der rheinisch-westfälische Unternehmer 1 8 3 4 - 1 8 7 9 , K ö l n - O p l a den 196z, S. 26. 124 V g l . dazu SCHMIED, ROBERT, KapitalbesdiafFungsformen des Frühkapitalismus, Berlin 1936, S . 103. 125
VON EHEBERG, K A R L THEODOR, Historische u n d kritische E i n l e i t u n g z u FRIEDRICH LIST'S
nationalem System der politischen Ökonomie, Stuttgart 1 8 8 3 , wiederabgedruckt in: LIST, FRIEDRICH, Das nationale System der politischen Ökonomie, 8. A u f l . , Stuttgart - Berlin 1 9 2 5 , S. 6. 126 Z u r Veranschaulichung der Entwicklung des Eisenbahnbaues mögen folgende Zahlen dienen: Die Streckenlänge des Eisenbahnnetzes betrug in Deutschland England 1830 - km 9 2 km 6 km 2 5 2 km 1835 1840 469 km 1 349 km I84J i 1 4 3 km 4 082 km 1850 $ 8 5 6 km 1 0 6 J 5 km I8JJ 7 826 km 1 3 4 1 4 km 1860 1 1 089 km 16 790 km 186$ 1 3 900 km 2 1 386 km 1870 18 667 km 2 4 3 7 3 km (Quelle: STÜRMER, GEORG, Geschichte der Eisenbahnen, Bromberg 1 8 7 2 , S . 2 4 6 )
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großen Eisenbahnbau in Deutschland geringer waren als beim Aufbau einer Industrie in diesen und den vorangegangenen Jahren, wenngleich auch Preußen 1842 den privaten Kapitalgebern für ihr beim Eisenbahnbau investiertes Kapital eine Zinsgarantie bewilligen mußte, «um sie dadurch zum Baue der nötigen Bahnen zu ermuntern» 127 . Auch ausländisches Kapital war nicht in ausschlaggebendem Maße beteiligt 128 , trotz einem Anstieg des Kapitalimports während des großen Eisenbahnbooms 1842-1848"*. Wenn eine rasche Vermehrung der Geldvermögen und ein größeres Kapitalangebot jetzt auch für Industriefinanzierungen verzeichnet werden kann, so ist dies mit darauf zurückzuführen, daß nun audi Handelskapital dieser Anlagemöglichkeit zustrebt, nachdem nidit zuletzt durdi neue Erfindungen die ersten Erfolge der jungen Industrie sich gezeigt und diese sich als gleich gutes oder gar noch besseres Investitionsobjekt erwiesen hatte. 4. Die Selbstfinanzierung Nur in sehr begrenztem Umfange ist es zulässig, auf die Selbstfinanzierung als Kapitalquelle der Industrialisierung hinzuweisen. Um Selbstfinanzierung zu betreiben, muß ein Unternehmen nicht nur bereits vorhanden sein, sondern auch die Anlaufschwierigkeiten überwunden und frei verfügbare Gewinne erzielt haben. Selbstfinanzierung kann daher niemals die Kapitalbasis einer Neugründung sein, es sei denn, es handele sich um Zweigwerke oder Filialbetriebe eines bereits bestehenden Unternehmens. Jedoch war der Fall, daß Unternehmen durch andere Unternehmen gegründet wurden, in den Aufbaujahren der kapitalistischen Industriewirtschaft, verglichen mit den Unternehmungsgründungen in der heutigen Industriewirtschaft, äußerst selten. Unternehmen, die die Gründungsphase überwunden hatten und bereits Gewinne erzielten, waren dann allerdings auf die Selbstfinanzierung zum weiteren Ausbau der Produktionsanlagen angewiesen, da eine funktionsfähige Bankenorganisation und ein ausreichendes Kreditangebot nicht vorhanden waren 130 . Selbstfinanzierung liegt überall dort vor, wo aus einem bestehenden Handwerksbetrieb, Verlagsunternehmen oder Handelsgeschäft ein größeres industrielles Unternehmen mit eigenen Mitteln aufgebaut werden konnte. Dabei wird sidi nur schwer trennen lassen, was aus eigenen Ersparnissen, Darlehen von Freunden und Zuschüssen A n Eisenbahngesellschaften bis 1840 1841-1850 1851-1860 1861-1870
wurden konzessioniert: 12 38 7 12
Mit dem Bau von Eisenbahnen begannen: bis 1840 i i Gesellschaften 1841-1850 34 Gesellschaften 1 8 5 1 - 1 8 60 1 1 Gesellschaften 1861-1870 1 1 Gesellschaften ( Q u e l l e : STÜRMER, GEORG, a. a. O . , S. 62) 1!7
STÜRMER, GEORG, a. a. O., S. 1 0 .
128
HOFFMANN, W A L T E R , T h e T a k e - o f f . . . , a. a. O . , S.
12
' LEGGE, JOSEPH, a. a. O . , S .
112.
1 9 8 . D e r nicht näher begründeten
A u f f a s s u n g WIEDEN-
FELDS, daß namentlich beim Eisenbahnbau ausländische Kapitalisten eingesprungen seien, können wir uns nicht anschließen. Abgesehen von wenigen Ausnahmefällen stand, wie die Beispiele zeigen, gerade dafür genügend inländisches Kapital zur Verfügung; vgl. WIEDENFELD, K U R T , a . a. O . , S . 2 6 3 . 130
V g l . auch HOFFMANN, WALTER, T h e T a k e - o f f . . . , a . a. O . , S . 1 1 2 .
20
von Verwandten stammte. Immerhin dürfte diese Art der Finanzierung für alle jene Unternehmen, die aus einer alten Handwerkstradition erwuchsen, die Regel gewesen sein. In den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts hatten diese Bevölkerungskreise kaum Zugang zu einer bankmäßigen Geldvermittlung, die nur an wenigen großen Handelsplätzen konzentriert war 131 . Bessere Möglichkeiten, durch Kredithilfe größere Produktions- und Arbeitsstätten aufzubauen, waren erst nach 1850 gegeben. So wurde die Gründung der Berliner Discontogesellschaft am 6. Juni 1851 mit dem ausdrücklichen Wunsch verbunden, auch «soliden kleineren Gewerbetreibenden den Kredit zu gewähren, den sie nach Maßgabe ihres Fleißes, ihrer Geschäftsführung und ihres Vermögens verdienten, den sie bisher nur zu verhältnismäßig hohen Bedingungen, wenn überhaupt, hatten erlangen können»132. «Es bedurfte keines großen Kapitals, um in damaliger Zeit gewerblicher Unternehmer zu werden. Zumeist reichten die Ersparnisse aus der Gesellenzeit, darüber hinaus halfen Bekannte und Verwandte zum Aufbau neuer Fabrikanlagen.»133 Gelang es, neue Ideen zu verwirklichen, englische Muster und Vorbilder erfolgreich nachzuahmen oder gar zu verbessern, erschienen Produktion und Absatz gewinnbringend, dann war es auch einmal möglich, Kredite zu erhalten und ihre hohen Kosten zu zahlen. Der Ausbau des eigenen Betriebes mit Hilfe dieser Art der Selbstfinanzierung darf jedoch nicht als generelle Erscheinung derart angesehen werden, daß nun im Handwerk ein allgemeiner Aufbruch zum größeren, industriellen Unternehmen, ein Nacheifern der englischen Erfolge, einsetzte. Audi die geringen Kapitalansprüche für den Beginn eines kleinen Industriebetriebes auf der vorhandenen handwerklichen Grundlage konnten nur von wenigen, durch besondere Umstände begünstigten Handwerkern erfüllt werden. M E H M K E weist darauf hin, daß selbst bei dem «erfreulichen Sparwillen der Bevölkerung Württembergs, der die Eigenfinanzierung erleichtern mußte, die Sparkraft im ganzen zu gering war und nicht dazu reichte, Unternehmen großen Umfangs aufzubauen» 134 . Die bemerkenswerten Ergebnisse, die der Aufbau einer Industrie gerade in Württemberg zeigte, konnten doch das Urteil G E H R I N G S nicht verhindern: « . . . maschinelle Rückständigkeit, Kapitalmangel, Staatsbeihilfe, Ringen der Unternehmer auf einsamen Posten - bestenfalls steigt ein Kaufmann mit Geld und Erfahrung zu ihnen in ihr schwankendes Schifflein und es kommt zu der kleinen Assoziation, wie sie so charakteristisch für das Hochkommen unserer Industrie im Lande werden sollte - Not mit den unentbehrlichen technisch-wissenschaftlichen Kräften, zugleich kaufmännisch-kühne Konzeptionen neuer, weitgreifender Art, daneben das Festhalten idealistischer Grundsätze und patriarchalischer Gesinnung und die bewußte Pflege guter Beziehungen zum König und den staatlichen Stellen . . . charakterisieren jene Zeit» 135 . Die Lage der gewerblichen Betriebe hatte sich in Deutschland nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Kaiserreiches allgemein verschlechtert. Die zaghaften 151 Zahlreiche Beispiele dafür, wie sich aus einem kleinen Handwerksbetrieb ein Industrieunternehmen entwickelte, finden sich bei KOCKS, WERNER, Verhaltensweise und geistige Einstellung niederbergisdier Unternehmer der frühindustriellen Zeit, wirtsdiafts- und sozial wiss. Diss., Köln 19 j 6, S. 42 f. 182 HANSEMANN, DAVID, Das Wesen der Discontogesellschaft in Berlin und ihre Benützung, Berlin 1852, S. 7; eine umfassende Kapitalhilfe für die kleinen Fabrikanten forderte audi der preußische Abgeordnete ZIEGLER mit seinem Vorschlag einer Fabriken-Credit-Gesellsdiaft,
v g l . ZIEGLER, F R A N Z WILHELM, D i e
Fabriken-Credit-Gesellschaft
für Deutschland,
Branden-
burg 1854. 1 M SACHTLER, HEINZ, Wandlungen des industriellen Unternehmers in Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts, staatswiss. Diss., Halle 1937, S. 6. 1 M
MEHMKE, R . L . , a . a . O . , S . 67.
GEHRING, PAUL, Das Wirtschaftsleben in Württemberg unter König Wilhelm I. (1816 bis 1824), in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte, IX. Jahrg., 1950, S. 239. M
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Anfänge einer Industrie, die sich unter dem Schutz der Kontinentalsperre hatten bilden können, erfuhren durdb die englische Konkurrenz einen schweren Rückschlag15*. Aus Sachsen wird berichtet: »Die Wiedereinfuhr der englischen Waren verursachte im Frühjahr 1817 eine Krise, die - verbunden mit Miß wachs und Teuerung - von neuem das ganze Land erschütterte. Die englische Konkurrenz, die für Sachsen auf den Messen so verhängnisvoll geworden war, machte sich in gleicher Weise bei dem direkten Absatz vom Hause aus bemerkbar. Überall waren die Lager mit englischen Waren überfüllt.» 187 Auch das Handwerk, durch die HARDENBERGschen Reformen aus den engen Bindungen der Zünfte, «die immer in unfruchtbarer Defensive die Bedürfnisse und Zeichen der Zeit übersahen138», entlassen, konnte nicht die erhoffte Blüte erreichen, da einer wachsenden Zahl von Gewerbetreibenden immer noch jene vielen Zollschranken und Landesgrenzen ein notwendiges größeres Absatzgebiet verschlossen. Der lokale Bedarf war die Größe, an der sich jede handwerkliche und kleingewerbliche Produktion ausrichten mußte. Man darf SACHTLER zustimmen, wenn er feststellt, die deutsche Wirtschaft sei trotz der hoffnungsvollen Ansätze, die die Aussicht auf eine lange Friedensperiode nach 1813 zeigte, nicht zuletzt unter englischem Druck in eine erheblidie Krisis geraten. «Am Ende der 1820er Jahre war der deutsche Unternehmungsgeist gelähmt.» 1 ' 9 Die mannigfachen, aus der Not geborenen Versuche, in Übersee, «wo keine Fabrikanten sind», Fuß zu fassen, und ein am Beispiel des englischen Kolonialhandels ausgerichtetes Absatzsystem aufzubauen, brachten keine ausschlaggebende Besserung. Die zur Steuerung der Not der einheimischen Produktion mit staatlicher Hilfe in Elberfeld-Barmen gegründete Rheinisch-Westindische Kompanie (1821) war immerhin so erfolgreich, daß ihr andere Gründungen wie die der ElbWestindischen Seehandlungscompanie in Sachsen folgten140. Wenn auch neue Absatzwege erschlossen, Handel und Produktion gefördert und dabei Gewinne erzielt wurden, konnte doch mit diesen einzelnen Versuchen die deutsche Wirtschaft nicht so belebt werden, wie man das zunächst erhofft hatte. Der mangelnde Unternehmergeist der dreißiger bis fünfziger Jahre wird im Gegenteil sogar auf das klägliche Scheitern aller dieser Auslandsunternehmungen nach einer Reihe erfolgversprechender Jahre zurückgeführt 141 . Hinzu kam die große Ackerbaukrise der Jahre 1820-1825, verursacht durch die hohen Einfuhrzölle der Staaten, die während der Kriegsjahre ihre Eigenproduktion erhöht hatten und diese nun schützen wollten (England, Holland,
1 M Anschaulich beschreibt OETKER das «ungeheuere Gewühl», das nadi Öffnung des Hamburger Marktes im englischen H a f e n Helgoland entstand, als jedermann bemüht war, nadi A b z u g der Franzosen englische Waren nadi Deutschland z u verkaufen, vgl. OETKER, FRIEDRICH, Helgoland. Schilderungen und Erörterungen, Berlin 185$, S. 339; ferner SCHMOLLER, GUSTAV, Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert, Halle 1870, S. 51. 137 PÖNICKE, HBRBERT, Wirtschaftskrise in Sachsen vor 100 Jahren, Herrnhut 1933, S. 12; über die Auswirkungen der englischen Konkurrenz in Belgien und Holland vgl. TERLINDEN, C h . , a. a. O., S. 1 3 . 138 SALZ, ARTHUR, Geschichte der böhmischen Industrie in der Neuzeit, München 1913,
S. 277. 139 SACHTLER, HEINZ, a. a. O., S. J . «Und vor allem eins: Es fehlte an unternehmenden Männern. Die große Masse der Gewerbetreibenden ist noch gänzlich unberührt von wagender Gesinnung und dem Mut zum Hinausgreifen über die hergebrachten Formen des Arbeitslebens. Noch sind es vorwiegend Angehörige vermöglicherer Schichten aus Handel und K a u f mannschaft, die in dieser Periode das Bild beherrschen» urteilt GEHRING, PAUL, a. a. O., S. 219. Vgl. auch TREUE, WILHELM, Wirtschaftszustände und Wirtschaftspolitik in Preußen 181J-1825, Stuttgart - Berlin 1937 (Beiheft 31 zur V S W G ) . 110 Vgl. dazu besonders PÖNICKE, HERBERT, a. a. O., S. 19 ff. und die dort angeführten Quellen. 141
S o SCHELL, O T T O , a . a. O . , S . 1 3 0 . 22
Schweden), bei -wachsender Uberproduktion landwirtschaftlicher Produkte gerade in Mitteleuropa, wo man weiterhin mit den hohen Getreidepreisen der Kriegs- und Nadikriegsjahre rechnete142. Diese Krise bedeutete f ü r ein durchaus noch agrarisches Land einen doppelt schweren Rückschlag 143 . Erst die neuen Handelschancen im Deutschen Zollverein und der Beginn des Eisenbahnzeitalters sollten wieder eine Wendung bringen, die in besonderem Maße nach 1844 spürbar wurde. Der bis dahin freihändlerisch eingestellte Zollverein folgte nun LISTS Ideen, und erste Schutzzölle — die wirkliche Erziehungszölle waren - hielten die englische Konkurrenz fern und erleichterten eine industrielle Aktivität unter neuen Voraussetzungen 144 . Der Aufbau einer Industrie w a r nicht allein eine Frage der technischen Produktion oder der Finanzierung, viel wichtiger erschien es, Absatzmöglichkeiten zu erschließen, die auch eine rentable Produktion erhoffen ließen. N u r so konnten ein verstärkter Kapitalzufluß und größeres Unternehmerinteresse erwartet werden. Zahlreiche englische Erfindungen, die der Eisen- und Stahlindustrie zugute kamen, wurden erst jetzt in Deutschl a n d a u f g e n o m m e n ; m i t JUSTUS VON LIEBIG u n d R O B E R T M A Y E R s e t z t e n i n C h e m i e
und Physik eigene Forschungen und technisch-industriell verwertbare Entwicklungen ein. Hinzu kamen in Preußen die weitere Lockerung des Zwangscharakters der Zünfte und die Einführung der Arbeitsfreiheit 145 . Die Einführung eines Eisenzolls ab 1. September 1844 auf alle Eisenimporte in das Gebiet des Deutschen Zollvereins führte zu einem lebhaften Aufschwung der Eisenindustrie 14 '. Eine erste Manifestation der A u f bauleistungen des angebrochenen Industriezeitalters wurde die große Industrieausstellung der Zollvereins-Staaten 1844 in Berlin 1 4 7 . Die anschließende sdinelle Entwicklung einer deutschen Industrie, die auch dem führenden England Konkurrenz zu bieten vermochte, wird durch die Tatsache bestätigt, daß 1 8 5 1 auf der Industrieausstellung in London bereits 1558 Aussteller aus den deutschen Zollvereins-Staaten vertreten waren 148 . Was bis dahin an industriellen Unternehmungen entstanden war, läßt nicht zu, von einer allgemeinen Industrialisierung zu sprechen. Einzelne Persönlichkeiten aus unterschiedlidisten Bevölkerungs- und Bildungsschichten, die sich durch besonderen unternehmerischen Wagemut auszeichneten oder in irgendeiner Weise mehr als andere durdi glückliche Umstände begünstigt worden waren, konnten sich trotz der entgegenstehenden wirtschaftlich-politischen und traditionell-gesellschaftlichen Hemmnisse und Bedenken in den zwanziger und dreißiger Jahren durchsetzen und versuchten, den Anschluß an den «New English type of industry» zu finden. N u r als ein Beispiel unter vielen sei auf FRIEDRICH HARKORT verwiesen, dessen Informationsreisen nach 141
V g l . auch LIEBAUG, H A N S , a. a. O . ; U C K E , A R N O L D , D i e A g r a r k r i s i s in Preußen
wäh-
rend der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts, phil. Diss., Halle 1888. I4J YGJ hierzu CONRAD, J . , A r t . «Agrarkrisis», in: Handwörterbuch der Staatswissenschaf ten, 3. A u f l . , Bd. 1, (Jena) 1909, S. 208 f. 144 y g j dazu (ü e Stellungnahme MEVISSENS, der die Notwendigkeit von Schutzzöllen damit begründete, daß nur durch diese Sicherheit der Industrie das dringend benötigte Kapital zuflösse; HANSEN, JOSEPH, a. a. O . , S . 1 7 4 .
145 VGL. DAZU WENDEL, HUGO, The evolution of industrial freedom in Prussia 1 8 4 5 - 1 8 4 9 , New York 1921. 146
BECK, LUDWIG, a. a . O . , S . 6 9 5 .
147
LAMPRECHT, K A R L , a. a. O . , S . 2 4 0 .
148 Ohne Verf., Beteiligung des Zollvereins, sowie des Großherzogtums Hessen insbesondere, bei der großen Industrieausstellung in London, in: Gewerbeblatt für das Großherzogtum Hessen, 14. Jahrg., 1 8 5 1 , N r . $, S . 33. Angaben zur Entwicklung der deutschen Industrie v o r 1 8 5 0 jetzt audi bei SCHRÖTER, ALFRED, Die Entstehung der deutschen Maschinenbauindustrie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: SCHRÖTER, ALFRED; BECKER, WALTER, Die deutsche Maschinenbauindustrie in der industriellen Revolution, Berlin (Ost) 1962, S. 15 ff.
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England und unermüdliche Initiative in der Öffentlichkeit des wirtschaftlich-politischen Lebens ebenso wie sein eigenes unternehmerisches Vorbild mit den Anstoß zur Industrialisierung Deutschlands gaben 14 '. «Wandten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch sehr viele Unternehmer der hausindustriell organisierten Weberei und Kleineisenindustrie zu, wobei sie durch den nur geringen Kapitaleinsatz begünstigt wurden, so zogen betrieblich verwertbare technische Erfindungen und chancenreiche ökonomische Neuerungen doch bald junge und wagemutige Männer an.» 150 Rein kaufmännische Überlegungen, planende und rechnende Tätigkeit im «Comptoir» standen dabei oft an zweiter Stelle; technisches Wissen und Einfallsreiditum bedeuteten weit mehr. Gerade diese wagemutigen, dynamischen Unternehmer, die wenn auch in geringer Zahl — doch vorhanden waren, mußten sich für ihre Projekte nach größeren Kapitalien umsehen, da eigene Mittel, wenn überhaupt, nur spärlich vorhanden waren und für eine über den Rahmen der Hausindustrie hinausgehende Gründung nicht ausreichten.
j . Die Ablösungskapitalien Neben dem Einsatz des vorhandenen Handelskapitals in industriellen Anlagen, begleitet von der Wandlung des Kaufmanns zum industriellen Unternehmer sowie dem allmählichen Aufbau eines bestehenden vorindustriellen Betriebes mit eigenen Mitteln, könnte für die Vermehrung des Angebots an industriellem Anlagekapital um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch eine weitere, bisher wenig beachtete Quelle in Betracht kommen: Um diese Zeit findet in fast allen deutschen Staaten die sich über Jahrzehnte hinziehende Gesetzgebung zum größten Reformwerk des 19. Jahrhunderts, der Bauernbefreiung 151 , ihren Abschluß. Die Fülle gesetzlicher Maßnahmen 168 , die unter diesem Begriff zusammengefaßt werden, schufen nicht nur die Voraussetzungen für ein neues, dem heraufziehenden Industriezeitalter adäquates Abgaben- und Steuersystem, sondern führten vor allem zu einer tiefgreifenden Umschichtung der Besitz- und Vermögensverhältnisse der Betroffenen, zur Neugestaltung zahlreicher Rechtsbeziehungen und bildeten so die Grundlage für den Aufbau einer neuen sozialen und wirtschaftlichen Ordnung aus der überkommenen Feudalstruktur des alten Agrarstaates Deutschland. Im Rahmen dieser Befreiung von mannigfachen Bindungen und Lasten mußten von den bisher Abgabepflichtigen teilweise erhebliche Kapitalbeträge aufgebracht werden, um die Gülten, Fronen, Zehnten und zahlreiche weitere Naturalleistungen durch eine regelmäßig zu zahlende Geldrente zu ersetzen. In gleichem Maße flössen den Berechtigten statt der Naturalleistungen nunmehr jährliche Geldrenten zu, 148
B E R G E R , LOUIS, a. a. O . , G E H R I N G spricht v o n der «förmlichen B e w e g u n g , nach E n g l a n d
z u reisen, d o r t die neuen Verhältnisse zu studieren, v o n ihnen zu lernen und die
dortigen
E r f a h r u n g e n f ü r die eigenen heimischen Verhältnisse i r g e n d w i e n u t z b a r z u machen», G E H R I N G , P A U L , a. a. O . , S . 2 1 6 . 150
Z U N K E L , FRIEDRICH, a. a. O . , S . 2 2 .
151
Z u m B e g r i f f , V e r l a u f und d e n A u s w i r k u n g e n der B a u e r n b e f r e i u n g siehe z u s a m m e n f a s -
send jetzt L Ü T G E , FRIEDRICH, Geschichte der deutschen A g r a r v e r f a s s u n g , 2 . A u f l . ,
Stuttgart
1 9 6 7 , S. 2 0 1 ff., ferner derselbe, Ü b e r die A u s w i r k u n g e n der B a u e r n b e f r e i u n g in Deutschland, i n : Studien z u r S o z i a l - u n d Wirtschaftsgeschichte, G e s a m m e l t e A b h a n d l u n g e n v o n FRIEDRICH LÜTGE, Stuttgart 1 9 6 3 , S. 1 7 5 . 151
D i e beste Obersicht der gesetzlichen Bestimmungen in den einzelnen deutschen L ä n d e r n
gibt bis heute i m m e r noch JUDEICH, A L B E R T , D i e G r u n d e n t l a s t u n g i n Deutschland, 1863.
*4
Leipzig
soweit nicht diese Renten durch die einmalige Zahlung eines nach bestimmten Bewertungsrichtsätzen errechneten Kapitalbetrages abgelöst wurden. Die Möglichkeit der Ablösung war besonders in den abschließenden Gesetzen dieses Reformwerkes vorgesehen und wurde von staatlicher Seite auf vielfache Weise gefördert, um an die Stelle einer zeitlich unbegrenzten Belastung der Pflichtigen eine überschaubare, einmalige, in ihrer Höhe genau fixierte und nach bestimmten Richtlinien abzutragende Schuld treten zu lassen. Für die Berechtigten bedeutete dies, daß ihnen innerhalb eines kürzeren Zeitraumes mehrfach größere Ablösungsbeträge kapitalisierter Renten zukamen, während laufende kleinere Zahlungen eingestellt wurden. In der wirtschafts-, insbesondere agrar-historischen Literatur werden immer wieder die Schwierigkeiten behandelt, die sich als Folge dieser Reformen für die Abgabenpflichtigen ergaben. Die Vernichtung oder Zersplitterung bäuerlichen Grundbesitzes durch Landabgaben und die durch die Rentenlasten verursachte Verschuldung sind in zahlreichen Darstellungen untersucht worden 158 . Dagegen liegen nur sehr spärliche und sich oft widersprechende Nachrichten über die Folgen der Ablösungsgesetzgebung bei den Berechtigten, den Empfängern der Ablösungsbeträge, vor. Oft wird übersehen, daß neben der Abschaffung der Zwangsdienste, der Sicherung eines besseren Besitzrechtes und der persönlichen Freiheit der Bauern auch die Aufhebung der Verpflichtungen der Guts- und Grundherren gegenüber den Bauern ein wesentliches Ziel der Bauernbefreiung war. K N A P P hat darauf hingewiesen, daß nicht nur der Empfang von Ablösungsgeldern, sondern auch die Befreiung von mannigfachen Unterstützungspflichten sidi bei den Guts- und Grundherren wirtschaftlich auswirkten 154 . W A L D geht noch weiter, wenn sie feststellt: «Die Bauernbefreiung kann daher ebenso eine Befreiung der Guts- und Grundherren von ihren hochberechtigten bäuerlichen Arbeitskräften genannt werden.» 155 Namentlich in der Gutsherrschaft mit ihrer gegenüber der Grundherrschaft engeren Bindung zwischen Herrn und Bauer 15 ® spielten die soziale Fürsorge, die Steuervertretung, die Gestellung von Betriebsmitteln und ähnliche Hilfen des Herrn eine bedeutende Rolle 157 . Trotzdem überwogen bei weitem die Entschädigungen, die von den Bauern an die berechtigten Guts- und Grundherren zu leisten waren. Diese Beträge waren innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes sehr hoch und wurden darüber hinaus nur teilweise in Bargeld ausgezahlt, so daß ihre ausschließliche Verwendung für Konsumausgaben kaum anzunehmen ist. Die von B R O C K H A G E erwähnte rasche Vermehrung der Geldvermögen in der Mitte des 19. Jahrhunderts 158 trifft zeitlich mit dem Abschluß der Ablösungsgesetzgebung in lss
Z . B . FUNKE, G . L . W., Die heillosen Folgen der Bodenzersplitterung, Göttingen 1 8 5 4 ; THEOPHILE, ROLF, Die Verschuldung des deutschen ländlichen Grundbesitzes und die Entschuldungsmaßnahmen im 19. und 20. Jahrhundert, staatswiss. Diss., Frankfurt (Main) 1936, dort zahlreiche Literaturangaben. 154 KNAPP, GEORG FRIEDRICH, Artikel: «Bauernbefreiung», in: Handwörterbuch der Staatswissensdiaften, 4. Aufl., Bd. 2, 1924, S. 404. 155 WALD, ANNEMARIE, Die Bauernbefreiung und die Ablösung des Obereigentums — eine Befreiung der Herren? in: Historische Vierteljahresschrift, X X V I I I . Jahrg., Bd. 28, 1934, S.795. 158 Z u den Gründen der Anerkennung einer adeligen Gutsherrschaft als «gottgewollter Obrigkeit» vgl. auch HOFMANN, HANS HUBERT, Adelige Herrschaft und souveräner Staat, München 1962, S. 404 f. 157 Vgl. dazu VOGDT, GERHARD, Die Bauernbefreiung in Mecklenburg, phil. Diss., Würzburg 1936, S. 6. Z u den materiellen Vorteilen, die den Bauern mit ihrer Befreiung verloren gingen, vgl. auch BAUER-MENGELBERG, KÄTHE, Agrarpolitik in Theorie, Geschichte und aktueller Problematik, Leipzig - Berlin 1 9 3 1 , S. 108 f. 158 Siehe S. 1 j dieser Arbeit.
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den einzelnen deutschen Staaten zusammen, u n d es bleibt nun z u untersuchen, inwiew e i t K a p i t a l i e n aus Ablösungsbeträgen a m K a p i t a l m a r k t oder in direkten Investitionen durch die E m p f ä n g e r dieser Gelder w i r k s a m werden konnten.
II. Die Grundlastenablösung und der deutsche Adel A . D i e Berechtigten
Ablösungsbeträge sind den verschiedensten G r u p p e n v o n Berechtigten zugeflossen; allgemeinen k a n n m a n nach folgenden E m p f ä n g e r n unterscheiden: die Staatsfinanzverwaltungen, die Kirchen, Schulen u n d Stiftungen, die Standes- und Grundherren, sonstige Berechtigte. In die erste G r u p p e fallen alle Beträge, die dem D o m ä n e n - und Forstaerar zugeflossen sind und über deren weitere V e r w e n d u n g allein der S t a a t oder der Landesherr z u entscheiden hatte. A u f die Frage, i n w i e w e i t die Einnahmen des D o m a n i a l besitzes ausschließlich Staatseinnahmen z u r D e c k u n g des Staatsbedarfs oder a u d i Z i v i l e i n n a h m e n des jeweiligen Landesherren z u dessen alleiniger V e r f ü g u n g w a r e n , w i r d hier nicht eingegangen. In der Regel flössen auch im letzteren Fall die Einnahmen a n die Staatskasse, w o f ü r dem Landesherrn als Ä q u i v a l e n t die Zivilliste zugestanden w u r d e 1 . D i e Staatsfinanzverwaltung dürfte in allen deutschen L ä n d e r n im H i n b l i c k auf die H ö h e der Ablösungskapitalien an der S p i t z e gestanden haben. Ihr A n t e i l lag z . B . in B a d e n über 40°/o, in Württemberg über 44°/o der Gesamtablösungssumme. W i l l man eine vollständige Übersicht der V e r w e n d u n g v o n A b l ö s u n g s kapitalien gewinnen, so dürfen die A u s w i r k u n g e n dieser Summen auf Staatshaushalt u n d F i n a n z p o l i t i k nidit unberücksichtigt bleiben. Eine vergleichende Gegenüberstell u n g v o n Haushaltsplänen, die A u s w e r t u n g v o n Finanzakten u n d P r o t o k o l l e n m ü ß t e nachweisen, i n w i e w e i t diese K a p i t a l i e n z u r V e r m e h r u n g des domanialen Grundbesitzes, z u Bauleistungen verschiedener A r t , z u sonstigen öffentlichen Investitionen eingesetzt w u r d e n , oder w i e sie in anderer Weise direkt oder indirekt die Staatstätigkeit beeinflußten. In der vorliegenden Untersuchung w u r d e dieser umfangreiche Fragenk o m p l e x ausgeklammert; b e v o r nicht Einzeluntersuchungen vorliegen, bleiben w i r weitgehend auf V e r m u t u n g e n angewiesen. im 1. 2. 3. 4.
D i e Kirchen, Schulen und Stiftungen bildeten nach dem S t a a t die nädistgrößte G r u p p e v o n Berechtigten. A u c h die Ablösungskapitalien dieser z w e i t e n G r u p p e v o n Berechtigten sollen in ihrer H ö h e und weiteren V e r w e n d u n g hier nicht im einzelnen betrachtet w e r d e n . Eine solche Untersuchung w ü r d e die Frage der Finanzierung u n d 1 Vgl. hierzu KRÄTZER, ADOLF, Über Ursprung und Eigentum der Domainen in Deutschland, München 1840, S. 91 f. - In Nassau belebte sidi der «Domänenstreit» über das Eigentumsverhältnis der Domänen gerade mehrfach an der Frage der Ablösung von alten Abgaben und Zehnten, wobei zu prüfen war, ob die Domänen als Zehntherr wie Privateigentum oder als Teil des Staates zu behandeln und wie die Staatszusdiüsse zur Ablösung demnach zu verrechnen seien; vgl. MÜLLER, WALTER, Die Geschichte des Domänenstreits im Herzogtum Nassau 1806-1866, phil. Diss., Frankfurt/M. 1929, insbesondere S. 193.
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des Vermögensbestandes der christlichen Kirchen bis in die Gegenwart berühren und weit über den Rahmen unseres Themas hinausgehen. Besonderes Interesse soll dagegen den Standes- und Grundherren und anderen privaten Berechtigten gelten. Über die Höhe, den zeitlichen Anfall und die Verwendung der diesen Berechtigten zugeflossenen Ablösungskapitalien ist nur sehr wenig bekannt. Der größte Anteil entfällt bei den privaten Berechtigten auf die Gruppe der Standesund Grundherren. Gemessen am Grundbesitz dieses Personenkreises müssen es sehr große Beträge gewesen sein, die für die Ablösung grundherrlicher Lasten zu zahlen waren. Die an sonstige Berechtigte - Gemeinden und einzelne Private, die bereits in Geld zahlbare Lasten durch Rentenkauf erworben hatten - zu entrichtenden Ablösungskapitalien sind im Vergleich dazu äußerst gering.
B. Die wirtschaftlichen Interessen adeliger Grundherren Im Gegensatz zur Verwendung der Ablösungsbeträge bei Staat, Kirchen und Stiftungen liegt die Vermutung nahe, daß private Empfänger eine weit größere Freiheit bei der Anlage von Ablösungskapitalien hatten und diesen Berechtigten weniger gesetzliche oder traditionelle Bindungen im Wege standen. Die Beantwortung dieser Frage erfordert zunächst eine Betrachtung der Stellung des grundbesitzenden Adels, der durch die Ablösungsgesetzgebung in besonderem Maße getroffen wurde. Es gilt zu klären, ob die den Standes- und Grundherren zugeflossenen Kapitalien in der damaligen Zeit von diesen im Sinne eines kapitalistischen Unternehmertums überhaupt verwendet werden konnten oder ob andere traditionell näher liegende Verwendungsmöglichkeiten bestimmend waren. Schließlich ist auch eine Kapitalanlage denkbar, die durch die unmittelbaren Folgen der Ablösung zwingend gegeben war: der Verlust der «zinsenden» Untertanen als sicherer Einnahmequelle machte es nötig, mit den dafür erhaltenen Abfindungen für die Zukunft eine ähnlich sichere und dauerhafte Einnahmequelle zu erschließen. Vor dem 19. Jahrhundert vom «adeligen Unternehmer» zu sprechen, scheint zunächst ein Widerspruch in sich zu sein. Dem Adel jener Zeit werden alle - von bürgerlichen Historikern meist schlechte — Eigenschaften zugeschrieben, nur nicht die eines Unternehmers1. «Vor 1870», stellt K O H N - B R A M S T E D T fest, «fehlte dem deutschen Adel im allgemeinen jener Unternehmergeist, der es wagt, sein Geld in fremden, nicht erprobten Geschäften zu riskieren»8. Ähnlich urteilt F R E U D E N B E R G E R : «By birth assigned the role of guardian of society, the European Noble was loath to admid openly to profite seeking, the goal of the businessmen.»4 Schon von den Merkantilisten wurde diese Haltung des Adels verurteilt und das «Vorurteil von der Geringschätzigkeit des Kaufhandels, das dem Adel nicht erlaubt, an den Commerzien teilzunehmen», selbst für den Niedergang der deutschen Hanse verantwortlich gemacht®. 2 Über die Ressentiments gegenüber dem Adel vgl. REDLICH, FRITZ, European Aristocracy and Economic Development, Explorations in Entrepreneurial History, Vol. VI, Nr. 2, Cambridge 1953, S. 79 f.
* KOHN-BRAMSTEDT, ERNST, a. a . O . , S . 4 6 . 4 FREUDENBERGER, HERMANN, The Waldstein Woolen Mill - Noble Entrepreneurship in Eighteenth-Century Bohemia, Boston 1963, S. 1. 5
V g l . V O N JUSTI, JOHANN HEINRICH GOTTLOB, D e r h a n d e l n d e A d e l d e m d e r k r i e g e r i s c h e
Adel entgegengesetzet wird, zwey Abhandlungen über die Frage: ob es der Wohlfahrt des Staates gemäß sey, daß der Adel Kaufmannschaft treibe? Göttingen 1756, Vorwort.
17
D i e E r f o l g e E n g l a n d s als K o l o n i a l - u n d H a n d e l s m a c h t w e r d e n v o n VON JUSTI nicht z u l e t z t d e r a k t i v e n T e i l n a h m e v e r m ö g e n d e r A d e l i g e r an den « C o m m e r z i e n » z u g e schrieben, w ä h r e n d in D e u t s c h l a n d dem A d e l d i e Kaufmannschaft: verschlossen blieb 6 . I n der a l l g e m e i n e n industrie- u n d h a n d e l s a b l e h n e n d e n E i n s t e l l u n g d ü r f t e a l l e i n noch d e r österreichische A d e l eine A u s n a h m e gebildet haben, w e n n g l e i c h i h m bleibende E r f o l g e v e r s a g t blieben 7 . RIEHL stellt e i n m a l fest, d a ß jene «beneidenswerte B e v o r z u g u n g , w e n n d e r d e u t sche A d e l an j e d e r Z o l l s t ä t t e v o r b e i z i e h e n durfte, o h n e d a ß seine H a b e v o m V i s i t a t o r durchsucht w u r d e » , m i t d e m V e r z i c h t a u f H a n d e l u n d G e w e r b e doch recht t e u e r e r k a u f t w u r d e . «Selbst die M e d i c ä e r h a t t e n noch H a n d e l betrieben, d a sie schon Fürsten w a r e n . » 8 I n F r a n k r e i c h versuchte COLBERT, E d e l l e u t e f ü r d i e G r ü n d u n g v o n M a n u f a k t u r e n z u g e w i n n e n u n d dabei die B e d e n k e n z u ü b e r w i n d e n , d a ß dies als eine s t a n d e s w i d r i g e T ä t i g k e i t angesehen w e r d e n könne®. Z a h l r e i c h e E i n z e l u n t e r suchungen h a b e n bewiesen, d a ß es auch u n t e r d e m A d e l früherer J a h r h u n d e r t e z a h l reiche echte U n t e r n e h m e r t y p e n gegeben hat, d a ß « w i t h v a r i o u s m o t i v a t i o n s a n d r a t i o n a l i c a t i o n s c e r t a i n «gentlemen of birth> d i d find their w a y into business» 1 0 . N e b e n v i e l e n v o n REDLICH 11 g e n a n n t e n Beispielen sei noch auf das nassauische H e r r scherhaus v e r w i e s e n . H i e r e r f ü l l t e i m 17. J a h r h u n d e r t G e o r g d e r Ä l t e r e ( f 1 6 2 3 ) d e n W u n s c h seines V a t e r s ( J o h a n n V I . , f 1606), d e r das K a p i t a l , das er seinem B r u d e r W i l h e l m v o n O r a n i e n i n den niederländischen Freiheitskriegen vorgeschossen h a t t e u n d das jetzt nach N a s s a u z u r ü c k z u f l i e ß e n b e g a n n , in H ü t t e n - u n d H o c h o f e n a n l a g e n a m besten i n v e s t i e r t sah 1 *. D e m landesherrlichen V o r b i l d f o l g e n d g i n g i m A n s c h l u ß d a r a n g e r a d e z u eine G r ü n d u n g s w e l l e solcher U n t e r n e h m u n g e n ü b e r d a s L a n d a n L a h n u n d Dill 1 ®. U n t e r d e n G e g e b e n h e i t e n ihrer Z e i t betrachtet, s t a n d e n j e n e A d e l s u n t e r n e h m e r i n k e i n e r W e i s e d e n späteren U n t e r n e h m e r n des I n d u s t r i e z e i t a l t e r s a n W a g e m u t , Geschäftstüchtigkeit u n d Entschlossenheit nach, w e n n auch ihre Z i e l e u n d i h r e M o t i v e a n d e r e gewesen sein mögen 1 4 . D i e b e k a n n t e n Beispiele kapitalistischer W i r t s c h a f t s f ü h r u n g u n d U n t e r n e h m e r t ä t i g k e i t v o n A n g e h ö r i g e n des A d e l s bleiben a u f w e n i g e besonders hervorstechende a u ß e r -
• Derselbe, S. 282 ff. Zum Unternehmertum des englischen Adels siehe auch STONE, LAWRENCE, The Nobility in Business 1540-1640, in: The Entrepreneur, Papers presented ad the Annual Conference of the Economic History Society at Cambridge, England, 1957, S. 14. 7 Vgl. TREUE, WILHELM, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, Stuttgart 1962, S. 233. 8 RIEHL, WILHELM HEINRICH, Die bürgerliche Gesellschaft, 6. Aufl., Stuttgart 1861, S. 228 f. • PIETTRE, ANDRE, Economie dirigée d'hier et d'aujourdhui, Paris 1947, S. 7 1 , der als Beispiel die Edikte COLBERTS vom Dezember 1664 und August 1669 anführt. Darin wurde dem A d e l vor allem der Seehandel als natürliche und legitime Erwerbsquelle angepriesen. 10
FRBUDENBERGER, HERMANN, a . a . O . , S. 1 .
REDLICH, FRITZ, Der deutsche fürstliche Unternehmer, eine typische Erscheinung des 16. Jahrhunderts, in: Tradition, 3. Jahrg., 1958, S. 17 ff. und S. 98 ff.; ferner: KELLENBENZ, HERMANN, Die unternehmerische Betätigung der verschiedenen Stände während des Überganges z u r Neuzeit, in: V S W G , Bd. 44, 1957, S. 1 ff., bes. S. 14, sowie weitere Beispiele in: RESS, FRANZ MICHAEL, Porträts deutscher Montanunternehmer im Wandel der Jahrhunderte, in: Der Völklinger Hüttenmann, 17. Jahrg., (Heft 2/3, Festsdirift zum 75. Geburtstag D r . Ernst Röchling) 1963, S. 57 ff.; GEISTHARDT, FRITZ, Landesherrliche Eisenindustrie im Taunus, in: Nassauische Annalen, 68. Bd., 1957, S. 156 ff. 11
1 2 Vgl. dazu auch SCHUBERT, HANS, Die Bemühungen des Grafen Johann des Älteren von Nassau um die Hebung des Bergbaues, in: Siegerland, Jahrg. 1938, Heft 1, S. 43 ff. 1 8 BURKHARDT, KURT, Die Entstehung kapitalistischer Bewirtsdiaftungsformen in der nassauischen Eisenindustrie im 16. und 17. Jahrhundert, phil. Diss., Gießen 1922, S. 43 f. 1 4 Ober die Motive früher adeliger Unternehmer vgl. REDLICH, FRITZ, European Aristoc r a c y . . . , a. a. O . , S. 88 f.
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gewöhnliche Persönlichkeiten beschränkt. Wenn der Altgraf Solms-RaifferscheidKrautheim versucht, in gewiß nicht standesgemäßer Weise technische Verfahren aus England zu schmuggeln, um damit die Produktionsbedingungen der auf seinem böhmischen Grundbesitz betriebenen Unternehmungen zu verbessern 15 , so unterscheidet er sich in seinem Vorhaben und seiner Initiative zwar nicht von dem Handwerkerssohn aus dem Bergischen Land, dem Weber aus Wuppertal oder Krefeld, die ebenfalls auf jede mögliche Weise ihre Fabrikationsverfahren durch Kenntnisse aus dem westlichen Nachbarland England verbessern wollten, dürfte aber doch von seinen Zeit- und Standesgenossen eher als adeliger Abenteurer und Einzelgänger angesehen worden sein denn als Unternehmer. Für die Mehrzahl des hohen und niederen Adels galten alte, im Fortschritt der Zeit in immer stärkerem Maße mißverstandene Bindungen und Traditionen, die erst mit dem durch die französische Revolution eingeleiteten Jahrhundert stärker erschüttert werden sollten. Eine Änderung der jahrhundertealten Stellung des Adels in Wirtschaft und Gesellschaft wurde in Deutschland gleichzeitig mit der Umgestaltung des Feudalstaates durch die ersten Gesetze zur Bauernbefreiung eingeleitet. In dem preußischen Edikt vom 9. Oktober 1807 wurde nicht nur Bürgern und Bauern gestattet, adeligen Besitz käuflich zu erwerben, sondern auch dem Adel erlaubt, einem bürgerlichen Gewerbe nachzugehen". Als Ausgleich f ü r die aufgehobenen Rechte und Standesvorteile sollte dem Adel, soweit dies notwendig erschien, die Möglichkeit eröffnet werden, in anderen Lebens- und Wirtschaftsbereichen eine Entschädigung zu finden17. Damit wurde zwar ein erster Schritt in der Aufhebung alter ständestaatlicher Verbote jeder anderen als der landwirtschaftlichen Betätigung des Adels getan, die Öffnung der «bürgerlichen Nahrung» für die Angehörigen des hohen und niederen Adels hatte jedoch zunächst kaum praktische Bedeutung. Lebensgewohnheiten, Erziehung und Traditionsbewußtsein sowie Familiengesetze, die die freie Dispositionsmöglichkeit über Vermögenswerte einschränkten, bildeten eine unübersteigbare Schranke. Als einzige mögliche Erwerbsquelle galt bis weit in das 19. Jahrhundert hinein die Land- und Forstwirtschaft, obwohl auch sie jahrhundertelang nur als notwendiger Rahmen einer standesgemäßen Lebensführung, nicht aber als Erwerbsobjekt, als Lebensunterhalt, angesehen wurde 18 . Diese standesbedingte Einengung schon des Versuches, kapita15
V g l . K E L L E N B E N Z , H E R M A N N , D i e wirtschaftlichen Beziehungen
land und Böhmen-Mähren
im Z e i t a l t e r der Industrialisierung,
zwischen
Westdeutsch-
in: B o h e m i a , J a h r b u c h
des
C o l l e g i u m C a r o l i n u m , B d . 3 , München 1 9 6 2 , S . 2 3 9 f f . 16
E d i k t , den erleichterten B e s i t z u n d den freien G e b r a u c h des G r u n d e i g e n t u m s s o w i e die
persönlichen Verhältnisse der L a n d b e w o h n e r betreifend, v o m 9. O k t o b e r 1 8 0 7 , i n : S a m m l u n g der f ü r die Königlichen Preußischen S t a a t e n erschienenen G e s e t z e u n d V e r o r d n u n g e n
von
1 8 0 6 bis z u m 2 7 . 1 0 . 1 8 : 0 , Berlin 1 8 2 2 , S . 1 7 0 f r . V g l . auch M E I N E C K E , FRIEDRICH, D a s Z e i t a l t e r d e r deutschen E r h e b u n g 1 7 9 5 - 1 8 1 5 , feld-Leipzig 17
Biele-
1 9 0 6 , S . 90.
R I T T E R k o m m t bei der Betrachtung der A u s w i r k u n g e n des preußischen E d i k t s v o n
z u dem E r g e b n i s , daß «Investitionen
der G r u n d b e s i t z e r
1807
in Industriebetrieben nur in sehr
bescheidenem U m f a n g s t a t t f a n d e n » , R I T T E R , U L R I C H P E T E R , a. a. O . , S . 1 2 6 . 18
« F o r centuries the Prussian nobility h a d been subjected to the principle t h a t m o n e y -
m a k i n g b y t r a d e or i n d u s t r y w a s not consonant w i t h social standing a n d therefore taboo. Even
landed-property
h a d a l w a y s been f o r purposes of consumtion and not a means of
profit. In classical times and in the M i d d l e A g e s it had been considered both b y the l a n d e d a r i s t o c r a c y a n d the urban politicians as a serious offence against n o r m a l class standards if an estate w e r e regarded as a basis f o r economic g a i n instead of the basis f o r a w a y o f life befitting one's estate.» K O H N - B R A M S T E D T , E R N S T , a . a . O . , S . 4 5 . -
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W o l l t e der A d e l
einmal
listisch zu wirtschaften, verhinderte nicht, daß dort, wo persönlidie Initiative und materiell-finanzielle Möglichkeiten zusammentrafen, trotz allen Widerständen Wege gefunden wurden, sich der kapitalistischen Entwicklung in anderen Wirtschaftsbereichen anzuschließen. Wo dies nicht der Fall war, wurde der Adel in eine aussichtslose Lage gedrängt und sank zu bloßen «Krautjunkern», zu den «Armen vom Adel» herab. «Es ist dieser heruntergekommene und verbitterte Landadelige, der dann immer wieder, von der ewigen Trauergestalt des Cervantes bis zu den Karikaturen des bürgerlichen Zeitalters, etwa eines Münchhausen, auch literarisch die Satire herausgefordert hat, weil er in einer der Welt immer unverständlicheren Weise bäuerische Rückständigkeit (aber auch verschwindende Ideale) mit aristokratischen Ansprüchen und Symbolen vereinigte.»19 Aus Pietät gegenüber der Standestradition entsteht ein Adel, der nicht kapitalistisch wirtschaften will, auch wenn ihm dazu die finanziellen Mittel, sei es durch größeren eigenen Besitz, sei es durdi Kapitalzuflüsse aus der Ablösungsgesetzgebung, gegeben sind. Die feudale Tradition stand dem «industriellen Erfolg und ähnlichem Ausgreifen» entgegen, selbst die eigenen Land- und Forstwirtschaften wurden oft nur wenig rationell geführt20. Neben jene, die das Althergebrachte höher einschätzten als die sich abzeichnende zukünftige Entwicklung und sich in eine freiwillige Isolation begaben, traten andere ebenso alte und angesehene Adelsgeschlechter, deren ideologische Einschätzung der «Ökonomik» besser ausfiel, die an den vielfältigen Gewinn- und Einkommenschancen der bürgerlichen Nahrung gern teilgenommen hätten, wenn sie nur die Mittel dazu gehabt hätten. Nicht alle Adeligen gewannen aus der durdi die Bauernbefreiung eingeleiteten Veränderung ihrer Besitz- und Vermögensverhältnisse einen Kapitalfonds, der groß genug war, um als Grundlage einer kapitalistischen Betätigung zu dienen. Die Ablösungskapitalien kompensierten nicht immer und überall die weggefallenen Leistungen der Bauern. «Die Freistellung der Bauern von Zehnten und Abgaben an den adeligen Grundherrn betraf gleichzeitig Existenzfragen des mit dem landwirtschaftlichen Grund und Boden verbundenen Adels.»21 Die rechtliche und vor allem die unmittelbar finanziell-materielle Situation eines auf der tausendjährigen Grundherrschaft fußenden Herrenstandes wurde zutiefst erschüttert. Während die Bewirtschaftung bisher meist naturaliter durch den Austausch von Waren und Dienstleistungen sowie durch reine Zwangsleistungen durchgeführt wurde, waren jetzt für den rationellen Betrieb einer größeren Landwirtschaft erhebliche Geldbeträge erforderlich. Auch Ausgaben für Schlösser und Landsitze, wohltätige Stiftungen und anderes mehr fielen weiter an, ohne daß man zu ihrer Deckung nach dem Wegfall der bisher bezogenen Abgaben eine neue Einnahmequelle erhoffen konnte. An die Stelle der Fronarbeiter traten nunmehr Lohnarbeiter, anstelle der auf Anforderung abzuliefernden Feldfrüchte trat der Kauf. Die kapitalistische Geldwirtschaft erfaßte die letzten großen Bereiche naturalwirtschaftlichen Denkens und Handelns. Für viele adelige Landwirtschaftsbetriebe zeigte sich nach Aufhebung der in die Kaufmannschaft vordringen - und sei es nur um seine landwirtschaftlichen Erzeugnisse abzusetzen - wurde ihm dies als «ungeziemend» untersagt, vgl. dazu auch GROSSMANN, FRIEDRICH, Ober die gutsherrlidi-bäuerlidien Rechtsverhältnisse in der Mark Brandenburg vom 16. bis 18. Jahrhundert, Leipzig 1890. 18 BRINKMANN, C A R L , Die Aristokratie im kapitalistischen Zeitalter, in: Grundriß der Sozialökonomik, I X . Abt., Tübingen 1 9 2 6 , S . 2 5 ; vgl. auch K O H N - B R A M S T E D T , E R N S T , a.a.O., S . 4 7 ff. 20 Vgl. GOLLWITZER, H E I N Z , Die Standesherren, 2 . Aufl., Göttingen 1 9 6 4 , S. 2 5 9 . 21 FACIUS, FRIEDRICH, Wirtschaft und Staat. Die Entwicklung der staatlichen Wirtschaftsverwaltung in Deutschland vom 17. Jahrhundert bis 1945, Boppard 19J9, S. 41. 3°
Feudalverfassung bald, daß ihre Fortführung nicht möglich war oder doch nur in einer Form, für die dem Besitzer die Mittel und Kenntnisse fehlten. Auch hier zeigt sich die unterschiedliche Entwicklung in Ost- und Süddeutschland. Dort saß der «Krautjunker» auf seinem Besitz, den er mit erbuntertänigen Bauern selbst bewirtschaftete, hier hatte der Grundherr lediglich zinsende Untertanen, die auf eigenem, wenn auch abgeleiteten Besitz saßen22. Die Güter des Ostens bildeten geschlossene einheitliche Wirtschaften, während der süddeutsche Grundherr sich damit abfinden mußte, «daß er beim Betrachten eines Lageplanes seines Besitzes ein ebensolches Flickwerk im kleinen erblickt, wie auf einer politischen Karte vom Ausgang des heiligen römischen Reiches»23. Für die Fortführung des eigenen Betriebes, soweit dieser dazu groß genug war, ergaben sich damit für den süddeutschen Adeligen besondere Schwierigkeiten, während der Großgrundbesitz in den übrigen Teilen Deutschlands, vor allem in Ostelbien und Sachsen, eine «wirtschaftlidie Hochburg ersten Ranges» werden konnte24. Solange noch die Ablösungsgelder gezahlt wurden, bestand für den adeligen Großgrundbesitzer die Chance einer Anpassung und Umstellung auf intensive, rationelle Bewirtschaftungsmethoden, wie sie seit A L B R E C H T T H A E R die Landwirtschaft zu beeinflussen begannen und die dazu beitrugen, daß diese - zumal im Großbetrieb - «ein auf Reinerträge und Gewinn berechnetes Geschäft» wurde25. Durdi die aus der Ablösung fließende Finanzhilfe erwarb der Adel gegenüber den sidi verschuldenden Bauern sogar eine bessere Ausgangslage. Die sächsische Ritterschaft forderte, alles zu tun, damit die Ablösungsgelder wirklich zur fortschreitenden Intensivierung der Landwirtschaft angelegt wurden, um so den alten Familienbesitz in vollem Umfang zu erhalten2®. Nachdem jedoch der Zufluß der Ablösungsgelder versiegte, war es für alle, die diese Ubergangshilfe nicht zu nutzen wußten, meist zu spät: «Viele Familien aus altem Adel verarmten.»27 Allerdings wurde dies nicht immer als Schicksal in einer neuen Zeit verbittert hingenommen, sondern man suchte neue Lebens- und Erwerbsmöglichkeiten in den wenigen anderen den Adeligen ohne Prestigeverlust zugänglichen Berufen, im zivilen und militärischen Staatsdienst. Im Hinblick auf den Verlust des alten Besitzes und alle damit verbundenen Umstellungssdiwierigkeiten wird ein zeitgenössisches Urteil verständlich, wonach es «unter allen Operationen der Neuzeit keiner so gut gelungen ist, die Destruktion des Adels im Geiste des demo22 VON GAYLING, K A R L , Entstehung der adeligen Grundbesitz Verhältnisse in Baden, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrg. 1 9 2 7 , S. 600. 28 Ebenda. 24 HERMES, GERTRUD, a . a . O . , S. 1 3 5 . Allerdings sollte man daraus nicht ableiten, der preußische Adel sei von jeher besonders geschäftstüchtig gewesen und von altem kaufmännischen Geist beseelt, wie dies LEWINSOHN offensichtlich, durch die Entwicklung in Oberschlesien beeinflußt, tut. Vgl. LEWINSOHN, RICHARD, Das Geld in der Politik, Berlin 1930, S.32.
25 TÖNNIES, FERDINAND, Deutscher A d e l im 19. Jahrhundert, in: Die neue Rundschau, X X I I I . Jahrg., 1 9 1 2 , S. 1050. " TEUBNER, FRITZ, Die agrar- und steuerpolitisdien Verhandlungen der sächsischen Stände von 1 8 1 1 - 4 3 unter besonderer Berücksichtigung der Stellungnahme der Ritterschaft, staatswiss. Diss., Halle 1924, S. 57. Nach Angaben TEUBNERS sind der sächsischen Ritterschaft von 1 8 3 2 - 1 8 5 9 über 85 Mio. Mark an Ablösungsgeldern zugeflossen, derselbe, S. 42. 27 HAUSHERR, HANS, a. a. O., S. 380. Aber auch die uneingeschränkte Teilnahme an einem «standesgemäßen» Leben, die wachsende Zahl der Familienmitglieder, die an einem arbeitslosen Einkommen teilhaben wollten, ließen die Verschuldung weiter ansteigen; vgl. SCHMOLLER, GUSTAV, Z u r Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert, Halle 1870, S . 675 f.
3i
kratischen Nivellierungsstrebens sicherer zustande zu bringen, als durch dieses Ablösungssystem»28. Das langsam an Wohlstand gewinnende Bürgertum beginnt dafür um so eifriger, freiwerdende Adelssitze zu erwerben und damit in Lebens- und Tätigkeitsbereiche der als gesellschaftliches Vorbild angesehenen adeligen Familien einzudringen. Dieses Bemühen erfolgreicher Kaufleute, in die Lebensformen einer höher geachteten Gesellschaftssdiicht hineinzugelangen, ist nicht neu. «Die Kinder der K a u f leute, deren Väter ein ansehnliches Vermögen erworben haben, ergreifen am wenigsten die Commerzien» schreibt VON JUSTI schon 1 7 5 6 " , «sie widmen sich den Wissenschaften, dem Cameralwesen oder dem Soldatenstande; und die Väter selbst eilen, um sich Landgüter anzukaufen.» Weiter stellt VON JUSTI fest, daß gerade dann, wenn das erworbene Vermögen für größere, wichtige Handelsgeschäfte eingesetzt werden könnte, der Kaufmann dieses Kapital aus den Commerzien herausziehe, um es einem adeligen Leben zu opfern 30 . Sicher ist auch im 19. Jahrhundert manches Kapital aus dem Bürgertum und dem Kaufmannsstand auf diese Weise einer unternehmerisdien industriellen Anlage verloren gegangen und für eine den Zeitverhältnissen entsprechende Aufbesserung gesellschaftlicher Positionen verbraucht worden. Unter den adeligen Standes- und Grundherren läßt sich schließlich nodi eine dritte Gruppe erkennen, bei der sich der Wille zur bislang nicht standesgemäßen kapitalistischen Betätigung mit der Möglichkeit vereint, durch ausreichende Kapitalien und wagemutige, die neuen Verhältnisse richtig einschätzende Initiative diesen Willen auch zu verwirklichen. Eine aus dem Bereich der Landwirtschaft herausführende unternehmerische Tätigkeit hat der Adel schon vor dem 19. Jahrhundert innerhalb seiner Grundherrschaft in einzelnen Fabrikationszweigen ausgeübt, die - wie die Ziegel- und Glasherstellung oder die Verarbeitung einzelner landwirtschaftlicher Produkte (Leinen-, Branntwein- und Rübenzuckerproduktion) - vorwiegend dazu diente, den eigenen lokalen Bedarf zu decken". Daneben stand der Wunsch, auf diese Weise zu - wenn auch geringen - baren Einnahmen zu kommen. Immerhin wurden auch Klagen darüber geführt, daß adelige Gutsbesitzer durch günstige Produktionsbedingungen für die auf ihren Gütern angesiedelten Handwerker den städtischen Handel gefährdeten und zu unliebsamen Konkurrenten des städtischen Handwerkertums wurden' 2 . «An sich war der Geschäftsumfang in der Regel viel zu gering, um in Wahrheit eine günstige Bilanz zu geben. Das Absatzgebiet war eng begrenzt, die Kundschaft erzwungen und ärmlich, und Technik und Sachkunde sehr unvollkommen.» 33 Eine solche frühe Unternehmertätigkeit des Adels kennzeichnet besonders «das ganze gegenüber dem Westen städteärmere Ostmitteleuropa"», wo die städti18 FISCHER, LAURENZ HANNIBAL, Der teutsdie A d e l in der Vorzeit, Gegenwart und Z u kunft vom Standpunkt des Bürgertums betrachtet, 2. Bd., Frankfurt 1 8 5 2 , S. 2 9 1 ; zur w i r t schaftlich-sozialen Stellung des Adels nach 1 8 1 5 siehe auch HAMEROW, THEODORE S., Restauration, Revolution, Reaction. Economics and Politics in G e r m a n y 1 8 1 j—1871, Princeton 1 9 5 8 , S. 50. 19
VON JUSTI, JOHANN HEINRICH GOTTLOB, a. a. O . , S. 246. Ebenda. 31 Über die Bedeutung des böhmischen Grundbesitzer-Adels Landes, insbesondere für den A u f b a u von Zuckerfabriken, S. 2 7 5 ff. 32 Vgl. dazu BUES, ADELHEID, Adelskritik - Adelsreform, öffentlichen Meinung in den letzten beiden Jahrzehnten des Göttingen 1948, S. 34. 35 Diese Charakterisierung erfährt das landwirtschaftliche AUGUST, a. a. O., S. 386. 34 HASSINGER, HERBERT, a . a . O . , S. 165. so
32
für die Industrialisierung des vgl. SALZ, ARTHUR, a. a. O . , ein Versuch zur Kritik der 18. Jahrhunderts, phil. Diss., Nebengewerbe bei
MEITZEN,
sehen Handwerker nicht schnell genug und in ausreichender Zahl verfügbar waren und die Beschaffung einzelner Waren abseits der großen Handelsstraßen und -platze zu kostspielig war. Ein ausgesprochen kapitalistisches Erwerbsstreben darf man diesen adeligen Unternehmungen noch nicht zusdireiben, ihre unternehmerische Initiative galt allein der Sicherung ihres Lebensstils®6. «Industrielle Nebenbetriebe wuchsen hier nur in einem Maße heran, das durch einmalig notwendige Neuanschaffungen oder durdi die Menge aufwandslos verfügbarer Vorräte und Rohstoffe, wie zum Beispiel das Brennholz für die Holzkohlengewinnung bestimmt wurde.»36 Möglichkeiten einer unternehmerischen Betätigung des Adels außer in den landwirtschaftsnahen Gewerbezweigen ergaben sidi auch dort, wo landesherrliche Privilegien oder der Besitz des Bergregals notwendig waren. Dies gilt in erster Linie für den obersdilesisdien Adel, der gegen Preußen nicht nur erfolgreich den Besitz des Bergregals verfodit, sondern auch die Mittel besaß, dieses Privileg selbst durch eigene Bergbautätigkeit zu nutzen. In geringerem Umfang wurde das Bergregal, soweit es einen erfolgreichen Ertrag versprach, auch in anderen Gebieten von den adeligen Besitzern selbst beansprucht®7. Zu den regierenden Häusern hatte der Adel in der Regel ein besonderes Vertrauensverhältnis, das ihm mandie Vorteile sicherte. Kamen dann noch ein größerer Grundbesitz und frei verfügbares Kapital hinzu, so war für den, der mit der Standestradition zu brechen bereit war, eine günstige Ausgangsposition für die Teilnahme am beginnenden kapitalistischen Wirtschaftswachstum gegeben". «In der Tat war der Adel im ganzen Rheinland, im Hunsrück und in der Eifel, im Westerwald, Bergischen Land und quer durdi ganz Westfalen, namentlich seit dem 17. und 18. Jahrhundert beteiligt, Berg- und Metallwerke zu gründen und Wasserkräfte auszunutzen - also vom Inhalt seines Lehensbesitzes oder seiner Beamtenstellung auszugehen.»39 Die märkischen Edelleute V O N E L V E R F E L D T und V O N R O M B E R G , die in der Grafschaft Mark «dem Bergbau mit Eifer, Verständnis und Erfolg oblagen40» und von denen letzterer als Landesdirektor den Reichsfreiherrn Friedrich Leopold von Fürstenberg zu Hedringen in Westfalen gewinnen konnte, die ersten Untersuchungen D I N N E N D A H L S mit Vorschüssen bis zu 14 000 Talern zu fördern 41 , mögen hier als Beispiel erwähnt sein. Trotzdem standen dem Adeligen, der sich über den Rahmen seiner Grundherrsdiaft, seines eigenen Besitztums hinaus unternehmerisch betätigen wollte, erhebliche Hindernisse entgegen. «Kam er aus dem Adel», berichtet T R E U E über den Unternehmer des 19. Jahrhunderts, «so konnte er in Preußen, aber auch in anderen Staaten, wegen dieses Vorstoßes in die bürgerliche Nahrung von Anfang an mit dem Staat in Konflikt geraten»42. Weit stärker noch dürfte sein Verhalten von den Standesgenossen 85
Ebenda.
"
B R I N K M A N N , C A R L , a. a. O . , S .
26.
87
Vgl.
der E n t s t e h u n g s z e i t . . . ,
DÄBRITZ,
WILHELM,
AUS
a.a.O.,
S . 3 8 7 f.
und
BURK-
HARDT, K U R T , a. a. O . , S . 4 3 . 58 Siehe auch TREUE, WILHELM, Das Verhältnis von Fürst, Staat und Unternehmer in der Zeit des Merkantilismus, in: V S W G , 44. Bd., 1957, S. 37 und KUSKE, BRUNO, Die allgemeine geschichtliche Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaftsweise und ihrer persönlidien Kräfte in Westdeutschland, in: Die Rheinprovinz, 1939, S. 13. 8 * KUSKE, ebenda. Weitere Beispiele für die wirtschaftliche Betätigung des Adels audi bei LÜTGE, FRIEDRICH, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. Aufl., Berlin - Heidelberg New York 1966, S. 3 7 j ff. 40
B E R G E R , LOUIS, a. a. O . , S . 2 3 2 .
41
K L U I T M A N N , L E O , a. a. O . , S . 1 6 .
42
T R E U E , WILHELM, D a s V e r h ä l t n i s v o n . . . ,
a . a. O . , S . 2 7 ; ebenso G R Ö B A , K U R T ,
Unternehmer im Beginn der Industrialisierung Schlesiens, Breslau 1936, S. 10. 33
Der
mißbilligt worden sein. Gerade im preußischen ost- und mitteldeutschen Raum setzt im 19. Jahrhundert eine starke Veränderung der Eigentumsverhältnisse ehemals adeliger Besitzungen ein, während in Oberschlesien, aber auch im südwestdeutsdien Raum unternehmerische Initiative des Adels sich zunächst auf eigenem Grund und Boden entfalten konnte und insoweit eine Weiterentwicklung der geschilderten erwerbskapitalistisch orientierten Ausnutzung der vorhandenen eigenen Rohstoff- und Produktionskapazitäten eintrat. In Oberschlesien entstand so schon sehr früh auf dem Reichtum von Holz, Kohle und Erz eine Montanindustrie in adeligem Besitz der Fürsten von Pless, der Grafen Thiele-Winckler, Henckel von Donnersmarck, Ballestrem und Schaffgotsch sowie des Fürsten von Hohenlohe-Oehringen, der seit 1799 in Oberschlesien großen Grundbesitz erworben hatte4*. Auffallend ist dabei, daß in der oberschlesischen Industrie, stand sie nun in Privatbesitz oder im Eigentum des preußischen Staates, ein technischer Entwicklungsstand erreicht wurde, wie er aus anderen Teilen Deutschlands erst viel später bekannt ist. Die ersten Dampfmaschinen wurden in Oberschlesien eingesetzt; mit Koks beschickte Hochöfen standen hier rund jo Jahre bevor der erste Kokshochofen im Ruhrgebiet erbaut wurde44. Die auf dem Grundbesitz beruhende große Kapitalkraft kam diesem frühzeitigen Einsatz neuer technischer Verfahren in hohem Maße zugute. In gleicher Weise dürften Pioniergeist und Erfolge eines einzelnen Manne, FRIEDRICH WILHELM G R A F VON REDEN, als anspornendes Vorbild gewirkt haben. Als leitender Beamter der staatlich-preußischen Hüttenund Bergwerksbetriebe in Oberschlesien war er allen Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen45. Fortschritte und Initiative der staatlichen Unternehmungen wirkten anspornend, so wie dies auch die Beispiele staatlicher Kapitalhilfe durch die königlich-preußische Staatsbank und Seehandlung für den Auf- und Ausbau moderner Spinnereien und Flachsmanufakturen in Schlesien und Westfalen tun sollten4'. Auch für den west- und südwestdeutschen Raum gibt es Beispiele, wie sich aus kleinen Produktionsanfängen auf adeligem Besitztum eine größere Industrie entwickelt, wie Adelige - wenn zunächst auch nur als Nebenwirtschaft - ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben industrielle Produktionsstätten an die Seite stellen. So hatten zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Schwarzwald die Fürstlich Fürstenbergisdien Betriebe eine Bedeutung erreicht, die auch andere südwestdeutsche Herrschaften anregte, auf ihren Territorien bei der Erzgewinnung und im Hüttenbetrieb ähnliche Fortschritte zu erzielen47. Der zunächst in beliebiger Menge in den eigenen Wäldern verfügbare Rohstoff Holz und die zunehmende Nachfrage nach Eisenwaren aller Art ließen diese Unternehmen recht gewinnbringend erscheinen, solange sie verkehrstechnisch abgeschlossen von der übrigen industriellen Entwicklung nahezu konkurrenzlos produzieren konnten. Die Ausweitung des Eisenbahnnetzes und der damit Hand in Hand gehende Absatz des zunächst in England, dann auch in zunehmendem Maße im rheinisch-westfälischen Raum in Kokshochöfen rationell hergestellten billigen Eisens offenbarte schließlich die Unwirtschaftlichkeit solcher Betriebe48. Nur eine rasche und 43
V g l . h i e r z u KNOCHENHAUER, BRUNO, a. a. O . , S . 1 0 7 .
44
GRAF VON REDEN ließ in G l e i w i t z 1796 den ersten K o k s h o d i o f e n anblasen, v g l . SIMMER-
BACH, F . , a. a. O . , S. 2 8 1 . 45 SCHWEMANN, A . , Friedrich Wilhelm G r a f v o n Reden, i n : Beiträge zur Geschidite der Technik und Industrie, B d . X I V . , Berlin 1924, S. 22. 4*
V g l . d a z u auch MEITZEN, A U G U S T , a. a. O . , S . 4 1 2 .
V g l . d a z u SIEBERTZ, PAUL, Ferdinand v o n Steinbeis, ein Wegbereiter der Wirtschaft, Stuttgart 1952, S. $9 f. 48 Aufschlußreich ist hier die Untersuchung v o n REINERT, E., Württembergische Eisenhütten in der G e g e n d der oberen D o n a u . Aus der Geschichte der H ü t t e n w e r k e L u d w i g s t h a l , Talheim, H a r r a s und Bärenthal, in: Tuttlinger Heimatblätter, N r . 3J (Sonderheft), 1941, S. 24. 47
34
kostspielige Modernisierung der Anlagen und Produktionsverfahren konnte eine weitere Existenz sichern. Nicht selten zeigte sich, -wie im Falle der Fürstenbergisdien Werke, daß «die bürokratischen Instanzengänge der fürstlichen Domänenverwaltung nicht die f ü r einen Industriebetrieb, der die jeweils rascheste Auswertung geschäftlicher Konjukturen erheischt, erforderliche Beweglichkeit gewährleistet» 49 . Bevor dieser bürokratische Widerstand zum Ausscheiden des Hüttendirektors des Fürstlich Fürstenbergisdien Werkes Hammereisenbach, V O N S T E I N B E I S , führte, machte dieser 1838 noch den Vorschlag, den Fürstenbergisdien Werken von außen her privates K a pital zuzuführen: « . . . es ist nämlich bekannt, wie groß die Aktienwut neuerer Zeit ist, und es ist ebenso wenig einem Zweifel unterworfen, daß es wenig Mühe verursachen würde, für 1,2 Mio. Gulden Aktien auf die fürstlichen Eisenwerke abzusetzen . . ,»50. Ob diese Aktienausgabe den erwünschten Erfolg gehabt hätte, sei dahingestellt; viel wahrscheinlicher ist, daß V O N S T E I N B E I S bereits an ganz bestimmte private Kapitalgeber dachte, von deren Beteiligung er sich vor allem einen stärker in die Zukunft ausgerichteten, echt unternehmerischen Einfluß auf die Fürstenbergisdie Geschäftspolitik versprach. Nur mühsam konnten die süddeutschen Unternehmen eine lokale Bedeutung aufrecht erhalten, bis ihnen schließlich durch die Ausdehnung des neuen Transportmittels Eisenbahn, durch die billigere und bessere Produktion der Hüttenwerke im rheinischwestfälischen Raum jede Lebensmöglidikeit genommen wurde. Betrachtet man die Entwicklung des großbürgerlichen Unternehmertums nach seiner politischen Emanzipation 1848, so ergibt sich auch die Frage, ob und inwieweit sich der Adel, soweit er über ausreichendes Kapital und genügend Aufgeschlossenheit verfügte, dieser Entwicklung angepaßt hat. Jene dritte Gruppe standes- und grundherrlicher Kapitalisten hat sicher nicht an dem anbrechenden deutschen Industriezeitalter vorbeigelebt. Sie erkannte im Gegenteil «that much bigger business could be done in the nineteenth Century with ore and coal than with corn and potatoes» 51 . Die Erfolgsaussiditen unternehmerischer Adeliger, die die ihnen aus der Ablösungsgesetzgebung zufließenden Erträge ihrer alten Grundherrlichkeit einer zwar noch nicht standesgemäßen, aber chancenreichen industriell-kommerziellen Verwendung zuführen wollten, waren sicher gleich groß oder gar größer als die von Handwerkern, Erfindern und Kaufleuten. Was letztere an Erfahrungen, kaufmännischem Fingerspitzengefühl und erfinderischem Wagemut mitbrachten, ersetzte der Adelige durch weitreichende Verbindungen zu Staat und Herrscherhaus, durch größere Bildung und durdi die Verfügungsmacht über ein größeres Eigenkapital, ganz abgesehen von dem Ansehen, das man seiner Person im privaten und öffentlichen Leben entgegenbrachte. Der Name eines Adeligen an der Spitze eines Unternehmens wirkte auf die übrigen Beteiligten und nadi außen hin als Garantie f ü r Bonität und Erfolg. Zumindest erstere war auch gegeben, solange der «adelige» Unternehmer nicht lediglich seinen Namen verkaufte, um bequeme Einkünfte zu erzielen, sondern wirklich finanziell und ideell an dem Unternehmen interessiert war. «So wenig eine wirtschaftlich absinkende Aristokratie auf Grund eines gesellschaftlichen Prestiges ihre Position behaupten 49
S o eine Ä u ß e r u n g v o n VON STEINBEIS bei S I E B E R T Z , P A U L , a . a. O . , S. 9 4 . V g l .
auch
WORRING, HANS-JÜRGEN, Das Fürstenbergisdie Eisenwerk Hammereisenbach und die angegliederten Schmelzhütten Ippingen-Bachzimmem und Kriegerthal in den Jahren 1 5 2 3 bis 1867, staatswiss. Diss., Freiburg 1952, S. 60. 50 Gutachten F. VON STEINBEIS: «Über den Selbstumtrieb, die Verpachtung oder den Verkauf der Fürstlich Fürstenbergisdien Eisenwerke», 1838, zitiert bei WORRING, HANS-JÜRGEN, a. a. O., S. $ 9 . 51
K O H N - B R A M S T E D T , ERNST, a. a. O . , S . 4 6 ; ebenso L E V I N S O H N , R I C H A R D , a . a . O . , S . 3 2 .
3J
konnte, so stark wirken Tradition und überkommene gesellschaftliche Geltung zu ihren Gunsten, wenn wirtschaftliche Macht mit ihnen Hand in Hand geht . . .»52 Trotzdem sind nur wenige Fälle bekannt, in denen der Adel unter den aktiven Förderern der industriellen Entwicklung erscheint oder gar ein Adeliger selbst unmittelbar als Unternehmer tätig wird6*. Einige dieser Beispiele werden im folgenden nodi näher zu erörtern sein. Bis 1870, so führt K O H N - B R A M S T E D T aus, habe dem Adel jeglicher Unternehmergeist gefehlt: «Thus, the landed nobility, who, apart from a few big bankers, furnished at that time the capital-owning Stratum, stood aside during the building-up of West-German heavy industries in the middle of the nineteenth Century and left the financing almost entirely in the hands of foreign capitalists.»54 Wenn auch fehlende Eigeninitiative des Adels diesen Anschein bestätigen mag, so gab es doch Wege, unbemerkt von der Öffentlichkeit die Isolation des Standes zu verlassen. Größere Möglichkeiten, an einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit teilzunehmen, ohne selbst unmittelbar in Erscheinung zu treten, eröffneten sich für den adeligen Kapitalbesitzer um die Jahrhundertmitte. Mit der Ausbildung des Bankenapparates konnte er sich als anonymer Kreditgeber an der Zeichnung von Obligationen aller Art beteiligen; auch der Aktienkauf wurde durch die Vermittlung der Banken möglich. Es ist nur allzu verständlich, daß diese Formen der Kapitalanlage vielen adeligen Kapitalbesitzern mehr zusagten als eine aktive Unternehmertätigkeit. Einmal brauchte die gewohnte Lebensordnung nicht verlassen zu werden, zum anderen konnte gegenüber der öffentlidikeit, besonders aber gegenüber anderen noch stärker traditions- und standesgebundenen Familien der Umfang eigenen erwerbswirtsdiaftlidien Handelns geringer dargestellt werden, als er es tatsächlich war, und die eigene standes- und grundherrliche Selbständigkeit besser dokumentiert werden. Z O R N weist darauf hin, daß der neue Geist einer «außeragrarischen Verwirtsdiaftlichung» in den 1850er Jahren in der Teilnahme des reichen ostelbischen Adels an der Aktienspekulation im Eisenbahnbau zum Ausdruck kommt™. Hinzu kommt, daß auch in Preußen seit 1850 bei der Grundentlastung die Ablösung durdi Obligationen der Rentenbank an die Stelle privater Rentenvereinbarungen oder der in erheblichem Umfang durchgeführten Landabtretung getreten war 5 ', wodurch weite Kreise in eine erste Berührung mit Wertpapiergeschäften des Kapitalmarktes kamen. In anderen deutschen Staaten war diese Verbindung schon viel früher hergestellt worden. So mag denn das mit der stark ansteigenden Kapitalnachfrage um die Jahrhundertmitte zunächst noch schritthaltende Kapitalangebot mit darauf zurückzuführen sein, daß aus den Ablösungsgesetzen den Standes- und Grundherren zugeflossene Kapitalien über vielerlei Wege durch Finanzmakler und Privatbankiers letztlich auf dem Kapitalmarkt zur Befriedigung des Kapitalbedarfs der wachsenden Zahl von Unternehmungen bereitstanden. Ein Umschwung in der Haltung des Adels und eine zunehmende Aufgeschlossenheit für die erwerbswirtschaftlichen Möglichkeiten des kapitalistischen Zeitalters mag
SI
HERMES, GERTRUD, a. a. O . , S . 13 J.
V g l . d a z u auch KLUITMANN, LEO, a. a. O . , S. 16. KOHN-BRAMSTEDT, ERNST, a. a. O . , S. 46. Beachtenswert auch hier w i e d e r d e r H i n w e i s a u f die große Bedeutung ausländischen K a p i t a l s f ü r die deutsche Industrialisierung. 5 8 ZORN, WOLFGANG, Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Z u s a m m e n h ä n g e der deutschen Reichsgründungszeit ( 1 8 5 0 - 1 8 7 9 ) , in: Historische Zeitschrift, B d . 197, 1963, S. 327. 5 4 G e s e t z betreffend die A b l ö s u n g der Reallasten und die Regulierung der gutsherrlichen u n d bäuerlichen Verhältnisse v o m 2. 3. 1850, G e s e t z S a m m l u n g f ü r die königlichen preußischen S t a a t e n , 1850, N r . 10, S. 7 7 ff. 58 14
G e s e t z über die Errichtung v o n R e n t e n b a n k e n v o m 2. 3. 1850, ebendort, S. 1 1 2 ff.
36
auch damit begründet werden, daß die Hoffnung auf den aristokratisch bevorrechtigten Grundbesitz als geeigneter Ausgangsposition für die Wiedererlangung politischer und persönlicher Standesprivilegien endgültig begraben werden mußte. Waren noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts Bestrebungen im Gange, den Adel zu seiner ursprünglichen Bestimmung als erstem und gebildetstem Stand im Staate zurückzuführen 67 , so wurden nach 1848 alle Versuche, alte ständische Feudalrechte wieder herzustellen, durdi die Staatsverfassungen endgültig unmöglich gemacht58. Nicht immer hatte der Adel bei seinen ersten Versuchen, sich als kapitalistischer Unternehmer oder Finanzier zu betätigen, eine glückliche Hand. Unter den vielen Möglichkeiten der Kapitalanlage die richtige Auswahl zu treffen, gelang nicht immer. Uberall, wo den Adeligen eigene Initiative und Erfahrungen mit kommerziellen Gepflogenheiten, aber auch der Uberblick und die richtige Einschätzung der gegebenen industriellen Entwicklungsmöglichkeiten fehlten, bestand die Gefahr, daß mit dem guten Namen und dem Kapital des Geldgebers unsolide und wenig aussichtsreiche Unternehmen gedeckt wurden, daß er von rührigen Spekulanten in gewagte Unternehmungen gezogen wurde. L E I S K O W gibt eine Pressenotiz jener Zeit wieder, die zeigt, wie solche unglücklichen Versuche kapitalistischer Tätigkeit beurteilt wurden: «Man meint, es wäre besser, die Barone wären geblieben, was sie waren, oder noch besser, sie wären wieder geworden, was ihre Vorfahren (waren): wirkliche Edelmänner. Wenn sie den Mut hätten, wirklich zu arbeiten, ein Handwerk, ein kaufmännisches Geschäft zu treiben, so würde ihnen das sicher nicht schlimmer gedeutet werden; aber dem Adel, dem es nicht um die Teilnahme an der Arbeit, sondern nur um die Teilnahme an den Früchten der Arbeit zu tun ist, und der darüber vergißt, was er seinem Stande schuldet, der sich von Spekulanten und Krämern mißbrauchen, vorschieben, hinstellen, an der Börse ausschreien läßt, der hat in den Augen des Publikums, nach dem Urteil der öffentlichen Meinung, dem Rest seiner Ehre den Kopf abgebissen5*.» Auf die «lebhafte Beteiligung der aristokratischen Elemente am modernen Gründungsschwindel» weist auch W I R T H bei der Betrachtung der Verhältnisse in Österreich hin: «In den verschiedenen Verwaltungsräten der seit 1866 gebauten Bahnen sitzen jetzt (1874; der Verf.) aus den Reihen des historischen Adels: 13 Fürsten, ein Landgraf, 64 Grafen, 29 Barone, 41 andere Adelige. In der selben Zeit traten ein Fürst, 16 Grafen, sechs Freiherren und zwei andere Adelige als Verwaltungsräte anderen in Wien gegründeten industriellen Unternehmungen bei, f ü r welche diese Herren gar kein natürliches Interesse haben konnten und die sie weder durch hinrei57 Über die «eigentümliche Frucht» des Wiener Kongresses, durch die «Adelskette» den Adel auch im Reiche der Ideen, der Wissenschaft und Bildung zum ersten Stand zu machen, vgl. MÜNDT, THEODOR, Geschichte der deutschen Stände, Berlin 1854, S. 488; ferner: VON DRECHSEL, CARL AUGUST, Über Entwürfe zur Reorganisation des deutschen Adels im 19. Jahrhundert, Ingolstadt 1 9 1 2 . Tatsächlich konnte der Adel in Deutschland bis 1848 seine politische und gesellschaftliche Stellung nach den Erschütterungen der napoleonischen Zeit wieder festigen, vgl. CONZE, WERNER, Das Spannungsfeld von Staat und Gesellschaft im Vormärz, in: Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1 8 1 5 - 1 8 4 8 , hrsg. von W . CONZE, Stuttgart 1962, S. 226. 58 So waren z. B. in Württemberg durch die Einführung der sog. Grundrechte am 27. 12. 1848 bis zu deren Wiederaufhebung am 2 . 4 . 1 8 5 2 zahlreiche Maßnahmen zur Einschränkung adeliger Vorrechte wirksam geworden, die weiterhin rechtskräftig blieben, vgl. G ö z , KARL, Das Staatsrecht im Königreich Württemberg, Tübingen 1908, S. 57. Ebenso vernichtete die preußische Verfassung vom 3 1 . 1 . i 8 j o mit A r t . 4 («StandesVorrechte finden nicht statt») alle Hoffnungen auf weitere Vorrechte; vgl. dazu auch SCHULZE, HERMANN, Das preußische Staatsrecht auf Grundlage des deutschen Staatsrechts, Bd. 1, 2. Aufl., Leipzig 1888, S. 423. 58 LEISKOW, HANNS, a. a. O., S. 59; das Zitat wurde dem in Nürnberg erscheinenden Kriegs- und Friedenskurier, Jahrg. 1857, N r . 94, entnommen.
37
diende Geschäftskenntnis, noch durch ein genügendes Kapital zu unterstützen vermochten.»60 Sicher ist ein adeliger Name unter den Mitgliedern von Verwaltungsräten und Gründungskonsortien kein Beweis für einen Gründungsschwindel; W I R T H möchte damit lediglich betonen, daß man in jener Zeit gerne einem wenig soliden Unternehmen durch feudalen Glanz einen besonders guten Ruf zu verschaffen suchte. Wir werden bei der Betrachtung der deutschen Standes- und Grundherren nodi sehen, daß sehr enge Verbindungen zu Finanzmaklern und Bankhäusern, die sich aus langjährigen Darlehensgeschäften ergeben hatten, viele Adelige veranlaßten, ihnen zustehende größere Kapitalsummen ebenfalls wieder diesen Finanziers zur Verfügung zu stellen, ohne daß sie einen Einfluß darauf hatten, welche Geschäfte diese Bankiers mit den ihnen überlassenen Geldern betrieben. Zeitgenössische Stimmen fanden ein solches Verhalten des Adels durchaus nicht aristokratisch und schlugen vor, «der Adel solle es den Börsenjuden überlassen, massenhafte Kapitalien in Papierspekulationen anzulegen, und seine verfügbaren Gelder schon aus sozialen Gründen der nationalen Industrie und Kunst zuwenden»81.
III. Höhe und Verwendung der Ablösungskapitalien A. Vorbemerkungen Eine Untersuchung der den Standes- und Grundherren zugeflossenen Ablösungskapitalien soll nicht die zahlreichen Darstellungen der Grundlasten- und Zehntablösungen in den deutschen Ländern um eine weitere vermehren, wenn auch für manche - vor allem kleinere - deutsche Staaten Einzeluntersuchungen noch immer fehlen1. WIRTH, MAX, Geschichte der Handelskrisis im Jahre 1 8 7 3 , Frankfurt 1 8 7 4 , S . 108 f. 61
R I E H L , W I L H E L M H E I N R I C H , a. a. O . , S . 2 3 8 .
1
A n zusammenfassenden Darstellungen liegen vor: KOPP, ADOLF, Zehntwesen und Zehntablösung in Baden, Freiburg 1899 KOHLER, ADOLF, Die Bauernbefreiung und Grundentlastung in Baden, phil. Diss., Freiburg i9$8 REINHARD, OTTO, Die Grundentlastung in Württemberg, Tübingen 1 9 1 0 GRÜNBERG, KARL, Die Bauernbefreiung und die Aufhebung des gutsherrlich-bäuerlichen V e r hältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien, 2 Bde., Leipzig 1893/94 HAUSMANN, SEBASTIAN, Die Grundentlastung in Bayern, Straßburg 1 8 9 2 LÜTGE, FRIEDRICH, Die mitteldeutsche Grundherrsdiaft und ihre Auflösung, 2. A u f l . , Stuttgart 1 9 5 7 THOMAS, ADOLF, Beiträge zur Geschichte lichen Grundbesitzes im Großherzogtum VOGDT, GERHARD, Die Bauernbefreiung WITTICH, WERNER, Die Grundherrschaft F ü r kleinere Staaten liegen v o r :
der Bauernbefreiung und der Entlastung des bäuerHessen, Gießen 1 9 1 0 in Mecklenburg, Würzburg 1 9 3 7 in Nordwestdeutschland, Leipzig 1 8 9 6
OTTO, JOHANNE, Die Besitzverhältnisse und die Ablösung der Fronen, Lehen und Zinsen der Bauerngüter im ehemaligen Fürstentum Sdiwarzburg - Rudolstadt, Jena 1 9 2 6 SCHREMMER, ECKHART, Die Bauernbefreiung in Hohenlohe, Stuttgart 1963 LÜTGE, FRIEDRICH, Die Bauernbefreiung in der Grafschaft Wernigerode, in: Zeitschrift für den Harz-Verein für Gesdiidite und Altertumskunde, 56-/57. Jahrg., 1 9 2 4 / 2 5 , S. 1 ff.
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Die Mehrzahl der Autoren befaßt sidi darüber hinaus fast ausschließlich mit dem Zustandekommen der gesetzlidien Bestimmungen und deren Durchführung, weniger mit den weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen. A u f die gesetzlichen Grundlagen und die Durchführung der Ablösungsgesetze in den einzelnen deutschen Ländern w i r d daher im folgenden nicht mehr eingegangen. Unter Weglassung aller Besonderheiten kann man die wesentlichen Grundzüge folgendermaßen zusammenfassen: Für die A b g a b e n und Leistungen der Pflichtigen, die teilweise bereits in fixierten jährlichen Geldbeträgen, teilweise in Naturalien oder persönlichen Diensten bestanden, mußte zunächst, soweit solche Verpflichtungen nicht entschädigungslos aufgehoben wurden, ein in G e l d bestimmter durchschnittlicher Jahreswert gefunden werden. Für viele Abgaben der Pflichtigen, die f ü r die Berechtigten durch die Mediatisierung oder die neuen Staatsverfassungen wegfielen (sog. «ältere Abgaben»), w u r d e den Standesherren v o m Staat eine Entschädigungsrente gewährt, die durch freiwillige Vereinbarung auch abgelöst werden konnte. Bei allen später gegen Entschädigung aufgehobenen Abgaben und Leistungen, insbesondere bei den Zehnt- und Grundgefällen, w a r eine sofortige Ablösung vorgesehen und gesetzlich vorgeschrieben. Zunächst w u r d e auf G r u n d mehrjähriger Durchschnittswerte ein Jahresbetrag der einzelnen A b g a b e n und Leistungen errechnet, der dann nach einem bestimmten Vielfachen kapitalisiert wurde. D a s so ermittelte Ablösungskapital ( A b lösungssumme, -betrag) w u r d e den Berechtigten entweder in bar oder in der Form neu geschaffener Ablösungsobligationen ausgehändigt. Barzahlung w a r bei allen kleineren Beträgen (bis 100 fl) die Regel, bei freiwilligen Vereinbarungen zwischen Berechtigten und Pflichtigen ohne Inanspruchnahme staatlicher H i l f e und schließlich dort, w o Ablösungskassen in der Form eingeschaltet wurden, d a ß sie den Pflichtigen die Gesamtablösungssumme vorschossen, an die Berechtigten auszahlten und von den Pflichtigen in jährlichen Ratenzahlungen zurückforderten. In den meisten Ländern jedoch wurden von den eigens zu diesem Z w e c k geschaffenen Ablösungskassen O b ligationen ausgestellt und den Berechtigten ausgehändigt. D i e Pflichtigen entrichteten ihre Ablösungszahlungen, die aus der Tilgung der errechneten Ablösungssumme und der Verzinsung der v o n der Kasse ausgegebenen Obligationen bestanden, an die A b lösungskasse, die - entsprechend dem Eingang dieser Gelder - die v o n ihr ausgegebenen Obligationen ausloste. V o n den vorliegenden Untersuchungen sind leider nur wenige so aufschlußreich, daß ihnen zuverlässiges Zahlenmaterial über die Summe und Aufteilung der A b lösungskapitalien auf einzelne Empfängergruppen entnommen werden könnte. N o c h seltener finden sich Hinweise auf bestimmte private Berechtigte, die in besonderem Maße an den Ablösungsgeldern partizipierten. Wenn in den Untersuchungen zur Ablösungsgesetzgebung immer wieder diejenigen besonders gewürdigt werden, die sich um eine f ü r die Berechtigten günstigere Gestaltung der Ablösungsgesetze bemühten, sich dabei zu Wortführern der Berechtigten machten und deren Forderungen bei den Ländern und der Bundesversammlung in F r a n k f u r t vertraten, wie z. B. die Für-
BÜCHS, HERIBERT, D i e Bauernbefreiung im C o b u r g e r Land, jur. Diss., Mündien 1963 EIGENBRODT, WILHELM, D e r Zehnte und die Zehntablösung in Hessen-Homburg, phil. Diss.,
Kiel 1912 RUDLOFF, L., Beiträge zur Geschichte der Bauernbefreiung und der bäuerlichen Grundentlastung in Kurhessen, in: Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, 105. Bd., 191;, S. 802 ff. BIEGER, JOSEF, Zehntverhältnisse und Zehntablösung im Fürstentum
ringen, staatswiss. Diss., Freiburg 1921 39
Hohenzollern-Sigma-
sten von Oettingen-Wallerstein und von Erbach-Schönberg, so heißt das nicht, daß diese einzelnen Berechtigten immer mit den von den wirtschaftlichen Konsequenzen der Ablösungsgesetze am stärksten betroffenen Grundherren identisch waren. Weiterhin ist zu beachten, daß die alten Rechte der Standes- und Grundherren der Ablösungsgesetzgebung verschiedener Staaten unterlagen, da ihre Besitzungen in der Regel im Gebiet mehrerer Landesherren verstreut lagen oder auch vor Abschluß dieser Gesetzgebung durch Abtretung oder Tausdiverträge unter die Territorialhoheit anderer Staaten gelangten. Der Versuch, die den Standes- und Grundherren zugeflossenen Ablösungskapitalien der Höhe nach exakt zu bestimmen und einen Überblick der Verteilung dieser Summen auf die einzelnen Berechtigten zu gewinnen, wird daher kein absolut befriedigendes Ergebnis bringen können. Durch die sachlichen und zeitlichen Unterschiede in der für ein grund- oder standesherrliches Gebiet zutreffenden Gesetzgebung verschiedener Staaten wie auch durch die oft schleppende Durchführung dieser Gesetze und zahlreiche damit verbundene Reditsstreitigkeiten, durch unterschiedliche Auffassungen über Berechnungsgrundlagen, Fixierung und Auszahlung der Ablösungssummen hatten selbst die Verwaltungsbehörden der Berechtigten, die Rentämter und Domanialkanzleien, keinen geschlossenen Überblick. Für einen bestimmten Ablösungsvorgang lassen sich oft mehrere untersdiiedliche Ablösungssummen feststellen, je nachdem, ob es sich um die Berechnung der Ablösungsbehörden oder die des Berechtigten handelt, ob irgendwelche Lasten abgezogen wurden oder nicht u. ä. m. Berücksichtigt man ferner das oft kompliziert miteinander verknüpfte Fonds- und Kassenwesen der kameralistischen Verwaltungen1, so wundert es nicht, daß in fast allen Zusammenstellungen und Ubersichten immer wieder Zahlendifferenzen auftreten. Nur durch langwierige Vergleiche lassen sich die Summen ermitteln, die der Wirklichkeit entsprechen; Abweichungen und kleinere Beträge, die für die Aussagekraft der Zahlen keine Bedeutung mehr haben, müssen dabei unberücksichtigt bleiben. Weitere Schwierigkeiten entstehen dadurch, daß Ablösungsentschädigungen mit solchen Entschädigungen vermengt werden, die bereits auf Grund der Mediatisierung und der dabei durchgeführten Revenuen- und Lastenteilung den Standesherrschaften zugesagt worden waren. Über die Entschädigung für an die neue Landesherrschaft abgetretene Gefälle und Abgaben wurde oft noch verhandelt, als schon Ablösungen aus der Grundentlastung anfielen: Verrechnungen und Streitigkeiten waren die Folge, wie die Auseinandersetzung zwischen dem badischen Staat und dem Fürstenhaus Leiningen zeigt. Wesentlicher als die niemals zu erreichende letzte Exaktheit der Ablösungsbeträge ist ein Einblick in die Gründe und Überlegungen, die bei den Berechtigten für eine bestimmte Verwendung der empfangenen Kapitalien maßgebend waren. Die finanzwirtschaftliche Situation der standes- und grundherrlichen Häuser in diesen Jahren wird dabei ebenso deutlich wie ihre Einstellung zu alternativen Anlagemöglichkeiten. Nicht zuletzt treten eine ganze Reihe ungeahnter Schwierigkeiten zutage, die bei den Berechtigten durch die Ablösung alter Rechte und Revenuen entstanden. Wenn im Verlauf dieser Arbeit von Standes- und Grundherren gesprochen wird, so geschieht dies, weil sehr häufig Zahlenangaben nur für beide Gruppen gemeinsam vorliegen und wohl auch im Verhalten beider Gruppen des landbesitzenden Adels im Hinblick auf die Wiederverwendung von Ablösungskapitalien und dabei auftretenden Problemen kaum große Unterschiede bestehen. Allerdings mußte sich die Untersuchung weitgehend auf eine Betrachtung der standesherrschaftlichen Verhältnisse 1 Die Schilderung der fürstlich hohenlohisdien Finanzverwaltung bei FISCHER gilt cum grano salis für fast alle standesherrschaftlichen Verwaltungen jener Zeit, vgl. FISCHER, WOLFRAM, Das Fürstentum Hohenlohe im Zeitalter der Aufklärung, Tübingen 1958, S. 61.
40
stützen, da für die Vielzahl der Grundherren erst familiengeschichtliche Einzelforsdiungen Erkenntnisse zu bringen vermögen. Bevor Höhe und Verwendung von Ablösungskapitalien anhand der Unterlagen einzelner standes- und grundherrlicher Privatarchive untersucht •werden, sollen aus anderen Quellen bereits vorliegende Zahlen einen allgemeinen Überblick geben, um die Größenverhältnisse erkennen zu lassen und damit vor jeder Überbewertung einzelner Ablösungsfälle zu warnen. Allerdings dürfen auch diese Angaben, obwohl sie teilweise aus hervorragenden Zusammenfassungen entnommen werden konnten, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben: Einmal liegen nicht für alle deutschen Länder entsprechend aufschlußreiche Untersuchungen vor, zum anderen weisen auch die dabei vorwiegend benutzten Quellen staatlicher Ardiive Lücken auf, die nicht zuletzt durch die Dauer der sich über Jahrzehnte hinziehenden Ablösungsverfahren, die manche Reorganisation und Umbesetzung der Verwaltung, ja das Verschwinden selbständiger Länder überlebt haben, entstanden sind. Die Arbeit in den Staatsarchiven brachte auch den Beweis dafür, daß dort eine Antwort auf die spezielle Fragestellung dieser Untersuchung nach der Verwendung der Ablösungskapitalien bei den Standes- und Grundherren nicht gefunden werden kann. B. Obersicht der Ablösung in drei deutsdien Staaten i. Die Ablösung im Königreich Württemberg Im Königreich Württemberg begann die Ablösungsgesetzgebung mit zwei Edikten vom 18. November 1817, die die Aufhebung aller Personal- und Lokal-Leibeigenschaftsgefälle zum Ziel hatten, und mit einem anschließenden Gesetz vom 23.6.1821, das die freiwillige Ablösung der Gefälle der Domänenverwaltung ermöglichte'. Eine umfassende gesetzliche Fixierung der Ablösung und Entschädigung für alle feudalen Abgaben brachten jedoch erst die Ablösungsgesetze vom 27-/29. Oktober 1836. In diesen Gesetzen wurde a) die Aufhebung der Fronen und Fronsurrogate4, b) die Aufhebung der steuerartigen Abgaben (Beeden)5 und c) die Aufhebung der leibeigenschaftlichen Lasten' geregelt. Die Aufhebung dieser Lasten war zwar schon 1817 angekündigt worden, jedoch fehlte bisher jeder Entschädigungsmaßstab. Nach langen Kammerberatungen und mehrfachen Reklamationen der Berechtigten gelang es schließlich, Art und Umfang der abzulösenden Abgaben und Lasten zu ermitteln, Wertansätze zu bestimmen und die Ablösung selbst in die Wege zu leiten. Die folgende Tabelle I gibt einen Überblick der Ergebnisse: ® Vgl. im einzelnen R E I N H A R D , O T T O , a . a . O . , S . 9; J U D E I C H , A L B E R T , a . a . O . , S . 86 ff. Eine detaillierte Darstellung der württembergischen Ablösungsgesetzgebung bringt audi der «Bericht der Ablösungskommission der Kammer der Abgeordneten über den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Bestimmungen über Gefäll- und Zehntablösungen», in: Verhandlungen der württembergischen Kammer der Abgeordneten, 1856-58, 1. Beilagenband, 2. Abt., Beilage Nr. 145, S. 838 ff., im folgenden zitiert: «Beridit der Abi. Kommission»; vgl. f e r n e r die gute, z u s a m m e n f a s s e n d e D a r s t e l l u n g 4
b e i SCHREMMER, E C K A R T , a . a. O . , S . 1 0 3 f f .
Gesetz, in Betreff der Ablösung der Frohnen vom 28.10. 1836, in: Reg. Bl. f. d. Königreich Württemberg, Nr. 55 vom 7. 1 1 . 1836, S. J J J ff. 5 Gesetz, in Betreff der Beeden und ähnlicher älterer Abgaben vom 27. 10. 1836 in: Reg. Bl. f. d. Königreich Württemberg, Nr. J J vom 7. 1 1 . 1 8 3 6 , S. 545 ff. • Gesetz, in Betreff der Entschädigung der berechtigten Gutsherrsdiaften für die Aufhebung der leibeigensdiaftlichen Leistungen vom 29. 10. 1836, in: Reg. Bl. f. d. Königreich Württemberg, Nr. J J vom 7 . 1 1 . 1 8 3 6 , S. $70 ff.
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Tabelle I: I. Entschädigung der Berechtigten auf Grund der Gesetze vom 27.A19. Oktober 1836 Fronen fl I. Staatskammergut II. Privatberechtigte 1. Hofkammer 2. Adel a) Standesherren b) Ritterschaft 3. Juristische Personen a) Gemeinden b) Pfarreien 4. Hospitäler und Stiftungen 5. Sonstige Berechtigte (einschl. Ausländer) Gesamtsumme
Ablösungskapital für Beeden Leibeigenschaft fl fl
—
—
—
Summe fl 1 4 1 4 342
7 1 y 88
130 210
2489
204 287
2 364 1 2 6
2 3 1 482
" 3 713
2 819 321
73* 746
141 4 59
7 1 386
955 591 150 1 0 1 1 1 723
84 302 8671
3261$
59 347
40233
—
99 580
1 0 3 967
1 4 508
—
1 1 8 475
3 4^4 747
603 $59
3
g
33 i 4 —
33° 772
5 773 4 2 5
Anmerkungen zur Tabelle: Die Zusammenstellung wurde bei REINHARD, OTTO, a.a.O., S. II2, entnommen und so umgestellt, daß ein leichter Vergleich mit Tabelle II möglich ist. Die Zahlen weichen im einzelnen um kleinere Beträge von den Angaben ab, die in der Zusammenstellung der Württembergischen Kammer der Abgeordneten, in: Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten 1854/55, S- Beilagenband, 2. Abt., Beilage 306, S. 1073, hier S. 1127 f., wiedergeben sind. Da die Unterschiede nicht erheblich sind, wurde hier die Aufstellung REINHARDS beibehalten.
Wenn auch mit zahlreichen Empfängern der nun abgelösten Leistungen erhebliche Differenzen über Berechtigung, Durchführung und Höhe der Ablösung verblieben, gelang es doch, die in den Gesetzen vorgesehenen Verfahren nahezu vollständig bis 1 8 4 1 abzuschließen7. Unter den Standesherren legte vor allem das fürstliche Haus (Dettingen-Wallerstein mehrfach Beschwerde gegen die zwangsweise Anwendung der Ablösungsgesetze von 1836 gegen dieses Haus ein8. Ein Streit um die Ablösung der Beeden, bei dem zwischen dem fürstlichen Haus und dem württembergisdien Staat keine Einigung über die Anerkennung verschiedener steuerartiger Abgaben zu erzielen w a r , veranlaßte noch am 2 1 . 4 . 1848 das württembergische Innenministerium zu der Feststellung: «Bei den durch den Eigensinn dieses Fürsten sehr verworrenen Verhältnissen ist kaum ein anderer Ausweg möglich, als im ganzen über eine billige Summe sich zu vergleichen*.» Eine genaue Differenzierung der den Standes- und Grundherren zugeflossenen Ablösungsbeträge, die zu diesem Streit von der Kammer der Abgeordneten verlangt wurde, lehnten die zuständigen Stellen ab, «da diese Entschädigungen unter den übrigen zahlreichen Privatberechtigten nach der Zeitfolge der Anweisung errechnet und nicht im einzelnen ausgezogen werden könnten» 10 . Trotz der verschiedensten Schwierigkeiten w a r der Umfang der Ablösungen des Jahres 1836 doch nicht so groß, daß dafür eigene Institutionen hätten geschaffen werden müssen. Teilweise zahlten die Pflichtigen die Ablösungssummen in mehreren Jahresraten unmittelbar an 7
8
Vgl. REINHARD, OTTO, a. a. O., S. 43.
SFAL, Bestand E 184, Bund 139, Nr. 12. • SFAL, Bestand E 221, Fach 38, Nr. 8. 10 SFAL, Bestand E 221, Fach 38, Nr. 7. 42
die Berechtigten, teilweise wurde die Staatskasse mit der Funktion einer Kreditbank zwischengeschaltet, in besonderen Fällen, z. B. bei der Fronablösung, hatten die Pflichtigen nur zwei Drittel der Ablösungssummen aufzubringen, während der Rest der Staatskasse zur Last fiel. Schließlich kamen auch Fälle vor, wonach die Pflichtigen ihre bisherigen Abgaben in gleicher Weise so lange fortentrichten durften, bis diese die Summe des vorgesehenen Ablösungskapitals erreicht hatten 11 . Die Kapitalisierung der durchschnittlichen Jahreswerte der Abgaben und Leistungen zum Zwanzig- bis Zweiundzwanzigeinhalbfachen sollte sich, obgleich vielfach beklagt, für die Berechtigten als sehr günstig erweisen. Nach mehrjähriger Unterbrechung wurde die Gesetzgebung zur Befreiung der Bauern von Abgaben und Lasten unter dem Druck der Ereignisse im Revolutionsjahr 1848/49 mit dem Gesetz vom 14. April 1848, das die Ablösung der Gefälle regelte, wieder aufgenommen 12 . Knapp ein Jahr später, am 17. Juni 1849, schloß sich das Gesetz über die Beseitigung der Zehntlasten an 1 3 . Beide Gesetze brachten in der Bewertung der Abgaben und der Bemessung der Ablösungssummen für die Berechtigten eine Schlediterstellung gegenüber den Gesetzen von 1836, es kam höchstens noch eine Kapitalisierung zum Zwölf- bis Sechzehnfachen des Jahresbetrages in Frage. Andererseits sahen beide Gesetze eine generelle Regelung vor, wonadi allen Berechtigten durch Vermittlung der beiden neu gegründeten Gefällablösungs- und Zehntablösungskassen die Ablösungssummen in 4°/oigen Obligationen auszuzahlen waren. Durch Auslosung sollten diese Obligationen dann in dem Maße getilgt werden, indem die Pflichtigen das Ablösungskapital bei den beiden Kassen einzahlten. Die Tilgungsfrist war auf 25 Jahre festgelegt. Die Zwischenschaltung der beiden Ablösungskassen, auf deren freiwillige Inanspruchnahme nur in wenigen Fällen verzichtet wurde, bedeutete, daß die Berechtigten keinen Anspruch mehr gegen den einzelnen Pflichtigen, sondern nur gegen die Ablösungskasse als Schuldnerin der Ablösungsobligationen hatten. Die Ablösungskassen waren Gläubiger der Pflichtigen, die mit ihren Abzahlungen nicht nur die Tilgungsraten für das ermittelte Ablösungskapital, sondern auch die 4 % Verzinsung der von den Ablösungskassen ausgegebenen Ablösungsobligationen aufzubringen hatten. Die Fixierung der Ablösungssummen und damit die Ausgabe der Obligationen an die Berechtigten nahm längere Zeit in Anspruch. Die Ablösungskassen bestanden jedoch darauf, daß die Pflichtigen sofort mit der Abzahlung ihrer Annuitäten begannen, auch wenn deren endgültige Höhe noch nicht feststand und somit nur Vorauszahlungen geleistet werden konnten. Auf diese Weise entstanden bei den beiden Kassen besonders in den ersten Jahren nach 1848/49 durch die Einzahlungen der Pflichtigen größere Überschüsse, die bei verschiedenen Banken angelegt wurden. Am 2 . 6 . 1851 waren z. B. von der Zehntablösungskasse 230000 fl gegen 2V2%> (!) Zinsen an die Staatskasse ausgeliehen14, die Gefällablösungskasse stellte I 8 J I / J 2 der Staatskasse weitere 500 000 fl zur Deckung des Eisenbahnbaubedarfs kurzfristig zur Verfügung 15 . Da gleichzeitig die sdion ausgegebenen Obligationen mit 4 % verzinst wer-
11
V g l . R E I N H A R D , O T T O , a. a. O . , S . 1 8 ff.
18
Gesetz, betreffend die Beseitigung der auf dem Grund und Boden ruhenden Lasten vom 1 4 . 4 . 1 8 4 8 , in: Reg. Bl. f. d. Königreich Württemberg, N r . 2 3 vom 1 8 . 4 . 1 8 4 8 , S. 165 ff.; dazu Instruktion zur Vollziehung des Gesetzes v o m 1 4 . 4 . 1848, in: Reg. Bl. f. d. Königreich Württemberg, N r . 63 vom 20. 1 1 . 1848, S. $09 ff. 15 Gesetz, betreffend die Ablösung der Zehnten vom 1 7 . 6 . 1849, in: Reg.Bl. f. d. Königreich Württemberg, N r . 28 vom 1 9 . 6 . 1 8 4 9 , S. 1 8 1 ff.; dazu: Hauptinstruktion zur Vollziehung des Gesetzes vom 1 7 . 6 . 1849, in: R e g . B l . f. d. Königreich Württemberg, N r . 1 3 vom 2 J . 4 . 1850, S. 73 ff. 14 S F A L , Bestand E 2 2 1 , Fach 47, N r . 8. 15 S F A L , Bestand E 2 2 1 , Fach 40, N r . 1.
43
den mußten, waren beide Kassen daran interessiert, möglichst rasdi mit der Auslosung beginnen zu können. Für den Beginn der Verlosung war zunächst das Jahr 1850 vorgesehen; teilnahmeberechtigt sollten nur die Obligationen sein, bei denen die Ablösung endgültig festgestellt war, d. h. bei denen weder Einsprüche vorlagen, noch ungeklärte Baulasten oder andere Forderungen von Kirchen, Schulen oder Stiftungen im Wege standen18. Die Auslosung setzte jedoch erst in der zweiten Jahreshälfte 18 j 1 ein. In den folgenden Jahren mußten dann allerdings die Auslosungen bald den jährlichen Einzahlungen der Pflichtigen angepaßt werden. Audi lassen diese Auslosungen, die zum Beispiel bei der Zehntablösungskasse zwischen 1858 und 1866 durchschnittlich bei zjo 000 fl jährlich lagen17, keine Schlüsse über den tatsächlichen Bargeldzufluß bei den Berechtigten zu, da diese jederzeit ihre Obligationen verkaufen konnten, um in den Besitz von Bargeld zu gelangen. In einem Bericht der königlichen Kommission für die Verwaltung der Ablösungskassen aus dem Jahre 1864 wird «aus der großen Zahl unserer Papiere, die jetzt an der Börse auftritt», gefolgert, daß viele Berechtigte dies auch getan hätten18. Eine Übersicht der Aufteilung der Ablösungskapitalien aus den Gesetzen von 1848/49 auf die einzelnen Gruppen von Berechtigten gibt die folgende Tabelle I I : Tabelle II: Entschädigung der Berechtigten auf Grund der Gesetze vom 14. April 1848 und 17. Juni 1849
Berechtigte I. Staatsfinanzverwaltung II. Privatberechtigte 1. Hofdomänenkammer 2. Adel a) Standesherren b) Rittersdiaftl. ) ^ . c) Landsässiger J 3. Juristische Personen a) Evangelische Kirche b) Evangelische Schule c) Katholische Kirche d) Katholische Schule 4. Stiftungen und Körpersch. j . Sonst. Berechtigte*) 6. Unverteilter Zuwachs**) Gesamtsumme:
Ablösungskapital für Gefälle Zehnten
fl fl fl
Summe
6 750 000
21 160 000
27 910 000
800 000
2 400 000
3 200 000
4 340 000 1 740 000 430 000
4 740 000 1 370 000 270 000
9 080 000 3 110 000 700 000
120 000 40 000 670 000 100 000 3 870 000 1 130 000 696 000
2 450 000 120 000 4 910 000 40 000 3 900 000 5 710 000 1 074 000
2 $70 000 160 000 j j8o 000 140 000 7 770 000 6 840 000 1 770 000
20 68 6 000
48 144 000
68 830 000
Anmerkungen zur Tabelle II: Die Zusammenstellung wurde, jeweils auf 10000 fl abgerundet, dem Bericht der Abi. Kommission, a.a.O., S. 1022 entnommen; ebenso bei REINHARD, OTTO, a . A . O . , S. 1 1 3 .
Bemerkenswert ist, daß diese bis auf wenige Ausnahmen endgültige Übersicht von den Vorausschätzungen der Ablösungssummen für die einzelnen Gruppen von Berechtigten aus den Jahren 1852/53 erheblich abweicht, vgl. SFAL, Bestand E 146, Nr. 77 (neue Ordnung). Im Vergleich zur Gesamtablösungssumme der Gesetze von 1848/49 in Höhe von 68 Mio. betrugen 18 17 18
SFAL, Bestand E 146, Nr. 40 (neue Ordnung). SFAL, Bestand E 221, Fach 47, Nr. 9. ebenda. 44
die Ausgaben des württembergisdien Staatshaushalts im Durchschnitt der Jahre 1848-1852 rd. 11 Mio. £1 (vgl. SEUBERT, ADOLPH, Das Königreich Württemberg, in: Jahrbuch für Volkswirtschaft und Statistik, hrsg. von Otto Hübener, 3. Jahrg., Leipzig 1855, S. 71). *) Insbesondere ausländischer Adel, ausländische Kirchen, Schulen und Körperschaften. **) Darunter sind die noch nidit erledigten Ablösungsfälle zusammengefaßt. Nach einer dem Beridit der Abi. Kommission beigefügten Schätzung gliedert sidi dieser erwartete Zuwachs wie folgt auf: Gefälle
fl fl fl
Staatskammergut
270000
Summe
96 000
228 000
846000
1 1 1 6 000
330000
—
330000
696 000
1 074 000
1 7 7 0 000
Kirchen, Schulen Adel u n d sonstige
Zehnten
324 000
Über den Ablauf der Gefällablösung beriditet REINHARD: «Bis zum 1 . 9 . 1 8 4 8 waren nur 9439 Ablösungsfälle anhängig und hiervon 8024 erledigt worden, mit einem Gesamtbetrag der Ablösungssummen von 8819 fl. Ende des Jahres 1852 dagegen waren sdion 53 165 Fälle erledigt, so daß damit das Ablösungsgeschäft zum großen Teil erledigt war» 1 9 . Die Gruppe der Standes- und Grundherren (Adel) war dabei nach dem Staatskammergut die größte der Berechtigten20. Bei der ein Jahr später beginnenden Zehntablösung stand ebenfalls die Staatsiinanzverwaltung als Empfangsberechtigte an der Spitze. Der Rückgang der in den Etats veranschlagten Zehnteinnahmen des Staatskammergutes von 1 6 0 6 2 2 3 fl für 1848/49 auf nur 1 1 5 346 fl f ü r 1852/53 zeigt, wie stark sich die Zahl der Zehntpflichtigen in diesen wenigen Jahren durch die Ablösung vermindert hatte, wie sehr man sich bemühte, durdi schnelles Handeln in der Zehntablösung beispielgebend voranzugehen 21 . Nach dem hohen Anteil der Kirchen und Schulen kamen die berechtigten Standes- und Grundherren hier erst an dritter Stelle. Gerade über diese hier besonders interessierenden Beträge enthält der bereits erwähnte Beridit der Ablösungskommission eine zusammenfassende Ubersicht, die nach den Liquidationen der Berechtigten angefertigt wurde 22 .
Tabelle III: Ablösungskapitalien der württembergischen Standesherren nach den Gesetzen von 1848/49 in f l
Name Fürst Fürst Fürst Fürst Fürst Fürst Fürst "
20
zu Fürstenberg Hohenlohe-Kirchberg Hohenlohe-Langenburg Hohenlohe-Öhringen Hohenlohe-Waldenburg Hohenlohe-Bartenstein Hohenlohe-Jaxtberg
Gefälle
Zehnten
Summe
124 612
2 5 0 208 306 888 298 9 9 1
374 821 45i 345
144 457 1 7 0 688
196 374 1 2 8 430 1 3 3 892 i n 832
553 ->
S
« 8 -o —
1 1 9
22 21 2 2
7
106
1
522
2
—
5 488 5 684 67
41 KOHLER, ADOLF, a.a.O., S. 116; allerdings bleibt offen, wieso Kohler hier 2 Mio. fl errechnet. 1 50 000 fl für 7 Jahre ergeben rd. eine Mio. fl. 48 Gesetz vom 15. 11. 1833, die Ablösung der Zehnten betreffend, in: Großherzogl. Bad. Staats- und Reg. Bl., 1833, Nr. 49 vom 17. 12. 1833, S. 265 ff. 43 GLA, Abt. 237, Nr. 8444; das Zitat stammt aus den Verhandlungen der 2. Badisdien Kammer, 76. Sitzung vom 24.4. 1840.
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N NO IH N OV N O fi
IH H IN H OV O vo Zinsen auf die 44 45 46
47
G L A , Abt. 231, Nr. 1780. G L A , Abt. 237, Nr. 8375. G L A , A b t . 3 9 1 , N r . 1 5 0 4 ; v g l . audi K O P P , A D O L F , a. a. O . , S . 1 2 0 .
So der Abgeordnete KNAPP in den Verhandlungen der zweiten Kammer vom 29. 7. 1837, G L A , Abt. 231, Nr. 1779. Vgl. audi LOCHER, HUBERT, Die wirtschaftliche und soziale Lage in Baden am Vorabend der Revolution von 1848, phil. Diss., Freiburg 1950, S. 25. 48 G L A , Abt. 237, Nr. 17049. 49 G L A , Abt. 231, Nr. 1779. 80 Ebenda. 61 Großherzogl. Bad. Staats- u. Reg.Bl. 1841, Nr. 1 1 vom 15. 4. 1841, S. 61 ff. » G L A , Abt. 231, Nr. 1780.
Ablösungssumme zahlen, o b w o h l sie das K a p i t a l billig z u 3V»0/® hätten aufnehmen und auszahlen können 63 . Darüber hinaus wurde hier und auch in anderen Petitionen dieser A r t f ü r die Verzögerung immer wieder die jeweilige Standesherrschaft verantwortlich gemacht, da diese möglichst lange einen hohen Zins beziehen wolle. Eine solche Vermutung w a r naheliegend, traf aber sicher nicht f ü r das fürstliche H a u s Fürstenberg zu, das besonders u m eine rasche A b w i c k l u n g der Zehntablösung bemüht w a r . Die vorhandenen A k t e n lassen eher den Schluß zu, d a ß es die Kirchenbehörden waren, die bei der Fixierung von Baulasten manche Schwierigkeiten bereiteten. Nach 1841 ging die Zehntablösung schneller v o r a n ; die Darlehensforderungen der Zehntschuldentilgungskasse erreichten 1848 mit 3 620 464 fl einen absoluten Höchststand, um dann bis zur A u f l ö s u n g dieser Kasse 1875 auf 121 898 fl zu f a l l e n " . Insgesamt hat diese Kasse an die Zehntpflichtigen rd. 13 Mio. fl Ablösungskapital ausgeliehen"; bei einer Gesamtsumme von 32 M i o . fl, die die Pflichtigen zu zahlen hatten, heißt dies, d a ß über die H ä l f t e der Ablösungskapitalien v o n den Pflichtigen ohne Inanspruchnahme staatlicher H i l f e aufgebracht werden konnte. Die Zehntschuldentilgungskasse brauchte keine Darlehen aufzunehmen, um die auszuleihenden Beträge aufzubringen. D i e ihr vertragsgemäß aus Grundstocksmitteln zufließenden Kapitalien reichten aus. Diese Grundstocksmittel waren nichts anderes als die dem Domänen- und Forstärar zustehenden Ablösungsgelder. Die H i l f e der Zehntschuldentilgungskasse f ü r die Pflichtigen bestand also im wesentlichen darin, v o m Domänen- und Forstärar bezogene Ablösungsgelder wieder an die Pfliditigen auszuleihen, damit diese weiteren Ablösungen gerecht werden konnten 58 . In einem Bericht der Budgetkommission der ersten K a m m e r bei der Auflösung der Kasse 1875 wurde aus ihrer geringen Inanspruchnahme gefolgert: «Wenn die Pflichtigen nicht in dem ganzen erwarteten U m f a n g die H i l f e der Kasse benutzt haben, so dürfte hierin kaum etwas anderes als ein Zeichen eines günstigen Vermögensstandes unserer bäuerlichen Bevölkerung während des Zeitraumes der Entlastung z u erkennen sein 57 .» Aus den bereits erwähnten Petitionen zur Beschleunigung der Zehntablösung um 1840 geht hervor, daß in vielen Gemeinden eine frühe Bereitschaft zur Ablösung und auch die Möglichkeit bestand, sich das notwendige K a p i t a l zu beschaffen; beides läßt auf einen gewissen Wohlstand schließen. Andererseits darf ein günstiger Vermögensstand der bäuerlichen Bevölkerung keineswegs allgemein angenommen werden, sonst wären Bauernunruhen Ende der 1840er Jahre und staatliche Auswanderungsbeihilfen kaum erklärlich gewesen 58 . D i e Zehntablösung war, ohne durch die Ereignisse des Jahres 1848 besonders forciert z u w e r d e n " - w i e dies in anderen Ländern der Fall w a r - im wesentlichen bis
53 Das gesamte Ablösungskapital einschl. des Staatszusdiusses mußte nach den Bestimmungen des Gesetzes von 1833 von den Pfliditigen bis zur Auszahlung an die Berechtigten mit j °/o verzinst werden. 54 GLA, Abt. 237, Nr. 17049. 55 G L A , Abt. 231, Nr. 1781. 5S Ebenda. " GLA, Abt. 237, Nr. 17049. 58
V g l . d a z u LAUTENSCHLAGER, FRIEDRICH, a . a . O . ; SCHMERBECK, RUDOLF, D i e
Landwirt-
schaft im hinteren Odenwald in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, phil. Diss. Freiburg, Buchen 1954, u. a. m. M Als Abschluß der Ablösungsgesetzgebung war in Baden das Gesetz vom 10. 4.1848 die Aufhebung der Feudalrechte betreffend, Großherzogl. Bad. Staats- u. Reg.Bl. 1848, Nr. 23 53
Ende 1857 abgeschlossen, wenn sich auch einige strittige Verfahren bis 1880 hinzogen und die letzte Ablösungsvereinbarung erst 1893 zustande kam60. Besonders zog sich die Ablösung der Zehntbereditigungen in Privatbesitz in die Länge. Seit vielen Jahren war es nicht nur in Baden üblich, Zehntbereditigungen zu verpfänden und zu verkaufen 61 . So konnte jede Beziehung zwischen Zehntpflichtigen und Zehntberechtigten verlorengehen, wodurch Unklarheiten über den wahren Inhalt der Zehntbereditigungen entstanden. Langwierige Feststellungsverfahren und gerichtliche Auseinandersetzungen waren die Folge. Obgleich die Zehntablösung für die Standes- und Grundherren mit dem zwanzigfachen Betrag der mittleren jährlichen Zehnteinnahmen (§ 2 des Gesetzes vom i j . 1 1 . 1833) nach Abzug aller Verwaltungskosten, Nachlässe und Steuern nicht ungünstig war, fand allein Fürst zu Fürstenberg offene Worte der Anerkennung für die badische Ablösungsgesetzgebung, wenn er in den badischen Kammerverhandlungen deren Absicht lobte, «die Landwirtschaft auf die Höhe zu bringen, auf welcher sie zu sehen die fortschreitende Kultur und Wissenschaft berechtige und fordere»62. Immerhin wog sein Urteil und seine Bereitschaft zur Mitarbeit viel, da bei einer jährlichen Zehnteinnahmenschätzung der Fürstlich Fürstenbergischen Rentkammer von 100 000 fl6S nahezu die Hälfte der auf die Standesherren in Baden entfallenden Ablösungskapitalien dem fürstlichen Hause Fürstenberg zufließen mußte. Die Aufteilung der an die Standesherren bis 1858 ausgezahlten Zehntablösungskapitalien nach Kreisen64 Seekreis Oberrheinkreis Mittelrheinkreis Unterrheinkreis
2 012 680 2 6 410 415 802 2 295 410
fl fl fl fl
4750305 fl weist für den Seekreis, in dem überwiegend die Fürstenbergischen Besitzungen lagen, eine Summe von 2 Mio. fl aus, während sich in die hohen Ablösungssummen des Unterrheinkreises vornehmlich die fürstlichen Häuser Leiningen und LöwensteinWertheim teilten. Die großen Ablösungssummen des badischen Domänen- und Forstärars flössen dem Grundstock65 zu und dienten dort einmal zur Ausstattung der Zehntschuldentilgungskasse, zum anderen für Erwerbungen von Gütern und Waldungen, aber auch für Regierungsbauten verschiedener Art. Vermutlich sind auch für den badischen Staatseisenbahnbau größere Summen abgezweigt worden66. Die Vermehrung des Grundbevom 1 1 . 4 . 1 8 4 8 , S. 107, erlassen worden, das mit einer Reihe ihm folgender Entschädigungsgesetze nochmals den Standesherren geringere Ablösungssummen brachte, so z. B. dem fürstlichen Hause Leiningen 41 557 fl, siehe dort. 60
K O P P , A D O L F , a . a. O . , S . 1 2 3 .
81
Beispiele für Schenkungen, Verpfändungen, ja einen rechten Handel mit Zehntberechti-
g u n g e n v o r a l l e m bei B I E G E R , J O S E P H , a. a. O . , S . 1 8 f f . , K O P P , A D O L F , a. a. O . , S . 2 5 . 62
KOPP, ADOLF, a. a . O . , S .
102.
63
ZACHARIÄ, KARL SALOMO, Die Aufhebung, Ablösung und Umwandlung der Zehnten nach Rechtsgrundsätzen betrachtet, Heidelberg 1 8 3 1 , S. 12. 64 G L A , Abt. 391, N r . 1504. 65 Nach der badischen Verfassung von 1 8 1 8 besaß die großherzoglidie Familie zwar das Eigentumsrecht an den Domänen, die Einnahmen standen dagegen für Staatszwecke zur Verfügung. 66 G L A , Abt. 2 3 1 , N r . 1 7 8 1 . Ebenso stellt HELFERICH für Württemberg fest, daß ein «starker Teil der Ablösungssumme des Staates für die neuen Eisenbahnen Verwendung findet», vgl. HELFERICH, JOHANN, Studien über württembergische Agrarverhältnisse, in: Zeitschr. f. d. ges. Staatswiss., 9. Bd., 1853, S. 429. 54
sitzes kommt in einem Vergleich der Domänengröße von 13 400 ha im Jahre 1830 gegenüber 18 356 ha im Jahre 1860 zum Ausdruck, wobei der systematische Aufkauf durch den Staat heftige Kritik hervorrief, da dadurch selbständige bäuerlidie Existenzen vernichtet würden" 7 . Für die erheblichen Ablösungskapitalien, die den Kirchen, Schulen und Stiftungen zugeflossen sind, gelten ähnliche Erwägungen wie in anderen deutschen Ländern' 8 . Bereits ein Kommissionsbericht vom 2. 9. 1833 über das Zehntablösungsgesetz enthielt Überlegungen, auf welche Weise rd. 10 Mio. fl Ablösungskapital der Kirchen und Schulen die nötige sichere Unterbringung finden könnten6*. Als einziger Ausweg erwies sich auch hier der Vorschlag, für dieses Kapital Grundbesitz zu erwerben: «Damit die Kirche in ihren Anordnungen nicht übereilt wird, soll der Staat einstweilen als Bankier auftreten und auch das Kapital mit 5 % verzinsen» 70 . Gleichzeitig befürchtete man, daß auf die Dauer 5 %> nicht zu erzielen seien und das Einkommen der Kirchendiener daher eine Schmälerung erfahren würde 71 . Es galt, den Kapitalzufluß der toten Hand möglichst schnell in einer Form wieder anzulegen, die es ermöglichte, die weggefallenen laufenden Beiträge zur Unterhaltung von Pfarrstellen, Kirchengebäuden usw. wenigstens teilweise auszugleichen. Trotz aller Bemühungen reichte aber schon 1876 der Ertrag der Pfarrpfründen nicht mehr aus, da nach 1870 sowohl die Rendite des landwirtschaftlichen Grundbesitzes als auch der Zinsfuß für in anderer Weise ausgeliehenes Geldkapital zurückgingen. Daher mußte in diesem Jahr erstmals ein Staatszuschuß zur Besoldung der Pfarr-, Mesner- und Schuldiener gezahlt werden, zu dessen Deckung sich dann allmählich - in Baden ab 1892 - die allgemeine Kirchensteuer herausbildete78.
3. Die Ablösung im Herzogtum Nassau Im Herzogtum Nassau begann die Grundentlastung mit den beiden Edikten vom 1./3. September 1 8 1 2 und vom 8. April 1826, wonach die sogenannten «älteren Lasten», insbesondere die aus der Leibeigenschaft herrührenden Prästationen und nicht vertragsmäßig begründeten Fronen, aufgehoben wurden 78 . Ein Verzeichnis über die Entschädigung der Standesherren, Grundherren, der sonstigen adeligen und bürgerlichen Eigentümer «wegen des durch Abolierung der älteren Abgaben und Frohnden an ihrem Privateigentum entstandenen Verlustes» aus dem Jahre 1816 7 4 läßt erkennen, daß eine Umwandlung dieser Abgaben in Geldrenten nur sehr zögernd einsetzte. So galt es zunächst, überhaupt einen Überblick über die große Zahl dieser Abgaben zu gewinnen: Eine Zusammenstellung der Grafen von Leiningen-Westerburg aus dem Jahre 1 8 1 7 zählt allein an Abgaben, die durch die herzoglichen Edikte aufgehoben
67 V g l . dazu BUCHENBERGER, ADOLF, Finanzpolitik und Staatshaushalt im Großherzogtum Baden in der Zeit von 1850-1900, Heidelberg 1902, S. 1 4 1 und S. 223 f.; PFEFFERKORN, RUDOLF, Gelände-Erwerbungen des Großherzoglich Badischen Domänenärars auf dem Hohen Schwarzwalde, staatswiss. Diss., Mündien 1900. 68 V g l . dazu die Ausführungen über das Großherzogtum Nassau, S. 60 f. dieser Arbeit. 89 G L A , Abt. 2 3 1 , N r . 1778. 70 Ebenda. 71 Ebenda; in den Rentabilitätsberechnungen für Güterankäufe jener Zeit, wie sie der Verfasser in zahlreichen standesherrsdiaftlidien Archiven einsehen konnte, wird für im Grundbesitz investiertes Kapital höchstens eine Verzinsung von 3 Vi %> angenommen. 71 V g l . dazu auch BUCHENBERGER, ADOLF, a. a. O., S. 68. 78
JUDEICH, ALBERT, a . a. O . , S. 1 6 9 .
74
HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 2 1 2 / N r . 1 1 8 .
55
werden, 42 verschiedene Titel auf 7 5 , darunter Glockengarben, Fastnadhts- und Rauchhühner, Confirmationsgebühren, Butterwiegegeld, Dienstgeld, Rheinfahrtengeld, Tagegeld, Dreschergeld, Pfortengeld, Manumissionsgeld, Hopfengeld, Waidhämmelgeld, Judenschutzgeld, Zunft- und Wanderjahregelder, Oster- und Herbstbeet. Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese Abgaben regional oft sehr unterschiedliche Bedeutung hatten und auch die gleichen Abgaben örtlich mit unterschiedlichen Bezeichnungen versehen waren. S C H N E I D E R gibt f ü r Nassau folgende Aufstellung vorkommender Abgaben 7 ': Frohn, Redemptions- und Dienstabgaben, Rauch- und Leibhühner, Beisassengeld, Beiträge zur Besoldung des Amtsphysikus, die ordinäre Schätzung, die Additional-, Extra- und Servicesteuer, Waidhämmel, Herbsthähne, Rauchhafer, Neujahrsgeld, Herbstkuhgeld, Lagergeld, Jäger- und Hundslagergeld, Schutzhafer, Altsoldatengeld, Beetgeld, Weinkaufgelder verschiedener Art, Zehnthahnen, Huberfrucht, Kuckuckshafer, Kesselgeld, Erntefrondegeld, Käsezins, Eierzins, Wachtgeld, Abzugsgeld, Abgaben f ü r den freien Bierzapf, Konzessionsgelder von den Ziegelhütten, Fähr- oder Überfahrtsabgaben, Rentei- und Kirchmeßgebühr, Gerichtsbrod, Beiträge zu Amtsunkostenkassen u. a. m. Die Flut der Abgaben schildert audi F I S C H E R , der schließlich feststellt: « . . . f ü r die Jagdhunde des gnädigen Herrn und die Sdioßhündchen der gnädigen Frau Hundezins und Hundekorn, oder - wobei sidi das Aergste denken läßt - abführen zu sollen, wenn auch der größte Theil dieser Leistungen, wie gewöhnlich, nur einige Groschen und Pfennige betragen sollte, dergleichen erträgt die herabgewürdigte Menschheit nicht» 77 ! Eine Anfrage der herzoglichen Regierung über die bis zum Jahre 1 8 1 5 in den einzelnen Rezepturen auf Grund des Ediktes von 1 8 1 2 gezahlten Entschädigungen wird fast ausnahmslos negativ beantwortet 78 . Die Feststellung der Berechtigten und die Berechnung der Renten bereiteten zahlreiche Schwierigkeiten, so daß die Rentenzahlung und erst recht eine mögliche Ablösung dieser Renten nur langsam in Gang kam. Die nicht genau festzustellende Zahl freiwilliger Rentenablösungen zwischen den Edikten von 1 8 1 2 und 1841 sowie die ebenfalls unbekannten Renten Verkäufe und -abtretungen der Standes- und Grundherren lassen einem Verzeichnis der «bedeutenderen Standes- und Grundherren, welche für aufgehobene Abgaben, Prästationen und Gefälle Entschädigungsrenten aus der Landessteuerkasse zu beziehen haben 7 '» aus dem Jahre 1 8 3 0 nur geringe Bedeutung zukommen. Danach erhielten als jährliche Rente: Graf von Bassenheim 80 Erzherzog Stephan als Besitzer der Standesherrschaft Schaumburg Graf zu Alt- und Neuleiningen Gräfin von Coudenhoven Freiherr von Frankenstein Fürst von der Leyen 9 1 Freiherr von Hohenfeld 75 7
j j8o 5 300 5 260 600 220 185 182
fl fl fl fl fl fl fl
HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 2 1 0 / N r . 1515.
* SCHNEIDER, WILHELM, Die Lage der nassauischen Landwirtschaft im letzten Jahrhundert,
staatswiss. Diss., Frankfurt 1922, S. 9. Nach SPIELMANN waren allein im Gebiet NassauUsingen um 1800 233 Arten dem Namen nach verschiedener Abgaben bekannt, in NassauWeilburg und Hachenburg 166, vgl. SPIELMANN, C., Geschichte von Nassau, II. Teil, Montabaur 1926, S . 427. 77
78
FISCHER, L A U R E N Z H A N N I B A L , a . a . O . , S . 2 7 5 .
HStaatsarch. Wiesbaden, Abt. 2 1 2 / N r . 118. 71 HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 210 /Nr. 1003j. 84 Die Standesherrschaft Waldbott-Bassenheim mußte auf Drängen der Gläubiger 1852 verkauft werden. Für 348 000 fl erwarb sie ein «Rentner Umber aus Laubenheim», der sie $6
In welchem Umfang, vor allem für welche Zeit, diese Entschädigungsrenten gezahlt wurden, läßt sich nicht eindeutig ermitteln. Das spärliche Zahlenmaterial über Entschädigungsrenten und Ablösungen älterer Lasten bis 1840/41 ist vor allem darauf zurückzuführen, daß eine geschlossene Erfassung aller Rentenfälle durch eine besondere Behörde bis dahin fehlte und alle Ablösungen nur durch Verhandlungen von Fall zu Fall mit Zustimmung des Landesherrn durchgeführt werden konnten, da keine einheitliche Grundlage gegeben war. Mit dem landesherrlichen Edikt vom 14. Juni i 8 4 i 8 ! , das die Ausgabe von Ablösungsobligationen und deren Verzinsung regelte, setzte dann in größerem Umfang eine Ablösung ein. Auf freiwilliger Basis konnten Zehnten und Gülten von der Gesamtheit der Pflichtigen einer Gemarkung durch eine vertragliche Übereinkunft mit den Berechtigten abgelöst werden, und zwar zum 2jfadien des Jahresbetrages. Zu diesem Zweck waren bereits durch Edikt vom 29. 1. 1840 die Zehntablösungskommission und durch Edikt vom 22. 1. 1840 die Landes-Credit-Kasse geschaffen worden83. Ersterer oblag die verwaltungstechnische Abwicklung, die juristische Beratung der Beteiligten sowie die Vertragsaufstellung, letztere hatte die finanzielle Durchführung zu organisieren. Die Ablösung nahm zunächst einen vielversprechenden Anfang. Bis zum 31. Dezember 1842 waren in Nassau an Zehntablösungen auf Grund des Gesetzes vom Jahre 1841 durchgeführt worden 84 : Anzahl der abgelösten Berechtigungen
Berechtigte
Herzogl. Domäne Zentralstudienfonds Ev. Zentralkirdhenfonds Kath. Zentralkirchenfonds Pfarreien Private, Schulen und Gemeinden
283 4 1 54 56 423
Ablösungskapital fl 3 290 166 20 12 300 245
756 227 240 823 446 488
4035980
Die weitaus meisten erfolgreich abgeschlossenen Ablösungsverhandlungen konnte in dieser Zeit die herzogliche Domänenverwaltung verzeichnen. Hier zeigt sich, daß der Staat ähnlich wie in anderen deutschen Ländern mit gutem Beispiel in der Ablösungsfrage vorangehen wollte. Ein Vergleich mit den von Privaten, Schulen und Gemeinden - unter denen auch die Standes- und Grundherren zu suchen sind durchgeführten Ablösungen ergibt, daß im Durchschnitt bei letzteren auf eine Be1857 an die nassauisdie Domänen Verwaltung für 440 000 fl veräußerte. Vgl. SPIELMANN, C . , Achtundvierziger Nassauer Chronik, Wiesbaden 1899, S. 149. 81 Alle nassauischen Ablösungskapitalien des fürstlichen Hauses von der Leyen stammen aus der Rentei Nievern, die 1848 für 100 000 fl verkauft wurde. Renten und Ablösungskapitalien bis dahin wurden an die Herrschaft Waal-Unterdießen in Bayrisdi-Sdiwaben überwiesen, die seit 1820 der neue Sitz des Fürstenhauses war. Fürstlich von der Leyensches Archiv, Waal, Familiensachen Nr. 349. 82 Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Wiesbaden, 33. Jahrg., Nr.6 vom 24.6.1841, S. 83. 89 Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Wiesbaden, 32. Jahrg. Nr. 1 vom 4.2.1840, S. 1 und S. 1 1 . 84 HStaatsarch. Wiesbaden, Abt. 2 1 0 / N r . 8872. 57
rechtigung 4 205 fl entfielen, bei der herzoglichen Domänenverwaltung dagegen 1 1 628 fl. Die Domänenverwaltung konnte durdi entgegenkommende Verhandlungen auch die Ablösung größerer Zehntabgaben zum Abschluß bringen, bei den Privaten wurden zunächst nur kleinere Berechtigungen abgelöst. Hinzu kommt, daß bei den Privaten die Anzahl der einzelnen Zehntbereditigungen durch die oft sehr zersplitterten Besitzverhältnisse besonders groß war. In einem Rechenschaftsbericht zum 3 1 . Dezember 1843 schreibt der Direktor der Zehntablösungskommission, V O L L B R A C H T : «Mit dem Sdiluß des Jahres 1843 sind nahezu 3 h aller Zehntberechtigungen zum Abschluß gekommen. Dagegen ist die Zahl der einzelnen Berechtigungen, welche noch bestehen, größer als die der bereits abgelösten. Die noch bestehenden Berechtigungen sind in der überwiegenden Mehrzahl solche, welche Pfarreien und Privaten gehören, wobei die Vermittlung der Verträge immer mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist als bei den Zehntberechtigungen, welche der herzoglichen Domäne zustehen.»85 Das Zögern der Pfarreien und Privaten ist verständlich, waren doch f ü r sie Zehnten, Gülten und andere Abgaben für die Erhaltung der Existenz von weit größerer Bedeutung als für die herzogliche Domänenverwaltung. In den Verhandlungen der Landes-Deputierten-Versammlung finden sich immer wieder Hinweise auf die Schwierigkeiten, die einer Wiederanlage der Ablösungskapitalien entgegenstünden. So heißt es 1843: «In der Ablösung der auf den Zehnten ruhenden Lasten finden die Zehntbereditigten nodi die sicherste Gelegenheit, einen Teil ihrer Kapitalien wieder anzulegen.»86 Bis Ende 1842 finden sich unter den privaten Berechtigten an Standes- und Grundherren allein Graf Waldersdorf mit einer Ablösungssumme von 12 579 fl, Graf von Bassenheim mit 10 500 fl sowie der Fürst von Isenburg mit 6 000 fl87. Bis Ende 1843 werden genannt: Graf Waldersdorf mit 39 1 3 1 fl, von Bassenheim mit 9 100 fl, von Leiningen-Westerburg mit 9 849 fl, die Standesherrschaft Schaumburg mit 79 2 1 0 fl, der Fürst von der Leyen mit 25 135 fl, der Fürst zu Wied mit 184 5 00 fl, die Grafen von Ingelheim mit 43 000 fl und die Grafen von Boos mit 1 2 000 fl88. 1844 haben sich nach den Akten der Zehntablösungskommission diese Beträge nochmals erhöht für Graf von Waldersdorf auf 89 603 fl, die Grafen von Boos auf 21 540 fl, den Grafen von Leiningen-Westerburg auf 10 033 fl und für die Grafen von Coudenhoven auf 2 002 fl 8 '. Insgesamt beliefen sich die Ablösungen der Gemeinden, Sdiulen und Privaten bis Ende 1846 auf 1 282 384 fl"°, wovon der weitaus größte Teil den Standes- und Grundherren zugeflossen ist, die seit 1843 in zunehmendem Maß bereit erschienen, Ablösungsverträgen zuzustimmen. Bis zum Beginn der Zwangsablösung am 1. Januar 1848 waren von den ablösungswilligen Zehntpflichtigen zur Bezahlung der Ablösungskapitalien bei der Landes-Credit-Kasse insgesamt 7 019 849 fl Darlehen aufgenommen worden' 1 . Nach der Aufstellung zum 3 1 . Dezember 1842 waren für 4 03 j 983 fl Zehntbereditigungen reguliert worden, so daß vom 1. Januar 1843 bis zum 31. Dezember 1847 weitere 2 983 866 fl hinzukamen. Der größte Teil dieser Summen dürfte auf die Ablösung berechtigter Pfarreien und Privater entfallen sein. 88 HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 2 1 0 / Nr. 8872. Vgl. auch die Angaben bei VOGEL, wonach bis Ende 1843 von insgesamt 146 500 ha zehntpflichtiger Ländereien ungefähr 96 500 ha durch freiwillige Ablösungen von den darauf ruhenden Zehntlasten befreit worden waren; VOGEL, C . D., Beschreibung des Herzogthums Nassau, Wiesbaden 1843, S. 489. 88 Derselbe, S. 490. 87 HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 2 1 0 / N r . 8872. 88 Ebenda. 89 Ebenda. M Ebenda. M HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 2 1 2 / N r . 7895.
$8
Im M a i 1844 erwartete man z . B . noch die Ablösung von rund 1,6 Mio. fl Pfarrzehnten". Die Landes-Credit-Kasse zahlte die den Zehntpflichtigen gewährten Darlehen selbst direkt an die Berechtigten in bar aus. N u r die den Kirchen und Stiftungen zustehenden Kapitalien blieben als Einlage bei dieser Kasse stehen. Die Kasse mußte jedoch bei den übrigen Berechtigten feststellen, daß «nur etwa ein Drittel der kapitalisierten Forderungen von den Empfangsberechtigten sofort abgehoben wurde» 93 . Bis Ende 1847 hatte die Landes-Credit-Kasse rund 2 Mio. fl bar ausgezahlt. Die Mehrzahl der ehemaligen Zehntherren ließ jedoch ihr Kapital bei dem Institut stehen und begenügte sich mit dessen Verzinsung. Gleichzeitig ist dies ein Beweis dafür, daß den Empfangsberechtigten keine anderen, besseren Anlagemöglichkeiten zur Verfügung standen 94 . Allerdings erhielt auf diese Weise die nassauische Landes-Credit-Kasse eine - wenn auch bescheidene - Möglichkeit, nach § 16 ihrer Gründungsakte an «Gewerbetreibende, welche als solid und zahlungsfähig anerkannt sind und außerdem hinreichende Sicherheiten stellen, einen zeitweisen Credit zu bewilligen». L E R N E R hat festgestellt, daß bis 1847 jedodi nur für insgesamt 900 000 fl Kredite an Private vergeben wurden, wobei wegen der strengen Sicherheitsvorschriften nicht allein Gewerbetreibende berücksichtigt wurden 95 . Hier zeigt sich deutlich eine Möglichkeit, wie durch das Ablösungsgeschäft, wenn auch nur mit indirekter Mitwirkung der Ablösungsempfänger, der Wirtschaft hätte Kapital zugeführt werden können 9 ". Der eigene Kapitalbedarf des Staates, die unbekannten Risiken gewerblicher Unternehmungen und eine allzu langsame Entwicklung bewußter staatlicher Wirtschaftsförderung ließen diese Chancen weitgehend ungenutzt. A n die Stelle der freiwilligen Ablösung trat mit den Gesetzen vom 24. Dezember 1848 und vom 14. April 1849 die Zwangsablösung aller bis dahin noch bestehenden Zehnten, Grundabgaben und Gülten an Geld und Früchten97. A n Stelle des fünfundzwanzigfachen Jahreswertes w a r jetzt nur noch eine Kapitalisierung der Jahresbeträge zum sechzehnfadien Jahreswert vorgesehen, w o v o n der Zehntpflichtige 1 4 A « , der Staat l /n aufzubringen hatten. Die bereits zum fünfundzwanzigfachen Betrag abgelösten Zehnten wurden, um eine Gleichstellung der Pflichtigen zu erreidien, um V « gekürzt, die den Berechtigten aus der Staatskasse zu vergüten waren. Damit wieder wurde erreicht, daß die Zehntherren, die sich der freiwilligen Ablösung unterworfen hatten, besser gestellt wurden. Gleichzeitig wurde die Landes-Credit-Kasse in eine Landesbank umgewandelt und die Aufgaben der Zehntablösungskommission der herzoglichen General-Steuer-Direktion übertragen9®. HStaatsardi. Wiesbaden, A b t . 2 1 0 / N r . 8873. LERNER, FRANZ, Wirtschafts- und Sozialgesdiidite des Nassauer Raumes 1816-1964, Wiesbaden 1965, S. 89. 94 Siehe audi derselbe, S. 80. 96 Derselbe, S. 81: «Von einer großzügigen Kreditpolitik zur Belebung der Wirtschaft konnte daher keine Rede sein.» 99 D a ß eine Nachfrage nach solchen Krediten bestand, weist LERNER nadi, derselbe, S. 80. 97 Gesetz, die Ablösung der Zehnten betreffend v o m 24. 12. 1848, in: Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Wiesbaden, 40. Jahrg., N r . 37 vom 2 4 . 1 2 . 1 8 4 8 , S. 315. Gesetz, die Ablösung der Grundabgaben und Gülten betreffend v o m 1 4 . 4 . 1849, in: Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Wiesbaden, 41. Jahrg., N r . 12 v o m 2 1 . 4 . 1849, S. 137. 98 Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Wiesbaden, 40. Jahrg., N r . IJ vom 4. j . 1848, S. 99 und Gesetz, die Errichtung einer Landesbank betreffend v o m 16. 2 . 1 8 4 9 , in: Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Wiesbaden, 41. Jahrg., N r . 4 v o m 1 9 . 2 . 1849, S. 23. 92
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Unmittelbar nach Erlaß des letzten Gesetzes versuchte die General-Steuer-Direktion, die noch nicht durchgeführten Zehntablösungen zu beschleunigen. Eine besondere Erleichterung sah man darin, daß f ü r kleinere Zehntablösungen privater Berechtigter auch weiterhin die Barauszahlung des Ablösungsbetrages die Regel bildete, -während in allen übrigen Fällen die Berechtigten vierprozentige Schuldscheine der Landesbank erhielten, deren Bonität bei der wachsenden Beliebtheit der Kapitalanlage in Staatsobligationen aller A r t f ü r die Berechtigten außer Zweifel stand". Die Erfahrung, daß nur ein kleiner Teil der Ablösungskapitalien von den Berechtigten in bar abgehoben worden war, hatte dazu geführt, nun generell an Stelle der Barzahlung ein Schuldpapier auszuhändigen, wie dies bei den Kirchen, Schulen und Stiftungen schon seit 1 8 4 1 geschah. Immerhin wurden zu diesem Zeitpunkt noch 882 Fälle gezählt, die den Bestimmungen der Zwangsablösung unterlagen 104 . Der größte Teil davon konnte bis zum 3 1 . Dezember 1 8 5 0 abgeschlossen werden. Das dafür aufzubringende Ablösungskapital belief sich auf 1 4 3 5 J 7 1 fl, wovon nach den Bestimmungen des Ediktes vom 24. Dezember 1848 */« ( = 1 7 9 4 4 6 fl) von der Staatskasse, 14A« von den Pflichtigen zu zahlen waren. Bis Ende 1 8 5 2 , also in den folgenden zwei Jahren, konnten A b lösungsverträge f ü r weitere 649 1 8 1 fl abgeschlossen werden. Damit hatte die A b lösung im wesentlichen aber auch schon ihr Ende gefunden; die in den nächsten J a h ren noch erledigten Fälle umfaßten nur geringe Summen: bis Ende 1854 fielen 30 874 fl an Ablösungskapitalien an, bis Ende 1856 weitere 53 683 fl, in den folgenden drei Jahren nur noch 8 5 5 8 fl101. Leider läßt sich nicht feststellen, wer im einzelnen die Empfänger der Ablösungskapitalien nach dem 1. Januar 1848 waren; die großen Ablösungssummen der herzoglichen Domänenverwaltung in den ersten Jahren der freiwilligen Ablösbarkeit der Grundlasten und mehrfache Hinweise der General-Steuer-Direktion an die einzelnen Rezepturen, f ü r eine beschleunigte Abwicklung noch nicht begonnener Ablösungsverfahren Sorge zu tragen, lassen jedoch den Schluß zu, daß es sich bei der Mehrzahl aller Ablösungen nach dem 1 . Januar 1848 um private Berechtigte einschließlich der Kirchen handelt. Für eine den exakten Übersichten f ü r Baden und Württemberg vergleichbare Zusammenstellung fehlen leider die Unterlagen. Einzelne Ablösungsverhandlungen haben sich noch jahrzehntelang hingezogen. Besonders kirchliche Rechte, wie Hahnengeld, Rauchhafer und Glockengarben, hielten sich in der Form der Naturalabgabe noch lange. So entschlossen sich die Einwohner der Gemeinde Frickhofen erst 1869, die von jedem Hauseigentümer jährlich zu tragenden Lasten im Werte von 36 fl 54 kr mit einer Zahlung von 1 000 fl abzulösen, da «nicht zu vermeidende Unzuträglichkeiten, namentlich bei der Erhebung der Frucht» immer stärker aufträten 1 0 2 . Andere Glockengarben werden nach mancherlei Schwierigkeiten erst 1 8 7 6 durch eine Kapitalabfindung abgelöst. Der langsame Fortgang bei der Ablösung kirchlicher Rechte ist einmal darauf zurückzuführen, daß die Naturalabgaben der Gemeinde wesentlicher Bestandteil der Pfarrbesoldung waren und das Verhältnis zwischen Pfarrer und Gemeinde in der Regel doch nicht so schlecht w a r , daß diese Abgaben unwillig geleistet oder ihre Notwendigkeit f ü r den Unterhalt der Pfarrstelle nicht eingesehen wurde. Ganz anders beurteilte man dagegen die Leistungen an den weltlichen Grundherrn, den die Pflichtigen noch nicht einmal kannten, dessen Amtswalter gefürchtet und dessen Gegenleistungen nur selten voll gewürdigt wurden. Aber auch von kirchlicher Seite betrieb man die Ablösung nicht mit M 100 101 101
HStaatsardi. Wiesbaden, HStaatsardi. Wiesbaden, HStaatsardi. Wiesbaden, HStaatsardi. Wiesbaden,
Abt.no/Nr.8873. Abt. 212 / Nr. 7895. Abt. 212 / Nr. 3641. Abt. 40$ / Nr. 6813. 60
übermäßiger Eile. D i e Verhandlungen der bayrischen K a m m e r der Abgeordneten aus den Jahren 1845-1848 zeigen, daß gerade die energischen Einwendungen der katholischen Kirche, die dem Staat das Recht abstritt, sich mit geistlichen Zehnten zu beschäftigen, die Regierung immer wieder die Fixierung und Ablösung der bäuerlichen Lasten hinausschieben ließ 108 . Je mehr Naturalabgaben oder in laufende Geldrenten umgewandelte Leistungen abgelöst wurden, um so stärker stiegen die Ausgaben der Kirchen, da den E m p f ä n gern der bisherigen Leistungen, d. h. den Inhabern der einzelnen Pfarrstellen, f ü r den A u s f a l l dieser ihrem Unterhalt dienenden A b g a b e n ein entsprechendes Entgelt bezahlt werden mußte. Hätte die Kirche f ü r die Pfarrbesoldungen auf die Ablösungskapitalien zurückgegriffen, so w ä r e n diese Beträge sehr bald aufgezehrt worden, während die laufenden Ausgaben der Kirchen bestehenblieben und sich sogar weiter erhöhten. Die berechtigte Sorge der nassauischen Zehntablösungskommission und später der General-Steuer-Direktion galt daher einer ertragreichen A n l a g e der Ablösungskapitalien der Kirche, die schon seit Beginn der freiwilligen Ablösung bei der nassauischen Landes-Credit-Kasse stehenblieben, «wo sie nur 4 Prozent Zins bringen» 104 . 1850 beliefen sich diese Kapitalien noch auf 263 593 fl. D i e durch eine schlechtere Ertragslage der Bank bedingte K ü n d i g u n g aller 5 °/oigen Einlagen führte dazu, daß bis z u m Ende des Jahres rund 150000 fl an die Kirchengemeinden bar ausgezahlt wurden, der Rest von 1 1 4 204 fl z u 4V0 Jahreszinsen weiter bei der Bank verblieb, d. h. praktisch in 4 % i g e Schuldscheine umgewandelt wurde, wie sie auch die übrigen Berechtigten seit 1848 erhielten 105 . Unter diesen Umständen konnten aus dem Ertrag der Ablösungskapitalien keineswegs die vermehrten finanziellen Verpflichtungen der Kirche gedeckt werden. D i e nassauische Regierung w a r daher gewillt, den Kirchen zu helfen, diese Kapitalien günstiger anzulegen, wobei in erster Linie an den A n k a u f v o n Grundeigentum gedacht wurde 106 . Vorherrschender Gedanke w a r dabei das Streben nach einer möglichst sicheren Kapitalanlage, die zusätzlich eine Möglichkeit bot, teilweise zu dem alten System der Naturalversorgung der Pfarrstellen zurückzukehren. Eine ertragbringende Investition dieser Kapitalien, sei es im H a n d e l , in der Industrie oder auch nur im A n k a u f v o n Wertpapieren, w i e sie gegen die Jahrhundertmitte durchaus möglich und auch v o n kirchlicher Seite in früheren Zeiten schon vorgenommen worden war 1 0 7 , stand nicht zur Diskussion. W e n n f ü r die Kirche aus diesen Gründen ein Beharren auf dem Althergebrachten noch verständlich erscheint, so gab es auch manche private Berechtigte, denen an einer Ablösung älterer Abgaben, waren sie nur erst einmal in eine laufende Geldrente umgewandelt, nicht sehr viel gelegen war. Teilweise wurden solche Renten bis 1923 gezahlt und ihre Weiterzahlung dann noch in jahrelangem Rechtsstreit begehrt 108 . Be-
10s Vgl. MEMMINGER, AUGUST, Zur Geschichte der Bauernlasten, mit besonderer Beziehung auf Franken und Bayern, 4. Aufl., Würzburg 1908, S. 182 und 190. 104 HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 210/Nr. 8873. 105
LERNER, F R A N Z , a . a . O . , S . 1 1 6 .
HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 210/Nr. 8873. 107 Hingewiesen sei etwa auf die Kapitalbeteiligung der Kirche bei der Entwicklung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes; vgl. dazu HÜTTENHAIN, WILHELM, Die Entstehung und Entwicklung des rheinisch-westfälischen Industriebezirkes, staatswiss. Diss., Frankfurt 1923, S. 31 ff. 108 Z . B . : Eine grundherrliche Rente für die Entschädigung des Verlustes älterer Abgaben wurde am 21. Februar 1824 durch den Herzog von Nassau mit 397 0 50 kr festgesetzt, ab 1866 durch den preußischen Staat mit 682,- Mk jährlich bis 1923 gezahlt. Der nach der Zahlungseinstellung anhängige Rechtsstreit zieht sich bis zum Jahre 1931 hin; siehe HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 405 / Nr. 10137. 100
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sonders die Entschädigungsrenten für aufgehobene ältere Abgaben nach dem Edikt vom i . Dezember 1812 haben zahlreichen Ablösungsversuchen widerstanden und wurden teilweise bis zum 1. Weltkrieg gezahlt 1 ".
C . Höhe und Verwendung von Ablösungskapitalien einzelner Standes- und Grundherrsdbaften 1. Das fürstliche Haus Thum und Taxis Der Versudi, Höhe und Verwendung der Ablösungskapitalien beim fürstlichen Hause Thum und Taxis festzustellen, hat besondere Umstände zu berücksichtigen, die einen Vergleich mit anderen Standesherrschaften erschweren. Auf Grund seiner ausgedehnten Besitzungen in Bayern, Württemberg, Hohenzollern-Sigmaringen, Preußen (Polen) und Österreich (Böhmen) hat das fürstliche Haus Thum und Taxis in Süddeutschland wohl die höchsten Ablösungssummen überhaupt erhalten, darüber hinaus ließen die im Vergleich zu anderen Standes- und Grundherrschaften außerordentlich guten finanziellen Verhältnisse in der Verwendung der Ablösungskapitalien einen viel weiteren Spielraum. Schließlich ist zu beachten, daß in den Jahren der Grundrentenablösung dem fürstlichen Hause Thum und Taxis auch große Entschädigungssummen aus der Ablösung des Postregals zuflössen. Über die ersten Ablösungen aus den württembergischen Besitzungen nach den württembergischen Ablösungsgesetzen vom 27-/29.10.1836 berichtete die fürstliche Obereinnehmerei am 20. 10. 1840. Bis zu diesem Zeitpunkt waren für 2 022 fl Gefälle mit 44 370 fl abgelöst worden110. Am 1 1 . 3. 1842 waren es bereits 1690900, trotzdem waren weder in bar noch in Ablösungsobligationen Mittel zur «rentierlidien Anlage» verfügbar, weil für 1837 erworbene Grundstücke und Waldungen 206 050 fl an Abzahlungen geleistet werden mußten. Eine Gesamtübersicht der württembergischen Ablösungen gibt die fürstliche Domainenoberadministration 1852 auf Grund einer «Übersicht der Erträgnisse der fürstlichen Rentämter in Württemberg an Grundzins und Zehnten, Gefällen, Forstzinsen etc., soweit sie unter die württembergischen Ablösungsgesetze fallen, für die Jahre 1829-1846» 1 1 1 . In dieser Übersicht wurde ein Ablösungskapital von 2 192 543 fl berechnet. Zu 4°/o verzinst, machte der jährliche Zinsertrag 87 781 fl aus; er lag damit um rund 1 1 0 333 fl niedriger als die bisherigen jährlichen Einnahmen aus Zehnten und Gefällen. Abschließend wurde die württembergisdie Ablösung daher kommentiert: «Die Ablösungsgesetze strotzen von Unbilligkeit und Ungerechtigkeit gegen die Berechtigten.»112
108
S o kommt eine grundherrliche Rente für aufgehobene Blutzehnten, Leibeigenschaftsund sonstige Gefälle in Höhe von 95,17 M k erst 1 9 1 6 zur Ablösung, wobei ebenfalls ein Rechtsstreit entsteht, da nicht feststeht, ob der bisherige Empfänger der Rente Alleinberechtigter ist und ihm die Ablösungssumme zusteht; siehe HStaatsardi. 'Wiesbaden, Abt. 405 / Nr. 10136. 110 Fürstl. T h u m und Taxis'sches Zentralarchiv, Akten Immediatbüro (I.B.) Nr. 1 1 0 0 . 111 Fürstl. T h u m und Taxis'sches Zentralarchiv, I.B., N r . 1392. 111 Ebenda.
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Eine erneute Rechnung zwei Jahre später sah etwas günstiger aus: Ablösungskapital a) grundherrliche Gefälle b) zehntherrliche Gefälle
i 442 752 fl 1 2 3 4 3 8 2 fl
./. Passivkapitalien (Lasten)118
2677 134 fl 185862 fl 2 491 272 fl
Gleichzeitig wurde nachgewiesen, daß bei Anwendung der für die Berechtigten günstigeren bayrischen Gesetze sich in Württemberg ein Ablösungskapital von 3 910 j$4 fl ergeben hätte114. Eine letzte Zusammenfassung vom 2. 6. 1856 weist das bisher in Württemberg zugestandene Entschädigungskapital mit 2 373 467 fl aus, wovon 247 1 1 6 fl für Schul- und Kirchenbaulasten abzuziehen sind. Auf Grund der in Stuttgart gemachten Vorstellungen wurde mit einer möglichen späteren Aufbesserung von 1,2 Mio. fl gerechnet115, die jedoch - wie bei der Ubersicht der württembergischen Ablösungsgesetzgebung gezeigt wurde - nicht zustande kam. Ein Verzeichnis der in Bayern angefallenen Ablösungskapitalien vom 8 . 1 . 1 8 5 7 enthält die Summe von 2 8 1 7 440 fl, die bis auf den Betrag von 296 127 fl, der noch zur Sicherstellung von Baulasten bei den bayerischen Gerichten verwahrt blieb, bereits an die fürstliche Obereinnehmerei abgeliefert wurden 114 . Für die 1828/29 erworbene Herrschaft Chotieschau in Böhmen waren am 22.8. 18J3 für 221 793 fl (österr.) Ablösungsobligationen ausgestellt worden, am 17. 12. 1855 war die Gesamtablösungssumme über 556 000 fl (österr.) verbrieft 117 . Das ebenfalls erst 1819 angekaufte, im preußischen Teil Polens gelegene Fürstentum Krotoszyn brachte 14 163 Taler an grund- und zinsherrlichen Gefällen, für die ein Ablösungskapital von 283 278 Talern berechnet wurde118. Schließlich bleibt noch die Ablösung in dem seit 1850 zu Preußen gehörenden Gebiet Hohenzollern-Sigmaringen zu erwähnen, wo für das fürstliche Haus Thurn und Taxis nach einer Zusammenfassung des Jahres 1864 für 262 2 7 j fl Ablösungsobligationen ausgestellt wurden 11 '. Gegen ernsthafte Dispositionsbeschränkungen hatte die fürstliche Verwaltung nur bei den Ablösungsgeldern aus preußischen Gebieten zu kämpfen. Im Hinblick auf die württembergischen Ablösungskapitalien wurde in Stuttgart festgestellt: «Mit 118 Hierunter sind von den Standes- und Grundherren an andere Berechtigte zu leistende Zehnten und Abgaben zu verstehen («Passivzehnten»), wie auch teilweise mit den aufgehobenen oder abgelösten Rechten verbundene öffentlich-rechtliche Leistungen für Kirchen und Schulen («Kompetenzen»). Da mit den Rechten auch die hieraus resultierenden Verpflichtungen wegfielen, wurden von den Ablösungskapitalien zugunsten der Kompetenzberechtigten bestimmte Abzüge vorgenommen. Eine endgültige Regelung brachten erst die späteren Komplexlastengesetze. 114
Fürstl. Thurn und Taxis'sches Zentralarchiv, I.B., N r . 1392.
115
V g l . d a z u REINHARD, O T T O , a. a. O . , S . 7 8 f f .
118
Fürstl. T h u m und Taxis'sches Zentralarchiv, I.B., N r . 1 2 4 8 . 117 Fürstl. Thurn und Taxis'sches Zentralarchiv, I.B., N r . 1916. 118 Fürstl. Thurn und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., N r . 1326. Fürstl. Thurn und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., N r . 1 3 7 1 . In Sigmaringen wird 1865 die Ablösungssumme mit 264 70 j fl angegeben, Staatsarchiv Sigmaringen, H o 2 5 2 (Neuverz. A
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Rücksicht auf die bekannten Vermögensverhältnisse des Fürsten von T h u m und Taxis ist durch die Freigabe der Zehnt-Ablösungs-Entsdiädigungs-Forderungen desselben vor beendigter Lastenabfindung ein materieller Nachteil für die Lastenberechtigten nicht zu befürchten.» 120 Unter Hinweis auf § 1 1 0 des preußischen Ablösungsgesetzes vom 2. 3. i 8 j o wurde dagegen von den preußischen Behörden für die A b lösungskapitalien aus der Herrschaft Krotoszyn angeordnet: «Über diese Ablösungsgelder kann nur insoweit verfügt werden, als für den Lehenskomplex Krotoszyn Einrichtungskosten infolge der Regulierung der bäuerlichen Verhältnisse, der Separationen und Gemeinheitsteilungen bestritten worden sind.» 1 2 1 A u f Grund des Lehensverbandes und des bestehenden Fideikommisses durften Ablösungskapitalien aus der Herrschaft Krotoszyn somit nur für die Bestandssicherung und weitere Vermehrung dieses Fideikommisses angelegt werden. In den Akten lassen sich keine Belege dafür finden, daß die fürstliche Verwaltung versucht hätte, eine andere Verwendungsmöglichkeit der für Krotoszyn ausgestellten preußischen Rentenbriefe zu erreichen. D a gegen wurde gegen das Verhalten der preußischen Ablösungsbehörden in Hohenzollern-Sigmaringen Beschwerde in Berlin eingelegt 1 ". Eine Freigabe von Rentenbriefen wurde hier davon abhängig gemacht, daß zunächst ihre Wiederanlage zum Fideikommißvermögen nachgewiesen werden sollte. Da alle in preußischem Gebiet liegenden fürstlichen Besitzungen bereits dem Stammvermögen des Hauses angehörten, hätten entweder in Preußen selbst neue Besitzungen erworben oder aber ausländische Besitzungen als Surrogat angeboten werden müssen. Der Streit mit den Ablösungsbehörden läßt sich mit jenem, den das fürstliche Haus Solms-Braunfels jahrelang mit den preußischen Behörden in der gleichen Angelegenheit führte, gut vergleichen 1 ". Erst 1 8 6 7 gelang es dem fürstlichen Haus Thum und Taxis, die Freigabe der A b lösungskapitalien zu erreichen: 1 9 9 500 fl in Rentenbriefen und 33 328 fl in bar konnten von der fürstlichen Obereinnehmerei vereinnahmt werden. Das gesperrte Bargeld ausgeloster Rentenbriefe w a r nur mit 2 % verzinst worden; alle Reklamationen, für einen Ausgleich des dadurch verursachten Verlustes zu sorgen, blieben ebenso erfolglos wie Einsprüche gegen die Entscheidung der preußischen Finanzverwaltung, die Zinserträge des gesamten Ablösungskapitals zu besteuern, d. h. für die Kapitalien, die als passive Ablösungen für Kirchen- und Schullasten den Berechtigten nicht zustanden, wurden bei der Versteuerung keine Abzüge zugelassen" 4 . Der Gesamtbestand an preußischen Rentenbriefen aus der Ablösung in Hohenzollern-Sigmaringen w a r durch Auslosung und Verkauf bis 1 8 7 2 auf j joo fl zusammengeschrumpft 1 ". Die Verwendung der böhmischen Grundentlastungsobligationen läßt sich im Z u sammenhang mit dem Ankauf der böhmischen Herrschaft Leitomischl am 2 1 . 12. 1 8 5 5 erkennen" 6 . Der außerordentlich schlechte Kurs (93-94 °/o) dieser als Namenspapiere ausgestellten Obligationen wurde mehrfach beklagt und es wurde darauf hingewiesen, der Wohlhabende könne und müsse diese Papiere bis zur Auslosung behalten, da andernfalls der Verlust zu groß wäre. Zur Beschaffung von Bargeld für den Ankauf der völlig verschuldeten Herrschaft Leitomischl von Graf Waldstein-Wartenberg wur-
120
S F A L , Bestand E 184, Bund Fürstl. Thum und Taxis'sches 122 Fürstl. Thum und Taxis'sches gen, Ho 235, I/VII, Nr. 255. 123 Siehe S. 132 f. dieser Arbeit. 124 Fürstl. Thum und Taxis'sches 125 Ebenda. 12« pürstl. Thum und Taxis'sches 121
139, Nr. 2. Zentralardiiv, I.B., Nr. 1326. Zentralarchiv, I.B., Nr. 1 3 7 1 , und Staatsarchiv
Zentralardiiv, I.B., Nr. 1386. Zentralardiiv, I.B., Nr. 2070. 64
Sigmarin-
den 1855 500000 fl dieser böhmischen Grundentlastungspapiere bei einer Wiener Bank deponiert. Gleichzeitig wurden Überlegungen angestellt, wie die Kaufsumme von 1 886000 fl bezahlt werden könne, ohne Ablösungsobligationen oder sonstige Wertpapiere zu veräußern" 7 . Da der größte Teil des Kaufpreises an einzelne Hypothekengläubiger zu zahlen war, die Hypotheken aber nicht alle gleichzeitig gekündigt wurden, schien es möglich, den Kaufpreis aus den laufenden Einnahmen der fürstlichen Kasse in Regensburg zu decken. Bis Ende 1858 waren bereits über 800 000 fl bezahlt. Ein Blick in das Hauptbuch der fürstlichen Obereinnehmerei des Jahres 1855/56 zeigt, daß solche Erwerbungen und zahlreiche kleinere zur Arrondierung des Grundbesitzes ohne einen Verkauf von Ablösungsobligationen durchaus möglich waren: Einnahmen von rund 1 224 000 fl, darunter 740 000 fl Postgefälle, 270 000 fl Überschüsse der Rentämter und Domänen, 170 000 fl Zinsen aus Ablösungskapitalien stehen nur Ausgaben von 613 515 fl gegenüber" 8 . Mit dem Ankauf von Leitomisdil gingen auch die auf die Herrschaft Leitomischl als Berechtigte ausgestellten böhmischen Grundrentenbriefe in Höhe von 539 433 fl an den neuen Besitzer über, womit sich der Bestand böhmischer Grundrentenobligationen auf über 1 Mio. fl erhöhte 1 ". Für die Mehrzahl der Ablösungskapitalien, die in Bayern und Württemberg erwartet wurden, hatte die fürstliche Obereinnehmerei am 28. 1 1 . 1850 vorgeschlagen, diese Obligationen zunächst einmal zu behalten. Die «unsicheren Zeiten» waren ein Grund für diesen Entschluß, der andere, «um durch die Innebehaltung der von den Ablösungskassen unmittelbar empfangenen Ablösungsobligationen mit dem entlasteten und haftenden Objekte noch gewissermaßen in Beziehung zu verbleiben» 130 . Von dieser Entscheidung wurde auch in den nächsten Jahren nicht abgegangen, obwohl Bankiers und Finanzmakler wiederholt versuchten, vom fürstlichen Hause Thum und Taxis Ablösungsobligationen zu erwerben. Ein Brief an die fürstliche Verwaltung aus Stuttgart vom 1 6 . 2 . 1851 gibt Aufschluß darüber, warum sich die Bankiers um den Ankauf von Ablösungsobligationen bemühten: «Die Landleute genießen seit einigen Jahren wenig Kredit, weil im Falle der Säumigkeit die Beitreibung von Kapital und Zinsen äußerst schwer ist. Dies hat zur Folge, daß stets ein großes Verlangen nach Staatspapieren besteht, und . . . dieselben dadurdi in hohem Kurs gehalten werden . . . Wenn nun ein Bankhaus weitere Wertpapiere, namentlich Ablösungsobligationen, auf den Markt bringt, und dem Kapitalisten annehmbar madien kann, so bietet sich ihm bei dieser Ausdehnung seines Geschäftes eine sichere Aussicht auf Gewinn dar.» 1 3 1 Die im Wertpapiergeschäft erfahrene fürstliche Verwaltung dachte nicht daran, anderen Bankiers mögliche Gewinnchancen zu überlassen, zumal kein zwingender Grund gegeben war, sich von den Ablösungsobligationen zu trennen. Audi ein Anerbieten des Bankhauses Gebr. B e n e d i c t in Stuttgart, württembergische Ablösungsobligationen gegen bayrische Ablösungsobligationen umzutauschen, wurde abgelehnt, obwohl zunächst ein solcher Tausch sehr vorteilhaft erschien, da die bayrischen Papiere zu dieser Zeit ( 1 8 5 1 ) bereits einen festen Börsenkurs hatten und beim Börsenpublikum als sichere Anlage galten, während der württembergischen Sdiuldentilgungskasse «gewissenlose Verwaltung der Ablösungsgelder» vorgeworfen und davon gesprochen wurde, daß sie diese auf eigene Rechnung an verschiedene
117
Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralardiiv, I.B., Nr. 2071. " 8 Ebenda. 188 Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralardiiv, I.B., Nr. 1916. 1,0 Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralardiiv, I.B., Nr. 688. 151 Ebenda.
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Privatbankiers ausleihe, statt um eine schnellere Verlosung und bessere Verzinsung zu Gunsten der Berechtigten besorgt zu sein181. Erst 1864 war die fürstliche Verwaltung an einem Verkauf von 730 000 fl württembergischer Ablösungsobligationen interessiert, verlangte aber von dem Bank- und Wechselgeschäft der G e b r . R o s e n f e l d in Stuttgart eine Übernahme zu pari, worauf das Bankhaus ablehnte. S t a h l & F e d e r e r in Stuttgart boten eine kommissionsweise Übernahme an und hofften, einen Kurs von y^-Wh erzielen zu können 1 ". Größere Posten des Bestandes an württembergischen Ablösungsobligationen wurden dann auch über dieses Bankhaus abgesetzt. Das überlegene und sichere Auftreten der fürstlichen Verwaltung bei allen diesen Finanzgeschäften bestätigt immer wieder, daß das fürstliche Haus bei der Verwendung der Ablösungskapitalien und deren Zinsen in keinem Fall durch einen Mangel an flüssigen Mitteln zu einem bestimmten Verhalten gezwungen worden wäre. Schon viele Jahre vor Beginn der Ablösungen konnte die fürstliche Obereinnehmerei auf Grund der erheblichen Einnahmen aus dem Postregal jährlich über größere frei verfügbare Kassenbestände berichten. So wurde am 31. 10. 1836 ein Kassenbestand in Gold- und Silbermünzen von 477 023 fl angezeigt und am 4. 1. 1837 berichtet, die Bestände hätten sich so vermehrt, daß «ein weiterer ansehnlicher Teil zur bleibenden nutzbringenden Verwendung oder sonstigen höchsten Verfügung sofort abgeliefert werden kann» 134 . Durch Vermittlung des Bankhauses R o t h s c h i l d begann ein umfangreicher Ankauf von Staatspapieren, vor allem j °/oigen österreichischen «métalliques»155, bayrischen und hessen-darmstädtischen Staatsobligationen. Weitere Finanzüberschüsse führten 1845 dazu, bei R o t h s c h i l d ein 3 °/oiges Kontokorrent einzurichten, «um die nicht benötigten Kassenmittel rentierlich anzulegen»138. Am 19. 12. 1845 befanden sich auf diesem Konto bereits nahezu 800 000 fl aus «disponibler Barschaft», und die fürstliche Obereinnehmerei schlug nunmehr vor, dieses Geld in Staatspapieren und in Eisenbahnobligationen anzulegen. Ein halbes Jahr später wurde der Effektenbestand bereits mit nominal 1 253 471 fl angegeben, Zinsanfall und Kursgewinne mit 33944 fl 1 ' 7 . Auch das Jahr 1848 brachte weitere Überschüsse und gute Kaufangebote für Staatsobligationen, wenn auch das Bankhaus R o t h s c h i l d am 4.3.1848 das bei ihm liegende Barkapital von zur Zeit 18 j 099 fl kündigte, «da bei den gegenwärtigen Verhältnissen der vereinbarte Zins
Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., Nr. 688. Die Darstellung der Ablösung in Württemberg hat gezeigt, daß zu dieser Zeit die Auslosung tatsächlich nur langsam anlief und die Ablösungskassen von den Pflichtigen eingezahlte Gelder - wenn auch kurzfristig - anderweitig ausliehen. 133 Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., Nr. 688. 134 Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., Nr. 680. 1 S ! Zur Ordnung der Finanzverhältnisse und Zurüdcführung des Papiergeldumlaufs von rund 600 Mio. fl auf die Grundlage der konventionsmäßig ausgeprägten Metallmünze wurde nach Gründung der österreichischen Nationalbank 1816 ein «freiwilliges österreichisches Anleiten zu 5 %> in konv. Münze (Metalliques-Obligationen)» ausgegeben. Papiergeld konnte in bestimmten Verhältnis gegen dieses in Metallmünze verzinsliche Staatspapier eingetauscht werden. In späteren Jahren (1823) folgten weitere «métalliques» auch zu einem niedrigeren Zinsfuß. - Die «métalliques» entwickelten sich zum «Haupthandelspapier Österreichs und wurden mit Recht Thermometer der deutschen Börsen genannt». Vgl. im einzelnen BENDER, JOHANN HEINRICH, Der Verkehr mit Staatspapieren im In- und Auslande, Göttingen 1830, S. 10 j f., 113 f. ls« pürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., Nr. 311. 1 , 7 Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., Nr. 680. 66
dafür nidit mehr gezahlt werden kann» 1 ' 8 . Die fürstliche Verwaltung mußte sich darum bemühen, auch dieses Kapital in Wertpapieren anzulegen. 1 8 5 1 löste das Königreich Württemberg das Thum und Taxis'sche Postregal ab und zahlte dafür am 1 . 7 . 1851 eine Ablösungssumme von 1,3 Mio. fi in bar 1 ". Dieser Betrag war entsprechend den bestehenden Hausverträgen - das Postregal und alle damit zusammenhängenden Einnahmen waren Bestandteil des Fideikommisses — zu Grunderwerbungen oder zur Hausschuldentilgung zu verwenden. D a keine Schulden vorhanden waren und für Grunderwerbungen größeren Umfangs keine Angebote vorlagen, wurde auch dieser Betrag zwischenzeitlich durch Vermittlung des Bankhauses R o t h s c h i l d in Wertpapieren angelegt. Besonders war man darauf bedacht, nicht zu hohe Bestände an Obligationen deutscher Kleinstaaten zu erhalten140. Sicherer erschien dagegen eine Anlage von 200000 fl in 6°/oigen amerikanischen Obligationen, die ohne Bedenken sofort erworben wurden. Für 450 000 fl, die wegen mangelnder Anlagemöglichkeit zunächst bar beim Bankhaus R o t h s c h i l d deponiert wurden, war dieses nur zögernd bereit, höchstens 1 %> Zinsen zu zahlen 141 . Schließlich gelang es der fürstlichen Verwaltung, sich noch mit 250 000 fl an einem neuen österreichischen Anlehen zu beteiligen148. Die immer umfangreichere Teilnahme am Wertpapiergeschäft führte am 29. 6. 1852 zu einer allerhöchsten Entschließung 14 ': «Es sind durch die infolge der neueren Zeitereignisse herbeigeführten Gefällablösungen, dann durch die württembergische Postentschädigung eine solche Anzahl von Staats- und sonstigen Papieren in unsere Hauptkasse geflossen, daß über die Behandlung derselben . . . besondere Bestimmungen zu treffen für notwendig befunden wird. Da nämlich eines Teils zur Zeit in Ermangelung passender Gelegenheit zur Erwerbung gleich gut rentierlichen Grundbesitzes das Geschäft und der Umsatz in Staats- und sonstigen Wertpapieren die günstigste Aussicht auf Ertrag verspricht, andererseits aber die Betreibung solchen Geschäfts auf dem gewöhnlichen Dienstweg nicht ausführbar seyn würde, vielmehr eine abgekürzte Behandlung e r f o r d e r t . . . haben wir beschlossen, daß mit Beginn des Verwaltungsjahres 1852/53 unser Herr Schwager Ernst Freiherr von Doernberg als Chef der Gesamtverwaltung dafür Sorge tragen möge.» Wenige Jahre später, 1858, wurde von Doernberg «besondere Umsicht, Geschäftskenntnis und Geschicklichkeit» bescheinigt. Seine Tätigkeit hatte großen Erfolg für die Vermögensvermehrung des fürstlichen Hauses, wie die vorliegenden Zinsabrechnungen, die realisierten Kursgewinne und der laufend zunehmende Wertpapierbestand beweisen144. Von einem Effektenbestand von rund 1,3 Mio. fl zu Beginn des Jahres 1 8 5 1 wuchs der Wertpapierbesitz durch geschickte Börsenoperationen und durch laufende Neuanlage frei werdender und hinzukommender Beträge auf über 15 Mio. fl im Etatjahr 1861/62 an. Für das gleiche Jahr beliefen sich die Gewinne aus Umsätzen (Kursgewinne) auf 1 3 6 1 9 3 fl, die Zinsen auf rund 600 000 fl145. Unter diesem Bestand befanden sich noch für ca. 1,3 Mio. fl meist österreichische Ablösungsobligationen, im übrigen aber war er ein buntes Bukett von Staatsobligationen aller Art, einschließlich sehr vieler Eisenbahnpapiere14*. 188 138 140 141 142 145 144 145 146
Fürstl. Thurn Fürstl. Thum Ebenda. Ebenda. Fürstl. Thurn Fürstl. Thum Ebenda. Fürstl. Thum Fürstl. Thurn
und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., N r . 3 1 1 . und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., N r . 36$.
und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., N r . 680. und Taxis'sdies Zentralardiiv, I.B., N r . 696. und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., N r . 697. und Taxis'sdies Zentralardiiv, I.B., N r . 670.
«7
Der Ruf, einer der wohlhabendsten Kapitalbesitzer zu sein, bradite dem fürstlidien Haus Thum und Taxis zahlreiche Finanzierungswünsdie und Beteiligungsgesuche mannigfachster Art ein. Man kann sicher nidit sagen, daß die Kapitalanlage ausschließlich in Staatspapieren wegen mangelnder Kenntnis anderer Anlagemöglichkeiten notwendig gewesen sei. Schließlich hatte die auf eine ausgezeichnete, weitgehend rationalisierte Organisation und Wirtschaftsführung sich stützende fürstlidie Verwaltung147 in der Beurteilung des Kapitalmarktes und in der Prüfung von Anlagemöglichkeiten große Erfahrung. Durch die Praxis des Postbetriebes war man kaufmännischen Überlegungen wahrscheinlich aufgeschlossener, als dies bei anderen Standes- und Grundherren der Fall war. Trotzdem verhielt sich die fürstliche Verwaltung gegenüber allen Versuchen einer Kapitalbeteiligung an industriellen Unternehmungen ablehnend. 1840 bat die Firma E r i c h & G e b r . v o n R u e d o r f f e r um eine fürstlidie Beteiligung an einer bereits bestehenden Maschinenfabrik und einer geplanten Masdiinenspinnerei148. «Seit Jahren darum bemüht, in unserem Vaterland industrielle Unternehmungen ins Leben zu rufen», wurden von dieser Firma exakte Unterlagen, Berechnungen und Kalkulationen vorgelegt. Ausführlich wurden die technischen Vorteile eines neuen Spinnsystems der Maschinenfabrik in Gmund gegenüber dem bisherigen englisdien System geschildert. Obwohl die Unternehmer mindestens 5 °/o Zinsen auf das investierte Kapital garantierten, lautete die Entscheidung: «Zu den Akten, da auf eine Beteiligung an dem Unternehmen nicht eingegangen wird.» Zur gleidien Zeit begann die fürstliche Verwaltung, sich um die Anlage der überschüssigen Kassenmittel zu sorgen, und mußte sidi mit deren Verzinsung zu 3°/o zufriedengeben! Ebenso wurde ein Antrag auf Beteiligung an einer Zuckerfabrik abgelehnt14'. Seit 1831 hatte das fürstliche Haus Thum und Taxis in seinen böhmischen Besitzungen bei Dobrawitz selbst die größte Zuckerfabrik Böhmens in Betrieb, die 1835/36 mit 200 Arbeitern rund 100 000 Zentner Rüben verwerten konnte150. Die fürstlidie Verwaltung war daher mit einem soldien Unternehmen und seinen Risiken wohl vertraut, so daß vor allem schlechte Erfolgsdiancen der geplanten Zuckerfabrik die Ursache für die Ablehnung der Beteiligung gewesen sein dürften. 1860 und 1861 gingen zwei weitere Beteiligungsersudien - sei es durdi Aktienzeichnung, sei es durdi Übernahme festverzinslicher Hypotheken - an einer mechanischen Baumwollspinnerei im Gebiet von München und in Erlangen ein. Trotz besten Empfehlungen wurde auch hier die Beteiligung an «gewerblichen Etablissements» abgelehnt151. Schließlich erfuhr ein Antrag auf Beteiligung an einer Aktiengesellschaft zum Betrieb der MantauDobrzaner Kohlenbergwerke in Böhmen 1861 das gleidie Schicksal151. Einem industriell weit weniger aussichtsreichen, dafür aber mit vielem Idealismus begonnenen Werk, der Gründung einer Tuchfabrik durch die Sdiwestern vom Heiligen Kreuz in Böhmen, wurde 1865 mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Dort sollten in einem diristlich geleiteten Betrieb die vom Maschinenzeitalter gefährdeten Arbeiter gerettet, sollte die soziale Notlage gelöst werden. Zahlreiche fürstliche und gräfliche 147 So konnte z . B . das im Rechnungsjahr 1828/29 eingerichtete Budiungs- und Kassenwesen der fürstlichen Verwaltung nahezu unverändert, den sich wandelnden Ansprüchen zum Trotz, bis 1958/59 beibehalten werden. 148 Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralardiiv, I.B., N r . 2 3 1 . 148 Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralardiiv, I.B., N r . 3 7 3 . HO Vgl. SLOKAR, JOHANN, Geschichte der österreichischen Industrie und ihrer Förderung unter Kaiser Franz I., Wien 1 9 1 4 , S. 604. 151 Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralardiiv, I.B., N r . 246. IM Fürstl. Thum und Taxis'sdies Zentralarchiv, I.B., N r . 268.
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Häuser beteiligten sich an dieser Gründung mit je j ooo fl Aktienkapital 15 ®. Fühlte man sidi hier aus Tradition und als Träger der Kultur zu einer guten sozialen Tat verpflichtet, so dodi keineswegs dazu, f ü r den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes ein Risiko einzugehen. 2. Das fürstliche Haus Hohenlohe Im südwestdeutschen Raum tritt neben den fürstlichen Häusern T h u m und Taxis sowie Fürstenberg das fürstliche Haus Hohenlohe als Empfänger der größten Ablösungssummen hervor. Nach einer Zusammenstellung bei SCHREMMER betrug das Entschädigungskapital der Herrschaft Hohenlohe für aufgehobene Gefälle und Zehnten nach den württembergischen Gesetzen vom 14. 4 . 1 8 4 8 , 1 7 . 6 . 1 8 4 9 und 24.8. 1849 insgesamt 2 974 228 fl 154 , wovon der größte Teil, 849 393 fl, auf die Linie H o henlohe-Oehringen entfiel, während der Rest sich auf die Linien Hohenlohe-Kirchberg, -Langenburg, -Waldenburg, -Bartenstein und -Jagstberg verteilte. Bereits am 5 . 8 . 1 8 3 1 hatten sidi die Agnaten der einzelnen Linien des Hauses Hohenlohe auf einer Konferenz zu Kupferzell mit der zu erwartenden Ablösungsgesetzgebung beschäftigt111®. Entsprechend dem schon früher vom Hause Hohenlohe befolgten Grundsatz, «daß, weil der Grundbesitz die Basis des Bestehens des hohen Adels sei, audi jedes disponible Mittel, namentlich Grundstocksgelder, zu dessen Erweiterung verwendet werden solle», wurde auf dieser Konferenz beschlossen, «bei den bevorstehenden Veränderungen im Gefällbesitz die zu erwartenden Ablösungskapitalien zum Ankauf von Grundbesitz innerhalb des deutschen Bundes zu bestimmen.» Bei den Verhandlungen zwischen dem württembergischen Staat und der grundbesitzenden Ritterschaft über die geplante Zehntablösung am 27. 5. 1834 wurde auch darüber gesprodien, eine «Abfindung in Grundstücken, wo sie möglich ist», zuzugestehen. In den Bemerkungen zu den ritterschaftlichen Verhandlungen, die die fürstliche Verwaltung Hohenlohe-Kirchberg am 3. 9. 1834 an die übrigen Agnaten des Hauses versandte, hieß es dazu 156 : «Es ist immer großes Gewidit darauf zu legen, daß der Staat wenigstens teilweise mittelst Grundeigentums entschädigt und es dadurch den Standes- und Grundherren möglich macht, durch Grundbesitz die bisherigen Verhältnisse doch noch einigermaßen fortbestehen zu lassen. Güterankäufe lassen sidi nur durch schwere Opfer bewerkstelligen und bares Geld oder Kapitalbriefe gewähren keine genügende Sicherheit, des Umstandes nicht zu gedenken, daß dadurch die Standes- und Grundherren aufhören, das zu sein, was sie sind.» Allerdings w a r man nidit davon überzeugt, daß der Staat eine solche Entschädigung in Grundbesitz gewähren würde, «da er ja nur die Nachteile der Standesherren im Auge hat» und - bei einer wohl allein in Frage kommenden Entschädigung in Wald - «er immer noch einen so großen Waldbesitz behält, daß er die Holzpreise beeinflussen kann» 1 5 7 . Aus diesen Äußerungen ist zu sehen, wie angespannt das Verhältnis zwischen Staat und Standesherren in Württemberg bereits v o r der Zehntund Gefällablösung war, obwohl man bei den Berechtigten zu dieser Zeit noch die Ablösung zum Zwanzigfachen des Jahresbetrages erwartete: «Rechnet man noch hinzu, daß die meisten Gefäll-Besitzer wegen Lehens- und Fideikommiß-nexu gezwun153 154
Fürstl. Thum und Taxis'sches Zentralardiiv, I.B., Nr. 373. SCHREMMER, ECKART, a. a. O., S. 1 3 0 . N a d i REINHARD erhielt das Haus Hohenlohe nach
dem Gesetz vom 14. 4. 1848 98 $ 000 fl, nadi dem Gesetz vom 17. 6. 1849 nahezu 2 Mio. fl E n t s c h ä d i g u n g s k a p i t a l , REINHARD, O T T O , a . a . O . , S . j o u n d S . 155
Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Waldenburg, XVI/K/22. im Fürstl. Hohenlohisdies Ardiiv Kirchberg, II W, Nr. 3 1 1 . 157 Fürstl. Hohenlohisdies Ardiiv Kirdiberg, II W, Nr. 310.
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61.
gen sind, die Entsdiädigungskapitalien entweder in Grundeigentum anzulegen, dessen Kaufpreis sehr hoch ist, oder in Staatspapiere zu stecken, deren Zinsgenuß nur 4°/o ist, so läßt sich leicht ermessen, daß ein Gefäll-Besitzer selbst bei dem zwanzigfachen Entschädigungsbetrag nodi ein großes Opfer bringt158.» Unmittelbar vor Erlaß der ersten württembergischen Ablösungsgesetze vom 27-/29. Oktober 1836 wurde am 12. 8. 1836 auf einer Seniorratssitzung der Linien Hohenlohe in Künzelsau nochmals die geplante Verwendung der zu erwartenden Ablösungskapitalien erörtert15'. Da man offensichtlich erkannt hatte, daß die Anlage der zu einem bestimmten Zeitpunkt anfallenden Ablösungskapitalien ausschließlich in Grund und Boden nicht möglich sein würde, weil nicht gleichzeitig ein entsprechend umfangreiches, Angebot an Grundstücken vorhanden sein dürfte, schränkte man den ursprünglich gefaßten Beschluß nun insoweit ein, daß nach Möglichkeit zwar Grund und Boden erworben werden sollte, wo dies vorerst aber unmöglich erschien, die Ablösungskapitalien auch zum Erwerb von Wertpapieren verwandt werden dürften. Die daraus anfallenden Zinsen sollten als Ersatz der weggefallenen Gefäll-Revenuen angesehen werden. Schließlich sollte es auch möglich sein, Ablösungskapitalien für Meliorationen der bestehenden Hausgüter zu verwenden, keinesfalls sollten die zu erwartenden finanziellen Mittel jedoch für die Bestreitung der laufenden Ausgaben oder die Schuldentilgung verwendet werden. Ziel dieser Überlegungen war, daß der hausfideikommissarische Grundstock unverändert erhalten bleiben sollte1"0. Da für den Erwerb geeigneten Grundeigentums, namentlich geschlossener Herrschaften - sollte er nutzbringend sein - die geeigneten Angebote und passende Gelegenheit abgewartet werden mußten, trat von selbst die Notwendigkeit ein, «zwar jene Ablösungskapitalien für jenen Zweck sich flüssig zu erhalten, allein diese bis zu jenem Zeitpunkt gegen hypothekarische Sicherheit in leicht umsetzbaren Obligationen verzinslich auszuleihen»181. Alle diese Überlegungen schienen durch die Höhe der Ablösungssummen, die bereits auf Grund der Ablösungsgesetze des Jahres 1836 dem fürstlichen Gesamthaus zuflössen, wohl berechtigt. Nach den von SCHREMMER ermittelten Zahlen ergibt sich folgendes Bild 182 : Entschädigung des fürstlichen Gesamthauses Hohenlohe nach den Gesetzen von 1836 in fl.
Hohenlohe-Kirchberg Hohenlohe-Langenburg Hohenlohe-Öhringen Hohenlohe-Waldenburg Hohenlohe-Bartenstein Hohenlohe-Jagstberg Gemeinsame Lehenskasse
Beeden
Fronen
12 J78
9 833
163 701 190 700
55 255
417 737
245 721 204 656 112 303 621
660 16997 7641 —
102 964
1 335 439
Leibeigenschaftsgefälle —
Summe
173 534
—
203 278
—
472 992
— —
2 366 —
23 66
246 381 221 653 122 310 621
1 440 769
Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Kirchberg, II W, Nr. 311. Fürstl. Hohenlohisdies Gemeinschaftliches Archiv, B/8. Vgl. auch SCHREMMER, ECKART, a. a. O., S. 143 f. 1 . 0 Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Waldenburg, XVI/K/22. 181 Ebenda. 158
159
1.1
SCHREMMER, ECKART, a . a. O . , S . 128 f . 7°
Für die Anlage dieser Ablösungskapitalien in Grund und Boden ergaben sich dann audi bald Schwierigkeiten1"3, jedoch war die ersatzweise Anlage dieser Kapitalien in Wertpapieren nicht wesentlich einfacher, wie aus verschiedenen Briefen und Stellungnahmen der einzelnen Mitglieder des Hauses Hohenlohe in den folgenden Jahren hervorgeht. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, daß «einer sicheren Anlage der Kapitalien gegenüber einer vielleicht einen höheren Ertrag versprechenden, aber die Existenz des Vermögens in Frage stellenden Verwendung» der Vorzug zu geben sei164. Die Meinungen über das, was als sicher anzusehen sei, gingen dabei oft auseinander. Zu beachten ist auch, daß die Ablösungskapitalien nach den Gesetzen von 1836 in bar ausgezahlt wurden, die Frage einer sofortigen Anlage sich hier also viel dringender stellte als bei den späteren Ablösungskapitalien nach den Gesetzen der Jahre 1848/49, die als verzinsliche Obligationen ausgezahlt wurden. In einer am 20. 1. 1840 nach Kirchberg einberufenen Konferenz der einzelnen Linien des fürstlichen Hauses wurde erneut über die Verwendung der Ablösungskapitalien beraten und folgender Beschluß gefaßt: «1. Für die Wiederanlage der Ablösungskapitalien soll ein Zeitraum von 20 Jahren festgesetzt sein. 2. Hinsichtlich der zu machenden Erwerbungen von Grundeigentum wird die gegenseitige Voraussetzung ausgesprochen, daß jeder einzelne hohe Stammesteil bemüht sein werde, die Kapitalien so bald als möglich anzulegen. 3. Jeder Stammesteil macht sich verbindlich, für diejenigen Verluste, welche durch das Ausleihen der Ablösungsgelder — bis sich zu deren Anlegung in Grundeigentum Gelegenheit zeigen wird - entstehen können, dem gemeinschaftlichen Hausfideikommiß Ersatz zu leisten 1 ".» Neben die kleineren Grunderwerbungen in Hohenlohe trat 1837 der Ankauf der 30 000 preußische Morgen umfassenden oberschlesischen Gutswirtschaften Ujest und Bitsdiin für 620 054 fl durch das fürstliche Haus Hohenlohe-Öhringen 166 . Bereits seit 1799 besaß dieses Haus in Oberschlesien Grundbesitz und nahm dort audi mit Kohlengruben und Eisenhütten am beginnenden Aufstieg des oberschlesischen Industriegebietes teil. Der Erwerb der beiden neuen Herrschaften war eine willkommene Gelegenheit, württembergische Ablösungskapitalien anzulegen. Ein zweiter großer Teilbetrag der Ablösungen aus dem Jahre 1836 in Höhe von 245 000 fl wurde 1841 vom Hause Hohenlohe-Waldenburg zur Schuldentilgung verwendet 167 . Da die gemeinschaftlich über die Wiederanlage der zu erwartenden Ablösungskapitalien mehrfach getroffenen Verabredungen diese Art der Verwendung nicht gestatteten, mußte es sich bei dieser Schuldentilgung um eine außergewöhnliche Situation handeln. Die stark verschuldete Linie Hohenlohe-Waldenburg hatte beim verwandten fürstlichen Hause Fürstenberg die Aufnahme einer Anleihe über 250 000 fl geplant. Diese Anleihe kam nicht zustande, weil der auf Seiten des Hauses Fürstenberg erforderliche vormundschaftliche Consens nicht zu erlangen war. Zur Konsolidierung der drückenden Schuldenlast und Einlösung fälliger Verbindlichkeiten mußte daher auf die einzige verfügbare Kapitalquelle, die Ablösungskapitalien, zurückgeus YGI ,JIE wenigen nachweisbaren Grunderwerbungen jener Jahre bei SCHREMMER, ECKART, a. a. O., S. 144. 1M
Fürstl. Hohenlohisdies Fürstl. Hohenlohisdies 161 Fürstl. Hohenlohisdies a. a. O., S. 144. 1,7 Fürstl. Hohenlohisdies 165
Archiv Waldenburg, X V I / K / 2 2 . Archiv Langenburg, X / H / 1 4 5 . Archiv Waldenburg, X V I / J / 9 3 , vgl. audi SCHREMMER, ECKART, Archiv Waldenburg, XVI/B/610.
71
griffen werden. 1845 beweist der Versuch, eine neue Regelung der bestehenden Tilgungspläne zu finden, daß die Schuldenlast trotzdem noch sehr groß war und sogar erneut um agnatischen Consens ersudit werden mußte, Ablösungsgelder für die Schuldentilgung zu verwenden1®8. Eine Aufstellung vom 14. 1 1 . 1842 läßt erkennen, daß die Ablösung nach den Gesetzen von 1836 zu diesem Zeitpunkt bis auf geringfügige Restposten abgeschlossen war, und unterrichtet gleichzeitig über die Verwendung dieser Gelder 18 ': 1.
Hohenlohe-Waldenburg Ablösungskapital 246381 fl davon ausgezahlt 244 924 fl Der Gesamtbetrag wurde mit agnatischer Bewilligung zur Schuldentilgung verwendet; der Linie Waldenburg wurde dabei die Auflage gemacht, in den folgenden Jahren aus den laufenden Einnahmen diese Summe wieder abzuzweigen und der Vermehrung des Stammgutes durch Grunderwerb zuzuführen.
2. Hohenlohe-Kirchberg Ablösungskapital 173 543 fl davon ausgezahlt 158657 fl Vom Gesamtbetrag waren 95 000 fl bei der württembergischen Staatshauptkasse verzinslich angelegt, der Rest für verschiedene Ankäufe verwendet worden, darunter am 14. 7.1840 zwei Bauernhöfe für 44 433 fl. 3. Hohenlohe-Öhringen Ablösungskapital 472 992 fl davon ausgezahlt 473 1 7 3 A170 Für 100 459 fl wurde ein größerer Waldbesitz in Hohenlohe gekauft, der Rest zur Abzahlung des Kaufpreises für die schlesischen Herrschaften Ujest und Bitschin verwendet. 4. Hohenlohe-Bartenstein Ablösungskapital 221 653 fl davon ausgezahlt 220 024 fl Von diesem Betrag wurden für 135 000 fl fällige hohenlohe-jagstbergische Schuldverschreibungen eingelöst, eine weitere Summe zu privaten Anleihen an Gemeinden und Untertanen verwendet. Für den Erwerb von Grundeigentum wurden nur 13 353 fl ausgegeben. 5. Hohenlohe-Langenburg Ablösungskapital 203 278 fl davon ausgezahlt 202615 A Für 69 524 fl wurden verschiedene Güter und Waldparzellen angekauft, der Rest für den Erwerb verschiedener Staatsobligationen, darunter hessische, württembergische und österreichische «metalliques» ausgegeben171. Die Zeit um 1840 war gekennzeichnet durch laufende weitere Ankäufe von kleineren Höfen, Waldungen, Acker- und Wiesenparzellen, wobei vor allem die ArronFürstl. Hohenlohisches Archiv Waldenburg, X V I / A / 9 9 . Fürstl. Hohenlohisches Archiv Langenburg, X / H / 1 4 5 . Die Aufstellung stammt aus einer Ratskonferenz; Angaben über die Verwendung von 1 1 9 944 fl Ablösungskapital für die Linie Hohenlohe-Jagstberg fehlen. 170 Die Überdeckung kommt durdi eine mitgerechnete Zinszahlung zustande. 171 Im einzelnen dazu viele Nachweise in: Fürstl. Hohenlohisches Archiv Langenburg, X/H/123. 1,9
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dierung des hohenloheschen Besitzes im Vordergrund stand 1 7 8 . Erst nach den Ablösungsgesetzen von 1848 wurden wieder größere Pläne zur besseren Anlage der als Obligationen ausgezahlten Ablösungskapitalien erörtert. In der Künzelsauer Konferenz vom 1 7 . 7. 18 j 5 wirkte sich erstmals der Einfluß des Hauses Hohenlohe-Öhringen und seine Teilnahme am industriellen Aufstieg Oberschlesiens aus. Die versammelten Agnaten berieten über die Möglichkeiten und Gewinnchancen einer industriellen Kapitalanlage. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß «gewerbliche Etablissements» eine sehr gefährliche Kapitalanlage seien und eine Verwendung von Grundstocksmitteln zu deren Gründung nur mit der Zustimmung aller Agnaten möglidi sei. Trotzdem sollte die Anlage in soldien Etablissements «um so mehr als erlaubt angesehen werden, als die gegenwärtigen Zeitverhältnisse auf eine derartige Verwendung und Unterbringung von Grundstocks-Capitalien hinweisen» 173 . Von Hohenlohe-Waldenburg wurde sogar geltend gemacht, «daß eine freie Bewegung der Fideikommiß-Nutznießer zumal im Gebiet der Industrie, beinahe eine Notwendigkeit geworden sei, wenn anders dieselben mit der fortschreitenden Umgestaltung der Geldverhältnisse sich einigermaßen in Einklang erhalten sollen und daß es daher auch die nationalökonomischen Verhältnisse der Gegenwart vollkommen gerechtfertigt erscheine, wenn das Familienvermögen auch in anderen nutzbringenden Formen angelegt werde» 1 7 4 . Weiterhin sollte jedodi der Grundsatz gelten, den Grunderwerb als beste Anlage in erster Linie zu fördern; sollten gewerbliche Anlagen in Frage kommen, so müßten diese nachhaltig rentabel erscheinen, die Nützlichkeit einer Kapitalanlage in solchen Einrichtungen müßte gemeinsam festgestellt werden und alle Agnaten in diese Form der Kapitalanlage einwilligen. Alle diese Bedingungen waren so schwierig zu erfüllen, daß eine industrielle Betätigung über die einmal gemachten Pläne leider nicht hinausging. Bereits am 1 7 . 4. 1854 hatte Fürst Hugo zu Hohenlohe-Öhringen, der inzwischen zum oberschlesischen Großindustriellen geworden war, in einem Brief bemerkt: «Es unterliegt keinem Zweifel, daß das in den gewerblichen Unternehmen angelegte Kapital höher verzinst wird, aber ebenso anerkannt ist auch, daß jene Kapitalien um so unsicherer stehen. Die Wiederanlage von flüssigem Kapital in Grundbesitz ist eine Lebensbedingung des Adels und wenn wir uns erhebliche Abweichungen davon erlauben, werden wir auf eine abschüssige Bahn geraten und der Zersplitterung des Hausvermögens Tür und Tor öffnen 7 1 5 .» Als Ausnahme von dieser Regel ließ der Fürst jedoch die Investitionen in den Gewerbebetrieben gelten, die in Zusammenhang mit Grund und Boden standen und dessen Produkte verarbeiteten. Gleichzeitig warnte er vor der Auffassung, mit der Kapitalinvestition allein sei es getan, vielmehr müßten auch genügend Betriebsmittel f ü r den laufenden Geschäftsgang vorhanden sein: «Vorzugsweise bei meinen hierländischen (gemeint ist Oberschlesien; Anm. d. Verf.) Besitzungen habe ich Gelegenheit, mich von dieser Wahrheit zu überzeugen.» Die Diskussion um die Verwertung von Grundstocksgeldern - wozu die Ablösungskapitalien gehörten - zur Anlage und zum Betrieb gewerblicher Unternehmungen beherrschte zahlreiche Ratskonferenzen der einzelnen Linien des fürstlichen Gesamthauses in den Jahren 1854 bis 1 8 6 1 . Den Anlaß lieferte am 1 9 . 1 0 . 1854 ein vom fürstlichen Hause Hohenlohe-Langenburg gestellter Antrag, f ü r die Mühle in Schäftersheim aus Grundstocksmitteln einen Betriebsfonds von 1 5 000 fl bilden zu dürfen 1 7 '. 171 Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Waldenburg, X V I / J / 2 0 0 ; vgl. auch a. a. O., S. 14$. 178 Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Waldenburg, XXI/B/325. 174 Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Langenburg, X/C/93. 175 Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Waldenburg, XXI/B/325. 174 Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Langenburg, X/C/93.
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SCHREMMER, E C K A R T ,
Die von den einzelnen Linien des fürstlichen Hauses eingeholten Gutachten führten dann zu den bereits genannten, auf der Künzelsauer Konferenz von I 8 J J festgelegten Bedingungen, wonach in Ausnahmefällen eine gewerbliche Anlage von Ablösungsgeldern möglich war. Fürst Hugo von Hohenlohe-Öhringen führte dazu im einzelnen aus 1 ": «Gleichwie in den Hausgesetzen die Veräußerungen fideikommissarischen Grundeigentums und in specie des althergebrachten Grundeigentums des Stammgutes streng verboten ist, so muß hieraus gefolgert werden, daß, wenn aus besonderen Anlässen - wie z. B. durch eine Vis major im Wege der Ablösungsgesetzgebung ein Teil des Grundeigentums oder dem gleich zu aditenden Rechte und Gefälle veräußert werden - der Erlös hieraus dem Geiste wie jener Vorschrift der Hausgesetze gemäß wieder zum Ankauf von Grundeigentum verwendet werden muß, und daß eine Ausnahme von diesem Grundsatz jedodi immerhin nur in entsprechendem Verhältnis zum Gesamtgrundbesitz nur in Ansehung derjenigen gewerblichen und industriellen Unternehmungen zugelassen werden darf, welche nicht bloß reine Fabriketablissements sind, sondern in näherer Verbindung mit den Erzeugnissen und Produkten des fideikommissarischen Grund und Bodens und deren Verarbeitung stehen, wogegen erhebliche Bedenken zu tragen sind, reine Fabriketablissements wie RunkelrübenZuckerfabriken, Kunstmühlen pp., welche das Rohprodukt erkaufen müssen, als zum Fideikommiß taugliche Objecte anzusehen.» Während hier vor einer industriellen Betätigung gewarnt wurde und gerade von einem mit der industriellen Entwicklung Oberschlesiens eng verbundenen Adeligen ganz eindeutig die Prinzipien vertreten wurden, die fast alle Standes- und Grundherren von einer industriellen Anlage verfügbarer Ablösungskapitalien absehen ließen, scheute sich Fürst Hugo von Hohenlohe-Öhringen doch nicht, seinerseits zum hohenlohesdien Fideikommiß gehörende Ablösungskapitalien als Betriebsmittel für die Hüttenwerke und Gruben auf seinen schlesisdien Besitzungen zu beanspruchen. Es handele sich dabei, so führte er aus, nicht um gewerbliche Etablissments, sondern um ganze Herrschaften, «einen Komplex von Ökonomie, Forsten und Hüttenwerken». Diese eigenwillige Auslegung der Familiengesetze und der gemeinsam gefaßten Beschlüsse über die Verwendung der Ablösungskapitalien führte bereits ein Jahr später, 185 6, zu einer gemeinsamen Beratung der Linien Hohenlohe-Waldenburg, -Jagstberg und -Bartenstein, ob es nidit möglich sei, ebenfalls in Schlesien Besitzungen zu erwerben178. Man rechnete damit, für diesen Ankauf i n o o o o fl flüssig machen zu können, «vorausgesetzt, daß die Entschädigung der hohen Standesherren in Württemberg noch günstige Erledigung findet»179. Für Hohenlohe blieb das ferne Schlesien Ausland, auch wenn dort ein Zweig des Hauses eine neue Heimat gefunden hatte. Kapitalanlagen im Ausland aber waren sehr skeptisch zu prüfen, und man maß ihnen nur dann Wert zu, wenn der Grunderwerb so groß war, daß eine neue selbständige Herrschaft entstehen konnte. Als Grund für die schlesisdien Pläne wurde angegeben, diese Neuerwerbungen böten Gelegenheit, die Einnahmen zu steigern und sich insbesondere an der fortschreitenden Industrie zu beteiligen. Trotz allen Bedenken und Warnungen des Fürsten Hugo von Hohenlohe-Öhringen hatten dessen Erfolge in Obersdilesien soldien Eindruck hinterlassen, daß man ernsthaft versuchte, ebenfalls in Schlesien «Revenuen» zu erzielen. Optimistisch glaubte man, mit Hilfe der Ablösungsgelder für den Erwerb von Besitzungen in Oberschlesien sogar z Mio. fl als Kaufpreis aufbringen zu können, «wenn die Mittel parat sind». Dies war aber nidit 177
Ebenda. Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Waldenburg, X V I / J / i z . i n Anspielung auf die erhoffte Naditragsentsdiädigung für Standesherren in Württemberg, die für die drei genannten Linien 630 6 1 2 fl gebracht hätte, vgl. S. 4 5 . 178
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der Fall, weil «a) die noch im Prozeß befangenen Ablösungen nicht erledigt sind, b) die Abfindung der Komplexlasten nodi aussteht und ein möglicher Einspruch der Komplexlastenberechtigten befürchtet werden muß, wenn das Fürstenhaus seine finanziellen Mittel im Ausland anlegt 180 , c) der Verkauf der dem Hause Hohenlohe zustehenden Staatsrente gegen einen angemessenen Preis nicht gesichert ist» 1 8 1 . Diese Gründe waren so schwerwiegend, daß - wie der Domänendirektor in Waldenburg in einem Gutachten ausführte - ohne eine zufriedenstellende Lösung der Entsdiädigungsfrage an die geplanten umfangreichen Neuerwerbungen ernsthaft nicht gedacht werden konnte. Audi bestanden Zweifel, ob f ü r den Plan die vormundschaftliche Genehmigung zu bekommen wäre. Da alle drei an dem Plan beteiligten fürstlichen Linien unter vormundschaftlicher Verwaltung standen, ging der Plan wahrscheinlich auf die Vorschläge der Verwaltungsbeamten zurück. Es läßt sich vermuten, daß in Schlesien gemeinschaftlich Grundbesitz erworben werden sollte und die einzelnen Anteile dann so ausgetauscht werden sollten, daß eine Herrschaft mit allen Besitzungen vollständig nach Schlesien übergehen, während ihre südwestdeutschen Besitzungen unter die beiden anderen Linien aufgeteilt werden sollten. Z u Beginn des Jahres 1857 kam aus Oberschlesien erneut der Vorschlag von Fürst H u g o von Hohenlohe-Öhringen, ihm hohenlohesches Ablösungskapital zur Ausweitung seiner industriellen Interessen zur Verfügung zu stellen 181 . E r schilderte, wie nach den unruhigen Jahren 1848/50 und der befürditeten Auflösung des deutschen Zollvereins 1852 endlich ab 1853 die Eisenindustrie einen großen Aufsdiwung genommen habe. U m an der herrsdienden Konjunktur teilzunehmen, sei ein weiterer Ausbau der Gruben und Eisenhütten erforderlich. So wäre es wünschenswert, die Produktion von Steinkohle von gegenwärtig 500 000 t auf 1 Mio. t jährlich zu steigern, wofür allein schon mindestens 100 000 Taler Investitionskapital bereit stehen müßten. Der Fürst klagte weiter, daß auch die 1799 ererbten schlesisch-sächsischen Besitzungen in einem Fideikommiß zusammengefaßt seien, einer f ü r industrielle Unternehmungen, die auf die jeweilige Konjunkturlage mit schnellen Entschlüssen reagieren müßten, völlig ungeeigneten Rechtsform. Um schnell und billig die benötigten Kapitalien zu erhalten, böte sich als einziger Fonds das Ablösungskapital aus der Herrschaft Öhringen an. Nach Auskunft der württembergisdien Regierung stünden davon zur Zeit 280 000 £1 frei und «wegen zinsbringender Unterbringung ist man verlegen und kauft österreichische Papiere.» Schließlich wurde von dem Fürsten noch darauf hingewiesen, daß eine vorübergehende Anlage in den schlesischen Werken besser sei als in fremden Staats- und Eisenbahnpapieren. N u r so sei sicher, daß die als Darlehen überlassenen Grundstocksgelder in voller Höhe später wieder zur Anlage in Grundbesitz, der allein endgültigen Verwendung, zur Verfügung stünden. Die schlesischen Finanzwünsche ließen am 3 . 1 2 . 1 8 5 7 erneut eine Konferenz des fürstlichen Gesamthauses in Künzelsau darüber diskutieren, ob eine Anlage von Ablösungsgeldern in gewerblichen Etablissements möglich sei und auf welche Weise kontrolliert werden könne, ob das Fideikommißkapital tatsächlich in voller Höhe erhalten bleibe 18 *. A m 1 0 . 4 . 1 8 6 1 einigte man sich endlich über ein Prüfungsverfahren, 180 Die Komplexlasten wurden erst abgelöst durch das Gesetz, betreffend die Ablösung von Leistungen für öffentliche Zwecke vom 19. April 1865, in: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, 1865, Nr. 9, S. 81 ff. 181 Diese Rente für aufgehobene steuerähnliche Abgaben in Höhe von 6 194 fl jährlich wurde erst 1868 mit 1 1 2 300 fl abgelöst; vgl. Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Waldenburg, X/H/109. 181 Akten der fürstlichen Verwaltung Hohenlohe-Öhringen, Öhringen, Fach 36, Fase. 17. 188 Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Langenburg, X/C/91.
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dem nun alle «gewerblichen Etablissements», also auch Mühlen, Brauereien, Sägewerke usw. unterworfen werden sollten. In bestimmten Abständen waren allen Linien des Hauses die Betriebsunterlagen vorzulegen 184 . Inzwischen wurde zum i . Januar 1859 dem Wunsch des Fürsten entsprochen und ein Darlehen in Höhe von 100 000 Talern ( = 175 000 fl) aus dem Fonds des hohenloheschen Fideikommiß-Grundstocks für die Erweiterung der Hohenlohe-Hütte in Obersdilesien um zwei Hochöfen, Gießhütten, Maschinen- und sonstige Einrichtungen angewiesen. Der Betrag wurde teilweise in Wechseln, teilweise bar, teilweise durch Hingabe bereits früher erworbener Obligationen der k. u. k. Staatseisenbahngesellschaft Wien durch Vermittlung eines Breslauer Bankhauses in Oberschlesien zur Verfügung gestellt und war mit $%> zu verzinsen. Nach dieser zweiten großen Finanztransaktion in das obersdilesische Industriegebiet wurden für viele Jahre keine weiteren Mittel aus den hohenloheschen Stammlanden beansprucht. Dagegen erhielt in den 1860er Jahren das Rentamt Öhringen mehrfach Zuschüsse aus der fürstlidien Hauptkasse Slaventzitz in Oberschlesien, die dort als Revenuenabführung verbucht wurden und in Öhringen zur Bestreitung laufender Ausgaben Verwendung fanden 185 . Erst 1892 trat in Oberschlesien wieder ein verschärfter Finanzbedarf auf: Für 7,5 Mio. Goldmark sollte eine Kohlengrube erworben werden, wozu sämtliche verfügbaren Finanzmittel benötigt wurden. Aus dem Besitz der Linie Hohenlohe-Öhringen wurden dazu für 836 600 Goldmark Nominalwert Staatsobligationen nach Oberschlesien abgegeben, denen in den folgenden Jahren mehrfach weitere Ablieferungen folgten. Diese in Württemberg vorhandenen, nicht unerheblichen Wertpapierbestände waren seit den 1850er Jahren angewachsen, da anfallende Zinsen und die Erlöse ausgeloster Ablösungsobligationen immer wieder in Staatsobligationen angelegt wurden. So berichtete die Verwaltung von Hohenlohe-Langenburg x8 54 186 : «An Ablösungsobligationen sind nur nodi 18 000 fl zu erwarten, alle übrigen sind schon versilbert und zum Abtrag von Gutskaufgeldern oder zum Ankauf von österreichischen und bayerischen Obligationen verwandt worden.» Audi für diese 18 000 fl wurden schließlich über das Bankhaus B e t h m a n n , Frankfurt/M., österreichische «metalliques» erworben. Aus der umfangreichen Korrespondenz mit den Bankiers B e n e d i c t in Stuttgart, O b e r m e y e r in Augsburg, B e t h m a n n und R o t h s c h i l d in Frankfurt/M. geht hervor, daß man bestrebt war, sich möglichst schnell von den württembergischen Papieren zu trennen, um für den Gegenwert bayrische und österreichische Obligationen zu erwerben 187 . Durch Vermittlung der Kaufleute und Finanzmakler L o u i s V o g e l s a n g in Neuenstein, V e i t S t r a u ß in Künzelsau, G e o r g e V o e l c k e r in Frankfurt/M. und anderer waren alle Linien des Hauses Hohenlohe lebhaft an diesem Wertpapiergeschäft beteiligt. Der ursprüngliche Charakter dieser Anlage als eine durch mangelnde Kaufgelegenheit an Grund und Boden bedingte vorübergehende Kapitalverwendung wandelte sich dabei zur dauerhaften, ertragbringenden Kapitalanlage, die darüber hinaus noch den Vorzug hatte, jederzeit wieder leicht in Bargeld umgewandelt werden zu können. Dies war deshalb von Bedeutung, weil entgegen den ursprünglichen Beschlüssen es immer wieder notwendig wurde, Teilbeträge der Ablösungskapitalien für die Bestreitung laufender Ausgaben einzusetzen. So bat z . B . 1867 das fürstliche Rentamt Waldenburg um Gewährung eines Zuschusses aus dem Ertrag der ausgelosten Ablösungsobligationen, da die «lau184
Fürstl. Hohenlohisches Archiv Langenburg, X/C/88. Akten der fürstlichen Verwaltung Hohenlohe-Öhringen, Rentamt Öhringen, Fach 3 y, Fase. j. 184 Fürstl. Hohenlohisches Archiv Langenburg, X/H/149. 187 Ebenda. 185
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fenden Einnahmen kaum zur Bestreitung der fälligen Pensionen, Besoldungen, Zinsen, Steuern etc. ausreichen»188. Das Jahr 1866/67 war allgemein von «großen Geldbedürfnissen» gekennzeichnet, was auch aus den Verkäufen noch nidit ausgeloster Ablösungsobligationen hervorgeht, die teilweise mit erheblichen Verlusten abgesetzt werden mußten. So konnten 1866/67 nicht selten nur Verkaufskurse von 82, 83 oder 8j°/o erzielt werden184, die allerdings auch auf den allgemeinen Kursverlust 4%>iger Papiere infolge des nach 186$ stetig ansteigenden Zinsfußes zurückzuführen sind1M. Hohe laufende Ausgaben und fehlende Gelegenheit, entsprechenden Grundbesitz zu erwerben, ließen die fürstlichen Verwaltungen bei der Wiederanlage von Ablösungskapitalien zur Erhaltung des Grundstocks immer wieder in Verzug geraten. Als Beispiel sei hier die Heimzahlung und Wiederanlage von Ablösungskapitalien des fürstlichen Hauses Hohenlohe-Bartenstein wiedergegeben1®1:
Vorhandenes Ablösungskap. fl 202 844
8 113
1860
154689
6 19$
1861
147 973 1 4 1 094
137 976 i n 200
1863 1864
Wiederanlage
fl
fl
1859
1862
Auslosung
Zinsen
—
fl —
49 955
S918
6 916
7 3°o 1 1 200
5643
6879
28 000
5 518
3 118
4448
26 7 7 6
13
93 ¿44
59
—
200
Berücksichtigt man, daß ein gutes Drittel der Wiederanlage im Ankauf von Staatsobligationen bestand, so zeigt sich, wie schwer die Forderung nach dem Erwerb von nutzbringendem Grundeigentum zu erfüllen war. Aus Mangel an besserer Verwendung hat man in Hohenlohe-Bartenstein in diesen Jahren auch darauf verzichtet, Ablösungsobligationen vor ihrer Auslosung zu verkaufen. Dagegen wurden hier wie in anderen Linien des fürstlichen Hauses immer wieder Ablösungskapitalien zur Bestreitung laufender Ausgaben herangezogen, obwohl man 1858 die Verwalter der fürstlichen Hauptkassen sämtlich «feierlich an Eides Statt» verpflichtet hatte, «alle Gelder aus der Ablösung von Gefällen und Rechten, die zum Stammgut gehören, keineswegs zur Befriedigung des laufenden Dienstes oder anderer Bedürfnisse und Schulden zu verwenden1**.» 189
Fürstl. Hohenlohisdies Ardiiv Waldenburg, X/H/44. weist darauf hin, daß sich bei der Diskontierung noch nicht fälliger Ablösungsobligationen je nach Auslosungszeit und Größe des zu diskontierenden Wertpapierpakets unterschiedliche Kurse unter pari ergaben, die durchschnittlich bei 87 bis 89 °/o lagen. (Vgl. SCHREMMER, E C K A R T , a . a . O . , S. 1 4 3 . ) Besonders niedrige Kurse von 8 0 % , ja 7J°/o, die ausnahmsweise vorkamen, lassen sidi darauf zurückführen, daß die fürstliche Verwaltung durch Mangel an flüssigen Mitteln gezwungen war, zu bestimmten Fristen zu verkaufen. Die Finanzmakler, über den Stand der fürstlichen Kassen meist bestens orientiert, nutzten diese Gelegenheit natürlich aus. Nur selten konnten die weit von den Bankplätzen entfernten fürstlichen Verwaltungen nachprüfen, ob der ihnen gewährte «Tageskurs» tatsächlich in dieser Höhe existierte. 188
1M
191 1,2
SCHREMMER
V g l . K A H N , JULIUS, a . a . O . , S . 163 f f .
SFAL, Bestand E 21, Fach 171, Nr. 637. Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Langenburg, X/H/145. 77
Audi der Mahnung, nur inländisdie Wertpapiere oder Papiere aus Ländern des deutsdien Bundes zu kaufen, wurde nicht gefolgt. Z w a r überwogen zunächst die württembergisdien Papiere, ihnen folgten aber sehr schnell bayerische, hessische und schließlich die auch bei anderen Standesherrschaften immer wieder in den Vordergrund tretenden österreichischen «métalliques». 1854 und 1856 wurden bei den einzelnen Linien des fürstlichen Hauses mehrfach für ausgeloste Ablösungsobligationen sofort diese österreichischen Papiere erworben 1 ". x8j6 konnte man einer Zeitungsnotiz entnehmen, daß sich die Chefs der Allgemeinen Gesellschaft des Mobiliar-Kredits in Frankreich nach St. Petersburg begeben und dort die Konzession für die Errichtung des Hauptnetzes der russischen Eisenbahnen erhalten hatten. Da die russische Regierung j °/o Zinsen garantierte, schien es der fürstlichen Verwaltung Hohenlohe-Waldenburg angebracht, sich um den Erwerb der für den russischen Eisenbahnbau ausgegebenen Obligationen zu bemühen. Das Gesdiäft scheiterte allerdings. Der Glaube an die Sicherheit staatlicher oder staatlidi garantierter Schuldverschreibungen war so groß, daß dafür die ursprünglich geplante Beschränkung auf inländische Anlagen aufgegeben wurde. Die Bestandsübersidit des Hauses HohenloheWaldenburg aus dem Jahre 1892 weist schließlich 23 verschiedene fest-verzinslidie Wertpapiere aus, darunter Papiere aus Österreich, Schweden, Böhmen, Ungarn, Italien, Portugal und der Türkei 194 . Dieser Anlage gegenüber hatten nicht-staatliche inländische Papiere wie die neu geschaffenen Industrieobligationen und Aktien keine Chancen, da ihnen noch immer der Ruf zweifelhafter Sicherheit «gewerblicher Etablissements» anhaftete, — trotz den Erfolgen, die eine Linie des Hauses Hohenlohe in Oberschlesien gerade mit diesen «Etablissements» errang. Aufmerksam wurden dagegen alle Möglichkeiten verfolgt, statt erneuter Wertpapieranlage frei gewordene Ablösungskapitalien für den Ankauf von Grundbesitz zu verwenden. Die lokalen Zeitungen wurden auf günstige Angebote laufend überprüft, Maklerberichte immer wieder angefordert und jede Gelegenheit wahrgenommen, nach geeignetem Grunderwerb Ausschau zu halten 1 ' 5 . Gemessen an den immer wieder erneuerten Anlagen in Wertpapieren konnten jedoch nur sehr kleine Beträge für diese ursprünglich als allein zulässig angesehene Art der Kapitalanlage aufgewendet werden, da nicht genügend Verkaufsangebote vorlagen 1 ".
3. Das fürstliche und gräfliche Haus Fugger Von den fürstlichen und gräflichen Linien des Hauses Fugger - Fugger-Babenhausen, Fugger-Glött, Fugger-Kirchberg, Fugger-Kirchheim - enthalten in erster Linie die Akten der Herrschaft Fugger-Glött aufschlußreiches Material zu den hier interessierenden Fragen. Schon bald nach dem Erlaß des bayerischen Grundentlastungsgesetzes vom 4. 6. 1848 1 ' 7 wurde am 12. 9. 1848 in einer ersten Obersicht das Ablösungskapital für die Herrschaft Glött mit 244 j 77 fl errechnet1'8. Eine endgültige Zusam1,3
Fürstl. Hohenlohisdies Ardiiv Langenburg, X / H / 1 4 9 ; Fürstl. Hohenlohisdies Archiv Waldenburg, X V I / K / 3 . 194 Fürstl. Hohenlohisdies Ardiiv Waldenburg, X V I / B / 8 3 2 . 195 Fürstl. Hohenlohisdies Ardiiv Waldenburg, X V I / J / 3 3 . 1,6 Vgl. hierzu audi SCHREMMER, ECKART, a. a. O., S. 145. 197 Gesetz über die Aufhebung der standes- und gutsherrlidien Gerichtsbarkeit, dann die Aufhebung, Fixierung und Ablösung von Grundlasten betreffend vom 4 . 6 . 1 8 4 8 , in: GesetzBlatt für das Königreich Bayern, N r . 13 vom 13. 6. 1848, S. 98 ff. IM Fugger-Ardiiv, 2 $ . 1. 33 i-i
78
menfassung enthält ein «Ausweis über die Verwendung der dem gräflichen Haus Fugger-Glött angefallenen Grundrentenablösungsobligationen» aus dem Jahre i8j6 1 M : A. Anfall 1. bei der Herrschaft Glött a) für ständige und unständige Grundgefälle b) für Zehntrenten
204 904 fl 27 294 fl 232 198 fl
2. bei der Herrschaft Oberndorf a) für ständige und unständige Grundgefälle b) für Zehntrenten
102 241 fl 16 628 fl 118 869 fl
insgesamt =
351 067 fl
B. Verwendung 1. Lt. Consens vom 18. 11. 1851, ergänzt am 6. 4. i8j2, zur Beteiligung mit 100 Stück Aktien bei der Medianischen Baumwollspinnerei und Weberei in Kempten ^ 1 000 fl, zus. 100 000 fl 2. Lt. Consens vom 24V31.12. 1852 zur Erwerbung von 120Stück Aktien der Kunstmühle in Augsburg ä 1 000 fl, zus. 120 000 fl, erste Subskription 3. Lt. Consens vom 18.4.1853 zum gleichen Zweck, zweite Subskription 4. Lt. Consens vom 12.6.1854 z u r Erwerbung des Wirtschaftsanwesens in Oberndorf 5. Lt. Consens vom 22. 10. 1854 zur Errichtung und zum Betrieb der Schrezheimer Lederfabrik 6. Zur Ölmühle sollen consentiert werden
101 97$ fl
110028 fl 21 000 fl 8 000 fl 82 790 fl 3 2 3 793 A 27 275 fl 351 068 fl
Bei dieser lückenlosen Übersicht fällt auf, daß die Ablösungskapitalien fast ausschließlich zur Beteiligung an industriellen Unternehmungen verwendet wurden100. Diese gegenüber anderen Grundherrsdiaften so unterschiedliche Entwicklung war keineswegs von Anfang an vorgesehen, wie aus dem Kampf um die einzelnen Consense hervorgeht, den Graf Fidel Ferdinand Fugger-Glött führen mußte. Wie beim fürstlichen Hause Hohenlohe hatten sich auch die Vertreter der einzelnen Linien des Hauses Fugger bei Beginn des Ablösungsgeschäftes über die mögliche Verwendung der zum Fideikommißgut gehörenden Ablösungskapitalien zu einigen versucht. Der Wortlaut dieses Donauwörther Konferenzbeschlusses vom 22. 8. 1849 «behufs der Ausführung und Überwachung der von den einzelnen Häusern beabsichtigten Verwendung der Grundrentenablösungsobligationen zur Erwerbung anderen fideikommissaFugger-Archiv, 25. 1. 56 b Hinweise auf die industrielle Anlage von Ablösungskapitalien des Grafen Fidel Ferdinand Fugger-Glött auch bei Z O R N , W O L F G A N G , Handels- und Industriegesdiidite BayrisdiSdiwabens 1648-1870, Augsburg 1961, S. 162 und S. 203. 1,8
104
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risdien Eigentums oder zur Schuldentilgung» sei hier wiedergegeben, weil er für die Meinungen und die entstehenden Schwierigkeiten bei der Verwendung der Ablösungskapitalien bei den großen süddeutschen Grundherren ganz allgemein Gültigkeit hat 101 : «In Folge des Ablösungsgesetzes und der Abtretung der Grundrenten an die Ablösungskasse des Staates hat die fürstlich und gräflich Fuggersche Gesamtfamilie bedeutende Beträge an Ablösungspapieren zu empfangen. Ohne dem Urteil und der Absicht der einzelnen Häuser vorgreifen zu wollen, glauben die Unterzeichneten, es werde der Wunsdi rege werden, die Ablösungspapiere umzusetzen. Da dies nur nach Maßgabe des Börsenkurses geschehen kann und hierbei der günstige Moment unverweilt erfaßt werden muß, da bisher die Mobilisierung fideikommissarischen Eigentums und die Beibringung der desfallsigen Consense sehr zeitraubend war, der Börsenkurs aber nicht wartet, bis alle diese Hindernisse beseitigt sind, so haben wir uns entschlossen, dieselben im voraus zu entfernen. Wir erteilen deshalb hierdurch unseren agnatisdien Consens: 1. Ablösungspapiere, sowie jede Art fideikommissarischen oder lehnbaren Eigentums zu veräußern, und in anderes, jedoch gleichfalls fideikommissarisches, bindendes Eigentum zu verwandeln, 2. Papiere oder Baarschaften, die in lehnbarem oder fideikommissarischem Verbände stehen, an den einzelnen Lehns- oder Fideikommißinhaber oder dessen Spezialbevollmächtigte für den Zweck des Umsatzes oder der Verwendung in anderes fideikommissarisches Eigentum ausfolgen zu lassen, 3. die Ablösungspapiere oder deren Erlös oder den Erlös anderen lehnbaren oder fideikommissarisdien Eigentums zur Tilgung der Lehen oder Fideikommißschulden oder andere auf den betreffenden Besitzungen dinglich haftenden Lasten zu verwenden. 4. In dem oben bemerkten Falle der Schuldentilgung verpfliditen wir jedoch den betreffenden Herrschafts-Inhaber oder dessen Nachfolger, das Fideikommiß um die zur Schuldentilgung verwendeten Summen zu surrogieren und zwar entweder bis zum Barbetrag des Erlöses oder bis zu dem Kurswert, nach welchem die Papiere an Zahlungsstatt angenommen wurden. Bis diese Surrogierung geschehen, sind die nach den Schuldverträgen zu leistenden Annuitäten in den gleichen Beträgen und zu den gleichen Fristen entweder nutzbringend anzulegen oder zu diesem Zweck den königlichen Fideikommiß-Aufsichtsbehörden bar einzuliefern nach Maßgabe der §§ 68 und 70 der VII. Verfassungs-Beilage. 5. Wir genehmigen zur Ausführung dieser Beschlüsse die Einsetzung einer Familienbehörde von 4 Personen mit gleicher Stimmberechtigung, bestehend aus den Herren Senioren und Subsenioren, dazu einen vierten von den Agnaten zu wählenden Vertrauensmann. 6. Wir ermächtigen und verpflichten diese Familienbehörde, über den Vollzug der oben Ziff. 4. aufgeführten Bedingungen zu wachen, die erforderliche Korrespondenz mit den königlichen Fideikommiß-Geriditen wegen der Veräußerung und Surrogierung zu führen, unsere Rechte hierbei zu vertreten und unsere agnatischen Consense, wie wir sie oben in den Ziffern 1., 2. und 3. erklärt haben, in unserem Namen in jedem einzelnen Fall auszusprechen und zu vollziehen. Urkundlich unserer Unterschrift und Fertigung. So geschehen Donauwörth den 22. August 1849 201
Fugger-Archiv, S II, 1. 80
1. 2. 3. 4. j. 6.
Graf Fugger-Glött, Senior der Antonius Linie Graf Fugger-Blumenthal Leopold Graf Fugger-Glött Friedrich Graf Fugger-Kirdiberg Raimund Graf Fugger-Kirdiberg Fürst Fugger-Babenhausen»
Zunächst bemühte sich die gräfliche Verwaltung, die Ablösungspapiere durch Grundeigentum zu ersetzen, wozu 1849/50 Münchner Makler beauftragt wurden, Angebote größerer Ökonomiegüter einzuholen108. Trotz rund 20 eingegangenen Angeboten konnte man sich nicht zu einem Kauf entschließen, obwohl der Kurs der Ablösungspapiere gerade auf 88 % gesunken war und weiter zu fallen drohte. Aus eingeholten Gutachten zeigte sich immer wieder, daß die verlangten Kaufpreise der angebotenen Güter keineswegs der Bonität der Böden und der Ertragslage entsprachen. Im April 1 8 j i scheiterten mehrfach Verhandlungen, in denen ein Verkauf von wenigstens 100 000 fl bayrischer Ablösungsobligationen oder zumindest ein Umtausch in 5 °/oige bayrische Staatsobligationen versucht worden war 11 ®. Die Kursangebote für eine Übernahme der Ablösungsobligationen erschienen so schlecht, daß man sich entschloß, die Papiere weiter zu behalten. Nachdem sich der Erwerb von Grundeigentum und der Umtausch in höher verzinsliche Staatsobligationen als unmöglich erwiesen hatten, ließ Graf Fugger-Glött im Juli 18 JI die Chancen für eine Neugründung oder Beteiligung von Fabriken in Augsburg «zum Zwecke der rentierlichen Anlage von Ablösungskapitalien» erkunden104. Wie gründlich man dabei vorging, zeigt ein Fragenkatalog, der zu diesem Zwecke aufgestellt wurde und um Auskunft ersucht, ob politische Bewegungen oder die Zollvereinsverhältnisse den Betrieb der Fabrik beeinflussen, ob Hilfseinrichtungen zur Unterstützung der Arbeiter bestehen, ob Näheres über die Bonität der vorhandenen Geldgeber bekannt ist u. a. m. Als Ergebnis dieser Untersuchung entschloß sich Graf Fugger-Glött am 16. 8. 1 8 5 1 , 100 000 fl Aktien der Gesellschaft für Weberei in Augsburg, die mit einem Grundkapital von 5 50 000 fl ausgestattet war, zu übernehmen108. Bereits zwei Tage später richtete er an den Familienrat die Bitte, ihm diese Verwendung von Ablösungspapieren zu gestatten: «Aus der vollen Überzeugung, daß das späte Schwanken der Staatspapiere den Besitz der Grundrentenablösungspapiere nicht sehr rätlich mache, deren anderweitige Verwendung dagegen in Grundbesitz nur eine geringe Rente abwerfe, habe ich mich nadi reiflicher Überlegung entschlossen, mich mit einem Teil meiner Ablösungsschuldbriefe und zwar zunächst mit dem hierfür einzuwechselnden Barbetrage von 100 000 fl an der neu zu errichtenden mechanischen und Handweberei in Augsburg durch Ankauf von 100 Aktien je 1 000 fl zu beteiligen106.» Zur weiteren Begründung seines Anliegens wies der Graf darauf hin, daß eine andere, bereits seit 8 Jahren in Augsburg bestehende Spinnerei und Weberei große Gewinne abwerfe, daß die Mitwirkung des Augsburger Großhändlers G e o r g H e i n z e l m a n n , eines erfahrenen Fachmannes, gesichert sei und daß schließlich eine höhere Verzinsung, nämlich j°/o statt bisher 4°/o, zuzüglich einer Jahresdividende von 10 bis 1 2 % erreicht werde. Gleichzeitig verpflichtete er sich, die Ablösungsobligationen nicht unter einem Kurs von 9 0 % zu veräußern und die erworbenen 201
Fugger-Archiv, 2j. 1. $4 1/2 Fugger-Archiv, 25. 1. 33 i-i 1/2 M * Fugger-Ardiiv, 25. 1. 33 e (6 1/2) 105 Ebenda. tM Ebenda. 81
Aktien unmittelbar als Surrogat dem Familienfideikommiß zuzuweisen. Schwierigkeiten mit dem bayerischen Fideikommiß- und Hypothekensenat in Neuburg/Donau, wo die auf die Fuggersdien Besitzungen entfallenden bayerischen Ablösungsobligationen wegen des Fideikommisses und darauf lastender Hypotheken zwangsdeponiert waren, würden sich nicht ergeben, da zunächst an die Verwendung der Ablösungsobligationen aus der Herrschaft Oberndorf gedacht sei, die vom Staat irrtümlich als nicht zum Fideikommißgut gehörend betrachtet und dem Hause Fugger-Glött zur freien Verfügung ausgehändigt worden waren. Die erhoffte Zustimmung des Familienseniorrats blieb jedoch aus. Fürst FuggerBabenhausen begründete dies am 28. 8. 1851 mit formellen Schwierigkeiten: «Da der Familienkonferenzbeschluß zu Donauwörth die Veräußerung von Ablösungsobligationen nur zu dem Zweck gestattet, um den Erlös zur Tilgung von Fideikommißschulden und Lasten oder zu anderweitiger Anlage im Grundvermögen oder Staatsobligationen zu verwenden, und da auch der Familienrat diese Verwendung zu überwachen hat, so glaube ich, daß nur ein abermaliger Familien-Konferenz-Beschluß die Erlaubnis geben kann, mit solchen Geldern des Fideikommißgrundstockes FabrikAktien anzukaufen.» Mit ganz anderen, bei den Standes- und Grundherren jener Zeit aber immer wiederkehrenden Argumenten lehnte Graf Fugger-Kirchheim am 1 . 9. 1851 das Ersuchen ab, wenn er glaubte, «seiner innersten Ansicht und Überzeugung nach nicht zustimmen zu können, indem derlei industrielle Unternehmungen, wie die Erfahrung zur Genüge gelehrt hat, häufig auf zu prekärer Basis ruhen, sich daher wohl zu Spekulationen eignen, zur Anlage fideikommissarisdien Vermögens, das nach seinen Grundprinzipien an Stabilität geknüpft sein muß, aber sicher nicht die unumgänglich notwendige Garantie bieten dürfen. Von den vielen Fallissements industrieller Etablissements in jüngster Zeit führe ich nur die Theresienthaler Glasfabrik, die Zuckerfabrik von Waghäusel, die Ettlinger Baumwollspinnerei, die württembergische Gesellschaft f ü r Zuckerfabrikation an, welche großenteils sogar mit Beteiligung der einzelnen Staaten unter den glänzendsten Auspizien für die Aktionäre und unter den brillantesten Vorspiegelungen für dieselben begannen und gegenwärtig, nadi kurzer Zeit ihres Bestehens, entweder zugrunde gegangen sind oder elend dahin siechen. Die bedeutendsten Namen der Finanzwelt, wie Firma Haber & Söhne, Karlsruhe, Benedict in Stuttgart, Gebr. Oppenheim in Köln, der größte Teil der Frankfurter Bankhäuser waren bei diesen Etablissements beteiligt und verloren alle einen bedeutenden Teil ihres Kapitals» 207 . Mit diesem Hinweis auf die «höchst unsicheren industriellen Etablissements» war der Antrag von Graf Fugger-Glött vor dem Familienrat gescheitert. Doch der Graf war nach wie vor davon überzeugt, daß die von ihm geplante Anlage der Ablösungskapitalien die beste Verwendung war. Zunädist galt es jedoch, noch eine andere Schwierigkeit zu überwinden. 1848 hatte der bayerische Staat den Berechtigten zur Wahl gestellt, die Ablösungsobligationen entweder als Inhaber- oder als Namenspapiere auszuschreiben. Graf Fugger-Glött hatte sich für die letzte Form 207
F u g g e r - A r c h i v , 2 5 . 1 . 3 3 e (6 1 / 2 ) . Diese pessimistische Einschätzung industrieller Betei-
ligungen
wurde
Hier waren
möglicherweise
1847
bestimmt
durch die sog.
durch K r e d i t m a n i p u l a t i o n e n
drei bedeutendsten F a b r i k e n
Badens
«Drei-Fabriken-Frage»
in
Baden.
Frankfurter und Karlsruher Bankhäuser
(Maschinenfabrik K e ß l e r in K a r l s r u h e , Spinnerei
W e b e r e i in E t t l i n g e n u n d Z u c k e r f a b r i k W a g h ä u s e l ) in eine bedrohliche
finanzielle
Lage
die und ge-
raten. N a c h langen G r u n d s a t z d e b a t t e n in der Badischen I I . K a m m e r w u r d e die E x i s t e n z der drei Betriebe, an denen mehrere badische u n d württembergische Standesherren beteiligt ren, durch staatliche S t ü t z u n g s m a ß n a h m e n gesichert. V g l . auch B A U E R , PHILIPP, D i e
wa-
Aktien-
unternehmungen in B a d e n , K a r l s r u h e 1 9 0 3 , S . 1 0 0 f f . u n d LOCHER, H U B E R T , a . a . O . , S . 1 3 3 . 82
entschieden, und er mußte nun feststellen, daß die Chancen für den Verkauf dieser Papiere geringer waren als bei den «au porteur» ausgestellten Obligationen. Seit Oktober 18 j i bemühte man sich daher in Dillingen, die auf den Namen ausgestellten Ablösungsobligationen umwandeln zu lassen, «da sie nur so leichter verkäuflich werden und sich in anderes rentierendes Vermögen verwandeln lassen»248. Insgesamt sollten - wie aus einem Antrag der gräflichen Verwaltung vom 19. 1 1 . 1851 hervorgeht - 331 225 fl devinculiert, d. h. in Inhaberpapiere umgetauscht werden 20 '. Gleichzeitig überreichte Graf Fugger-Glött am 18. n . 1851 dem Familienrat ein erneutes Gesuch, ihm Ablösungsobligationen zur industriellen Anlage freizugeben. Diesmal war an eine Beteiligung bei der mechanischen Baumwollspinnerei Kempten gedacht, die unter maßgeblicher Beteiligung des Bankhauses Paul v o n S t e t t e n in Augsburg gegründet werden sollte. In dem Gesuch wurde, neben den bereits im ersten Antrag genannten Gründen, darauf hingewiesen, daß im Protokoll der Donauwörther Konferenz nur von der «Verwandlung der Ablösungskapitalien in anderes iideikommissarisdies Eigentum» die Rede sei, eine ausschließliche Anlage in Grundeigentum oder in Staatspapieren könne daher nicht verlangt werden. Leider lassen sidi die Beweggründe dafür nicht mehr erkennen, daß sich der Familienrat jetzt aufgeschlossener zeigte als wenige Monate zuvor. Der erbetene Consens zum Ankauf von Aktien der Kemptener Baumwollspinnerei im Betrag von 100 000 fl wurde ohne weitere Schwierigkeiten erteilt. Audi die durch Vermittlung des Bankiers Paul v o n S t e t t e n ein Jahr später beginnende Beteiligung an der Augsburger Kunstmühle stieß beim Familienrat nicht mehr auf Widerstand. Nach der Teilnahme an der ersten und zweiten Subskription, für die u o 028 fl und 21 000 fl ausschließlich durch den Verkauf von Ablösungsobligationen aufgewendet wurden, erwarb Graf Fugger-Glött 1858 f ü r weitere 50 000 fl Aktien dieses Unternehmens814. Schon drei Jahre später jedoch wurde die Kunstmühle durch einen Brand fast vernichtet, und die Aktionäre konnten sich nicht zu einem Wiederaufbau entschließen. Da es nicht gelang, die vorhandenen Immobilien zu verkaufen, entschloß man sich, auch hier eine mechanische Spinnerei einzurichten: 1862 wurden die Aktien der Kunstmühle gegen solche der «Baumwoll-Spinnerei Senkelbach (ehemalige Kunstmühle)» ausgetauscht811. Schwierigkeiten ergaben sich in den Jahren 1851/52 dadurch, daß die Umschreibung der Ablösungsobligationen in Inhaberpapiere und der Weg des einmal erteilten Consenses über die staatlichen Behörden bis zur Freigabe und Aushändigung der gerichtlich deponierten Ablösungspapiere viel Zeit erforderte. Um die Aktieneinzahlungen korrekt leisten zu können, mußten daher wiederholt Vorschüsse des Bankiers Paul v o n S t e t t e n in Anspruch genommen werden, andererseits wurde auch darauf hingewiesen, daß die «Vermittlung» der Ablösungsobligationen zu sehr günstigen Kursen gelungen sei 111 . 208 Fugger-Ardiiv, 25. 1. 33 i-i 1/2. 209 Unter Vinculierung wurde die Festmadiung oder Außerkurssetzung eines Wertpapieres verstanden, in dem dieses bei Ausstellung oder zu einem späteren Zeitpunkt auf den Namen des Eigentümers fixiert wurde. Damit war die Verkehrsfähigkeit des Papiers stark eingeschränkt, der Charakter als Inhaberpapier konnte jedoch durch Devinculierung (Freimachung, Wiederinkurssetzung) jederzeit wiederhergestellt werden. Der Ausdruck Devinculierung wurde damit in einem weiteren Sinne gebraucht als heute, wo darunter allein die Aufhebung des Zustimmungsrechts des Emittenten bei der Übertragung von Namensaktien zu verstehen ist, die Namensaktie selbst aber bestehen bleibt. Wirtschaftlich bedeutet jedoch auch dies eine Erleichterung der Verkehrsfähigkeit. 810 Fugger-Ardiiv, 25. 1. 33 e (4) 811 Fugger-Ardiiv, 25. 1. 33 e (5) 818 Fugger-Archiv, 25. 1. $9 und 25. 1 . 3 3 e (4)
«3
A m 5. 8. 1854 gab Graf Fugger-Glött dem Familienrat seinen Entschluß bekannt, mit dem Erlös •weiterer Ablösungsobligationen in Schrezheim, nahe Dillingen, eine Lederfabrik zu errichten, nachdem der zunächst erörterte Plan zum Aufbau einer Schnellgerberei in Donauwörth wieder fallen gelassen worden war 41 ®. In der Begründung führte er aus, daß ein guter Absatz des Leders vor allem in Kriegszeiten gesichert sei, keine teuren Maschinen erworben werden müßten, der Schwerpunkt daher nicht im sofort bereitzustellenden Anlagekapital, sondern im Betriebsfonds liege und f ü r das Vorhaben gerade ein günstiges Anwesen einschließlich ausreichender Wasserkraft zum Kauf angeboten worden sei. Wiederum stieß dieses Anliegen zunächst auf den Widerstand der übrigen Agnaten. In einem Brief vom 2 1 . 8 . 1 8 5 4 schrieb Graf Fugger-Kirchberg 214 : «Es ist gegen mein Gewissen, Fideikommißgelder zu merkantilistischen Spekulationen verwenden zu lassen.» Gleichzeitig wies er auf die Verluste hin, die die Fürsten von Oettingen-Wallerstein, T h u m und Taxis und andere bei verschiedenen Zuckerfabriken erlitten hätten. Zuckerfabriken hatten sich tatsächlich mehrfach als Fehlinvestitionen erwiesen 215 , da kein einheitliches Interesse am Rübenanbau bestand, die Qualität der angelieferten Rüben unzulänglich war, die Schwierigkeiten des Saisongeschäfts nicht überwunden werden konnten und sehr teure Maschinen erforderlich waren. Graf Fugger-Glött antwortete auf diese Einwendungen daher mit Recht, daß Zuckerfabriken kein Maßstab f ü r das Risiko industrieller Investitionen sein könnten. Seine Erfolge der letzten Jahre sollten doch den Familienrat veranlassen, ihm Vertrauen zu schenken. Nach längeren Verhandlungen wurde schließlich am 22. 10. 1854 seinem Wunsch entsprochen. Energie, Wagemut und großes Interesse an der industriellen Entwicklung zeigte Graf Fugger-Glött auch, als er 1854/55 in der Schrezheimer Lederfabrik Gußstahlschmelzversuche durchführen ließ 21 ', die aber ebensowenig den erhofften Erfolg brachten wie 1862 bis 1864 Bohrversuche auf Braunkohle bei Gremheim" 7 . Dieses technisch-industrielle Interesse des Grafen war auch in Augsburger Unternehmerkreisen bekannt. So heißt es in einem Subskriptionsangebot der Gesellschaft f ü r Begründung einer Guano- oder Kunstdüngerfabrik in Augsburg vom 23. 2. 1 8 5 3 : «Gewiß würde es in der Gewerbegeschichte Augsburgs als Ereignis gelten, wenn bei einem so nützlichen industriellen Unternehmen der erlauchte N a m e Fugger fehlte 2 1 8 .» Trotzdem mußte das Angebot, ebenso wie das zur Gründung einer mechanischen Baumwollweberei am Fichtibach und einer mechanischen Baumwollspinnerei am Lechkanal in Augsburg abgelehnt werden, da die f ü r solche Anlagen vorgesehenen Ablösungsobligationen nahezu erschöpft waren 1 1 '. Der Betrieb der Schrezheimer Lederfabrik und die dort angestellten technisdien Versuche erforderten laufend größere Mittel, wie aus einer Nachricht des Bankiers Paul v o n S t e t t e n hervorgeht, der am 4. 8 . 1 8 5 5 wiederum «zum Betrieb der Lederfabrik in Schrezheim» f ü r 1 0 700 fl Grundablösungsobligationen verkaufte 220 . Neben den industriellen Investitionen wurden in geringem Umfang, teilweise aus Zinserträgen der Ablösungsobligationen, teilweise aus sonstigen Einkünften, auch 115
21
Fugger-Archiv, 2 5 . 1 . 3 3 6 ( 1 )
« Ebenda. 115 Ygj j j e Stillegung einer Zuckerfabrik des Fürstenhauses von Oettingen-Wallerstein, S. 108 dieser Arbeit, zu den Schwierigkeiten bei der badischen Zuckerfabrik Waghäusel in den J a h r e n 1848/1851 vgl. KISTLER, FRANZ, a . a . O . , S. 102 f.
Fugger-Archiv, 2 5 . 1 . 3 3 6 ( 1 )
117 Fugger-Ardiiv, 25. 1. 33 e (6 1/3) 218 Fugger-Archiv, 25. 1. 33 e (6 1/4) » • Ebenda. 210 Fugger-Archiv, 25. 1. 33 i-i 84
Obligationen angekauft. Bereits zwischen 1837 und 1841 hatte G r a f Fugger-Glött aus seinem Privatfonds Beteiligungen an der München-Augsburger-Bahn (2 810 fl), der Leipzig-Dresdner-Bahn (1 750 fl) und der Venedig-Mailänder-Bahn (2 130 fl) erw o r b e n 0 1 . H i n z u kamen in den folgenden Jahren 12000 fl eines 5 °/oigen lombardisch-venezianischen Anlehens, 18 000 fl österreichischer «metalliques», 12 000 fl eines österreichischen Lotterieanlehens u. ä. m. Weitere Beträge, darunter auch vorübergehend der Gegenwert ausgeloster Ablösungsobligationen, waren 1854 bei der gräflichen W i t w e n - und Waisenkasse Dillingen angelegt. D e r Gesamtbestand an Wertpapieren einschließlich der f ü r die Ablösungsobligationen erworbenen Beteiligungen an industriellen Unternehmungen betrug 1859 377 834 fl" 8 . Weniger avantgardistisch in der Verwertung v o n Ablösungskapitalien waren die übrigen Linien des Hauses Fugger. Der G r u n d lag vornehmlich in der gegenüber dem Hause Fugger-Glött sehr hohen Schuldenlast. So mußte Fürst Fugger-Babenhausen 1824 ein Anlehen v o n 550 000 fl* 13 und 1831 bei Ph. N i e . S c h m i d t nochmals eine Anleihe v o n 600 000 fl aufnehmen" 4 , die in den folgenden Jahrzehnten den E t a t mit erheblichen Tilgungsbeträgen belasteten. Die Gesamtsumme der Ablösungskapitalien für die Linie Fugger-Babenhausen w i r d in einer Aufstellung v o m N o v e m b e r 1859 mit 1 301 630 fl ausgewiesen, w o v o n der größere Teil mit 856460 fl bereits 1849 fixiert und beim königlichen Appellationsgeridit in N e u b u r g deponiert, der letzte Teilbetrag mit 39 540 fl 1857 festgesetzt worden war 1 2 5 . Zunächst dienten 1850 A b lösungsobligationen zur Rückzahlung der bei Ph. N i e . S c h m i d t aufgenommenen Darlehen in der Form, daß sie gegen Fuggersdie Partialobligationen, die das Bankhaus Ph. N i e . S c h m i d t zur Beschaffung dieser Darlehen seinerzeit ausgegeben hatte, eingetauscht w u r d e n 8 " . A m 25. 1 0 . 1 8 5 0 wurden weitere 100000 fl 4°/oiger Ablösungsobligationen gegen 90 000 fl 5°/oige königlich-bayerische EisenbahnanlehensObligationen umgetauscht, ohne daß der Fideikommiß- und Hypothekensenat in Neuburg dagegen Einwendungen erhob 187 . Gleichzeitig bemühte sich Fürst FuggerBabenhausen um die Ablösung v o n 118 214 fl Holzkompetenzen und anderer N a t u ralleistungen an Pfarrer, Messner und Schulen, die als auf den Grundrenten ruhende dauernde Lasten fixiert worden waren. D a m i t hätte eine weitere Freigabe v o n A b lösungsobligationen erreicht werden können, da diese stets f ü r die Sicherstellung solcher Lasten in dem Mehrfachen des tatsächlich erforderlichen Betrages zwangsdeponiert wurden. Die Ablösung der Bau- und Kompetenzlasten z o g sich jedoch über viele Jahre hin, da die Kirchenbehörden an einer Ablösung nicht sehr interessiert waren und die Ablösung bestimmter Naturalleistungen wie e t w a die Gestellung von Brennholz, am Widerstand der betroffenen Pfarrer immer wieder scheiterte 118 . Nachdem es G r a f Fugger-Glött gelungen w a r , den Gegenwert v o n Ablösungsobligationen erfolgreich in höher verzinslichen industriellen Anlagen z u investieren, beschloß Fürst Fugger-Babenhausen, soweit ihm d a z u die finanziellen Möglichkeiten offenstanden, diesem Beispiel z u folgen: «Wie mein Vetter bin auch ich entschlossen», heißt es in einem Brief v o m 4. 3. 1852, «einen Teil der Ablösungsobligationen f ü r a l
214 it6 288
Fugger-Archiv, Fugger-Archiv, Fugger-Archiv, Fugger-Archiv, Fugger-Archiv,
2$. 1. 63 25.1. 59 7a. 12. 34 7a. 12. 35 7a. 7. 87
Vgl. das entsprechende Geschäft des Bankhauses Ph. N i e . SCHMIDT mit dem fürstlichen
Haus (Dettingen-Wallerstein, S. 103 dieser Arbeit, ferner Fugger-Archiv, 7a. 7. 94. m Fugger-Archiv, 7a. 7. 94 0 8 Fugger-Archiv, 73.7.85 85
industrielle Zwecke zu verwenden*".» In dem Bewilligungsgesuch an den Familienrat begründete er sein Vorgehen damit, daß «eine sofortige Acquisition von Grundvermögen wegen der hohen Preise im Verhältnis zu seiner Rentabilität ohne große Verluste nicht möglich ist» 230 . Der Familienrat gab dem Ersuchen statt. 87 800 fl Ablösungsobligationen wurden daraufhin von Fürst Fugger-Babenhausen verkauft, um 40 000 fl Aktien der mechanischen Baumwollspinnerei am Stadtbache in Augsburg und 30 000 fl Aktien der Baumwollspinnerei Kempten, an der auch Graf FuggerGlött beteiligt war, zu erwerben. Als im Januar 18 J J auf Beschluß des Familienseniorrats alle Wertpapiere, soweit sie als Fideikommißgut anzusehen waren, an die Fuggersche Depositenkasse zu Augsburg abgegeben werden mußten, hinterlegte Fürst Fugger-Babenhausen neben den erwähnten Aktien 3 6 j 850 fl 4°/oige bayerische Grundrentenobligationen, 90000 fl j°/oige königlich-bayerische Eisenbahnobligationen und 10000 fl 4 °/oige königlichbayerische Eisenbahnobligationen 231 . Beim königlichen Appellationsgericht Neuburg blieben lediglich 26 000 fl zur Befriedigung noch angemeldeter Ansprüche einzelner Pfarreien an Bau- und Kompetenzlasten weiterhin in Verwahrung" 8 . Am 14. 7. 18 $6 stellte Fürst Fugger-Babenhausen erneut einen Antrag, der Familienrat möge ihm erlauben, weitere 3$ 100 fl Ablösungsobligationen gegen Aktien der Kunstmühle Augsburg einzutauschen. Aus familiären Gründen ergab sich jedoch f ü r diesen Antrag bei den 18 stimmberechtigten Agnaten des Familienrates keine Mehrheit, und erst nach mehrfachen Protesten konnten für 33 000 fl Aktien der Kunstmühle erworben werden 253 . 1868 wurde der Bestand an Aktien der Kemptener Baumwollspinnerei und Weberei nochmals um 57 000 fl vergrößert. Gemessen an der Höhe der Gesamtablösungssumme scheinen die industriellen Investitionen, verglichen mit denen des Hauses Fugger-Glött, nur gering; wie die Entwicklung nach 18 y y zeigt, ist dies aber nicht auf mangelnde Aktivität oder fehlendes Interesse zurückzuführen, sondern wohl allein auf die Notwendigkeit, zunächst einmal alle verfügbaren Mittel für die Schuldentilgung einzusetzen. Diese bei fast allen standesherrschaftlichen Häusern vordringlichste Forderung galt auch für die Linien Fugger-Kirdiheim und Fugger-Kirchberg. So weisen die Akten des Familienseniorrats für das Haus Fugger-Kirchberg eine Reihe von Beschlüssen auf, in denen die Verwendung von Ablösungsobligationen zur Schuldentilgung genehmigt wird: Nachdem bereits 1849 100 000 fl für diesen Zweck freigegeben wurden, folgten am 14. 6. 1851 weitere 84 000 fl zur Schuldentilgung beim württembergisdien Kreditverein, am 3 1 . 7. 1 8 j i 51 876 fl zur Rückzahlung einer Schuld bei J . v o n H i r s c h , München, und schließlich am 7. 9. 1853 263 887 fl zur Schuldentilgung bei den Bankiers d e N e u f e v i l l e , M e r t e n s & C i e . , Frankfurt" 4 . Schon unmittelbar nach der Regelung der Gefällablösung in Württemberg hatte Graf Fugger-Kirchberg am 24. 11. 1848 die Gefällablösungskasse um einen Vorschuß gebeten, da Leistungen in Höhe von 25 624 fl fällig, nach Erlaß des Ablösungsgesetzes aber in seinen württembergischen Besitzungen keine Zahlungen der Pflichtigen mehr geleistet worden seien. Eingehend wurde die dadurch verursachte schlechte Finanzlage der gräflichen Verwaltung geschildert und auf die drohende Sequestration hingewiesen, wenn man 22
* Fugger-Archiv, 7a. 7. 94
230 231
Ebenda.
Fugger-Ardiiv, Fugger-Ardiiv, iss Fugger-Ardiiv, 234 Fugger-Ardiiv, 232
S IV, 2 7a. 7. 94 2 j . 1 . 3 3 e (6 i/z) S VI, 1 86
nicht an die Gläubiger, den württembergischen Kreditverein und das Bankhaus d e N e u f e v i l l e , M e r t e n s & C i e . , alsbald Ratenzahlungen leisten könne"5. Nur am Rande sei erwähnt, daß auch hier wieder zahlreiche Schwierigkeiten bei der Freigabe der zwangsdeponierten Ablösungsobligationen zu überwinden waren: Bereinigung des Thronlehensverhältnisses mit der Krone Bayerns, Löschungsbewilligung der Hypothekengläubiger, Sicherstellung der nodi abzulösenden Bau- und Kompetenzlastenberechtigungen, agnatische Consense und Bestätigungen über die Eigenverwaltung der Fideikommißgelder durch die Fuggersche Depositenkasse und ähnliches mehr. Ähnliches gilt für die Ablösungsobligationen des Hauses Fugger-Kirchheim, die am 15.9.1851 mit 174464 fl ausgewiesen wurden 2 ". Neben anderen Schulden mußte hier ein Darlehen über 145 000 fl bei Ph. Nie. S c h m i d t aus dem Jahre 1830 getilgt werden, was bis auf 35 000 fl bis zum Jahre 1860 gelang2'7. Aber audi neue Kredite mußten aufgenommen werden, nachdem schon 1845 Allodialbesitz für 60 000 fl verkauft worden war298. Auf ein solches Kreditgesuch heißt es in dem Antwortschreiben eines Berliner Bankiers vom 9. 10. 1858: «Deckung für einen Kredit kann nur in Grund und Boden bestehen mit Ausschluß von Wald, Fabriken und Gebäuden"".» So wird es verständlich, daß die in ungünstigeren Verhältnissen lebenden Agnaten nur sehr schwer zu überreden waren, ihre Zustimmung zu einer Kapitalanlage in Fabriken zu geben; wurde ihnen doch hier von einem Fachmann wiederum bestätigt, daß Sicherheit und Stabilität nur im Erwerb von Grund und Boden zu finden seien. 4. Das fürstliche Haus Fürstenberg Fürst Karl Egon zu Fürstenberg war als entschiedener Befürworter der Ablösung von Zehnten und Grundlasten bei den Verhandlungen der badisdien Ständekammer hervorgetreten240. In gleicher Weise trat er für die rasche Durchführung des Zehntablösungsgesetzes von 1833 ein, wie ein Brief vom 14. Juni 1836 an die Domanialkanzlei beweist, in dem diese vom Fürsten gedrängt wird, um eine schnellere Zehntablösung bemüht zu sein241. Die in Tabelle VI (S. 51) für die Standesherren ausgewiesene Zehntablösungssumme der Jahre 1833 bis 1841 in Höhe von 2 153 972 fl entfällt dann auch zum überwiegenden Teil auf das fürstliche Haus Fürstenberg. Bis zum 31. Dezember 1841 waren Zehntablösungen im Betrag von 1 686 868 fl durchgeführt, während für 701 130 fl die Ablösungsverhandlungen zwischen der fürstlichen Verwaltung und den Pflichtigen noch nicht beendet waren242. Bereits 1838 war in mehreren großen Rentämtern, so in Stühlingen, Löffingen und Blumberg, die Ablösung bereits völlig abgeschlossen245. Die Ende 1841 noch nicht erledigten Ablösungs235
S F A L , Bestand E 184, Bund 139, N r . 10. Fugger-Archiv, 28. 1. j o 1 / 2 237 Ebenda. 238 Fugger-Archiv, 2 8 . 3 . 1 6 1 / 2 238 Ebenda. 240 Siehe S. 54 dieser Arbeit. 241 F. F . A., Zehntakten, Generalia, Fase. I, bb. Dabei ist zu beachten, daß nach dem badischen Zehntablösungsgesetz von 1833 bis zum 1. Januar 1838 nur eine Ablösung durch freiwillige Vereinbarung zustande kommen konnte. Erst nach diesem Stichtag konnte sie von der Mehrheit der Pflichtigen verlangt werden, während die Berechtigten erst ab 1. Januar 1842 die Ablösung verlangen konnten. 242 p p_ Zehntakten, Generalia, Fase. I bb. 2,6
243
F. F. A., Zehntakten, Generalia, Fase. I ce. 87
Verhandlungen zogen sich teilweise dann doch in die Länge. Immerhin waren von der insgesamt errechneten Ablösungssumme von 2 3 8 7 8 8 9 fl bis zum Jahresende 1847 2 2 7 1 998 fl verbrieft und teilweise bereits ausgezahlt. Die fürstliche Hauptkasse rechnete mit jährlichen Einzahlungen von Zehntablösungskapitalien in Höhe von etwa 120 000 fl, tatsächlich waren jedoch aus der gesamten Zehntablösung bis Ende 1840 der fürstlichen Hauptkasse erst 82 625 fl zugeflossen. Hier und noch mehr in den folgenden Jahren zeigte sich, daß der Verzicht auf die Zwischenschaltung einer Staatsbehörde und die Ausgabe von Ablösungsobligationen zwar nicht die Fixierung der Zehntablösungskapitalien, jedoch ihre Zahlung von den Pflichtigen an die Berechtigten sehr verzögerte, auch wenn ersteren die Möglichkeit der Darlehensaufnahme bei der badischen Zehntschuldentilgungskasse gegeben war. Auch eine Zinssenkung von 5 auf 4 %> f ü r die bereits fixierten, aber von den Pflichtigen noch nicht bezahlten A b lösungskapitalien ab 1. Januar 1848 führte nicht zu den erhofften stärkeren Tilgungsraten, sondern brachte nur f ü r die Berechtigten eine weitere Einbuße, die von der fürstlichen Verwaltung auf jährlich 20 000 fl geschätzt wurde 844 . Schließlich führten die Unruhen des Jahres 1848 gar zu einer Verweigerung der weiteren Kapitalabzahlungen, wie das Auseinanderklaffen von effektiven und erwarteten Zehntablösungszahlungen bei der fürstlichen Hauptkasse zeigt: 841 Ist
fl
1845/46 47/48 48/49 50/51 52/53 54/55 56/57
100 005 25855 22 4 1 6 308 493 98 I 3 3 l 8 l 244 87424
Soll
fl •
1 0 7 494 1 1 2 650 •
275 400 333 269
Auch die aus den vorangegangenen Ablösungsgesetzen f ü r Grundgefälle, Fronden usw. noch laufenden Zahlungen (1845/46 = 4 7 4 4 1 fl, 1847/48 = 22 832 fl, 1848/49 = 1 1 628 fl, 1850/51 = 18 356 fl, 1852/53 = 13 830 fl) gingen nur unregelmäßig und mit großer Verzögerung ein. Teilweise handelte es sich dabei um laufende jährliche Entschädigungsrenten, teilweise um die recht langsame Abzahlung bereits vereinbarter Ablösungssummen. Für die auf Grund des Gesetzes vom 5. 10. 1820 in Baden verlorenen Gefälle war eine Jahresrente von 1 6 7 0 5 fl errechnet worden. Bis zum 1. 1 2 . 1825 waren zu unterschiedlichen Terminen statt der bis dahin fälligen 83 526 fl nur die Hälfte gezahlt worden, was zu heftigen Protesten der fürstlichen Verwaltung in Karlsruhe führte 1 4 '. Nachdem 1825 die Entschädigungsfrage f ü r Leibeigenschaftsgefälle, Ohmgelder usw. gesetzlich geregelt worden war, wurden am 1. 1 1 . 1828 14 800 fl f ü r 296000 fl abgelöst, eine weitere Rente von 1882 fl f ü r 3 7 6 4 7 fl im Jahre 1838 t 4 7 . Die Auszahlung dieser Beträge zog sich über viele Jahre hin, ständig vermehrt durch neuaufgefundene oder im Rechtsweg geklärte Abgaben und Entschädigungen. Hier ist deutlich zu erkennen, wie zwischen der Fixierung der Ablösungskapitalien und deren Verfügbarkeit durch den Berechtigten oft eine erhebliche Zeitspanne lag. Leider läßt sich die Gesamtsumme der aus den älteren Abgaben und 144 145 146 147
F. F. A., Zehntakten, Generalia, Fase. I bb. F. F. A., Hauptkassenrechnungen. G L A , Abt. 237, Nr. 8062. Ebenda. 88
Gefällen erhaltenen Entschädigungen - von einer Jahresrente über 2259 fl für aufgehobene Ohmgelder 1 8 1 3 bis zu den letzten Ratenzahlungen in den i 8 j o e r Jahrenaus den vorhandenen Unterlagen vollständig nicht ermitteln. Aus seinen auf württembergischem Gebiet gelegenen Besitzungen hatte das fürstliche Haus Fürstenberg nach einer Aufstellung vom 22. 9. 1852 bis zu diesem Zeitpunkt ein Ablösungskapital von 99 400 fl in württembergischen Zehnt- und Gefällablösungsobligationen erhalten" 8 , die Summe erhöhte sich dann bis 1858 auf 3 7 4 8 2 1 fl"'. Schließlich fielen auf Grund des Ablösungsgesetzes vom 28. $. 1860 in HohenzollernSigmaringen f ü r die dort gelegenen Besitzungen nochmals 245 6 1 6 fl Ablösungsrentenbriefe an250. Der unregelmäßige Eingang der Ablösungskapitalien und die zeitweilig erheblichen Rückstände fälliger Kapitalien und Zinsen wurden zwar mehrfach beklagt, konnten aber nicht zu einer ernsten Gefährdung der Finanzwirtschaft der fürstlichen Hauptkasse führen. Wie andere standesherrschaftliche Häuser w a r auch das fürstliche Haus Fürstenberg in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts um die Konsolidierung überkommener Schulden aus Kriegs- und Nachkriegs jähren bemüht. 1837 waren zu diesem Zweck f ü r 2 000 000 fl Partialobligationen über die Vermittlung der Bankhäuser R o t h s c h i l d , Frankfurt/M. und Salomon v o n H a b e r & S ö h n e , Karlsruhe, ausgegeben worden. Zehn Jahre später wurden nochmals beide Bankhäuser mit einem Anlehen über 1 000 000 fl in Anspruch genommen. Aus der Hauptkassenrechnung der fürstlichen Verwaltung f ü r das Rechnungsjahr 1848/49 geht hervor, daß für die erste sogenannte «alte» Hausschuld in diesem Jahre 88 1 7 6 fl und f ü r die zweite «neue» Hausschuld 68 166 fl Verzinsung und Tilgung aufzubringen waren 2 5 1 . Bei einer durchschnittlichen Etatsumme von 1,6 bis 2 Mio. fl in den 40er und 50er Jahren w a r diese Belastung vergleichsweise gering. Der Grund liegt darin, daß die aufgenommenen Kapitalien nicht ausschließlich zur Tilgung alter Schulden, sondern in erheblichem Umfang auch zu ertragversprechenden Neuinvestitionen in den gewerblichen und industriellen Anlagen des Fürstenhauses verwendet wurden und somit zu steigenden Einnahmen führten. Ähnlich dem fürstlichen Haus Solms-Braunfels besaß das fürstliche Haus Fürstenberg innerhalb seines Herrschaftsgebietes zahlreiche Erzgruben, Hammer- und Hüttenwerke, wie Thiergarten, Hammereisenbach, Bachzimmern (Amalienhütte) u. a., w o insgesamt zehn Hochöfen etwa 7500 t Roheisen lieferten" 2 . Zwischen 1840 und 1860, einem Zeitraum, in den sowohl die Verwendung aufgenommener Darlehen als auch ausgezahlter Ablösungskapitalien fällt, wurden in diesen industriellen Anlagen mehrfach größere Investitionen vorgenommen. Allein für das Werk Thiergarten lassen sich zwischen 1847 und 1849 rund 450 000 fl Investitionen oder Zuschüsse zur Betriebserweiterung nachweisen253. Zum Neubau von Hüttenanlagen wurden 1848/49 f ü r den Ankauf von Grundstücken 248
F. F. A., Kapitalien, Generalia, VII, Fase. 1. Vgl. Tabelle III, S. 4$ dieser Arbeit. 244 F. F. A., Kapitalien, Generalia, LXI, Fase. 1. Ober die Zehntablösung für die ehem. fürstenbergischen Besitzungen in Böhmen sind keine Unterlagen vorhanden. 251 Bei B E R G H O E F F E R wird die Anleihe über 2 Mio. fl bereits für das Jahr 1835 ausgewiesen; die zweite Anleihe von 1847 fehlt in der Zusammenstellung, vgl. BERGHOEFFER, C H R I S T I A N W I L H E L M , Meyer Amschel Rothschild, Frankfurt 1922, S. 246 und 254. 282 B E C K , L U D W I G , a. a. O., S. 726. Uber die Bedeutung der Fürstenbergischen Eisenindustrie vgl. audi W O R R I N G , H A N S - J Ü R G E N , a. a. O., Eine Übersicht der fürstenbergischen Produktionsstätten aus dem Jahre 1850 (F. F. A., Generalia, Gewerbe, Vol. I, Fase. 1) ist abge248
druckt bei KISTLER, FRANZ, a. a . O . , S . 8 $ . 255
F. F. A., Hauptkassenrechnungen, 1847-1849.
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196 048 fl ausgegeben; ebenso finden sich unter den Ausgaben der folgenden Jahre mehrfach Zuschüsse für den Ausbau und Betrieb der fürstlichen Hüttenwerke. Wenn B E C K die Summe von 1 , 2 Mio. Gulden nennt, die das Fürstenhaus in diesen Jahren f ü r die technische Vervollkommnung seiner gesamten Werke angelegt habe, so dürfte diese Zahl sicher nicht zu hoch gegriffen sein854. Weitere Beträge wurden f ü r Erweiterungsinvestitionen der industriellen Anlagen in den böhmischen Besitzungen des Hauses Fürstenberg verwendet 855 . So wurde das Buschtiehrader Steinkohlenfeld weiter erschlossen, neue Gruben eröffnet, bestehende rationalisiert und 1850 zum besseren Absatz der Kohlen der Eisenbahnbau Lana-Prag in Angriff genommen, wozu das Haus Fürstenberg 1400 Aktien im Nominalwert von 700 000 fl zeichnete258. Daß für alle diese Investitionen speziell auch Ablösungskapitalien verwendet wurden, läßt sich nicht mit absoluter Sicherheit nachweisen, ist aber sehr wahrscheinlich; schließlich vergrößerten die eingehenden Ablösungskapitalien die für Neuerwerbungen und Erweiterungen zur Verfügung stehenden Mittel der fürstlichen Hauptkasse nicht unerheblich. In einer Aufstellung der Kasse vom 4. x. 1 8 4 1 werden die disponiblen Grundstocksgelder ohne Zehntablösungskapital zu diesem Zeitpunkt mit 128 800 fl angegeben257. Am 20. 8. 1850 ist in einer Mitteilung der fürstlichen Hauptkasse zu lesen, man wolle einen Teilbetrag der württembergischen Ablösungsobligationen in Höhe von 7300 fl keinesfalls verkaufen, «da die fürstliche Hauptkasse nicht in der unangenehmen Lage ist, Geld um jeden Preis zu bekommen und die gegenwärtigen Kurse mit 80 bis 88 °/o als zu verlustreich anzusehen sind» 258 . Die anhaltend gute Finanzlage bestätigt ein weiterer Brief vom 24. 5. 1858, in dem um die Genehmigung zum Ankauf von 20 000 fl badischer Staatsobligationen ersucht wird, «da in den nächsten Wochen bedeutende Beiträge zur Zehntablösung eingehen und der Kassenbestand immer noch 100 000 fl übersteigt»259. Die Investitionen in den Eisen- und Hüttenwerken führten zu laufend steigenden Ertragsablieferungen an die fürstliche Hauptkasse, bei der diese Einnahmen von 1 7 959 fl im Rechnungsjahr 1850/51 auf 65 065 fl 1854/55 anwachsen. Der seit 1844 im Deutschen Zollverein eingeführte Schutzzoll auf Roheisen und die hohen Investitionen zur Modernisierung der Werke machten sich hier bemerkbar, wenn sie auch den späteren Geschäftsrückgang unter wachsendem Konkurrenzdruck zu Beginn der 1860er Jahre nicht aufhalten konnten. Noch unter der Leitung des fürstenbergischen Hüttendirektors v o n S t e i n b e i s war schon 1838 bei den Überlegungen, den Hüttenwerken neues Kapital zuzuführen, um einen rentableren Betrieb zu erhalten, von der Möglichkeit des Verkaufs der fürstlichen Werke die Rede" 0 . Rentabilitätsuntersuchungen in den 50er Jahren lieferten keine hoffnungsvollen Ergebnisse, und ab 1860 kam es dann zu umfangreichen Stillegungen 8 ' 1 . Neben diesen industriellen Investitionen stand der laufende Erwerb weiteren Grundeigentums, für den fast immer jährlich 100000 bis 1 5 0 0 0 0 fl verwendet 254
B E C K , L U D V I G , a. a. O . , S . 7 2 6 .
255
Das fürstenbergische Eisenwerk in Pürglitz, Böhmen, war 1846 mit einer Jahreserzeugung von 60 000 Ztr. Roheisen und 862 Mann Belegschaft das drittgrößte Werk dieser Art in B ö h m e n , v g l . S L O K A K , J O H A N N , a. a. O . , S . 4 5 6 . 256 VON PLATEN, ALEXANDER, Karl Egon I I . , Fürst zu Fürstenberg 1 7 9 6 - 1 8 5 4 , Stuttgart 1 9 5 4 , S. 44 f. 257 F. F. A., Zehntakten, Generalia, Fase. 1 cc. 258 F. F . A., Kapitalien, Generalia, II, Fase. 1. 258 Ebenda. 280 Vgl. S. 35 dieser Arbeit. 281 F. F . A., Generalia, Redinungs- und Kassenwesen, Vol. III, Fase. 1.
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wurden 262 . Eine weitere nutzbringende Verwendung der Grundstocksgelder - hierunter sind seit 1840 im wesentlichen die an die fürstliche Hauptkasse bezahlten Ablösungskapitalien zu verstehen - bestand im Rückkauf von Fürstlich Fürstenbergischen Partialobligationen der sogenannten älteren Hausschuld zu niedrigeren Kursen293. So konnten 1850 durch Vermittlung Karlsruher Bankiers rund 5 4 0 0 0 fl fürstenbergisdier Partialobligationen zu Kursen zwischen 75 und 78 °/o angekauft werden. Durch den jahrelang geübten Ankauf eigener Obligationen zu ähnlich niedrigen Kursen konnten erhebliche Tilgungsbeträge eingespart werden, die andernfalls an den fremden Eigentümer der Obligationen hätten gezahlt werden müssen. Schließlich fanden Ablösungskapitalien auch f ü r den Ankauf der verschiedensten Staatsobligationen Verwendung. Ähnlidi wie bei dem fürstlichen Hause T h u m und Taxis wurde hier der Grundstock gelegt f ü r einen bis zum Ende des Jahrhunderts immer weiter zunehmenden Wertpapierbestand. Zunächst wurden badische und württembergische Staatsobligationen erworben, denen ab 1850 rasch die verschiedensten Eisenbahnobligationen folgten. 18$8 traten zur Anlage disponibler Mittel neben preußischen und bayerischen Papieren auch über 100 000 fl österreichische NationalObligationen 264 . Ferner wurden N e w York-Eri-Eisenbahnobligationen (7 °/o) und Staatsobligationen der Vereinigten Staaten von Amerika (6°/o) wegen des hohen Zinssatzes erworben. Gerade Eisenbahnpapiere nahmen bis gegen Ende des Jahrhunderts einen besonderen Platz ein: Bei der Hessischen Ludwigsbahn, der BergischMärkischen Eisenbahn, der österreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft u. a. war das fürstliche Haus Fürstenberg als Finanzier vertreten 2 ® 5 . Um 1860 begann man auch erstmals, Bankaktien zu erwerben - so zum Beispiel Aktien der österreichischen Nationalbank - sowie größere Darlehen an Schweizer Banken zu vergeben 8 ". Die Erfahrungen mit den einzelnen industriellen Unternehmungen des Fürstenhauses waren wohl die Ursache, daß man in Donaueschingen der aufsteigenden Industrie größeres Interesse entgegenbrachte, als dies in anderen Standesherrschaften der Fall war. Im Bestreben, von fortschrittlichen ausländischen Unternehmern zu lernen, entsandte Fürst K a r l Egon I I . eine Studienkommission nach Belgien und Frankreich, um die industriellen Etablissements der Gebr. C o c k e r i l l zu besuchen und später diese Erfahrungen in den Werken des eigenen Landes zu verwerten 2 ' 7 . In der Korrespondenz mit Regierungsbehörden in Karlsruhe wird Fürst Karl Egon II. mehrfach als Förderer der Industrie gerühmt268. Neben dem bereits erwähnten intensiven Ausbau der eigenen industriellen Anlagen findet man schon 1836 eine Aktienbeteiligung in Höhe von 3 1 000 fl bei der «Baumwollspinnerei und mechanischen Weberei» in Ettlingen 2 ". Als wenige Jahre später dieses Unternehmen durch die Zahlungseinstellung der Bankiers Salomon v o n H a b e r & S ö h n e i n Karlsruhe 1847 mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen 2,2
Zum Grunderwerb mit Ablösungskapitalien im badisdien Gebiet vgl. auch
KOHLER,
ADOLF, a. a. O . , S. 1 3 0 f f . 263 !M 2,5 264 2,7
268
F. F. A., Kapitalien, Generalia, II, Fase. 1. Ebenda. F. F. A., Kapitalien, Generalia, II, Fase. 6. F . F . A . , Kapitalien, Generalia, X I I I , Fase. 1. VON P L A T E N , A L E X A N D E R , a . a . O . , S . 4 6 .
F. F. A., Fabriken, OB 19, Vol. L X X I I , Fase. 14. Wie aus einem Hinweis auf die elsässisdi-sdiweizerisdien Industriellen V e t t e r K o e c h l i n zu erkennen ist, ist hiermit die Badisdie Gesellschaft für Spinnerei und Weberei, Ettlingen, gemeint, die 1836 gegründet wurde. Vgl. zu diesem Unternehmen auch KISTLER, FRANZ, a. a . O . , S . 87.
hatte, war das fürstliche Haus Fürstenberg wiederum bereit, mit Krediten und Bürgschaften einzuspringen*70. In Baden beteiligte sidi das fürstliche Haus ferner 1849 durch Aktienübernahme an der mit staatlicher Unterstützung gegründeten Badischen Gesellschaft für Zuckerfabrikation (vormals Zuckerfabrik Waghäusel), am Kinzigtaler Bergwerkverein*71, an der Gesellschaft für den Abbau von Silber- und Bleiminen im Großherzogtum Baden172 und 1854 mit 21 000 fl an den Steinkohlengruben Berghaupten in Baden17® Leider waren alle diese Beteiligungen nicht dazu geschaffen, fürstlichen Unternehmergeist zu belohnen. Der in vielen Anschreiben und Aufforderungen zur Aktienübernahme so betont zum Ausdruck kommende Optimismus läßt den Verdacht aufkommen, daß man durch die Gewinnung eines klangvollen Namens, der als Förderer der Industrie bekannt war, nur weitere Geldgeber heranziehen wollte, um Unternehmungen zu finanzieren, denen bei objektiver Betrachtung auch in der damaligen Zeit keine lange Lebensdauer vorausgesagt werden konnte. Konnte das fürstliche Haus Fürstenberg über die badischen Ablösungsobligationen, sobald die Beträge in der fürstlichen Hauptkasse eingezahlt worden waren, frei verfügen, da vom badischen Staat im Hinblick auf den bestehenden Fideikommiß keine Verwendungsvorschriften oder Kontrollen bestanden und trotz der bestehenden Darlehensschulden keine Gläubiger eine Sidierstellung der Ablösungsgelder verlangten, so sah sich die fürstliche Verwaltung bei der Verwendung der Ablösungskapitalien aus Hohenzollern-Sigmaringen vor unerwartete Schwierigkeiten gestellt. Dort hatte man in § 21 des Ablösungsgesetzes vom 28. 5. 1860275 ältere preußische Bestimmungen über die Verwendung fideikommissarisch gebundener Ablösungskapitalien übernommen, die bereits den fürstlichen Häusern Thum und Taxis und Solms-Braunfels einen langjährigen Streit mit den preußischen Behörden gebracht hatten. Nadi diesen Vorschriften wurden 245 616 fli76 fürstenbergisches Ablösungskapital in Sigmaringen gerichtlidi deponiert und sollten nur freigegeben werden, soweit das fürstliche Haus Fürstenberg eine das Grundstocksvermögen erhaltende Anlage dieser Gelder nadiweisen konnte277. Am 11. 3. 1863 ersuchte die fürstliche Verwaltung um Freigabe und Aushändigung dieser Gelder, deren Gegenwert «teils zum Erwerb von Liegenschaften, teils verzinslich ausgeliehen, und bis zur Wiederanlage in Liegenschaften, welche stets erstrebt wird, besonders verrechnet» werden sollte279. Mit dem Hinweis: «Die erfolgte Ablösung der fürstlichen Zehntrechte involviert eine Substanzverringerung des Stammvermögens» und der Aufforderung, zunächst für Ersatz zu sorgen, lehnte man in Sigmaringen die Freigabe ab. In der Antwort der fürstenbergischen Domanialkanzlei vom 19. 9. 1863 wurde darauf hingewiesen, daß zur F. F. A., Fabriken, OB 19, Vol. L X X I I , Fase. 14. Gemeint ist der badische Bergwerksverein, der seit 183j im Kinzig- und Münstertal nadi Silbererzen suchte, jedoch seit 1847 keine Dividende mehr zahlen konnte. Vgl. KISTLER, 170 271
FRANZ, a. a. O . , S. 83. 272 Diese mit Unterstützung englischer Fachleute 1852 gegründete Gesellschaft mußte ebenfalls ohne Ergebnis 1861 ihre Tätigkeit wieder einstellen. Vgl. KISTLER, FRANZ, a. a. O., S. 83. 273 Auch das Schicksal dieses Unternehmens war Anfang der 1860er Jahre sdion entschieden. Die Grube wurde stillgelegt. Vgl. KISTLER, FRANZ, a. a. O., S. 83. 274 F. F. A., Kapitalien, Generalia, XIII, Fase. 1. 275 Gesetz, betreffend die Ablösung der Reallasten in den Hohenzollernschen Landen vom 28. 5. 1860, in: Gesetz-Sammlung für die königlichen preußischen Staaten, 1860, Nr. 18, S. 221 ff. m Nach einer Zusammenstellung der Regierung in Sigmaringen betrugen die fürstenbergisdien Ablösungskapitalien dort bis 1865 260863 A« Staatsardi. Sigmaringen, Ho 252 (Neu-
verz. A I, Nr. 7944). 277 278
F. F. A., Kapitalien, Generalia, L X I , Fase. 1. Ebenda.
Zeit wegen der allgemein überhöhten Preise keine weiteren Güterankäufe möglich seien. Man sei jedoch bereit, als Surrogat die Herrschaft Werenwag und zwei weitere Güter aus dem Allodialbesitz des Fürsten anzubieten, ferner seien f ü r über Vi Mio. fl Neubauten errichtet worden, die ebenfalls noch nicht für Fideikommißgut erklärt worden seien; auch seien genügend Wertpapiere vorhanden 87 '. Bei der Feststellung, daß weder von Baden noch von Württemberg solche einschränkenden Vorschriften f ü r die Wiederanlage von Ablösungskapitalien gemacht würden, wird beiläufig auf eine rein konsumtive Verwendung dieser Kapitalien, die sicherlich kein Ausnahmefall war, hingewiesen: Im Juli 1867 wurden 7900 fl ausgeloster württembergischer Ablösungsobligationen in bar dem Fürsten zu Fürstenberg «zu persönlichen Zwecken» nach Baden-Baden gesandt 180 . Die erwähnten Vorsdiläge der fürstlichen Verwaltung wurden in Sigmaringen ebenso verworfen wie der Versuch, Ablösungskapital f ü r den Ausbau der zum Fideikommißgut gehörenden Brauerei in Donaueschingen, f ü r den insgesamt 2 5 0 0 0 0 fl aufgewendet wurden, freizubekommen 881 . Auf keinen Fall, so heißt es in dem Ablehnungsschreiben vom 1 7 . 1. 1865, würden Ablösungskapitalien f ü r die Erweiterung von Fabrikgebäuden freigegeben. Es ist verständlich, daß man auf fürstenbergischer Seite diese unbewegliche Haltung der Staatsbehörden in Sigmaringen als «aufgedrungene Fürsorge» ansah und sicher nicht als geeignete Maßnahme, das Fideikommißgut in seinem Wert weiterhin zu erhalten und zu vermehren. Zusammen mit dem in gleicher Weise betroffenen Hause T h u m und Taxis 2 8 1 gelang erst nach mehrfachen Beschwerden bei höchster Stelle in Berlin im Jahre 1867 die Freigabe der deponierten Kapitalien, deren Gegenwert dann zu Vermehrung des Wertpapierbesitzes des fürstlichen Hauses diente. Die Zeit großer Investitionen in eigenen industriellen Anlagen war vorbei. D a die auf Holzkohle und Wasserkraft gestützten Hüttenwerke und Eisenhämmer dem wachsenden Konkurrenzdruck der Unternehmen von Rhein und Ruhr immer weniger gewachsen waren, mußte man gerade dort, w o man der industriellen Entwicklung großes Interesse entgegengebracht hatte, erkennen, daß damit ein geschäftlicher Erfolg nicht mehr zu erzielen war. So blieben die Staatsobligationen auch hier bevorzugtes Anlageobjekt, und erst nach 1870 begann man, den zahlreicher werdenden Industrie-Papieren wieder Aufmerksamkeit zu sdienken. Ablösungskapitalien waren an diesen späteren industriellen Investitionen indirekt nur noch insoweit beteiligt, als mit ihnen der Grundstock f ü r das fürstliche Wertpapiervermögen gelegt worden war. j . Das fürstliche Haus Hohenzollern-Sigmaringen Wenn auch den Ablösungskapitalien, die den nicht mediatisierten regierenden Häusern zuflössen, im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgegangen wird, da diese Frage nur im Zusammenhang mit den Ablösungskapitalien der Staatsfinanzverwaltungen behandelt werden kann, so mag f ü r das fürstliche Haus HohenzollernSigmaringen eine Ausnahme gelten. Sie ist insofern begründet, als dieses Haus durch den Staatsvertrag mit Preußen vom 7. 1 2 . i849 f 8 S aus der Reihe regierender Häuser ausschied und bis zu diesem Zeitpunkt Ablösungen, die größere Kapitalbewegungen * 7 ' Staatsardi. Sigmaringen, Ho 23 5, II/VII, Nr. 254. 180 F. F.A., Kapitalien, Generalia, LXI, Fase. 1. 181 Ebenda. 28s Siehe S. 64 dieser Arbeit. 288 Gesetz, betreffend die Vereinigung der Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen mit dem preußischen Staatsgebiet vom 12.3.1850, in: GesetzSammlung für die königlichen preußischen Staaten, 1850, Nr. 21, S. 289 ff. 93
zur Folge hatten, in Hohenzollern-Sigmaringen nidit durchgeführt worden waren. Teils waren Ablösungen unter dem Druck der Zeitverhältnisse in den Gesetzen vom 20./29. 7. und 24. 8. 1848 ohne Entschädigung zugesagt worden, teils waren in den Gesetzen vom 6. 6. 1840 und 6. 9. 1848 Entschädigungen zwar vorgesehen, kamen jedoch nur sehr zögernd voran 184 . So waren z. B. von 290 000 fl Gefällablösungskapitalien nach dem Gesetz vom 6. 6. 1840 bis zum Jahre 1853 erst 58 000 fl bezahlt worden 285 . Die Ablösung des Zehnten, der umfassendsten Abgabe aus dem Grundherrlichkeitsverhältnis, war in diesem Gesetz nicht vorgesehen. Eine durch Gesetz vom 20. 9. 1848 vorgenommene Fixierung dieser Abgabe in Geld wurde nicht weiter verfolgt, nachdem sich die Unruhe der Revolutionsjahre wieder gelegt hatte 28 '. Die allgemeine Fixierung und Ablösung des Zehnten geschah erst in preußischer Zeit durch das Ablösungsgesetz vom 28. 5. 1860. Während der vorangehenden Verhandlungen stellte die fürstliche Verwaltung eine erste Berechnung über die zu erwartenden Ablösungssummen an. Ausgehend von den Bruttoerträgnissen sämtlicher dem fürstlichen Haus Hohenzollern in den vormaligen Fürstentümern Sigmaringen und Hechingen zustehenden Zehnten, wobei die Naturalia nach den Etatpreisen 1855/56 beredinet wurden, gelangte man zu folgenden Ergebnissen: 187 A ) Sigmaringen 65 975 fl Bruttoertrag ./. 9 825 fl Erhebungskosten ./. 20 194 fl Zehnt-Lasten (Competenzen) +
35 955 fl Reinertrag 3 646 fl Reinertrag des Kleinzehnten 39 602 fl
B) Hechingen 8 452 fl Bruttoertrag ./. 457 fl Erhebungskosten ./. 3 804 fl Zehnt-Lasten (Competenzen) +
4 190 fl Reinertrag 1 384 fl Reinertrag des Kleinzehnten 5 574 A
Obwohl sich nach dieser Rechnung ein Gesamtreinertrag von 45 176 fl ergab, hatte man diesen am 1 5 . 2. 1857 mit jährlich 64 000 fl angegeben, als in einer Nadiweisung darüber Klage geführt wurde, daß eine Ablösung des Zehnten zum Zwanzigfachen des Jahresbetrages, der Kompetenzen dagegen zum Fünfundzwanzigfachen des Jahresbetrages zu einem erheblichen Verlust führen würde 188 . Auch wenn man annimmt, daß die 64 000 fl bereits nach den Grundsätzen des Gesetzentwurfs berechnet worden sind, ist dieser Zehntertrag immer nodi zu gering, denn zum zwanzigfachen Betrage kapitalisiert ergibt sich danach f ü r das fürstliche Haus nur ein Ablösungskapital von 1,2 Mio. fl, während die tatsächlich ausgezahlten Ablösungssummen sehr viel höher waren. 284
Zu diesen Gesetzen vgl. im einzelnen BIEGER, JOSEF, a. a. O. 885 pAS, Geheime Kabinettsregistratur, Rubrik 199, Nr. 14 430. 288 FAS, Hofkammer Sigmaringen, Rubrik 199, Nr. 28 622. 287 Ebenda. 288 Ebenda. 94
N a c h einer Aufstellung v o m i j . 10. 1864 w a r e n der fürstlichen V e r w a l t u n g 569 050 fl Rentenbriefe ausgehändigt worden, weitere 904 775 fl bei Geridit zwangsdeponiert, also insgesamt 1 473 825 fl Rentenbriefe vorhanden 1 8 '. A u s einem «Verzeichnis der aus der Zehntablösung in Hohenzollern dem fürstlichen Hausfideikommiß überwiesenen Rentenbriefe» ist z u ersehen, d a ß in Wirklichkeit z u diesem Zeitpunkt bereits 1 625 975 fl Rentenbriefe zugunsten des fürstlichen Hauses ausgestellt worden waren, w o v o n dann 152 150 fl f ü r die Ablösung v o n Passivzehnten und Kompetenzlasten verwendet wurden 2 * 0 . Die A k t e n der staatlichen Spezialkommission für die Zehntablösung in Hohenzollern-Sigmaringen aus dem Jahre 1865 weisen für das fürstliche Haus den noch höheren Betrag von 1 707 643 fl Ablösungskapital aus 291 . Bereits ein Jahrzehnt früher hatte das Fürstenhaus Ablösungskapital aus seinen böhmischen Besitzungen erhalten. Die Summe der Grundablösungsobligationen belief sich dort auf 445 520 fl österr., w o v o n bis z u m 6. 3. 1856 147 900 fl bereits verbrieft und ausgehändigt worden waren2®2. 1857 beteiligte man sich mit 1 7 3 0 0 fl dieser böhmischen Grundablösungsobligationen zum erstenmal an einer Auslosung 193 . D e r Gegenwert wurde an die württembergische H o f b a n k überwiesen, wobei man einen größeren Wechselkursverlust hinnehmen mußte. I m L a u f e der folgenden Jahre verringerte sich der Bestand durch weitere Auslosungen, im Mai 1867 hatte er noch eine H ö h e von 301 000 fl. Die Furdit v o r einer Zinsherabsetzung ließ die fürstliche V e r w a l t u n g im Herbst 1867 erstmals die Verkaufschancen aller noch vorhandenen böhmischen Grundablösungsobligationen erörtern. A m 10. 3. 1868 w u r d e schließlich der V e r k a u f v o n 279 000 fl Ablösungsobligationen beschlossen 2 ' 4 , w o f ü r im A p r i l des gleichen Jahres 2J7 554 fl österr. Währung erlöst wurden. D i e fürstliche V e r w a l t u n g setzte die V e r w e n d u n g dieses Betrages folgendermaßen fest: 147 7J9 fl wurden der Versorgungsanstalt Karlsruhe z u r Abdeckung dort bestehender Schulden überwiesen, 133 000 fl beim Bankhaus R o t h s c h i l d in Frankfurt deponiert 2 ' 5 . Durch Zuweisung aus der fürstlichen Kammerkasse w u r d e der beim V e r k a u f eingetretene Verlust ausgeglichen, so daß die Wiederanlage dem ursprünglichen Nominalbetrag der Ablösungsobligationen entsprach. D i e Verwendung der nach 1860 in Hohenzollern-Sigmaringen anfallenden Rentenbriefe w a r zunächst durch die Zwangsdeponierung dieser Papiere behindert. Im Juni 1863 waren nach einer Feststellung der fürstlichen H o f k a m m e r rund 1,1 M i o . Rentenbriefe «in erster Linie wegen der darauf wirklich oder möglicherweise ruhenden Bauund Competenzlasten» zwangsdeponiert 2 ". Es wurde darauf hingewiesen, daß diese Lasten doch nur einen geringen Bruchteil der festgelegten Summe ausmachen würden und das Fürstenhaus immer ohne Beanstandungen alle Bau- und Competenzablösungen erfüllt habe. Im Antwortschreiben der königlichen Regierung v o m 23. 7. 1863 w u r d e festgestellt, d a ß nach A r t i k e l 8 des Vertrages wegen Abtretung der Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen v o m 7. 12. 1849 die Zehnten und Gefälle Teil des fürstlich hohenzollernschen Stamm- und Fideikommiß28*
FAS, Hofkammer Sigmaringen, Rubrik 199, Nr. 27 000. Ebenda. 291 Staatsarch. Sigmaringen, Ho 252 (Neuverz. A I, Nr. 7944). (Zusammenrechnung der Resultate aus den einzelnen Rezessen vom Verfasser.) 2 , 2 FAS, Hofkammer Sigmaringen, Rubrik 5 6, Nr. 22 076. 298 In die Auslosung der böhmischen Ablösungsobligationen wurden jeweils nur die Obligationen aufgenommen, die dazu besonders angemeldet wurden. 2,4 FAS, Hofkammer Sigmaringen, Rubrik j6, Nr. 22 076. Ebenda. 296 Staatsarch. Sigmaringen, Ho 23 j, I/VII, Nr. 256. 2">
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Vermögens seien und die Kapitalabfindungssummen oder Rentenbriefe an die Stelle jener abgelösten Rechte treten müßten247. Die Entschädigungen aber seien nach den Familiengesetzen des fürstlichen Hauses «bis auf den letzten Kreuzer zu Grundstockszwecken zu verwenden»" 8 . Erst nach langen Verhandlungen und mehrfachen Protesten in Berlin erreichte es schließlich das Fürstenhaus am 2 1 . 10. 1863, daß ihm «auf allerhöchster Entsdiließung seiner Majestät des Königs» 1,1 Mio. Rentenbriefe ohne vorherigen Nachweis der Wiederanlage als Fideikommißvermögen ausgehändigt wurden 8 ". Die Übergabe der Rentenbriefe zog sich jedoch noch über längere Zeit hin, nicht zuletzt weil die fürstliche Verwaltung in dieser Zeit noch keine geeignete Verwendungsmöglichkeit für diese Wertpapiere sah. Bereits 1862 waren Versuche, Rentenbriefe über das Bankhaus R o t h s c h i l d in Frankfurt zu verkaufen, gescheitert®00. R o t h s c h i l d stellte fest, daß diese Papiere an der Frankfurter Börse nicht abzusetzen seien, da die Zinszahlungen nicht bei einem Frankfurter Bankhaus geleistet würden, er selbst sei jedoch bereit, gegen 1 U °/o Provision diese Zinszahlungen zu übernehmen. Die fürstliche Verwaltung weigerte sidi, diese Provision zu zahlen, und wandte sich mit der Bitte um Unterstützung an die preußische Regierung in Sigmaringen. Dort erhielt sie eine eindeutige Absage, denn es sei «nidit Aufgabe der Regierung, den Berechtigten die Rentenbriefe, aus denen sie die gesetzlidien Zinsen beziehen, leichter verkäuflich zu machen»541. Die fürstliche Verwaltung sah sich daraufhin gezwungen, «wenn ein günstiger Verkauf möglich sein soll, die Rentenbriefe an größeren Bankplätzen zu domizilieren», und schlug dazu R o t h s c h i l d in Frankfurt/M., B l e i c h r ö d e r in Berlin und die königliche Hofbank in Stuttgart vor. Wie aus einem Schreiben der Hofkammer vom 4. 1 1 . 1864 hervorgeht, wurde die Angelegenheit nicht weiter verfolgt. Der Verkauf unterblieb. Dagegen sah man jetzt die Rentenpapiere als durchaus gute Kapitalanlage an und entschloß sich, den eingetretenen Geldbedarf lieber durch Aufnahme eines 41/s°/oigen Darlehens zu decken, als bei dem gegenwärtigen Kurs von 88 %» Rentenpapiere zu verkaufen. Das Bankgeschäft W e i l & S ö h n e in Hechingen hatte sich anerboten, Rentenpapiere zu diesem Kurs zu übernehmen. Auch ein von einem nidit näher bezeichneten Sachverständigen erteiltes Gutachten vom 12. 6. 1864 sprach sich dafür aus, die Rentenbriefe nidit zu verkaufen, da sie gegenüber sonstigen Staatspapieren und erst recht gegenüber industriellen Anlagemöglichkeiten noch das geringste Risiko zu tragen hätten®02. Der «eingetretene Geldbedarf» war darüber hinaus keineswegs so erheblich, daß dazu Verkäufe hätten durchgeführt werden müssen. Schon am 3. 2. 1860 war ein Beschluß gefaßt worden, 5°/oige Passivkapitalien aufzukündigen und zu bezahlen, da «namhafte disponible Mittel vorhanden seien»303. Eine Anspannung der Finanzlage befürchtete man allerdings durch den Ankauf des Reidisgräflich Waldbott-Bassenheimschen Rittergutes in Bassenheim bei Koblenz am 19. 3. 1861 für 485 000 Taler 804 . Der Ankauf geschah «in der Absicht, anfallende Zehnt- und Gefällablösungsgelder zu dieser Erwerbung zu verwenden»30®, was auch aus der beim ,r7
F A S , Hofkammer Sigmaringen, Rubrik 199, N r . 27 004. Ebenda, und Staatsarch. Sigmaringen, H o 23 j , I / V I I , N r . 256. Ebenda. ®, 4 °/o 3- Bayerische Militäranleihen von 1861, 4 %> 4- Bayerische Eisenbahn-Anlehen, 4°/o 1 5- Bayerische Eisenbahn-Anlehen 1854, 4 /a°/o 6. Bayerische Eisenbahn-Anlehen 1856, 4V2 °/o 7- Bayerische Militär-Anlehen 1859, 4 V 2 % 8. Bayerische Staats-Anlehen 1857, 4V2 %> 9- Württembergische Gefäll- und Zehntablösungsobligationen, 4 °/o 10. Württembergische Staatsobligationen, 3V2 %> 11. Württembergische Staatsobligationen, 4 %> 12. Württembergische Staatsobligationen, 4V2 °/o
1 681 120 5 145 32 4 19 5 82 8 84 281
200 200 700 000 400 200 300 000 500 600 900 900
Dabei ist zu beachten, daß die fürstliche Verwaltung nur begrenzten Einfluß auf die Auswahl der Wertpapiere hatte; am Charakter der Papiere hätte sich allerdings wohl nichts geändert, wenn sie frei vom behördlichen Einfluß gekauft worden wären. In allen Klagen und Berichten über die so wenig ertragreichen Kapitalanlagen ist immer nur von besser verzinslichen Staatsobligationen die Rede: Diese, bestenfalls noch Eisenbahnobligationen, erscheinen als die einzig mögliche Art der Kapitalanlage, soweit Kapital nicht im Grundbesitz angelegt werden kann. Eine Kapitalanlage zur Gründung oder Förderung industrieller Vorhaben läßt sich nicht feststellen. Selbst in den landwirtschaftsnahen Industriezweigen waren keine großen Erfolge zu erzielen. Eine bestehende Zuckerfabrik wurde bereits 1844 still" * FÖA. W., S7S FÖA. W., »7« FÖA. W., 877 FÖA. W.,
Rep. Rep. Rep. Rep.
14, Fase. 6a. 15, Raum II, Kasten XVI, Fach 78. 7, Raum II, Kasten III, Fach XIV, Fase. 19c. 6, Kiste B, Nr. 30-36. 108
gelegt und veräußert* 78 , Ziegelhütten, Brauereien und ähnliche Produktionsstätten litten unter der Kapitalnot der fürstlichen Verwaltung. Schließlidi stellte die Domanialkanzlei in einem Bericht vom 1 6 . 2. 1848 fest, daß das Fürstentum «wegen hoher Holzpreise und mangelnder Wasserkräfte f ü r die Einrichtung von Fabriken nicht geeignet ist»' 7 '. 7. Das fürstliche Haus Oettingen-Spielberg Das fürstliche Haus Oettingen-Spielberg konnte ebenfalls nicht über die ihm zustehenden Ablösungskapitalien nach freiem Ermessen verfügen. Für seine überwiegend auf bayerischem Hoheitsgebiet liegenden Besitzungen wurden ihm aufgrund des bayerisdien Ablösungsgesetzes von 1848 f ü r abgelöste Grundgefälle 1 355 995 fl und für die aufgehobene Gerichtsbarkeit 1 2 6 300 fl Ablösungskapital zugestanden. Hinzu kamen Erlöse f ü r verkaufte Zehntscheunen mit 1504 fl380. Die Gesamtkapitalsumme von 1 483 830 fl mußte beim königlichen Appellationsgericht von Schwaben und Neuburg wegen des bestehenden Fideikommißverbandes, der vom königlichen Fiskus behaupteten Lehnbarkeit, der auf die Besitzungen eingetragenen Hypotheken und der auf den Besitzungen ruhenden Kultuslasten hinterlegt werden. Die gleichen Gründe galten auch f ü r das fürstliche Haus (Dettingen-Wallerstein, nur mit dem Unterschied, daß in Oettingen-Spielberg keine Vormundschaft bestand, agnatische Konsense f ü r Veränderungen des Fideikommißbestandes daher leichter zu erhalten waren und die Hypothekenschulden nicht das Ausmaß wie in Wallerstein erreichten581. Das fürstlidie Haus Oettingen-Spielberg war sogar in der Lage, selbst Darlehen zu vergeben, wie ein Sdiuldvertrag mit Raimund Graf Fugger über 7000 fl vom 27. 6. 1846 zeigt888. Die Dispositionsbeschränkung wegen der von Bayern behaupteten Lehnbarkeit wurde bereits am 22. 1 1 . 1850 durch eine richterliche Entscheidung f ü r nicht gerechtfertigt erklärt' 8 '. Völlig frei von einer Verfügungsbeschränkung waren die geringen Ablösungssummen in Württemberg, die von der fürstlichen Verwaltung im Mai 1848 mit 61 280 fl berechnet wurden 384 . Bis Ende 1852 waren 52 098 fl, bis I 8 J 6 die Gesamtsumme von 53 665 fl ausgezahlt 385 . Der langsame Fortgang der Ablösung wurde hier auf «die allgemeine Abneigung der vollziehenden Behörden gegen die Standesherren und ihre früheren Rechte» zurückgeführt 38 '. Die Erträge der ausgelosten Ablösungsobligationen sollten nach höchster Entscheidung ausschließlich «zur Verbesserung der Domainen und zu neuen Erwerbungen von Grund und Boden» verwendet werden. Im Jahre 1 8 7 3 waren noch 30 000 fl dieser württembergischen Ablösungsobligationen vorhanden, die einen Jahreszins von 1265 fl erbrachten 387 . 378
FÖA.W., Rep. I J , Raum II, Kasten III, Fach X V I , Fase. 7a; als Grund wird das mangelnde Interesse der Bauern am Rübenanbau angegeben. 378 FÖA. W., Rep. 7, Raum II, Kasten I, Fach V, Fase. 16. 380 FÖA. ö . , Registratur Kasten I, Reihe I, Fach 20, Fase. 13. 381 Über die Schuldenlast vgl. auch R E H F E L D , H O R S T , Die Mediatisierung des Fürstentums Oettingen-Spielberg, jur. Diss., Erlangen 1955. 383 FÖA. ö . , Registratur I, Reihe II, Fach 2, Fase. 4. 383 FÖA. ö . , Registratur Kasten I, Reihe I, Fach 20, Fase. 13. 384 FÖA. ö . , Registratur Kasten I, Abt. V, Fach 15, Fase. 1. Die Berechnung ist um 761$ fl zu hoch, vgl. S. 46 dieser Arbeit. 385 FÖA. ö . , Registratur Kasten I, Reihe II, Fach 1, Fase. 4 und Reg. Kasten I, Reihe V, Fach IJ, Fase. 6. 38« FÖA. ö . , Registratur Kasten I, Reihe V, Fach 15, Fase. 6. 387 FÖA. ö . , Registratur Kasten I, Reihe II, Fach 1, Fase. 4. 109
Die Bemühungen um Freigabe der Ablösungsobligationen in Bayern hatten erstmals am 13. 4. 1853 Erfolg: Ablösungsobligationen im Betrage von 350 000 fl wurden der fürstlichen Hauptkammerkasse ausgehändigt388. 200 000 fl dieser Summe dienten dazu, eine bei Ph. Nie. S c h m i d t bestehende Bankschuld zu tilgen, der Rest der Obligationen blieb zunächst in der fürstlichen Kasse. Durch das Entgegenkommen des Bankiers Ph. Nie. S c h m i d t , Ablösungsobligationen als Darlehensrüdszahlung anzunehmen, wurde ein weiterer Grund f ü r die Zwangsdeponierung der Ablösungsobligationen hinfällig. Am 1$. 2. 1 8 j 4 erhielt die fürstliche Verwaltung einen Antrag des Grafen von Dürkheim-Montmartin, sich an der Finanzierung des Hüttenwerks Hallblech zu beteiligen889. Danach sollte das Hüttenwerk von einer Nürnberger Bank 700 000 fl erhalten, wofür diese über den gleichen Betrag Partialobligationen ausgeben wollte. Ein Teil dieser Summe sollte nun «von zu gewinnenden Besitzern von Ablösungsobligationen durch Hingabe dieser Obligationen gedeckt werden». Als Vorteil wurde herausgestellt, daß für 100 fl Ablösungsobligationen 100 fl Hütten Werksobligationen der Nürnberger Bank eingetauscht würden, während die Ablösungsobligationen bei einem Verkauf am Markt zur Zeit nur einen Kurs von 91 % erzielen könnten, ferner wurden statt 4 %> Zinsen mindestens 4V2 %>, wenn nicht gar 5 °/o geboten. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, daß bisher schon Fürst von der Leyen mit 60 000 fl®>0 und Freiherr zu Frankenstein mit Zinsen zufriedengab, während die übrigen, noch nicht ausgelosten Staatsschuldscheine immerhin 4°/o erzielten588. In einem am 1 1 . 6. 1838 zwischen dem preußischen Geheimen Finanzrat v o n P a t o w und dem fürstlichen Kammerdirektor U s e n e r geschlossenen Vertrag wurde die Ablösung 24 verschiedener Abgaben im Gebiet der fürstlichen Herrschaft Sayn-Wittgenstein-Berleburg geregelt584. Als Entschädigung sollte vom preußischen Staat eine jährliche Geldrente von 8551 Talern gezahlt werden, die, zum 2$fachen Betrage kapitalisiert, mit 213 784 Talern abgelöst werden konnte. Diese Ablösung war jedoch im Etatjahr 1842/43 noch nicht durchgeführt585. Zusammen mit einer bereits am 16. 7. 1831 für die Reluition von Gefällen mit dem preußischen Staat ausgehandelten Jahresrente von 3757 Talern, einer für den Verlust alter Herrschaftsgebiete schon im Reichsdeputationshauptschluß zugestandenen Rente von 15 000 fl ( = 8750 Talern) und einiger weiterer Renten für aufgehobene Patrimonialgefälle, bildete die Rente aus dem Vertrag vom 1 1 . 6. 1838 den Hauptbestandteil der gesamten Kasseneinnahmen der Standesherrschaft: von j8 748 Talern Einnahmen im Jahre 1842/43 entfielen 27 606 Taler auf Renten für aufgehobene Abgaben und Zinsen für gewährte Entschädigungskapitalien58'. Im folgenden Jahr wurde von der Möglichkeit der Ablösung der Rente zu 8551 Talern Gebrauch gemacht. Im Dezember 1845 wurde für 190 175 Taler Ablösungskapital in Form preußischer Staatsschuldbriefe 3803 Taler Halbjahreszinsen gezahlt587. Ein Betrag von 23 609 Talern 5eo Fürstl. Sayn-Wittgensteinsches Archiv, Abt. X b , Aktiva N r . 20. 581 5(0 588 584 585 585 587
Ebenda. Ebenda. Fürstl. Sayn-Wittgensteinsdies Fürstl. Sayn-Wittgensteinsdies Ebenda, N r . 12. Fürstl. Sayn-Wittgensteinsdies Fürstl. Sayn-Wittgensteinsdies
Ardiiv, Abt. X a , Etats, N r . 46. Ardiiv, Abt. X I I I , Ablöse-Sadien, N r . 46. Archiv, Abt. X a , Etats, N r . 46. Archiv, Abt. X I I I , Ablöse-Sadien, N r . iz. 144
w a r bereits ausgelost worden und der Gegenwert mit 23 243 Talern wieder in preußischen Staatssdiuldsdieinen angelegt worden 588 . Zur Durchführung dieser Bankgeschäfte bediente man sich der Vermittlung des Bankhauses R o t h s c h i l d , zu dem seit 1834 Beziehungen bestanden; in diesem J a h r hatte das fürstliche Haus SaynWittgenstein-Berleburg «nach dem Muster anderer Standesherrschaften» bei R o t h s c h i l d ein Darlehen über 300 000 fl «gegen Verpfändung der Einkünfte» aufgenommen, das ab 1845 zurückgezahlt werden sollte68*. Es ist verständlich, daß sich das Haus R o t h s c h i l d aus eigenem Interesse in die Wiederanlage der Ablösungskapitalien, deren Zinsen ja nunmehr die verpfändeten Einkünfte repräsentierten, einschaltete. Entsprechend dem später auch in Solms-Braunfels und Hohenzollern-Sigmaringen angewandten Verfahren blieben auch die Ablösungskapitalien des fürstlichen Hauses Sayn-Wittgenstein-Berleburg sowie die mit den ausgelosten Beträgen wieder angekauften Staatspapiere in preußischer staatlicher Verwahrung, bis eine den Bestimmungen des Fideikommiß entsprechende Wiederanlage nachgewiesen werden konnte. Durch Gerüchte über eine drohende Zinsherabsetzung preußischer Staatspapiere beunruhigt, versuchte man, 1844/4$ ebenfalls durch Vermittlung des Bankhauses R o t h s c h i l d geeignete Güter oder größere Grundstücke zu erwerben, was teilweise auch gelang 590 . Dagegen lassen sich keinerlei Versuche erkennen, mit den Ablösungskapitalien im industriellen Bereich tätig zu werden. Hier hatte man im Gegenteil begonnen, sich von bestehenden industriellen Einrichtungen zu trennen: 1839 wurden 5 Eisenhämmer an Justus K i l i a n verpachtet, die bestehende fürstliche Hammerkasse wurde nach Abwicklung ihrer Geschäfte 1842 aufgelöst 5 " 1 . Allerdings war man 1848 wieder geneigt, sich zusammen mit Kölner Bankiers an der Gründung der Steinkohlen-Gewerkschaft «Anna» zu beteiligen 591 . Ob hierzu Ablösungskapitalien verwendet wurden, läßt sich nicht feststellen. So wie man bereit war, den jährlich schwankenden Ertrag und oft ungewissen Eingang von Gefällen und Abgaben gegen eine feste jährliche Staatsrente einzutauschen, w a r man auch in bestimmten Fällen geneigt, diese Rente, ohne daß dazu eine gesetzliche Verpflichtung bestand, und trotz mancher Bedenken hinsichtlich der Höhe der errechneten Ablösung zu kapitalisieren. Die Ablösung bewilligter Renten kam schon lange vor dem Erlaß der einzelnen Ablösungsgesetze, die dafür spezielle Richtlinien aufstellten, durch Einzelvereinbarungen zwischen den Berechtigten und dem Staat zustande, ebenso wie solche Renten auch an Private f ü r eine bestimmte Ablösungssumme weiter veräußert wurden. V o r allem galt dies f ü r kleinere Renten, deren umgehende Kapitalisierung dem Berechtigten vorteilhafter erschien als ein laufender finanziell jedoch kaum spürbarer Rentenbezug. Ein nassauischer Grundherr führt hierzu in einem Schreiben an den Herzog von Nassau 1826 aus: «Von Tag zu Tag durch den Unwerth der landwirtschaftlichen Produkten, welche kaum mehr zu reichen die unausweiglichen Dienstboten und Taglöhner, geschweige denn die Steuern zu entrichten, in dem Geldbedürfnis gesteigert, wozu mir die jährlichen 23 fl wenig Vorschub leisten, habe ich in die Ablösung zum zwanzigfachen Betrage gewilligt» 5 ". Im Großherzogtum Nassau wurde schon 1 8 1 5 , kaum daß eine Rente f ü r die Ablösung der älteren Lasten und Abgaben fixiert war, von verschiedenen Seiten, selbst 588 588 5M 5,1 5M
8,3
Ebenda. Fürstl. Sayn-Wittgensteinsches Archiv, Abt. Xc, Passiva, Nr. 54. Fürstl. Sayn-Wittgensteinsdies Ardiiv, Abt. X I I I , Ablöse-Sadien, Nr. 22. Fürstl. Sayn-Wittgensteinsdies Ardiiv, Abt. VI, Nr. 4. KRÜGER, ALFRED, a . A . O . , S .
JI.
HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 210, Nr. 10029. I4J
von sehr begüterten Standesherren, auf die hohen Schulden hingewiesen, zu deren Deckung eine möglidist günstig berechnete Entschädigungssumme dringend benötigt würde. Nadi den Kontributionen und Kriegslasten der vorangegangenen Jahre und den mannigfachen Hilfen, die von den Standes- und Grundherren in diesem Zusammenhang ihren Untertanen gewährt werden mußten, lassen sich diese Klagen durchaus verstehen. Immerhin blieb eine Rentenablösung durch freiwillige Vereinbarung mit dem Landesherrn ein Risiko, solange keine gesetzlichen Regelungen für die Kapitalisierung solcher Renten vorgesehen waren. Die Berechtigten versuchten mit allen Mitteln, möglidist hohe Beträge auszuhandeln, lehnten vorgeschlagene Vergleidissummen ab und warteten notfalls auf eine günstigere Regelung, vor allem seit die ersten Ablösungsgesetze konkrete Angaben über die Höhe von Ablösungsbeträgen enthielten. Bezeidinend ist hier der schleppende Fortgang der Ablösung in Württemberg nadi dem Gesetz von 1836, da die Berechtigten auf eine bessere Regelung warteten, ähnlidi der in anderen Ländern. Solange die Ablösung noch nicht gesetzlich vorgeschrieben war, wurde sie nadi Möglichkeit auch dort vermieden, wo ein benötigter höherer Geldbetrag als Darlehen gegen die Verpfändung einer Entschädigungsrente beschafft werden konnte. Im Gebiet des Großherzogtums Nassau lassen sich soldie Verpfändungen zwischen 1 8 1 5 und 1 8 J 4 in zahlreichen Fällen nachweisen. Fast alle standes- und grundherrlichen Häuser traten zu irgendeiner Zeit kreditsudiend auf, um vorhandene Schulden aus den Kriegsjahren, der Zeit der großen Agrarkrise in den zwanziger Jahren oder sonstige Verbindlichkeiten abzudecken. Eine Gruppe Adeliger, darunter die fürstlichen und gräflichen Häuser Ysenburg-Bierstein, SolmsLich, Solms-Rödelheim, Solms-Laubach, Erbach-Fürstenau und Leiningen-Westerburg, rief 1829 einen «Kreditverein zur möglichsten Feststellung ihrer finanziellen Verhältnisse» ins Leben. Der schließlich beim Bankhaus Ph. Nie. S c h m i d t in Frankfurt aufgenommene Kredit betrug 6,3 Mio. fl und wurde durch standesherrliche Grundgefälle und «an ihre Stelle tretende Renten» hypothekarisch gesichert®*4. Graf von Bassenheim verpfändete 1847 über einen eingeschobenen Mittelsmann eine Entschädigungsrente von 5580 fl an das Bankhaus R o t h s c h i l d als Sicherheit für die Überlassung eines Darlehens von 100 000 fl595. Freiherr von Breitenbach verpfändete noch 1868, als eine Ablösung durdiaus möglich gewesen wäre, eine Rente von 2 J4 fl als Sicherheit für ein Darlehen über 2400 fl5**. Aber auch Verkäufe von Renten kamen bis zur gesetzlichen Regelung der Ablösung, die dem mit Spekulationen über die erwartete Ablösungshöhe behafteten Handel ein Ende bereitete, häufig vor; so wurde in Nassau vom Grafen von Coudenhoven in langen, hartnäckigen Verhandlungen eine vorgeschlagene Entschädigungsrente auf 600 fl herauf gehandelt und dann im Jahre 1832 an das Bankhaus R o t h s c h i l d für 10 700 fl verkauft 5 * 7 . Außer einem Hinweis auf den dringenden Kapitalbedarf läßt sich kein Anhaltspunkt für die Verwendung dieser Summe finden. 1828 hatte das Bankhaus R o t h s c h i l d bereits eine Rente von 19 934 fl des fürstlichen Hauses Wied-Neuwied für den Betrag von 498 355 fl angekauft. Nach Abzug der Steuern verblieb eine Auszahlungssumme von 434 122 fl5*8. Mit diesem Geschäft, das - eine Kapitalisierung der Rente zum 2 ifachen Jahresbetrag - verglichen mit späteren gesetzlichen Ablösungen zu recht guten Bedingungen zustande kam, hatte das fürst804
HStaatsardi. Wiesbaden, HStaatsardi. Wiesbaden, 5,6 HStaatsardi. Wiesbaden, 897 HStaatsardi. Wiesbaden, 598 HStaatsardi. Wiesbaden, 60, Fach 3, Fase. 22. 585
Abt. Abt. Abt. Abt. Abt.
210, 210, 40 j , 210, 210,
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
3847. 4399. 9991. 4400. 7 1 8 1 , ferner Fürstl. Wiedisdies Archiv, Schrank
146
lidie Haus Wied-Neuwied alle Rentenansprüche, die ihm auf Grund der Aufhebung älterer Abgaben 1812 zugestanden worden waren, veräußert. Trotz dieser Kapitalisierung reichten die erhaltenen Mittel nicht, die Schuldenlast der Kriegs- und Nadikriegsjahre zu beseitigen. Nur wenige Jahre später mußte 1835 bei dem Bankhaus R o t h s c h i l d erneut ein Darlehen über 700000 fl «zur Abdeckung sämtlicher Passiva» aufgenommen werden 5 ". 1830 erwarb das Bankhaus R o t h s c h i l d vom fürstlichen Haus Ysenburg-Büdingen eine Rente über 845 fl für aufgehobene Jagdfronden zum Betrag von 18 000 fl"00. Auch hier findet sich nur der Vermerk, daß diese Summe zur Bestreitung «notwendigster Ausgaben» gebraucht werde. Bereits im April 1929 war zwischen dem fürstlichen Haus Ysenburg-Büdingen und Ph. Nie. S c h m i d t in Frankfurt ein ähnliches Geschäft zustande gekommen. «Für den Neuaufbau der Ökonomiegebäude» wurde eine Rente von 1861 fl, die sich u. a. aus 214 fl für weggefallene Judenschutzgelder, 424 fl für aufgehobene Akzisse, 101 fl für aufgehobene Zunftgelder usw. zusammensetzte, für den Betrag von 37 200 fl «baren Geldes» verkauft601. Ebensowenig wie in Neuwied konnten diese Verkäufe in Büdingen die bestehende Schuldenlast bereinigen, so daß 1836 bei Ph. Nie. S c h m i d t ein Darlehen über 200 000 fl aufgenommen werden mußte60*. In den Akten des fürstlichen Archivs Ysenburg-Büdingen findet sich auch eine Notiz, nach der das gräfliche Haus Solms-Laubach ebenfalls im April 1829 bei Ph. Nie. S c h m i d t eine Rente von 1800 fl zu den gleichen Bedingungen verkauft hat603. Andere Renten wiederum blieben als laufendes Einkommen unangetastet, auch wenn die Finanzlage zu größeren Kreditaufnahmen zwang. Die dem fürstlichen Hause Ysenburg-Büdingen für die Aufhebung gutsherrlicher Fronden am 18. 1. 1828 gewährte Jahresrente von 4200 fl und eine weitere Rente für den verlorenen Bezug indirekter Abgaben vom 7. 12. 1835 in Höhe von 2260 fl wurden bis 1911 mit jährlich 11 074,- Mark ausbezahlt und erst dann mit 276 857,— Mark abgelöst644. Neben den großen Frankfurter Bankhäusern, die immer wieder als Geschäftspartner der Standes- und Grundherren auftraten, schalteten sich auch sonstige private Kaufleute und Handelsmakler wiederholt in das Rentengeschäft ein. Im hessischnassauischen Raum trat als Käufer grundherrlicher Renten mehrere Male der Kaufmann H o r s t m a n n aus Höchst in Erscheinung. Er stellte 1828 einen Antrag an den nassauischen Landesherrn, eine Rente von 12 000 fl, die bisher an das Haus SaynWittgenstein gezahlt, von ihm jetzt aber käuflich erworben wurde, mit 266 666 fl abzulösen605. H o r s t m a n n begegnet uns erneut 1832 beim Kauf einer dem gräflichen Haus Solms-Rödelheim zustehenden Entschädigungsrente von 36 fl 24 kr und einer weiteren kleinen Rente der freiherrlichen Familie D e h r n über 9 fl 1V4 kr. Beide Renten wurden von ihm bereits 1833 an die Frankfurter Bankiers Gebr. G o l d S c h m i d t weiter veräußert, die sie ihrerseits an einen Artillerie-Major S c h o l l nach Darmstadt für 997 fl 30 kr veräußerten606. Bei einem solchen regen Handel und den jeweils damit verbundenen Auszahlungsanweisungen, Abtretungserklärungen usw. an die staatlichen Kassen, die diese Renten jährlich zu zahlen hatten, ist es verständlich, daß man von staatlicher Seite gerne bereit war, Renten abzulösen, auch wenn 5M
Fürstl. Wiedisches Archiv, Schrank 60, Fadi 4, Fase. 7. Fürstl. Ysenburg-Büdingisdies Archiv, Abt. 3, V , 17, N r . 2. 601 Ebenda, N r . 1. «02 Fürstl. Ysenburg-Büdingisdies Archiv, Abt. 1, V , N r . 4. tos Fürstl. Ysenburg-Büdingisdies Archiv, Abt. 3, V , 17, N r . 1. 604 Ebenda, N r . 3. 605 HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 405, N r . 10099. 606 HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 210, N r . 1003 j . 600
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dazu weder eine rechtliche Verpflichtung noch materielle Bewertungsriditlinien bestanden. Bei sehr vielen kleinen und mittleren Standesherrschaften lassen sich kaum Angaben über die endgültige Höhe der schließlich erhaltenen Ablösungskapitalien machen. Teils sind die vorhandenen Archivalien noch nicht erschlossen, teils aber auch nur sehr unvollständig erhalten. Noch spärlicher werden die Quellen, wenn untersucht werden soll, in weither Weise diese Herrschaften über die erhaltenen Beträge verfügt haben. Die Feststellung der fürstlichen Verwaltung in Ysenburg-Büdingen, daß alle Finanzmittel f ü r die Tilgung von Fideikommißschulden oder den Erwerb von Grund und Boden verwendet werden sollten und allein solange sich dazu keine geeignete Gelegenheit biete, in Staatsobligationen angelegt werden sollten, dürfte für viele standesund grundherrliche Häuser in gleicher Weise Gültigkeit gehabt haben607. Wie dabei einzelne Standes- und Grundherren Bekanntschaft mit dem Wertpapiergeschäft machten und nicht mehr abreißende Verbindungen mit Bankhäusern eingingen, zeigt z. B. die Wiederanlage der Ablösungskapitalien, die in dem auf bayerischem und württembergischem Territorium gelegenen Gräflich von Hatzfeldschen Rentamt Waldmannshofen anfielen 608 . Bis 1867 waren hier rd. 8$ 000 fl bayerische und württembergische Ablösungsobligationen ausgestellt worden. Z w a r war auch die von Hatzfeldsche Verwaltung der Meinung, diese Kapitalien allein in Güterankäufen anzulegen, allein man fürchtete die hohen Preise, so daß Graf von Hatzfeld schon 1838 für die flüssig werdenden Gelder zur «vorübergehenden Anlage als Hypothekengeld» riet"". Die Gelegenheit, Grundstücke zu erwerben, erwies sich dann offensichtlich als so ungünstig, daß in den 30 Jahren von 1830 bis 1860 nur für 6000 fl Ankäufe, hauptsächlich zur Arrondierung, verzeichnet wurden* 10 . Dagegen wurden von dem mit weitgehenden Vollmachten ausgestatteten Amtmann S c h ä f e r in Waldmannshofen alle für ausgeloste Ablösungsobligationen gezahlten Beträge wieder in Wertpapieren angelegt, und dabei sogar aus den laufenden Einnahmen öfters die Beträge erhöht, «da krumme Beträge nur schwer unterzubringen sind» 811 . Hatte sich die Wiederanlage zunächst auf Staatspapiere beschränkt, so trat ab 1855 die Anlage bei dem im gleichen Jahr in Stuttgart gegründeten Kapitalisten-Verein in den Vordergrund. In einem Rundsdireiben hatte sich dieser Verein besonders an die Kapitalbesitzer gewandt, die «wegen minderer Bekanntsdiaft mit den Pfand-, Prioritäts- und Executionsgesetzen direkt an Private nicht auszuleihen wagen». Die mit den Ablösungskapitalien aus dem Rentamt Waldmannshofen angeknüpften Bankbeziehungen sollten sich weiter vertiefen, so daß in den 60er und 70er Jahren das Haus von Hatzfeld bereits über einen ansehnlidien Wertpapierbesitz verfügte* 11 . Auch das fürstliche Haus Wied-Neuwied hat, nachdem die bestehenden alten Schulden durch das Darlehen von 1835, dessen Tilgung sich bis in die 80er Jahre erstreckte, konsolidiert waren, den Erlös ausbezahlter oder verkaufter Zehntablösungsrentenbriefe benutzt, um am allgemeinen Anleihegeschäft teilzunehmen' 13 . Ebenso wurden eine Abfindungssumme für die Aufgabe der gesetzlichen Grundsteuerfreiheit, die von der preußischen Staatskasse 1860 mit 48 994 Talern ausbezahlt wurde, und eine Ab607 608 ,09 810 611 612
*13
Fürstl. Ysenburg-Büdingisches Ardiiv, Abt. 1, V I , N r . 38. Akten des von Hatzfeldschen Archivs im Staatsarchiv Koblenz, Akten des von Hatzfeldschen Archivs im Staatsarchiv Koblenz, Ebenda. Akten des von Hatzfeldschen Archivs im Staatsarchiv Koblenz, Akten des von Hatzfeldschen Archivs im Staatsarchiv Koblenz, Fürstl. Wiedisdies Archiv, Schrank 94, Fach 10, Fase. 1. 148
N r . 5729. N r . 6849. N r . 5729. N r . 6 5 1 6 und 5695.
findung für die Aufgabe von Fährgerechtsamen 1861 in Höhe von 2900 Talern dieser Anlageform zugeführt* 14 . Auffallend ist, ähnlidi wie bei der großherzoglichen Verwaltung in Sdiaumburg, die starke Werbung für amerikanische Obligationen verschiedenster Herkunft. Vor allem trat das Bankhaus S c h u c h a r d t & Sons, N e w York, als Vermittler hervor. In einer Aufstellung des Obligationenbesitzes aus dem Jahre 18 69 finden sich Bons of Georgia, City of Memphis-Bons, Bons of Tennessee, Missouri, Indiana und Ohio. Die Kapitalanlage in deutschen Papieren wie zum Beispiel in Rentenbriefen der Provinz Preußen, in rheinisdi-westfälisdien Rentenbriefen, in einer Anleihe des norddeutschen Bundes usw. ist weit geringer, noch weniger umfangreich ist der Bestand an Eisenbahnpapieren 615 . Die große Aufgeschlossenheit gegenüber amerikanischen Wertpapieren ist sicher darauf zurückzuführen, daß das Haus Wied-Neuwied eng mit der Geschichte des Texasvereins verbunden ist und auf diese Weise bessere Kenntnisse amerikanischer Verhältnisse und ältere Beziehungen zu amerikanisdien Banken und Kaufleuten vorhanden waren* 1 '. Dieser umfangreichen Anlagebereitsdiaft in Obligationen und Staatssdiuldversdireibungen stand ein nur sehr geringes Interesse an Anlagemöglidikeiten in Handel und Industrie gegenüber. Das Fürstenhaus Wied-Neuwied hatte schon 1784 das auf fürstliche Rechnung 1760 gegründete Eisenwerk Rasselstein für 42 000 fl verkauft, da kein Interesse mehr an einer industriellen Betätigung bestand' 17 . 1855 veräußerte das fürstliche Haus Ysenburg-Büdingen das Hütten- und Hammerwerk Neuenschmitten für 52 000 fl an die Firma B u d e r u s , 1 8 . Dagegen wurde in den Jahren 1858 bis 1860 die 1832 zunächst als Manufaktur gegründete Wächtersbacher Steingutfabrik von Ysenburg-Büdingen zur Fabrik ausgebaut und zu diesem Zweck mehrfadi Darlehen im Gesamtbetrage von 166 000 fl aufgenommen' 1 '. Eine Verwendung von Ablösungskapitalien läßt sich in diesem Zusammenhang jedoch nicht feststellen. Abgesehen von den für die erwähnten Herrschaften nur lückenhaft vorhandenen Unterlagen waren die hier freiwerdenden Ablösungssummen nicht so groß, daß Schwierigkeiten für ihre Wiederanlage bestanden hätten. Dies mag erklären, warum Ablösungskapitalien in den vorliegenden Akten und Rechnungen oft nur dort ausdrücklich als solche bezeichnet werden, w o wegen bestehender gesetzlicher Vorschriften (Fideikommiß, Kronlehen usw.) ein Nachweis ihrer Verwendung geführt werden mußte.
814
Fürstl. Wiedisches Archiv, Schrank 6, Fach 2, Fase. 1 1 . * 1 5 Fürstl. Wiedisches Archiv, Schrank 6, Fach 9, Fase. 18 und 19. * 1 ' Amerikanische Wertpapiere traten in den Jahren nach 1860 allerdings auch bei vielen anderen Standes- und grundherrlichen Häusern in Erscheinung, wie die Aufstellung des freiherrlidien Hauses von Berlidiingen (S. 143 dieser Arbeit), die Ankäufe des fürstlichen Hauses Fürstenberg (S. 91 dieser Arbeit) u. a. zeigen. Nadi KAHN sind allein im Jahre 1865, für über 300 Mio. $ amerikanische Wertpapiere in Europa abgesetzt worden, ohne daß ermittelt werden könnte, wieviel davon deutsche Kapitalgeber übernommen haben, vgl. KAHN, JULIUS, a. a. O., S. 163. 617 Unter den neuen Besitzern sollte dieses Werk bald zu den modernsten Deutschlands zählen: 1794 wurde hier erstmals in Deutschland nadi dem Puddel-Verfahren gearbeitet. 618
B U D E R U S ' S C H E E I S E N W E R K E ( H r s g . ) , a. a. O . , S . 2 7 4 .
• 1 * Fürstl. Ysenburg-Büdingisdies Ardiiv, Abt. 1, Vb, N r . 20. 149
IV. Ergebnis der Untersuchung Für die M e h r z a h l der Pflichtigen brachte die A b l ö s u n g zunächst keine Veränderung in den laufenden Lasten. Statt jährlicher Zehnt- und Gefällabgaben an den Grundherrn mußten nun die Annuitäten an die Ablösungskassen gezahlt werden, die als Vermittler des Ablösungsgeschäftes zwischengeschaltet waren. «An die Stelle des Grundherrn w a r e n der Staat und die H y p o t h e k e n b a n k oder sonstige Kreditgeber getreten, die beide ihre Forderungen in der Regel härter durchsetzten als der Grundherr, die schwerer stundeten und leichter z u m Z w a n g s v e r k a u f schritten.» 1 Die von den Pflichtigen z u leistenden Annuitäten waren z w a r nicht zuletzt dank des in den einzelnen Ländern gezahlten Staatszuschusses und unter Berücksichtigung der bäuerlichen Ertragslage im Zeitpunkt der Ablösung so bemessen, daß die bäuerliche Existenz nicht gefährdet w u r d e , kannten aber nicht jene automatische Anpassung an die Erntesituation, wie dies z . B. bei den alten Zehntabgaben der Fall war. Hier verminderte sich die N a t u r a l a b g a b e mit der Erntemenge; soweit die Leistungen in G e l d fixiert waren, konnten sie bei schlechter Ernte und dadurch steigenden Preisen ebenfalls noch aufgebracht werden. Die Annuitätenzahlungen an die Ablösungskassen bestanden dagegen aus festen Jahresbeträgen, was bei schweren Mißernten und einer nachhaltigen Verschlechterung der Ertragslage zu einer Verschuldung der bäuerlichen Betriebe führen mußte. Dies w a r gerade in den großen v o r allem Südwestdeutschland betreffenden Agrarkrisen der vierziger und fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts der Fall*. Nicht alle Pflichtigen konnten bei der Bemessung der Ablösungskapitalien solche «Ablösungsgewinne» erzielen, wie dies speziell in Württemberg geschah, w o die um 2 j °/o z u niedrig angesetzten Preise für Naturalleistungen und der im Vergleich z u anderen Ländern niedrige Kapitalisierungsfaktor den Pflichtigen nach der Ablösung zu einer geringeren Belastung verhalfen, als sie vorher z u tragen hatten 8 . F ü r Baden w u r d e festgestellt, d a ß die Belastung der bäuerlichen Betriebe durch die A u f b r i n g u n g der Ablösungskapitalien und deren Verzinsung nicht geringer sei als in den Jahren v o r der Ablösung 4 . Gleichzeitig bemühten sich die aus der Abhängigkeit entlassenen Bauern, die ihnen nunmehr als Eigentum übertragenen Grundstücke intensiver, d. h. mit größerem K a p i t a l a u f w a n d z u bewirtschaften. N u r durch auf diese Weise gesteigerte Erträge konnte die A u f b r i n g u n g der Annuitäten erleichtert werden. KAHN sieht in der A u f b r i n g u n g der Ablösungskapitalien geradezu einen Z w a n g z u einer intensiveren Wirtschaftsweise 5 . D i e Aufhebung der rechtlichen Bindungen zwischen Grundherren und Bauern befreite den kreditsuchenden Bauern auch v o n der Zustimmung des Grundherrn bei hypothekarischen Belastungen der Grundstücke und anderen Einschränkungen, die einer Kreditaufnahme im Wege standen". A u s diesen G r ü n d e n stieg die Kapitalnachfrage der Landwirtschaft an. D a gleichzeitig auch die beginnende Industrialisierung, der Eisenbahnbau und der wachsende Staatsbedarf den K a p i t a l m a r k t bedrängten, ergab sich jene immer wieder beklagte LÜTGE, FRIEDRICH, Geschichte der deutschen Agrarverfassung, a. a. O . , S. 230. * V g l . hierzu audi HELFERICH, JOHANN, a. a. O . und DINKEL, CHRISTIAN, Ü b e r die bäuer1
lichen Kreditverhältnisse in Württemberg, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 12. Bd., 1856, S. 536 ff. s
V g l . SCHREMMER, E C K A R T , a . a . O . , S . 1 2 6 .
4
GLA, Abt. 231, N r . 1779.
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K A H N , JULIUS, a . a . O . , S . 1 2 0 .
4
V g l . COHEN, ARTHUR, Die Mobilisierung des bäuerlichen Kredits durch die Bauernbe-
freiung, in: Festschrift für Lujo Brentano zum 70. Geburtstag, München 1916, S. 93 ff. IJO
K r e d i t n o t der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert mit allen ihren Folgen. W e n n auch der Landwirtschaft in Württemberg f ü r die 1860er Jahre «dank hoher Produktenpreise und flotten Geschäftsganges Schuldenfreiheit und allgemeines Wohlbefinden bescheinigt werden muß» 7 , so kann man sicher für die ersten Jahre nach der Ablösung der Grundlasten nicht feststellen, diese habe «die K a u f k r a f t der ländlichen Bevölkerung erheblich gehoben» 8 . Zunächst galt es, den finanziellen Verpflichtungen, die den Bauern aus der Ablösung erwachsen waren, nachzukommen. Das Beispiel Badens zeigt, daß dies in einem Falle leicht, im anderen fast unmöglich w a r und d a ß damit Verallgemeinerungen selbst innerhalb eines Landes nicht möglich sind. SCHREMMER weist auch f ü r Württemberg darauf hin, daß eine auf Ablösungs- und Umwandlungsgewinnen beruhende Erhöhung des bäuerlichen Einkommens «keineswegs so stark und v o r allem nicht in der Zeitfolge anhaltend w a r , als d a ß man schon deswegen allein einen plötzlich auftretenden Nachfragestoß nach Konsumgütern erwarten durfte»'. Steuererhöhungen der folgenden Jahre maditen die Vorteile der A b l ö s u n g f ü r die Pflichtigen bald wieder zunichte. Wirken sich die Verpflichtungen aus der Ablösungsgesetzgebung bei den Pflichtigen v o r allem nach den Mißernten der Jahre 1846/47 und in bestimmten «Notstandsgebieten» Südwestdeutschlands in einem wachsenden Kapitalbedarf der Landwirtschaft aus, so zeigen die Verhaltensweisen der verschiedenen standes- und grundherrlichen Verwaltungen, d a ß die Frage, inwieweit der K a p i t a l m a r k t in Deutschland durch die Ablösungskapitalien bei den Berechtigten beeinflußt wurde, nicht eindeutig z u beantworten ist. D i e Wirtschafts- u n d Finanzpolitik der einzelnen Grundherrschaften w u r d e zu stark v o n der jeweiligen Einstellung des leitenden C h e f s des Hauses bestimmt, als d a ß allgemein gültige Aussagen gemacht werden könnten. T r o t z aller Ausnahmen lassen sich aber doch einige bei fast allen Standes- und Grundherrschaften immer wiederkehrende Tatsachen feststellen. D i e Ablösung bedeutete f ü r die Berechtigten die Mobilisierung bis dahin weitgehend unbeweglicher Abgaben und Rechte, die bisher in größerem U m f a n g höchstens verpfändet, selten verkauft werden konnten. D i e Ablösungsobligationen stellten verbriefte Forderungen dar, die am K a p i t a l m a r k t gehandelt und jederzeit in Bargeld umgewandelt werden konnten. Unter Berücksichtigung des Fideikommißrechtes und der herrschaftlichen Hausgesetze unterlag die Verwendung dieser Ablösungskapitalien jedoch gesetzlichen Bindungen, die als einzig statthafte endgültige Wiederanlage nur den E r w e r b v o n Grund und Boden anerkannten. Die Mehrzahl der Berechtigten empf a n d aus Traditions- und Standesbewußtsein jede andere Investition als nicht standesgemäß und sah somit in diesen gesetzlichen Bindungen weniger eine Beschränkung finanzieller Anlagemöglichkeiten als vielmehr einen Hinweis auf eine seit jeher geübte Selbstverständlichkeit 10 . Unterstützt in dieser Einstellung wurden die adeligen Grundbesitzer auch durch das Verhalten der wohlhabenden Schichten des Bürgertums, die gerade im Erwerb großer Güter eine erstrebenswerte Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Stellung erblickten und möglichst ausgedehnten Grundbesitz zu einer Prestige-
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DEHLINGER, G U S T A V , a . a. O . , S. 7 1 .
So GRIESMAIER, JOSEF, Die Entwicklung der Wirtschaft und der Bevölkerung in Baden und Württemberg im 19. und 20. Jahrhundert, in: Jahrbücher für Statistik und Landeskunde von Baden-Württemberg, 1. Jahrg., Stuttgart 1954/55, S. 127. 8
• SCHREMMER, ECKART, Agrareinkommen und Kapitalbildung im 19. Jahrhundert in Süd-
westdeutschland, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 176, 1964, S. 225. 10 RITTER bezeichnet dieses Verhalten als «die durdi die ständische Gesellschaft bedingte I m m o b i l i s i e r u n g des K a p i t a l s » , RITTER, ULRICH PETER, a. a . O . , S . 1 2 9 .
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frage jener Zeit werden ließen. Hinzu kam weiter die Furcht v o r dem unabwägbaren Risiko, das mit Investitionen im gewerblichen Bereich verbunden war. Der durch Auslosung oder Verkäufe von Ablösungsobligationen anfallende B a r geldbestand führte in vielen west- und südwestdeutschen Grundherrschaften zu einer Grunderwerbspolitik, die an den Vorgang des Bauernlegens in den ostelbischen Gebieten erinnert. Allerdings versuchte man nicht, den Bauern durch herrschaftliche Machtmittel zu einem Verkauf zu bewegen, sondern dieser war es sehr oft selbst, der an den ehemaligen Grundherrn mit Angeboten herantrat. Die f ü r einzelne Grundherrschaften sehr umfangreichen Verzeichnisse der nach der Ablösung erworbenen Grundstücke bestätigen, daß man bestrebt war, über die reine Arrondierung der Eigenwirtschaften hinaus zusätzlich bisher selbständige Bauernstellen aufzukaufen. Teilweise kommen dieser Politik gerade in Südwestdeutsdiland um die Jahrhundertmitte politische Ereignisse und naturbedingte landwirtschaftliche Krisen entgegen. So wird am 2. 3. 1 8 j 8 in einer Verhandlung der II. Kammer des Großherzogtums Hessen K l a g e darüber geführt, daß Standesherren und sonstige Fideikommißbesitzer den Bauernstand auskauften". Besonders im Odenwald wurde, nachdem die allgemeine Notlage selbst die Regierung veranlaßte, ganze Ortschaften bei der Auswanderung zu unterstützen, der zurückbleibende Grundbesitz in großem Umfang von den ehemaligen Grundherren erworben". Ähnlich dürfte der «Schwabenzug», der um die gleiche Zeit fast io°/o der württembergischen Bevölkerung auswandern ließ, in Württemberg reidie Möglichkeiten zum Grunderwerb eröffnet haben 13 . Noch stärker konzentriert sich das Interesse der Ablösungsempfänger auf den Erwerb geschlossener Herrschaften oder Gutswirtsdiaften, die f ü r eine rationale landbautechnische Bewirtschaftung geeignet erschienen. Die Gelegenheit, Objekte dieser Art zu erwerben, w a r gering, und mehrfach erscheinen die Unterlagen geeigneter Güter bei verschiedenen grundherrschaftlichen Verwaltungen, die sich nun gegenseitig überbieten. Aus vielen Kaufangeboten geht hervor, daß die Verkäufer sehr wohl von der Zwangslage der Käufer, Ablösungskapitalien in Grund und Boden anzulegen, wußten und eine möglichst hohe Kaufpreisforderung stellten. Scheiterten Ankäufe in der näheren Umgebung, wandte man sich, besonders wenn bereits ältere Beziehungen bestanden, dem Erwerb weiterer Liegenschaften in den östlidien Teilen Deutschlands oder in Österreich-Ungarn zu. Hier war die Auswahl unter großen Besitzungen, die als geschlossene Verwaltungseinheit leicht geführt werden konnten, größer, und darüber hinaus erschloß Besitz in preußischem oder österreichischem Hoheitsgebiet auch Verbindungen zu den Höfen in Berlin und Wien, die sich für die Tätigkeit der Mitglieder des Hauses in Heer und Beamtentum der beiden führenden deutschen Mächte als vorteilhaft erweisen konnten. Bei den Erwerbungen im engeren Bereich der Grundherrschaft traten die Standesund Grundherren nicht nur untereinander als Konkurrenten auf, sondern hatten auch gegen die Konkurrenz der Kirchen und Stiftungen zu kämpfen. Die diesen Institutionen zufließenden Ablösungssummen waren ebenfalls beträchtlich und mußten in einer A r t und Weise angelegt werden, die möglichst viele der bisher durch die Abgaben bestrittenen Aufwendungen auch weiterhin decken konnte. Dazu schien sich allein eine weitere Vermehrung des Grundbesitzes anzubieten. Die große Nachfrage von Zehntherren aller Art mußte zu einer Preiserhöhung des 11 VON MIASKOWSKI, A U G U S T , Das Erbrecht und die Grundeigentumsverteilung im deutschen Reidie, Leipzig 1882, S. 145. 11 Ebenda; ferner audi L O C H E R , H U B E R T , a. a. O., S. 170. 13
MEHMKE, R . L . , a. a. O . , S . 59.
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landwirtschaftlichen Grundbesitzes führen. Die Folgen, die sich aus der mit Hilfe von Ablösungskapitalien wachsenden Nachfrage nach Grundbesitz ergaben, beschäftigten auch die badisdie II. Kammer in ihrer Sitzung vom i. 5. 1840. Zwischen dem Finanzminister v o n B ö c k h und dem Abgeordneten v o n I t z s t e i n entspann sich ein Rededuell, das mit seinem wesentlichen Inhalt hier wiedergegeben sei14: «von Itzstein: Eine der wichtigsten Folgen der Zehntablösung wird nicht wohltätig für das Volk sein, sie besteht darin, daß eine Masse Geld in die Hände der Kirchen- und Staatsbehörden kommen wird, was alles in Gütern angelegt wird, und was die Folge haben wird, daß wir künftig statt freier Bürger bloß Pächter haben werden . . . von Böckh: Haben Sie sich etwas anderes denken können, als daß diejenigen, welche man ihr Eigentum zu veräußern gezwungen hat, sich für den Kaufpreis anderes Eigentum erwerben werden? von Itzstein: Nein. von Böckh: Haben Sie geglaubt, es werden diese Gelder eine luxuriöse Verwendung finden? von Itzstein: Nein. von Böckh: Also ist es natürlich, daß sie aus dem Erlös der Zehnten Güter kaufen. Aber sie können nur Güter kaufen, wenn sie feil sind und sie können sie auch nidit allein kaufen, denn es ist eine Konkurrenz da. Neben Staat und Kirche kaufen auch die vielen Güterbesitzer, die Grund- und Standesherren. (von Böckh begründete dann, daß er darin kein Unglück, sondern ein Glück für die arme Klasse sähe, denn nun könne sie als Pächter relativ selbständig wirken.) von Itzstein: Ein Pächter ist immer nur ein halber Bürger. Darüber hinaus sind in jüngster Zeit Käufe von einzelnen Behörden zu so exorbitanten Preisen geschehen, daß die Verkäufer gesagt haben: Was kann ich besser mit meinen Gütern machen, ich bringe mein Lebtag nicht den Ertrag heraus, den mir diese Herren geben.» Die umfangreichen Erwerbungen des evangelischen Kirchenärars, des katholischen Oberstiftungsrates und sonstiger Stiftungen, wie sie V O N M I A S K O W S K I für das Großherzogtum Baden erwähnt15, dürften in dieser Zeit einer steigenden Nachfrage nach Grund und Boden sicher nicht zu so günstigen Preisen zustande gekommen sein, daß die daran geknüpften ErtragshofFnungen in Erfüllung gehen konnten. Auch bleibt offen, ob man dort, wo nur einzelne Teile einer Bauernstelle veräußert werden sollten, der Verkäufer also weiterhin Landwirt blieb, den Kaufanträgen der Kirchen gegenüber nicht zurückhaltender war als gegenüber den Kaufgesuchen des adeligen Grundherrn, der sich als Großgrundbesitzer zum Sprecher landwirtschaftlicher Interessen und Führer des ihm wirtschaftlich näherstehenden Bauernstandes machen konnte, so daß man hier unmittelbare Vorteile erwarten durfte. Als Beispiel sei Fürst Karl von Leiningen genannt, der durch entgegenkommendes Verhalten bei der Ablösung gerade in den landwirtschaftlich armen Gebieten des Odenwaldes den Bauernstand - allerdings vergeblich - zum Verbündeten des Adels machen wollte1*. Hinzu kommt, daß die Kirche nicht die Möglichkeit hatte, vor der endgültigen Fixierung und Auszahlung der Ablösungskapitalien durch größere Kreditaufnahmen Grunderwerbungen vorzu14 Verhandlungsberidite der II. Badischen Kammer vom 1. j. 1840, zit. nach G L A , Abt 2 3 1 , Nr. 1779. 15
VON MIASKOWSKI, A U G U S T , a. a. O . , S . 1 4 5 .
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V g l . d a z u L O C H E R , H U B E R T , a . a. O . , S . 3 3 .
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finanzieren. Die Standesherren konnten mit H i l f e einer Darlehensaufnahme und der A u s g a b e v o n eigenen Partialobligationen bereits im V o r g r i f f auf die erwarteten A b lösungskapitalien Grundbesitz erwerben, als die Nachfrage nach Grund und Boden noch nicht durch die Masse der flüssigen Ablösungsgelder beeinflußt wurde. D i e Schwierigkeiten einer Wiederanlage der Ablösungskapitalien durch die Kirche machen deutlich, warum sich diese teilweise heftig der Ablösung widersetzte. In B a y e r n wurde noch 1848 in einer Eingabe des Münchner Erzbischöflichen Rats die Zehntablösung als «ungerechter Angriff auf das Vermögen der Kirche» bezeichnet, der A d e l und Kirche gleichermaßen unabsehbaren Schaden zufüge 1 7 . Staatliche H i l f e durch R a t und T a t w u r d e aus diesem G r u n d e gerne in Anspruch genommen. Diese konnte schließlich doch über den Grunderwerb zu einem teilweisen Ausgleich der Säkularisationsverluste führen, während überall dort, w o bei den einzelnen Gemeinden Fonds z u r V e r w a l tung der Ablösungskapitalien gebildet wurden, die großen Währungserschütterungen des 20. Jahrhunderts der Kirche den endgültigen Verlust dieser Kapitalien brachten. D i e Hindernisse, die einer vollständigen Wiederanlage der Ablösungskapitalien in G r u n d und Boden innerhalb weniger Jahre entgegenstanden, wurden von den Berechtigten nicht übersehen. I m allgemeinen kamen z w e i Möglichkeiten in Frage, ohne eine Verletzung der Fideikommißvorschriften die Wiederanlage in Grund und Boden z u umgehen oder zumindest hinauszuschieben. D e r erste Weg bestand darin, die auf dem Fideikommiß haftenden Schulden z u tilgen, der zweite in der vorübergehenden rentierlichen A u f b e w a h r u n g der Ablösungskapitalien bis zu ihrer endgültigen fideikommissarisch gebundenen Verwendung. V i e l e Standes- und Grundherrschaften hatten im Zeitpunkt der A b l ö s u n g eine erhebliche Schuldenlast abzutragen. In der Regel waren als Sicherheit die Einkünfte aus Zehnten und Grundabgaben verpfändet, so daß nach deren Ablösung die aufgenommenen Kredite ohne Sicherheit waren. Erst durch ein teilweise mit viel A u f w a n d verbundenes Umschuldungsverfahren mußten die Ablösungskapitalien oder die Zinsen der Ablösungsobligationen als neue Sicherheiten eingetragen werden. Die beteiligten H o f - und Privatbankiers bemühten sich dabei oft um die bestmögliche V e r w e r t u n g der Ablösungsobligationen, insbesondere waren sie auch bereit, solche Papiere z u r vorfristigen Schuldenrückzahlung anzunehmen. Dies konnte allerdings nur insow e i t geschehen, als f ü r Ablösungsobligationen bereits ein M a r k t mit regelmäßigen Kursnotierungen bestand und die Papiere sicher genug erschienen, was allgemein erst nach den von den Staaten glücklich überstandenen Unruhejahren 1848/49 der Fall w a r . N o c h 1862 sah sich M O S E R veranlaßt, hier Z w e i f e l auszuräumen: «Die w i r k lichen Grundentlastungspapiere verdienen dagegen mit vollem Recht die Beachtung der Capitalisten und sind besser fundirt als irgendein anderes Wertpapier» 1 8 . D i e Untersuchung einzelner Standesherrschaften hat gezeigt, d a ß gerade die Schuldentilgung oft vordringlich und ein Grunderwerb gar nicht möglich war, solange die Hypothekengläubiger der V e r w e n d u n g von Ablösungskapitalien zuzustimmen hatten. Besonders deutlich w u r d e dies bei den fürstlichen Häusern (Dettingen-Wallerstein, Fugger-Babenhausen und beim gräflichen Haus Fugger-Kirchberg. Es konnte sogar v o r k o m m e n , daß die berechtigten Standesherren überhaupt nicht in den Besitz der Ablösungsobligationen gelangten, sondern daß diese unmittelbar an die Gläubiger ausgehändigt wurden. So w a r e n z. B. Ablösungsobligationen aus der Fürstlich v o n der
17 Ohne Verfasser, Zehnten und Gilten und deren Ablösung, in: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, 21. Bd., München 1848, S. 579 ff. 18
MOSER, A., Die Capitalanlage in Werthpapieren der Staaten, Creditvereine und Actien-
gesellsdiaften des In- und Auslandes, Stuttgart 1862, S. 487. IJ4
Leyenschen Herrschaft Hohengeroldseck in Baden direkt an ein Frankfurter Bankenkonsortium zur Vermeidung der Sequestration zu übersenden19. Auf den zweiten Weg wurden die Empfänger von Ablösungskapitalien gerade durch das einheitliche Bestreben aller Ablösungsberechtigten, Grundbesitz anzukaufen, gedrängt. Den aus Barzahlungen und Auslosungen von Obligationen anfallenden Ablösungskapitalien stand keineswegs gleichzeitig ein entsprechendes Angebot an Grund und Boden gegenüber, so daß - um eine ertragbringende Anlage zu finden allein die vorübergehende Anlage in anderen Wertpapieren offen blieb. Dieser Weg bot sich erst recht an, als der Zinsertrag der Ablösungsobligationen hinter anderen Wertpapieren zurückblieb, und man nun dazu überging, ganze Bestände an Ablösungsobligationen gegen besser rentierende Werte einzutauschen. Als Wertpapier wurden dabei zunächst nur die Staatsschuldverschreibungen angesehen. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich dabei bei den Standesherren die jVoigen österreichischen «metalliques», die 1845 einen Höchststand von 1 1 4 % erreichten, einen Kurs, den keine andere Staatsobligation im 19. Jahrhundert je erzielte20. Offenbar galten für alle Standes- und Grundherren die warnenden Feststellungen von P O N S : «Wer sein Geld vernünftigerweise und in guten Staatspapieren anlegt, weiß dodi wenigstens, wie viele Zinsen er erhält, und wenn er nicht gerade zu dringend sein Kapital braucht, kann er im schlimmsten Fall, wenn die Staatspapiere weichen sollten, es immer mit ansehen, bis die Crisis überstanden ist. Wer sein Geld in Actien anlegt, läuft Gefahr, wenige oder gar keine Zinsen zu erhalten und sein Kapital teilweise oder gänzlich einzubüßen»81. Die auf Grund langjähriger Darlehensgeschäfte bestehenden Verbindungen der einzelnen Standes- und Grundherren in West- und Südwestdeutschland zu den führenden Bankhäusern dieses Raumes wurden durch die Auszahlung der Ablösungskapitalien in Form von Obligationen noch enger, da die Bankhäuser häufig das Inkasso der Zinsen vornahmen, Auslosungstermine wahrnahmen, als Vermittler und Interessenwahrer ihrer standes- und grundherrlidien Kunden auftraten und auf diese Weise bestens über deren Finanzverhältnisse orientiert waren. Viele standesherrschaftliche Verwaltungen haben hier das Wertpapiergeschäft kennen und schätzen gelernt und, wie zum Beispiel das fürstliche Haus Thum und Taxis, mit den Ablösungsobligationen den Grundstock für einen später beträchtlichen Wertpapierbestand gelegt. Aber auch die beteiligten Bankhäuser, vor allem das Haus R o t h s c h i l d in Frankfurt, waren daran interessiert, daß sich die Ablösungsberechtigten mit freiwerdenden Ablösungsgeldern wieder an Emmissionen von Staatsobligationen beteiligten. Welche Beliebtheit der Erwerb von Staatsobligationen erlangte, zeigt, daß vom Haus R o t h s c h i l d vor Beginn der Ablösungsgesetzgebung aufgekaufte Rentenund Grundgefälle nicht in Bargeld, sondern in Staatsobligationen honoriert wurden, die von den Standes- und Grundherren als sichere Anlage gerne übernommen und hoch geschätzt wurden 28 . Der rege Absatz von Staatsobligationen bei Standes- und Grundherren verführte den Staat dazu, sich dieser Kapitalquelle auch dann zu bedienen, wenn der Erwerb von Staatsobligationen gar nicht gewollt war. Die Klagen der Fürstlich OettingenWallersteinschen Verwaltung über das Vorgehen der bayerischen Regierung liefern 19
Fürstl. von der Leyensdies Archiv, Familiensachen, N r . 9 8 1 ° . Vgl. KAHN, JULIUS, a . a . O . , S. 2 1 0 ff. Allerdings wurden die Besitzer der «metalliques» von harten Kursverlusten getroffen, als diese Papiere infolge der Ereignisse von 1848/49 auf 5 5 - 5 0 % sanken und sich nur langsam erholten. 80
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P O N S , E . P . , a. a. O . , S . 96.
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HStaatsardi. Wiesbaden, Abt. 210, N r . 4400.
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hier ein Beispiel1*. Durch bürokratische Taktiken wurde es den Ablösungsberechtigten unmöglich gemacht, frei gewordene Ablösungsgelder anders als für den Ankauf bayerischer Staatsobligationen zu verwenden. Wenn der Staat bei der Ablösung den unausgesprochenen Gedanken verfolgte, die nun von Grundabgaben aller Art befreiten Pflichtigen seinerseits mit Steuern zu belegen, konnte er dies erst durchsetzen, nachdem die Pflichtigen ihre Ablösungsschulden abgetragen hatten, was regelmäßig zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre dauerte. Gelang es ihm aber, durch den Absatz von Staatsobligationen an die ausgezahlten Ablösungsbeträge bei den Berechtigten heranzukommen, so konnte er, wenn auch unter Inkaufnahme einer wachsenden Verschuldung, bereits jetzt von der Ablösung profitieren. Einmal von der Sicherheit der Staatspapiere überzeugt und voller Vertrauen in die monarchische Herrschaftsform, die ein Herzogtum Toskana oder das Kaiserreich Rußland solider und langlebiger erscheinen ließ als zukunftsreiche private Anlagemöglichkeiten im eigenen Land, war die Mehrzahl der Ablösungsberechtigten bereit, Staatsobligationen in jeder Höhe anzukaufen. Hatte man sich zunächst noch darauf beschränkt, den Gegenwert ausgeloster Ablösungsobligationen wieder in Staatsobligationen anzulegen, so war man bald bereit, Ablösungsobligationen zu veräußern, wenn sich dafür zinsgünstigere Staatsobligationen eintauschen ließen. Je vertrauter man mit dem Wertpapiergeschäft wurde, um so weniger war man bereit, beim Verkauf Kursverluste hinzunehmen, um so geneigter wurde man jedoch auch, gelegentlichen Vorschlägen der Bankiers oder sonstiger Finanzberater zu folgen, neben den Staatsobligationen auch andere Papiere zu erwerben. Gerade weil die Berechtigten in unterschiedlichem Umfang ihre Ablösungsobligationen bereits vor der Auslosung veräußerten, läßt sich auch nicht etwa aus den Auslosungstabellen der Gefäll- und Zehntschuldentilgungskassen - nachweisen, in welchen zeitlichen Abständen und in welchen Teilbeträgen die Berechtigten über ihre Ablösungsgelder verfügen konnten. Durch den Verkauf der Obligationen konnten sie sich jederzeit mit Bargeld versorgen und haben dies auch in dem Maße getan, wie sich günstige Gelegenheiten zur Wiederanlage der Kapitalien ergaben. An dieser Stelle muß noch auf die regionale Kapitalumschiditung hingewiesen werden, die dadurch entstand, daß die von den Pflichtigen in einem Land aufgebrachten Ablösungsbeträge von den Berechtigten über die Zeichnung von Staatsanleihen in anderen Ländern investiert wurden. Erwarben z. B. Berechtigte in Württemberg für ihre aus diesem Land stammenden Ablösungskapitalien wieder württembergische Staatsobligationen, so blieb das Kapital dem Lande erhalten und konnte damit unter Umständen indirekt auch den Pflichtigen wieder zugute kommen. Eine Analyse staatlicher Haushaltspolitik müßte zeigen, inwieweit der Staat mit Hilfe der Anleihen jene der Zeit entsprechenden Aufgaben, wie etwa die vielfachen Maßnahmen der Gewerbeförderung, finanzierte, deren Lösung von den Eigentümern der Ablösungskapitalien nicht zu erwarten war. Um die Berechtigten zum Erwerb von Obligationen des eigenen Landes zu veranlassen, waren in erster Linie ein attraktiver Zinsfuß und eine solide Finanzpolitik, die für die Sicherheit der Staatsobligationen bürgte, notwendig. Fehlten diese Bedingungen oder reichten sie nicht aus, konnte man - wie beim fürstlichen Hause Oettingen-Wallerstein — eine Verzögerungstaktik anwenden, die eine Anlage der Ablösungsgelder im Ausland unmöglich machte. Im gleichen Sinne wirkte auch die Nichtanerkennung ausländischen Grunderwerbs als Fideikommißersatz, wie sie uns beim fürstlichen Hause Solms-Braunfels begegnete, oder die Ablehnung ausländischer Wertpapiere als Ersatz bei der Auslosung zwangsdeponierter Ablösungskapitalien. In allen diesen Fällen wurde von den Berechtigten verlangt, inländische Staatsobligationen zu erwerben. Siehe S. 106 dieser Arbeit. IJ6
Sobald die Berechtigten jedoch über Ablösungskapitalien frei verfügen konnten, richtete sich ihr Interesse in erster Linie nach Rentabilität und Sicherheit einer Wertpapieranlage, so daß inländische Staatsobligationen nur noch Wertpapiere unter vielen anderen waren. Die von einigen Standesherrschaften zunächst noch erhobene Forderung, nur Wertpapiere der deutschen Bundesstaaten anzukaufen, geriet bald in Vergessenheit. Uber das Bankenzentrum Frankfurt floß ein stetiger Kapitalstrom in fast alle europäischen und viele außereuropäische Länder. Dabei ist es den internationalen Verbindungen der Frankfurter Bankiers zuzuschreiben, daß standesherrliche Ablösungskapitalien über den Anleiheweg bis nach Asien und Südamerika gelangt sind. Dem deutschen Kapitalmarkt wurden so nicht nur Kapitalien entzogen, sie gingen auch den Berechtigten durch die politischen Wirren oder andere Ereignisse bei den Schuldnern in den folgenden Jahrzehnten häufig f ü r immer verloren. Die Kapitalumschichtung zwischen den deutschen Ländern wird sich kaum vollständig erfassen lassen. Im allgemeinen wurden die Ablösungskapitalien der Standesund Grundherren am Sitz der jeweiligen Zentralverwaltung registriert, die ausgelosten Barbeträge entgegengenommen und wieder angelegt. So wurden z. B . alle Ablösungskapitalien des fürstlichen Hauses T h u m und Taxis mit Ausnahme der in Österreich angefallenen Beträge in Regensburg verwaltet und von hier aus wieder ohne Rücksicht auf das Herkunftsland angelegt; Ablösungsgelder aus der Fürstlich von der Leyenschen Herrschaft Hohengeroldseck in Baden flössen nach Frankfurt, badische und württembergische Ablösungsgelder in das bayerische Wertheim usw. Wurde von den Berechtigten mit diesen Geldern wieder Grundbesitz im Gebiet der eigenen Herrschaft erworben, so blieb — falls man sich nicht auf ein bestimmtes Land konzentrierte und in allen Ländern, unter deren Territorialhoheit die Standes- oder Grundherrschaft fiel, Grundbesitz erwarb - das Kapital dem Lande erhalten. Wurden jedoch Güter in Böhmen und Ungarn erworben, so war das Kapital für die heimische Wirtschaft ebenso verloren wie beim Erwerb ausländischer Staatsobligationen. Berücksichtigt man ferner, daß die Berechtigten große Bestände ihrer Ablösungsobligationen an Dritte weiter veräußerten, die nun als Empfänger der ausgelosten Ablösungsgelder auftraten, wird das Bild noch unübersichtlicher. Gerade die mehrfachen Verkäufe von Ablösungsobligationen süddeutscher Standes- und Grundherren an Bankiers in Frankfurt, Stuttgart und München führten dazu, daß zwischen 1850 und 1870 der Gegenwert ausgeloster Obligationen nach diesen Bankplätzen gelangte. Rückfragen einzelner Bankiers bei den ursprünglich Berechtigten, wenn einzelne Obligationen beschädigt, vertauscht oder nicht devinculiert worden waren und sich bei der Einlösung Schwierigkeiten ergaben", bestätigen, daß erhebliche Beträge der Ablösungsgelder aus jenen Gebieten, in denen sie von den Pflichtigen aufgebracht werden mußten, in andere Länder abströmten. Jedoch gehören diese Empfänger der ausgezahlten Barbeträge nicht mehr zum Kreis der hier interessierenden Berechtigten - der Standesund Grundherren - , f ü r die das Ablösungsgeschäft mit dem Verkauf der Ablösungsobligationen und der Wiederanlage des Gegenwertes abgeschlossen war. Z O R N weist bei der Behandlung der Ablösung der bäuerlichen Grundrentenverpflichtungen im rechtsrheinischen Preußen darauf hin, die Rentenberechtigten hätten die ihnen zufließenden Beträge «offenbar meist f ü r Entschuldung und Landzukauf, allenfalls f ü r den Erwerb von Eisenbahnaktien» verwendet". Sicher wird hier die Anlage von Ablösungsgeldern auf dem Wertpapiermarkt unterschätzt, jedoch
84 Belege dazu finden sich in verschiedenen standesherrschaftlichen Archiven im Schriftwechsel mit den beteiligten Bankiers.
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ZORN, WOLFGANG, Die Struktur der rheinischen Wirtschaft in der Neuzeit, a. a. O., S. 47. 1
J7
verdient der Hinweis auf die Kapitalanlage beim Eisenbahnbau besondere Beachtung. Tatsächlich tritt die Eisenbahnobligation, sei sie vom Staat für die staatlichen Eisenbahnen oder von privaten Eisenbahngesellschaften ausgegeben, neben den Staatsobligationen als bevorzugtes Wertpapier f ü r die Anlage von Ablösungskapitalien sehr stark in den Vordergrund. Spielt beim Ausbau der Eisenbahn in der engeren Heimat neben der finanziellen vor allem auch die ideelle Unterstützung solcher Vorhaben eine Rolle, wie etwa die Förderung der Schwarzwaldbahn durch das fürstliche Haus Fürstenberg, so lassen sich solche landesväterlichen Interessen bei ausländischen, ja außereuropäischen Bahnbauten sicher nicht anführen. Hier ist es allein die Hoffnung, mit einer sicheren Investition Gewinne zu erzielen, die die Standes- und Grundherren veranlaßt, erhebliche Beträge solcher Eisenbahnobligationen und -aktien zu übernehmen. Daß diese Hoffnung begründet war, zeigen die hohen Dividenden der Eisenbahngesellschaften in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens, die im Durdischnitt bei 6 °/o, in Einzelfällen bei 20 %> und mehr lagen 16 . Allerdings hat ein Teil des Adels auch in einer solchen Investition eine nicht standesgemäße kommerzielle Tätigkeit gesehen. BERGER berichtet, daß eine Bitte an den münsterländischen Adel um einen Finanzierungsbeitrag zur Eisenbahn Münster-Hamm mit der Begründung verweigert wurde, «man müsse sich sehr wundern, wie man dem Adel zumuten könne, sein Geld zu einem solchen Unternehmen herzugeben, da der Adel nur diejenigen Unternehmen befördere, weldie darauf ausgingen, das alte, sich täglich mehr auflösende patriarchalische Verhältnis wieder herzustellen» 17 . Wenn solche Ansichten sogar im niederrheinisdi-westfälischen Industriegebiet vertreten wurden, dann erscheint es verständlich, daß erst redit jene adeligen Standes- und Grundherren, die das beginnende neue technische Zeitalter aus der Abgesdiiedenheit ihrer ländlichen Residenzen beurteilten, nicht leidit als Kapitalgeber zu gewinnen waren. Die ersten Wertpapierkäufe wurden immer wieder als eine «vorübergehende» Anlage von Ablösungskapitalien bezeichnet. Bei keiner der in dieser Arbeit untersuditen Standes- oder Grundherschaften konnte jedoch festgestellt werden, daß in späteren Jahren - abgesehen von wenigen Fällen eines plötzlichen Geldbedürfnisses der Besitz und die laufende Vermehrung der Wertpapierbestände zu Gunsten umfangreicher Grunderwerbungen aufgegeben worden sind. Aus dem geduldeten Provisorium war im Wandel der Zeit eine rentable Daueranlage geworden, die bei sorgfältiger Beachtung des Kapitalmarktes, der Börsengewohnheiten, der politisdien und industriellen Entwicklung, kurz all der kaufmännischen Überlegungen, die den alten fideikommissarischen Bestimmungen und Hausgesetzen noch unbekannt waren, ebenso gut geeignet war, den alten Familienbesitz zu erhalten, wie der Ankauf und die Bewirtschaftung von Grund und Boden. Betrachtet man den bedeutenden Anteil der Standes- und Grundherren am Wertpapiergeschäft durch die Wiederanlage ausgeloster Ablösungsobligationen in Staatsund Eisenbahnpapieren, die Rückzahlung alter Schulden und die Aufnahme neuer Kredite zur Bezahlung von Grunderwerbungen, wenn die Ablösungsgelder nicht ausreichten, den Kaufpreis ganz zu decken oder nicht rechtzeitig zur Verfügung standen, dann kann man die Aussage KAHNS28 «Der Einfluß der Grundentlastung auf den Kapitalmarkt war nur von inferiorer Bedeutung» wohl in Zweifel ziehen. Nicht nur eine Neubildung von Kapital, sondern auch die Mobilisierung bereits vorhandener The Take-off . . . , a. a. O., S. 113.
26
HOFFMANN, W A L T E R ,
27
B E R G E R , LOUIS, a . a . O . , S . 3 2 1 .
18
K A H N , JULIUS, a . a . O . , S . 1 2 3 . IJ8
Werte, wie sie durch die Ablösung eintrat, konnte auf dem Kapitalmarkt nicht ohne Einfluß bleiben. Es ist anzunehmen, daß der auf Grund der politisch-militärischen Ereignisse in zahlreichen Staatsanleihen der Jahre 1848/49 zum Ausdruck kommende hohe Kapitalbedarf der deutschen Staaten gerade deshalb voll befriedigt werden konnte, weil Standes- und Grundherren bereit waren, Staatsobligationen zu übernehmen, so daß bei steigenden Kursen der Zinssatz bis Anfang der 1850er Jahre laufend zurückging. Trotz des zunehmenden Kapitalbedarfs in allen Bereichen der Wirtschaft und des Staates konnte diese rückläufige Bewegung des Zinssatzes noch bis 1865 anhalten". Die Bereitwilligkeit, größere Summen freigewordener Ablösungsbeträge wieder in Wertpapieren zu investieren, dürfte dazu wesentlich beigetragen haben. Wenn auch die Hypotheken-Pfandgläubiger befriedigt werden konnten und der vielerorts bestehende Lehensverband aufgelöst wurde, somit in den der Ablösung folgenden Jahren zwei wesentliche Beschränkungen für die Verwendung der Ablösungskapitalien nach und nach wegfielen, so blieb doch die Institution des Fideikommiß, die alle schwerwiegenden wirtschaftlichen Entscheidungen von der Zustimmung oft unverständiger oder in verwandtschaftlichem Zerwürfnis lebender Agnaten abhängig machte und so schon denkbar ungeeignet war, einen großen landwirtschaftlichen Betrieb mit allen Nebenbetrieben kaufmännisch rationell führen zu lassen; erst recht war es unmöglich, risikobehaftete industrielle Unternehmungen oder Beteiligungen unter dieser Form zu leiten. Dies mag ein Grund dafür sein, daß die Verwendung von Ablösungskapitalien für die Gründung industrieller Unternehmungen oder die Beteiligung an solchen Einrichtungen auf Ausnahmefälle beschränkt blieb. Hinzu kam oft die standesbewußte Ablehnung einer Beschäftigung mit «gewerblichen Etablissements», bei denen man weniger über Erfolge als über Zusammenbrüche, Bankerotte oder deren Folgen unterrichtet war, sowie ein begründetes Mißtrauen gegen fremde Gründer, Erfinder und Geschäftemacher, die nicht selten mit utopischen Plänen, skurrilen und gewagten Vorschlägen eine fürstliche Finanzquelle erschließen wollten. Viele fragwürdige «Unternehmer» traten immer wieder an die standes- und grundherrlichen Verwaltungen heran; versprach doch die Aussicht, einen hochherrschaftlichen Namen als Subskribenten an die Spitze einer Liste von Geldgebern stellen zu können, zahlreiche Nachfolger. «Die herrschende Schicht, . . . die Adeligen, konnten etwas anderes, recht Brauchbares hergeben, nämlich ihren Namen» 80 . So gelang es 1852 dem Erfinder Franz Gustav W o 1 f f , zahlreiche Standesherren für die «Herstellung des neuerfundenen Kraft-Maschinen-Wagens nebst einem neuen Eisenbahn-System» zu interessieren31. Als Beispiel für die weit häufigere Ablehnung wenig aussichtsreicher Unternehmungen sei der abschlägige Bescheid genannt, den die Colonisations-Gesellschaft für Centrai-Amerika und die Deutsche Seidenbau-Companie durch die Fürstlich Fürstenbergisdie Verwaltung erhielten®2. Die Auflagen und Bedingungen, die einer Verwendung der Ablösungskapitalien im Wege standen, ließen die betroffenen Standes- und Grundherren kaum daran denken, nach einer günstigen Wiederanlage dieser Gelder im Zusammenhang mit der beginnenden Industrialisierung zu suchen. Daneben waren es die engen Verbindungen mit M
Derselbe, S. 1 3 8 . L E W I N S O H N , R I C K A R D , a. a. O . , S . 3 2 .
81
WOLFF, FRANZ GUSTAV, Programm und Namensverzeidinis der respectiven Abonnenten welche zur Herstellung des neu erfundenen Kraft-Maschinen-Wagens nebst einem neuen Eisenbahn-System durch ihre Teilnahme diese beide wichtigsten Erfindungen zu unterstützen beliebten, Augsburg 1 8 5 2 . 92 F. F. A., Kapitalien, Generalia, L X I , Fase. 1.
159
den in erster Linie am Geschäft mit Staatsobligationen interessierten Frankfurter Bankhäusern, die keine Verknüpfung mit den aufstrebenden Industriegebieten Deutschlands zustande kommen ließen. «Bis 1866/70 blieb Frankfurt der erste deutsdie Platz f ü r Staatspapiere unter der Ägide des Hauses R o t h s c h i l d , unter die die Aktien nidit unterzuschlüpfen vermochten» 31 . Auch die übrigen Finanzbeziehungen der Standes- und Grundherren zu süd- und südwestdeutschen Hofbankiers und Finanzmaklern, die alle den Fürstenkredit und das Geldgeschäft mit Staatsregierungen als ihre vornehmste Aufgabe ansahen, waren nicht geeignet, das Interesse f ü r solide industrielle Unternehmungen zu wecken. Eine Ausnahme bildeten hier nur die Herrschaften, die schon immer im Bergbau and der Metallgewinnung in eigenen Produktionsstätten tätig waren. Hier wurden auch Ablösungskapitalien im industriellen Bereich investiert, allerdings ohne daß es dadurch auf die Dauer gelang, einer über bessere Produktionsbedingungen verfügenden Konkurrenz zu widerstehen. Selbst in den günstigen Standorten des Rhein-RuhrGebietes bleibt der industriell engagierte Adelige Ausnahmeerscheinung®4, zumindest zieht er sich nach kurzer Zeit aus der ihm fremd bleibenden Tätigkeit zurück, wie Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode, der die 1854 gegründete Henrichs-Hütte bei Hattingen bereits 1856 wieder veräußert88, wie Freiherr von Romberg, dessen Zeche Vollmond 1856 eine Aktiengesellschaft wird und der schließlich in den 1870er Jahren weitere Gruben verkauft®*, wie das Fürstenhaus Wied-Neuwied, das sich schon sehr früh von der bedeutenden, noch heute bestehenden Eisenhütte Rasselstein trennt, und andere mehr. Während viele Standes- und Grundherren gegen Ende des Jahrhunderts der Wirtschaft Kapitalien durch den Erwerb von Industrie- und Bankaktien sowie Industrieobligationen zur Verfügung stellten, blieb die Anlage verfügbarer Finanzmittel um die Jahrhundertmitte — und nur damals konnte es sich um Ablösungskapitalien handeln - im industriellen Bereich die große Ausnahme. Von den in dieser Arbeit untersuchten standes- und grundherrlichen Häusern bildet eine soldie Ausnahme wohl allein das Haus Fugger. Hier haben Ablösungskapitalien überwiegend für die Finanzierung industrieller Vorhaben Verwendung gefunden, jedoch erst nachdem der durch die immer eng gewesene Verbindung mit dem Wirtschaftsleben des Augsburger Raumes geschulte kaufmännische Sinn des Grafen Fugger-Glött erkannt hatte, daß ein Erwerb von Grundbesitz gerade in diesem Zeitpunkt wohl die unwirtschaftlichste Anlage der Ablösungskapitalien gewesen wäre. Die alte Kaufmannstradition des Hauses läßt sich nicht verleugnen, wenn hier statt des Umweges über Staatsobligationen und andere «sichere» Papiere sofort die Beteiligung an zukunftweisenden industriellen Unternehmungen gewählt wurde. Die Ansicht, daß der Adel beim Übergang Deutschlands zum Industriestaat «wacker mittat»®7, stützt sich auf Ausnahmen, besonders wird als Beispiel immer wieder das oberschlesische Industrierevier angeführt® 8 . Wir haben gesehen, daß die erfolgversprechende Entwicklung dieses Gebietes, auf den großen Bodenschätzen im Bereidi der eigenen Grundherrschaft aufbauend,
®® SARTORIUS VON WALTERSHAUSEN, AUGUST, a. a. O., S. 190. - Trotzdem hatte gerade das Bankhaus R o t h s c h i l d über die Refinanzierung anderer Banken auch Einfluß auf die Industrie, wie der Zusammenbruch des Bankhauses H a b e r in Karlsruhe 1847 und die damit zusammenhängende badisdie «Drei-Fabriken-Frage» gezeigt haben, vgl. Locher, Hubert, a. a. O., S. 170. M ZORN, WOLFGANG, Typen und Entwiddungskräfte 19. Jahrhundert, in: V S W G , Bd. 44, 1957, S. 64. 55 Ebenda.
® 9 K L U I T M A N N , L E O , a. a. O . , S .
62.
® 7 LEWINSOHN, R I C H A R D , a. a. O . , S . 3 2 .
®8 Ebenda. 160
deutschen
Unternehmertums
im
nicht auf die übrigen Grundherrschaften im Westen und Südwesten Deutschlands übertragen werden kann. Die kommerziellen Chancen einer industriellen Betätigung wurden in ständischer Isolation nicht erkannt. Die Ursache der Verarmung standes- und grundherrsdiaftlicher Familien liegt gerade darin, daß man bis weit in das 20. Jahrhundert am unerschütterlichen Glauben an die Bonität der Obligationen oft fragwürdig gewordener Staaten festhielt. Abgesehen von dem landwirtschaftlichen Besitz haben nur jene Häuser ein größeres Vermögen bewahrt, die nach der ersten Kapitalanlage in Staatsobligationen diese durch eine geschickte Politik zu einem möglichst breit gestreuten Wertpapierbestand erweitern konnten, in dem Industrie-, Verkehrsund Bankaktien gleichermaßen vertreten waren. Wenn überhaupt, dann erreichten die Standes- und Gundherrschaften dieses Ziel erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, das heißt, daß man sich erst Jahrzehnte nach dem Anfall der Ablösungskapitalien bereit fand, Kapitalien für einen anderen Zweck als Grunderwerb und Staatsfinanzierung herzugeben.
161
UMRECHNUNGSTABELLE
i Zollpfund (500 g) Silber = J21/» fl süddeutscher Währung = 4J fl österreichischer Währung = 30 Taler norddeutscher Währung = 90.— Mark 1 fl süddeutsdier Währung = 60 Kreuzer = 1 , 7 1 V i Mark 1 fl österreichischer Währung = 1 fl 10 kr süddeutscher Währung = 2.- Mark 1 Taler = 1 fl 45 kr süddeutscher Währung = 3— Mark Anmerkung: In der Arbeit wurden alle Zahlenwerte auf volle Gulden oder Taler auf- bzw. abgerundet. Bei den Additionen können sich daher geringe Abweichungen von den Summen der Originalbelege ergeben.
QUELLENVERZEICHNIS
Soweit keine besonderen Abkürzungen angegeben sind, werden die Quellen in der Arbeit wie hier verzeichnet zitiert. A . Staatsarchive 1. Hessisches Staatsarchiv, Darmstadt; Verwendete Bestände: Hauptkassenrechnungen 2. Generallandesarchiv Karlsruhe; Verwendete Bestände: Abt. 231 Landtag, Abt. 233 Staatsministerium, Abt. 237 Finanzministerium, Abt. 391 Forst- und Domänendirektion Z i t i e r t : G L A , Abt Nr.... 3. Staatsarchiv Koblenz; Verwendete Bestände: von Hatzfeldsdies Archiv 4. Staatsfilialarchiv Ludwigsburg; Verwendete Bestände: E 146 Akten des Ministeriums des Innern III (neue Ordnung), E 1S4 Akten der Ablösungskommission, E221 Akten des Ministeriums der Finanzen, E 222 Akten des Ministeriums der Finanzen Z i t i e r t : SFAL, Bestand E . . . , N r j . Staatsarchiv Sigmaringen; Verwendete Bestände: H o 252 I Akten der Spezialkommission (Neuverzeichnete Akten I, Nr. 7944), H o 23 5 1/VII Akten der preußischen Regierung Sigmaringen, Abt. I, Sektion V (Landeskultur und Forstsachen) Z i t i e r t : Staatsardi. Sigmaringen, H o 252 (Neuverz. A I 7944), Staatsarch. Sigmaringen, H o 235 I/VII, N r . . . . 6. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden; Verwendete Bestände: Abt. 210 Akten des Staatsministeriums, Abt. 212 Akten des Finanzkollegiums, Abt. 405 Akten der preußischen Regierung Wiesbaden Z i t i e r t : HStaatsarch. Wiesbaden, Abt , Nr.... B. Privatarchive 1. Fürstlich Thum und Taxis'sches Zentralarchiv, Regensburg; Verwendete Bestände: Akten des Immediatbüros Z i t i e r t : Fürstl. Thum und Taxis'sches Zentralarchiv, I. B., N r 2. Fürstlich Hohenlohisdies (Gesamt)Archiv, Neuenstein; Verwendete Bestände: Fürstl. Hohenlohisches Archiv, Waldenburg; Fürstl. Hohenlohisdies Archiv, Langenburg; Fürstl. Hohenlohisches Archiv, Kirdiberg 3. Akten der fürstlichen Verwaltung Hohenlohe-Öhringen, Rentamt Öhringen 4. Fugger-Archiv, Dillingen j . Fürstlich Fürstenbergisches Archiv, Donaueschingen Z i t i e r t : F. F. A . 162
6. Fürstlich Hohenzollernsdies Haus- und Domänenarchiv, Sigmaringen; Verwendete Bestände: Akten Hofkammer Sigmaringen, Akten Geheime Kabinettsregistratur, Hausarchiv Sigmaringen, Neuer Zuwadis Z i t i e r t : FAS 7. Fürstlidi Oeningen-Wallersteinisdies Ardiiv, Wallerstein/Bay. Z i t i e r t : FÖA. W. 8. Fürstlidi Oettingen-Spielbergisdies Archiv, Oettingen/Bay. Z i t i e r t : FÖA. ö . 9. Fürstlidi Löwenstein-Wertheim-Rosenbergsches Archiv, Wertheim/Main 10. Fürstlich Castellsches Archiv, Castell 1 1 . Fürstlich Waldburg-Zeilsdies Gesamtarchiv, Schloß Zeil Verwendete Bestände: Ardiivkörper Zeil nach 1806, z i t i e r t : N Z A Z , Nr Archivkörper Wurzadi, z i t i e r t : ZAWu, Nr Ardiivkörper Traudiburg, z i t i e r t : ZATr, N r . . . . 12. Fürstlidi Leiningisdies Archiv, Amorbach/Odenwald 13. Graf Görtzisches Archiv, Schlitz 14. Fürstlich Solms-Braunfelssches Ardiiv, Braunfels/Lahn 1$. Archiv des Fürstlich Waldecksdien Rentamtes, Schloß Schaumburg 16. Gräflich von Ingelheimsdies Ardiiv, Schloß Mespelbrunn 17. Freiherrlidi von Gemmingensdies Archiv, Fränkisdi-Crumbach 18. Gräflidi Neippergsches Ardiiv, Sdiwaigern/Württ. 19. Freiherrlidi von Berlidiingensdies Archiv, Jagsthausen 20. Fürstlich Sayn-Wittgensteinsdies Archiv, Berleburg 21. Fürstlich Wiedisches Ardiiv, Neuwied 22. Fürstlich Ysenburg-Büdingisdies Archiv, Büdingen 23. Fürstlich von der Leyensches Ardiiv, Waal C. Gesetze, Ausführungsbestimmungen und Sitzungsberichte Baden Gesetz vom 5. 10.1820, die Aufhebung der Leibeigenschaft und Entschädigung der Standesund Grundherren betreffend, in: Großherzogl. Bad. Staats- und Reg.Bl., Nr. 15 vom 21. 10. 1820, S. 104 ff. Gesetz vom 4. 5. 182;, die Aufhebung alter Abgaben betreffend, in: Großherzogl. Bad. Staatsund Reg.Bl., Nr. 8 vom 16. j . 182$, S. 48 ff. Gesetz vom 14. j . 1825, die Entschädigung der Standesherren für entzogene Rechte und Gefälle betreffend, in: Großherzogl. Bad. Staats- und Reg.Bl., Nr. 8 vom 16. 5. 1825, S. 41 ff. Gesetz vom 28. 1 2 . 1 8 3 1 , die Aufhebung und Ablösung der Fronden, Blutzehnten und Neubruchzehnten betreffend, in: Großherzogl. Bad. Staats- und Reg.Bl., Nr. 1 vom 6 . 1 . 1 8 3 2 , S. 9 ff. Gesetz vom 1 5 . 1 1 . 1 8 3 3 , die Ablösung der Zehnten betreffend, in: Großherzogl. Bad. Staatsund Reg. Bl., Nr. 49 vom 1 7 . 1 2 . 1 8 3 3 , S. 265 ff. Gesetz vom 10.4.1848, die Aufhebung der Feudalrechte betreffend, in: Großherzogl. Bad. Staats- und Reg.Bl., Nr. 23 vom 1 1 . 4.1848, S. 107 ff. Allgemeine Instruktion für die Schätzung der Baulasten etc. etc., in: Großherzogl.Bad.Staatsund Reg.Bl., Nr. 1 1 vom 1 J . 4 . 1841, S. 61 ff. Bayern Gesetz über die Aufhebung der Standes- und Gutsherrlidien Gerichtsbarkeit, dann die Aufhebung, Fixierung und Ablösung von Grundlasten betreffend, vom 4.6.1848, in: Gesetz-Blatt für das Königreich Bayern, Nr. 13 vom 13. 6.1848, S. 98 ff. Hessen Gesetz, die Ablösung der Grundrenten betreffend, vom 27.6.1836, in: Großherzogl. Hess. Reg.Bl., Nr. 3$ vom 16.7. 1836, S. 373 ff. Gesetz, die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren betreffend, vom 7. 8. 1848, in: Großherzogl. Hess. Reg.Bl., Nr. 40 vom 9.8.1848, S. 237 ff. 163
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164
ff.
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PREISER, ERICH,
173
Orts- und Namensregister Namen in Literaturangaben, tabellarischen Zusammenstellungen und Fußnoten wurden nicht aufgenommen.
Alt- und Neuleinigen, Graf zu $6 Altenkirchen 131 Apellationsgericht von Schwaben und Neuburg, Neuburg/Donau 105, 106, 109, m Asslar 134 Augsburg iS, 81, 84, 116
Bachzimmern 89 Baden 26, 48 ff., 60, 93, 121, 122, 123, 141, 151. 153 Ballestrem, Graf 34 Bassenheim, Graf von 56, 58, 146 Bayern 3, 62, 63, 65, 100, 102, 10$, 113, 120, IJ4 Belgien 2, 10, 17 Benedict, Gebr., Bankiers zu Stuttgart 6j, 76, 82, 104, 120, 121 Bensheimer Hof 126, 127 Berghaupten 92 Berlichingen, Freiherr von 49, 142 ff. Berlin 23, 64, 93, 96 Bethmann, Bankier zu Frankfurt 17, 76, 114. 134 Bitschin 71 Bleichröder, Bankhaus zu Berlin 96 Blumberg 87 Bödch, von IJ3 Böhmen 61, 63, 113 Boos, Grafen von 58 Breitenbach, Freiherr von 146 Buderus 134, 13$, 149 Buschtiehrad 90
Castell, Fürsten von 115 ff. Chotieschau (Herrschaft) ¿3 Cockerill, John 10, 91 Coudenhoven, Graf von $6, 58, 146 Dehrn, Freiherr von 147 Deutschland 1, 2, 6, 11, 15, 19, 20, 21, 28, 29 Dillingen 83, 8j Doernberg, Ernst Freiherr von 67 Dobrawitz 68 Dornassenheim 134
Dörtenbach, Bankier zu Stuttgart 120 Donaueschingen 93 Dürkheim-Montmartin, Graf von 110
Eibingen 115 Elb-Westindisdie-Seehandlungskompanie 22 Elberfeld-Barmen 22 Elverfeldt, von 33 Engels 15 England 2, 6, 10, 12, 16, 22, 23, 24, 28, 29, 34 Erbach-Fürstenau 146 Erbach-Schönberg, Fürst von 40 Erzberger Sc Schmidt, Bankhaus zu Augsburg 101, 104 Ettling, Mayer 126 Ettlingen 91 Fränkisdi-Crumbadi 139 Frankenstein, Freiherr von 5 6, n o Frankfurt 4, 18, 47, 157 Frankreich 2, 10, 28 Frickhofen 60 Fürstenberg, Fürsten zu 48, 52, 53, 54, 87 ff., 91, i$8 Fürstenberg zu Hedringen, Reichsfreiherr Friedrich Leopold von 33 Fugger, Fürsten und Grafen 78 ff., 160 —Babenhausen 78 ff., 8j, 86, 154 - -Glött 78 ff., Graf Fidel Ferdinand 79, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 160 — K i r c h b e r g 78 ff., 83, 154 - -Kirdiheim 78 ff., 82 Gemmingen, Freiherr von 138 ff. Georg d. Ältere von Nassau 28 Georgenhausen, Gut 126, 127, 128, 139 Georgshütte 134 Görtz, s. Schlitz Goldmann, Geh.Reg.Rat 130 Goldschmidt, Gebr., Bankiers zu Frankfurt 147 Gothaer Lebensversicherungsbank 124, 129, 138 Gremheim 84
»74
Grunelius, Bankhaus zu Frankfurt 136 Guttenberg, Freiherr von 117 Haber, Salomon Sc Söhne, Bankhaus zu Karlsruhe 82, 89, 91 Hammereisenbach 35, 89 Hardenberg 22 Harkort, Friedrich 23 Hatzfeld, Grafen von 148 Haxthausen, Freiherr von 126, 139 Heertz, Moritz 13 j Heinzelmann, Georg 81 Henckel von Donnersmark, Graf 34 Hessen 113, 12J, 129, 131, 134, 152 Himbel, Baurat 116 Hirsch, Jacob von, Bankier zu Mündien 86, 100, 1 0 1 , 1 1 2 , 1 1 3 , 1 1 6
Hohenfeld, Freiherr von $6 Hohengeroldseck (Herrschaft) 49, 15$, 257 Hohenlohe, Fürsten von 69 ff., 79 —Bartenstein 69, 72, 74, 77 - -Jagstberg 69, 74 —Kirdiberg 69, 72 - -Langenburg 69, 72, 73, 76 - -Oehringen 34, 69 ff., 71, 72, 73, 76 —Oehringen, Fürst Hugo zu 73, 74, 75 —Waldenburg 69, 71 ff., 78 Hohenzollern-Sigmaringen, Fürsten von 6 2 , 6 3 , 64, 9 2 , 93 ff., 1 4 5
Holland 10, 22 Homburg, Grafschaft 144 Horstmann 147
Ingelheim, Grafen von 58, 137 Irland 10 Isenburg, Fürst von $8 Itzstein, von 52, 153
Leiningen, Fürsten von 48, 49, 54, 121 ff., 153 —Billigheim, Grafen von 48, 12 j Neudenau, Grafen von 48, 12 j —Westerburg, Grafen von 55, 58, 146 Leitomischl (Herrschaft) 64, 6$ Leyen, Fürst von der 49, 56, 58, 110, 154, 157 Liebig, Justus von 23 Limpurg-Geildorf-Wurmbrand (Herrschaft) 131 Loew, Hofagent 133 Löffingen 87 Löwenstein-Wertheim-Freudenberg, Fürsten von 48, 54 Rosenberg, Fürsten von 48, J4, 112 ff. Ludwig I., König von Bayern 3
Maria Laach 1 1 5 Mayer, Robert 23 Metzler, Bankhaus zu Frankfurt 130 Mevissen 14, 17 Mexikanischer Bergwerksverein 4 Müllensiefen, Peter Eberhard j Mulvany, Williams Thomas 1 1
Napoleon, napoleonisches Kaiserreich 15, 21 Nassau 28, JJ ff., 131, 146 Nathusius, Gottlob j Neipperg, Grafen von 140 ff. Neuenschmitten 149 de Neufeville, Mertens & Cie., Bankhaus zu Frankfurt 86, 87, 119 Neuwied 1 3 1
Obermettingen j2 Obermeyer, Isidor, Bankier zu Augsburg 76, 1 0 1 , 1 0 4
Jannewitz 98 Johann VI. von Nassau 28 Kamphausen 17 Karlsruhe 88 Katzenelnbogen 1 3 1 Kilian, Justus 145 Kinzigtaler Bergwerksverein 92 Kirchberg 71 Koblenz 131, 132, 133 Krotoszyn (Herrschaft) 63, 64 Künzelsau 70, 75 Kurhessen-Kassel 125, 131, 134 Laucherthal 99
Oberndorf 134 Oberndorf (Herrschaft) 82 Oberschlesien 2, 34, 73, 74, 75, 76 Odenwald 121, 124, 138, 140, 152, IJ3 Oettingen-Spielberg, Fürsten von 109 ff. —Wallerstein, Fürsten von 40, 42, 47, 84, 99 fr., 1 0 1 , 109, 1 5 4 , I J J , I J 6 Oppenheim, Gebr., Bankiers zu Köln 82 Oppenheimer, Bankier zu Köln 98 Österreich 37, 62, 1J7 Ostelbien 31
Patow, von 144 Pless, Fürst von 34 Preußen 13, 16, 20, 33, 36, 62, 63, 93 Preußische Bank 12
175
Reden, Fridridi Wilhelm Graf von 34 Rheinisch-Westindische Kompagnie 4, 22 Rheinisch-Westfälischer Raum 1, 2, 16, 34, 35. Rheinland 4 Romberg, von 33, 160 Rosenfeld, Gebr., Bankgeschäft zu Stuttgart 66 Rothschild, Bankhaus zu Frankfurt 17, 66, 67, 76, 89, 95. 96, 97. 98.10°. I I 2 > XI3> I J 4. 117, 120, 136, 139, 145, 146, 147. 1 J5. 1 6 0 Ruedorffer, Erich & Gebr. von 68 Ruhrgebiet 10, 13, 34 Sachsen 1, 22, 31 Sachsenhardt 110 Salm-Krautheim, Fürst von 48 Sander, Ferdinand 130 Sayn-Wittgenstein-Berleburg, Fürsten von 144, 145, 147 Schäfer, Amtmann 148 Schaffgotsch, Graf 34 Schäftersheim 73 Schaumburg-Holzappel 56, 58, 135 ff., 149 Sdiuchardt Sc Sons, Bankhaus zu N e w York 149 Schlesien 16 Schlitz, gen. Görtz, Grafen von 125 ff. Schmidt, Ph. Nie., Bankier zu Frankfurt 8$, 87, 101, 102, 103, 104, 107, 110, 122, 124, 126, 127, 130, 132, 136, 146, 147 Scholl 147 Schrezheim 79, 84 Schwarzenberg, Fürst 113 Schwarzwald 34 Schweiz i o Simon, Ezekiel 132 Slaventzizt 76 Solms-Braunfels, Fürsten von 64, 92, 131 ff., 145, 15 6 — L a u b a c h 146, 147 - -Lieh 146 —Raifferscheid-Krautheim, Graf 29 — R ö d e l h e i m 146, 147 Stahl & Federer, Bankiers zu Stuttgart 66 Steinbeis, Ferdinand von 17, 35, 90, 99 Stetten, Paul von, Bankier zu Augsburg 83, 84 Stolberg-Wernigerode, Graf Henrich zu 160 Strauß, Veit 76 Stühlingen 87
Stuttgart 47, 65
Texasverein 149 Thaer, Albrecht 31 Thiele-Winckler, Graf 34 Thiergarten 89 T h u m & Taxis, Fürsten von 49, 62 ff., 84, 9i»92. 93. 15$. 157 Ujest 71 Usener 144
Voelcker, George 76 Vogelsang, Louis 76 Vollbracht, Direktor j8
Waghäusel 82, 92 Waldburg-Zeil, Fürsten von 49, 118 ff. - -Wolfegg-Waldsee 118, 119 —Zeil-Traudiburg 120 —Zeil-Wurzach 118, 119 — Z e i l - Z e i l 118 Waldersdorf, Graf 58 Waldmannshofen 148 Waldstein-Wartenberg, Graf 64 Weckersheim 134 Weil & Söhne, Bankgeschäft zu Hechingen 96 Wertheim 157 Westfalen 4, 33 Wetterau 128, 134 Wetzlar 131 Wied-Neuwied, Fürsten zu 58, 132, 144, 146, 147, 148, 149, 160 Wiedersperg, von (Herrschaft) 122 Wölfersheim 134 Wolff 114 Wolff, Franz Gustav 159 Wolfskehl, Moritz 130 Württemberg 8, 21, 26, 41 ff., jo, 60, 6z, 63, 65, 69, 74, 76, 93, 99, 100, 101, 102, 104, 109, I l 6 , 120, 140, 142, IJO, IJI, IJ2, I j 6 Wurzach 118
Ysenburg-Bierstein 146 Ysenburg-Büdingen, Fürsten von 144, 147, 148, 149
176